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INDIANA
UNIVERSITY
LIBRARY
• *
■** *
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~v
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MittHeilungen
aus dem
Gebiete der fiescMcMe
Liv-, Est- und Kurlands,
her ausgegeben
von der
Gesellschaft fur Geschichte und Atferttiums-
kunde(der Ostsee-Provinzen Russland^ t^«
Vierzehnter Band.
Mit 14 lithographirten Tafeln.
l*n" i KMC( i 3
Riga, 1890.
Nicolai Kymmels Buchh and lung.
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618303
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J
Inhalt des vierzehnten Bandes.
Seite
1. Das Kalandhaus in Riga und die Frieseschen Handel.
Von L. Napiersky 1— 80.
2. Die Tributpflichtigkeit der Landschaft Tolowa an die
Pleskauer. Von Fr. von Keussler 81 — 110.
3. Die Genealogie des Cistercienserklosters zu Diina-
V* munde. Von Fr. von Keussler 111—128.
tj 4. Nachtrag zur Abhaudlung uber die Tributpflichtigkeit
** der Landschaft Tolowa an die Pleskauer. Von Fr.
von Keussler 129-130.
5. Patkuliana aus dem Livlandischen Hofgerichts-Archiv.
Von H. Baron Bruiningk 131—143.
6. Ueber eine Anklageschrift gegen den Hochmeister
Paul von Russdorf aus dem 15. Jahrhundert. Von
Ph. Schwartz . . . . 145-179.
7. Zur Baugeschichte der Petri-Kirche in Riga. I. Von
J. Girgensohn 180—221-
8. Wie man in Alt-Riga Kannen goss. Von W. Stieda 222—235.
9. Kunstgeschichtliche Bemerkungen iiber die St. Petri-
Kirche zu Riga und ihre Vorganger in Mecklenburg.
Von W. Bockslaff 236—273.
10. Die Ueberreste der St. Georgs-Kirche im „Convente
zum heiligen Geiste" in Riga. Von C. von Lowis
ofMenar 274—289.
11. Urkunden aus dem Archiv der grossen Gilde zu Reval.
Von Fr. Bienemann 290—298.
Berichtigungen 298.
12. Die Ordensburgen im sog. polnischen Livland. Von
W.Neumann 299—323.
1 3. 1st Lohmuller Superintendent in Riga gewesen ? Von
L. Napiersky 324—330.
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IV
Seite
14. Der Process wegen der Hinrichtung Johanns von Dalen.
Von A. Bergengriin 331— 343.
15. Markgraf Wilhelm von Brandenburg bis zu seiner
Wahl zum Coadjutor des Erzbischofs von Riga. Vou
J. Girgensohn 344—354.
16. Ein russischer Bericht iiber die Eroberung Wendens
im J. 1577. Von G. R a thief . 355-363.
17. Die Annalen des Jesuiteu-Collegiums in Riga 1604 bis
1618. Von L. Napiersky 364-386.
18. Analecta historiae Livonicae. Von E. Wink elm ann 387—388.
19. Die Correspondenz Kdnig Gustav Adolfs mit der
Stadt Riga um die Zeit der Belagerung von 1621.
Von Arend Buchholtz 389—409.
20. Die Livlander auf der Universitat Bologna 1289—1562.
Von Ph. Schwartz 410—460.
21. Die Metropolitanverbindung Revals mit Lund. Von
R. Hasselblatt 461—466.
22. Aktenstucke betreffend die Vermittelung des Kur-
fiirsten Johann Georg von Sachsen in den Verhand-
lungen wegen Restituirung Herzog Wilhelms von
Kurland. Von E. Seraphim 467—488.
23. Zur Baugeschichte der St. Petri-Kirche in Riga. II.
Von J. Girgensohn 489—496.
24. Nachtrage zum Aufsatz „Die Livlander auf der Uni-
versitat Bologna 1289—1562". Von Ph. Schwartz. 497—501.
25. Zum Gedachtniss an Hermann Hildebrand. Von K.
Koppmann 502—514.
Berichtigungen 515.
Beilagen :
1) 6 lithographirte Tafeln zu dem Aufsatz „Kunstgeschichtliche
Bemerkungen" etc. Von W. Bockslaff.
2) 2 lithographirte Tafeln zu dem Aufsatz „Die Ueberreste der
St. Georgs-Kirche" etc. Von O. von Lowis of Menar.
3) 6 lithographirte Tafeln zu dem Aufsatz „Die Ordensburgen
im sog. polnischen Livland". Von W. Neumann.
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Das Kalandhaus in Riga und die Frieseschen
Handel.
Von L. Napiersky.
(Yorgelegt in der Sitzung vom 14. Mai 1886.)
Fur den vorliegenden Aufsatz sind hauptsachlich zwei Acten-
fascikel des aussern Arehivs des Rigaschen Rathes benutzt worden:
1) Acta in Sachen Gerdt Friesen contra senatum Rigensem in puncto
des Kalandhauses, und 2) Acta in Sachen Andreas Winnen entgegen
und wieder E. Erb. Rath der Stadt et vice versa in puncto eines strei-
tigen Hauses Kalandt genannt, allwo vormahlen an den catholischen
Zeiten die Kalandtsche Briiderschaft gewonet und von der das Hauft
den. Nahmen bekommen, — erstere hier mit Fr., letztere mit, W. be-,
zeichnet. Der in denselben, enthaltene reiche Vorrath an Urkunden,
Brief en etc. aus dem 16. Jahrhundert wird erganzt durch eine in der
ersten Acte befindliche, die Jahre 1562—1594 umfassende Registrator,
die den Inhalt vieler nicht mehr aufbehaltenen, ein- und ausgegangenen
Schriftstiicke angiebt (als Fr. Reg. bezeichnet), und durch Acten-
stucke eines in der Zeit von 1625—1637 beim Hofgerichte zu Stock-
holm gefuhrten Rechtsstreita (als Processschriften bezeichnet).
Aus dem weitschichtigen Material dieser Acten ist die nachfolgende
Darstellung der Streitigkeiten geschopft, die in der zweiten Halfte
des 16. Jahrhunderts iiber das Kalandhaus in Riga entstanden und
durch die Einmischung Konig Johanns DL von Schweden fiir die Stadt
verhangni8svoll wurden. Sie veranschaulicht die schutzlose Lage, in
welche die Stadt nach dem Zerfall der livlandischen Oonfoderation
durch ihr Festhalten an Kaiser und Reich gerathen war, die gespann-
ten Beziehungen Rigas zu Sehweden gegen Ende des 16. Jahrhunderts
und das zu einem offenen Raubkricge ausartende feindselige Verfahren
Johanns III. und einiger Landesherren des deutschen Reichs gegen
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 1. 1
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die Stadt. Die geschilderten Ereignisse als einen Beitrag zur Ge-
schichte einer rechtlosen und gewaltthatigen Zeit dem Actenstaube
zu entziehen, schien dem Verfasser um so mehr geboten, da die ein-
heimischen Chroniken fast nichts iiber dieselben enthalten.
I. Die Kalaodbruderschaft and deren Hans.
Wie viele andere Stadte Peutschlands , so besass auch
Riga im Mittelalter eine Kalandbriiderschaft, d. h. cine aus
Geistlichen oder doch vorwiegsnd aus Solchen bestehende
gildenmassige Genossenschaft 1 ). Bin Scliragen derselben ist
nicht aufbehalten, aus sp&teren Nachrichten aber geht mit
Sicherheit nicht mehr hervor, als dass die Bruderschaft
regelmassige Versammlungen zur Berathung gemeinsamer
Angelegenheiten abhielt und den Mitgliedern gesellige
TJnterhaltung in damals ublicher Weise, durch Mahlzeiten
und Trunke, bot. Da die Kalandgilden zu der hier in
Betracht kommenden Zeit sich eigentlich nur durch das
Vorherrschen von Geistlichen von frommen Bruderschaften
der Laien unterschieden, so darf im Allgemeinen angenom*
men werden, dass die Brilderschaft in Riga Zwecke der
Wohlth&tigkeit verfolgt und die Beftfrderung gottesdienst-
licher Handlungen, die den dem geistlichen Stande ange-
gehorigen Mitgliedern besonders nahe liegen musste, ge-
pflegt habe 2 ).
Die Kalandbriiderschaft kommt in Riga zuerst iifl J.
1352 vor. In diesem Jahre kaufte sie ein bei der St. Jo-
hanniskirche (hinter dem Chor der Kirche an der Ecke, wo
man nach der Bewerstrasse geht) belegenes Haus, wozu die
Genehmigung des Rathes unter dem Vorbehalt ertheilt
!) Vgl. iiberhaupt Wilda, Das Gildenwesen im Mittelalter (Berlin
1831), S. 352 ff., und hinsichtlich des Rigaschen Kalanda v. Bnnge,
Die Stadt Riga im 13. und 14 Jahrhundert (Leipzig 1878), S. 91
und 162.
*) Wilda a. a. 0., S. 344 ff. und 362 ff.
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3
wurde, dass die Briider burgerliche Lasten flir das Haus
gleich anderen Biirgern tragen, dasselbe kiinftig nur an die
Stadt oder einen Btirger verkaufen, im Fall der Widersetz-
lichkeit gegen den Rath aber es unentgeltlich der Stadt
abtreten sollten 1 ). In der bezuglichen Urkunde spricht der
Rath von dem mflglichen Falle, dass die Briider in Armuth
gerathen oder vertrieben werden sollten, was vermuthen
l&sst, dass die Genossenschaft damals als eine neugegrundete
auftrat oder noch nicht so viele Mitgliederzahlte, dass man
ihren langen Fortbestand fur gesichert hielt Das bezeich-
nete Haus ist jedenfalls der Sitz der Bruderschaft gewesen,
kann dies jedoch nicht lange geblieben sein, da es schon
seit dem JV 1385 der alte, d. h. der ehemalige, Kaland ge*
nannt wird und anderen Personen gehflrte*). Sp&ter war
die Brfiderschaft im Besitz eines anderen Hauses, von wel*
chem weiter nnten die Rede sein wird.
Als Vorsteher der Bruderschaft treten uberall, wo
Solche vorkommen 8 ), Personen auf, die wir als Geistlichc
ansehen miissen, da sie das Rradicat „Herr" erhalten und
ihren Namen nach nicht dem Rathe oder dem Ritterstande
angehflrt haben kflnnen. Die Briiderschaft hat aber, wenig-
stens in jtingerer Zeit, auch Laien zu ihren Mitgliedern ge-
z&hlt; denn es wird von zweien ehemaligen Domherren im
J. 1589 ausdrucklich bezeugt, dass Rigasche Burger an den
zu gewissen Zeiten des Jahres stattgehabten Zusammen-
kunften theiigenommen und zur Gemeinschaft gehort haben 4 ),
desgleichen nimmt der Rath in sp&teren Processschriften
dies als unzweifelhaft an. Die Betheiligung von Laien war
auch in anderen Stadten sehr gewflhnlich. Angesehene Per-
sonen weltlichen Standes traten, um der frommen Werke
der Brftder (Seelmessen, Almosenspendung) theilhaftig zu
i) Livl. U.-B. H, 944. 2) Erbebuch I, 6. 63. 212. 328. 462. 635.
8 ) U.-B. II, 944. Beil. 2 und mebrere Inscriptionen der Erbe- und
Rentebiicher. *) Beil. 17.
I*
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werden, in die Kalandgilden ein, was von letzteren begun-
stigt wurde, weil sie dadurch erhfthtes Ansehen und Aus-
sicht a;uf Vermachtnisse zu ihren Ghmsten gewannen 1 ).
Was wir sonst iiber die Bruderschaft wissen, beschriinkt
sich auf zerstreute Nacbrichten, die erkennen lassen, dass
sie nicht unbemittelt gewesen. In den Jahren 1472 und 1494
verausserte sie Hauser in der Schmiedestrasse (heutigen
Rosengasse) und in der russischen Strasse (heutigen grossen
Larmstrasse) 2 ), die wohl nicht zu ihreri Versammlungen be-
nutzt worden, sondern nur in vorubergehendem Besatz der
Bruderschaft gewesen sind. Es werden ferner der Bruder-
schaft in der Zeit von 1494 — 151.1 mehrfach Renten auf in
der Stadt belegene Hauser verkauft 8 ); diese Renten, be-
ziehungsweise die dafur gezahlten Capitalien , gehGrten je*
doch fast sammtlich nicht zu dem eigenen Vermogen der
Bruderschaft, sondern waren fur eirie Fruhmesse in der
Domkirche 4 ) bestimmt. Zum Besten dieser Messe hatte die
Bruderschaft, wie aus einer Urkunde des Erzbischofs Michael
vom J. 1503 5 ) hervorgeht, jahrliche Zahlung^n zu leisten,
zweien Vorstehern des Kalands (Conservatoren genannt) war
die Mitwirkung bei der Ernenniing eines der Geistlichen,
von welchen die Fruhmesse abgehalten wurde, eingeraumt,
auch befanden sich einige die Fruhmesse betreffende Ur-
kunden im Gewahrsam der Kalandbriider.
Da die Kalandbriiderschaft hauptsachlich aus Geistlichen
der papstlichen Kirche bestand, so liegt zu Tage, dass sie
mit der Kirchenreformation, die sich bekanntlich in Riga
besonders friih und durchgreifend vollzog, ihrer Auflflsung
entgegengehen musste. Dazu wirkten aber auch einige
durch die Reformation hervorgerufene Maassnahmen der
Stadtobrigkeit mit. Bereits in einein der ersten Jahre der
i) Wilda a. a. 0., S. 358 ff. 2) Erbebuch I, 1017. Erbebuch H, 13.
3) Kentebuch I, 262. 270. 303. 414.
4 ) Angefuluyt wird auch eine Kalandcapelle in fler Dojnkirche. U.-B
VII, 216. 5) Beil. 1.
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kirchlichen Reformbewegung wurden durch eine gemeine
Beliebung die sogenannten geistlichen Renten — Gottes-
renten und Vicariengelder werden namentlich genannt —
einer besoridern, Gliedem des Rathes und der Burgerschaft
unterstellten Casse uberwiesen, die seit dem J. 1524 unter
der Benennung „der gemeine Kasten und die Armen", „der
Kirchentresel und die Armen" oder einfach „der Kirchen-
tresel* *) vorkommt. Zum Beaten dieser Casse wurden die
Beaten, welche die Kalandbruderschaft f&r die Fruhmesse
im Dom von st&dtischen Hausern erhob, eingezogen 2 ).
Anderweitige Habe der Bruderschaft blieb gleichfalls nicht
unfengetastet. Im J. 1525 liess der Rath „aus gewisseii vor
Augon liegenden hothdurftigen Ursachen" durch Abgeordnete
d«s Rathes und der Burgerschaft das Silberger&the des Ka-
lands, welches in das Kloster der schwarzen Jungfrauen ge-
bracht wooden war, im Beisein von Vorstehern und Brudern
des Kalands inventiren, abwSgen und in einem GewGlbe, in
dem sich bereits das Geschmeide der Domkirche befand, in
Verwahrung nehmeri 3 ). Die Kalandbriider, die nach einigem
Str&uben in die Beschlagnahme gewilligt hatten, versahen
zwar den Sack, in welchem das Ger&the geborgen war, mit
ihrem eigenen Schlosse, ob ihnen aber dieses Eigenthum
i) Rentebuch I, 288. 334 385. 414 430. 441. Erbebuch II, 691.
Die angefuhrten Inscriptionen stammen aus der Zeit vom 25. Nov.
1524 bis zum J. 1538. — Ueber die im J. 1524 in Reval erfolgte
Errichtung einer ganz ahnlichen gemeinen Kiste fur die Armen
b. Fr. Bienemann, Aus Livlands Luthertagen (Reval 1883), S.
35 ff.
*) Nacbzuweisen ist dies freilich nur hinsichtlich eines der mehreren
Posten dieser Art. Nach Rentebuch I, 414 quittiren namlich die
Vorsteher des Kirchentresels im J. 1538 uber die Ablosung einer
im J. 1511 von der Kalandbruderschaft zur Yerbesserung der
Fruhmesse im Dom gekauften Rente. Dass aber auch die iibrigen
dem Kirchentresel zugefallen, wird nach der in den Stadtbuchern
deutlich ausgesprochenen Bestimmung desselben nicht zu bezwei-
feln sein. 3) Beil. 2.
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6
der Briiderschaft spater wieder ausgefolgt worden, erscheint
zweifelhaft. Bemerkenswerth ist das Verzeichniss der Ge-
rathschaften durch die betr&chtliche Anzahl der darin be-
scbriebenen silbernen und silbervergoldeten Gefasse, die
darauf schliessen lasst, dass die Freuden der Tafel bei den
Versammlungen der Briiderschaft keine geringeRolle spielten.
Nach dem J. 1525 entzieht sich die Kalandbruderschaffc
unserem Gesicbtskreise. Nicht so das Haus, in welchem sie
ihren Sitz gehabt hatte; dasselbe sollte.der Ausgangspunkt
langjahriger, fur die Stadt hflchst folgenschwerer Sttfeitig-
keiten werden.
Im Anfange des 16. Jabrhunderts befand sich die Briider-
schaft in einem Hause, das in der N&he der Domkirche an
der Schlossstrasse belegen war 1 ). In diesem Kaland be-
nannten Gebaude wurden nicht bios die Zusammenkunfte
un# Trfinke der Briider abgehalten, sondern es diente auch
als Herberge fur auswartige Geistliche, die in die Stadt
kamen 2 ). Als eine gemeine Gastgeberei oder Herberge des
Domcapitels wird es bezeichuet 3 ) und in dieser Weise wird
!) Auf diese Gegend der Stadt deutet schon der Umstand hin, dass
die Feuerebrunst -vom J. 1547 (s. unten) gerade die Schlossstrasse
und die Umgegend der Domkirche verheerte. Im J. 1568 ferner
(s. Beil. 5) wird der auf dem Platze des alten neuaufgebaute
Kaland als awischen den Hausern des Burgers Peter Wiberch und
der Wittwe Zacharias belegen bezeiehnet, im Erbebuche II, 1101
und 1313 aber ist zu finden, dass Peter Wybers im J. 1563 ein
Haus in der Schlossstrasse bewohnte und dass die Wittwe des
Peter Zacharias im J. 1553 ein Haus in derselben Strasse ver-
ausserte. Letztere konnte hiernach im J. 1568 nicht mehr als
daselbst besitzljeh bezeiehnet werden, doch mag sie noch dort
gewohnt haben oder das Haus nach der fruheren Besitzerin be-
nannt worden sein. Uebrigena kommt im Erbebuche I, 654 be-
reits im J. 1431 ein Kalandshof (des Kalandes hof) vor, der einem
Hause in der Rederstrasse (fruhere Benennung der Schlossstrasse)
benachbart war, wonach schon damals der Kaland sich hier be-
funden zu haben scheint.
2 ) Processschriften. 3 ) Beil. 17. , ■••
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es wohl yon der Zeit an, wo keine regelm&ssigen Versamm-
lungen detf Briiderachaft mehr vorauszusetzen sind, benutzt
worden sein. Um Haus utid Wirthschaft in Ordnung zu
batten, war ein Wirth des Hauses toestellt, als welcher
Melchior Schmecking und sodann der Tochtermann desselben,
Matthias (Matz) Butenholz, genannt wird.
Die Domkirche und deren Umgebung warden im J. 1547
von einer verheerenden Feuersbrunst heimgesucht 1 ). Auch
das Kalaudhaus ward damals zum grdssten Theil in Asche
gelegt, man schritt jedoch bald zu einem Neubau und zwar
wurde dieser vom Rigaschen Domcapitel unternommen *).
Letzteres liess den Bau durch den Hauswirth Butenholz
ausfubren, das nflthige baare Geld wurde von verschiedenen
Personen, theils Dopaherren, theils Rigaschen Burgern, vor-
geschossen, als Bauarbeiter aber gebrauchte man Bauern
des dem Capitel gehttrigen Gebietes Kremon 8 ). DerUmfang
des in solcher Weise im J. 1553 hergestellten Gebaudes
kann iibrigens kein sehr bedeutender gewesen sein, denn in
einem Inventar, welches die im Hause befindlichen Gegen-
st&nde nach den einzelnen Localitaten aufzahlt, werden
ausser dem Boden und zwei Kellern nur eine Dornse (heiz-
bares Gemach, bier wohl die Gaststube, das Speisezimmer)
und 4 Kammern nebst einer Vorkammer angefuhrt 4 ).
i) Mon. Liv. ant. IV, S. CXVIL
2 )Nicht genugend aufgeklart ist die Frage, auf welchen Grand hin
sich nunmehr das Domcapitel des Hauses annimmt, das doch nach
anderen Nachrichten nicht dem Capitel, sondern der Kaland-
br&detschaft als solcher gehort hatte. Am wahrscheinlichsten
durfte sein, dass, als seit der Reformation die Bruderschaft ihre
Mitglieder axis der PfarrgeistHohkeit in Riga und aus dem Laien-
stande verlor, die Domherren, die ohne Zweifel sammtlich Kaland-
bruder waren, sich aid einzige Reprasentanten der Bruderschaft
ansahen and in solcher Eigenschaft den Hausbau unternahmen.
8 ) Butenholz's Baurechnung vom 7. Septbr. 1553, Copie in Fr. Vgl.
auch Beil. 17»
4 ) Inventar vom 4. April 1572, Copie in Fr.
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8
Das Domcapitel war im Besitz des auf den Ueberresten
des alten erbauten Hauses, allein schon nach kurzer Zeit
wurden voii niebt weniger als drei anderen Seiten folgende
das Eigenthum an demselben voraussetzende Verfugungea
getroffen: '
1. Erzbischof Wilhelm Markgraf von Brandenburg ver-
lieh den Kaland initteldt einer Urkunde vom 5. Aug. 1562 *)
dem bisherigen Wirth des Hauses Matthias Butenholz und
dessen Erben gegen eine j&hrliche Abgabe von 30 Mark.
2. Bereits bei den Subjectionsverhandlungen zu Wilna
ini J. 1561 hatte die Stadt durch ihre Abgesandten die
Kalandguter als zur Kirche gehdrig in Anspruch zu neh-
inen gesucht 2 ). Als nun das Domcapitel im J. 1564 Buten-
holz den Auftrag ertheilte, Kammern iin Kaland fur einige
in Geschaften nach Riga kommende Capitelsherren in Be-
reitschaft zu halten 3 ), wandte sich Butenholz, der damals
als Landknecht auf dem Kellersacker (spater auch als
Bauernhauptmann) im Dienste der Stadt stand, an den Eath
und wurde daruber belehrt, dass ihm kein Anrecht auf das
Haus zustehe, da die erzbiscbofliche Verleihungsurkunde
von keiner Kraft sei. Er lieferte hierauf die Urkunde beim
Rathe ein 4 ) und es wurde ihm mit Rucksicht darauf, dass
er in Stadtdiensten stand, fur seine Lebtage in dem Hause
wohnen zu bleiben gestattet 5 ).
i) Beil. 3.
2) Bienemano, Briefe und Urkunden, V, S. 64 und 260. VgL Both-
fiihr, Rig. Rathslinie (2. Ausg.), S. 92.
3 ) Schreiben des Domcapitels an Butenholz vom 13. Mai 1564, Orig.
in W. und Copie in Fr.
4 ) Das Orig. befindet sich nooh in den Acten.
*) So wird der Hergang in einem Notariats-Instrument vom 24. Juli
1587 (Orig. in Fr.) und in mehreren Procesaschriffen (yon den
Jahren 1625 und 1637) vom Rathe dargestellt, anders freilich von
Friese, s. unten. :
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9
•3. Der Administrator Chodbietvitz hatte dem Decan
Jacob ifeck in Betraeht seiner besondern Verdienstfe, na-
mentlich um die Abtretung der Oapitelsguter an den Konig
voa Polen, mehrere Immobilien, n&mlich dak vom 'Fewer
verheerte eheinalige Decanat nebsfe angrenzendem Garten
und Gruttdplatz, den Kaland tind einen in der Stsdt'be-
legen^n Garten, erblich verliehen, was von K#nig Sigismuiid
August durch eine Urkttnde vom 15. Jiini 1668 *) dergestalt
bestatigt wurde, dass Meek (der inzwischen Rigascher
Castellan geworden war) und seine Erben beiderlei Ge-
schlechts das freieste Verfugungsrecht iiber die bezeichneten
Liegenschaften haben, letztere fortan niebt als Oapitelsguter,
sondern als Allode oder burgerliche Besitzlichkeiten att-
gesehen werden und von alien kdniglichen sowahl als burger-
lfchen Abgaberiund Last&n befreit sein sollten.
Welcher vol* den dreien 6ich ate Herren des Kaland-
hauses gerirenden Personen (Erzbischof, Stadt Riga und
Konig von Polen) stand nun ein rechtlichbegrfindeter An-
spruch auf dasselbe zur Seite? Erst in den Acten eines in
der Zeit von 1625—1637 beiin Hofgerichte in Stockholm
gefuhrten Rectitsstreits finden sich eingehende; Deductioneh
hieruber, die, wiewohl sie von einer Partei im Processe,
dem Rathe, ausgehen, die Frage zu klfirfen geeignet und
daher hier zu beruhren sind.
Der Erzbischof Markgraf Wilhelm — so fuhrt der Rath
in mehreren Processschriften aus — habe gar kein Ana-edit
auf das Haus besessen, das von jeher der ganzen Kaland-
gesellschaft gehdrt habe, wie der Erzbischof selbst aner-
kenne, indem er das Haus als ihm und sammtlichen Kaland-
herren und -Briidern (d.h/dem Capitel, der Olerisei auf dem
Laiide und etlichen Burgern) zust&ndig bezeichne. Ohne
Zustimmung dieser, die nie erfolgt sei, habe also der Kaland
vom Erzbischof nicht veraussert werden diirfen. Die Ur-
i) Beil. 5;
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10
konde sei femer von ihm zu einer Zeit, wo das gauze Land
(mit A^snahme der Stadt Riga) dem KOnig von Polan unter-
worfen nnd der geistliche Stand in eiiren weltlichen verr
wandelt worden 1 ), ausgestellt und ermangele der kdniglichea
Bestatigung, die damais fur alle Verleibungen gefordert
worden. Die darin beahsichtigte Schenkung sei uberhaupt
nicht zu Stande gekommen, sie sei imperfecta geblieben,
da die vom Erzbischof in Aussieht gestellte Verstiindigung
mit dem Gapitel wegen seiner Anlagen (Verwendungen)
ebensowenig erfolgt sei wie die verhiessene Ausstellupg
eines fformiichen Lehnbriefs anf Pergameat. Ueberdies be-
ruhe die Schenkung auf dem falschen Bericht, als ob
Butenholz Baukosten vorgestreckt und beim Brande werth-
voile Waaren verloren habe; denn die Baukosten seien vom
Capitel und einigen Burgern beschafft und Butenholz als.ein
armer Diener habe keine Waaren besessen. Die Urkunde
des Erzbisohofe sei daher an sich null und niehtig, wie denn
aueh der Beliehene selbst solches eingesehen und sie dem
Rathe eingeliefert habe. Die Stadt dagegen habe von der
ersten Fundation der KalandgeBellschaft an ein particulare
dominium an dem Hause gehabt, da ihre Burger mit zur
Briiderschafl; gehdrt und zu derselben contribuirt, auch zum
Wiederaufbau des Hauses Geld hergegeben batten. Nach-
dem die Stadt sich gtozlich vom Erzbischof losgesagt, die
Olerisei vertrieben und im J. 1525 sich unter den Schutz
des Herrmeisters begeben, seien langwierigs Streitigkeiten
mit dein Erzbischof und der Olerisei gefolgt, die im J. 1551
durch kaiserliche Comtnissarien solenni transaction dahin
vertragen worden, dass die Administration der Domkirche
nebst den zur Kirche gehorigen Hausern, mit aileiniger
Ausnahme der Residenzhauser der Capitelsherren, vom Erz-
bischof der Stadt iibertragen worden, urn bei derselben bis
!) Die Secularisation des Erzstifts erfolgte erst im J. 1567; s.
v. Richter, Geschichte der Ostseeprovinzen n, 1, S. 51.
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11
zur Brorterung eines allgemeinen freien christliohen Con-
eiliums zu verbleiben, wofur die Stadt dem Brzbischof und
Capitel 18,000 Mark erlegt habe. Das Ealandhaus sei kein
Residenzhaus der Canonici gewesen, ce babe zu den Kirchen-
hausern gcbdrt, die Stadt habe es, so lange die Kaland-
biroderachaft bestanden, pro parte rait besessen, duroh den
Transact vom J. 1551 aber sei es der Kirehe gaxtzlich %u-
gefallen und den Besitz babe die Stadt dadurch, daas sie
einem ihrer Diener das Wohnen darin gestattet, nicht auf-
gegeben.
Bei Vergleiehung des Inhalts der erzbischaf lichen Ur-
kunde (s. Beil. 3) ergeben sich die Ausstellungen des Bathes
gegen dieselhe meistentheila als begrundet Ziehen wir
dabei in Betracht, was sonst liber das Ealandhaus bekannt
ist 1 ), so ist wohl nieht zu bezweifeln, dass der Brzbischof
allein uber da6 Haus zu disponiren nicht berechtigt war
und die Urkunde eben. deshalb, sowie wegen ihrer andeiv
weitigen Mangel keineni Rechtstitel fur den Beliehenen ab-
geben konnte. Aber auch der Anspriwh der Stadt auf dafe
Haus wird durch das vom Rathe Angefuhrte keineswegs
begrundet. Einerseits beruht die Annahme, dass, weil
Rigasche Burger Ealandbruder gfewesen, die Stadt von
Alters her fein Miteigenthum an dem Hause gehabt habe,
auf einer willkurlichen Identificirung des Rechts Einzelner
mit dem Rechte der Stadt als solcher, atidererseits besagt
die Urkunde, auf die sich der Rath stiitzt, nicht das, was
aus ihr gefolgett wird. In dem durch Vermittelung kaiser-
licher Commissarien zu Stande gekommenen Vertrage zwi-
Bchen dem Erzbischof, dem Capitel urid der Stadt Riga vom
16L Decbr. 1S&P) laeisst eszuvdrdefist: „Woll4n di&Rygschen
em wirdiges Oapittel in alle undi jede liegende grundt,
heuser, gutter, lande und leutte binnen und ausaen Riga
!) S. oesonders Beil. 17.
2) Mon. Liv. ant. IV, fi. CCLXXXV ff. Leider ist der Text dieser
wichtigen tirktrode nnr in einer fehlerhaften Copie anfbehalten.
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12
gelegen und denselben Capittel der zeit wess (1. des) auss-
'wiohens zugang gwesen, restitiiiren und wider einsetzen,
dieaelb hinfurder zu gebrauchen und zu behalten, jedoch
pollen die Rigschen zu? aufbawung der abgebranten heuser,
weil <ter brand t per casum fortuitunrgesehelien, (add. nicht)
geha$ten,':setn." Machdem sodaim von der bei : der Stadt
verbleibeaiden Administration der Domkirche die Rede ge-
weseny heisst es welter: „Zudem solleh und mogen auch die
predicanten, pa&toren und scholmeisters und *kirchendiener
die heuser, sso zum Tumb zugehflrich und sie itzund in
wehren haben, aber bein Ttnribherri,- sondiern vioaHentieuser
sein^ und das. haus, wort nrieni itzundes h. Werislaus LeihkeB,
gelichfals \biss fcunftigen frien kristlichen generalconcilio
gebrauchen trod laewonen.* Eswird hier niehts fteiter fesfc
ge&etzt, als dass die Stadt diejenigen zui 4 Doinkirche ge-
hftrigen H&user, welche sie l>ereits als Wohnungen der
evangelischen Prediger^ Schulmeister und Kirohendiener
iimehatte, behalten solle; zu Bblchen gehifcrte aber das
Kal&ndhaua nicht, denn es war bisher vom Gapitel als
Gastgeberei benutzt ; worden, lag im J* 1551 noch in Tram-
mem, wurde sodannvom Capitel aufgebaut und erst weit
sp&ter (s. unten). von der Stadt in Bebitz getiommen* In
dem Vertrage vom J. 1551 ist demnach eine Grundlage f8r
daa Besitzrecht der Stadt hicht zu finden; man trug offen-
bar kein Bedenken, den Vertrag in einer dem Wortlatt
nicht entsprechenden We&fc zu Gunsten der Stadt zu deuten,
weil eben kein besserer Nachweis des Rechtstitels vor-
handen war. '
Was die im J. 1568 durch Kdnig Sigismund August
erfolgte Schenkung des Hauses an den Castellan Meek be-
trifft, so erkenrit der Rath an, dass der Kflnig als Nach-
folger des Brzbischofs und Oapitels nach der Secularisation
des Erzstifts die dem Capitel verbliebenen Hauser zu ver-
schenken befugt gewesen., bestreitet jedoch die Donation
aus dem Grunde, weil der Kaland schon durch den Vertrag
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13
des J&hres 1551 der Stadt zugehandelt geweeen seL Letztere
Behauptung lasst sich, wie eben erortert, nicht reehtfertigen,
ist auch von Seiten der Stadt den Erben Meek's gegenuber
nicht geltend gemacht worden. Meek aelbst, dem von Sigis-
mund August im J. 1568 das Sunzelsehe Gebiet, fruhereine
Pr&bende des Domdechanten, donirt worden war 1 ), scheint
wegen der ihm geschenkten Eigaschen Tmmobilien keine
Schritte gethan zu haben. Nach seinem Tode wandte sich
seine Wittwe Anna von Mengden an den Administrator
Chodkiewitz, der in den Jahren 1575 und 1576 vom Rathe
wiederholt nnd dringend die Einweisung der Meckschen
Erben in den Besitz forderte 2 ). Dies blieb ohne Erfolg;
als aber die Unterwerfung der Stadt unter Poleu nahe be-
vorstand und der Rath, wie er bemerkt, es nicht darauf
ankommen lassen wollte, dass ein Rechtsstreit uber ein zu
den geistlichen Giitern gehftriges Haus bei der rdmisch-
katholischen Obrigkeit in Poleu gefuhrt werde, sah die Stadt
sich gendthigt, den Meckschen Erben ihre Donation fftrmlicH
abzukaufen. Durch ( einen vom Rathe mit Anna. von Meng-
den, ihrem derzeitigen Eheinann Christoph Ricliter als Vor-
mund der Meckschen Kinder und Fromhold von Mengden
(wohl auch als Vormund) am 15. Decbr. 1580 abgeschjossenen
Kaufcontract erwarb die Stadt die dem Castellan Meek in
der Urkunde vom 15. Juni 1568 donirten Etauser und Grund-
stucke fur die Summe von 12,500 Mark, von welcher
11,000 Mark in bestimmten Terminen baar bezahlt werden
sollten, der Rest von 1500 Mark aber durch Wiederabtretung
eines Stuckes des DecanatS an die Verkaufer berichtigt
wurde 8 ).
*) Hagemeister, Materialien zur Gutergeschichte Livlands (Riga 1836),
I, S. 61.
8) Schreiben Chodkiewitz's an den Rath v.' 29. Octbr. 1575, 28. Marz
nnd 21. Juli 1576, Originate in W.
8) Eaufbrief v. 15. Dec. 1580, Orig. anf Pergament in W. und Copie
in Fr. Die letzte Theilzahlnng wurde von der Stadt am 24. Dec.
1606 an Christoph Richter geleistet, Quittung in W.
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14
Der Werth des Kalandhauses wird in Frocessschriften
auf etwa 2000 Thaler geschatzt. Auf ungefahr so viel ist
also das Opfer anzuschlagen, das die Stadt bringen ttmsste,
urn sich im Besitz zu behaupten.
Die Anspruche der Meckschen Erben wurden in solcher
Weise beseitigt, aber schon fruher als dies geschah, waren
der Stadt durch einen ihrer eigenen |$urger wegen des
Kalandhauses Verwickelungen weit ernsterer Natur er-
wachsen, die in Folgendem behandelt werden sollen.
II. Die Friesesehen H&ndeL
Butenholz, der Landknecht und Bauernhauptmann, dem
der Rath im Kaland zu wohnen gestattet hatte, starb mit
Hinterlassung zweier Kinder und einer Wittwe, die um das
Jahr 1568 den Rigaschen Burger Gerhard (Gerdt) Friese
heirathete. Da Friese in dem Hause sitzen blieb, sich auf
gutliche Verhandlungen nicht einlassen wollte und gericht-
lichen Weisungen zur Raumung des Hauses keine Folge
leistete, so nahm der Rath das Haus, das inzwischen von
Friese einem Dritten vermiethet worden war, in Besitz, liess
im J. 1572 durch den Secretair Tastius im Beisein zweier
Burger alle daselbst vorgefundenen Sachen inventiren und
benutzte es fortan als Predigerwohnung *),
Friese war wahrend der Einnahme des Hauses durch
den Rath abwesend, iiber seine damalige auswartige Thatig-
keit aber liegen ei^ige Nachrichten vor, Ein eidlich ver-
nommener Zeuge deponirt vor Gericht, dass Friese um diese
Zeit dem Herzog Magnus in Oberpahlen und den Russen
*) Processschriften. Inventor vom 4 April 1572, Copie in Fr.
Ausser verschiedenem Hausgerath, Kleidungssttieken and Bettzeug
kommen im Inventar attch sine Tonne voll Biicher und zwei
Beutel mit Briefen (wohl das ArcMv dea Kalands), desgleichen
eine Tonne mit Buchsenpnlver vor.
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15
verboteiie Waaren, als Biichsen, Stangen, Mundstiicke und
was sonst <len Hofleuten dienlichj zugefuhrt, darauf mit den
Russen in Dorpat viel Verkehr gehabt und endlich mit
Gesandten des Herzogs Magnus sich nach Moekau begeben
habe 1 ). Friese selbst f&hrt in einer Supplication an den
Kftnig von Schweden 2 ) an, er habe im J. 1571 grossen
Schaden bei den Russen gelitten, ohne die Execution eines
gewonnenen Urtheils erlangen zu kdnnen, daher er "bei seiner
RCickkehr auf Zulass einiger von Chodkiewitz dazu ver-
ordneten polnischen Castellane etliche Russen bei Neuer*
muhlen angehalten (d. h. uberfallen) nnd ihnen eine Summe
Geldes abgenommen habe, die Rigischen h&tten ihn jedoch
in Bestrickung genommen und gezwungen, den Rnssen das
Geld wiederzugeben und Schadenersatz zu leisten. Als
Parteigangerei und Wegelagerung wird hiernach sein bis-
heriges Treiben zu bezeichnen sein. Denselben Charakter
tragen auch die sein ferneres Leben ausfiillenden, gegen die
Stadt Riga gerichteten Unternehmungen, in welchen er den
Schutz Kflnig Johann's HI. von Schweden genoss; ehe aber
hierauf eingegangen werden kann, ist eines 10 Jahre zurSck-
liegeiiden Vorganges zu gedenken, den Friese zur Fdrderung
seiner Zwecke mit Erfolg zu benutzen wusste.
Herzog Johann von Finnland, Kflnig Erichs XIV. von
Schweden Bruder, bewarb sich im J. 1562 um die Hand
der polnischen Prinzessin Catharina, KSnig Sigismund Au-
gusts Schwester. Er begab sich im Sommer d. J. uber
Danzig nach Kowno, wo die Verlobung, und nach Wilna,
wo die Vermahlung (am 4. Octbr.) vollzogen wurde. Die
Ruckreise sollte uber Riga geschehen; allein noch vor An-
kunft der Neuvermahlten erhielt der Rath von Sigismund
*) Protocoll vom 23. Juni 1575 uber das vor dem Gericlitsvogt
Evert Gotte abgelegte Zengniss deB Rigaschen Burgers Matthias
Flogel, Copie in W.
2 ) Copie in Fr. und Fr. Reg. z. Jahr 1575;
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18
August ein Schfeiben vom 18. Octbr. 1562 *), in welchem
der K6nig verlangte, dass weder sein Schwager, der Herzog
Johann, noch irgend Jemand aus dessen Gefolge in die
Stadt aufgenommen werde, da die Herrschsucht Erichs XIV*
und dessen feindliches Verhalten gegen ihn, den Kflnig, dief
grtfsste Vorsicht rathlich inachten. Die Unterwerfung der
Stadt unter die Krone Polen schien damals, wo das Land
sich bereits Polen angeschlossen hatte, nur noch eine Frage
der Zeit zu sein und der Bath glaubte sich nicht in der
Lage, dem Ansinnen des Kdnigs zuwiderzuhandeln. Dem
Herzog wurde daher der Eintritt in die St&dt nicht gestatj;et;
er musste sich, nachdem er am 24. Octbr. eingetroffen war,
anfangs auf einem. Hole jenseit der Duna und sodanp in
einem in der Vorburg belegenen Hause aufhalten. Yon
dort brach er am 14. Novbr. auf und kehrte uber Pernau
ijnd Reval, wo er mancherlei Widerwartigkeiten, in Reval
sogar Mangel an Lebensmitteln erduldete, nach Finnland
zuriick 2 ).
Die allgemeine SJtte forderte damal$, dass durchreisende
hohe Personen von Spiten der Stadt feierlich empfangen und
bei jangerem Verweilen durch Festlichkeiten geehrt wurden.
Dass nun dem Herzog Johann und seiner GemahKn nicht
einmal das Betreten der Stadt gestattet wurde, inusste all-
gemeines Aufsehen erregen und es begreift sich, dass der
Herzog darin einen ihm persdnlich angethanen Schimpf er-
blickte, auch wenig geneigt sein mochte, dem Rechnung zu
tragen, dass die ihn krankende Behandlung nicht sowohl
von der Stadt selbst, als von seinem eigenen Schwager Konig
Sigismund August ausgegangen war. Vorerst freilich war
*) Beil. 4. Das Schreiben wird vom Rathe als ein mit dem Daumeh-
ring oder Handpetschaft des Konigs versiegelter geheimer Brief
bezeichnet.
2 ) Vgl v. Richter, GescMchte der Ostseeproyinzen II, 1, S. & und
ausser den daselbst angefuhrten Quellen Jiirgen und Caspar
Padels Tagebucher (Mitth. XIH), S. 358 und 369.
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Herzog Jobann langeire Zeit hindurch ausser Stande, dieser-
halb irgend welche Vergeltung zu uben; denn bald nach
seiner Ruokkebr nach Finnland gerieth er in ofienen Krieg
mit seinem Bruder Erich, wurde im J. 1563 gefengem ger
nommen und nebst seiner Gemahlin auf dem Schlosse Grips-
holm in Haft gehalten, aus der er erst im J. 1567 Befreiung
erlangte, nm in Gemeinschaft mit Herzog Carl von Siider-
mannland den in Xrrsinn vef fallenen Erich XIV. zu sturzen
und im J. 1568 den schwedischen Thron zu besteigen 1 ).
In Riga war mafi bald nach Johanns HI. Regierungsantritt
nicht in Unkenntniss uber dessen Gesinnung gegen die Stadt
Iin April 1572 hatte die Burgerschaft grosser Gilde bdse
Zeitting ans Schwedeit erhalten und schlug vor, einen Boten
nach Schweden zu senden, um Entschuldigungen anzubringen
und sich daruber zu vergewissern, wessea man sich von
Seiten dea Kflaigs zu versehen habe 2 ). In seinen in der
Folge an die Stadt gerichteten Brlassen vermeidet zwar
Konig Johann die auedruckliche Erw&hnung des unliebsamea
Vorganges vom J. 1562; wenn er aber in einem derselben
von den ihm durch die Stadt zugeffigten Injurien spricht,
die er nicht unger&cht lassen wolle 8 ), so kann dies doch
schwerlich auf etwas Anderes bezogen werden. Ferner wird
von Kaiser Maximilian in einem Schreiben an Johann vom
9. April 1576*) geradezu von der Nichteinlassung des
Herzogs in die Stadt als von dem Grunde seiner Feindschaft
gegen dieselbe gesprochen, in sp&teren Processschrifteu des
Rathes aber wird es als notoriseh hitigestellt, dass dieviej:-
fachen feindseligen HandluAgen Konig Johanns gegen die
Stadt Ausflusse seiner Rache fBr jene Krankung gewesen.
Auch in einem aus dieser Zeit aufbehaltenen, von den vor-
geblichen Ursachep der Feindschaft Kftnig Johanns han-
*) Vgl. Geijer, GescMchte Schwedens, ubers. voa Leffler, Bd. II
(Hamburg 1834), S, 162 ff.
2 ) Aeltermannsbuch (Mon.; Liv. ant. IV.), S. 214.
»)Beil. 7, 4)BeiL 8.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 1, 2
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18
delnden Anfeatze 1 ) iirtrd dieser Grurid ate dor hanptsachltehsfce
vorangertfellt. Ansserdem soli der Kiting der Stadt hoc*
Vorgetforfen baben: sie habe Freibeuter des tflnigs von
Polen, die im *L 1572*) ein ScHitf aus deia Revalschen
Hiftrii heimlich Treggefahrf, nteht mit dem Tode besiraft
und dfo von iimfen geraubten Guter den Eigenthflmetfn nieht
ausgeliefert; die Rigtedhen hatten, als Reval von Herzog
MagnuB belagirt ttotden (im Winter 1670/71), den Belagerera
Proliant lind andere Bed&rfnisse zugef&hrt; fluchtige Ri-
gi&che Blirger h&ttieA sieh b£i ihai (dem Konig) liber 'Feff-
liiste beschwert, die sie d&rch die Rigischen erliifen; einer
schwedii&heitGesandteohaft nacfc Polen sei bd ihrekn Diircb-
auge durch Eirchholm feein eb?enroller Empfeng zu Thell
gewotfden* Nur der eraterwUhnte Bandel, die Freibeuter-
Affaife vom J. 1572, findet sich in der (freflich nicht voll-
aUndig atrfbehaltenen) Correspondenz des Konigs mit der
Stadt angeftflirt; hinstcHtlich aller obgedachten Vorwiirfi
aber ist nichts N^heree bekannfc und es mites dabiiigesteQt
bleiben, ob sie irgend einen Grand gehabt oder nur hervor-
gesueht warden^ tan. die Vergehungen der Stadt gegeii den
Kdnig mflglichst zahlreich erseheinen zu lassen.
Deft gras&ten Einfluss anf die Regierung Schwedens
unter Johann HI. besass Herzog Carl von Slidermannland 8 ).
Von ihm erwirkte I?riese schon im J. 1573 ein Ffirschreibett
an den Rath 4 ). Im daratif folgenden Jahre ricbtete er eim
O&such an den E6nig selbst 5 ), in welehem er anfuhrte^ sein
"tbrfafcr Baienholz habe das Ealandhaus nach dem Brande
atif eigene Kosten tvieder aufgebaut und vom Erzbischof
Markgrgf Wilhelm durdb. ftjrmliohe Urkunde geschenkt er-
2 ) Der Aufsatz (Beil. 6) hat die Jahrzahl 1573, aus anderen oft-
maligen Erw&hnungen dieses Vorgangeg gekt jedoch hefrvoiy dass
die Wegfiihrung des Schiffes im J. 15-721 stattgefttaden.
3) Geijer, Geschicfcte- Schwedens, II, S. 20&
4 ) Ft. Reg. zum letzten Marz 1573. 5 ) Copie in' Ff.
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hatteh, der Rath aber habe dem Butenholz den Donations-
brief unter dem Vorgeben, dass er ihn bekr&ftigen und
verbesserh wolte, abgelockt; nachdem er, Priest, in die
Erbschaft des Hauses*) getreten, s'di dasselbe in seiner Ab-
wesenheit vom Rathe eingenommett worcteln tmd habe er
weder Hans nodi Brief wiedei-erlangen kdnnen. In einem
hierinf an den Rath erlassenen Schreiben vom 25. Jul*
1574 2 ) erklarte Kdnig Johann zwar im Birigange, dass ihm
von dieseni Handel ausser dem Anbringen Frifcseff nichts
berftrusst sei, liesfc sich aber dennoch auf eitie Erdrterung
der Sache ein nnd stellte schliesslich das Verlarigen, dass
dfer Rath semen Mitbiirger Friese entweder in ruhigem Be-
&t% des Hausetf Ias^e Oder ihm eine gebiihrliche Ergdtztrog
dkfiir zufeesteh&. Dei- Rath gab dem Herzog ! so^ohl ah
deni Ktfnig Erklarun^en fiber den Sachterhalt ab 8 ) und da-
mit fcchienen die in Schweden angebrachten Gesuche vov
dtol Hand erledigt. Friese! erlangte dann noeh Von Kaiser.
Matimilian II. ein seine Zufriedenst&Iung empfehlendes
Schrfeibein an den Rath vom 25. Octbr. 1574*), das jedocfc
dfcm Rathe erst am 2. Juiri des folgefcden Jahrfcs zuging 6 )..
In eihem aus Stockholm vom ' 20. Mai 1575 dfttirten
Bb*ierfe^ zeigte demnachst Friese dem Ratthe an, dass er
*) Butenkolzs Brben waren dessen Wittwe und Kinder, Friese soil
jedoch (nach spatereh Processsehriften) mit der Wittwe eine Bhe-
stiftting erriehtet haben, nach welcher er in dem yaterlichen Hause
seiner Ehefrau sitzen bleiben sollen.
«) Orlg. in Fr.
s) Notiz uber die dem Herzog gegebene Antwort in Fr. Reg. und
Copie des Antwortschreibens an den Konig m W.
*) Orig. in Fr. nnd Oopie in W.
6 ) Die auffallend spate Zustelhmg des Schreibens an den Rath er-
klart sich dadurch, dass dergleichen in Privatsachen erlassene
Schreiben nieht anf amtlichem Wege befordert, sondern den Sup-
plieanten ausgeMndigt wnrden, welche sie dann zn einem ihnen
giinstig erscheinenden Zeitpnnkte den Adressaten zugehen liessen.
6 )Orig. in Fr. *
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seinen geleisteten Burgereid, da man gegen ihn wider alle
Billigkeit verfahren sei, aufkiindige und sein Gliick durch
andere Mittel und Wege versuchen wolle. Worin diese
bestanden, sollte bald offenbar werden. Dem Rathe ging
ein Sohreiben Konig Johanns zu, in welchem verlangt
wurde, dass der Rath den Kflnig wegen der darin aufge-
zahlten Vergehungen (Injurien) binnen eines bestimmten
Termins „ durch einen gebiihrlichen Abtrag versdhnen" solle 1 ),
Durch eine Gesandtschaft an den Konig hoffte man diesem
Ansinnen begegnen zu kGnnen. In den ersten Tagen des
Juli-Monats wurden die Rathm&nner Dr. Alexander Kdnig
und Eberhard von Carpen, versehen mit einer Instruction
und beziiglichen Actenstucken , einem Credenzbrief an den
K6nig und besonderen Schreiben an die Kdnigin Catharina
(in lateinischer Sprache), an Herzog Carl und Graf Peter
(Brahe?) nach Stockholm abgefertigt 2 ). Dieser Schritt war
jedoch von einem vdlligen Misserfolg begleitet. Die Ge-
sandten scheinen gar kein Gehdr beim Kdnige selbst erlangt
zu haben 3 ) und Letzterer erliess am 17. August 1575 ein
jede Aussicht auf ,eine friedliche Verst&ndigung abschneiden-
des Schreiben an den Rath 4 ). Der Ktinig spricht in dem-
selben seine Verwunderung daruber aus, dass der Rath 7
statt seiner Forderung stracks nachzukommen , sich noch
x ) Das Schreiben selbst ist nicht attfoehalten, der Inhalt wird aber
in dem spateren Schreiben Johanns vom 17. August 1575 (Beil. 7)
angegeben. Datirt muss es vom Mai 1575 gewesen sein, wie aus
dem in der Beil. 8 mitgetheilten Schreiben Maximilians XL her-
vorgeht.
2 ) Fr. Reg. zum 1. und 2. Juli 1575. Ebendaselbst werden auch
Antwortschreiben Herzog Carls und der Konigin vom 10. Octbr
angefuhrt. — Die Acten der Gesandtschaft sind leider nicht auf-
behalten.
3 ) Nach Fr. Reg. berichteten die Gesandten, dass der Konig den
Hofrath Andreas Kerten und Wenceslaus Herold zur Unterhand-
lung mit ihnen und der Stadt bevollmachtigt habe.
4) Beil. 7.
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unterstanden habe, sich vertheidigen zu wollen. Der Rath,
heisst es darin ferner, habe die Gesandtschaft nur abge-
fertigt, um seiner alten Gewohnheit nach durch List und
Betrug die Sachen hinzuziehen. Es ware dem Ktfnig nicht
zu verdenken gewesen, wenn er schon vorlangst init Gewalt
zu Wasser und zu Lande Gebuhr und Abtrag erzwungen
h&tte. Aus Rficksicht auf die unschuldige Burgerschaft
wolle er damit bis zum n&chsten Michaelisfeste noch an-
halten; falls bis dahin ihm nicht init 100,000 Thalern ohne
weitere Ausflucht Abtrag gethan, desgleichen dem Bonnus *)
und dessen Ge&hrten Schadenersatz geleistet und Gert
Friese zufriedengestellt worden, so wolle er sich an den
jetzigen Vorschl&gen nicht mehr genugen lassen, sondern
werde mit Ernst darauf bedacht sein, solchen Schimpf nach
eigenem Gefallen zu r&chen. Jeder V^rzug werde mit noch
schwererer Ungnade vergolten werden, mittlerweile aber
solle den Gesandten die Abreise von Stockholm nicht ge-
stattet werden, bis die Sache in obbeschriebener Weise ihre
vollige Endschaft erreicht habe. — Priese selbst schickte
dieses Schreiben verschlossen einem seiner Freunde in Riga
ein und beruhmte sich zugleich grosser Protection (For-
derung, d. h. Befbrderung) abseiten des Kdnigs 2 ).
Den Gesandten der Stadt gelang es, gegen Leistung
einer Caution und durch Intercession des schwedischen
Reichsraths, der die allem vftlkerrechtlichen Brauch zuwider-
laufende Festhaltung der Gesandten nicht gebilligt zu haben
scheint, die Erlaubniss zur Riickkehr nach Riga zu erlangen 8 ).
x ) Ob der hier genannte Bonnus mit dem aus der Geschichte der
Barbara Tiesenhausen (1553) bekannten Franz Bonnius, der noch
zu polnischer Zeit ein kuhner Parteiganger in Livland war (s.
Schirren in der Baltischen Monatsschrift XXVO, S. 6—8), iden-
tisch ist, diirfte schwer festzustellen sein.
*) Fr. Reg. zum 18. August 1575.
8 ) Es liegt hiertiber folgender Passus einer Processsehrift des Bathes
vor: „Es seindt auch der Stadt Abgesandte contra jura
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Gegen die Forderungen und' Drohung0n des Konigs musste
von der Stadt bei Kaiser und Reich Schuta gesucht werden.
Rath und Geweine wandt&n sich an Kaiser Maximilian' 1L,
der den KQnig unterm 9 f April 1576 1 ) enpahnte, vpn feind-
lichen 5edrohungen der Stadt, die man von andtfren Naoh-
barn nieht gewohnt sei, abzustehen und Klagen, die ear fur
seine Person odor Andere gegen die Stadt zmhaben glaube*
auf ordentlichem Wege zu verfrlgen* Von Whrki#ig war
die kaisejlicijie Mabnung niobt,' denn; Anfeflgs Juli qrsGtdenen
schwedische Kriegsschiffe an der Munduug der Puna, derea
Mwnsicbaft am 11. Jitfi in de> NHhe der Weidq Raub und
JJrandstiftung an dortigen Beaitzlichkeiten yerixbte 2 ).
Inzwischen' hatte sich Friese mit einem Burgee I^ubecfcs,
JSamens Melehior Gunth^r, der vom Rig£$chen Rathe Ersate
fur ein im.J, 1572 von Fredbeutern ai^ Reval pjach Riga
gebrachtea Schiff nebst Waaren fordern zx\ kpijnen glaubte,
weil der Rath die |tq,uher au&der Haft entlaggei* und. die
Vertheiluog der geraubten Gut^r ejlaubt babe, zu, gemein-
saiwr Action verbundet. Bqide kamen wttel&t fines ^
gtocjkiiiolm im Mai 1576 vor Zeugen abgeschlossqnen Ver-
gentium in de* Jlerberge arre$tieret und angehfrlten und 400,000
thaler yon ibnen gefbdert worden und jist ihnen bei boher* Straff
verbotten, einen fufl aus der tjiiiren zu setzen, bi($ sie endlich
Caution auf 100,000 thaler geleistet hatten, die helffte zu Stock-
holm alsbald, die andere 50,000 thaler innerhalb 4 oder 5 Monaten
zu Riga zu erlegen, uhd sint entlich nach langwiriger betriibntia
und hertzeleid noch kaum durch intercession un<L bearbeitung cLes
Reichs senats (1. Reichsraths) nach hause dimittiret." — Nach
Reckmanne Biarium {Archiv IV, S. ?77), wo die Namen, dw Ge-
sandten arg verstummelfc sind, kehrten dieselbsn an* 8. Qctbr.;1575
zuriick :und bracfcten andere. (schwediscbe) Grenandtec^ mifc> #e die
Sache jvertragen eollt^n, aber auj?h incuts ausricbteten.
*)Beil. 8. , j , -.--•
2) Jiirgen und Caspar Padels Tagejwcher (Mitth. XXH), S. ft73, ;Ygl.
Rnssow, Bl. 93 b (8er. rerum I4Y. IJ, S. 112); Hiaern (Afon. liv.
ant. I), S. 297; Kelch, S. 339.
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as
trages*) tfcberein, dass Einer dee Andejii Sache gleich seiner
selbsteigfcnen, wo und wie das am fuglichfiteti gesohehen
ktfniite odor mfcckte, mtt ausfubren, beftfrdern, verricbten
und ein Jeder alle»tbalben des Andern Be»tee wahrnehmen
solle. Fortan treten dfeselben feusammen 'auf tind Melohior
Gunther wird vbm Ktfnige ih gleicher Weise wie Frieee
begunstigt
Jotann HI. schritt nun ziir Verwirklichung seiner
Drohungen. Am .8. Febr. 1577 ertheilte er iViese und
Gunther einen offenen Brief 8 ), durch welchen er Beide,
weil sjch die von Riga seines Drmahnens ungeachtet in
keinen "Vertrag mitihnen hatten einlassen wollen, in seineii
Schutz und Schirmnahm und andere totentaten iind Herren
ersuclite, ihneh die Ausiiburig des juS' sistendi (!) oder der
Repressalien, d. i. die Anlegung von Arresten auf der
Rigischen Personen und Guter, zu gest^tten, im JFaU^ des
Protestes aber die von Riga an ihn, den Kfl^ig, zuver-
weisep, der gegen Jedemami naoh Becht pud BUKgkaft zu
verfehren erb&tig sei. Darauf folgte im JunMfonat des-
selben Jahrea die Ausstellutag von Eaperbriefen 8 ), deren
Inhabern Vollmdcht gegeben toirde, Gfiter der Rigisdhen,
wo sie dieselben in der Ost- oder Westsee treffen wfirden,
anzugreifen, um ScliadlosWtung sowohl fx^r die Einbussen
Privater, als fur die dem Ktinige zugefugten Beeintrach-
tigungen (Frevel, Hohn und Ueberaroth) zu erlangsn. Aus-
w&rtige Herrgcher wurden zugleich in diesen Briefen er-
smcht, den Dieneni und Helfera des K&nigs, &lls sie durch
Utaretttr oder frdtfiffiff in fremde Lander oder Fahrwasser
gelangen sollt^n, freie Hand; zu lasseji und ibrien in froth-
f4Uen ajlen ^Beistand zu leister Aijf Brsijicien Johanns
erlieas fpr^er Edzard Gr$<f vo» Ostfried^nd, ei,n Sehwager
»)Oopie. in W. *)Beil. 9. ;
*) Des Formula eines eolchen §- in def Bell. 11.
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24
Johanna 1 ), 'am 29. April 1577 an alle B&ne Untergfebenen
den Befehl 2 ), auf Frieses oder seines Anwalts Ansuchen
Bigische Guter oder Burger Rigas, die in dee Grafen Lan-
den, Hafen oder Strdmen angetroffen wetiien soli ten, an-
zuhalteti nnd Friese Eecht widerfahren zu lasseii. Die
ansgereiehten Sehutz- nbd Kaperbriefe Johanna wnssten
endlich Friese und Gunther noch weiter auszunutzen; indent
sie dieselben bei andeyen Landesherren beibraphten und auf
diesem Wege von Heinrich, postulirtem Brzbischiof von
Bremen und Bischof von Osnabruck, einen dem ebenan-
gefiihrten des Grafen Edzard ganz ahnlichen Arrestbrief
vom 15/Octbr. 1577 8 ), sowie von Christofer, Administrator
des Stifts Ratzeburg und Herzog von Mecklenburg, einen
eben solchen vom 27. Juni 1578 4 ) erwirkten. Auf die Mo-
*) Edzard II. hatte sich im J. 1559 mit Catharina, der altesten
Tochter Gustav Wasas, yermahlt. Geijer, Geschichte SchwedenSj
II, S. 135.
&)Beil. 10. — Friese, der Rigascher Burger ! gewefeen war, wird hi
diesem Erlasg «owohl als in einem den Bath fcur Zufriedenetelhmg
Frieses ermahrienden. Schreiben Edgards torn L Aug* 1577 (Orig.
in Fr.) des Grafen angebomer Unterthan. genannt, eine, Be*-
zeichnung, zu der yielleicht nur <Jer Name Friese und das Be-
etreben , dem Verfahren des Grafen den Anschein des seinem
eigenen Unterthan ertheilten Rechtsschutzes zu geben, den An-
lass bot.
3 )Beil. 13. — Erzbischof Heinrich von Bremen geh6rte dem Sachsen-
lauenburgsehen Hause an. Gustav Wasas erate Gemahlin Catha-
rina , die Mutter Erichs XI Y., war eine Herzogin von Sachsen-
Lauenburg, und Sophia, eine Schweater Johann's III., verm ahlte
sich im J. 1568 mit Herzog Magnus IIL von Sachsen-Lauenburg.
S. Geijer, Gesch,. Schwedens II* S. 94 und 136 Anm.
4 ) Beil. 14 — Herzog Christof von Mecklenburg war von 1556— 1563
Coadjutor des Frzbisehofs von Riga. Ueber seine Wahl zum
Coadjutor, sein Yerhalten als solcher und die von ihm im J. 1562
mit Schweden angeknupften Verbindungen , die seine Gefangen-
nahme und mehrjahrige Haft in Polen zur Folge batten, s. Sehirr-
macher, Johann Albrecht L> Herzog von Mecklenburg 1 (Wismar
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25
tive des Herzogs Ohristofer wirft es ein eigenthfimlicheB
Licht, class Friese und Gunther an deniselben Tage, an
welchem der herzogliche Arrestbrief ausgestellfc wurde, sich
schriftlich Yerpfliehteten, dem Herzoge far seine Gnade und
Muhe von alien Arresten gross and klein den dritten Th^il
bevorab zukommen zu lassen 1 )* Dass Kftnig Johann ^ben-
falls eigennutzige Zwecke verfolgte, zu dferen Erreichung
seine Schiitelinge als Werkzenge dienen soil ten, geht ails
dem Inhalt seinei* KaperbHefe unzweideutig heirvon
Wie aus einem Schreiben Kaiser Rudolfell. an. Kdnig
Johann vom 12. Juni 1577 2 ) ersichtlich, war dem Kaiser
aus Livland die Kunde zugeg&ngen, dass der Konig zwei
OrlogBchiffe mit Admir&len und Kriegsleuten vor die Mun-
dung der Duna geschickt und Hirfe und Guter durch Brand
und Eaub habe beschadigen lassen 8 ). Kaiser Rudolf sah
sich dadurch gemussigt, den Kdnig, seinen geliebten Oheim
und Schwager, unter Bezugnahme auf das bereits von Maxi-
milian II. am 9. April 1576 zu Gunsted der Rigischen er-
lasserie Sehreiben wiederholt zu ersuohen, solche beschwer-
liche Handluhgen einzustellen und sich nachbarlich gegen
des heiligen Reichs Unterthaneri in verhaltei* 4 ). Die Ant-
wort war eine Bntschuldigmng des Kdnigs, d. h. wohl eine
Auseinandersetzung der GrAnde seiner Fettidseligkeit gegen
1885), I, S. 283 ff., 376 ff., 635 ff. Br hatte sich, schon als Coad-
jutor im J. 1562 am Elisabeth, die jungste Tochter Gustav Wasas,
beworben und vermalilte sich mit derselben im J. 1581. S. Cel-
sius, Geschichte Konig Erichs XTV. (ubers. von Moller, Flensburg
und Leipzig 1777), S. 134, und Geijer a. a. 0. S. 136 Anm.
*) Severs Frieses und Gimthers vom 27. Jttni 1578, Gopie in W.
*)BeiL 12.
3 ) Gemeint ist offenbar der oben berichtete Vorgaug yom 11. Juli
1576. Die kaiserliche Intercession erfolgte somit beinahe ein
Jahr (!) nach 4em Vorfall, dessen Wiederholung sie verhuten sollte.
4 ) TJeberbracht wurde das Schreiben durch den Canzleiverwandten
Pichl von Pichlberg, der eine schriftliche Antwort zuriickzubringen
beauftragt war.
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die Stadt, und die Aufforderung an deu Kaiser; die Rigi«
sohen, sa sie des Reichs Unterthanen w&ren, aiir Hilf leistung
gegen den Mosbowiter zu yerm^gen*). VonHrfolg iatdiese
kaiserliche Mahnung offenbar eb^nsowenig wie die frfiheire
gewesen imd von ein&n Schutze r den die Stadt von Kaiser
und Reich etwa hoch h&tte erwarten;kdnnen> veriautefc fiber*
hawpt nicbts mehr. Fries© erwirkte sog&r durch eine Stip*
plication ein &i seinen Gunsten vom Kaiser to den Bath
erlassenes Mandatum cum clausula vom 14. Mai 1678 ;2 )u
In wie. Shohfem Gtade durch die geschilderten fei»dUchen
Maassregeln der freie Verkehr init aiideren Ortenj einfe
LebensbedihguHg fur Handelsst&dte wie Riga, gie&hrdei
wurde, liegt auf der Hitnd. MuBste d6ch jeder Burger
Rigas dessen gewartig se&i, nicht ntir in detf Oat- und
Nordsee, sondern auch in mehreren ausgeddhflteaKiisten*
landcrn Deutscblands festgehalten und gebrandschatzt zu
werden, ohne eine Aussicht auf Wiedereriangung des Ab*
genommenen zu haben, da' ein rechtlichpA Verfahren wegen
dieser sogenannten Arreste enfcweder in dem feindlicheri
Sohweden oder den betreffenden Territorien Deu>isdMaiildsi
wo mail': das Fahnden auf Angehtfrige der Stadt oder deren
Giiter bereits ials reohtm^ssig anerkannt h&tte, stattfinden
solite, TJhsere Quellen geben AuskuHlft aiber aiehreare Vor-
gange dieser Art, die registrirt zu werden verdienen. ,
tin April 1578 erschienen Friese Und Gunther vOr dem
lianddro3t ? dqm Canzler und anderen erzbischaflich Bremi-
schen Regierungsrathen zu Yoerde,, legten die ifrnen er-
theilten Repressalienbriefs vor und; bateA ,um;Einschx % eiten
gegen den auf der Dtirchreise in Yoerde befindtichen Riga-
schen Burger Matthias Gottschalck. Aus Mitleid* tnit Gott-
schalcks krankem Zustande verschonten ihn dfe erzbigchof-
lichen Bieamten zwar mit gefanglicher Haft, er wurde jedoch
in seiner BCerberge festgehalten und nicht eher fr&igege;ben,
i) Fr. Reg. *) Copie in W.
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27
als bis or Friese und Gunther duroh Zahlung einer Summe
von 450 Tbfilern und J8 Rosenobeln zufriedengestellt und
an Eidesrtatt gejob* hatte, dass er seiae Bestrickung weder
dem Erzbischof noch dessen Dienern und Unterthanen schutd*
geben und gich wegen dee erlittenen Scbadens an niemand
andwr als die Sjtadt iRiga batten wolle 1 ). (Jotfsebalck
auebte iwk seiner Bticfckehr u&ter Bentfuug darauf, daw
arale *oUig Unbetheiligter lediglieh wegen einer 4ie Stadt
augebeaden Saehe ' seiner gjaaseu wihsam , qrworbeoiBu Habe
beraub* wwdea, beim Bathe wiederbott urn Erstettung sei-
M& Schaden* an*), dassaber dieses Bitte aicbt gewillfahrt
wordon, kann schwerlich zwieifelbaft sein. *"-— Matthias
Welling., eia Sohu dee Burgermeisters Weliing v und Hans
Otken warden im Sommer 1578 v auf,Antrag Frieses, eben*
M$I in Voerde, gegen 6 WoQhep & Haft gehaltea 3 ). —
In i Mecfclenburg wurden zweiBigasche Burger, Kearsten
EaW . und Herman Probstingk, bei efaer you Friese unter*
notmaeaen Arrestlegtmg Ton einem g&wissen : Eiias Benadorf
erschossen, der sodann; von den Aiagehsrigen Prpbsjiugks
itfegen der >Sufane dfls Tpdtschl^gs heftig .feedrlbtgjt wurde;
Bs Hegt eia Brief Renndorfo vpr, in welohem er die Ver*
adttelung eines Fjeijndeft i& Lubeck effbittet, die heftigsteu
Bescbiddigungen gegen Friese und Genossen^ die ihn darcb
sCbeltttiscbe Worte zn der Umtbat verleitet hatten, vorbringt
und Ergtattung des Geraubten, das au einem sichern Orte
in Sachsen (!) ver^ahrt sei, versprioht 4 ), — Karsten Henaeke,
*) Schreiben dee Landdroats zu Voerde und Anderer an den Rath
vota !28i Mai 15tfy Orig. in W., nebst «4ner Oopie der Urfehde
G^tteeBalotai von demselbQo Tage, >
2) Gesuch Gottschalcks vom 13. Marz 1579, Oiig. in W.
») Brief Otto Kannes an den Rath vom 13. Aug, 1578, Orig, in W.
, iDer &tfnd80hat»ung *ch$inen die Genajonten duroh die von Kanne
bewirkte Abschaffung der erzbischoflichen Repressalitin (s. weiter
unten) entgapgen 3U fcejn; ! ./ <
*)Pro«e^89ehrtfton. BrM Renndoifs ;an Olaua von Hovelen in Lfibeck
d. d. Nykoping den 4. Decbfc , *579, Orig. to W.
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28
Andres Gronewoldt und vielen Anderen warden in Schweden
Gliter abgenommen und confiscirt, mit ihren Klagen aber
wurden sie Torn Kdnige an den Rath und die Stadt ver-
wiesen 1 ).
Im Soinmer 1578 sandte der Rath den Secret&r Otto
Kanne mit einer die Abschaffung der Arreste betreffenden
Botschaft an den Erzbischof von Bremen. Nach vielen
F&hrlichkeiten , die er auf der Reise iiber Lfibeck durch
Nachstellungen Frfeses und Anderer zu bestehen hatte, er-
reichte Kanne den Brzbischof im Stiffce Paderborn und er-
wirkte von ihm den Befehl an die Beamten in Voerde,
Friese die ihm ertheilten Repressalienbriefe abzunebmen,
sowie die Versicherung, dass man sich hinfort keiner Hem-
muiig oder Anhaltung im erzbischflflichen Jurisdictionsbezirk
zu befahren haben soile 2 ). Die Hauptaufgabe fSr den Rath
musste indess sein, die Aufhebung der scbwedischen Re-
pressalien und Kaperbriefe zu erlangen und dazu wurde
Gelegenheit geboten durch Unterhandlungen, die um die-
salbe Zeit von Schweden aus eingeleitet wurden. Am 5. Juni
1578 schrieb n&mlich der Ktfnig dem Rathe 8 ), dass er, da
Riga und andere Orte in Livland des Moskowiters halber
in Gefahr standen, ungern nach der Sch&rfe seines wohl-
befugten Rechts gegen die Stadt verfahren Ttiirde und
Dirick Anrep, Johann Kosskull und den Secret&r Martin
Hirschfeldt abgefertigt habe, um VorschlSge zu macben,
durch welche die Stadt mit ihm ausgesohnt und ihr Trost
gegen den Moskowiter zu Theil werden mochte.
Die genannten Gesandten trafen zu Anfang Juli 1578 4 )
ein und empfingen auf ihre Antr&ge eine fur den Kfcnig
*) Processschriften.
*) Briefe Kannes an den Rath vom 6. Juli und 13. August 1578,
Originate in W.
3) Orig. in W., im Rathe gelesen am 10. Juli 1578.
4)p r . Reg. zum 6. und 10. Juli 1578. Jurgen und Caspar Padels
Tagebiicher (Mitth. XHI), S. 377.
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29
bestimmte Erkl&rung des Bathes und der Gemeine vom
25. Juli *), in welcher die Schuldlosigkeit der Stadt an dem
Unmuthe des Kdnigs unter Berufung auf fruher ubergebene
Berichte beiheuert, die durch die schweren Kriegszeiteu
und Hemnrong des Handelsverkehrs auf s Aeusserste be-
dr&ngt$ Lage der Stadt in beweglichen Worten geschildert
und das Erbieten gestellt wurde, von den begehrten 100 Last
Roggen 50 Last nebst 2000 Thalern (davon 1000 baar und
1000 in Seidenstoffen (Seittgewandt), Rdhren und Anderern)
sogleich, die ubrigen 50 Last aber im n&chsten Fruhjahr
zu liefern und ausserdem 70 Last Roggen, welche von Riga
der Stadt Reval vorgestreckt waren, dem Ktfnige abzutreten 2 ).
In seinem Antwortschreiben vom 20. Septbr. 1578 8 ) er-
widerte der Ktinig, die Stadt werde ersehen baben, dass er
den geforderten Abtrag nicht zu seinem Privatnutzen, son-
dern zum Unterhalt von Kriegsvolk und zur Rettung des
i) Copie in W.
2 ) Von Interesse fur das derzeitige Verhaltniss der Stadt zu Polen
und Schweden ist der Schlusssatz der Erklarung, welcher lautet:
„WaB aber sonsten Ihr Mtt. uff den Ml dieBer gutten Stadtt
feindttlicher beengstignng alfiwoll anderer begnadnng sioh aller-
gnedigst erclerett, dafur ist ein Erbar Rhatt zum hohesten and
untherdenigst danckbar und erbieten sich, wan die Kon. Matt, zu
Polen Ihren zugesagten schutz ins werk richten, Ihre Obersten
und Kriegsvolk in diefie Lande verordnen und sich dieselben mit
der Kon. Matt, zu Schweden alhier auch anwesenden Bevelhabera
eines zuges und vorteilfi ahn gemeinem Erbfeinde zu erjagen ver-
gleichen wurden, das sie alfidan auch das Ihre darbei thun und
mitt aufisehickung und anordnung ihrer Knechte die mogliche
handtt reichen und sich also gem ein heill und wolfartt, so viel an
ihnen, gerne und willig mittbevolhenn sein laCen wollenn. B Ueber
das hier angedeutete, im J. 1578 zwischen Schweden und Polen
geschlossene Biindniss zur gemeinsamen Bekampfung der Bussen
b. v. Richter, Gesch. der Ostseepr. II, 1, &. 31.
8 ) Orig. in W. Das Schreiben ist vom 20. Septbr. 1578 datirt, dem
Rathe aber, wie die Aufschrift bezeugt, erst am 23. Febr. 1579
von Ducker uberreicht worden.
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30
Landes zu verwenden gemeint sei; er hatte sich daher
dessen versehen, dass die Stadt ein Mehreres zu thun bereit
gewesen ware, wolle indess iu diesen beschtf Grlicheh Zeiten
keine grflsseren Summen fordern, als voU der Stadt, wie et
wohl wisse, 6hne Muhe aufgebracht werden kbnnten iind
N habe den ehrenwdrthen und inannhaften Eberhard Ducked,
dem der Rath in seinem Anbringen Glauben zu schenken
habe, mit der Tollmacht abgefertigt, diesertialb mit dei"
Stadt weiter zu handeln und zu schliessen.
Die Sendung Duckers erfolgte erst im Februar de's fol-
gefideh Jahres. Mit demselben wurde vom Rathe am 9. April
1579 ein Vertrag w zu endlichGr Aussuhtmng allef zwischeii
dem Ktfnige und tfer Stadt geschwebten tTnruhe und Widett*-
willens" geschlofcsen 1 ). Die Stadt, heisst es datih, willigt
ein, 2500 Thaler uhd 170 tast Roggen sta entrichten.- Ah
Geldhdben die schfredischen Gesandten im J. 15?g 400 fhlt.*)
und Ducker 300Thlr. nebst lOOOThlrn. in Waar^u empfangen,
die restirenden 800 Thlr, hat die Stadt zum nachsten tjohajniis-
Termin zu berichtigen, behalt sich aber vor, fall* das Qeld
an kttnigliche Kriegsleute und Bafehlshaber iiberwiesen
werden kdnnte, sich mit denselben wegsn fernerer Dilation
Oder dutch atidere Mittel zu tergleichen. 70 Last Roggen,
die Reval schuldig ist, werden dem Konige cedirt, von den
ubrigen 100 Lasten aber sind 25 gleicb nach Ostern 1579,
25 zu MiQhaelis und 50 im Frubjahr 1580 zu liefern, Sodann
siellte Ducker auf Grund der ihm ertbetlten ktoigliehen Voll-
*) Orig. mit Duckers Siegel und tfnterschrift und dem Siegel der
Stadt in Fr.
*) Aus Fr. Keg. zum 6. JuU 1578, 11. JuU und 17. Septbr. 1579 geht
hervor, dass den Gesandten Anrep, Koschkul und Hirschfeldt von
der Stadt Geld vorgestreckt worden War, wobei sie Verluste er-
litten zu haberi benaupteten. AuffaUend ist, dass diese 400 Thlr.
in dei* Urkunde Duckers vom 4. Mai (Beil. 15) nicht unter den
bereits berichtigten Summen aufgefuhrt werden; vieUeicht war
wegen derselben inzwischen ein anderes Abkommen getroffen worden.
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31
maciht eihe fttrmliche Urknnde vom 4. Mai 1579 *) folgenden
Inhalts atis: „BehUfs Wifcdfererfrertmng voriger Huld 7 Ghade
und Gewogenheit des Kflnigs hat die Stadt die Summe von
2500 Thalern und 170 Last Roggen gemftss den darnber
getroffeaen F^stodtzungen zu beriebtigen und zu liefern.
Dagegen soil alle ktfnigliche Offension und Un&nade er-
loachen sein undirird die Stadt wiederum au unge&hrdeter
Sicherheit zu Waeser und zu Lande inaerhalb und ausser-
halbdes schiredtechen Reichs angenommen. Zugleich sollen
afte Repressalien, Arreste und Bestallungen (Kaperbriefe)
gegen der Rigischen Personen und Guter, die vom Kdnige
Oder anderen Furdten Tcrhangt worden, cassirt und ange-
haltene Geider odor Giiter nurimehr frfeigegeben, desgleichen
alle beim Ktfnig© klagfear gewordene Parteien abgewiesen
und tint ifaren efaraiggn Anspruchen an die ordentlichen
Unter- uad Obergeriehte remittirt werden; Gleichergestalt
soil es audi in Zukunft gehalteu werden, fails ausgewichene
uid vermeinflich beechwerte Personen des Kbnigs Sohutz
ttttd Bilfe suchen wforden."
Mangel aft Grid und Proliant f&r den urn diese Zeit
ungitickMcb gef&hrten Krieg Schwedens mit den Russen*)
hatte eine Vereinbarung zwischen Johann HI. und der Stadt
5SU Wege gebracht, auf welehe letztere ungeachtet der
schweren ihr auferlegten Lasten einzig deshalb eingegangen
wa#, weil die Einstellung der den Handel der Stadt lahmen-
den Feindseligkeiten und Erpressungen zugesagt wurde. An
dean festen Bestande des mit dem Bevollmachtigten des
KonigB geschlossenen Yertrages hatte die Stadt so wenig
Zweifel, dass sie schon am 26. liai 1579 dem Gesandten
Ducker weitefe 300 Thaler f&r Rechnung der zu Johannis
felKgen Summe zahlte 8 ), atfch ging von Dueker im Januar
i) Beil. 15.
2 ) Vgi. v. Rickter, Qeachichte dsr OsteeeproYinzen II, 1, S. 27 &
8 ) Qoittung Duckers, Orig. in Fr.
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32
1580 die Meldung em, dass der Kdnig sich seine Handlung
(d. i. den yertrag vom 9. April 1579) habe wohlgefallen
lassen 1 ). Gross musste unter solchen Umstanden das Er-
staunen sein, als Kflnig Johann in einem Schreiben vom
16. Juni 1580?) erklarte, dass er, da Ducker weit iiber
seine Vollinacht und das Brbieten der Stadt selbst hinaus-
gegangen, den Vertrag zu verwerfen verursacht sei. : Dabei
verlangte der Ktinig. dass er sowohl als Friese und Gfinther,
denen ihr Recht nicht benommen werden kflnne und die er
auch ferner schutzen wolle, unges&umt zufriedengestellt, di$
Eigenthumer der in Schweden und anderw&rts arrestirten
Guter, in deren Auslieferung er nicht willige, von der Stadt
entsch&digt und dem Ueberbringer des Scbreibeus von dem
noch ruckstandigen Gelde 700 Thaler gezahlt wurden.
Mehr als ein Jahr war seit Abschluss des Vertr^ges
vergangen, als dieser Widerruf erfolgte, durch den Alles,
was die Stadt mit grossen Opfern errungeft hatte, in Frage
gestellt ward. Dass Ducker seine Vollmacht (die nicht mehr
vorliegt) uberschritten habe, ist schweirlicb anzunehjnen^ da
mah von Seiten der Stadt in einem so wiehtigefot Falle die
Vollmacht gehdrig zu prufen gewiss nicht unterlassen haben
wird. So unmotivirt demnach der verspatete Widerruf ge*
wesen sein mag, so blieb doch der Stadt in ihrem schutz-
losen Zustande nichts Anderes ubrig, als bei der Erfullung
des geschlossenen Vertrages zu beharren, denn nur dadurch
konnte sie die drohende Wiedereroffnung der Feifcdselig-
keiten zu verhindern oder hinauszuschieben hoflFen. Da der
Kflnig den Vertrag, so weit er seine eigenen Forderungen
betraf, oflFenbar noch als bindend ansah, so wurde dem
Ueberbringer des kflniglichen Schreibens eine Obligation auf
400 Thaler ausgestellt 8 ). Dem Kriegshauptmann Zacharjas
Kdler wurden am 13. Novbr. 1580 100 Thaler fur Rechnung
*) Fr. Reg. zum 7. Jan. 1580.
2 ) Beil. 16, nach Fr. Reg. am 29. Juli 1580 beim Rathe eingegangen.
3) Fr. Reg. zum 29. August 1580.
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33
der Restsuinme ausgezahlt 1 ) und noch am 10. Aug. 1581
wurden auf ein Schreiben der Reichsrathe 63 Last Roggen
a von wegen des Kdnigs" an Thomas Kdningk geliefert*).
Ein Mehreres ergiebt sich zwar nicht aus den Acten, doch
ist in den Verbandlungen der folgenden Jahre von For-
derungen, die dem Konig fur seine Person etwa noch gegen
die Stadt zustanden, nicht mehr die Rede tind daher nicht
zu bezweifeln, dass die Stadt alle von ihr vertragsmftssig
ubernommenen Zahlungen und Lieferungen bewerkstel-
ligt habe.
Der Rath hatte sich alsbald nach geschehenem Wider-
ruf des Vertrages mit Vorstellungen an den Ktfnig und an
die schwedischeu Reichsrathe gewandt 8 ). Es erfolgte hierauf
im Juli 1581 ein Schreiben der Reichsrathe 4 ), die eine durch
einen Abgesandten der Stadt in Schweden zu fuhrende
Verhandlung mit Priese und Gunther behufs Klaglosstellung
derselben anriethen und versicherten, dass der Kflnig, so
viel seine Person angehe, den Vertrag zu halten nicht un-
geneigt sei, worauf der Rath erwiderte, er wolle Beiden
ein sicheres Geleit geben, um ihre Sache (in Riga) gutlich
zu vertragen oder rechtlich auszufiihren, betraclite aber den
mit Ducker geschlossenen Vertrag als auf kdnigliche Voll-
macht gegriindet und deshalb rechtsbestandig 5 ). Wahrend
der ersten Jahre der polnischen Oberherrschaft fiber Riga
(1581 ff.) scheint nun die Sache geruht zu haben. Im Jahre
1586 aber wurden von funf in Reval befindlichen schwedi-
schen Commissarien in speciellem Auftrage des Konigs und
in der ersten H&lfte des folgenden Jahres von Johann III.
selbst, dem Sohne desselben Priuzen Sigismund und dem
Herzog Friedrich von Kurland Schreiben an den Rath mit
der dringenden Mahnung zum Vergleich mit Priese und
J ) Orig.-Qnittung io Fr. 2) Orig.-Quittung in Fr.
3) Fr. Reg. z. 12. Aug. 1580. 4) Fr. Reg. z. 19. Juli 1581.
5) Fr. Reg. z. 10. Aug. 1581.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 1. 3
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34
Griinther erlassen 1 ). Letztere trafen im Juni 1587 im Block-
hause, das w&hrend der in Riga herrschenden bixrgerlichen
Unruhen von den Polen auf der Spilwe errichtet war, ein
und erhielten vom Rathe sicheres Geleit*), won&chst die
Unterhandlungen begannen, die nach vielen Weitl&uftigkeiten
zu einem Vertrage des Rathes mit Friese fiihrten, nach
welchem er 220G Gulden polnisch in gewissen Terminen
erhalten und dadurch aller beiderseitige Zwist g&nzlich ge-
tadtet und aufgehoben sein sollte 8 ). Mit Giinther dagegen
kam ein Vergleich nicht zu Stande, da die Stadt keine
seiner Forderungen anerkennen konnte; er wurde an das
kflniglich polnische Tribunal zur Ausfuhrung seiner An-
spruche verwiesen. Ueber den Ausgang der Vergleichs-
verhandlungen wurde vom Rathe am 16. Octbr. 1587 Priese
und Gfinther ein Abscheid ertheilt und am folgenden Tage
Johann III. Bericht erstattet 4 ).
Der mit Priese getroffene Vergleich gelangte nicht zur
Ausfnhrung. Nachdem er 200 Gulden empfangen hatte,
forderte er ausser der vertragsmassig festgestellten Summe
die Einr&umung des streitigen Hauses zu seinen Lebtagen
oder statt dessen noch 500 Gulden. Der Rath erflffiicte ihm
daher mittelst Absoheids vom 11. Mai 1588, dass er, wenn
*)Tr. Reg. z. 8. April 1586, 30. April, 20. und 21. Juni 1587. Die
Schreiben der schwedischen Commissarien in Reval vom 15. Marz
1586 (Orig.) und des -Konigs vom 30. April 1587 (Oopie) sind auf-
behalten in der Bibliothek der livl. Ritterschaft Mss. Nr. 410,
f. 273—75, und Nr. 411, f. 179 n. 80. In dem kdniglichen Schreiben
wird mit Erneuerung der Repressalien gedroht und unter Anderem
erwahnt, dass Martin Giese bei seiner Anwesenheit in Schweden
(s. B. Bergmann, Die Kalenderunruhen , S. 178 ff.) Friese und
Giinther versprochen habe, ihre Saehe beim Rathe zu befordern.
2) Pr. Reg. z. 5. Juli 1587.
3 ) Der Vertrag ist nicht aufbehalten, der Inhalt desselben ergiebt
sich jedoch aus Fr. Reg. zum 2. Mai 1588 und dem Abscheide
des Rathes an Friese vom 11. Mai 1588 (s. unten).
4 ) Copieen des Abscheids und Berichts in W.
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35
er bei dem geschlossenen Vertrage iricht verbleiben wolle,
bei Kdnig Sigismund III. von Polen sein Recht zu suchen
habe, und berichtete hieriiber an Kdnig Johann *). Auf eine
an den Bath, Aelterleute und Aeltesten gerichtete Eingabe')
erhielt Friese noch einen allendlichen abweisenden Bescheid
des Bathes vom 17. Jan. 1589 8 ) und wandte sich dann an
K&nig Sigismund III. von Polen, der durch ein Mandat
vom 17. (7.) Pebr. 1589 4 ) die Wiedereinsetzung Prieses in
das Haus forderte, falls er vom Bathe spoliirt worden sei.
Das Mandat wurde von Friese selbst eingereicht und der
Bath ertfffnete ihm, dass er, da dasselbe per malam infor-
mationem erlangt sei , den Kflnig besser zu informiren wis-
sen werde 5 ).
Im Juli 1589 trafen die vom polnischen Beichstage zur
Beilegung der Unruhen, die seit dem J. 1585 in Riga ge-
herrscht hatten, ernannten kttniglichen Commissarien Severin
Bonar und Leo Sapieha in Riga ein. Friese, der sich eternals
in Riga befand, stiftete eine Zusammenrottung von Biirgem
auf dem Markte zum Zweck der Befreiung der verhafteten
Giese und Brinoken an, wesbalb die Commissarien Urn am
23. Juli in Haft nehmen liessen und wegen Theilnahme am
Aufruhr zur Untersuchung zogen 6 ), Er wurde hierauf zur
Ausweisung verurtheilt 7 ), muss aber noch efoige Zeit ip.
Riga festgehalten worden sein, bis ein von Rev&l &us er-
gangenes Mandat Sigismunds HI. vom October 1589 8 ) dei*i
Rathe seine sofortige Freilassung vorschrieb. Da seiflje
Schritte am polnischen Hofe fruchtlos geblieben waren, so
*) Copie des Friese ertheilten Abscheids in W. und Fr. Reg. zum
2. Mm 1588.
*) Fr. Reg. zum 6. Norbr. 1588. *) Copie in W. *) Copie in W.
5 ) Recepisse des Rathes vom 21. Febr. 1589, Copie in W.
6 )S. Bergmann, Die Kalendernnnihen, S. 208 u. 227. Dsirne, Der
Kalenderstreit, S. 116.
7 ) Bergmann a. a. 0., S. 229.
8 ) Orig. in der Bibliothek der Gesellschaft fur Gesch. und Alter-
tbumskunde der Ostseeprovinzen.
3*
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suchte er nun wieder seinen alten Schutzherrn Johann HI.
auf und Letzterer stand nicht an, abennals Repressalien
gegen die Stadt zu gebrauchen. Durch einen zum Besten
Frioses und Giinthers erlassenen offenen Brief Johanna vom
10. Juli 1590 1 ) wurde Albrecht Moller, einem Manne, der
von den polnischen Commissarien zu dreimonatlichem Ge-
f&ngniss und zur Verweisung aus dein Reiche Polen ver-
urtheilt worden war 2 ), die Vollmacht ertheilt, Rigische
Burger, Burgerkjnder und Diener und deren Guter zu
Wasser und zu Lande, in der Ost- oder Westsee, ausge-
nommen die Gewasser und Gebiete des Kdnigs von Dane-
mark, zu ergreifen, anzuhalten und nach Sehweden zu
bringen. Aus den so erlangten Gutern sollte Allem zuvor
die Schiffsausrustung berichtigt, das Uebrige aber sollte
zur Befriedigung Prieses und Giinthers bis zur endlichen
Ertfrterung der Sache im Sequester liegen bleiben.
Die erneuerten Repressalien blieben nicht ohne nach-
thfeilige Folgen (s. unteu)> sie waren jedoch die letzte.der
vielen feindseligen Handlungen des Kdnigs gegen Riga.
Durch den am 17* Novbr. 1592 erfolgten Tod Johanns III.
wurde die Stadt von ihrem langj&hrigen unversdhnlitfhen -
Widersaoher befreik Urn ein persGnliches Rachegefuhl wegen
einer vor Jahren erlittehen Kr&nkurig zu befriedigen und
einigen fremden Schutzlingen , die keinen Anspruch auf
Rechtsschutz in Sehweden hatten, zu ihrem vermeintlichen
Recht zu verhelfen, fuhrte er unter Benutzung der hilflosen
Lage der Stadt einen offenen Raubkrieg gegen ihre Burger,
war d$r kftniglichen Wurde so wenig eingedenk, dass er
sich die Wiederzuwendung seines Wohlwollens durch be-
deutende Geldsummen und Kornlieferungen abkaufen liess,
verwarf dann den daruber von seinem Bevollmachtigten ge-
schlossenen, von der Stadt grossentheils bereits erffillten
Yertrag und kehrte schliesslich wieder zu Raub und Kaperei
i) Beil. 18. 2 ) Bergmanu a. a. 0., S. 228.
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gegen' schuldlose Einwohner zuruck, — eine Reihe voti
Handlungen, die als gewaltthatig, habstichtig und treu-
bruchig bezeichnet werden mussen und durch die seit dem
Jahre 1578 als Motiv hervortretende Geldnoth Schwedens
im Russenkriege nicht entschnldigt werden kdnnen, da eine
Verpflichtung der Stadt zur Subventionirung Schwedens
nicht bestand.
Alsbald nachdem Johann III. die Kaperei wiederuin ina
Leben gerufen hatte, wurde ein Kaufmann Caspar Barnekow,
der auf seiner beladenen Schute von Narva nach Reval
segelte, von Friese und BewaflFneten im Wolfssund angefallen
und in den Hafen von Reval gebracht, wo Schiff und Ladung
mit Beschlag belegt wurden. Vergeblich berief sich Barnc*
kow darauf , dass er ein Burger Rostocks sei Und in Riga
keine burgerliche Nahrung treibe; er wurde zur Ausf&hrung
seiner Sache nach Riga verwiesen 1 ), vom Rathe aber mit
der Bitte urn Erstattung seines auf 886 Thaler und 5 Mark
specificirten Schadens abschlaglich beschieden 2 ) , worauf er
in den folgenden Jahren in Reval und Stockholm gegen
Priese agirte. Als im J. 1591 Friese durch seinen Bevoll-
machtigten Joachim Kaufman in Riga vergleichsweise 4009
Thaler forderte, erklarten Rath und Gemeine diese Summe
fur viel zu hoch und verwiesen ihn an das Gericht des
Konigs von Polen, bei welchem die Sache bereits anhllngig
gemacht sei, waren jedoch nicht abgeneigt, sich einem
Schiedsspruch des Wendenschen Prasidenten und Obristen
(Pahrensbachs) zu unterwerfen 8 ). Kaufman begab sich darauf
nach Stockholm und wurde dort, wie aus seinen Briefen
hervorgeht, ein heftiger Gegner Frieses, der ihn sowohl als
!) Bescheid des Revalschen Statth alters Erich Ochsenstern vom
1. August 1590, Orig. in Ff.
*) Supplication Barnekows (undatirt) und Abscheid des Bathes vom
4. Decbr. 1590, Copieen in Fr.
8 ) Respons des Bathes, der Aeltermanner, Aeltesten und 70 Manner
an Kaufman vom 1. Septbr. 1591, Copie in W.
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38
Barnekow beschuldigte , sie hatten vom Rathe 1000 Thaler
empfangen, um ihn lebendig Oder todt riach Riga zu bringen.
Schon im J. 1592 theilte Kaufman dem Rathe mit, dags
Priese beim Kflnige Ydllig in Ungnade gefallen sei, Voti
Barnekow aber ging im J. 1594 die Meldung ein, dass der
Konig (Sigismund, der zugleich Kflnig von Poleh mid
Schweden war und sich damals in Schweden befand) Friede
gar nicht mehr hdreh wolle und die S&che in das Reich
Polen verwiesen habe 1 ).
Das geringe Vertrauen, das Friese und Gfinther jetsrt
noch in ihre Sache setzten, giebt sich kund in eine* um
diese Zeit Ton ihnen an die schwedisehen Reichsrathe ge-
ricbteten Supplication 2 ). In derselben fuhren sie an, dass
sie gegen 21 Jahre in Arbeit, L^ibs- und Lebensgefahr zu*
gebracht und der Krone Schweden etliche viel tausend Thaler
an Werth, so sie (d. h. die Krone Schweden) atis dem Ri-
gischen Handel genossen, Nutz und Frottmaen geschafft
hatten, daruber abet verarmt seien, und bitten, man mtfge,
falls ihre Sachen nicht in Schweden durch rechtliche Sen-
tenz entschieden oder die B/epressalien des verstorbenen
Kflnigs erneuert werden kflnnten, ihnen ein Billiges zu-
kommen lassen, wovon sie ihre Schulden zu bezahlen und
ihr Leben %u erhalten im Stande waren. Ob sie ihre An-
spruche in Polen noch weiter geltend zu machen gesucht
haben, ist aus unseren Quellen nicht ztt ersehen; in Schweden
konnten sie nicht mehr hofien, ihre Absichten auf dem bis-
her eingeschlagenen Wege zu erreichen.
Zum lettften Mai begegnet uns Friese, der ein hohed
Alter erreicht haben muss, am 1. April 1619, an welchem
*) Briefe Barnekows an den Rath vom 5. Juni 1591 und 1. Mai 1594,
Original e in Fr. — Inhaltsaneeigen von Brief en Barnekows and
Kaufmans in Fr. Reg. zum 19. Mai, 5. nnd 11. Jnni and 18. Decbr.
1591, 5. Marz nnd 7. April 1592 nnd 15. Mai 1594.
») Copie in Fr.
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39
Tage er durch ein in Stockholm vor sechs Zeugen verfeastes
Testament 1 ) Andreas Winne, einen kciniglichen Hofdiener,
zu seinem Erben einsetzte. Ala Reehtsnachfolger Frieses
richtete Winne Supplicationen an Kflnig Gustav Adolph^
der durch Rescripte vom 10. M&rz 1623 2 ) und 1. Mai 1624 8 )
dem Gouverneur von Livland Jacob de la Gardie auftrug,
mit den Vornehmsten des Rathes Ruckspracfoe zu nehnoten,
damit die Rechtssache Winnes ohne alien Aufenthalt er-
ledigt und, das Erkenntniss unnachl&sslioh exequirt werde.
Nachdem der Rath dem Gouverneur sowohl als dem Kdnig
Vorstellungen gemacht und sich zur Beantwortung einer
Klage beim Hofgerichte erboten hatte 4 ), erliess Gustav
Adolph am 31. Decbr. 1624 und wiederholt am 17. Octbr.
1625 Gitationen an den Rath zum Erscheinen vor dem
Hofgerichte zu Stockholm 5 ). So war denn zum ersten Mai
seit Beginn der Frieseschen Streitigkeiten die Sache auf
den Weg des ordentlichen Rechtsganges gebracht und es
entspann sich ein von Seiten des Rathes mit grossem Auf-
wande derzeitiger Rechtsgelehrsamkeit und freimuthiger
Darlegung der durch Ktfnig Johann erlittenen Drangsale
gefuhrter Rechtsstreit, der, da der Kl&ger Winne ihn lange
Zeit hindurch nicht fortsetzte, bis zum J. 1637 dauerte.
Das am 26. Octbr. 1637 ergangene Endurtheil 6 ) in diesem
hier nicht n&her zu erorternden Processe 7 ) lautet: „Aus
den Beweisen, so in Actis befunden werden, erkennet das
i) Copie in W. ») Orig. in Fr. ») Copie in W.
4 ) Zeugniss de la Gardie's vom 15. Septbr. 1624, Orig. in W.
6 ) Originale in W., von Gustav Adolph selbst unterzeichnet und mit
dem Reichssiegel (nicht dem des Hofgerichts) versehen. Die Ci-
tation vom 17. Octbr. 1625 ist von Riga aus datirt.
6 ) Orig. mit der Unterschrift Gabriel Oxenstiernas und dem Siegel
des Hofgerichts nebst deutscher Uebersetzung in W.
7 ) Die aufbehaltenen Processschriften des Rathes sind , soweit sie
Ausbeute fur die Darstellung der fruheren Vorgange boten, be-
reits oben benutzt worden.
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40
Gericht den Rath zu Riga von Andreas Winnen in dieser
Sache fernern Ansprach aller8eits quit und frey. Und
solches mit Recht." Entscheidungsgrunde fehlen demselben
g&nzlich.
Alle Anspriiche Frieses an die Stadt, deren Anerkennung
Johann III. ohne irgend ein vorgangiges rechtliches Ver-
fahren durch Drohungen uod Gewalt hatte erzwingen wollen,
waren ntinmehr allendlich zuruckgewiesen. Bei Ansicht des
nur wenige Zeilen fiillenden Urtheils aber drangt sieh die
Frage auf : War etwa in jener der weitlaufigen BehandliOig
von Rechtsfragen besonders geneigten Zeit eine so lako-
nische Erledigung eines verwickelten, in eine feme Zeit
zuriieki-eichenden Rechtsstreits beim schwedischen Hof-
gerichte uberfaaupt iiblich oder wurden Entscheidungsgrunde
dem Rathe vorenthalten, weil solehe zu geben nicht mOglich
war, ohne das schmahliche Verfahren Johanns III. gegen
Riga in ein helleres Licht zu setzen, als zur Wahrung
der Ehre des schwedischen Herrscherhauses erwiinscht sein
mochte — ?
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41
Beilagen.
1.
Erzbischof Michael (ffildebrand) griindet eine immer-
wahrende Fruhmesse in der Bigascnen Domkirche. Riga,
1503 Septbr. 10.
Original auf Pergament in W., an welchem iedoch die Siegel,
die an zwei Pergamentstreifen gehangen haben, nicnt mehr vorhanden
sind. — In dorso: Perpetuacio prime misse in ecclesia Rigensi in-
corporata porcionariis in capella beate Virginia ibidem nnacnm re-
eervacione unios porcionis, que Knoken debet appellari.
Michael Dei et apostolice sedis gratia sancte Rigensis
ecclesie archiepiscopus ad perpetuam rei memoriam. Sic
studeat in rebus quisque sollicite agere, ut tempore retri-
butionis a Deo uberiori premio prosequatur, quern meritorum
major commendat excellentia. Cum igitur, ut accepimus, in
nostra ecclesia dudum fuerit affectata quedam prima seu
matura missa pro communi populo laboribus et negotiatio-
nibus intento instauranda, que jam per plures annos a tem-
pore bone memorie Silvestri predecessoris nostri ex pro-
ventibus, quos domini curati ecclesiarum pro gratia condendo
testamenta annue exsolvunt, bis aut ter in ebdomada est
observata, ac nostro tempore ex piis testamentis subscriptis
certis redditibus assignatis usque in diem presentem per
omnes et singulos dies feriatos prosecuta et continuata, ex
qua, si confirmata fuerit, gloria Deo et gloriosissime matri
ejus, decor ecclesie nostre ac salus vivorum et mortuorum
et signanter pro quibus instituta est indubie speratur pro-
venire. Cupientes, prout operis et officii nostri debitum
exposcit, hujusmodi tarn dignam et oportunam ordinationem
et institutionem quantum possumus conservare, corroborare,
perpetuare ac nostre autoritatis munimine confirmare, cum
in utiliorem usum, ut apparet, convertere nequimus, essetque
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42
hujusmodi perpetua prima missa duobus presbyteris commit-
tenda onerosa et difficilis, — idcirco accersitis quibusdam
testamentariis, videlicet domino Petro Schaerer presbytero,
qui examinatus in presfcntia omnium dixit, bone memorie
Steffanum Berkengueth, cujus ipse executor fuisset, donasse
causa mortis ad primam missam ducentas marchas monete
Rigensis nunc currentis, de quibus centum marche ad
eundem usum prime misse apud fratres kalendarum Rigenses,
ut iidem fratres consenserunt, sunt deposite sub annuo censu
sex marcarum, reliquas centum sibi ex favore concessisse
ad vitam suam, quas cum primis etiam sub annuo censu
disponere post suum obitum ad primam missam proventuras
promisit. Retulit idem Petrus, eundem suum testatorem
dedisse ad primam missain tria ornamenta, calicem, ampullas
argenteas, librum cum capsa, in qua reclusa sunt existentia
apud fratres kalendarum et nonnulla alia debita sua apud
vasallos retardata, prout in instrumento testamenti apud
eosdem fratres latius dicitur contineri. Ac examinatis tester
mentariis quondam Tilemanni Knoken comperimus ex eorum
confessions, quod ex teatamento ejusdem per tres annos
continue frequenter tres nlissas in septimana legi ac cele-
brari fecerunt, allegantes ex testamento unam aut duas
vicarias vigore testamenti fundandas, ad quas heredes ipsius
Tilemanni habere deberent jus presentandi, et ad hoc effi-
cere poSse redditus annuos triginta sex marcharum Rigensium.
Nos Michael archiepiscopus prefatus, attendentes hujusmodi
prime misBe assertionem successive in eflfectum deductam,
donationem etiam quasi suffkrientem subsecutam, et si hec
ordinatio consuetudihe prescripta non esset, in melioretn
tamen usum minime posset converti quodque semel placuit
amplius displicere non debeat, habita matura satis deli-
beratione cum capitularibus nostris, nos tamquani principalis
executor summam omnium proventuum et reddituuua, que
ascendit ad septuaginta duas marchas annui redditus, prout
inferius speeificati sunt, ut majus servitium Deo accresoat
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43
et cEvinus cultus augeatur, septem presbyteris ad preseng
eapelle beate Marie virginis, ubi officium ejus privatum
peragitur, deservientibus ac eorum succesaoribus, qui per
dominum decanum et duos seniofes canonicos pro tempore
recipients, ut iidem presbyteri (quoe deinceps portionarios
appellari volumus) unacum officio ejusdem beate vitfgitris,
quod in omnibus et per omnia juxta suam institntionem
permaneat, amodo decentius, ut promisertrtit, cantent et ex-
tensius, non sincopando aut preveniendo, prout decet in
metropolitana ecclesia, in simplici cantu Gregoriano sim-
bolum misse non decurtando, per ordinem eandem primam
missam de cetero in omnibus feriarura diebus, quibus populas
laboribus deditus est, sub ambone ante chorum legere de-
beant et teneantur, incipiendo in estate quarta hora et in
hieme quinta juxta moderationem infrascriptam, de consilio
et consensu capituli nostri eisdem presbyterfe duximus per-
petuo commendandam ac adjiciendam et apponendam, prout
banc summam ipBis adjicimus, assignamus et apponimus per-
petuo dufaturam, decernentes auctoritate nostra has summas
6ive pecunias, prout jam divino cultui applicate sunt et
applicayimus in eodem usu per quoscumque christifideles
tueandas ac defendi et tueri debere et de cetero ad pro-
phanos usus nequaquam debere converti sub anathematis et
sacrilegii penis eosdem, si contrafecerint, dampnabiliter
incursuros. Volumus insuper, ut propter gratitudinem vi-
cissitudo ffeconpensetur, ut una integra portio ex dictis
septem, quotienscumque aliquem (1. aliquis) ex linea con-
sanguinitatis ipsius Tilemanni usque ad quartam generationem
idoneus fuerit et earn humiliter petierit, dummodo acta
presbyter sit vel infra annum se faciat in presbyterum pro*
moveH, etiamsi fuerit quidam Joachimi Knoke nunc accoli*
tus, hos de genealogia volumus ad eandem portionem pre-
sentari capitulo nostro per duos conservatores fratrum
kalendarum, et extincta genealogia volumus conservatores,
quotiens hujusmodi portio, quam Knoken appellari volumus,
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vacaverit, esse patronos perpetuis futuris temporibus. Idem
sic presentatu§ habeat potestatem dimittendi, resignandi et
alienandi cum aliquo, dummodo talis fuerit, ut premittitur,
idoneus. Quod jus presentandi consentientibus capitularibus
eisdem, ut premittitur, perpetuo reservamus. Pari modo
fratribus minoris contubernii Bigensis indulgemus, ut etiam
habeant jus presentandi, quotiens eorum locus vacat, ut si
habeant onus solvendi, habeant etiam gratiam presentandi,
et idem presentatus sit particeps in perceptions qui ad-
modum est socius in labore. Redditus, quos assignavimus
et assignamus pro prima missa juncta cum officio beate
Marie virginis, sunt isti. Item curati plurium ecclesiarum
solvunt annue taxam pro licentia testandi juxta literas de-
super sigillatas existentes apud fratres kalendarum. Summa
totius solutionis taxe facit annue vigintiquatuor marchas.
Item fratres kalendarum solvunt sex marchas annue de
centum marchis ex testamento domini Steffani Berkengueth
apud eos depositis. Alias sex marchas annuas instaurabit
dominus Petrus Schaerer. Item ex testamento Tilemanni
Knoken sunt exigende ac solvende decern et octo marche
eiiipte pro trecentis ex domo Hinrici Haven civis Bigensis
in termino Mici^telis, in der sunderstraten situata, cujus
domus confines sunt domus Joachim Bodenberch consulis
Bigensis, in altera parte alia domus Wilhelmi Kurlebeken
civis, prout idem Hinricus pro se et suis heredibus coram
nobis, capitulo nostro et testibus infrascriptis hec publico
fatebatur et confessus fuit. Item ex domo Hans Winberner
situata in der kopstraten, cujus confines ex una parte versus
forum Joachim Wantscherer, ex altera vero parte relicta
quondam Bartolomei Murmester nunc reperti sunt, in ter*
minis pasche et Michaelis solventur duodecim marche empte
pro ducentis, prout idem Hans se taliter obligatum fore
pro se et suis heredibus coram nobis et capitulo nostro
publice recognovit. Item ex domo Jacobi de Schoten in
platea arene, cujus confines ab una parte versus portam
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civitatis sine medio spectabilis consulates Rigensis tres
novas habet domos r aliam vero domum ex altera parte
Gisbrecht inhabitat, sex marche sunt emonende in festo
pentecostes, prout idem Jacob pro se et suls heredibus hoc
debitum similiter coram omnibus publice recognovit, prout
hujusmodi contractus emptionis in libro ejusdem consulatus
etiam latius descripti dinoscuntur. Rursum ut hec omnia
sic ut premittitur per nos ordinata et confirmata debite
exequantur, deputamus eisdem septem portionariis unum
superintendentem, qu$m seniorem appellabunt. Hie a majori
parte suorum fratrum portionariorum eligetur et postea a
domino decano et duobus senioribus cp-nonicis confirmabitur,
qui sit eorum caput concordandi, reformandi et alia ne-
cessaria faciendi sub penis jam statutis ac de novo statuen-
dis, quas committimus arbitrio fratrum, si concordare pos-
sint, alioquin dominus decanus easdem penas ordinabit.
Gui decano damus etiam auctoritatem nostram in ea parte
et contradictores quoslibet pretextu reddituum sub penis
ecclesiasticis compescendo. Voluinus etiam postquam ipsi
portionarii diligentes et frequentes in divino hujusmodi
officio reperti fuerint, prout ad idem officium de consue-
tudine quieque sacerdotum tenetur, ut ex diligentia uberiorem
gratiain consequautur. Statuimus, ut si quis djligens repertus
fuerit per quiuque vel sex annos, postmodum amoveri non
valeat, nisi de suo exoessu vel negligentia coram capitulo
nostro fuerit convictus. Poterint iidem in necessitate et
dum viribus destituti fuerint, et non alias, suam portionem
aliis videlicet probris aut choralibus, ita ut nulla negligentia
fiat, submittere et cum eis concordare, divinum cultum ne-
quaquam defraudando. Ob id injungimus eisdem, quod non
debeant se a communibus processionibus ecclesie nostre ac
stationibus subtrahere, nisi legitimis ac rationabilibus causis
excusentur, nee tertia excusatio erit audienda, quod com-
mittimus judicio domini decani. Insuper ut ipsi portionarii
quietiores reddantur, volumus, ut habeant ad primam missam
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familiarem sire custodem, qui ante missam oainpanellam
primarum pulset, dehinc servato spatio circa quartam unius
hore, interea necessaria preparet inehoantibus in capella,
etiam iochoet missam, si fieri poBsit, et interim celebrans
talis propter absenciam capelle nan punietur, et post missam
brevem puleum cum eadem campana tribus vicibus. faciet
pro salutando gloriosam virginem Mariam, pro quo habebit
duas marchas ex redditibus hujus misse, qui redditus, si
integre soJverentur, faciunt septuaginta duas marchas, et in
natali domini quilibet portionarius dab it custodi unum fer-
4oiiem pro offertorio. Postremo volumus etiam et or&inatnus,
quod ipsi sacerdotes portionarii hiemali tempore in summis
festivitatibus incipiant officium beate Marie quarta hora et
cum solempnitate continuent, diebus autem dominicis in
medio quinte hore , cum sexta hora fit pulsus ad primas.
Et ut ex premissa ordinatione, fundatione ac instauratione,
dummodo et quotiens sic observata fuerit, devotio populi
crescat cultusque divinus augeatur, quo ex hac christifideles
mereantur percipere remissionem peccatorum, omnibus et
singulis christifidelibus vere penitentibus, confessis et cotf-
tritis, qui prime misse interfuerint, quadraginta dies, et qui
in horis beate Marie totidem, et tandem qui misse beate
Marie que dum cantatur presentes fuerint in devotionibus
et orationibus similiter quadraginta, et qui ad pulsum post
primam missam tres orationes angelicas flexis genubus ora-
yerint viginti dies indulgentiarum eis et eorum cuilibet,
quotiehs premissa vel aliquod premissorum fecerint , de
omnipotentis Dei misericordia ac beatorum Petri et Pauli
apostolorum ejus ac gloriosissime virginis Marie, cujus officia
peraguntur, meritis auctoritate confisi de injunctis penitentiis
misericorditer relaxamus. Insuper ut hec ordinatio prime
misse augmentum recipiat in luminaribus, ornamentis ac
rebus necessariis, ultra indulgentias nostras communes pro-
mittimus eis posse consequi majora, et quia ad illam missam
confluunt pauperes laboratores et alii honesti homines, ut
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sic mutuis nostris orationibus vita sequatur eterna. Et
nichilominus ut servientes huic misse diligentiores sint et
ne in obventionibus eorum diminutionem patiantur, venera-
bile capitulum nostrum promisit conferre luminationem,
quousqne retardata quondam domini Stephani, de quibuB
supra, emonentur aut certi xedditus ad hoc deputentur, et
de presbyteris negligens primam missam dabit unam mediam
fnarcham pro pena, si in tempore post inceptionem matu-
tinarum non inceperit, sed post maiutmas tardarerit, dabit
quatuor solidos, et dummodo celebrans vacat misse, non
computetur absens usque ad missam beate Marie;, et .m
postea missam beate Marie neglexearit, dabit penamduorum
sfclidorum, quam seriose observari v&Lumas. Hec pena inter
presbyteros prime misse inservientes equalizer disfcribuatur.
In quorum omnium et singulorumJidem, robur ac testimonium
premissorum nos Michael archiepiscopus prememorafcus pro
nobis ac Buccessoribus noBtris et capitulum nosteum Rigense
etiam pro se et successoribus eorum sigilla nostra :de ex-
pressis nostris voluntatibus et consensibus jussimus appen-
sionibus communiri. Datum et actum in curia nostra arehi-
episcopali Rigensi, sub anno a natmtate domini millesimo
quingentesimo tertio, die vero lune decima mensis sep-
tembris^), .- <
Der Eigasche Bath lasst das Silbergerathe der Kaland-
bruderschaft darch Abgeordnete des Bathes und beider
Gilden in einem Oewolbe des Doms in Verwahrung nehmen.
1525, Febr. 17.
Reinschrift auf Pergament von LohmiiHers Hand in W., rait
Einschnitten zupi Anhiingen eiues Siegels, welches jedc^ch nicht
vorhanden ist.
Vor allermennichlick zo dysfien unsern breff ansichtigen
leflen edder horen lesen, unfien gnedigen gunstighen hern
*) Der 10. Septbr. fiel im J. 1503 nicht airf einen Montag, sondera
auf oineo Sonntag.
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gonnern unnd besunder guden frunden, doen wie borger-
meyster unnd rathmanne der stadt Righe negest unses guth-
wylligen denstes unnd frunthlicken grothes nach gebor
erbedyng wytlick, apenbar tugende unnd bekennende hirmede,
dath wie mith wethen, rade unnd vulborde unser gemeynten
uth gewyssen notdorftigen orsaken, woh apentlick vor ogen,
unser gemothe dartho bewegende ordineret hebben de er-
fiamen wyBe unnd vorsichtige her Jurgen Konyng borger-
meyster, her Herman thor Molen rathman, meyster Johan
Lohmoller secretarien, Hans Diricksen, Hans Kolthoff unnde
Gerth Hanneman, vani grothen unnd klenen gylden olderman
unnd oldesten gemelther unBer stad Righe, an de oldesten
unnd brodere des kalandes bynnen dersolvigen unser stadt
tho gande unnd tho gelangende, umme dat sulvern gesmide
darsolvigest, tho der gemenen companien unnd broderschop
des kalandes gehorende, in seker vor wary ng, als by des
domes gesmide unnd klenodien, tho bryngende, unnd woh-
wol de gerorden oldestenn unnd brodere des gedachten
kalandes sick myth den ersten merglick geweigerth hebben,
dennoch zodan unBe andacht unnd vornehmen nicht unbyllich
konnen ermethen, dewyle seh ock gesehn, dat id wyrdige
capyttel tho Rige des domes gesmide in desolvige vorwaring
neffen unns ane sunderlieke wedderspendynge genahmen,
derhalven seh, alse de gemelthen oldesten unnd broder des
kalandes, ock dat gerorde er gesmide uth dem swarten
jungfrowen klostere, darin se id alrede tho vorwarende
gedan, halen, durch eynen goltsmid wegen lathen unnd
tholeczten thosampt unsern upgenomden yorordenten in
bywesen der domhern, nemlick hern Johan Wytten unnd
meyster Hilbrandes Lutkens dosolvigest thor residentien
weflende, in de gerorde vorwaryng, nemlick in dat nige
schap van des domes vorstendern dartho sunderlicken upt
forderlicheste unnd fasteste beredet unnd gemaket, in deme
gewelften gemake baven der gerkamer in dem dome, by
unnd neffen dat domes gesmide gebrocht unnd sulvest myt
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egen handen in eynem lynnen sacke in datsulvige schap
gesettet unnd er egen loB edder schlot darmede vor ge-
hangen. De nahmen der upgemelten oldesten unnd broder
des kalandes syn dysse: her Hinricus Gendenow, her Jaspar
van Karpen, her Peter Wampe, her Hinrick Furste, her
Claus Mellyn, unnd updemede desolvigen oldesten unnd
brodere vor den andern kalandes brodern bynnen unnd
buten der stad Rige wesende, ock mennichlick, in watterley
gestalt zodan gesmide uth erem gewarBam in de gerorde
vorwaryng gekamen, deste lofwirdiger red unnd ursake tho
geven, hebben se unns des umme eynen schriftlicken schyn
under unser stad ingesegel enne tho vorgonnende unnd tho
gevende vlitlick angefallen, dat wie ehn der byllicheid nicht
gewust tho weigern, mith vortekyng dessolvigen gesmides,
welcker van perBelen tho perselen gewesen woh volget:
Dre grothe wyde beker mith des kalandes marcke getekent
J^'Li ; item soB stande achtkantige beker, item noch ein
nah dersolvigen form soflkantich, disse alle sovene mith des
kalandes marcke gemarket wo vorsteit; item nocb dre kleyne
upstande beker van eyner form, bynnen myth des kalandes
marcke getekent; item noch ein stande beker myth eynem
vorgulden kraiicze, am vothe getekent Sebastianus Schuraven ;
item eyn stande beker myt dren foten , bynnen im wapen
dubbelt W unnd K; item noch eyn stande beker, under am
vothe getekent Georgius Bersack; item dre st&pken mith
vorgulden randenn, am vothe im schilde hebbende twe
bockstaven H und M; item noch ein sodan st&pken unvor-
guldet, getekent alfio ^p. ; item twe sulvern scbalen, de ene
myt dren vothen bynnen mith des kalandes marke, de ander
sunder vothe buthen mith demsolvigen marcke getekent;
item noch twe sulverne schower mith twen vothen, de de
eyne unden mith des kalandes margke gemarket, de ander
schlicht ungetekent, de eyne heft bynnen vorgulde schrift:
Nw wolde unns Got Baltazar, de ander mith velen vor-
Mittheil. a. d. livl. Geschiclite. XIV. 1. 4
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50
gulden rosekens; item noch dre sulverne schuffeln midden
vorguldet. Alle dysBe bavengeschreven peraele thosamen
gewagen dre unnd vertich marck lodich tinnd viff loth.
Dysses alles tho urkund unnd bevesting der warheit hebben
wie borgermeyster unnd rathmanne bavengeschreven unser
stad secret mith guder witschap hengen lathen an dyssen
breff, de gegeven unnd geschreven doh alle vorberorde
geschen, vrigedages nah Valentini im jare nah gebort Christi
nnses eyniges heylandes unnd herren dusent viffhundert
darnah im viffunndtwyntigesten.
3.
Erzbischof Wilheltn Markgraf von Brandenburg ver-
leiht das Kcdandhaus dem Matz Butenholtz und dessert
Erben geaen eine jdhrliche Abgabe von 30 Mark Bigisch.
Riga, 1562 Aug. 5.
Orig. auf Papier in W. Mehrere Copieen in Fr. und W.
Wir Wilhelm von Gotts gnaden ertzbischoff zu Riga,
marggraff zu Brandenburgk etc. thuen kundt und bekennen
hiermit vor unB, unsere nachkommen und sonsten mennig-
lichen. Alfldan bishero unser thumbcapittel sich deB ka-
landejJhauseB alhier in unser statt Riga belegen angemast,
wir aber daB es nicht inen, dan vielmehr unB und den ge-
meinen kalandeBhern und brudern zustendig, gueten grundt-
lichen und wahrhafftigen bericht erlangt, dabei auch erinnert
worden, welcher gestalt deB ersamen unserB lieben getreuen
Matz Butenholtzes ehelicher hauefrauen selige voreltern
eine lange zeit in demselben kalandeBhauB gewonet und in
dem grossen brande dasselbe in grundt vorbrandt, auch
nicht alleine inen an irem hausgeradt und farender habe,
dan auch ime Matz Butenholtz selbst an laken und allerlei
anderer kauflFmanBwahr, domit er die zeit gehandelt, treff-
licher und grosser unwiederbringlicher schade geschehen,
und doch von ime entlichen wiederumb aufiFgebauet worden,
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6i
dafl wir demnach zu erhaltung unserer und gemeiner ka-
landeBhern und brnder gerechtigkeit, auch in betrachtung
obgesetzter Mate Butenholtzefl gelegenheit und allerlei umb-
stende, wir ime, seiner ehelichen hausfrauen und erben solch
kalandeflhaufl erblichen zu besitzen und zu bewohnen gne-
digst vorlehnet, gegunt und gegeben, wie wir dan hiermit
und in krafft dieseB unserB brieffs vor unB, unsere nach-
kommen und alle mit datzugehorige kalandeBhern und bruder
ime Matz Butenholtz, seiner ehelichen hausfrauen und alle
seinen erben solch kalandeflhauB mit aller zubehorung,
freiheit und gerechtigkeit, die eB von alterB und biBhero
iderzeit gehabt. zu bewohnen und zu besitzen erblichen vor-
lehnet, gegunt und gegeben haben wollen, dojegen er und
seine erben unB und unsern nachkommen hinwieder treu
und holt, auch jherlichen dreissig mark Rigisch, funflftzen
auff ostern und funflftzehen aufif Michaelis, zu geben schuldig
und vorpflicht sein sol. Und nachdem wir auch berichtet,
dafl ime unser capittel zu erbauung delj hauseB etlich geldt
vorgestregkt, alB seindt wir bedacht, unB derwegen auch
mit ime inB forderlichste zu yorgleichen und ime alBdan
einen andern bestendigen lehenbrieff auflf pergamen mitzu-
theilen und zu geben. ^Urkundtlich haben wir diesen brieff
mit unserm secrett besiegelt und eigener handt under-
schrieben. Geschehen in unser statt Riga, den 5. augusti
anno 62.
(L, S.)
Qui supra manti propria .....;. J)
!) Handzeichen des Erzbischofs.
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52
Konig Sigismund August an den Rigaschen Rath.
Fordert, class Rerzoq Johann von Finrilana nebst Oefolge
nicht in die Stadt eingelassen werde. Wilna, 1562 Oct 18.
Abschrift einer notarialiter beglaubigten Copie in Fr.
Sigismundus Augustus Dei gratia rex Poloniae, magnus
dux Lithuaniae, Russiae, Prussiae, Masoviae, Livoniae etc.
dominus et haeres.
Famati iideles dilecti. Quamvis affinitas ea, quam cum
illustrissimo domino duce Finlandiae contraximus data illi
in matrimonium sorore nostra illustrissima, id a nobis postu-
lare videtur, ut illustritatem suam in omnibus dominiis nostris
summa benevolentia prosequamur, tamen quia serenissimus
rex Sveciae, frater illustritatis suae, tarn hostiles animos
erga nos suscepit, ut non modo aperte sed etiam cuniculis
nos oppugnare constituent, et in tanta temporum iniquitate
nihil tarn firmum atque sanctum esse potest, quod domi-
nandi cupido non frangat, in omnes partes nobis prospicien-
dum esse putamus. Quamobrem f. v. mandamus, quemad-
modum etiam per nobilem Andream Spyl servitorem nostrum
non ita pridem mandavimus, ut nee illustritatem suam nee
quempiam ex ejus comitatu in urbem recipiant, aliter pro
gratia nostra et debito officii sui non facturae. Datae
Vilnae, 18. octobris a. d. 1562, regni nostri 33.
Sigismundus Augustus.
Famatis proconsuli et consulibus Rigensibus, fid. nobis
dilectis.
Serenissimae regiae majestatis Poloniae sanctae et lauda-
tissimae memoriae Sigismundi Augusti literas ad senatum
reipublicae Rigensis datas ego Joachimus Schultetus Custri-
nensis sacra apostolica authoritate notarius publicus inspexi
et has fideli et diligenti collatione cum vero originali con-
sentire depraehendi, idque fidei et testimonii causa signo
meo consueto solito ac manu propria subscripto testor. pp.
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53
5.
Sigismund August donirt dem Castellan Jacob Meek
und dessen Erben das ehemalige Decanat, das Kalandhaus
und einen Garten in Riga. Grodno, 1568 Juni 15.
Copieen in Fr. und W.
Nos Sigismundus Augustus Dei gratia rex Poloniae,
magnus dux Lithuaniae, Russiae, Prussiae, Masoviae, Sa-
mogitiae Livoniaeque etc. dux et haeres, significamus ac
notum testatumque esse volumus praesentibus Uteris nostris
quorum interest universis et singulis, praesentibus et futuris,
notitiam harum habituris, nobis certis et indubitatis Uteris
ac diplomatibus demonstratum et comprobatum esse, quod
cum nos annis superioribus, rebus provinciae nostrae Li-
voniae sic postulantibus, illustrem et magnificum Joannem
Chodkiewicz baronem in Szklow et Bichow, Samogitiae
Livoniaeque capitaneum et administratorera generalem ac
magni ducatus Lithuaniae archimarscbalcum necnon supre-
mum exercituum nostrorum in Livonia ducem et campiduc-
torem, Caunensem, Plotenkensem Telschoviensemque capi-
taneum, senatorem nostrum sincere nobis dilcctum, cum
plena facultate ad status provinciae illius ablegassemus,
sinceritatem suam generoso Jacobo Meek, considerando ac
perpendendo singularem ejus in nos fidem et in rempublicam
praeclara servitia atque merita, quae saepe cum periculo
vitae et fortunarum suarum exhibuisse praedicatur, ac deni-
que ob factam nobis jurium ac bonorum omnium capituli
Rigensis cessionem ac resignationem, contulisse atque dedisse
jure haereditario aedes olim ad decanatum Rigensem perti-
nentes cum horto adjacente et area tota ad earn (1. eas)
pertinente, in civitate Rigensi juxta ecclesiam cathedralem
sitae et a multis jam annis incendio penitus conflagratas,
turn quoque domum quandam Caland dictam, in eadem ci-
vitate nostra inter aedes civis cujusdam Petri Wiberch et
viduae die Zacharische dictae sitam, necnon hortum quendam
intra moenia et vallum civitatis Rigensis situm, quem haeredes
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54
defuncti Thomae de Mola jure adritalitio possident, prout
ea ipsa in Uteris coram nobis productis clarius et uberius
continebantur et declarabantur. Unde supplicatum nobis
est, ut praeinsertas donationes omnes et singulas autoritate
quoque nostra regia ckmenter ratificare et confirmare dig-
naremur. Cui supplicationi nos benigne annuentes, maxime
cum intelligamus , praefatum Jacobum Meek omnes suas
actiones, cogitationes, curas atque studia in eum solum
scopum direxisse idque unice eniti, ut magis ac magis d6
nobis ac republica mereatur atque prosit, proinde prae-
fatarum aedium ac hortorum haereditariam donationem ab
administratore nostro Livoniae factam in omnibus punctis,
clausulis et conditionibus non solum ratificandam confirman-
damque esse ducimus, uti quidem praesentibus Uteris nostrifc
ratificamus et confirmamus , verum etiam de novo nunc
authoritate nostra regia, accedente ad id senatorum nostro-
rum consilio atque voluntate, praefatas aedes ad decanatum
Rigensem pertinentes cum adjacente horto et area tota ad
eas pertinente necnon domum praefatam Caland ac hortuta
inti*a moenia et vallum civitatis sita, quemadmodum ea omnia
in suis pristinis terminis, finibus ac metis antiquitus con-
stituta et circumscripta sunt vel fuerunt, eidem Jacobo Meek
et haeredibus ejus utriusque sexus jure haereditario ac
perpetuae puraeque et irrevocabilis donationis titulo con-
ferimus, damus atque donamus, plenissimamque atque liberri-
mam potestatem ei suisque haeredibus concedentes omnia
ac singula in terminis, finibus atque metis antiquitus con-
stituta et circumscripta suo arbitrio reficiendi, de novo
aedificandi, construendi et erigendi, cum omnibus juribus,
praerogativis, libertatibus , privilegiis ac immunitatibus ab
antiquo competentibus, easque vel uti nunc sunt vel postea
extruentur quiete, pacifice tenendi, habendi, possidendi
utendi fruendique, quin etiam dandi, donandi, vendendi,
hypothecandi, locandi, permutandi, in testamento solenni
Vel oodicillis legandi et alienandi ac in usus suos haeredum-
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que suorum meliores, prout sibi et haeredibus suis com*
modius utiliusve videbitur, sine cuj usque contradictions
convertendi perpetuo et in aevum. Praeterea ut capitularium
Rigefcsium pristinum statum penitus abrogatum et in secu*
larem, nobis consentientibus, approbantibus et acceptantibus,
mutatum esse constat , ita eadem authoritate nostra regia
aedes olim decani domumque Caland dictam nee (1. necnon)
hortum intra moenia et vallum civitatis situm pristino statu
omnino exemptas et intra allodialia civiliaque bona jam et
nunc relatas esse volumus, quemadmodum eximiraus atque
referimus praesentibus Uteris nostris, cum absoluta potestate
de aedibus illis et horto memoratis ea omnia et singula
ordinandi, constituendi et disponendi, quae quilibet secularis
et politicus de rebus suis propriis suaque diligentia et
industria quaesitis agere, ordinare, constituere et disponere
posset, perpetuis quibusque temporibus nee ullis aliis desuper
Uteris consensus nostri (add. et) successorum nostrorum
requisitis vel requirendis. Denique pro majori gratiae nostrae
in saepedictum castellanum nostrum Rigensem declaratione
aedes praefatas atque hortum ab omnibus et singulis censi-
bus, contributionibus, exactionibus tarn nostris quam civilibus
aliisque quibuscunque oneribus tarn realibus quam perso-
nalibus necnon mixtis quoque absolvimus, eximimus im-
munesque ac plane liberas facimus, ita ut aedium illarum
nomine nee ab ipso Jacobo Meek nee haeredibus succes-
soribusque illius nee ab aedium illarum et horti conductori-
bus vel qualitercunque eas inhabitantibus quicquam peti
exigive possit aut debeat. Quinetiam eas liberas et immunes
declaramus ab excipiendis legatis, nunciis seu hospitibus
quibuscunque sive peregrinis et extraneis sive aulicis et ad
servitia nostra deputatis aliisque, cujuscunque status, gradus,
conditionis, dignitatis fuerint, perpetuo et in aevum, pro-
mittentes verbo nostro regio pro nobis et successoribus
nostris, non admissuros nos, ut talis donatio, quae ex justis
rationibus profecta est, ullo unquam tempore ac ne quidem
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arduis id forte causis postulantibus a quoquam retractetur
infringaturve. Quinimo nos Jacobum Meek castellanum
nostrum Rigensem ac haeredes successoresque illius eo
nomine contra quosvis etiam tuebimur ac conservabimus
successoresque nostri tuebuntur et conservabunt, harum
testimonio literarum, quibus in fidem praemissorum manu
propria subscripsimus et sigillum magni ducatus nostri
Lithuaniae appendi fecimus. Datum Grodnae in conventu
generali, die 15. junii, anno domini millesimo quingentesimo
sexagesimo octavo.
Sigismundus Augustus Rex.
6.
Notizen uber die vorgeblichen Vrsachen der Feindschaft
des Konigs von Schweden gegen die Stadt Riga. Undatirt.
Aufsatz von des Secretars Tastius Hand in Fr.
Praetensae causae injuriarum serenissimi regis Sveciae
adversus civitatem Rigensem.
1. Primo exclusam majestatem suam civitate anno 62,
quo, peracto cum Catharina sorore divi olim Sigismundi
Augusti matrimonio, ex Vilna cum nova nupta ad urbem
Rigam accederet.
2. Non esse a Rigensibus capite plexos speculatores
ejusdem serenissimae majestatis Augusti piae memoriae, qui
anno 73. navi ex portu Revaliensi clam noctu abducta hue
appulerunt, nee bona mercatoribus erepta ab ipsis resti-
tuta esse.
3. Supportatum a nostris commeatum et alia neces-
saria in castra ad Revaliam, cum urbs a duce Magno nomine
Mosci obsideretur.
4. Conquestos apud majestatem suam quosdam pro-
fugos cives Rigenses de damnis amissione bonorum acceptis,
quibus causa a Rigensibus data esset.
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5. Non esse a civitate honorifice exceptos raajestatis
suae oratores, cum ante annos complures prope Kirchholmiam
legati ad regem Poloniae transirent.
7.
Johann 111. Konig von Schtveden an den Rath.
Verlangt einen bis Michaelis zu entrichtenden Abtrag von
100,000 Thalern etc., hat den Oesandten der Stadt die
Abreise verboten und droht mit Gewaltmaassregeln. Stock-
holm, 1575 Aug. 17.
Orig. mil Adresse an den Rath und briefschliessendem Reichs-
siegel in W. — In dorso: Gelesen den 1. Sept. a. 75.
Johan der driette vonn (add. Gottes) gnadenn der Schwedenn,
Gotthen und Wenden etc. kunigh^
Unsere gunst nach itziger gelegenheyt zuvor. Ihr
wisset und habt euch auB jungst unserm an euch ergangenem
schreibenn woll zu erinnern, auB waB bestendigenn ehrheb-
lichen unnd wolgegrundtenn ursachenn vermuge der inn-
gelegtenn acten unnd umbstendiger anzeige aller verlauffener
h^ndel wir die injurien, so unns durch euclf zugefQget
wordenn, keinesweges ungerochenn lassen wolten oder
koridtenn, darauflF wir uns woll versehenn, ihr wurdet strax
nach empfangenem angeregtes unsers schreibens die ver-
fugung gethan haben, damit ihr unns durch geburlichenn
abtrag inn domahls bestimpter zeyt hettet versdnett unnd
diesse unndttige weytleuflftigkeyttenn, deren ihr euch nu
durch schickung der eurn gebraucht, nachbleybenn mugenn.
Dargegen wir aber vernehmen, das ihr die sachenn noch
zu entschuldigenn euch unterstehett, welches unns zwar woll
befrembdenn wurde, wenn wir nicht wusstenn, das es eurin
altem brauch nach hoflFertiger und ubermutiger weiB mit
list unnd betrugh unnd vornemblichen der ursachenn halbenn
geschehe, das ihr vermeinet, die sachenn domrt verlengert
unnd die bequemikeyt, solches an euch zu rechenn, also
verlauffen und vorbeygehenn solle. Wiewol wir nu nicht
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zu voifdencken weren gewesenn, wean wir vorlengst ange-
zeigtem tinserm schreibenn nach die sachenn beyde zu land
unnd wasser mit solchem ernst hetten furgenommen, das ihr
dadurch zur gebuer unnd abtragh mit gewaldt weret ge-
zwungen worden, so habenn wir doch derselbenn scherff
uns biBdaher noch nicht gebrauchenn wollen, vornemblichenn
der ursachenn halben, daB wir ungern gewoldt, das eur
gemeine burgerschafft, die ann diessem handel nicht schuldigh
sein, eures verbrechens unnd ungeburligkeyt entgeltenn
soltenn, wie wir dann auch noch in erwegung solcher un-
schuldigenn leuthe schaden, dazu wir nicht lust hkbenn,
damit bifi auff zukunfftigen Michaelis inhaltenn wollenn,
mitt dem endtlichen und ernstlichem bescheidt, im fahl ihr
zwischen difl unnd bestimbter zeyt uns mit hundert tausendt
thalern ohn alle weytere ausflucht nicht abtrag thut, im-
gleichenn den beschedigtenn Bonnnm und seine consorten
alles ihres erlittenen beweiBlichenn schadens alhier voln-
komblichen ersetzett, Gerdt FrieBen auch seiner anspruche
halbenn geburlicher massenn contentiret und zufriedenn
stellet, das wir alBdann an diesen itzt furgeschlagenn mitteln
uns nicht mehr ersettigenn lassenn, sondern mit ernst dazu
vordacht sein wollenn, wie wir unsers eigenen gefallens
solchen schimpff an euch unnd den eurn gnugsamb rechenn
mugen. WaB auch lenger uber angeregte zeyt hirinn vonn
euch vorzogenn wirdt, dasselb soil mit soviel schwerer
unnd grosser unngnade vergoltenn werdenn unnd do euch
daruber ettwann weyter schade, unheil und verderb darauB
entstehet, davon wollen wir hiemit protestiret habenn, das
ihr uns darzu verursachet unnd denselbenn in zeyten, do
ihr wol gekondt, hetten abwendenn mugenn. Mittler zeyt
aber sollen eure abgesandtenn von hir nicht gestadtet werden,
biB die sachenn obgeschriebener massen ihr volkombliche
endtschafft erraichet habenn. So wollen wir auch, sovern
ihr sie von hier lofl zu habenn gedenckenn, das ihr den
Paul Ligner furderlichest wol verwahrett an unns verschicket.
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Solches habeim wir euch zu anzeige unsers endtlieben und
erstenn (1. ernsten) willen, damit ihr eur sachenn darnach
zu richten, nicht verhaltenn wollenn. Datum auff unserm
khuniglichem schloB Stockholm, den 17- augusti aniK) etc.
im 758ten.
Johannes R. S.
8.
Kaiser Maximilian II. an Johann III. Mahnt zum
Abstehen von feirtdlicher Bedrohung der 8tadt Riga.
Wien, 1576 April 9.
Copie in W.
Maximilian.
UnnB hfcben die ersamen unnsere unnd des feichs libe
getrewen burgermaister rathman unnd gantze gemain der
stadt Riga unter andern mehr anligen, so sie disei* zeit all
nnnB pracht, undertheniglicb zu erkennen geben, weBtnassen
e. 1. wegen etlicher angebenen belaidiguug unnd verclai-
nerung, so derselben von inen begegnet sein sola, dan auch
etlicher sonderbarn privathandtlungen, deren e. 1. sich etwafc
ernstlich annemen thun, gegen inen einen tmwillen gefasset
unnd denselben ungeachtet irer mehrfaltigen bestendigen
unnd gantz diemutigen entschuldigung biflhero dermassen
gemehret unnd gestercket, das sie auch letzlich in nechst
verflossenen monaten majo und augusto vermittelst gantz
harter betftm ngen einen abtrag von inen erfordert, mit gantz
diemutigsten pitten, sintemal inen in demselben allem durch
anstifftung irer tniBgOnner fast unguetlich beschehe, unnB
irer zur pilligkait anztinemen unnd bey e. 1. dahin zu
handlen, das e. L bemelten irendthalben unverschuldet get-
fasten unwillen widerumb ablegte unnd sie mit dergleichen
unmilten betrtfungen unnd abtrags forderungen hinfurters
verschonete.
Nun achten wir gleiohwol fur unnottig, diB orts die
geschichten unnd woher ungeverlich diser miflverstandt
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60
zwischen e. 1. unnd inen entsprungen, insonderheit aber was
deren darunter angezognen privatpersonen anforderungen
und clagen sein mochten, nach lengs zu erzelen, sintemal
e. 1. derselben zuvorn auB den ergangnen wechselschriffifcen
unnd furnemblich auB dem ausfurlichen bericht, so ermelte
von Riga durch ire abgesandten im nechstverflossenen monat
julio e. 1. gethan, gnuegsam erindert unnd so vill zum
wenigsten berichtet worden, das e. 1. unsers ermessens nach
gelegenhait herkommens unnd beschaffenhait der sachen
unnd sonderlich ir, der von Riga, angehefften gantz die-
mutigen erbarn unnd zimblichen erpietens, den gefasten un-
willen billich hette schwinden lassen unnd gegen bemelten
von Riga, da sie jhe vermainen wollen, es wer in einem
oder dem andern der sachen durch sie zu vill beschehen,
anders nichts als waB sich rechtlicher ordnung nach gepurt,
furgenomen haben soltte. Dieweil aber dasselbige nit be-
schehen unnd e. 1. so gar keiner entschuldigung, pitten noch
erpitten statt geben, sonder gestracks auff irer maiming
bestanden unnd tails ir selbst tails auch anderer privatsachen
zusamenfassendt bemelte unser unnd des hailigen reichs
underthanen dermassen vheindtlich betrdet unnd zu abtrag
anzuhalten understehet, welches wir biB dahero ungewonet
unnd von andern genachpaurten uberhaben pleiben, — so
hatt unnB tragenden kaiserlichen ampts unnd pflichten
halben gepuren wollen, unnB disfals gedachter unnser unnd
des hailigen reichs underthanen zur gepur unnd billigkait
anzunemen unnd e. 1. himit freundtlich unnd ernstlich zu
ermanen, sie wolle sich hirinnen eines pessern besinnen
unnd diser ortten den armen zuvor gnugsam angefochtenen
leuthen der angezogenen niteinlassung e. 1. personen halben
(: sintemal dieselbig wegen angelegts verpotts jhe nit in irem
willen unnd macht gestanden :) kein injurr oder verachtung
zumessen, noch vil weniger denen personen zu gefallen, die
von inen nit belaidigt unnd anderer ortten zu recht verfasset
seindt, sie mit vheden oder anderem thettlichem angreiffen
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61
oder auffhaltcn beschweren, Bonder gegen ermelten von
Riga in ansehung irer statlichen entschuldigung alien ge-
fasten unwillen fallen lassen unnd dasjhenige was e. 1. fur
sich selbst oder andere ire zugewandte, die ir zuversprochen
stehen, gegen inen oder einem oder mehr irer burgere un*
geverlich zu clagen vermainet, anders nit als ordentlicher
weiB suche unnd austrage, inmassen sie, die von Riga, sich
dan dazu uberflussig erpitten thun unnd dazu nur gnugsam
unnd wol angesessen unnd zu finden sein. Solchs beschicht
an sich selbst pillich unnd wir wollen unnB dessen zu e. 1.
freundtlich unnd nachpaurlich versehen, auch in gleichem
und mehrerem gerne beschulden. Datum Wien, den 9. aprilis
anno 1576.
An kunig zu Schweden.
9.
Johann III. ertheilt Gerhard Friese und Melchior
Qunther einen Schutebrief zur Anlegung von Arresten auf
der Rigischen Personen und Outer. Stockholm, 1577
Febr. 8.
Copieen in W.
Wir Johann der dritte von Gottes gnaden, derSohweden,
Gothen'und Wenden konig etc. thun hirmit kundt Nach-
dem auf unsern strOmen und fehrwaBern, unB zue groBen
hohn und verkleinerung unserer koniglichen regalien und
habenden jurisdiction, sowol etzlichen unsern underthanen
alfi andern frembden kauffleuten, nemblichen Melchior Gun-
tern sambt seinen consorten schieff und gueter anno 72.
von etzlichen freybeutern fur unser stadt Revall freventlicher
weiB und mit gewalt genomben und darnach duroh conni-
virung und zulaBung eines raths zue Riega nicht allein
unter der Riegischen gemein dieselben zu beuten und zu
vorparten ungehindert gestattet, sondern auch etzliche der
freybeuter, so sie auf der beschedigten feauflfleufce anklagen
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62
in ihren haften gehabt, ungestraffet loflgelaBen, — and in-
sonderheit auch Gerdt Friesen, ihren gewesenen mitburger,
abwesentlieh ohne einige richtliche ansprach von hauB und
hoff gedrungen und sonsten uberdaB eines ReuBischen
handels halben ihme groBen schaden zugefuget, alB haben
die beschedigten kauffleut nebest itztgemelten Gerth Friesen,
weiln sich die Riegischen auff unser gnedigstes ersuchen
und emstlich ermahnen durch geburliche mittel in keinen
vertrag mit ihnen einlaBen wollen, in unsern schutz undt
schirm sich begeben, wie wir sie dan auch hirmit und kraft
dieses unsers briefes annehmen, auch zue auBfiihrung und
endschaffc dieser und aller ihrer rechtmeBigen sachen darein
behalten und vor die von Riega gnedigst beschiitzen wollen,
uberdaB auch, weiln obgedachte kaufileute und Gerdt Friese
ihrer abgenombenen haab undt gueter wiederumb nicht
habhaft gemacht worden, sie auch ihres erliddenen schadens
an den Riegischen biBher sich nicht erholen kflnnen, unB
underth&nigst ersuchet, ihnen bey andern potentaten und
herren durch unser intercession ein rechtlichen arrest auf
die Riegischen personen und gueter zu erlangen, so haben
wir ihnen solches der billigkeit nach nicht abschlagen mugen.
Derowegen gelanget an alle und jede, was wiirden, standes,
wesens oder condition die sein, geistlieh oder weltlich,
unser freundliches begehren, gfinstiges und gnediges sinnend^
dieselben wollen oftgedachten beschedigten kauffleuten sambt
Gerdt Friesen daB jus sistendi oder repressalien, der Riegi-
schen personen und gueter , wie die nahmen haben mugen,
anauhalten und zu arrestieren, gnedig und giinstig vergflnnen,
zulaBen und gestatten und die arrestirten gueter biB auff
weitern bescheidt gerichtlich zu deponiren, auch im fall do
die von Riega von solchen arrest protestieren und das ihnen
unrecht geschehn vermeinen wurden, dieselben an unB, da
der handel, wie das gnugsamb auflfuhrlichen anhengig ge-
macht, remittiren undt weieen, dann wir einem jeden die
justicien und billigkeit wiederfahren zu laBen erbotigk.
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65
Dafl seindt wir in dergleichen und andem umb ein jeden
nach standes gebur freundlich zu beschuldcn und mit alien
gunsten und gnaden wiederumb zu erkennen geneigt. Uhr-
kundlich haben wir diesen brieff mit eigener handt unter-
schrieben und unser kttaiglich secret dafurdrucken lafien,
der gegeben ist auf nnserm schlofle Stockholm, den 8. fe-
brnarii anno etc. 77.
J. R. S.
(L- S.)
10.
Edzard Graf von Ostfriesland befiehlt alien semen
Untergebenen, auf Anhalten Frieses oder seines Anwalts
Bigasche Burger und deren Outer mit Airest zu belegen.
Aurich, 1577 April 29.
Copie in W.
Wir Edzardt graffe undt herr zue Ostfriefllandt etc
entbieten alien und jeglichen unsern officirern, burger-
meistern, r&then, drosten, ambtleuten, richteern, voigten,
Bcbutzmeistern und sonsten menniglichen unsern under-
tfaanen, darnber wir zu gebieten und verbieten haben und
umb unsemtwillen thun und laflen sollen, unsere gnade und
alles gutes, und fugen euch hirmit gnediglichen zu wiBen,
dafl der durchleuehtigster groflmechtigster f&rst und herr,
herr Johann der dritte des nahmens, der Schweden Gotheu
und Wenden etc. kflnig, unser geliebter herr sch wager,
8<shriftlichen unfl zu erkennen gegeben unter andem, welcher-
mafien uff ihrer kdniglichen mtt. stromen und fahrwaflern
zu groflem hohn und verkleinerung irer ktfn. mtt. regalien
und habende jurisdiction sowol etzlichen ihrer kan. mtt.
underthanen als andern frembden kauffleuten, nemblichen
Melchior Gunthern sambt seinen consorten schiff und giieter
ao. 72 von etzlichen freybeutern fur ihrer mtt, stadt Revall
freventlicher weise und mit gewalt genomben und darnach
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64
durch connivirung und zulaflung des raths zue Riega nit
allein unter der Riegischen gemein dieselben schiff und
gueter zu beuten und zu parten xmgehindert vorstattet
worden, sondern auch etzliche freybeuter, so sie auf der
beschedigten kauflFleute anklage in ihren haften gehabt, un-
gestraflFet loflgelassen, und insonderheit auch Gerth Priesen,
unsern gebornen underthanen, ihren gewesenen mitburger,
in seinem abwesen ohne alle richtliche ansprache von hauB
und hoff gedrungen und sonsten eines ReuBischen handels
halben ihme, Gerth Friesen, mercklichen schaden zuegefiigt,
deBwegen die beschedigten kauflFleute nebenst obgedachten
Gerth Friesen, weil die Rigischen uf ihrer kfln. mtt. gnedigste
ansuchung und ermahnen, wie dan ingleichen uf der Rom.
kais. mtt. unsers allergnedigsten herren ansehnliche kaiser-
liche promotorialen und befehlschreiben , gnedigste und
vaterliche ermahnung uf geburliche und leidliche mittel in
keine vertrage und handlung sich mit ihnen einlaBen wollen,
in ihrer ktin. mtt. schutz und schirm sich begeben und gegen
die von Riega darinnen genomben sein worden, und dieweil
beriirte kauflFleute und Gerth Friese noch in der gute noch
zu rechte zue restitution ihrer abgenombenen haab nnd
gueter nit verholflfen werden miigen, die giite und das recht
ihnen abgeschlagen^ bey ihrer ktfn. mtt. arrest und cummer
uf die von Riega, ihre haab, gutere und personen zu ver-
statten und obberiirten ursachen bey andern intercessions-
weise zu befurdern, underthanigst angelanget und erhalten,
darauflF dan h5chstgedachte k5n. mtt. gnedigst und schwager-
lich unB ersucht, der verwandtnuB nach, auch weil in all
solchen fellen in des Rom. reichs constitutionen und ord-
nungen und gemeinen beschriebenen rechten die saxamenta,
repressalien und arrestirung zugelaBen, daB wir beriirten
unsern angebornen underthanen Gerdt Friesen zue erlangung
seiner haab und giiter und ergetzung erliddenen schadens
diBfals die hiilflfliche handt durch obberiirte mittel reichen
wolten. Wann dan wir es eigentlich dafur halten, was also
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65
durch hflchstgedachte kOn. mtt. an unB gelangt, daB im
grundt die sachen erzehlter maBen geschaffen, und unB zu
erinnern wiBen, dar einer also notorie vorgewaltiget, vor-
drucket und opprimiret wirdt und zu keinen rechten uf
gebirrliche ansuchung verholffen werden mag, sondern das
recht geweigert, abgeschlagen oder verzogen, daB in all
sollichen fellen die repressalien, anhaltung und kummer und
arrestirung zugelaBen, wir auch unB schuldig erkennen, un-
sern underthanen Gerth Friesen zue demjehnigen, dazue er
befugt, durch zugelaBene und geburliche mittel zu verhelffen,
demnach ist an euch alle und einen jeglichen besonder3
unser gnediger und ernster befehl, wofern in euern befohlenen
ambtern, stadten, flecken, unserm lande, haab (1. haven) and
strOmen einige Riegische guter oder ihre personen anzu-
treffen weren, daB ihr sollet uf Gerth Friesen oder seines
anwalden geburliche ansuchung all solliche Riegische gutere
oder Riegische burgere und underthanen zu rechte anhaltett
und arrestieren und weiter diBfals Gerth Friesen oder seinen
anwaldt uf all solche Riegische gutere oder wieder die
Riegische underthanen und burgere gebiirlich recht wieder-
fahren laflen. Daran thut ihr zusambt schuldiger gebiirnuB
was recht ist und unsers befehls gefelligen zurerlaBigen wil-
len und meinung. Uhrkundlich unsers zu ende aufgedruckten
ringpitzschiers geben zu Awrich, den 29. aprilis ao. 77.
11.
Formular eines Kaperbriefs Johanns IIL mm An-
greifen von Outern der Bigischen in der Ost- oder West-
see. Stockholm, 1577 Juni 10.
Copie in W.
Wir Johann der dritte von Gottes gnaden der Schweden
Gothen und Wenden etc. ktinig etc. thun hiermit kundt undt
menniglichen zu wiBen. Nachdera sich die von Riega biB
daher in vielen wegen gegen unB, unsere verwandte, under-
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 1. 5
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66
thane und dienere fast unbescheiden und ungeburlichen
verhalten, dadurch wir vorlangst ursach gehabt, ihren frevel,
hobn und ubermuth zu rechen, aldieweil weder unfl noch
auch den intereflirenden beschadigten von ihnen kein ge-
biirlich abtrag geschehen ist, so will unfl auch zme erhaltung
unser reputation nicht weniger gebiiren, dann dafl wir darzu
yord^cht sein, wie solcher ibr ubermuth geroohen und wir
sowol als die beschedigtcn unsers zugefiigten hohns undt
schadens geburliche ergetzung erlangen mugen. Demnach
so baben wir seigern . . . *) befehl^ volmacht und
zuelafl gegeben, dafl sie mit ihren helffern und helffershelffern
gedachte der von Kiega gueter, wo sie dieselben in der
Ost oder Westsee in unser jurisdiction oder anderswo an-
treffen werden, wiederumb angreiffen und sioh daraufl ihres
(add. schadens),. der ihnen von denen von Riega zuegefuegt
und uber ihr ansuchen und unser vielfeltiges anhalten noch
nicht erstattet worden, volnkdmlichen erholen miigen. Doch
wollen wir nicht, dafl sie jemandt anders unschuldiger weifl
unter schein der Riegischen weder an haab, gutern, viel
weniger an leib, schaden zuefugen, noch sich auch dieser
bestallung weiter all} gemelt und lenger gebrauchen, bifl
vielgemelte von Riega mit unfl versdnet und sie ihres
schadens ergetzet sein, wie seiches ihr unfl deflhalben uber-
reichtes reversal in die lenge ferner inhelt und auflweiset*
Gelanget demnach an alle und jede nach derselben standt,
condition und gelegenheit unser freundliches begeren, gun-
stiges und gnediges sinnen, dieselben wolten gedachte unsere
dienere und derselben helffere, do sie entw&Ier durch un-
wetter oder freywillig an euer land und euer strandt, haffen
und fahrwaBer gelangen, nicht allein frey sein laBen, son-
dern ihnen auch im fall der noth auf ihr begeren gnedige,
gunstige und gute hulffe wiederfahren laflen, den unsern
aber befehlen wir hiemit solches ernstlich, undt seindt daflelbe
*) Der Name ist ansgelasaen.
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67
umb jeden nach standes gebur freundtlichen zu beschuldett
und mit gunsten und gnaden zu erkennen erbietig und ge-
neigt und die unsern verbringen daran unsern willen. Datum
unter unsern hiefurgedruckten kSniglichen secret auf unserm
schlofl Stockholm, den 10. junii anno etc. im 77., unserm
kflnigreichs im neunden.
J. R. S.
(L. S.)
12.
Kaiser Rudolph II. an Johann III. Mahnt zur
EmsUllung von Feindseligkeiten gegen die Rigischen*
Breslau, 1577 Juni 12.
Copie in W.
Wir Rudolff der ander etc. embieten dem durchleuch-
tigen fursten herren Johansen dem dritten zu Schweden,
der Gotthen und Wenden khunig, unserm besondern lieben
freundtt oliaim und schwagern, unser freundttschafftt lieb
und alles guets. Durchleuchtiger furst, besonder lieber
freundtt, ohaim und schwager. E. 1. ist zweifelsohne ill
guetem angedencken, waB weilandtt der durchleuchtigist
furst herr Maximilian der ander Rtfmischer kayser, unser
geliebter herr und vatter lobseligster milder gedechttnuB
verfloBen 9ten apriliB des 76ten jars von wegenn der
ersamen unser und des reichs lieben getrewenn burgermaister
rhatfcmanen und gantzer gemain der stadtt Riga an e. 1.
gantz nachpaurlich geschrieben und begerett, solchen un-
willen, den e. 1. auB ettlichen aingepilten ursachen gegen
ihnen gefaflett, guettlich abtzulegen und ermelter stadtt mitt
erfordertem abtrag und dabei getroeten vheindttlichen an-
griff zu rerschonen oder aber dasjenig was e. 1. von ihrer
selbst oder anderer wegen, deren sie sich annhemen, gegen
ihnen zu sprechen vermainten, ordenttlicher weiB und nitt
selbst aigenthettlichs gefallens furnemen und suchte, verners
5*
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68
inhalts defielben irer matt, und 1. gethanen ausfurlichen
schreibens, so e. 1. durch ermelte von Riga ubersendett
worden ist.
Nun were sich zwar der billigkeitt nach kheines anderen
zu versehen gewesen, dan das solche ihrer matt, und 1. so
gutthertzig ansinnen zur gepur statt funden und e. 1. die!
zuvorn mer alfi genug betrangte arme leutbe zur unschuldtt
nitt ferners beschwertt haben solte. So vermercken wir
aber aufi deme, was seittanhero nach ableiben hochstgedachts
unsers herrn und vattern aufi den Liefflanden hero gelangett,
so vill, dafi angeregte ir matt, und 1. ermanung und begeren
disfals nitt allein bey e. 1. nitt statt funden und unbeandtt-
wordtt bliben, sonder das e. 1. auch defielben ungeachtett
ir vorhabenn des vheinttlichen uberfalfi ins werck gesetzett
und zwai irer orlages schiff mitt admiralen und kriegsleuthen
fur dero von Riga portt des Dunastrombs geschickett und
dadurch ire hoff und guetter derselben ortt mitt brandtt und
raub angreiffen und beschedigenn habe lafienn.
Sintemall dan solches gantz beschwerlich zu vernhemen
und demjhenigen, was sich e. 1. hiebevor gegen hochstge-
dachtem unserm heren und vattern mhermalfl erpotten, nitt
gemefi ist, so haben wir hirumb obliggendem kaiserlichen
ambtt nach, defiwegen wir schuldich auch willig und genaigtt
seindtt, unfi unser und des hailigen reichs angehorigen und
underthanen in iren betrangnufien anzunhemen, nitt unter-
lafien khunden, e. 1. diefies ires furnhemens halben anzu-
langen mitt dem freundttlichen billichen gesinnen und be-
geren, e. 1. wolle sich nachmalfl obangeregtes unsers herren
vatters gethanenn schreibens erindern, dergleichen beschwer-
liche handlungen gegen bemelten von Riga furttershin nach-
barlich einstellen und sich an irem uberflufiigem erpieten
und bestendigklich gethanen berichtt guettlich benugen und
ersettigen lafien und gegen diefien und andern unsern und
des hailigen reichs untherthanen dermafien nachpaurlich
betzaigen, wie e. 1. wolten, das es diflthailfi gegen den iren
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auch gehaltenn werden solte. Das beschichtt an ime selbst
billich und wurdtt zu pflantzung und erhaltung guter nach-
paurschafftt, dazu wir dan unsers thailfi gantz genaigtt,
vordcrs dienlich und furderlich sein. Und ob wir woll uns
hirinnen ob e. 1. wilfarigkeitt kain zweiffell machen, so seintt
wir doch derselben schriffttlichen andttwortt bei zeigern,
unserm diener und lieben getrewen Georgen Pichll von
Pichlberg, den wir derhalben sonderlich zu e. 1. abgefertigtt,
wartens. Geben in unser statt PreBlau, den 12. tag junii
ao. im 77ten.
13.
Heinrich, postalirter Erzbischof von Bremen und
Bischof von Osnabrilck, befiehlt alien seinen Untergebenen,
auf Anhalten Frieses oder seines Anwalts Rigistfie Ein-
wohner und deren Oilter mit Arrest zu belegen. Schhss
Voerde, 1577 Oct. 15.
Copie in W.
Vonn Gottes gnaden wir Henrich postulierter zu ertz
unnd bisschoffen der stiffte Bremen unnd Ofinabrugk, hertzogk
zu Sadtsenn (1. Sachsen), Bngern unnd Westphalenn, ent-
biettenn alien unndt jglichen unsern lantdrasten, drdsten,
amptleutten, burgermeistern, richtern, voigten, zolnem, be-
vhelighabern unnd sonsten menniglichen, denen wir zu ge-
bietten unndt zu vorbiettenn unndt die umb unsernt willenn
thun unndt lafien sollen, unsere gunst unndt gnade unndt
fuegen euch sampt unndt sonderlich zu wifien. Demnach
unnfi von den ersamen Gertt Priesen unndt Melchior Guntern
durch statliche schriftliche unndt besiegelte ubrkhunden
ausfurlich gnugksamb furgebracht, wafimafien sie unndt
andere vom rath zu Riga ohn einigenn fuegk unndt recht-
lichen ahnsprach defi ihren zu wafier unndt zu lande de
facto benhomen, wie sie auch ferner bey ihnen ungeachtet
allergnedigster kheyserlicher unndt khdniglicher ermhanung
unndt vorbytte wegen sdlchs erlittenen hohen unndt grofien
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70
schadens gantz kheinen abtragk oder gebfirliche wiederstatung
auf ihr vielfaltigs ansuchen erlangen noch erhalten muegen,
sondern gantz rechtlos abgewiesen worden weren, — alfl
haben sie turns ferner unterthenigst ersuchet unndt gebettenn,
wir wolten dieB (1. dieserhalb) der vonn Riga angehttrige
gutter unndt einwhonere, beydc zu wafler unndt lande, wo
dieselben ahnzutreffen, hemmen, khummern unndt anhaltenn,
dhamit sie sich ihres mercklicheti unndt groBen erlittenen
schadens durch dieB mittel unser gnediger hulffe ahn den
Rigischen also wiederumb erholen khtotenn.
Weilln wir nhu diese sachen, sonderlich aus den (1. der)
khtiniglichen wirden zu Schweden uberreichtes schreiben,
dermaflen geschaffen befunden, dafl die von Riga diesfals
obgemelte boschedigte leutte gantz notorie vorgewaltigt
unndt ihnen das recht geweigert und abgeschlagen , dieses
auch also unndt nicht anders geschehen sein mit guttem
grunde unnd bestande ahn unns gelangt ist unndt er sich
nicht allein fur seine person, sondern auch der andern mit-
beschedigten zu gnugksamer caution, das unns unndt unserm
ertzstiffte sdlcher khummer ohn einige kunfiftige gefahr ge-
schehen solte, erbotten, alB haben wir. in den gesuchten
khummer unndt arrest gnedig unndt guttwillig bewilligt
unndt bevhelen euch demnach alien unndt jeden besonders
gnedig unndt ernstlich, wofern ihn ewern bevholenen emp-
tern, in unsern stetten, vleckenn unndt sonsten zu lande
unndt wafler ihn diesem unserm ertzstiffte einige Rigische
gutter oder personen ahnzutreffenn wherenn, das ihr mi
Gertt Friesen unndt seins gevolmechtigten unndt abgefertig-
tenn ahnwalts ansuchen und ermhanen solliche Rigische
gutter, unter thane unndt einwhonere zu rechte arrestiret
unndt anhaltet unndt ihnen gegen obberurtte gnugksam
praestirte schadloB caution unndt vorsicherungk wieder die
Rigischen geburlichs rechtens wiederfharen laflen.
Darahn thut ihr uber die schuldige gebur was recht
ist unndt unsern bevhelich, willen unndt meynunge. DeB
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71
zu uhrkund haben wir unser furstlioh secret zu unndterst
uffs spacium dieses drueken laflen unndt unns mit eigener
hant unterschriebenn. Welches geschehen auff unserm sohloB
Vhorde ertzstiffts Bremen, ahm 15. dctobris ao. etc. 77.
Benrious manu pp.
14.
Christofer, Administrator des Stifts Ratzeburg and
Herzog zu Meklenburg, befiehlt alien seinen Untergebenen,
auf Anhalten Frieses oder seines Amvalts Rigische Ein-
wohner and deren Outer mit Arrest zu belegen. Oadebusch,
1578 Juni 37.
Copieen in W.
Von Gottes gnaden wir Christoffer administrator des
stifts Ratzeburgk, hertzog zu Meckelnburg, furst zue Wen-
den, graff zue Schwerin, der lande Rostock undt Stargart
herr, entbieteii alien und jeglichen unsern ambtleuthen,
voigten, kuchemeistern* schulteiBen und befehlichshabern,
auch denen voift adel und andern unsern underthanen auf
dem lande, deBgleichen burgera^istern rathleuthen undt
stadtvoigten in den stadten, unser gnade und fugen euch
sambt und sonderlich zu wiBen. Demnach unB von den
ersamen Gerth Priesen und Melcbior Gunthern durch stat-
liche schriftliche und besiegelte urkunden auBfiirlich gnug-
samb furbracht, waflmaflen sie und andere vom rath zue
Biega ohne einigen fug und rechtliche ansprach des ihren
zue waBer und lande de facto benomben, wie sie auch ferner
bey ihnen ungeachtet allergnedigster kaiserlichen und ktinig-
licher ermahnunge und vorbitte wegen solches erliddenen
hohn und schadens ganz keinen abtrag oder gebiirliche
wiederstattung auf ihr vielfeltiges ansuchen erlangen noch
erhalten miigen, sondern gantz rechtloB abgewiesen worden
weren> alB haben sie unB ferner underth&niglich ersucht
und gebethen, wir wolten diese der von Riega angehdrige
guter und underthanen in unserm lande und gebiete, wo
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72
dieselbigen anzutreffen, commern und anhalten, damit sie
sieh ihres mercklichen und groflen erliddenen schadens durch
dis mittel unserer gnedigen hulffe an den Riegischen also
wiederumb erholen ktaten.
Weil wir nun diese sachen, sonderlich aufl denen ob-
angezogenen schriftlichen und besiegelten ktiniglich und
andern furstlichen uhrkunden dermaflen geschaffen befunden,
das die von Riega diBfals obbemelte beschedigte leute gantz
notorie vorgewaltiget und ihnen das recht geweigert u$d
abgeschlagen, dieses auch also undt nicht anders geschehen
sein mit gutem grunde und bestandt an^infi gelanget ist,
alfi haben wir ihnen den gesuchten cummer und arrest
gnedig und gutwillig bewilligt und befehlen euch demijach
alien undt jeden besonders, gnedig und ernstlich, wofern
in euren bcfohlenen ambtern in unserm lande und gepiete
einige Riegische giiter oder personen anzutreffen weren, das
ihr auf Gerth Friesen oder seines gevollmechtigten und ab-
gefertigten anwaldes ansuchen und ermahnen solche Riegische
giiter, underthanen und einwohnere zue recht arrestiret und
anhaltet undt ihnen wiedor die Riegischen gebiirliches recht
wiederfahren lafiet. Daran thuet ihr uber die schuldige
gebiir was recht ist und unser befehl, willen und meinung.
De6 zu uhrkundt haben wir unser fiirstlich secret hierunder
aufdrucken laflen und un6 mit aigner handt unterschrieben.
Geschehen Gadebusch, den 27. junii a. 1578.
(L. S.) ChristoflFer.
15.
Eberhard Ducker, Bevollmdchtigter Johanns III., ur-
Jcundet uber die Aussohnung des Kbnigs mit der Stadt, die
Aufhebung der Eepressalien etc. Riga, 1579 Mai 4.
Orig. in Fr. u. Copie in W.
Des durchleuchtigstenn hochgebornen und groflmech-
tigenn furstenn unnd herren herren Johanssen des dritten zu
Schwedenn, der Gotten unnd Wenden koniges etc. meines
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73
allergnedigstenn heren abgesandter, ich Evert Duker thu
kundt, zeuge und bekenne in und mith diesem meinem
offenenn vorsiegeltem urkunde. Demnach ich aus habender
unnd mir lauth ihr mt. ahn die von Riga ergangenem
schreibenn zugestalter vulmacht mit gedachter stadt erbaren
rade unnd gemeinheit der zwischen ihr mt. unnd ihnen biB
daher geschwebten irrungenn unnd gefastenn wiederwillen
halben uff dabevorenn von ihnen, denen von Riga, ihrer
mt. vorigenn abgesandtenn gegebenem abscheide ferner ge~
handelt unnd mit ihnen dahin geschlossen habe, das sie zu
wiedererwerbung voriger hulde, gnade unnd gewogenheit
ihr mt. drittehalb tausent thaler an gelde, den thaler zu
sechstehalbe marck guter ganckbarer muntze billicher werde,
neben hundert unnd siebentzigk leste roggenn uff tregliche
unnd gestimbte terminenn abzuleggenn gewilligt, aueh darauf
in dato dreihundert thaler ahn gelde nebenn tausent thaler
ahn wharenn empfangenn, denen vonn Revell aueh albereidt
siebentzigk leste uff denn roggensummenn gelieffert, was
restend aber ahn gelde unnd kom uff ernante summen gewifi
unnd unverzuglich richtig zu machen versprochenn unnd von
dem rathe verschriebenn wurden und also nhumher alle
ungnade hochstgedachter kon. mt. meines gnedigstenn herrenn
gefallenn unnd aufgehoben, — als gerede unnd lobe ich
hirmit in crafft obangedeuter mir in diesem handell mith-
gegebener vulmacht, das ihr mt. meine mit der gutten stadt
vorangeregte stinliche handlung nicht allein zu gnedigstem
gefallenn gereichen, dan aueh hirmit alle bisdaher angemaste
offension und zugewandte ungnad gentzlich gefallenn, er-
loschen unnd die gute stadt wiederumb zu vorigen ktfnig-
lichen gnaden, hulde, aueh unbefartem sicherlichem wesenn
in und ausserhalb ihr mt. reichen zu wasser und zu lande
angenhommenn sein, sich aueh hinfur dessenn zu ihr mt.
untherdenigst zu getrostenn haben sollenn. Bs sollen aueh
hirmit unnd zugleich alle beschwerungenn , wie die in
auBgegebenenn bestallungenn ahn verstattung repressalien,
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74
kummer, ^arrestehn ihrer oder ihrer burgerschafften und ver-
wandten personen hab oder guterenn, zu wasser oder zu
lande, vonn der kon. mt, fur sich oder bey anderenn furstenn
unnd herren verhengt sein mochten, auch cassiret, aufge-
schrieben, todt unnd nichtig, nnnd was noch etwa disfols
ahn gelde oder guteren angehalten, nhumher loB sein, im-
gleichen alle bisdaher clagende parteien abgewiesen unnd
da sie je anspruchs sich befuget erachten mbchten, ahnn
ordentliches unther oder obergericht remittiret werden, wie
es dan imgleifchen hinfur und zu jeder zeit gehalten werden
soli, da sich abermall auflgeteettene unnd vermeintlich be-
schwerte personen an ihr mt. verfuegen und daselbst schutz
und hulff Buchen wolten, das in dem von ihr ml. ordentlichen
rechten zu verfange nichts verhenget, sonder an gerichten
unnd oberkeiten, dahin die personen unnd sachen gehorig,
verwiesenn und remittiret werdenn sollenn. In urkundt
hab ich mich mit eigner handt unterschriebenn unnd mein
angeborenn pittschafft unten ufis spatium gedrucket. Gebenn
Riga, montags nach misericordia domini anno etc. 79.
(L.S.)
Eberharth Duicker
mein egen handth.
16.
Johann III. an den Bath. Verwirft die von der Stadt
mit Eberhard Ducker gepflogene Verlmndlung. LinJcoping,
1580 Juni 16.
Copie in W.
Johann der dritte von Gottes gnaden etc. Wir sein
berichtet worden, waBgestalt durch unsern jiingst an euch
abgefertigten Ewert Ducker die irrung, welche ein zeit hero
fcwischen unB und euch geschwebet, hingelegt undabgehan-
delt sein soil. Nachdem wir nun befinden, das er in solchem
vertrage weit uber seinen befehlich, auch euer selbst eigen
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75
anerbieten, geschritten, seindt wir gnugsamb verursacht
solche handlung zu verwerffen, undt habet euch ohnedeB zu
erinnern, daB wir nun zu etzlichen mahlen an euch wegen
Gerth Friesen und Melchior Gunthern geschrieben und be-
gehret, das ihr dieselben contentiren und zufrieden stellen
wollet. Weiln wir nun vorgedachte beyde in unsere kcmig-
liche protection vorlengst angenomben, ihr euch aber biBhero
mit ihnen in keinen gutlichen vertrag einlaflen wollen, k5n-
nen wir ihnen auch ihre wolbefugte anspruch und furderung
wilder ihren willen nicht nehmen, sondern seint sie hinferner
(:vermuge unserer vorigen bewilligung:) gnedigst zu schutzen
und zu schirwen geneigt und begehren demnach hirmit
ernstlich, das ihr unB und daneben vorgemelte beyde parten
ohne alle auBfluoht und seumnufi zufrieden stellet und ent-
lich klagloB machet, sintemal ihnen niemals ihr recht ab-
geschnitten oder genomben worden, soferne wir jegen euch
nicht andere mittel vorzunebmen verursacht werden sollen,
darnach ihr eueh zu richten. So ktonen wir auch keines-
weges verwilligen, daBjehnige was alhie oder auBerhalb
unserer reiohe in zeiten der stehenden irrungen angehalten
worden, wiederumb auszuliefern, dieweil dan etzliche eure
stadtverwandte umb eine summa guter, welche dieses zwistes
halben bey unB hiebevorn angehalten worden, bereit au-
furderung getban und vielleicht thun werden. 1st ingleichen
unser ernstlichs ermahnend, das ihr solche eure stadtver-
wandte selbst befriediget und wir derenthalben woiter unge-
molestiret bleiben mugeu, und nachdem upB noch bey euch
geldt restet, begehren wir gleicbprgestalt, das ihr davon
gegenwertigen unsern diener Christoff Detmer auf 700 thaler
werth liefern und zukomben laBet und euch diflfals gegen
unB schleunig erkleret. Daran geachicht die billigkeit und
wir sein euch alBdan mit gnaden bewogen. Datum auf
unsern schloB Linctiping, den 16. junii ao. 80, unserer
reiche im zwolften.
J. R. S.
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76
17.
Johann von Munster and Andreas Spill (ehernalige
Rigasche Domherren) geben Kandschaft iiber den Baa des
Kalandhauses und die Ungiltigkeit der vom Erzbischof
ohne Consens des Capitels vorgenommenen Veratisserung
desselben. Wenden, 1589 Jan. 13.
Orig. in W. u. Copieen in Fr.
Wir hirnach beschrieben Johan vonn Munster thumb-
herr zu Lubeck und Andreas Spill etc. thun kundt, zeugenn
und bekennen hiermit und in krafft dieses brieffs vor men-
nichleichen, sonderlioh denen daran gelegen. Demnach wir
vom ehrbarn rathe der konn. stadt Riga, unsern besonders
vielgunstigen guethen freunden, fast instendigk ehrsucht und
angelangt, ihnen vormuege angetzogener und uns grundtlich
zu gemute gefurter ehehaflFter tihrsachen unsere kunde und
wissensfchafft, wie es nemblich zu zeiten der ertzbischoffliehen
regierung und volstande des ehrwirdigen capittels umb das
haus Calandt genandt, belegen ihn der stadt Riga, eine
gelegenheit und eigenschaflft gehabt, auch wie weit die ertz-
bischoffe vor sich und sonsten mit und neben den herrn
capitularn denselben Calandt zu alieniren und zu vereussern
mechtigk, mitzutheilen und zue geben, und wir zwar in an-
merkung dessen, als das wolerwentem rathe und algemeiner
stadt Riga ahn solch einer glaubhaflFten und bestendigen
kundtschafift vieleicht mercklich und viel gelegen sein muchte,
ohnedas wirs sonsten ahn ime selbst rechtmessigk und pilligk
ehrachtet, i. e. w. solchs zu vorweigern nicht gewust, so
haben wir deflfals unsere bestendige warhaffte kundtschafit
nachfolgender massen aus guethem grunde und bestande
vorfassen und auftzeichnen lasSen. Als nemblich, so viele
die circumstantz oder eigenschafft des Calaridts betrifiFt, ist
dasselbe haus niemals ein residentzhaus oder geistlicher sitz
und wohnung, besondern eine gemeine des ehrwirdigen
capittels gastgebereie oder herberge gewesen, darin auch
sonsten die burger der stadt mit den hern capitularn ihre
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77
conversation und fcuesamenkutifft vor alten j&hren in gewissenn
zeiten des j hares, vor vorhengter straffe Gottes des brandes,
gehabt und ihre gemeinschafft daselbest gehalten, zu welchem
ende es dan audi von einem vorordentem wirthe oder gast-
geber, deme es aus sonderer begonstigung des ehrw. capittels
gegonnet, ist bewohenet worden. Wie nun aber ihn dem
berurtem brandtschaden dasselb Calandtshaus nebenst stadt-
lichen des capittels residentzheusern auch gentzleich de-
sfruiret und zu uichte kommen, als hatt ein ehrwirdjges
capittell dasselb aus dem gebiete Crammon, als des sempt-
lichen ehrwirdigenn capittels guethern, mit ihrer allerseits
dartzu notigen anlage hinwiederumb aufsetzen und ehrbauwen
lassen und nach ehrbawung desselben Galandts einen mit
nhamen Matz Butenholtz in ahnsehung desselben durfftigkeit
wie ihren diener und der vor solche freie wohenung die
pauwren zur ahrbeidt, das haus und kammern auch den
hern capitularibus sauber und in guether rettschafft heilte,
zue bewohnen eing^geben und vorgonnet. Obwoll auch
einem ehrwirdigen capittell hernacher beigekommen, als
solte derselb Calandt dem benantem Matz Butenholtz und
seinen ehrben von i. hochw. f. dltt. dem weilandt hern
ertzbischoffe marggraff Wilhelm godtseliger gedechtnus zu
vorlehnen zuesage geschehen sein, so hatt doch solche zue-
sage, welche ohne vorher ehrlangten consens und austruck-
leiche bewilligung des semptlichen capittels geschehen, ihre
wirckliche krafft nicht ehrreichen und ablangen muegen, in-
massen dan das ehrwirdige capittell niemals darin willigen
wollen und i. hochw. f. dltt. auch ohnedas solchen Calandt
zu vorlehnen oder zu alieniren durchaus nicht mechtigk
gewesen, besondern solch Calandtshaus ist jhe und allewege,
wie vor also auch nach dem brande, da es, wie beruret,
mit des ehrw. capittels anlage wiederumb ehrbauwet, zu des
capittels nutz und besten oder, wie gemelt, zu ihrem gast
oder wirtzshause gebrauchett und dem benantfcm Matz
Butenholtze in ahnsehung seiner gelegenheit und das ehr
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78
die pawren zur ahrbeidt und ehrbauwung des Calandts ge-
trieben, wie ihrem diener ztie bewohenen gegonnet worden,
das also, wan schoen von i. hochw. f. dltt. dem hern ertz-
bischoffe unter desselben handt und siegel erne absoluta
donatio gesefaehen oder vorhenget, so wehre doch solche
donation absque consensu totius capituli ahnn ime selbst
nichtigk, unbnndigk nnd vonn keinen wirden, dan die ehrtz-
bischoffe des capittels guether so weinig wie das capittell die
ertzjrischoff lichen guether zu vereussern mecbtigk gewesenn.
Naehdem dan wir obgenante, als Johann von Munster
nnd Andreas Spill, der bestendigen wahrheit zu stewr einem
ehrbarn rathe der stadt Riga diese knndtschafft unserer
wissenheit mitgeteilet und gegebenn, als pitten wir alle nnd
jhede nach standes ehrheischung hiermit geburlich, diesem
nnserm warhafftigem getzeuchnus in alien puncten und clau-
sulen fullenkommen glauben zue geben und beizumessen,
zu welcher nhrkundt wir unsure pitschaffte wissewtlich
bierunten gedrucket und mit eigen handen unterscbriebenn.
Gegeben Wenden, den 13. januarii anno 1589.
(L. S.) (L. 8.)
Johan van Munster Andreas Spill
myn egen hant. mein eigen handt.
18.
Johann III. ertheilt Albrecht Moller einen Arrest*
und Kaperbrief geaen die Migischen nnd der en Outer.
Stockholm, 1590 Mi 10.
Copie in W.
Wir Johann der dritfce von Gottes gnaden der Schweden
Gothen und Wenden etc. kflnig, groBfurst in Finnlandt,
Carelen, Watzky r Petin und Ingera in ReuBlandt, der Ehesten
in Liefflandt hertzog etc. thun kundt und menniglich zu
wifien. Ob wir unB wohl versehen, das die von Rioga, so
gegen un&, unsere underthanen und dienere sich fast un-
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79
bescheiden und ungeburlichen verhalten, zue geburlichem
und entlichen abtrag sich bequemet, insonderheit aber
Melchior Gunthern, deBen schieff und gueterc etzliche frey-
beuter auf unsern strflmen fur unser stadt Revall auB der
hafen geraubet, welche sie nit allein in yerantworttung ge-
nomben, unterschleifet und also in groflen schaden und
verderb gebracht, sondern auch wieder den in haft ge-
brachten freybeuter rechts verwegert etc. zugefugteri scha-
deas ergetzet* und ingleichen Gerth Friesen seiner beJugten
zuspruche halben zufrieden gestellet haben solten, so befindet
sich doch , das sie ungeachtet unserer vielfeltigen gnedigen
ennahnung, auch ihrer hohen obrigkeit> unsers viclgeliebtea
sohnes des durehleuchtigsten hochgebornen und groBmech-
tigsten furstens herren SigiBmundi konigs zu Pohlen, grofl-
fursten in Littauen etc. diflfals an sic ergangene ernstliche
inaudaten und befehlich, in solch ihren ubermuth yearharren
und den klagenden das ihre zu erstatten nicht gemeint sein,
daB derwcgen zue erhaltung unserer kdniglichen reputation
wir nicht unterlaBen kflnnen, hinwiederumb dahin zu trach-
ten, damit obgemelte beschedigte befriedigt und ergetzet
werden mugen. Demnach so haben wir zeigern AJbrecht
Mollern befehl und volnkomliche macht unctt gewalt ge-
geben, dafl sie dero von Riega burger, burgerkinder, dero
diener und zugehorigen gueter, wo sie dieselbigen zu wafler
oder lande, in der ost oder westsee, in unserer jurisdiction
oder anderswo, auflbescheiden auf strdmen und gebieten des
konigs zu Dennemarcken, antreffen werden, angreiffen, in
unsere reiche fuhren, anhalten und nachdem sie damit in
unsere hafen ankomben, unvorsaumblich unB solches an-
melden und in beysein der unsern an gewiBen ort nieder-
legen mugen, bifl sie ihres schadens, auch aller unkosten
und zehrungen, durch was maBe und wege die auf diesen
handel angewandt, volnktfmblich sich erholet und befriedigt,
und soil insonderheit fur alles erstlich und zuvorauB was
die itzige schifsauBredung in kostung sich erstrecket, doch
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. 80
mit unsern wiBen und zulaB, von den angehaltenen giietern
bezahlet werden, die ubrigen gueter aber alle, auch im fall
derer mehr als des beschwerten theils haubtsummen und
interesse sich erstrecken, angehalten werden mOchten, sollen
unverruckt in sequester liegen bleiben bifl zu endlichen
auflgang und erflrterung der sachen. Doch wollen wir
nicht, das sie jemandts unschuldiger weifl unterm sdhein
der Riegischen beleidigen, noch sich dieser bestallung Weiter
und lenger alB biB sie vergniiget gebrauchen sollen. Ge-
langet demnach an alle nach derselben standt, condition
und gelegenheit unser begehren und gesinnen, dieselben
wolten obgedachte unsere befelichshabere und dero zuge-
hGrigen, do die entweder durch ungewitter oder freywillig
an dero hafen, strdmen und fahfwaBern gelangen, nicht
allein sambt schiffen, volck und andern, so sie bey sich haben
mtfchten, uberall frey undt sicher sein laBen, sondern auch
im fall der noth ihnen auf ihr begeren gnedige, gunstige
und gute hulflfe erzeigen. Solches seindt wir umb jeden
nach standes gebiir zu beschulden und zu erkennen erbfttigk
und geneigt, die unsern aber volnbringen daran unsern
ernsten willen und befehlich. Gegeben auf unsern kanig-
lichen schloB Stockholm, den 10. julii ao. 1590, unserer
reiche aber im zwey und zwantzigsten.
(L. S.)
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Die Tributpflichtigkeit der Landschaft Tolowa
an die Pleskauer.
Von Friedreich von Keussler.
Die Thatsache, dass man deutscherseits im Jahre 1224
den Russen eine Tributzahlung in der Landschaft Tolowa
hat zugestehen mussen, beruhrt eine Frage von wesentlicher
staatsrechtlicher Bedeutung, sofern dieselbe dem Begriff der
vollen Souverainitat der Deutschen innerhalb des genannten
Districts wenigstens im dreizehnten Jahrhundert widerspricht.
Gleichwol ist obige Thatsache in der livlandischen Geschichts-
literatur nie recht berucksichtigt worden 1 ).
*) A. von Richter, Geschichte der deutschen Ostseeprovinzen (zwei
Theile, Riga 1857—58), bemerkt sogar in Note 58 auf p. 148 (Th. I):
„Im Inlande von 1853 Sp. 717 wird angefuhrt, der Biachof Albert
und die Schwertritter hatten den Russen die Fortzahlung des
friiher aus Tolowa erhobenen Zinses vereprochen. Hiervon sagt
weder Heinr. d. L. (S. 171 u. 174), wo er die russischen Gesandt-
schaften erwahnt, noch der Theilungsvertrag uber Tolowa (Sylv.
doc. Nr. 67) ein Wort, und es passt auch nicht zum Gange der
Begebenheiten." Der Verfasser hat jedoch den Passus in XXVJLli,
9 des Chronisten iibersehen. Ernst Bonnell, der ungenannte Ver-
fasser der von Richter citirten Arbeit uber „die Begriindung der
romisch-deutschen Herrschaft in Li viand" (Inland, Jahrgange 1851
bi8l854), bietet andererseits in seinemWerk w Russisch-Liwlandische
Ghronographie von der Mitte des neunten Jahrhunderts bis zum
Jahre 1410" (St. Petersburg 1862) einiges wichtige Material aus
dem Jahre 1285. Auf letzteres geht Eduard Pabst, Heinrichs von
Lettland liylandische Ohronik (iibersetzt und erl£utert — Reval
Mittheil. a. d. livl. Geschiclite. XIV. 1. 6
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82
Schon aus der Chronik Heinrichs von Lettland *) ist es
hinlanglich bekannt, dass ansehnliche Theile der heutigen
Ostseeprovinzen sich zur Zeit der Ankunft der deutschen
Missionare in loserer oder engerer Abh&ngigkeit von russi-
schen Fursten befunden haben, ja dass es an der Diina in
dera spater von den Deutschen beherrschten Gebiet gar
zwei russische Furstenthumer zu Kokenhusen nnd Gercike 2 )
gegeberi hat. Auf welcbe Weise unter blutigem Eampfet
der russische Einfluss aus diesen Gegenden verdrangt worden
ist, soil an dieser Stelle nicht naher er artert werden, wenn-
gleich einige def wichtigsten Daten erwahnt werden miissen.
Aber w&hrend die deutsche Herrschaft sich auch russischer-
^eitd allenfhalbeii vollkommene Anerkennung zu verschaffen
gewiisst hat, ist ihr dies in einem Gebiet in nur bedrngtef
Weise gelungen, in der Landschaft Tolowa.
Wie sich bis zur Stutide die Grenzen fast aller Land-
Schaften des alten Livlands nicht genau angeben lasseil,
S6 durfeii wit uns ill Betreff der Lage Tolowas lediglict
mit aligem^inen Atigaben begnugent die Lands<A&ft um-
fasste in der Zeit des Chronisten die Gegend an deim
oberen und mittleren Lauf der Aa, grenzte im Osten an
das russische Gebiet und reichte im Westen bis an den
Butftneeksee, so dass Tricatua (um das Gut Tricaten) und
Adsele (urn das Gut Adsel), die mitunter neben Tolowa an-
gegebeh werden, als Theile des letzteren 2u gelten haben 8 ).
1867), zuriiek, wenn er anf p. 189 Anna. 11 bemerkt, »sogar noch
Ao. 1285!* sei den Rnssen in Tolowa Tribnt gezafclt worden.
i) Heinrici cfcronicon Lyvoniae ex recension e Wilb, Arndt in G.
H. Pertz, Mon. Germ. bist. toning XIII. Ansgabe in nsnm ficho-
lanim 1874.
*) Ueber dessen Lage siehe den Anfsatz yon J. Ddring in der Bait.
Sfonatsschrift B. XXIIL (Riga 1874) p. 422—42.
*} & Vierhtiff in den Sitznngsberichten der Gesettschaft fifif Ge-
acbicnte n. s. w. axis d. J. 1876 (Riga 1877) p. 60 f. glanbt „zweifel-
los sicher zn gehen u , wenn er vorschlagt, das latinisirte Tolowa
lettisch Tnblawa zn lesen, ,80 dass Tolowa das ringsum von der
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Die Bewohner waren Letten oder LettgaHen r welohe der
Awa, Aa, umfiossene Land beiBst." Aber die Angabe aringsum
umfloseen* ist hineitiinterpretirt. Vielmebr bedeatet der erste
Bestandtkeil dea Namens tubla (= dem mittellettiscben tawu)
„nabe a , daber die Uebersetzung j^Nabwasser" oder ^Fluaewiahe"
(Vierhuff verweiet auf das ahnkcb gebildete Mesopotamia) als die
arsprunglichere und einzig richtige Wiedergabe erseheint. Da nach
der Urknnde Nr. LXX in Bungea liv-, est- und kuirl. Urk.-Buch
Bd» I Tolowa uber daa recbte Aanfer binaus bis an dea Burtneek-
see (Astyefwe) sieb ansgedebnt bat., so moss in der That die
Laadscbaft das am die Aa gelegene Land gewesen seia — mit
Amsseblusa jedenfaiis dea Getoetes am unteren Lauf, wo wir
nacbst dem yon Autine nnd dem wendenscben Gebiet anderen
Landscbaften begegnen: naeb I>x. A. Bielenstein, Fragment? aus
der Etbnograpbie und Geograpbie Ait-Livlands (Mitan 1884), zu-
nacbst Idamea (= liv. Nordostland, Kircbsipiel Roop; nordlieb —
niebt mebr an der Aa — das nnr ein Mai bei Heinricb in XXVI, 1
genannte Bosnia um Hochrosen), sudlieb nnd sudfotlieb Tbe*eyda
nnd wesftlieb davon Metsepoie zwiscben den Miindangen der Aa
undSalis; die heutigen Kirchspiele Papendorf nnd Wenden batten
nocb remlettische [and wendiscbe] Bevolkerung, w&hrend nacb
Siiden bin Siggund nnd Ascberaden als tiviscbe Grenzorte gegen
Lettlabd anzuseben sind. Ebenso befindet sieb das jetzige Gut
Adsel mit seiner Schlossrnine hart am reebtea Ufer der Aa, wo-
darcb also die Zugehorigkeit dieses Gebietes — Adsele, Adzepjle
oder einmal Agzele, in Job. Benners Uvl. Historien (berausgegeben
von B. Hausmann nnd K. HoHbaum, Gottingen 1876, p. 82 u. 83)
naeb der in der Mitte dea vierzebnten Jahrbnnderts abgefassten
jungeren Beimcbrooik des Bartbolonoaeas Hoeneken auek Adselland
genannt — zu Tolowa niebt aasgesehlossen wird. Im ZusamBienbang
mit der spaterbin anzufubrendeo Nachrieht ans dem Jahre 1285
sebeint mir im Gegentbeil der Umstand^ da«s das in der Urknnde
genannte Ageele bei Heinricb ton Lettland uberbanpt niebt er-
wabnt wird, gerade far diese Zugehorigkeit znr grosseren Land-
scbaft zu sprecben, gleicbwie Trieatna ein kleinerer District der-
selben war. Heine Annabme endlicb, Tolowa babe im Oaten bis
an das ntsaische Gebiet gereicbt, findet ihre leicbt verstancHicbe
Bogrundung in der Thatsacbe der Zinapflicbtigkeit der dock wol
an daa pieskansobe Furstentbnm augrenzenden Landscbaft, soferu
6*
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84
Chronist ausdrficklich identificirt *).
wir nicbt annehmen wollen, dass gerade hier jener Theil Lettlands
dazwischen gelegen haben sollte, welcher im Jahre 1226 deutscher-
Beits noch nicht unterworfen war; siehe Bunges Urk.-B. Bd. I,
Nr. LXXXTV: „Convenit praeterea inter eos [episcopum et ma-
gistrum], quod si magister potent sibi subjugare de Lettia partem
aequivalentem illi, qnam ipse episcopus Theoderico de Cokenois
[Bonnell nach dem Original der Urkunde: „Cocanis a ] concessit in
Warka (?), earn dividere cum episcopo minim e teneatur." Die
Bezugnabme anf das heutige sog. polnische Livland ware unge-
zwungener — nicht nur weil bei Warka vielleicht an das gegen-
wartige Gut Warklany (sudlich vom Lubahnschen See) gedacht
werden konnte. Ernst Bonnell ubersetzt dagegen (Chronographie
p. 46): es sei dem Ordensmeister gestattet, „ falls derselbe einen
Theil Lit au ens eroberte, welcher dem von Albert an Dietrich
von Kokenhnsen in Warka gegebenen gleich ware, diesen allein
behalten zu durfen." In seinem Namen-Index (p. 281) verweist
er bei Warka auf p. 46 nnd halt es fur einen ^District Litauens
oder Lettlands (?). a Dr. H. Hildebrand, die Chronik Heinrichs
von Lettland (Berlin 1865), citirt p. 77 Anm. 1 obigen Abschnitt
der Urkunde und spricht gleichfalls von „ nicht unterworfenen
lettischen Strichen." — Ueber den Umfang Tolowas und einige
Ortschaften in demselben handle ich noch auf p. 90 Anm. 2 und
p. 99 Anm. 1 dieser Untersuchung.
*) Gals bedeutet im Lettischen das Ende, Aeusserste, Letzte, aber
auch die Gegend; siehe Dr. C. Chr. Ulmann, lett. Worterbuch
(L Theil, Riga 1872). Demzufolge sind unter den Lettgallen
keineswegs bios die Letten an der russischen, estnischen oder
livischen Grenze zu verstehen. So bezeugt Heinrich in X, 3:
„Reliqui .... Lyvones et L ethos [sonst meist Lettos], qui pro-
prie dieuntur Lethigalli, cum armis suis vocant Lethi
vel Letthigalli adhuc pagani...." Gleich ailgemein gefasst
findet sich ausser dem bei Heinrich nur ein Mai (XXIX, 3) vor-
kommenden, sonst freilich in den Urkunden gebrauchlichen Lettfhjia
durchweg die Benennung Let[h]t[hi]gallia. Lettgalli ware demnach
im Gegensatz zu Letti nur der genauere Ausdruck fur die Be-
wohner des Letten 1 an des; vergleiche die Uebersetzung von Sem-
gallen = lett. „Niederland* bei Ed. Pabst pag. 59, Anm. 11. Es
sei mir gestattet, diese Interpretation hiemit in Vorschlag zu
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85
Speciell von den Lettgallen in Tolowa erzSLhlt Heinrich
von Lettland unter dem neunten Jahre Bischof Alberts, dass
sie den Russen immer tributpflichtig gewesen seien. An der
beziiglichen Stelle (XI, 7) heisst es: Anfang des Jahres 1208 *)
habe der Priester Alobrand, aus Ugaunien zuriickkehrend,
den Lettgallen an der Imera (oder jetzt Sedde, welche von
Nordosten sich in den Burtneeksee ergiesst) gepredigt, zu-
mal das ganze Livenland und einige von den Lettgallen
(plures ex Letigallis) das Wort Gottes bereits aufgenommen
h&tten — also durch Vermittelung der deutschen Missio-
nSre, wie das Livenland 2 ). Wenngleich Alobrands Lehre
bei ihnen mit Freuden aufgenommen sei, so h&tten sie doch
vorher das Loos geworfen zur Erforschung der Zustimmung
ihrer Gutter, ob sie der Taufe der Russen von Pleskau
mit den anderen Lettgallen von Tolowa oder derjeni-
gen der Lateiner sich unterziehen sollten (an Ruthenorum
de Plicecowe cum aliis Letigallis de Tholowa, an Latinorum
debeant subire baptismum). Zur'Zeit der letzteren w&ren
namlich die Russen gekommen, indem sie ihre Lettgallen
in Tolowa getauft hatten, die ihnen immer tribut-
pflichtig gewesen (Nam Rutheni eorum tempore venerant,
baptizantes Lethigallos suos de Tholowa, sibi semper tribu-
taries). Das Loos habe zu Gunsten der Lateiner entschieden.
Unter ZustimmuDg des Bischofs habe Alobrand sodann in
Gemeinschaft mit dem jetzt zum Priester geweihten Chro-
nisten'das Volk getauft. Letzterer sei fernerhin daselbst
bringen. Bielenstein, der vorziiglichste Kenner der lettischen
Sprache, ubersetzt (Fragmente p. 9) allerdings Lettgalli mit „Be-
wohner der lettischen Mark (gals = Ende) tt , des Landes nordlich
der Diina, dessen Bewohner mit den Semgallen und Selen den
„ganzen lettischen Volksstamm a ausgemacht hatten.
!) Pabst p. 91 Randbemerkung.
2 ) Gemeint sind wol nicht nur die Letten Idameas, Heinrich X, 15;
auch XI, 5—6 werden schon bekehrte Letten erwahnt, und kurz vor-
her hatte der Furst Wiatechko von Kokenhusen die Halfte seines
(z. Th. lettischen) Gebietes dem Bischof abtreten mussen (XI, 2).
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wohnen gfeftilieben, Alobrand jedoch Aeimgekehrt, nacShdem
in der Gegend die Taufe volkogen gewesen ware (consumpto
baptismo in finitous).
Dass unter der auf diese Weise fur das abendlandische
Christenthum gewonnenen „Gegend a — trotz des Passus in
XX, 6 der Chronik „postquam jam tota Livonia baptizata
est et LeththigalKa", wo das tota eben nur auf Livonia be-
zogen werden darf — nicht aach das iibrige Tolowa, deren
Bewohner von der griechischen Kirche getauft waren, zu
verstehen ist, und dass diese griedhisch-kathoiischen Letten
erst 1214 zur rGmischen Kirche iibergetreten sind, soil so-
gleich gezeigt werden. Vielmehr ergiebt sich aus dem aus-
zftgKch mitgetheilten Abschnitt:
.1. nur die den, Russen tributpflichtigen Be-
wohner Tolowas waren der morgenl&ndischen Kirche
beigetreten;
2. da die Russen aus Pleskau denselben die Taufe
gebracht, so ist der in der Landschaft russischerseits er-
hobene Zins offenbar ausschliesslich dem pleskauschen
Piirstenthum entrichtet worden, was wir durch die folgen-
den Nachrichten bestatigt finden werden 1 );
3. erfahren wir iinsichtlich der Letten an der Im ex a,
dass sie den Russen nicht tributpflichtig gewesen seien,
und dass sie gerade im Jahre 1208 zur rdmisch-katholischen
Kirche sich bekannt hatten. Ausserdem muss von vorn-
«
herein ihre gleichzeitige TJnterwerfung unter 'die
dsutfrche Herrschaft angenommen werden, weil >diese
irberall mit der Annahme des Ohristenthums durch deutsche
Missionare verbunden zu sein pflegte; daher konnte der
Lettenpriester Heinrich sudlich der Imera — wol zu Wohl-
'**) Seit tfftitfi jeckxeh die Lamdachaft d«n Russen und zw»r Piesfcau
gegtioutojer ainspflichtig ^eworden, laast eich mit Sfchefheit rnicht
feststellen. Yergleicho 4ie bezttgliohen An gab en in E. Bonnells
Chronographie.
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87
ffrfu^) m- seins Kirche zu Lehen <ip. bengfiojo w XI, 7)
bflfeowaien upd scbiekte fuglicb aus demselben Grunde np#k
im Winter 1213 auf 1214 dem biscb*>fJi<*W Vogt WoIq-
dimir?) aus seinem Kirchspiel Eorn und Oeschenke (XVII,
6). t-t- Aus dem Wottkut des obigen AbsotoJtts -r- in weir
ohe»m yon den ^andereu Lettgalteiu in T.* und in B#tr#ff
der Russen von „ihren Lettgallen in T.., die ihnen ipmer
tributpflicbtig gewesen a , gehandelt wird rr- l$sst sicb da-
gegen die Zugehcfcrigkeit dieses Gebfetos $w Landsch&fij;
nicht strict beweisea. Allerdings bat sdieselbe aaaeh der
TbeUuttgsurkufnde von 1224 bis an dqn B^tpeeksee gereichfc.
Wir wissen indess weder, ob sie auch dessen ft^ddstliohQ^
Ufer umfasste, nooh wie weit die iLandscfeaffc Jiborhaupt g#ch
Nordwesten hin gereicbt hat, da an den andere^a iji Be-
traobt kommenden Stelkn der Chronik tyei der Re^eicbnung
Tolowa das Iroeralaud ausgescblosr&en bleibt. Pae
bat Pabst (p. 105, Awn. %l) zur Uypothese yer^nlftsst, l$te-
teres mdge ein TheiJ Tolowas gewe&en »ein, vo»u dem es
sieb friibzeitig trennte. In UeberetastfflWung mt diesem
sonst durcjhweg ublichen Gebrauch w^rde^n wir in uuserer
Untersuchung das Gebiet d$r Iiand&chaft epger «u &sseji
fcaben. Und da Jxa$t &a sieh, ob Jiatbolicismms jund deutsqhe
JHerrschaft gleichzoitig weoigstens zu eine>m Theil in das
ganz sidher als Toloiwa zu bezeiphnende Land eingedr/ungeu
#e>n diirften. Dean uuentschaeden blkbe es jtoHnerhm,
wie weit in westlicher Richtung die Missianstba/tigkeit der
Russen vorgeruckt, und ob nioht ander^rseits die Zins-
.pflichtigkeit iiberbaupft auf ,den flstliebsu Tb^il dar I<a&d-
«chaft beschr&nkt war.
i) Eabst p. $29, Anmerkuqg ,£.
2 ) Wolodimir Mstislawitsch, bei Heinrich yon Lettland Waldemarus,
in dfl& irasajschen Qprften auoh WWim!? jjegftpnt, war fer^rpder
dee beriikmten ^ureten Metislaw Msjtislaftitg$h .dgs T&pferpn ; qiehe
Beatu^ftw-Bjuinw, GssaWchte Busdanfls 3d. J, tfbergetet ypn Dr.
Th. Schiemann (drei IMejungan, UHm 1353-rr^) <p. 23&.
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88
In der Schilderung der folgenden Ereignisse begegnen
uns wiederholt die drei Lettenburgen Sotekle, Autine und
Beverin, beziehungsweise die Aeltesten (seniores) aus den-
selben Russin, Waridote und Talibald. Diese und Bertold,
der Provincialmeister des Ordens in Wenden 1 ), schickten
noch im selben Jahre eine gemeinsame Gesandtschaft zu den
Esten in Ugaunien, um mit ihnen fiber gewisse Streitfragen
zu verhandeln; und da man sich selbst bei der Wiederauf-
nahme der schon ein Mai abgebrochenen Verhandlungen
nicht einigen konnte, kam Waridote mit anderen Aeltesten
der Letten (cum aliis Lethtorum senioribus) nach Riga mit
der Bitte um bewaffhete Hilfe. Sie wurde gewahrt und aus
dem ganzen Livenlande und Lettgallien (de tota Livonia et
Leththigallia) ein starkes und grosses Heer entboten (XII, 6).
Von nun an standen Deutsche und Letten gegen Esten, Oese-
ler, Litauer und Russen (von Polozk, Gercike und Koken-
husen) in enger Waffenbriiderschaft. Wir werden zu unter-
suchen haben, ob und inwieweit letztere vielleicht in der
Unterthanigkeit der Letten ihren Grund gehabt haben konnte.
Die drei Burgen bildeten „raumlich und politisch eine
Gruppe" 2 ). In Betreff ihrer Lage bemerkt Pabst (p. 105,
Anm. 21): Autine lag nicht in Idumea, XVI, 7; dass es,
wie Beverin und sicherlich Sotekle, zu Tolowa gehflrt habe,
ist, wenn man XVI, 3, 6, 7 des Heinrich und Urkunde
Nr. XXXVm mit XVIH, 3 und Urk. Nr. LXX vergleicht,
sehr unwahrscheinlich. Es muss hinzugefugt werden, dass
diese Zugehorigkeit vollends unmoglich erscheint, weil Autine
nach Urkunde Nr. XV erst im Jahre 1209 aus dem Besitz
des Pursten von Gercike in den des Bischofs uber-
gegangen ist, wahrend eine Tributpflichtigkeit Tolowas nur
den pleskauschen Russen gegenuber zugestanden werden
!) Dr.F.G. v.Bunge, derOrden derSchwertbriider(Leipzigl875), p. 37 f.
2 ) A. Bielenstein, Bericht fiber die Heidenburgen an der livl. Aa,
Magazin der lett. - literarischen Gesellschaft Bd. XV Stuck II
(Mtau 1873) p. 26—53, speoiell p. 49.
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konnte 1 ). Wir mussen daher dieses Gebiet aus der Be*
handlung der kirchlichen, beziehungsweise politi3chen Ver-
h<nisse der Landschaft ausscheiden. — Beverin lag im
Dreieck zwischen der Aa, der Imera und dem Burtneeksee 2 ).
*) Im Gegensatz zu Pabst muss ich Antina in Urk. Nr. XV fur unser
Autine haiten; siehe ausserdem iiber den Wechsel des n und u die
Bemerkungen des Dr. W. v. Gutzeit in den Sitzungsberichten der
Gesellscbaft fiir Gesch. u. s. w. aus d. J. 1885 (Riga 1886)
p. 105. Des Graf en G. G. v. Sievers Meinung (die Letten-
burg A. und die Nationalist des Chrouisten Henricus de Lettis,
Riga 1878) , die Burg durfte an der Ostseite der^ wendenschen
Schlossruine auf dem sog. Nussberg gestanden haben, wird hin-
fallig durch die Untersuchung G. Vierhuffs: Wo lag die Burg
„Alt-Wenden"? (Riga 1884). Uebrigens hat Graf Sievers auch in
einem fruheren Aufsatz (Beitrage zur Geographie Heinrichs von
Lettland, Magazin u. s. w. Bd. XV Stuck IV p. 26 f. — Mitau
1877) die von Pabst gebotenen Hinweise auf andere Stellen der
Chronik ubersehen oder nicht genugend gewurdigt. Auch seiner
Ansicht nach (Beitrage p. 46) hatte Bischof Albert Autine sich
im Jahre 1209 von Fiirsten von Gercike abtreten lassen. Es ist
aber XIII, 5 (am Ende) zu entnehmen, dass die dem Bischof
Ende 1209 oder Anfang 1210 unterthanigen Letten auf der
Wenden und dem iibrigen lettischen Gebiet gegenuber liegenden
Seite der Aa, also auf deren rechten Ufer gewohnt haben, und
XVI, 3 (am Anfang) wird erzahit, dass die Letten von Autine
damals [1212] im Antheile des Bischofs waren (qui tunc
erant in sorte episcopi). — Neuerdings hat Bielenstein die Ver-
muthung ausgesprochen (Fragmente p. 16), dass erstlich Metimne
in XVII, 6 verschrieben sei fur „Autinene (cf. Autine)", und sodann
dass diese Residenz des bischoflichen Vogtes Woldemar (Wolo-
dimir) „in oder nahe bei dem heutigen Wolmar gelegen gewesen,
welches den Namen des aus Pleskau vertriebenen russischen
Grassfursten [sic!] zu deutlich an sich tragt und fuglich den
alteren Namen der Landschaft Autine (oder Autinene) verdraugt
haben durfte." Bielenstein verspricht, in einer „bald druckfertigen"
Schrift „iiber die Grenzeu der lettischen Sprache und der lettischen
Dialecte in der Gegenwart und im dreizehuten Jahrhundert* uber
diese Dinge ausfuhrlich zu reden.
2 ) Siehe Pabst p. 102 Anm. 3 und Graf Sievers (Beitrage. zur Geo-
graphie u. s. w.), welcher die Burg im Osten des Waidausees
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96
Ber Adsteste aus dieser Burg, Talibald, gilt in XVIII, ^ als
Aeltester von Tolowa, in XVII, 2 speciel! yon Tricattta').
Er hatte, soweit unsere Nadirichien reichen, dm oder vier
Sahne, welche aach Beverin gehtfrten (XVIII, 5), und v<m
denen zum Mindesten einer am Burtneeksee ans&ssig w$r 2 ).
aufgefunden zu haben glaubt Doch konnte dieselbe, da sie zu
Tolowa g eh 6 He, doch 'kaum sn&westUch von Woknar gesucht
werden diirfen , sofern Bielensteins Hypothese bezuglich des Aetz-
ieren Ortes Anspruch ,auf Anerkennung linden darf. 1st aber
nicht die Bauernbnrg am Waidausee igecade Autine gewesen?
J ) Liesse es r eich beweisen, dass Talibald nur in Trioato* and nicht
gleichzeitig u'ber ganz Tolowa Aeltester geweaeu ware, bo musste
der zueret genannte District Each Weeten iiber die Aa binaus
(vielleicht bis zum Burtneeksee) sich ausgedehnt haben. Auffallend
ist immerhin, dass in XV, 7 zwei andere Letten, Dote und Paike,
als Aelteste von Beverin bezeichnet werden. Ausser den zeither
angeffthrten werden in Heinrichs Ohronik gelegentlich noch zwei
lettiscbe Aelteste mit ihren Nam en ganannt: Meluke nndWarigrible
(XXUI, 5, letzterer auch XXV, 12); sie gehorten 1219 zu den
Letten des Ritterordens (Letti fratrum mMicie) gleich denen von
Kokenhusen.
») Talibald t 1215.
Rameke Waribule. Drivinalde. Vierter (?) 'Sohn,
oder Rameko. t 1220.
Ueber den vermeintlichen vierten Sohn, nnter dem moglicher
"Wedse Waribnle verstanden wird, siehe XXIII, 9. Drivinalde wird
an derselben Stelle „de Astigerwe" (vom Burtneeksee) bezeichnet.
Sollte Pabst's Vermuthung (p. 314, Anm. 8) zutreffen, naeh welcher
das fruhere Kirchspiel „zu Ramke" und das Gut Ramkau im
Pebalgschen naeh Rameke benannt seien, so ware schon hierdurch
meine an sich durchaus wahrseheinliche und auf p. 99 Anm. 1 dieser
Untersuchung naher zu begriindende Annahme, Tolowa habe sich
auch um den oberen Lauf der Aa erstreckt, bewiesen. Aber
Ramkau hat wenigstens spaterhin zum Erzstift gehort, und wegen
des Zusammenhanges in der Theilungsurkunde von 1224 (Urk.
Nr. LXX) musste Ramekes Besitznng zwischen der im Tricaten-
schen Kirchspiel von Suden her in die Aa fallenden Wihje und
dem Burtneeksee gelegen haben. In der Urkunde (iberlasst nam-
lich Bischof Albert dem Orden das an dem Fluese Viwa belegene
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Ufad nun wfod aus dem Jahre 1214 ©rjj&Mt, dass damals zu
Dorf, [ferner] die Besitzungen des Mannes, weleher Rameke ge-
nannrt wird, und was nur immer bis Earn Btortneefesee ihm, dem
Bisehof, vor der Theilung gehort habe (villain 1 apudYiwam fluvium
sitara, terminog possessionum viri, qui Rameke dicitur, et quip-
quid in possessione nostra ante hanc diuisionem habwimus us^ue
Astyerwe; vergleiche die Collationen des sogleich zu citirenden
Bandes der Mittheilungen p. 13). Dass unter der Viwa derWihje-
Fluss gemeint sei, hat G. Berfcholz jiingst nachgewiesen in den
„Vermischten Bemerkungen" zu den Perfbachschen Urkunden des
rigascfcen Capitel-Archivs, Mittheilungen der Gesellseliaft fur
iGescb. u. s. w. (iUga 1881) Bd. XIII Heft 1 p. 24—48, speojell
p. &7 f. — Pie an sicb nabe liegende Moglichkeit, in dem in den
Urkunden mehrfach genannten Gulbana das heutige Schwaneburg
(lett. Gulbene, gulbis = Schwan) wiederzuerkennen , wie Bunge
fur Prebalge Pebalge setzte (Pebalg = lett. Peebalge), erschiene
unzulassig gegentiber der von G. Berkholz auf p. 46 vertretenen
Ansioht, die daselbst erwahnten zw61f Dorfer s durften nur in einem
der gagenwavtigen Kirchspiele Burtneek, Wohlfahrt, Woknar zu
sucben sein." Aber aucb im Woblfahrtseben ? Naeb Pabst b&-
food sich gerade hier die Pfarrkircbe der Imeraletten, deren
Gebiet, wie wir sahen, nicht mehr zu Tolowa gerechnet werden
konnte. Bielenstein operirt .in den „Fragmenten a wiederholt mit
dem Gesichtspunkt, dass „die heutigen Kirchspielsgrenzen oft sehr
alt" seien (p. 19 und an anderen Stellen). Es wird aber das
Burtneeksche Kirchspiei, welches doeh jedeniatts zu Tolowa ge-
bort hat, von dem Kirchspiei Trieaten durch das WobMahrtsche
und Wohnarsohe geteennt. In Betreff Wolmars ist anderevseits von
Bielenstein geltend gemacht worden, Autine habe „in oder roane*
bei demselban gestamden (an den Waidausee, an dessen ostliches
Ufer ich die Burg zu setzen geneigt war, grenzen die Kirchspiele
Wolmar und Papendorf ). Die Stichhaltigkeit der herangezogenen
Momente vorausgesetzt, darf mitMn Bielensteins Auffassung uber
das Alter der Kirchspielsgrenzen in Bezug auf das westiiche
Tolowa nicht ihre uneingescbrankte Anwendung finden. —
Endlich mochte ich im Gegensatz zu G. Berkholz hier unter -aller
Reserve die Yermufchung aussprechen, der Name Balate Jrfmnte
vielleicht auf das Gut Ballot! (lett. Baloschu muisoha; balodis —
Taube, muiseha = Gut, Hof) ostlich vom Burtneeksee bezogen
werden.
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92
dem mit der Verwaltung der rigaer Didcese betrauten
Bischof Philipp von Ratzeburg, der eben im Gebiete der
Thoreider den Bau der Burg Fredeland *) begann, die Stfhne
Talibalds von Tolowa, Remeke mit seinen Briidern, gekom-
men seien, indem sie sich in die Gewalt des Bischofs be-
geben und versprochen hatten, den christlichen Glauben,
den sie von den Russen empfangen, in die Gewohntieit der
Lateiner umzuwandeln (tradentes se in potestatem episcopi,
proinittentes se fidem christianam a Ruthenis susceptam in
Latinorum consuetudinem commutare). Gleichzeitig sei eine
jahrliche Abgabe — ein Maass Korn von zwei Pferden —
festgesetzt worden far den best&ndigen Schutz zu Kriegs-
und Friedenszeiten, worauf der Priester an der Imera das
Volk in den Schooss der katholischen Kirche habe aufnehmen
sollen 2 ). — An die Stelle der Bundesgenossenschaft war
jetzt die freiwillige Unterwerfung getreten, und diese muss
ebenso auf das dritte lettische Burggebiet, das von Sotekle,
Bezuggehabt haben, da von jetzt an das ganze Tolowa
als unter deutscher Herrschaft stehend erscheint.
Schon weil die Burg auf dem li n ken Aaufer zu suchen
ist 8 ), kann die Unterwerfung dieses Landschaftstheiles nicht
*) Ueber dessen Lage siehe Bielensteins „Bericht iiber die Heiden-
burgen a und des Grafen Sievers „Beitrage ft .
2 ) Heinricb XYIII, 3. Hinsichtlieh des ihm gewordenen Auftrages
druckt sicb der Chronist nicht so bestimmt ans : „ ... qui eis
fidei sacrament a minis tran do discipline christiane daret
inicia. a Die Annahme des griechischen Bekenntnisses war da-
her, was auch durch die ganze Sachlage bestatigt wird, eine bios
ausserliche gewesen. Fraglich bleibt, ob Talibald im folgenden
Jahre als morgenlandischer oder romischer Christ den Martyrer-
tod erlitten (XEX, 3), da von ihm nicht ausdrucklich erzahlt wird,
dass er Eatholik geworden sei.
8 ) Vergleiche Pabst Anm. 1 zu XII, 6 (p. 102); indessen leuchtet die
Nothwendigkeit nicht ein, warum nach XV, 7 Bussin „wol ost-
lich von Tricaten" gehaust habe. Graf Sievers (Beitrage zur
Geographie u. s. w.) verweist auf die Bauernburg des Kwehpen-
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fruher erfolgt sein. Wenn andererseits der Aelteste Russin
in der That bei der im Jahre 1212 erfolgten Erhebung der
Liven an der Aa und der Letten von Antine auf den W&llen
Satteseles 1 ) gefallen ist, so folgt daraus noch nicht, dass
auch er sich im Aufstande befunden habe; bezeichnete er
doeh bei der seinerseits begonnenen Unterhandlung Bertold
von Wenden als seinen „Freund" (lett. draugs, bei Heinrich
latinisirt in draugus — XIV, 4), indem er in seiner Anrede
den vormaligen Frieden nnd die Freundschaft betonte (pacis
ac familiaritatis pristine verba proponens), und die Theil-
nahme am Kampfe entspricht andererseits so ganz dem
kuhnen, nnternehmenden Sinn des Helden.
Dass das Imeraland allein und nicht einmal der sud-
lich gelegene Theil Tolowas bis zur Landschaft Autinene
und dem Gebiete von Wenden in den vorausgegangenen
sechs Jahren den Deutschen gehflrt hat, wird weniger auf-
£allend bei Berucksichtigung des Umstandes, dass sich trotz-
dem ein territorialer Anschluss an die bereits unterworfene,
von Liven bewohnte Gegend im Westen des Burtneeksees
bot. Letzterer war also fur l&ngere Zeit die Grenze zwischen
Gesindes unter dem Gate Raisknm. Gegen diese Annahme
eprechen: I. die Lage des Berges auf dem rechten Aaufer,
2. der von mir auf p. 89 Anm. 2 rucksichtlich der Lage Beverins
geltend gemachte Gesichtspunkt , 3, die durch Bielenstein (Frag-
mente p. 16) nachgewiesene Zugehorigkeit des gegenwartigen Gutes
Raiskum zur Landschaft Idumea. Interessant ist der Urn stand,
dass auch der Raiskumsche Berg, dessen urspriingliche Bestim-
mung als Bauernburg sich nicht bezweifeln lasst, primitives Mauer-
werk aufweist, gleich der Burg Alt- Wenden; iiber letztere siehe
die Abhandlung G. VierhuflFs in Anm. 1 p. 89 dieser Untersuchung
und die divergirenden Auffassungen der Drr. Schiemann und
Bielenstein in der „Rigaschen Zeitung" (Jabrgang 1886), sowie
Fr. Bienemanns Anzeige in der Bait. Monatsscbrift Bd. XXXII
(1885) p. 179.
!) Ueber dessen Lage siehe Bielensteins „Bericht ubet die Heiden-
burgen" und des Grafen Sievers. „Beitriige a .
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94
dem rigischen und pleskauaeben Maebtgebiet gewesen. Auch
batte die Bwndesgenoesenschaft des zinspflichtigen Tolowa
k«inen oflfenen Bruch mit dem benachbarten russisehen
Furstenthum herbeigefuhrt. Wol war man in Nowgorod
mid Pleskau misstrauiach geworden gegen die Ausbreitung
der Deutschen im Lande der Esten: 1210 belagerte man
ruseisckerseits Odenpaeh, erzwang eine Zafalung xm& begaum
dlaselbst *zu taufen (XIV, 2). Aber nacb des Chronisten
anadrucklicher Versicherung hat e» mit den Pleskauern d&r
male Frieden gegeben (qui tunc erant nobiscum pacem
habentes), ja es war noch im selben Jakre ein gemein-
samer Zug bis in die Wieck zu Stande gekommen (XIV, 10).
Freilich hatte sich zwei Jahre sp&ter der Unwille des ples-
kauscben Volkes gegen den Fursten Wolodimir eorhofeen, der
vertrieben ward, weil er sein« Toehter dem Bruder des
Bischofs yon Riga [Theoderich} zur Gattin gegeben (eo
quod filiam suam fratri episcopi de Riga tradiderit uxorem
— XV, 13), ein Tollkommener Gleiehmuth gegeniiber dem
Erstarken der demtscben Colomie mtss auch im Hinbbck
auf diesen Vorfall ausgeschlofisen ersicheinen 1 ). Xmmerhin
haben die Pleskaner sogar die alsbald vollzogene Unter-
werfiing Tolowas unter die Gewalt Bisehof Alberts geschehen
la&sen, ohne sofort irgend wie einzuschreiten. Da hat man
deutscherseits an der Tributzahlung, auch sofern sie eine
jahrlich wiederkehrende War, offenbar nichts geandert, und
sie mag furs Erste um so eher zulassig erschienen sein, da
doch bis vor nicht langer Zeit (1212) in gleicher Weise ein
Theil der schon laogst unterworfenen Liven dem Fursten
von Polozk den Zins batte entriohten mussen, welchem der
^Bonnell, Commenter (IL Abtheilnug der Chronographie) p. 57,
findet eg erklarUch, „dass Wiadimirs [Woloditnird] Weigerung,
gegen die Deutseheb zu kampfen, seine Abaetzung veranlassen
konnte.* Ueber den Zng Mstislaws von Novgorod nach Estland
Amfang 1212 edehe p. 28 der Chronograpbie and Heinricii von
Lettland XV, 8.
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36
Biscbof im Ffieden von 1210 selbet seine Zustirnmung er-
theilt batte (XIV, 9 nnd XVI, 2). Fnr i&eme Annahme
sprMhe insbeisondere der Wnnscb der Bigiscbe®, die Pies*
kauer nicbt ztlm Eriege zu reizetf, wo e» feiadlicher Angriffe
geaug gab — endlicli eine sogleich anzufukrende Stelle
der Cbronik.
Wir erfahren nftmlicb, dasd tbatstfcblicb erst die est-
Mndische Frage die Veranlassung des Conflicted mit den
Bussen wurde. Weil die Ugaunier inzwischen gleichfallg
zur abendlandischen Kircho ubergetreten waren, und nacfo-
dem die Deutschen sie auf die Drohung der Ple&kauer,
deren Tributansprnch bier durch kein derartiges Herkommen,
wie in Tolowa, sancstionirt geweseft zu seiiv scheint, far fr6i
van den Bussen erklart batten, da erfit erhob im Herbst
1216 der vom Volke in seiner Wiirde wiederumi anerkannte
Eurst Wolodimir die Wafien znnachst gegen Ugaunien 1 );
Erst naeh sednem Ruckzuge ward eine deutsehe Besatzirag
in die Landscbaft gesandt und Odenpaeh ton den Eaten arafe
Starkste befestigt. Dann fahrt der Chronist fort: Es kfcmen
aueh die Bussera in gewobntel* Weise in dag Land del*
Letten ron ToloWa, uiri ihren Zins einzusammeln; naehdem
sie ihn eingesammelt hatten, zfindeten sie die Burg Beverin
an (Venerunt eciam Rutheni solito more in terrain Lettortim
*) Wenn Wolodimir von nun an, wie ihn Heinrich an dieser Stelle
' (XX, 3) bezeicbnet, als neuer Gegner der livlandiscnen Kircbe
(noyus adversaries Lyvonensis ecclesiae) sich gerirt, so werden
wir in der veranderten Politik gewiss in erster Linie eine Con*
cession gegen seine Unterthanen zu suchen haben. Trotzdem der
Fiirst fin* das gewanrte Unterkommen in der Zeit des ExUs dem
Bischof Albert gegenuber zum Dank verpflichtet war, muss ihm
der Entscblnss zum Eriege um so leichter gefalien sein , als, er
zwei Jahre frulier als biscboflicber Yogt in „Idumea und liettland"
in Folge seiner Bedruckungen mit der dortigen Landgeistlichkeit
sich iiberworfeu und bei Gqlegenbeit den Priester Alobrand mit
seiner Rache bedrobt hatte (XYIII, 3), welche er an letaterem in
etwas spaterer Zeit (1218) wirklich ausfiibrte (XXII, 4).
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de Tholowa pro censu suo colligendo ; quo collecto, castrum
Beverin incenderunt — XX, 5). Was aus allgemeinen Ver-
h<nissen zun&chst lediglich gefolgert werden konnte, finden
wir hier in mehrfacker Beziehung best&tigt: das ganze
To Iowa, auch das Gebiet zwischen der Aa und dem Burt-
neeksee, in dem Beverin gelegen war, hat in gewohnter
Weise — wie sich aus dem Zusammenhange ergiebt 1 ) —
gerade den Pleskauern den Tribut zahlen mussen. Darin
hat man dentscherseits keinen Eingriff gesehen; denn
nach dem dieser Schilderung sich unmittelbar anschliessen-
den Berichte Heinrichs erkannte Bertold, der Meister der
Ritterschaft zu Wenden, aus dem Anziinden der lettischen
Burgen — also auch anderer ausser Beverin — , dass die
Russen sich zum Kriege anschickten (Bt vidit Bertoldus,
magister milicie de Wenden, quod ad bellum se praepararent,
eo quod castra Lettorum incenderent). So begann im Januar
1217 der russische Krieg, indem nach einem Einfall der
Deutschen (XX, 5) Purst Wolodimir mit einem grossen Heere
der Nowgoroder und Pleskauer gegen Odenpaeh ruckte, wo-
bei er zun&chst von den Oeselern und den Esten Harriens
und Sackalas unterstutzt wurde. Als der Ort durch Capitu-
lation an die Russen gefallen war (XX, 7), schlossen sich
sehr bald die iibrigen Esten dem Bundnisse an, und „Russen
und Esten dachten daran, mit vereinten Kraften die deutsche
Colonie vftllig zu vernichten a 2 ).
Lange Jahre der schwersten Kampfe, der schwierigsten
diplomatischen Verwickelungen waren dahingegangen, als
endlich Anfang September 3 ) 1224 mit der Ersturmung Dor-
pats die Kraft des Estenvolkes gebrochen war. Noch waren
i) Vergleiche auch Pabst p. 221, Anm. 9.
8 ) R. Hausmann, das Ringen der Deutschen und Danen urn den Be-
sitz Estlands (Leipzig 1870) p. 8.
*) Siehe die Randbemerkungen bei Pabst p. 333 f. und Hausmann
p. 61 ; Bonnell, Chronographie p. 42, lasst den Ort noch im August
erobert werden.
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die Nowgoroder mit starker Heeresmacht nach Pleskau ge-
kommen und hatten mit den Pleskauern die Burg von der
Belagerung der Deutschen befreien wollen; auf die Nach-
richt aber von ihrer Einnahme kehrten sie heim mit heftigem
Schmerz und Unwillen (cum dolore vehement! et indignatione
— XXVIII, 6). Die Besiegten mussten die Deutschen als ihre
Herren anerkennen. Auch die Russen von Nowgorod und
Pleskau schickten — noch im Herbst desselben Jahres 1 ) —
Gesandte nach Riga und baten, was zum Frieden dient.
Die Rigischen nahmen sie an, schlossen mit ihnen Frieden
und stellten ihnen den Tribut wieder her, den sie immer in
Tolowa gehabt hatten (Miserunt et Rutheni de Nogardia
et Plecekowe nuncios in Rigam, petentes ea, quae pacis sunt.
EUreceperunt eos Rigenses, facientes pacem cum eis, et
tributum, quod semper habebant in Tholowa, eis restituentes
— XXVHI, 9). — Leider ist das Instrument dieses denk-
wurdigen Friedensschlusses nicht erhalten, und.wir sind,
da auch die russischen Quellen uber denselben schweigen,
ausschliesslich auf den Bericht Heinrichs angewiesen. Weil
Ugauniens und des ubrigen Estlands mit keiner Silbe Er-
w&hnung geschieht, wird man russischerseits auf aJles, was
man je im estnischen Gebiet unmittelbar besessen, wie auf
*) Gerade weil „schon am 16. November 1224 eine Auffordernng vom
Papste an die Christen inRussland ergeht, die Bischofe von Liv-
land, Senolien and Leal mit Gaben zu unterstutzen" (Bunge's
Urk.-B. Bd. I Nr. LXVI), muss der Friede damals bereits abge-
schlossen gewesen und nicht erst im „ Winter 1225" zu Stande
gekommen sein, zu welcher Annahme Pabst p. 339 Anm. 1 neigt.
Ebensowenig darf dessen Andeutung zutreffen, als wenn die im
verausgegangenen Winter (1223 auf 1224) in Riga angelangte rus-
sische Gesandtschaft, deren Zweck freilich nicht recht einleuchtet
(XXVII, 6) — Bonnell (Chronographie p, 42) halt sie daher fur
eine solche »aus Polozk (?)" — , die WaflFenruhe herbeigefuhrt
haben, da der Krieg doch fortwahrte.
Mittheil. s. d, UyI. GescWclite. XIV. 1. T
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jeden Zins in demselben 1 ) verzichtet haben — nur der
alte Tribut in Tolowa ist den Pleskauern geblieben>
Wir erfahren nicht, ob dieser — wofiir nachst dem vorhin
(p. 96) Dargelegten doch wol die Pr&sumtion spr&che — jedes
Jahr oder in l&ngeren Zeitabsclinitten zu zahlen sei, wie
hoch er sich belaufen, ob er in Geld oder Naturalien zu
bestehen habe; das Letztere wird anfcunehmen sein* weil es
sich urn die Wiederanerkennung einer uralten Steuer ge*
handelt hat. Ebenso fehlt die Angabe , in welcher Weise
der Zins zu entrichten sei, ob die Russen ihn sieh von den
Eingeborenen oder den Landesherren zn holen, oder ob die
Letten oder der Bischof und Ordensmeister denselben nach
Pleskau zu schicken h&tten. Denn Tolowa war noch 1224
zwischen den livlandischen Machthabern der Art gethfilt
worden, dass dem Meister das Gebiet vom Burtneeksiee
*) Das Material fur die ehemalige Steuerpflichtigkeit auch des est-
nischen Gebietes findet sich in dem umfassenden Werk B. Bonnells.
— Bei der Eroberung Dorpats war iiberdies der Fiirst Wiatschko,
der fruher in Kokenhusen seinen Sitz genabt hatte, gefallen. Im
Herbst 1223 hatten ihn die Nowgoroder zum Furten des Ortes und
der Umgegend eingesetzt (XXVII, 5). Aber vor allem ist bereits
angedeutet worden, dass Heinrich von Lettland nnr die alte Zins-
pflichtigkeit Tplowas bei jedem sich bietenden Anlass immer wieder
betont, wahrend jedes Hervorheben gleich alter russischer Rechte
auf Estland nnterlassen wird. Der gemeinsame Kampf gegen die
Dentschen hatte zeitweilig das Verhaltniss zwischen Russen
und Esten enger geknupft und ebenderselbe Umstand die Ein-
setzung eines eigenen Fiirsten in Dorpat durch die Nowgoroder
herbeigeffihrt. In dem gerade nm die estnische Frage entbrannten
Kriege waren jetzt die Dentschen als Sieger hervorgegangen.
Daher konnten sie in den Friedensverhandlnngen sehr wohl bei dem
Standpnnkt von 1216 beharren: dam als hatten sie die Ungaunier
for frei erklart von den Rnssen; wie sie es immer vor der
[1210 durch die Nowgoroder und Pleskauer begonnenen] Taufe
gewesen, so seien sie es auch jetzt (liberos eos a Ruthenis esse,
semper sicut ante baptismnm fuerunt, sic et nunc esse, confirma-
bant — XX, 3).
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zu beiden Seiten der Aa bis zur Wilye oder fiber dieselbe
hinaus und ausserdem Adsele (letzteres mit Ausnahme von
vier namhaft gemacbten Ddrfern), dem Bischof von Riga
dagegen zwei Drittel der Landschaft zufielen, d. h. die
Gegend sudlich des mittleren Laufes der Aa und nach Osten
bin die auf dem rechten Aaufer vielleieht bis zur pleskauschen
Grexize 1 ). Von Interesse fur die beruhrten Einzelheiten ist
gewisa das Beispiel der zwischen Bischof Albert und dem
*) Ueber die Urkunde und deren Literatur siehe die Bemerkungen auf
p. 82 Anm. 3 und p. 90 Anm. 2 dieser Untersuehung. Heinrich be-
eschrankt sich in XXVIII, 9 auf die Angabe des Grossenverhalt-
nisses dee bischoflichen und Ordensgebietes. Nach Baron B. v. Toll,
est- und livlandische Brieflade Theil HI (herausgegeben von Dr.
Ph. Schwartz, Riga 1879) p< 144, gehort die Theilung in den „An-
fang des Januarjahres 1225", weil sie bei Heinrich „Ende des
Marzjahres 1224" erzahlt wird, daher Bunge in den „liv-, est- und
curlandischen Urkunden-Regesten bis z. J*. 1300" (Leipzig 1881)
p. 19 die (ohne Datum uberlieferte) Urkunde in den Anfang 1226
setzt, wahrend er dieselbe in Bd. VI p. 141 des Urkundenbuches
(1873) aus dem Juli 1224 datirt hat. Die von Baron Toll und Dr.
Schwartz gegebene Zeitbestimmung ist jedoch keine zwingende;
Dr. M. Perlbachs Datirung „c. 1224" (Mittheilungen Bd. XDT p. 5
und 13) wird mithin vorzuziehen sein. — G. Berkholz macht in
ebendemselben Bande der Mittheilungen p. 47 darauf aufmerksam,
dass nach dem Wortlaut der Urkunde es zweifelhaft bleibe, ob
Adsele uberhaupt noch zu Tolowa gehorte oder nur beilaufig mit
letzterem zusammen erwahnt worden sei. Da aber nach den auf
p. 83 in der Anmerkung gel tend gemachten Momenten Adsele als
kleinerer District der Landschaft aufgefasst werden musste, so
sind wir bei Berucksichtigung des vom Chronisten mitgetheilten
Grossenverhaltnisses der dem Bischof und Orden zugefallenen An-
theile gezwungen, Tolowa recht weitgehende Grenzen nach Suden
hin zuzuweisen, daher dessen Ausdehnung um den oberen Lauf
der Aa als bewiesen gelten darf. Nicht ermitteln lasst sich je-
doch aus der Urkunde, ob das bischbfliche oder das Ordensgebiet
oder ob beide an das plescausche Fiirstenthum angrenzten.
7*
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100
Fursten Wolodimir *) von Polozk vierzehn Jahre friiher ver-
einbarten Bestiinmung in Betreff des Diinagebietes : es soil ten
die Liven den gebiihrenden Zins dem Fursten jahrlich
entrichten oder der Bischof far sie (facta est pax . . . . ita
tamen, nt Lyvones debitum tributum regis persolvant an-
nuatim vel episcopus pro eis — XIV, 9). Dort hatte mit-
hin der Landesherr zur Sorge far die regelmassige Zustellung
einer jahrlichen Steuer sich verpflichtet, den Tribut geradezu
garantirt gehabt.
Die eingehendere ErGrterung der Frage, wann und
unter welchen Umstanden die deutsche Herrschaft in Tolowa
sich festgesetzt hatte, ist mir urn so nothwendiger erschienen,
weil sich aus derselben manches Charakteristische fur die
Natur des Abhangigkeitsverh<nisses der Landschaft vom
benachbarten russischen Furstenthum ergeben musste. Dank
der verh<nissmassigen Reichhaltigkeit unserer altesten ein-
heimischen Geschichtsquelle an Anhaltspunkten und directen
Nachrichten haben wir einige nicht unwichtige Resultate ge-
winnen ktfnnen. Insbesondere sehen wir, dass das Abhangig-
keitsverh<niss von jeher ein sehr loses gewesen sein
muss. Weder sifcd russische Ansiedelungen, noch auch nur
Befestigungen zur Sicherung der Zinspflichtigkeit in Tolowa
nachweisbar. Andererseits hatten die Pleskauer bios in
Folge der Rivalitat der Abendlander und aus Furcht vor
ihnen sich dazu entschlossen, ohne sonderlichen Nachdruck
die Missionsarbeit unter den steuerpflichtigen Letten aufzu-
nehmen *). Dass letztere, wie im Jahre 1210 voriibergehend
*) So und nicht Wladimir durchweg von Bestushew-Bjumin genannt.
Bd. I p. 227 muss jedoch statt 1219 die Jahreszahl 1212 gesetzt
werden.
2 ) Bonnells Annahme (Chronographie p. 22), es sei das »zwischen
den J. 1200(1186?) und 1208" geschehen, ist entschieden zu weit
bemessen. In der im Text dieser Untersuchung mitgetheilten
Stelle der Chronik heisst es: „eorum [Latinorum] tempore.*
Allerdings hatten bei der Ankunft Alobrands im Imeralande die
tolowaschen Letten sich bereits von den Pleskauern taufen lassen.
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101
bei den Ugauniern, ausschliesslich politische Zwecke ver-
folgt habe, erfahren wir aufs Unzweideutigste ana dem be-
kannten, wenn auch nicht vorurtheilsfreien, so sicherlich
in diesem Pall das Wesen der Frage treffenden Urtheil
Heinriohs in XXVJLU, 4 1 ). Im Uebrigen wird nirgend von
den Eussen beriehtet, dass sie dem seit Altem unterworfe-
nen Gebiet irgend welchen Schutz gew&hrt h&tten gegen die
vielfachen Bedruckungen und Einfolle der Litauer, Esten
nnd Liven: sie beschr&nkten sich eben auf den Tribut.
Darum erkl&rt sich jene 1214 erfolgte freiwillige Unter-
werfung der Bewohner Tolowas und ihr Uebertritt znr
lateinischen Kirche gem&ss dem sehr bestimmt hervortre-
tenden Zeugniss des Chronisten aus dem Wunsch nach hin-
reichendem Beistand und Schutz, welchen die Letten allein
von dem thatkr&ftigen bischflf lichen Staat an der Duna er-
warten durften*). Und russischerseits ist man weder 1208
dem Abschluss des Bundnisses, noch sects Jahre sp&ter dem
offenen Abfall von der griechischen Kirche und der gleich-
zeitig stattgehabten Anerkennung der deutschen Landes-
hohcit in irgend welcher Weise entgegengetreten; da die
Steuerpflichtigkeit trotz dieser Ereignisse unbeanstandet
blieb, so hatte man das alles ohne Einsprache ges€hehen
lassen und konnte zufrieden sein, nach einem langjahrigen
Kriege, dessen director Anlass die Ugaunier gewesen waren,
im Jahre 1224 ein vertragmassiges Recht auf diese Steuer
i) mater Ruthenica sterilis semper et infecunda, que non spe
regenerationis in fide Jesu Christi, sed spe tributorum et spoliarum
terras sibi subjugare conatur.
*) Heinrich XVIH, 3 . . . eo quod pads quam belli tempore semper
tuerentur ab episcopo, et essent cum Theutonicis cor unum et
anima una, et contra Estones et Letones eorum semper gauderent
defensione. Derselbe Beweggrund wird 1208 bezaglich der Letten
an der Imera geltend gemacht (XT, 7), wie — was in diesem
Zusammenhange von grosserem Interesse ist — bei der im selben
Jahre vereinbarten Bundesgenossenschaft des lettischen Gebietes
mit Bertold von Wenden und den Rigischen (XII, 6).
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102
erlangt zu haben. — Es fragt sicli endKch, wie lange ferner-
hin die Pleskauer zur Tributerhebung berechtigt gewesen
sind. Bei der Luckenbaftigkeit des vorhandenen Materials,
welches lediglich in zerstreuten Notizen ganz rerschieden-
artiger Quellen gesucbt werden kann, muss die Antwort auf
diesen Theil der Untersuchung minder befriedigend lauten.
An der Thatsacbe, dass es im Herbst 1224 zu einem
„festen tt Friedensschluss gekommen war, darf nicht gezweifelt
werden, zumal wir hierfur vielleicht ein Zeugniss Papst Ho-
norius III. in der Bulle vom 17. Janu&r 1227 besitzen 1 ) und
iiberdies wissen, dass im Sommer 1225 Boten aus Nowgorod
und anderen russisohen Stadten den in Biga anwesenden papst-
licben Legaten Bischof Wilhelm von Modena um die Best&ti-
gung des Friedens gebeten haben, welcher schon l&ngst mit
den Deutschen gemacht war (Rutheni Norgadenses et alii de
civitatibus aliis . . . miserunt [ad legatum] nuncios suos,
petentes ab eo pacis jam dudum a Theuthonicis facte con-
firmationem). Der Chronist deutet dabei an, es habe der
Legat [andere] dergleichen Bitten seitens der Gesand-
ten erhtfren mussen; er habe ihren Glauben auch durch viele
Ermahnungen gest&rkt und sie alle heimgeschickt in ihr
Land mit Preuden (Et exaudivit eos in huiusmodi petitioni-
bus, fidem eorum eciam multis exhortationibus roborando,
remisitque omnes in terram suam cum gaudio — Heinrich
XXIX, 4). Den Bussen imponirte nicht nur die Macht des
jungen aufstrebenden Colonialstaates, sondern sie haben
damals aus Purcht vor den Mongolen sogar iiber die An-
!) Bunges Urk.-B. I Nr. XCV. In dem Schreiben „an alle Konige
Russlands" heisst es: ^Interim autem pacem cum Christianis de
Livonia et Estonia firmam habentes, non impediatis perfectom
fidei Chriati&nae." Bonnell, Chronogr. p. 47, fasst allerdings den
Inhalt dieser Stelle anders: inzwischen sollten die russischen Fursten
„mit den lateinischen Christen in Livland und Estland festen
Frieden halten und die Ausbreitung des christiichen Glaubens
nicht hindem."
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103
erkennung des p&pstlichen Primats verhandelt 1 ). Also war
das Verh<niss zu den Livlandern, in deren Hauptort die
Verhandlungen gefiihrt worden waren, ein durchaus fried-
liches. Aber nooh zu Lebzeiten Bischof Alberts verbanden
diese sioh im Herbst 1228 mit den Pleskauern gegen Jaros-
law Wssewolodowitseh von Nowgorod* per Furat war eben
wieder auf den nowgorodschen Thron gelangt 2 ), die Fuhrer
der gegnerischen Partei nach Pleskau gezogen; und als
Jaroslaw dorthin gehen wollte, nahmen ihn die Pleskauer
nicht auf. Da fuhrte er unter dem Vorwande eines Krieges
gegen die Deutschen seine Gefolgschaft aus Perejaslawl
herbei. „Als aber die Pleskauer vernahmen" — heisst es
in den nowgoroder Jahrbuchern — , „dass Jaroslaw Kriegs-
volk herbeiziehe, ergriflf sie Furcht, und sie nahmen Frieden
von Riga und legten den Handel rait Nowgorod dar und
sprachen: ,Weder seid ihr, noch sind die Nowgoroder uns
geneigt; ziehen aber diese gegen uns, so sollt ihr uns helfen/
Sie aber entgegneten: ,So soil es sein' — und nahmen von
ihnen vierzig Geisseln* 8 ). Auch die Nowgoroder weigerten
*j Vergleiche Bonn ell, Commentar p. 65. '
B ) Bonnell , Commentar p. 247 ; doch hat Jaroslaw nicht Beit dem
Herbst, sondern naeh dem p. 48 der Chronographie rucksichtlieh
seiner Mitgetheilten, spatestens seit dem Sommer zum dritten
Mai die Furstenwurde in Nowgorod bekleidet. Ueber die damali-
gen Zustande in Nowgorod und Pleskau, wie fiber das Abhangig-
keitsverhaltniss des letzteren siehe die bezuglichen Absohnitte
bei Bestushew-Rjumin Bd. I. *
8 ) Bestushew-Rjumin Bd. I p. 242; vergleiche auch Bonnell, Chrono-
graphie, p. 49. Die Pleskauer hatten den nowgoroder Boten mit
den bezeichnenden Worten die Heeresfolge verweigert: „Furst,
wlr griissen Dich und unseren alteren Bruder Nowgorod, aber
gegen Riga ziehen wir nicht. Haben wir nicht mit Nowgorod ge-
meinsam Frieden angenommen von Riga? Ihr seid gegen Reval
gezogen und habt nur Geld eingezogen, aber die Stadt selbst habt
ihr nicht eingenommen, und dauerndes Recht habt ihr nicht
gegrtindet* ->~ doch wol ein neuer Beweis dafur, dass die Now-
goroder auf ihre Tributanspruche im estnischen Gebiet haben
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104
sich nun, ohne Pleskau den Krieg zu beginnen, und so
musste derselbe unterbleiben. Der bezugliche Passus „8ie
nahmen Frieden von Riga" (Braaina Mnpx ex PnacaHH) kann
nach den geschilderten Verhaltnissen lediglich auf einen
mit den Livl&ndern abgeschlossenen Vertrag bezogen werden,
welcher thatsachlich in einem Schutz- und Trutzbundniss *)
bestand.
Dieser Zusammenhang ist wichtig. Nach maneherlei
Reibungen und Kampfen hatte es im Jahre 1268 abermals
Krieg gegeben zwischen Deutschen und Russen. „Wol tf
drizec tftsent man" 2 ) — gemeinsam mit den Nowgorodern
auch der Furst Dowmont von Pleskau — waren ins danische
Estland eingebrochen, wo es zu blutigen Kampfen gekommen
war. Doch wol schon im Juni schrieb der Ordensmeister
Otto von Lutterberg an die Stadt Lubeck: er habe die Stadt
Pleskau von Grand aus verwustet; als er aber beabsichtigt
habe, die Burg zu erobern, seien Gesandte aus Nowgorod
gekommen und hatten um Frieden gebeten; mit ihnen habe
er auf den Rath erfahrener Manner einen Frieden ge-
schlossen, wie derselbe zu den Zeiten Meister Vol-
quins und Bischof Alberts bestanden (cum quibus pacem,
quae temporibus magistri Volquini et episcopi Alberti fuit,
consilio fecimus peritorum). Freilich war zun&chst nur ein
Verzicht leisten mussen! „Und gegen Wenden seid ihr gezogen
und gegen Odenphae, and nirgends habt ihr etwas aus-
gerichtet. Dagegen hat %ian unsere Briider auf dem Eise ge-
schlagen und andere in Gefangenschaft gefuhrt Wir werden des-
halb nicht kommen, und zieht ihr gegen una selbst, so kampfen
wir mit Hilfe der Mutter Gottes: und wenn ihr uns auch alle
todtet und Frauen und Kinder raubt, gegen Riga werden wir doch
nicht ziehen. a Dr. Th. Schiemann, Russland, Polen und Li viand
bis ins siebzehnte Jahrhundert (Berlin 1886) Bd. I p. 193 f. —
in W. Onkens Allg. Geschichte in Einzeldarstellungen.
*) Bestushew-Rjumin Bd. I p. 276.
2 ) [Aeltere] livlandische Reimchronik (herausgegeben von Leo Meyer,
Paderborn 1876) Vers 7573.
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105
vorl&ufiges Abkommen erreicht worden. Die Best&tigung
des Friedens (pacis confirmatio, pacis reformatio ; quousque
pax firmetur) — heisst es weiter — werde nach Erneuerung
und genauer Festsetzung der dfters verletzten Gerechtsame
der deutschen Kaufleute erfolgen u. s. w. 1 ). — Im ordens-
meisterlichen Schreiben werden die vereinbarteri Friedens-
bestimmungen von der nachtraglichen Regelung der Haridele-
verhaltnisse getrennt, und hinsichtlich der ersteren hat man
gerade auf den Friedensschluss von 1224 zuruckgehen mus*
sen: auch damals haben Gesandte aus Novgorod nnd Pleskau
gemeinsam mit den Deutschen pactirt; nichts erfahren wir
ansserdem daruber, dass nach den Rustungen im Herbst
1228 noch bei Lebzeiten Bischof Alberts ein neuer form-
licher Priedensschluss mit den Nowgorodern stattgefunden
hatte. Der Grunder des livl&ndischen Staates verschied
bekanntlich am 17. Januar 1229, wahrend Ordensmeister
Volqnin siebeneinhalb Jahre sp&ter in der grossen Nieder-
lage gegen die Litauer bei Sonle verblutete 8 ). Es wird
also auch 1268 den Pleskauern der Tribut in Tolowa von
neuem bestatigt worden sein 3 ).
*) Bunges Urk.-B. Bd. I Nr. CDX; ein im Wesentlichen gleichlauten-
des Schreiben des rigaschen Bathes an den von Liibeck enth<
Nr. CDXL Siehe die anderen Qnellenangaben bei Bonnell (Chro-
nographie p. 79), sowie dessen Hinweise auf den Commentar.
Die Verhandlungen zogen sich langere Zeit hin; erst Anfeng 1270
verstandigte man sich endgiltig. — K. E. Napiersky, Bussisch-*
livl. Urkunden (St. Petersburg 1868) p. 15, lasst das zuerst ge-
nannte Schreiben „wahrscheinlich 1269", das zweite „wol 1269 "
abgefasst sein. Bunge datirt in seiner nenesten Begestenbearbei-
tung (von 1881, siehe die Oitate daselbst) beide Urkunden vom
„Juni (?) 1268".
*) Am 22. September 1236, siehe Baron Toll und Dr. Schwartz' Brief-
lade Th. HI p. 146 und 12.
8 ) Von diesem Gesichtspunkt aus gewinnen die Verse 7759—60 der
Beimchronik einen besonderen Sinn:
und machte [der meister] einen vride gut.
des rreut e sich der Buzen mut.
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106
Noch 1285 ist der Zins erhoben worden. Die ersten
pleskauer Annalen schreiben: „Im J. 6792 fand eine Er-
gcheinung am Monde statt, am 24. December, an einem
Sonntage; nach zwei Wochen, im Januar, am 12., kamen die
Unsrigen um [wtirtlich: kamen wir um]: die Deutschen er-
Bchlugen die Pleskauer beim Tribut bei Alyst[e], 40 Mann.
Denn die alten Chronographen behaupten, dass eine Er-
scheinung nicht auf Gutes, sondern auf Boses wirklich hin-
weist" — R& jiiTO 6792. Bhctb 3HaMeme fb jyni, u,eica6p#
24., vb aem> He^ijiLHiifi; no #boio Heflfono, remaps, nora-
60x0111, kb 12., H36Hma Hiinjff Hckobh^b Ha flam, y AjracTy,
40 BiyatB. jfeoace apeBHra XpaHorpa^n raarojnoTt, s&o
snaMeme h4ctb Ha aotfpo, ho Ha sxo npncHO HBjraeTca *).
Die zweiten pleskauer Annalen fassen sioh kiirzer : „J. J. 6792
am 2. Januar erschlugen die Deutschen die pleskauschen
Tributeinsammler, 40 Mann, bei WoIyst[e] a — Bx jrfcro
6792., reHBapa 2,, Hs6mna H4mijh Hckobckhx* Amwpnowb,
40 ny»B, y Bojaicrty *). Diese Quellenangaben werden erg&nzt
durch die Mittheilungen zweier im lUbiscben Archiv erhalte*
nen Verzeichnisse von Waaren, wolche den deutsehen Kauf*
leuten auf ihren Fahrten zwiscben Nowgorod und Pleskau
in der Zeit von 1288—1311 gewaltsam von den Russen
abgenommen waren; dieselben sind „ohne weitere Beglaubi-
gung, ohne Angabe des Ortes oder Jahres und Tages" 3 ).
Beide Verzeichnisse stimmen an der uns interessirenden
Stelle im Wesentlichen uberein. Das erste lautet: „Im J.
des Herrn 1288 sind die deutschen Kaufleute um gegen
20,000 Stuck kleines Pelzwerk beraubt worden, und das
haben die Pleskauer gethan, und sie haben in Gegenwart
*) IIcKOBCKaa nepBaa aiTomiCL in naraoe co6paeie PyccKHii afcTonHcei,
tomi IV. (CaHKTneTep6ypn» 1848) p. 183.
2 ) IIck. BTopaa j. in n. c. P. jl, tomi V. (1851) p- 10.
8 ) Gv F. Sartorius Freyherrn v. Waltershausen urkundliche Geschiohte
des Ursprungs der deutschen Hanse. Zwei Bande. Hamburg 1830
— Band II p. 156 f. Die Verzeichnisse sind neuerdings abge-
druckt in Bd. VI von Bunges Urk.-B. Nr. MMDCCLXX.
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107
des Bischofs von Dorpat (coram Domino Tarbatensi), der
Bruder und der Boten von Nowgorod und in Gegenwart vieler
anderen angesehenen Manner bekannt, dass sie dag getban
batten zur 8iibne der Gettfdteten, welche der Bruder
Otto Paschedacb mit denen vonRositten get&dtet batte im
Lande Adze lie (plescowenses fatebantur . . . ., se fecisse
ad vindictam occisorum, quos frater Otto Paschedacb cum
illis de Rositen occiderant [!] in terra adzelle); dabei habeu
ebendieselben Deutschen sechzig Mark verloren." Von den
Yarianten des zweiten Verzeichnisses Bind nach Fortlassung
der inbaltlich unwichtigen das Jahr „1298 a statt 1288 und die
Schreibart „pbacedhach a anzuf6hren, sowie die Bemerkung,
der Verlust der Deutschen babe sich auf „40 Mark Silbers*
belaufen. Bonnell 1 ) erkl&rt auf Orund eines mir nicht zu
Gebote stehenden Materials sowol das Jahr 1288, als auch
den Namen Paschedach ffir die „richtigen a Angaben und
ist bezliglich der Ermordung der vierzig Pleskauer der An-
sicht, dass dieselbe nicht am 2., sondern am 12. Januar 1285
gescbehen sei, „weil am 24. December 1284 wirklich eine
Mondfinsterniss sich ereignete." Indessen muss ihm gegen-
uber betont werden, dass der Ort Alyst[e] oder Wolyst[e]
schon wegen des Berichts der beiden Verzeichnisse im
District Adsele zu suchen und daher die Identificirung mit
dem gegenw&rtigen Gut Hallist — in der alten Landschaft
Sackala 8 ) — aufzugeben ist. Ebenso durften die Tributpflich-
tigkeit Tolowas und das Auftreten des Ordensbruders Otto
Paschedach „mit denen von Rositten", der zum Schutz
der Ostgrenze errichteten Burg, meine Auffassung fiber die
Lage des Ortes unterstutzen. Und ware nicht unter Wollyst[e]
oder Alyst[e] am Ende Adsele selbst zu verstehen? Bonnell
x ) Chronographie p. 87, Commentar p. 124
2 ) Aliste — nach Pabet p. 157 Anm. 29 „der Unteren (Land), Nieder-
land* — gait in der Zeit Heinrichs von Lettland als ein (siidlicher)
District dieser Gegend: „Letti... transenntes per nemora in Sac-
calanensem provinciam, que Aliste vocatur . . ." (XV, 7).
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108
ist freilich geneigt, fur letzteres w O[eja a als russische Be-
nennung hinzunehmen. Doch durfte diese Ortsbezeichnung
auch nach seiner eigenen — mir wahrscheinlicheren — Mei-
nung auf das estnische Gebiet oder Wotland bezogen werden,
wobei ich noch hervorheben will, dass O^ejita in einem
anderen Zusammenhang an zwei anderen Stellen der
ersten nowgoroder, nicht der Beiden in Rede stehenden
pleskauer Annalen sich vorfindet 1 ). — Sehr auffallend ist
endlich die Ermordung der des Tribute wegen ausgezogenen
Pleskauer durch die Ordensritter. Der Beweis ist nicht
zu erbringen, dass die Russen das Recht auf den Zins in
Tolowa verloren gehabt h&tten, zumal der letzthin verein-
barte Priedensschluss durch keinerlei neue Kampfe eine
Aenderung erfahren hatte, und eine solche Annahme wider-
sprache dazu der Erzahlung der beiden pleskauer Annalen.
War da die' Ermordung der Vierzig wirklich nichts mehr,
als ein roherGewaltact ohne irgend einenSchein desRechtes
oder irgend welches Moment der Berechtigung? Wir kdn-
nen weiter fragen, was schon einmal beruhrt worden ist:
durften die Pleskauer uberhaupt selbst den Tribut von den
Bewohnern der Landschaft einsammeln? Oder war die Zins-
zahlung, die ihnen moglicher Weise von den Letten uber-
bracht zu werden pflegte, dieses Mai ausgeblieben, und
hatten sie sich daher vielleicht gegen den Vertrag dazu
entschlossen, selbst die Steuer im fremden Lande beizu-
treiben? Und wenn sie dieses Recht hesassen, hatten sie
sich nicht bei der Ausubung desselben Willkurlichkeitefc
zu Schulden kommen lassen? Andererseits ist bereits auf
die Mtfglichkeit hingewiesen worden, dass, wie es voruber-
gehend 1210 dem Fiirsten von Polozk gegeniiber geschehen
war, auch beziiglich Tolowas die Landesherren die Garantie
fur die Tributentrichtung ubernommen haben durften. Hatten
die Pleskauer auf der Reise in die Landschaft, wo sie
*) Siehe die Angaben unter den Jahren 1111 und 1180 der Chrono-
graphie.
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109
mflglicher Weise aus den H&uden der Deutschen die Steuer
entgcgenzunehmen hatten, Erpressungen bei den Eingebore-
nen sich erlaubt? Die Anzahl der Gefallenen ist eine statt-
liche; sie kdnnte zur Vermuthung fiber Erpressungen und
Willkfirlickeiten Anlass geben, da es nicht ausgeschlos-
sen bliebe, dass so Manohe, vielleicht noch mehr Personen,
als thats&chlich umkamen, der Nachstellung der Deutschen
entgangen waren. — Allerdings scheint der grausamen That
der Ordensritter eine doch recht weitgehende Berechti-
gung zugesprochen werden zu ffiussen. Wenigstens erfahren
wir nichts daruber, dass man pleskauscherseits Genugthuung
sich verschafft oder nur verlangt h&tte. Trfigt nicht alles,
so blieben die Beziehungen der Landesherren Tolowas zu
den Russen friedliche. Nicht einmal von Verhandlungen
fiber das Vorgefallene wird berichtet. Und wenn die Ples-
kauer sp&terhin ausgesagt haben, die erst dreiJahre
nachher stattgehabte Beraubung der deutschen Kaufleute
sei ein Act der Suhne fur widerfahrenes Unrecht gewesen, so
kdnnte in dieser Behauptung vielleicht oder doch nur ein
Vorwand fur etwas gesehen werden, was sich oft genug wieder-
holte. Preilich besitzen wir aus dieser Zeit ein Schreiben des
dorpater Bischofs Bernhard II. und seines Capitels an den
Rath der Stadt Lubeck in einer Nachlassangelegenheit
Bischof Friedrichs von Haseldorpe, des Vorgangers Bern-
hards, in welchem von der dorpater Kirche behauptet wird,
dass sie allenthalben vielen Angriffen sowol von den Heiden,
als den Russen ausgesetzt sei (. . . eidem ecclesiae nostrae,
quae multis undique tarn paganorum quam Ruthenorum
propulsatur insultibus); die Datirung des Schreibens ist
eine schwierige, als &usserste Grenze mussen die Jahre
1285 und 1290 gelten 1 ). Der Brief giebt aber nur neben-
*) Bunges Urk.-B. Bd. I Nr. Din. Ueber die Zeit der Abfassung
siehe Baron Toll und Schwartz, Brieflade Th. III. p. 341 f. In
Seiner neuesten Regestenbearbeitnng (p. 98) weist Bnnge der Ur-
kunde die. Datirung „ums Jahr 1290" zu.
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110
bei einer ganz allgemein gefassten Elage Ansdruck, an
der wir die Bezugnahme auf irgend welche bestimmbaren
Vorgange vermissen. Ueberdies wird nur von der Feind-
schaft der Russen gegen das Bisthum Dorpat erz&hlt,
von welcher Ordsnsmeister und Brzbischof , welche beide
zu verschiedenen Theilen die tributpflichtige Landschaft
beherrschten, ebensowenig betroffen zu sein brauchten, als
es zwar wahrscheinlich, aber nicbt nothwendig ist 7 dass
unter den Russen gerade die Pleskauer gemeint seien.
Bereits an dieser Stelle ist unsere Untersuchung zu
Ende, einzig weil ich ans spftterer Zeit kein Material habe
auffinden ktfnnen. Aus letzterem Umstande allein darf
selbstversi&ndlich nicht geschlossen werden, es sei seit 1285
russiseherseits in Tolowa kein Tribut uaehr erhoben worden,
was sich ebensowenig aus allgemeitfen Verh<nissen folgern
liesse. Es wurde vielmehr dargelegt, dass die Zinspflichtig-
keit im genannten Jahre noch zu Recht bestanden habe.
Wann indess dieselbe aufgehflrt hat, ob durch einen recht-
lichen Act, oder ob das wichtige Recht der Pleskauer, weil
vielleicht nicht imraer ausgeubt, wirklich in Vergessen-
heit gerathen sein soilte, habe ich nicht ermitteln ktanen.
Umsomehr darf die Frage den Anspruch darauf erheben,
dass man ihr grtfseere Aufmerksamkeit zuwende, als das
zeither geschehen ist Ohne mit irgend welchen vagen und
in der Folge vielleicht, unschwer zuwiderlegenden Hypo-
thesen vorzugreifen , breche ich hier ab. Lassen wir bei
Seite, was in dieser Untersuchung uber das Verhaltniss der
Deutschen und Russen zur Landschaft Tolowa bis zum
Frieden von 1224 ennittelt worden ist, so habe ich, da ich
hiezu zunachst ausser Stande bin, nicht die Ldsung, son-
dern lediglich die Anregung zur Losung der interessanten
Frage bieten wollen.
St. Petersburg Anfang April 1886.
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Die (Jenealogie des Oistercienserklosters zu
Danamonde.
Von Friedrieh von Keustler.
Die durchaus strittige und vor allem in quellenkritischer
Beziehung interessante Frage der Grundung des Oister-
cienserklosters vom Berge des heiligen Nicolaus zu Duna-
munde habe ich neuerdings eingehend untersucht *) und bin
— vornehmlich durch Combination und kritische Abwagung
der sowol gegen einander gehalten, als auch in sich selbst
*) Einladungsprogramm dee livl. Landesgymnasiums zu Fellin 1884:
Die Griindung des Cistercienserklosters zu D. in Livland. Auch im
Separatabdruck erschienen (Fellin 1884); S. 17, 4°. — Zu zwei
Stellen der TJntersuchung seien hier nachtragliche Berichtigungen
geboten. *Die p. 5 Anm. 17 nach Dr. A. Poelchau wiedergegebene
Begeste C.Rodenbergs uber die BullePapat Honoriue III. v. 17. Jan.
1222 ist zu allgemein gefasst, da, wie ein Yergleich mit den mir
erst spaterhin zu Gesicht gekommenen „Epistolae" ergiebt, den
nicht weniger als auf drei Jahre nach Livland Pilgernden
derjenige Siindenerlaas gewahrt wird, welcher den Kreuzfahrern
ins heil. Land zugesichert ist. -— Sodann ist zu p. 16 Ante. 47
zu bemerken, dass nach dem Decretum Gratiani (welches, in der
Mitte des zwolften Jahrhunderts entstanden, die ldrchenrechtiichen
Normen auch for die foigenden Jahrhunderte enthielt) der Geist-
liche mit einundzwanzig Jahren zum Subdiacon, fiinf Jahre spater
(„si meretur") zum Diacon geweiht werden konnte (pars prima,
distinctia LXXII; Ausgabe Lvgdvni MDLIX p. 249). Weil be-
reits die Subdiacone als voile Priester galten, muss Heinrich *von
Lettland mindestens ein Alter von zweiundsiebzig Jahren
erreicht haben.
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112
abweichenden Angaben der Chronik Bfeinrichs von Lettland
und der Annates Cistercienses , wie einiger anderen in Be-
tracht kommenden Nachrichten — bezuglich der Haupt-
daten zu folgenden Resultaten gelangt, welche ich hiemit
einem weiteren Leserkreis zug£nglich machen will:
„Der Bnlle vom 12. October 1204 ist die Thatsache zu
„entnehmen, dass vor dieser Zeit bereits Bischof Albert fur
„die Errichtung eines Cistercienserklosters thatig gewesen ist.
„Hierbei darf die Moglichkeit nicht ausgeschlossen
„bleiben, dass schon im Jahre 1201 oder vor Bischof Alberts
„Abreise 1202 die Anlage des Klosters insofern in Angriff
„genommen worden war, als der Ort fur dieses angewiesen
„und der Grund gelegt ward. Dagegen ist die gleichzeitig
„von Heinrich von Lettland gegebene Erw&hnung von der
„Weihe Theoderichs zum Abt des Klosters anticipirt. Eben-
„sowenig ist eine urn 1201 oder 1202 stattgehabte Inaussicht-
„nahme Theoderichs zxx dieser Stellung nachzuweisen.
„Im Jahre 1205 begann der eigentliche Klosterbau, und
„Theoderich wurde zum Abt eingesetzt.
„Im Jahre 1208 erfolgte der Einzug des Mflnchsconvents
„in die unterdess hergestellten Klostergeb&ude."
Nun hat Herr Professor emer. derTheologie Dr. Leo-
pold Janauschek, Mitglied des Cistercienserstifts zu
Zwettl in Niederdsterreich, meine Arbeit in den „Studien
und Mittheilungen aus dem Benedictiner- und Cistercienser-
orden" (Redaction und Administration Stift Raigern bei
Brunn) 1885 Heft IV p. 437—38 eingehender besprochen.
Der Verfasser, ein eifriger Mitarbeiter (Herausgeber?) dieser
Vierteljahrsschrift, auch bekannt durch eine stofflich sehr
instructive historische Skizze uber den Cistercienserorden,
welche ursprunglich fur Wetzer und Welte's Kirchenlexikon
bestimmt war 1 ), ist eine Autorit&t allerersten Ranges auf
!) Der Cistercienserorden. Brunn 1884. S. 39, 8°.
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113
dem Gebiet der Geschiekte . seines Ordens: iro J. 1877 er:
8chien der erste Band seiner Cistercieasergeseluckte 1 ), wah-
rend der nodi nicht druckfertige zweite Band, die {Jriin-
dungen aller Nonnenkloster bringen soil. Da der Verfassej
in Seiner jungst in der ^Rigascbepf Zeitung a? ) yon nqi*$m
abgedruckten Recension gleichzeitigauf werthvolles Material
aufmerksam Baacbt, so erlaube ich mir, an die&er Stelle
einzekie S&tze .aos derselben wdrtlich mitzptheUen.
Nach der einleitenden Bemerktmg fiber die Schwierig-
keit des Staffed anasert sich Dr. Janausehek fcunSchst hin-
sichtlich der von mir gefundenen ohrotiologischen Daten;
„Ich habe im ersten Bande det ,Origines Cistereiensea'
„(p. 214), iinter Beachtung dor gesammten mir bis aum
aAbschlusse desselben zugaiaglich gewofrdenen Literatur^ ziv
agleich aber auch imter Benutzung der &testen ttnd vor
^mit' vielfach rinbekatlnt gebltebcnen Chronologies niiserer
jjMannegklaater, den 29. Juli 12fc)8 als den Orfthdnngstag
„aufgestellt, d. i. 41s jenen, an welcheiii der voile Convent
„mit f dem schon Mher ernannten Abt Theodoricb da& voll-
^endete Eloster bez6g und in demselfeen dak regulftre Leben
„begann, riadideiii die Absicht der StiftaHg wol schon im
„Jahre 1201 bekannt geworden und der Bau des Hauses
„im Jafcre 1204 6der 1205 seinen Anfang genommen hatte.
„Herr von Keussler hat diese Frage neuerditigs untershcht
„und ist — ebenso unabh&ngig von mir, wie ich von ihm —
5>zu d^se^ben Resnltate gelangt, welches ich oben mit-
*) Originum Cisterciensium tomus I, in quo praemissis congregationum
domiciliis adjectisque tabulis chronologico-genealogicis veterum
abbatium a monachls habitatafutn fundationes ad fidem antiquissi-
morum fontium primus descripsii P. LeopblduB Janauschek.
Opus caes. re^. academia lilerarum subsidium ferente edltum.
Vindobonae MDCCCtXXVn. S. LXXXII + 394,. 4°.
2 )Beilage zu ^r. 6Q vom lp. (27.) tyarz 1886:. L. Kriiger, Zur Ge-
schichte des Cistercienserklosters zu Diiqam\inde.
Mittheil. a. d. livl. GesclncMe. XIY, 1, 8
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114
„theilte; den Monatsteg — 29. tali — fand er in seinen
„Quellen nicht vor al ).
Und weiterhin heisst es: „Rucksichtlich des gene a*
alogischen Momentes in der Grfindungsfrage Dunamfmdes
„hat der Verfasser nach Winter (,Cistercienser des nordast*
„lichen Deutschlands') Pforte als Mutterkloster angenom-
„men, was ich (1. C.) gleichfalls aussprach, doch nicht ohne
„zu erw&bnen, dass aufch Marienfeld dafur gehfclten wurde,
»was Winter nach seinem ,Exkurs fiber Dunamunde* (L 307)
„unbekannt geblieben zu sein scheint. Im Chronicon Campi
„S. Mariae 2 ) lesen wir: ,Bernardus vero de Lippia 8. reli-
„gionis habitum etiam assumpsit. Quo tempore fun data
„autem est nova abbatia in Livonia, Campi S. Mariae
w filia, ubi ipse primus turn abbas constitutes est' (Coll.
„Ledebur, Necrolog. Marienfeldemse, p. 186), Pa, wie ol^en
„bemerkt wurde, der erste Abt von Dimamunde nicht Sem-
ihard, sofcdern Theodorich hiess, so erhebt sich aych gegen
„den anderen Tbeil detr angezogenen Quelle: dass diese
^livlandische Abtei eine Tochter Marienfelds sei, ein nicht
^ungewiohtiges Bedenken, welches dadurch gesteigert wird ;
w dass Caesarius von Heisterbach am Dude seiner Erzahlung
*) Dem Leser wird nicht entgangen sein, dass die Restritate im HJin-
zelnen immerhin auseinandergehen. — Das Jahr 1204 nennt ein
Codes des Klosters Heiligenkreuz in Niederosterreich. In dem
sehr reichhaltigen Verzeichniss der herangezogenen Quellen, welche
die Grundung sogar zwischen den Janren 1136 und 1236 — be-
ziehungsweise 1175 [,1201 oderl202], 1204, 1205, 120?, 1208, lSOfr,
1211, 1232 — erfolgen lassen (p. 214), fehlen jedoch die Angaben
der nnstreitig wichtigsten Quelle, unserer einheimischen zeitge-
nossischen Chronik; aber Dr. Janauschek hat sie gekannt (p. 215),
und die Bemerkung iiber das Jahr 1201 geht gleich der iiber das
Jahr 1205 (hier freilich wird Boehme citirt) auf Heinrich von
Lettland zuriick.
2 ) „Neu edirt in seiner ,altesten Gestalt' von Dr. Friedrich Zurbonsen.
„Munsterische Beitrage zur Geschichtsforschung. Herausgegeben
„von Theodor Lindner. Piinftes Heft. Paderborn, Ferdinand
^Schoningh, 1684. 8<>.* 1
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115
tjDe morte Ludolphi uaoaachi de Porta' (Dial, mirac,
„distina XI cap. XVIII, ed. Strange II. 287) bemerkt:
„,Haec mihi relata sunt ab abbate Livoniae, qui filiug
n est domus supradictafc/ und so - — als Tochter von
„Pforte — flnden wir Duimmunde aueh in den genealogisefaea
„Tafeln nneerer Kfcteter aufgezeichnet, wesbalb ich micb
afiir diese Descendenz entsohied. Die neuerea Gegchiebts-
^fichreiber Ton Pforte divergiren in diesem Punkte awsser-
„ordeatlich. Boh me (Zur Geschichte des Gisterfcienzer-(sic)
aKloeters S. Maarien aur Pforte, Naumburg a. S. 1873) lasst
„, Pforte 1206 eine Mdnobseoloni^ als aussersten Vorposten
*gegen die Barbarei und das Heidenthum naoh Livland
asendea und dort Mutter des Klosters Dunajnfinde werdeit'
n (S. 23), indess Wolff in seiner umfangreichen ,Chronik
ades Xlostem Pforte na#h urkuudltehea Naobricktea' (Leip-
^tig.lM&i 2 Tbeile) jbu der im Diplomatarium Portense
„wter der Ueberstfhrift: ,Protestatio Winnemari abbatie
^dwrcmuudettsis super auditis inoleudino doraburg' vorkou*-
^menden Urkunde r<m 20. April 1263 J ) folgende Bemoekung
,„roaeht: £& Ort und das Cfetercieuser-KIo&tar Dunafnundfc
„ist nicbt nacbzuweifi^a. Bs muss in der Nate von Gam-
»bur# uadDornbuj-gg^egen baben. War es vielleicbt gar
^ein swefter Nwe d$r $ta4t Camburg?' u. s. w. (U, 116)4"
Leider ist; mir fcei der Abfes^ung meiner Untersuchung
kw* cuwjeres Werk fiber die Gescbichte des €istereie«ser-
-Qrdeus ^Mganglicjbi jgewesen, als das citirte von Franz Winter.
Da apder^reaite in der livlandischen Geschichtsliteratwr die
<3eiM5PilQgie Dfinamundes zeitber noch »i<?bt erprtert worden,
.so musste icb 4ie dmrcbaus e*aete Bewpisfubrung Winters,
Pfoxtft S€|i d*s Mniterkloeter, *ls erwiesan hinnehnaieq, zum*l
-wr Jede Jiogliqhkeit einer Controlle feblte. Gegeniiber
Winers Sehlussfolgerung ~$$l mir bereits damals der U*n-
*) t)a& lateinische Original ist ron Dr. K. Hohlbaum mitgetheilt in
<kfc Ve*hfcndl<iDgen der gel. estn. Geselleohaft Bd. TII Heft? 8
p. 76 f. {Bdrpat 1873).
8*
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116
stand auf, 'dass bei dem von mir (p. 1?) aus> Heinrieh vou
Lettland XII, 5 und den Annalen des Angeltig Manrique
ermittelten Einzug des Mdnchsconvents im Sommer 1208
nicht der Abt Winnemar von Pforte, sondern ein Cister,-
sienserabt Florentius denselben begteitet hat. Haiifrt-
s&chlich und in erster Iiinie wegen des nahen Verwandt-
schaftsverhaltnisses Sittichenbachs zti Pforte wari ich geneigt,
in ihm den gleichnamigen Vorsteher des genaanten Klosters
wiederzuerkennen, habe aber hin&ugef>, dags Dr; Ed.
Winkelmann, „durch einen anderen Zusammenhang (in der
Untersuchung fiber Bernhard von der Lippe) veranlassV"
ihn far den Abt von Marienfeld (Regieruhigsbezirk Mift-
den, frfiher DiCteese Mfinster, Kirohenprovinz Ooeln) halte.
Winter hingegen hatte sich fur die Herktlnft; des Plorentius
aus Sittichenbach entschieden, weil Dfinamttnde — #ie ich
gleichfalls hervorgghoben habe -^ seiner Ansicht riacfr „ganz
natfirlich seine geistigen Krafte besonders aufc der Gegefcd
des Mutterklosters Pforte bezog" (beide ; Grtschaften im Re-
gierungsbezirk Merseburg). Ohne jedoch auf meihe Bemer-
kung hinsichtlich des Abtes Plorentius einzugehea Oder sie zu
erw&hnen, spricht Dr. Janatischek endlich den Wunsch aus,
dass ich Jene genealogische Prage nochmals untersuche uftd
„viellei«ht mit Hilfe der Portenser Gelehrten zur Erlfcdigung
„bringe, die etwa auch daliin lauten kdnnte, *dass
„die ursprfinglich Marienfeld zustehende Paterni-
„tat fiber Dfinamfinde noch im Laufe des drei-
„zehnten Jahrhunderts an Pforte fiberging." ftidess
ist es mir nicht mSglich gewesen, mit den genannten Herren
in Beziehung 2u treten, und da ich dem Werke eines an-
deren Portensers, den »Alterthfimern und Kungtdenkmalen
des Cistercienserkloaters S. Marien lind der tjandes&chulfe
zur Pforte" von W. Cbrssen (Halle 1868), nichts uhseite
livlandische Abtei Betreffendes h^be entnehmen, kftnn^n, so
mugs ich es versuchen, auf Qrund des andemeiiigea. ge-
d ruck ten Materials die Frage ihrer L5sung p&her ftil fubren.
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117
Es muss eftigeriiumt werden, dass wegen der regen
Beziehungen gerade des nordwestlichen Detitschlands
zu Livland die Pr&sumtion dafur spr&che, Dunamunde sei
von einem der dortigen Eloster gegriindet. Denii bekantit-
licfa bildetpn Niedersachsen, Westfalen und die Gegend des
Niederrheins odfer die Kirfchenproviraen Bremen, Mainz,
Coeln (auch Trier) das eigentliche Hinterland, aus wefehem
die Colonie den Hauptstamm ihrer Einwanderer und ihre
geisflichen Erafte au beziehen pflegte 1 ). In nur vereinzelten
Pollen sind aolche aus Thiiringen und der zur Kirchen-
previnz Magdeburg gehfcrigen ehemaligen sorbischen Mark,
in welchfer Pforte gelegen war, nacbweiBbar; war doch das
zulfctzt genannte Kloster durfch. die Cbristianisirung und die
Eulturarbeit in den damals nbch slawischen Gebieten des
gegenwartigen dstlichen Deutschlands in Anspruch genom-
men und batte bereits, selbst auF altem slawischem Boden
errichtet, -in das heutige Kflnigreicb Sachsen und in den
Regierungsbezirk Breslau die TochterklOster Altoelle und
Leubus entsandt 8 ). Liesse es sich ferner beweisen, dass
der den Mflnchsconvent 1208 bei seinem Einzug in Duna-
mSnde begleitende Cistercienserabt Plorentius in der
That der marienfelder gewesen ist 8 ), so durfte er die Reise
*) Vergleiche hiezu Bunge, Weihbischofe p. 6, wo indess nur die
Bischofe genannt werden, freilich mit Hinzufugung eines Citats
iiber dip livlandischen „Pralaten". (In Betreff der in vorliegender
tfntersuchung nur angedeateten Titel der citirten Schriften sei
bemerkt, dass die vollen Titel in der fruheren Untersuchung nach-
zuschlagen sind.)
*) Janauschek, Olivines Cist. p. 171; siehe auch die Hinweise im
Register bei Winter Theil III p. 165 f. Ebenso giebt Boehme
Jp.»-M f. eine Reihe (z. Th. schon aus Wolff und Corssen be-
kannter) Angaben iiber die Wirksamkeit des in der oben ange-
deuteten Richtung „rastlos thatigen" Abtes Winnemar bald nach
dem Jahre 1190.
S)Florentius war Abt in Marienfeld von 1194— 1211 (f 5. Febr.),
sietie Zurbonsen p. 23.
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118
vermuthlioh in der Eigetraciraft eines Vaterabts ttnter-
nommen haben, und es ergebe sich also eine neue Stutate
fur dbige Annahme. Fur letztere kftnnen noch speci*
ell ere Morttente angefuhrt warden, welohe in den
Lebensscbickaalen des Bferrn Bernhard fcur Lippe 1 ) hear*
vortreten, des ruhmreichen Mitstifters der west&lischea
Abtei (1186; Orig, Cist. p. 185, Znrbousen p. 15 f* xl r. w*);
Schon mit Berthold, dm Abt des benaohbarten CisteiN
cieHserklosters LoCcum, war JJernhard „sebr wahtochfcitilich*
dureh ein innigee Band verbunden*)* DanU hat er offenb*i%
nfeohdem dieser Bischof getforden, mit ihm gemeiusam 1198
die efrste Kreuzfahrt nach Li viand unternommen. N&4h tier
stegteiohen, aber fur Bertholds Leben verhangaissvfcllen
Schlacht fiait d«n ubrigen PilgerA heimgekehrt, wa* er ilpa*-
testens Anfang des Jahrefc 1207, viellGicht aber weit
frfiher, als einfacher Mdnch in Marienfeld eingetreten,
Leider wissen wir ails dieser Zeit aber das Leben des
inerkwfirdig6n Mannes und liber die Wirksamkeit spinet
kirehlichen Stiftung — wenn wir vOn jener Notiz fiber
Dufifttniinde zun&chst abseheii — niohts Bestimmtes, was fur
unseren Zweck besonderes Interesse hatte. Aber ztt An-
fang dee Jahres 1211 aehen wir Bernhard gemeinsam mt
Bischof Albert als Gast bei dem Bischof Hermann von
Padfcrbon und ihn in einer nur vielleicht in DeutSchUnd
ausgestellten tJrkunde als designirten Abt von D&namftnde
bezeichnet 8 ). Zu diesem Amt bald nach seiner Ankunft in
*) de Lippa oder Lippia, nicht you der Lippe; diese in der zweiten
Anflage der Abhandlnng Scheffer-Boichorst'B vorgenoinmene Zu-
rechtBtellung h&be ioh beim Oitat in Anm. 44 der fruheren Unter-
BuchuDg iibersehen.
*) BuDge, Wcikb. p. 21 f., dem die fblgenden Angaben iiber Bern-
hard, sotfeit eie voti denen Seheffer-Boichorat's ab^eichen, ent-
nominen Bind; einige ans dem Material leicht filch efgebende
Modificationen Bind von mir vorgenommen.
*) „Dei gratia dicttafi abbas de Livonia." Im Qegeneata 2u Schsffer-
Boichorst datirt Bnnge (p. 23 f. Anm. 69) die Urknndfe atts Dtiitsch-
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119
Livland (gleichfalls 1211) geweiht, blieb er in demselben
geratome Zeit (Ms 1213) tad ist Ende April 1224 als Bischof
von Seloaien wahrsebeinlioh in seiner Besidenz Selburg ge-
storben 1 ). Beachtenswerth ist jeden&lls, dass Bernhard an
der Grftndung Marienfelds betheiligt gew^seto ist> dosser,
bevar noeh dnrch Biscbof Albert dejr Plan zur Anlage
eines livl&ndiscben Klosters ge&sst werden konnte, zur Co-
lore in n&chster Be&ebung gestanden bat, und dass, wenn
wol aieht Theoderich, dessen Herkunft sich nicht ermitteln
litest, so dctcb der zweite Abt Dunamfiades an? Msrienfeld
stammte^
land, w§il die daselbst angefuhrten Zeugen, der Abt von LUborn
und Hermann von Eudenberg, zu jener Zeit — und wol uberhaupt
— in Livland nicht anwesend gewesen sind. Doch keineswegs
„waren damit alle Zweifel gehoben"! Mag Bischof Albert, als
er Bernhard zur Reise nach Livland anwarb, bereits den Entschluss
gefasst haben, den Abt Theoderich zum Bischof von Estland zu
befordern, und ersteren — „vielleicht um inn dadurch sicherer zu
gewinnen* — an dessen Nachfolger designirt haben, so kann doeh
nicht als selbstverstaadlieh angenommen werden, dass leteterer
sohon das Siegel eines # Abtes vom Berge des heil. Nicolaus in
Livland" fuhren durfte. Zu Gunsten Bunges sei indessen bemerkt,
dass das Siegel, wie das bekanntlich mitunter zu geschehen
pflegte, spaterhin angeheftet sein mag — trotz des Ein-
wandes Scheffer-Boichorst's in Anm. 295 (p. 119).
*) Auch als Uvlandischer Abt und Bischof hat er sein engeres
Heimatgebiet ofters au/gesucht, ja 1222 in Gemeinschaft mit
einigen anderen Bischofen die JSinweihung der Basttika im Kloster
Marienfeld vollzogen.
*) Pass Theoderich dem Geschlecht der Graf en von Hexnsberg an-
gefcort haben sollte, 1st von Bunge (Weihb. p- 15 Anm. 37) wider-
legt. Qegen die MogHchkeit, er konnte ana Marienfeld bervor-
gegaogen sein, muss angefufcrt werden, dass Heiaricb von LettL
ihn an erster SteUe als Bischof Melnhards „Mitarbejter am Evan-
gelism" bezeichnet (I, 10; siehe die Randbemerkungen bei Fabst
p. 7 und 8), und erst am 1. November 1185 der Monchsconvent
in Marienfeld eingeeogea war.
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120
Wir sahen (p. 15 der ii\ Unterk), dass die Annates
Dunamundenses aus ebend^mselben Jahre, in welchem Bern*
hard zur Lippe Abt wurde, die Grundung des Kloeters da<-
tfrten. Nach der strieten Angabe des Chronicon Cam pi
S. Mariae fallen die JHostergrundung und die Eiaseteung
Bernhards zum Abt gleichfalls zusammon. Bezuglich der
Anhales D. wurde die Erkl&rung de» ! schwer » wiegenden
Jrrthums in dem Umstande gesuchtf, dass dieselben in sp&-
terer Zeit begonnen seien', sofern nicht vielldobt die
Kloste^kfrche (ecelefcia) danbals vollendet („c6nstruotaKJ
worden ist. Ebenso muss es fraglich erscheinen, ^b das airf
alte Aufzeichnungen zuriickgehende Chronicon Campi S.
Mariae an dieser Stelfe erne geitgen&ssistfhe . Nachricht
giebt 1 ), wozii noch deV Einwand des Herrn Dr. JaUauschek
in Betreff TheoderiQbs hinzukommt. ,Un(J die anderen zum
Tbe;il sehr verworrenen Nachrichten fiber die Pa^ernitat
Marienfelds gehen -r vielleicht mit Ausnahme des Necrolo-
gium Marienfeldense — ^ gei*ade auf dessen Chronieon zurfick.
Hier geiifige der Hinweis, dass erstere bei Scheffer*Boichorst
p. 72' f. Anm. 197 und Bunge, Weihb. p. 22 Anin. 64, mit-
g^theilt und erortert sind 2 ). Es kann nun freilich die
*) Siehe Zurb onsen p. 6 f. und Jul. Ficker, die Munsterischen Chro-
niken des Mjttelalters (Miinster 1851) p. XVIII— XXHL
2 ) Die von Scheffer-Boichorst beruhrten Stellen der Chronik von
Lauterberg und der Annales des Albert von Stade sirid abgeflruckt
in den Mittheilungen Bd. XI p. 457; gegen des ersteren Einwande
richtet sich auch Zurbonsen (p. 65). — Das Necrologrum Ma-
rienfeldense habe ich mir leider nicht beschaffen k5nnen —
weder aus einer der Mesigeri, noch aus ansehnHchen ostseeproyin-
ZieHenBibliotheken; enthalten ist es in WUh. DorOw's „Denfanalern
alter Sprachfc und Kunst fe Bd, II p. 127 (Berlin 1827), wahrend
Janauscheks Oitat „Ledebur a u. s. w. mir unverstandlich ist -Nach
<!er Stellung aber, trelche Dr. Janauschek dieser Quelle neben
dem Ohronieon zuweist, kann ihr Werth kein erheblioher sein.
Bei Scheffer-Boichorst (p. 123) findet sich in dem Absehnitt uber
den Tod Bernhards zur Lippe folgende Notiz: ^ „Und wenn auch
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121
Glaubtftirdigkeit der AngAbe im marienfelder CltfonicoB sehr
wohl in Folgfe des von Dr. Janauschek erhobenen Einwandea
angestritten werden. Denn denkbar ware es, dass der Ver-
fasser, ^eil seiner Ansicht nach Bernhard der erste Abt in
Dunamunde gewesen war/ zur Annahme dieeer Genealogie
gefuhrt sei. Aber er diirfte ebenso gut die Thateache der
Anlage unaeres Uvltadischen Klodters von Marienfeld aus
gewusst haben nnd h&tte sichdann lediglich in der Person
dee ersten Abies versehen. Ja bei Berucksichtigiing aller
geltend gemaohten Momente gewinnt die Moglichkeit,
D&ikamunde ware ^rsprfinglich eine Toohter Marionfelds
gewesen, ein gr*sseree Maass von Wahrecheinlichrkeit.
Dags andererseits Dr. Boehme schon 1205 eine Mflnohs-
colonie aus Pforte nach Livland atisscbicken lasst, beruht>
wie jetzt mit Sieherheit behauptet werden darf, auf einem
Irrthum: das ktmnte nur drei Jahre spater geschehen eeiti.
Insbesondere fehlt bei Boehme die Quellenangabe f&r die
Paternit&t. Da sein Vorg&nger Wolff, welcher alles an
seinem Wohnort (Schnlpforte) ibm zugangKche Material aus-
genutzt hat, fiber Dunamunde thats&chlich nichts mehr bietet,
als was oben mitgeitheilt worden, so durffce ersterer zn Seiner
Anffassung wol durch die nns bekannten Hilfsmittel ge-
bracht sein, zumal Boehme mit Dr. Hohlbaum Dunamundes
wegen in Correspondent gestanden; bat 1 ). Winters Beveis-
das Necrol. Hamb. weit alter ist, als in seiner jetzigen Gestalt
des Nedrol. Marienf., so geht letzteres doch anf altere Anfzeich-
rinngeh znrfick.* Btinge (Weihb. p. 2*7) nennt dazu imGegen-
satz zttni Necrol. Marienf., welches Bernhard am 29. April
sterben lasst, anf Grand einer anderen Quelle den 28. April als
dessen Todestag (daB Necrol. Hamb. giebt den 30. April).
1) Si eke die Anmerkung anf p. 115 dieser Untersuchnng. Winters
Werk, das allerdingfe Tiber Diurathiinde gahz andereartige nnd z. Th.
sehr eirigehende Daien enthalt, wird von Boehme ofters herange-
zogien nnd benntat. TJebrigens giebt derselbe seine Mittheilnng
in der Formeines InterrogatiVsatzes („Und sendet nieht Pforte
1205 a n. 8. w.) — etwa well er seiner Sache nieht ganz sioher war?
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122
fuhrung geht dagegen von dem Process fiber die Excom-
munication und Amtsentseteung dee dunam&nder Abies im
Jakre 1240 aus 1 ), und schon er verweist auf das oitirte
Zeugniss des Oaesarius von Heistefbach im Dialogus
miraculorum. Letzterer hat sein Werfc 1221 und 1222 nieder*
geschrieben*), wahrend die genealogiechen Tabellen der
Cistercienserkloster in ihrer una uberkommenen Gestalt in
spaterer Zeit entstanden sind; so ist Caebarius dnser fruhe-
ster sicherer Gew&hrsmann, Ganz unhahbAr aber er*
scheint Dr. IVmkelmanns Interpretation des in Rede stebeu*
den Passus (MHtKeilungen Bd. XI p. 481 f.), auf welch*
weder Winter, nodi jetzt Dr. Janauscheck verfallen sind:
aus dem Satz „ab abbate Livoniie, qui filius est domus su-
pradictae tt folgert er, „dass der Abt aus Pfotte etammte,"
und bemerkt sodann, „das kann kein anderer gewcsen sein,
als Gotfrid, der naoh Alberich von Neufmoustter Prior in
Pforte war und Abt von Dunamunde gewesen ist. tf Diese
doch wol schon sprachlich unmdgliche Schlussfolgerung
wird in Bezug auf Gottfried vollends aufzugeben sein,
da derselbe einige Jahre spfcter (nach Winkelmann p. 482
„ea. 1227") zu letzterer Stellung gelangte, nach dem der
Dialogue abgefasst war 8 )! Es dient jedoeh das Beispiel
*) Zum „Excurs 2" (I p. 307) siehe den Abschnitt der „Statata*
bei Winter Theil HI p. 221.
2 )W. Wattenbach, Deutschlands Geschichtsquellen im Mittelalter.
Vierte umgearbeitete Auflage, Berlin 1877 — Bd. n p. 376.
8 ) Ueber den Abt Gottfried siehe Winter I p. 245—49, sowie den
Eicnra p. 309—313, dazn die Einwande Bnnges (Weihb. p. 36
Anm. 136) mid Baron B. von Toll, eat- und iivL Brieflade, dritter
Theil (herausgegeben von Dr. Ph. Schwarti, Riga 1879) p. 222 f.
Die Pfarre des streitbaren Priesters Gottfried, dessen JBuge-
horigkeit zu einem Monchsorden vom Ghroniaten an keiner Stelle
erwahnt wird, lag nicht, wie Winter p. 246 giaubt, auf der Insel
Oesel, sondern war das bei Heinrieh von Lettland mehrfaeh ge-
nannte Loddiger nordwestlioh yon Treyden.
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123
Gottfrieda ate Beweie daftr, dass indfcn awanziger Jahren
des dreizfcbnten Jahrhnnderts das Verhaltniss Ditoamundas
2u Pforte em engerfcs geweseii sein wird, wiern&ch Winter
bereits der viertfc Abt Theodericb II. von dort n gen6mmen
wifrde* 4 ), wahrebd Bernhards ubmitteibar«r Nacbfblge* ver-
mtrthiieh mit dem tins ans der Mherefo Untersuctaung (p. 121)
bekannten Kianonikus Robert; aus Coeln identi&ch War 1 ).
- 1 ) Theill p. 309; fiber Tbeoflerich IL siehe auch die Pemerlpngeii
in den Sitzungsberichten cUr .Gesellschaft fur Gesch, u. s.w. aus
4. J J874 (Riga 1875) p. 39. Winkelmanns Bedenken (p. 477
Arim. 4)* sind also aufzugeben.
*) Nicht unerwahnt bleifoe an dieser Stelle, dass der 1215 in Li viand
den Martyrertod erleidende Cistercienserpriester Friedrich von
C&la nach Winter aus Altcelle (Kirchenprovinz Magdeburg), dem
Tochterkloster Pfortes, stammte. Auf p. 11 der fr. Unters. ging
ich von der Moglichkeit aus, er kdnnte sich unter den 1205 von
Bischof Albert (auf Grund der daselbst besprochenen, aber nicht
erhaltenen papstlichen Urkunde) mitgenommenen M6nchen be-
funden haben. Winter behauptet allerdrags, dass er 1213 „auf
Aufforderung ded Bischofs Dietrich" nach Livland gegangen sei.
Erfolgte jedoch diese „ Aufforderung" gemass der dem Bischof
von Estland am 30. October 1213 ertheilten Urkunde Papst Inno-
cenz HI. (liv-, est- und kurl. U.-B. I Nr. XXXTV), welche auf
p. 236 f. reproducirt tlnd besprochen wird, so kann die Reise im
Hinblick auf die tTnmoglichkeit, sie im Winter zur See zuriick-
zulegen, erst 1214 stattgefunden haben, wie Theoderich selbst erst
in diesem Jahre nach Livland zurtickgekehrt ist (Bunge, Weihb.
p. 18); tlie zuletzt genannte Bulle ist aber Heinrich von Lettl.
dem Attscheine nach unbekannt gebbeben, denn unter dem „epis-
copns" in XVtll, 8 ist sicherlich Albert gemeint. Sofern wir es
hier nicht einfach mlt einer unzulassigen Combination Winters zu
thun haben, durfte die An gab e „1213* der p. 251 citirten, mir
freilich nicht vorliegenden Schrift Beyers fiber Altcelle entnommen
ieiri (tier Ton leizterem mitgetheilte Todestag ^— a August —
pasat nicht z*r BrziUung des Ohronisten, welcher den Priester
gleich n&ch Qatera nmkommen lasst). Pabst's Annahme endlich
H>e* die Herkonft Priedlichs aus „Oeiie an der Atter?" (p. 195
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184
Aug der Abfossungszeit des Dialogus miraeulorum ert
giebt sich, dass die eventuelle Uebertragung der Paterni*
tat uber uDser St. NicQlausklqster von Marienfeld aufPforte
unbedingt tot 4em : Jahre 1221 stattgefunden fcaben
musste. Nach anderea Nachrichten des Caesarius sind wia?
vielleicht sogar im Standi die Zeitgrenze nocl* weiter bin*
auf anzugeben. WinkehnanBt hat p;; 478-^81 ajie npun auf
Livland bezuglichen Stellen aus dem Dialogus (mit Hinzu-
fugung zweier anderen ubcr Marienfeld und den dortigen
Abt Florentius) und eftie^ im J. 1^25 abgefassten Sdhrift
de^selben Verfassers, den „VHI libri miraculorum" 1 ), zu-
saininengesteilt; hinzu kommt einPassus aus <jen „f[omi}iae a
Arnn. 2) erscheint unstatthaft, weil dort nachweislich kein Cister-
f cieneerkloster bestanden hat, und der Zusatz. h de Cella": auf die
Abtei zu beziehen sein wird, aus der er hervorgegangen. Auch
wenn mithin Friedrich von Altcelle 1205 den Bischof Albert be-
gleitet haben sollte, darf dieser ganz vereinzelte Fall nicbt die
Vermuthung nahe legen, als waren damals scbon mit dem Mutter-
kloster Altcelles Yerhandlungen uber die Aussendung einer
Monchscolonie nach Livland angekniipft worden. — Wir besitzen
eine ganze Reihe von Anzeichen und positiven Nachrjchten, nach
welcben die Cistercienser einen hervorragenden Antheil an der
Missionsarbeit in Livland gebabt haben und daselbst sebr zahl-
reich vertreten waren. Trotzdem ist aus den beiden ersten De-
cennien des dreizehnten Jahrhunderts ausser den diinamunder
Aebten Theoderich L, Bernhard und Robert, dem Abt Florentius
und den Priestern Friedrich und Segehard (p. 16, der fr. Unters.)
nur noch ein einziger Cisterciensermonch dem Nam en nach be-
kannt. Er Mess Petrus, war aus Coblenz geburtig und gehorte
dem Kloster Hemmenrode (Diocese Trier) an; nach 1213 ist er
nach Livland gekommen. Ueber seine Schicksale berichtet Cae-
sarius von Heisterbach Dist. VUl cap. XJH (Strange II p„ 93) ;
vergleiche auch "Winter I p. 237 — 38.
*) Nur ein Bruchstuck ist erhalten, herausgegeben von Dr. AL Kauf-
mann, Caesarius v. Heisterbach, ein Beitrag zar Oulturgeschichte ;
zweiteAuflage, Goeln 1862. r- P 158 f. Cap. 16 (p, 187) bdginnt:
„Anno praeeenti, qui* est MOGXXY ab incarnatione Domini."
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125
ctes Oaesairiiis*). Ueberall findet sieh der abhas Livoniac
Oder ein fepiscopns Livoniae (odel* unterschiedlos ih oder
de Li^nia) ingegeben. Zwei Mai wird als liviandischer
BiBchof ausdriicklich Theoderich genarint 1 (Bisehof von Est-
land vori 1211— J f 15. Juni 1211), zwei Mai Bernhard 2n*
Lippe und zwar beide Male mit dem Zusatz, er sei znersfc
Abt gewesen, itf&hrend utiter dem „episcopus Livoniae" in
miractilorttm lib. I cap. 1 weder Theoderich, noch Berahard
verstahden werden darf 8 ). Sehr beachtenswerth ist Winkel-
manns Bemerkung: da Caesarius, wo er Theoderich crwahnt,
nijrgendq auf eiaen directen Verkehr mit ihm hin-
de&tefy wiederholt sich aber auf das Zeugniss Bernhardt be-
jmft; werde letzterer auch hier als Berichterstatter angenom-
meniWerdeh ttriissen. Weiter kflnnen vrir folgerny dass (mit
Ausnahine <fes eineil erwahnten^irid unten nochmals zu beriih-
renden Falles) alle Wunder, welche Caesarius theils iiber
livlandische iQeriker, theils von solchen erfahren haben
will, sicl* auf die Mittheilungejot Berjahards jur Lippe zuruck-
fuhre.9 lassen* Dieae Thatsache gewinnt noch mehr an
ihnerer' Wahrscheinlichkeit, weil derselbe eelbst nach
aftderen Qiiellen sehr znm Wunderglauben geneigt gewesen,
und hinsichtlich Theoderichs das nicht strict zu beweisen
ist*)^ Mehrere Male hat feernhard sich uberdies in Heister-
*) Scheffieir-Boicborst p. 93 Anm. 244
*) Winkelmann p. 480 Anm. 3 und Scheffer-Boichorst p. 98 Anm. 259.
3 ) Winter ist }n JBetrefF Tbeoderic)is anderer Ansicbt. Doch schreibt
er die in Bist. IX cap. IV von dem „venerabilis episcopus Livo-
niae" (nicht direct dem Caesarius) bericbtete Erscheinung Cbristi
obne Angabe des Grundeg ibm zu , obgleich der Herausgeber
Strange in der Note (II p. 170) vorsichtig bemerkt: „ut puto,
dominus Th.* Der einzige, indess nicbt zwingende Anlass fiir
Winters Auffassung konnte darin geseben werden, dass in den
beiden vorausgegangenen Abschnitten (Dist. Vlil cap. XII und
tiXKX,' Grange II" p. 93 und 149 j ■ Theodericb genannt ist, in den
folgenden jedocb, wo all ein auf Li viand bezfigHche liemerkungen
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126
bach anfgehalten: als Abt zwischeu 1214 (? oder spater) und
1217 (wo er nach I4vlaa*d zuruckkebrte) oder vielleicht
1218, dann wiederum asls Bischpf 1 ). Auch fiber den yw
der Exankheit Hiobs befallenen ehemaligen sachsisch^p
Ritter Ludolph hat der livlandiscbe Abt <fcm CaesariuB
persdnlich („mihi a ) Mittheilung genwu&t, wie fiber den
Laienbruder des Klostere Ziuna (Dist. XI cap* XX&V,
Strange II p. 297). Nur bo fern Tfir Bernhard und nictyt
eine dritte Person, den dritten dunamfinder Abt Robert
sich noch iinden, sein Name fehlt; ohne nahere Bezeichnung
werden jedoch in den anderen Werken des Caesarius gleiehfalls
livlandisehe ^epUoopi" trwahnt, wobei nur in einetai iftali, wie wk
sahen, Bernhard zurLippe (ebfenao Th^aderich) flight btirueksiofctjgt
werden darf (das daselbst geschilderte Wander der blutenden
Hostie, welche der ,episcopus Livoniae" zur leichteren Bekehrung
der Heiden verwerthen wollte, ist jedenfalls nicht auf eine Er-
zaldung dieses zuzufuhren). Ein fruherer Autor, Hechelmann,
hat bei Dist. IX cap. IV an Bernhard gedacht (siehe Winkelmann
p. 479 Anm. 5), glefehwie 3chefifer~Boic%orst (p. 87 Asm. 228) die
Beznguahme auf ihn nicht znriiekweist Anch die Ueberschrift
«u Diat Vm cap, LXXX (Strange U p. U9) w& die Bepro-
duction des Abschnittes bei Winter I p. 190 ist unrichtig, da
„unus monachorum 4 *, welcher 8 erat enim tali viaione dignus, utpote
vir bonus et religiosus", nicht Bischof Theoderich, die beiden
Heiligen Maria Magdalena und Margaretha erblickt hat Ebenso
hat das in Dist Yin cap. XIII berichtete Wonder jener Gister-
ciensermonch Petrus an ei-ch erfahren, den Theoderich spater
nach Livland mitnahm. — Die bekannten Erlebnisse des letzteren
bei den Liven an der Aa (Heinrich von Lett!, t 9) setzen mit
nichten bei ihm einen nur annahernd stark entwickelten Wunder-
glauben voraus; anch will nicht er, sondern ein Neophyt gesehen
haben, wie die Seele des Ebenbekehrten von Eogeln gen Himmel
getragen ward, Schliesslich ist Theoderich nicht nothwendig die
unmittelbare Quelle aller dieser Erzahlungen fur unseren Chro-
nisten gewesen.
*)Siehe die scharfsinnigejQ . Bemerknngen Sqheffer -Boichorst'fl auf
p. 85 Anm. #22 und p. 8ft Anm. 228.
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127
(t 1224), uher den wir hefrzlicih wenig Positives wraseii,
noch bier als Beriehterst&tter gel ten lasaen wolien, durfte,
wenn nicht bereits fruhfer, Bicberlich im Jahre 1218 — in
deseen zweiter Halfte Bernhard zum Bischof geweiht wurde
(Bnnge, We&b. p. 26 Anm. 228) — Pforte dasMutterklostor
Dunamuhdes gewesen eein> Theoderich jedenfalls, der erste
Abt, ist nach obigen Ausfuhningen als directe Quelle fur
beide Klosterbegfcbenheitea unzulassig. Wenn abet Winkel*
mann in dem abbas Livoniae eine andere Person, als Bern-
hard, gelten lassen will, so hat ihn namentlich die Rucksicht
auf Gottfried dazu bestimmt. Doch liegt die Nflthi-
gung zu einer solchen Trennung nicht vor. Caesarius
mag hier urn so weniger eine Bemerkung uber die spatere
bischflfliche Wurde seines Berichterstatters (wie an den
beiden anderen Stellen) fur angebracht erachtet haben, als
letzterer in diesem Zusammenhang a lie in in seiner Stellung
als Cistercienserabt von Belang war. — Endlich kann
den zwei genannten Stellen zufolge vermuthet werden, dass
der livlandische Abt das Mutterkloster selbst besucht habe.
Denn nicht nur war Ludolph in Pforte McJnch geworden,
sondern der Abt des von letzterem nicht allzuweit ent-
fernten Klosters Zinna (bei Juterbogk) hat das Erlebniss
des dortigen Laienbruders dem livlandischen Abt selbst
erzahlt („Haec mihi narravit Abbas Livoniae, asserens sibi
relata a praedicto Abbate"). Bereits Winter bemerkt (I
p. 250) andererseits, dass von keinem Palle eines Besuches
des pforteschen Abtes in Livland etwas bekannt sei.
Was den besonderen Anlass fur die eben nicht unwahr-
scheinliche Uebertragung der Paternit&t uber Dunamunde
von Marienfeld auf das entlegenere thfiringensche Kloster
gegeben haben kdnnte, ist nicht ersichtlich. Die geringere
Bedeutung der westfalischen Abtei zeigt sich allerdings
schon ausserlich in dem Umstande, dass die „Origines
Cistercienses" ihr kein einziges Tochterkloster zuweisen,
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128
wahrend zu Pfdrte mit der Zeit solcber gar^fuaf (oder
sechs, wenii das Kloster Padis besonders gerfcchnet wird)
gehdrtelL Leiden ist fur diesen Theil der Grfihdungsge>-
sehichte des altesten' uad bei weitem wichtigsten iivl&n*
disehen Klosters das Material zu tovollstandig, urn den
Gewinn sicbefcer Resultate zii gestatten. Iimnerhin habeft
wir die Erkenntnissi dieser Liibke linseres Wissens der Ari-
rfegung des Herrn Dr. Janauschek zu verdanken;
St. Petersburg Anfang Mai 1886.
;.• i
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Nachtrag zur AbhandluDg iiber die „Tributpflichtigkeit
dw Iiand8chaft Tolowa m die Plqsksmer".
;;■.;•; Von Friedrivft von Keusaler.
Der Anfgatz war' bereits gedruckt, als ich in Nr. 312 dei
„St. Petersb. Ztg.* die Aiigabe leBen konnte, dass das rasa.
A:ihct% Marienburg bedeute. Das ge&annte Btatt reprodueirt
namlfdi ein Referat des „Revaler BeobachterB* liber eih
m „PfcatCKiS B*fecTHHK6 a verdffentlichteg Verzfcichniss von 26
angeblidi ruse. Ortsnainen f&r baltische Oertlichkeiten, wie
sie sich in riiss. Ohronikefi und Documenten aas der Zeit
vom 13. bis zum 16. Jahrhundert fanden. Der Verf* j^ne?
Referats meint dabei, Amlctl sei der lettischen Benennung
„Allaksnes" entnommen, welche Form jedoch (wenigstens in
der Gegenwart) „Alukfne" lautet. In meiner Abhandlung
habe ich nun im Gegensatz zu E. Bonnell, indem ich das
gleichfalls nicht in der Nominativform uberlieferte Wolyst[e]
fur eine abweichende Lesart von Alyst[e] ansah, sehr be-
stimmt erklart, der Ort durfe nur in der Landschaft Adsele
gesucht werden, und habe sodann unter aller Reserve die
Vermuthung ausgesprochen, da sich mir damals kein anderer
Anhaltspunkt bot, es kflnnte vielleicht Adsele selbst gemeint
sein. Obige Angabe bestatigt also das von mir als positiv
feststehend Nachgewiesene, und wir erhalten jetzt noch das
Resultat, dass der District Adsele auch das spatere Marien-
burg umfasste. — Durch diese Bemerkung veranlasst, habe
ich das Bonnellsche Werk nochmals zur Hand genommen
und finde jetzt im Index unter M. den Hinweis auf eine
Notiz in den „Nachtragen" (p. 240), die mir in der That
entgangen war. Hier wird vermerkt, dass gemass einer
mundlichen Mittheilung des Herrn Rudnew unter Alyst
Marienburg zu verstehen sei. Und dann heisst es: „Viel-
Mittheil. a. d. livl. GeschicMe. XIV. 1. 9
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leicht erhoben die 40 Pskower Tribut in demjenigen Theile
Lettgalliens, der einst von Jaroslaw Wladimirowitsch (aber
nicht mit Einwilligjing aller Pskower) an die Deutschen ab-
getreten war: K Abef abgesehen day on, dass dieser Vorgaftg
(Chronogr. p. 454) £ch nieht mir ate mangelhaft fcezetlgt, son-
dern auch nach dem Zn9*mmenhang der allg^meinen Verhalt-
nisse als durchaus unsicher erweist (in der Urk. wird
Lettgallien iiberhaupt nicht genarint), kann derselbe Ati der
Thatsache uichte andern, dasa nack der mehrfech erw&hnfcen
Tlteflungstu-kro&de von 1224 bfcreite dfcmals (imd aufch fruber)
Ai ds el e nicht tnehr den Pleskauern gehOrt hat, und daB8
fiberdieg die damaligen Friedensbedingungen 1 J. 1208 vpa
neuem bestatigt wordein fcind, w&brend Furst JaroslaiW
Wtedimirowitsch schon »i J. 1249 tiioht tnehr lebte" (Comm,
p. 85). • .::! :
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Patkuliana, aus dem Livlandischen Hofgerichts-
Archiv.
Von Hermann Baron Bruiningk.
In der unpfahgreichen Literatur uber Joh. Reinh. Patkul
macht sich in Bezug auf seine fruheren Lebensschicksale
ein auffallender Mangel an Thatsachen fuhlbar, uber den
WerniGh 1 ) mit der Sentenz hinweggeht: „Seine Jugend
wie die der meisten grossen Menschen, liegt in einer Dunkel
heit, welche Neugiercje, Hass und Liebe verg^bens zu durch
dringen gesucht haben." Und doch haben die^enigen Scbrift-
steller, welche, wie Wernich und neuerdings Otto Sjogren 2 )
in vorwiegend biographischer Darstellungsweise den Politikcr
Patkul behandeln, sich nicht versagen mflgen, aus den
wenigen ihnen bekannten Erefgnissen seines Privatlebens
auf gjewisse Eigenthumlichkeiten seines Charakters zu schlies-
sen, die sie auch am Politiker nachzuweisen bemuht sind,
freilich in sehr verschiedenem Sinne. Die stete Ausbeutung
einiger Privathandel, so namentlich der unteu beriihrten
Untersuchung wegen Misshandlung des Michel Poss, lassen
€8 nicht mussig erscheinen, die meist unbekannt gebliebenen
Prozessacten sorgfaltig zu prufen und gleichzeitig auch
seine Familienverh<nisse naher kennen zu lernen.
i) Der Livlander Joh. Reinh. von Patkul und seine Zeitgenossen.
Berlin, 1849.
2 ) Johann Reinhold Patkul. Separat-Abdr. aus „Hist, Bibl." Stock-
holm, 1880, sodann wieder aufgelegt 1882.
9*
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Schon an die Conjecturen uber Patkuls Geburtsort und
Geburtsjahr, die beide unbekannt sind, haben sich mancherlei
Schlussfolgerungen gekniipft. Thatsache ist, dass Johann
Reinholds Vater, der livlandische Landrath und schwedische
Major Priedrich Wilhelm Patkul, anl&sslich der 1657 erfolg-
ten Uebergabe der Festung Wolmar an die Polen 1 ), wegen
Hochverraths zu Stockholm in Untersuchung gezogen, in
der Folge aber in Rang und Guter wiedereingesetzt , also
wol unbedingt fur unschul<jig befunden wurde. Nach der
Legende ware eben damals Johann Reinhold zu Stockholm
im Gefangniss geboren worden, wohin dem Vater dessen
Gattin Gertrude, geb. Holstfer 2 ), freiwillig gefolgt sein soil.
Diese Angelegenheit wurde in einer 1700 erschienenen
schwedischen Streitschrift „Examen causariim etc. tf zur Be-
hauptung ausgebeutet, dass Johann Reinhold „einen Ver-
rather zum "Vater gehabt und schon von diesem in Schurken-
streichen unterrichtet wurde. u Wenn nun, wie angenommen
wird, Johann Reinhold um das Jahr 1660 geboren ist, dei*
Vater aber (ausweislich der unten sub Lit. B. erwahnten
Actenverhandlung) bereits 1666 terstarb, so erhellt, wie
tendenzifls und unwahr jene Behauptung ist; liegt es doch
auf der Hand, dass in so jungen Jahreh eine nachhaltige
Beeinflussung iiberhaupt nicht stattfinden konnte, am aller-
wenigsten im Sinne einer politischen Irreleitung. Wenn
aber Sjogren gleichwol annimmt, es sei mindestens nicht
unwahrscheinlich, dass Job. Reinhold schon im Elterntause
den Unwillen gegen die schwedische Regierung eingesogen,
so hatte er fur diese Annahme Grunde anfuhren sollen.
Dagegen spricht, dass Johann Reinhold, seine Bruder und
Sch wager freiwillig in den schwedischen Militairdienst traten.
Dieselbe Carriere schlugen die meisten seiner Geschlechts-
genossen ein und haben der Krone Schweden sammtlich bis
*) Es ist unerfindlich, warum Sjogren in der 2. Aufl. seiner Mono-
graphic von der Uebergabe Wendens redet.
2 ) Sjogren nennt sie irrthiimlich eine geb. Rehbinder.
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zuletzt mit Hingebung, zum Theil mit Auszeichnung gedient.
Auch seine eigene Mutter schcint der Krone Schwfeden
stets treu ergeben geblieben zU sein, ja sogar in dem Maasse,
dass sie dem Sohne, als dieser im Jahre 1700 als erkl&rter
Feind Schwedens jut's Land auruckkehrte, da$ begehrte
Wiedersekeu verweigerte und uberhaupt nicbts von ihm
wis&en wollte 1 ). Nicht viel j linger a]& Johann Reinhold
waren (lessen beide Brud^r: Carl Erie drich (geb, zu Kegel
1661, Nov. 19; verm&hlt mit Margaretha Elisabeth v, Pfeil;
f zu Linden 1697, Mai 20) und Jurgen Wilbelm. Alle
drei lernt man aus den Actenverhandlungen zur Geniige
kennen. Anl^sslieh verschiedener civilprozessualischer Ver-
handlungen werden ausserd^ra folgende, meist wol SJtere
Sch western genapnt: Sophie^ vermahlt mit Franz von
Lftwis (damals Lays, Leysen gesehrieben) auf Pan ten;
Christina Elisabeth, vermahlt mit Lieut, v. Kursell,
und AnnaDorothea, vermahlt mit dem Regiments-Quartier-
meister voft Dannenfeld.
Der Landrath Friedrich Wilhelm hatte den Kindern
und der Wittwe ein namhaftes, vorziiglich in Landgii-
tern bestehendes Vermogen hinterlassen. Diese meist im
Papendorfecheu KirchBpiel belegenen Guter waren: Kegelp,
Podsem, Waidau, Rosenblatt, Baltemoise und Welckenhof,
von denen die drei erstgenannten in der Erbtheilung dem
Johann Reinhold zufiejen und von der Reduction v^rschont
blieben.
Die Prozesse, dureh welche die Gebruder Patkul nun-
mehr fortwahrend die Behflrdetf in Athem erbalten, gewinnen
dadurch hervorr^gendes Interesse, dass Johann Reinhold,
bald in eigener Saohe, bald als BevollmEehtigter seiner
Bruder, fortw^hrend von sich horen lasst. Zahlreiche Schrift^n
sind von ihm selbst verfasst und sogar mundirt, die civil-
prozessualis9hen nicht ausgenommen. Letetere lassen den
!) Limiers, Histoire de Su£de, Bd. IT, S. £97.
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akademiaoh geschultfen Juristen erkennen. Jajurien- und
Duellsaehen, Klagen wegen Gewaltthatigkeit und Misa-
handluhg, werden abwecheelnd gegen die drei Br&der
rorg^bracht
(A.) Gleioh die erste Sache, in 1 welcher Johann ReinhoM
uns eritgegentritt, ist charakteristisch. Im Auftrage ! des Geri.'-
Glouv. Ctrister Horn (dat. 1681, Aug. 22) sieht sich der Obei>-
fiscal Wagner gendthigt, wider Johann Reinhold wegen
Uebe^tretung des kgl. Duell-Plakats die Anklage zu erhcfbeti.
„Ea hat", so heisst ea im Schreibeti des Gen>Goliv., „Joha,nn
Reinhold Patkul kein Rfick&innen getrageti, bey ginnoch
stehendem Landtage den H. Land-Rath von Yieliinghoff auf
Offentlicher Landstube durch zwenne abgeschickte Cavalliere
ad duellum provociren za l&sscn. Wie nun solohe detbe
Vermessenheit umb so viel mehr zu re^entlren, weiln da-
durch der so hoch verpoente Landtags- und Latidstuben 1
Friede violiret, auch ausserdem soloh Verfehren desto un-
anstandlicher, weiln der Respeot, welcheti ein gewesener
Pupill seinem Vormund zu geben schul4ig ist> ihn billig
davon abhalten sollte", — als mtiase dem Refchte freier Lauf
gelassen werden. Nach 11 jahriger, : tinendlich hingezogener
Verhaiidlung, wird (mittels tfrtheils vom 42.* Oct. 1692) der
Beklagte zu 100 Dlr. S. M. Strafe verurtheilt, da es als
erwiesen anzuseten 1st, dass die betreffenden beiden Cavaliere,
Capit. Schildt und Cornet Jurgen Patkul, den Landrath,
wenn auch nicht auf der Landstube, so doch ausserhalb
derselben, „iiber die Duna gefordert" *).
(B.) Ueber den Grund der hier zu Tage tretenden
Peindschaft giebt eine wider ihren ehemaligen Vormund
wegen ubel gefuhrter "Vormundschaft im Nainen der drei Brfider
Von Jofiann Reinhold beim Hofgericht anhtagig gemachte
*) Jenseits cler Duna, unweit der Maiien-Mfihle, war ein zu Duellen
haufig benutztes Terrain, das in den Duellacten jener Zeit
wiederholentlich erwithnt wird/
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Foira^rungBklago Aufe<&fctass. Der Befctegte, 4a! fejeisst es;
hktte sich zur Vonnundschaft gedr&ngt> unter Versobweigtmg
des Umsfcaades, dsss er mwtx Yecmemtlicbeu Ajuspruch an
dae Sterbhaus gelmbt> auch habe fticU derate; ;zum;Scbadea
der Pupilleri hesaiilb gemacbt. Der qtu An&pruob fctffrifft
em Capital vjDn2Q0O Tblrn, bezw, yon Hreiteren 1000: TWra,,
welcbe V. ; dessen Mutter eiae: leiblw^diSeh^efiter <Je& v.et-
storbenen Laodratfas Fr. Willi. Patkul geWeseP, ab Mitgabe
dieser seiner Mutter fir sich zu erlangen gewnaat baben sdU,
Im Laufe der Verhanfllungeni wird aiig^fShrt, dasfiiV^ bfcld
Dacb des Fr. Wilh. Pa&ula erw^butot tadgeem 1666 atfolgten
Tdde, die Yormuhdscbaft angetreten, ; worauf idie Gttt^f
Kegely Podse'to und Baltemoise zunachet dem RiJtaeister Fi\
Wb. TiesMhausen (atif GraadifeineaCdutfaetsiVom 2L Refer.
1667) in Arrende v«e*gdbGn warden, Ferner er&hren wir,
daasJl677, nacb lOj&hHgem Wittwenstaftde; die Wittwe
fat i
Patkul mifc dm ? RittmAistfcr Hinrieh Jdfiller dina ! zwoite
Ehtfeingegangen 1 ). -fto-trf* wit) r.// r> i //^# ^v/.# c'V/,
: Johahn Reinbolfy so erfabren wir, i©t „iftfenn^ October
1680 in Lieflaud gfekomitea? i*nd hatj iia^h diamalg; beertdig-
ten SttKKeii:' und > erfclgter Uebernabme der G&tetirerwaJtung,
voHk Vormunde alabald Reehenscbfcffc gefordert, wozu er am
28» Jteuar 1681 tcfn fceineti feeideai Brudernbevollm&cbtigt
wird. '. ; •'•■ • \. i :'
Gegfcft das anphSi Mar^ 16S4 ergaagetfe hofcerichtliehe
Urtbsilj dmrch veleheB die Anklpge ift der f Haupteaehe fur
unbegrundet ejkannt wurde; wus&te Job*nn Rreiobold eamqn
*)JSie uberlebte apcty diesen ilwr^a zwefrtetf Mago, der jedeqfbjls
scbon vor 1690 yerstorben war (Ygl. Cjv^rth. des Hofg. Bd. 10,
Urth. vom 31. Marz 1690 und vom 26. Novbr. 1692). Im Jahre
1699 mnsste f ste das. Gut Duhren- oder Lindenhof wegen Schulden
cedireD. Hinrich v.Muller, der keine Nachkommen hinterla^sen zu
hafeeti scheint, 1st ein : Brttder des Christof Walter Mullei- zu Condo
tmd Dahrenhof , Vbrfahf der gegetrwartig v> Moiter gesehri^benen
, Familie au9 d. H- Sommerpiahlw. s •! ;
sz 'if /?-:?> . -'-- ; 3/.
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kdniglichien Reviaionsbefehl (vom 6. Octbr. 1684) zu erwirkety
auf Grund dessen em neues Yerfahren eingeleitet wiwL
Die ges^inte Schadenstandsforderung wird nuamehr auf
11057 Thto. libellirt. Vorzftglioh der sehr'gssehickteii'Pw)-
zessfuhrung von Patk;ulscher Seite ist es j zuzuschreiben, dase
die klagenden Gesohwister in dem zweiten Urthdl (Vom
30. April 1687) zum Theil obtmirten. . /
Hiermit fand dieser tmerquioklicbe Rechissireit seinem
Abschluss trad scheinen die guten Beziehungen z wischen
bdden Theslen wiederhergesteUt worden izu seiri. • \ \
Johann Reinhold Patkul und sein: fehemaliger Vormund
und nachtnaliger Prozessgegner "Vietinghof haben in der
Folgezeit als politische Verbrecher auf derselben Anklage*
bank gegessen. Als Johann Reinhold durch die Flucht sick
der Todesstrafe entzog, warden bekanntlich jener Otto
Friedrich v. Vietingkof tind seine Mitde^utirten , die Land-
rathe L. G. t. Budberg und J. A. v. Mengden, zur Ab-
biissung einer 6jahrigen Strafhaft ins Gef&ngniss nacb Mar-
stand abgef&hrt, aus welchetn sie indessen nach Vfcrlauf
zweier Jahire durch kgl. Gnade \m Jahre 1697 erlflst wurdeiu
)c (0.) Als Sti*eitgenossen nnd zwar in guter Rolle treteil
die drei Gebriider Patkul in einer 1683 wider den Lteut.
Bfelchior Bornmann erhobenen Injurienklage klagend auf.
Der Beklagte, so sckreibt Joh. Reinh., habe sich so Weit
vergessen, schndde Verleumdungen wider ibren, der Gebriider,
yerstorbenen Vater auszusprechen, als ob dieser ihr „8ehk
Herr Vatter sich dergestalt wider Gott und seifcen gn£dig«
sten Konig verbrochen und das Land zu yerrahten intendiret
habe. Dergleichen herbe imptrtata sind ja furwahr so herb
und bitter, dasz auch niemand, so wenig ihme auch die Ver-
laumbdungen zu Hertzen gehen mogten, dieselben ungeahn-
det lassen wiirde, wie dann dieselben nicht allein dem todten
Leichnam in seiner Aschen schimpfen, sondern auch unsz
und der gantzen Familie ein ewig Schandflecken verbleiben."
Den Aeusserungen Bornmanns Hegt offenbar jene obeh er-
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w&hnte Affaire zuGrunde, b^zuglich deren Fr. Wh. P. ill
Untiersuchung gestanden hatte. Die Klagesache ^ordd
sehliefeelioh dilrcb private Erklarungen Bornlnanns abgethair,
nachdem > ihm (durch Urth. torn 20. DecW. 1686) deb BxU
Higungafeidauferi^gt wopd^n; '
j (D.) Ala Bevolltoachtigter fQir den Bruder Jurgen Wil-
helm £laidirt Johann Reinhold im /dffentlibhidn Aiiklagever-
fahfeir V6r defm Hofgeribht. Dem Bruder irird 1 zur Last
gelegt, dass er *fcwtei deutsche Kerl*> die ihm, Joh. Reinb.,
eifce Citation in. Klagesachen des Lubbert Pfeil 1 ) <nach
Kegel nberbringen solltefl, miSshaadfelt habe. Es wird ein
Alibi behauptet, bei Yorweistmg eines Zeugnisses des In-
halts, dass der Beklagte eben damals ^vor einem CorporaP
ih des Rittmeisters G. C< Grabati's Coitipagnie eingestellt
wordeb, unter der vom Joh. Reinh. ubernommenen Ver-
pflichtung, ihm, wie den Anderen, einen mtindirten Reiter
u&d ein Reitpferd zuta Beaten; der Compagnie zu geben.
Mit einem Contumadalantrage ;bricht die Actenve*handltmg
ab. Mittlei^weiile hatte Jui^gen Wilhehb das Land verlassen,
urn Sanderwartfc sein Gluck zu suchen, anstatt dessen \er, als
Hanptmann in franzftsischen Diensten, zu Namur im Duell
einen vorzeitigen Tod &nd 2 ). :
(E*) Fast gleiohzeitig mit dem Bruder Jurgen muss
Johann Reinhold auch noch seinen and^ren Bruder f Carl
Friedrich, gegen die Auklage des Qberfiscafe sch&tzen,
naehdfcm , derselbe beschuldigt worden, dass er am 14. Sep-
tember 1681 (also noch nioht r 20 Jahre alt)/ den Wilhelm
— — * ■ . ■■■■■ L ,f i m . . ; . , .
*) Si* Ibfetraf Dro&ungea trod Injn&en, welche J. R. P. fcegen den
Klager ausgeaprochen n&ben : soil, Durch: IJrth. vom 16. April
lp8^ wu^ der BekL freigeeptpeben. . ,
2 ) Aus dem hofgerichtlichen ConjCursnrtheil . iiber J. R. P. (vom
28. Febr. 1698, Pkt, 8, Civ.-Urth. Bd. 12) geht hervor, dass
Jurgen Wh. 1684 sich znerst nach Holland and Danemark ge-
wandt and bereits 1687 nmkam. Danadn ware er bei seinem
Tode etwa 25 Jahr alt gewesen.
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Vdlckersam, als dieser mit der Frau und drei mubundigen
Kindern auf seinem Hof gesessen, durch seinen , P.'s$
Schwestersohn, Caspar Banneiifeld, und einen Gbrpofal ohiie
G-rtind zum Duell habe provocireri lassen, worauf er selbst,
gefolgt von einigen Leuten, mit entblflsstem Degen afif V. zugei
ritten, dem er rait der Degenspitze Haupt uiid Brust be-
riihrt und endlich zum Vergleich gezwungen habe. Ueberi
die Veranlassung dieser Affkire, die sehliessiibh (1688) bei-
gelegt wurde, geben die Acten keinen Aufschluss.
(F.) Einen niehi so glimpf lichen ^Ausgang nahfrn die
wider den Bruder Cairl Frtedrich am 28. April 1688 abge*
urtheilte Sache \fcegen Erschiessung eines Kindes, indem
zwar anerkannt worde, dass solobes ohne alle Absioht ge-
schehen, gleichwol aber Beklagter, tfeil er die bei Hand-
habung eines „so ge&hrlichen Gewehrs", wie ein Pistol,
„erforderliche Vorsichtig- und Behutsamkeit nioht gebraucht*,
zur(damals sehr jiamhaften) Strafzahlung von 400 Dlr. S^M.
und zur Kirchenbusse zu verurtheilen seL '■■'
(G.) Mit mehr Fug wird Demselben mittels TTrtheils
vom 29. Febr. 1696 eine Geldstrafe voti 300 Dir. auferiegt,
weil er einen Batiern nebst desBen Weib, die er als seirie
Erbleute in Anspruch nahm, gewaltsam von einem Krons-
gute hatte abftihren tind in unbarmherzigfcr Weise mit
Ruthen streichen lassen.
(H.) Eine andere Sache, und zwar wegen „ubelen
Comportements wider den Eerrn Baron und General Majorn
(Gustav) von Mengden*, blieb unentschiedeii und Wiirde »u-
folge Urtheils vom 11. Decbr. 1697 vom Catalog gestrichen,
da der Beklagte am 20. Mai desselben Jahfes, Mengden
aber bereits vor vielen Jahren verstorben war.
So war damals von den Briidern nur Johann Rein-
hold ubrig geblieben, nachdem in den letzten Jahren
auch zwischen ihm und Carl Friedrich Differenzen statt-
gefunden hatten. Solchas ergiebt *iph aus der Naphschrift
zum bekannten Briefe J. R.'s an seine Mutter vom J. 1695,
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also lautend: „Bitte meinen Bruder nichts von diesein
Briefe wiss&a zu lassen, d6nn er mttchte dies auch so
verrathcri, well sehr auf meine Briefe gelauert^ird."
(L) Bs drubtigt, das Terfahren wider Johann Rein-
hold in der Mifishandbingsklage des Michel Foss 'kennen
zfc lernen. Seitdem Sonntag in eiaem „JT. R. von Patkuls
Rohheit" behannten Artikel 1 ) dieslefi Falles l&w&hnung ge-
than, ist derselbe in der Patkul-Literatur regeim&ssig
wiederholt s wof den und zwar als vollgilltiger Beweis uner-
barter H&rte und Grausamkeit. Sonntag scheint aber nur
dife Anklage gekknnt zu haben, die dahin Iiutete, dass P.
eines Tages urn Mitternaeht seine Haush<erin, eine freie
Person, „weil sie einer voriiabenden Heurath balben seinen
Dienst vsdrlassen wbllen, braiin und blau, die Haut ab und
Stik&e Pleiscb ails den Brusten geprugelt." Ibrem Brftutigam,
ebGn jenem Michel Foss, ware es hicfat'besser ergangen.
Sjogren, der auf diesen Fall ausfuhrlich eingeht*), zieht aus
demselben weitgehende Schlu6se auf die unmenschliche Art,
wie man in Li viand die L e i b e i g e n e n behandelte, und spricht
die Vermuthung aus, dass die Gemisshandelte wol nar
deshalb ton P. so verfolgt worden, weil sie sich ihrem
Peifcigei 1 nicht habe hingeben wollen. Um nun sunacbst
diese beiden Momente in daB rechte Licht zu stellen, muss
eoristatirt werden> dass wederFoss, noch seine Braut Ebba
Plahn Leibeigene waren, aucb Paifail im Laufe des ge*
sammten Verfahrens sotehes niemals behauptet. hat. Foss
war nachweisbar ein freier Mann, gebiirtig &us Brandenburg,
ein Schneider seines Zeichens, der als solcher, so wie fur
sonfctige Haiisarbeit bei P. im Dienstt>otenverh<niss stand;
ebensb war Ebba Plahn eine freie Schwedin, die als Kdchin
diente. : Fur die Annahme, dass P. ihr nachgestellt h&tte,
bieten die Acten nicht den geringsteh Anhaltspunki Durch
i)Rig. StadtW. 18lte, ttr. 13.
>)Den!^kneti'>deriKl£ig^ sdhreibt er irrthtimlifch Fws, aa&tattFofcS.
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140
erne unendliche Z&higkeit in Fuhrung seiner Sache — die
beiden so sehr nngleichen Prozessgegner , Patkul und
Poss, haben ihre Prozess-Schriften zum Theil selbst ge-
schrieben — *• gelang es dem F., seine BGschwerde bis an
den kflniglichto Thron zu bringen, in des&en Vorzimifaern
man entwedetf sibh nicht die Mube nahm, oder auch nioht
nehmen Wollte, die geklagten Thatsachen auf das richtigfe
Mass zuruckzufuhren. Es darf eben nicht vergessen werden,
dass jene Verhandlung, die fruher irenig BeachtUng fand,
besonderer Aufmerksamkeit erst gewurdigt wurde; als in
Livland die Verhaltnisse sich bedenklich zuzuspitzeH be-
gannen. Es mochte zweckmassig erscheineii, diesen Fall m#g-
lichst aufzubauschen, um einen desto tieferen Schatten fallen
zu lafisen, — sd es auf die Personlichkeit des Beklagten,
sei es auf die Verh<nisse , in denen er lebfo und die er
vertrat. Einen Abfcchluss hat dieser Prozess nicht gefunden,
da Patkuls Flucht aus Stockholm solohes verhinderte, wol
ab^r lagfen schon damals die Acten sprucftreif vor, nachdem
ina Jahre 1688 ein die Thatsachen vollkommen klarstellendes
Beweisverfahren stattgefunden hatte.
An der ganzen Sache ist nur so viel richtig, dass
allerdings Foss sowohl wie die Pkihn korperlich scharf
geziichtigtund ersterer einige Tage gefangen gehalten worden,
Als Grund hierfur giebt Patkul an, dass Foss sich heimlkh
entfernt und aolches den Verdacht des Hausdiebstahls wach-
gerufen, der sich bei ErGflhung der Kiste des F. bestatigt habe.
Da F. aus dom Gewahrsam ausgebrochen, wo er denselben
habe gefangen halteti mussen, um ihn vor das Landgericht
zu sistiren, habe er, Patkul, sich fur bereohtigt gehalten,
an diesem seinem Dienstboten ^moderate Hauszucht u zu
iiben. Die P. habe sich ^benfells heimlich aus dem Dienste
entfernt, dhne um Entlassung gebeten zu haben. Sie habe
mit F. geraume Zeit in verbotenem Umgang gelebj;, und
habe er, Patkul. sich fur vollkommen befugt gehalten, ajich
an ihr das Hauszuehtsrecht zu gebrauchen. Bis dahin habe
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141
er den F. und die P. stets gutig behandelt und F. an
seinem eigenen Tische speisen lassen. Durch das am
22. Juni 1688 vor dem Landgericht; stattgehabte, ausser-
ordentEch umstandliche Zeugenverhdr wurde Patkuls Bar*
stellung im Weseintlichen als wahr erwiesen* Nameatlich
wird die Mhere gutige Behandlung des F., sowie der Urn*
stand, dass derselbe an seines Dienstherrn eigener Tafel
speiste, von 4 ^Zeugen ausdrucklich bestatigt, von keinem
einzigen geleugnet. Kein Zeuge weiss, dass F. und die P.
ikren Hewn urn Entlassung gebeten; auch wird das un-
sittliche Leben der Plahn von mehreren Zeugen behauptet,
von keinem einzigen in Abrede gestellt. Kein einziger
Zeuge hat gesehen, dass die Beiden wund oder auch nur
blutig geschlagen worden. Auch der Pastor Baum, von
dem die oben referirte Elage vermittelt wurde, wonach
Patkul der Plahn „Stucke Fleisch aua den Brusten ge-
prugelt" Mtte, erkl&rt eidlieh TOrnommen, dass sie uber-
haupt nicht blutig gewesen, Es wird von mehreren
Zeugen wahrgehalten, dass sich bei F. gestohlene Sachen
geftmden hatten. Dieses ZeugenverhGr beansprucht besondere
Bedeutung und Beweiskraft, weii Klager selbst die meisten
Zeugen denominirt hat. Gleichwol hat von den mehr als
20 Zeugen nicht ein einziger die geklagten Thatsachen
als wahr aufrechterhalten. Zur Beleuchtung der Art, in
welcher Foss die Thatsachen aufbauscht, mdge seiner Aus-
sage uber die gravi rends te unter den geklagten Miss-
handlungeh die Aussage des Pastor Baum entgegenge-
halten werden.
KlSger: ^Patkul aber priigelte mioh, sa lang er konnt,
so grausam, dass ich vor todt auf der Erden liegen blieb
und mir auch kein Mensch mehr das Leben zutraute. Die
Bauern schleppten mich rilcklings wieder auf den vorigen
Pfost, daran ich von Sonnabend bis auf den Montag liegen
musst* Weil ich aber durch die Prugelung so grausam
zugerichtet war, dass Jedermann meinte, ich mfisste sterben,
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142
und 14 Tage lang Blut spfe, so wurdfe ich auf Zettelmanns
Vorbitte yon dem Pfost abgenomman, lag in der Riege
und wurde 14 Tage lang vor todt tractiert und da ich
nicht andefa vermeinte, ich mnsste sterben, liess ich den
Hrn. Pastor Baum zu mir in die Riege kommen, urn mioh
durch Vemchtung des H. Abfendmahls mit Gott zu vei*
feinigen." Pastor Baum (amtseidlich): „Es habe zvrar
produciens (Foss) nach te&tem gesandt und wie testis zu
ihm gekommen, habe er gebeten, dass er, weil er in so
langer Zeit nioht mebr zum H. Nachtmahl gewesfen, ihm
solches reichen mflchte. Welches dann testes auch gethan;
t- berichtet dabei garnicht krank oder schwaeh,
sondern in einem weissen Hemde ganz frei und ungebundeli
gewesen zii sein."
Da Fobs rich immer wieder auf den Pastor toerief,
dieser abef naobgerade die Ueberzeugung gewonnen haben
musste, dass er sich eines UnWurdigen angenommrin, so
bittet der Pastor in seinem letzten^ im J. 1689 an das
Landgerieht geriehteten Schreiben : man mftge ihn mit F/fc
Sache, „mit diesen faulen Handeln, die aus einem aundlichen
und garstigen Anfange herstammenV verfccbonen und dem
F. nicht weiter gestatten, ihn in seinen ^habenden AmtK*
geschaften mit seinen liederlioheri unflathigen entsprossenen
Welth&ndeln" immerfort zu beunruhigen. x.
Wie anders stellt sich dtese cause celebre — denn eine
solohe war sie zu ihrer Zeit und ist tie- in der Patkul-
Literatur bis auf den heutigen Tag geblieben -~ wenn mail
den actenmSssigen Thatbestand und die Anklage gegenein-
ander abwagt. Von der letzteren bleibt nicht viel mehr
nafch, ats einFall, der in der Sittengeschichte des 17. Jahrhun-
derts kaum auffallen kann und der den 22jahrigen Land-
junker jedenfalls nioht als eine Ausnahme unter seinen
Zeit- und Altersgenosaen erscheinen lasst. Will man die
Jndividualit&t des Einzelnen richtig kennzeichnen , so wird
-:••',■' / ■' f/Tn-lf
-,;./!>*'*< M/*- f '; ^-(/^
\}-<l.
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143
man zunachst das Durchschnittsmass der Vorzuge und der
Schwachen derjenigen Generation, in welcher er aufge-
wachsen ist, ihm gut- oder abschreiben mussen. Erst das Plus
oder Minus, in der einen oder andern Beziehung, ist fur
die specielle Charakteristik des Einzelnen verwendbar. Die
Gebruder Patkul, wie wir sie in den obigen Fallen kennen
lernten, sind pragnante Typen ihrer Zeit, in welcher Gewalt- .
thatigkeit, schonungslose Riicksichtslosigkeit, Handel- und
Prozesssucht so sehr hervortreten. Damit soil nicht gesagt
sein, dass J. R. Patkul das uber ihn als Privatmann ge-
fallte Urtheil nicht verdient hatte; nur musste aus dem Be-
weismaterial der Pall Poss gestrichen werden, dessen Kennt-
nissnahme ubrigens eine sorgfUltigere actenmassige Prufung
der ubrigen bekannten Falle rathsam erscheinen liess.
Gedruckt auf Verfugen der Gesellschaft fur
Geechichte uud Alterthumskunde der Ostseepro-
vinzen Russlands.
Burgermeister H. J. Bothfuhr,
Pr&sident.
Riga, 27. Mai 1886.
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Ueber eine Anklageschrift gegen den Hoch-
meister Paul v. Eussdorf aus dem 15. Jahr-
hundert (ca. 1439).
Yon Ph. Schwartz.
(Vorgetragen in der Versammlnng der Gesellschaft am 14. October 1887.)
In meiner kleinen Schrift: „Ueber die Wahlen der liv-
l&ndischen Ordensmeister" in den „Mittheilungen" 13, S.459f.
habe ich aus Kotzebue, Preussens aJtere G^schichte, 4, 6 ff.
und 245 ff., den Anhang einer handschriftlichen platt-
deutschen Chronik, die Kotzebue vom Secretair Justus
Biesenkampff zu Reval mitgetheilt worden, angefiihrt, wel-
cher die Klagen der Livlander gegen den Hoclinieister Paul
von Eussdorf enthalt. Dass die Schrift eine von Seiten
der westf&lischen Partei in Livland ausgegangene Partei-
schrift und sie mit Vorsicht zu benutzen ist, konnte schon
aus den von Kotzebue mitgetheilten Stellen erkannt werden.
Ihr aber auf den Grund zu kommen, gelang damals nicht.
Als ich die Sache wieder aufnahm, fand ich in Winkel-
manns Bibliotheca Livoniae historica unter Nr. 5122 ver-
zeichnet: Dysse nachgeschreuene Artickell vnd Puncte
syndt de thosprake vnd clage de werdige gebediger van
Lyfflande donn an denn heren pawel van Russdorp wanner
homeister to prussen vnd sine Byligger. Mss. sec. XVI.
Dorpat, Univ.-Bibl. Mss. Nr. 154 bl. 267* ff. 4°.
Es musste dabei von selbst die Vermuthung entstehen,
ob nicht dieses auf der Universit&tsbibliothek zu Dorpat
Mittheil. a. d. UtI. Geschichte. XIV. 2. 10
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146
befindliche Manuscript identisch sei mit der von Kotzebue
angefuhrten Schrift. Bestarkt wurde ich in dieser Ansicht
durch eine Bemerkung in den Mon. Liv. ant. 2, Vorerinne-
rung, S. Illf., wo von der auf der Universitatsbibliothek
zu Dorpat befindlichen Abschrift der Chronik Hiarnes die
Rede ist. Diese Handschrift hat namlich die Bibliothek im
Jahr^l827 mit mehreren anderen Handschriften und DruqH*
sachen aus dem Gebiete der Provinzialgeschichte und des
Provinzialrechts aus dem Naehlasse des AdvoGaten Riesen-
kampff in Reval gskauft. Auf dem Titelblatt der Hand-
schrift steht: J. J. Riesenk .... In der Anmerkung zu
S. IV der Mon. Liv. ant. 2 wird dieser Name als identisch
mit dem des Secretairs Justus Johann Riesenkampff in
Reval ; der im Jahre 1823 starb, bezeichnet.
Ich wandte mich zuerst an Dr. Hermann Hildebrand,
in der Hoffnung, dass er vielleicht bei seiner Anwesenheit
in Dorpat das Manuscript abgeschrieben. Da diese Hoff-
nung eine trugerische war, so richtete ich an Professor Dr.
Richard Hausmann die Bitte, mir den Manuscriptenband
herzusenden. Durch dessen freundliche Vermittelung, wo-
fiir ich ihm meinen besten Dank sage, wurde vom Direc-
torium der Universit&t Dorpat der Bitte willfahrt. Meine
Vermuthung war richtig gewesen. Die Handschrift enthielt
die gesuchte Schrift.
Der mit der Bibliotheknummer 164 bezeichnete Quart-
band muss einst nach dem auf der Inn^nseite des Deckels
geschriebenen Namen im Besitz eines 0. v. Budberg gewesen
sein. Er enthalt zuerst auf Fol. 1 — 267 a eine Abschrift der
jiingeren Hochmeisterchronik, die Jetzt am besten und voll-
standigsten edirt ist in Band 5 der SS. rer. Prussic. Sie
is^ also unter der von Kotzebue genannten handschriftlichen
plattdeutschen Chronik zu verstehen.
Die Abschrift enthalt eine gros&e Anzahl forbiger Zeich-
nungen, die Bidder einiger P^pste, die Wappen der Hoch-
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147
meister 1 ) etc. darstellend, und ist Von einer Hand ge-
schrieben, die der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts
angehtfrt. Hierauf folgt die schon oben erwahnte Anklage-
schrfft (bei Kotzebue als Anhang zur Chronik bezeichnet):
„Dysse nageschreuene artickel nnd puncte syndt de tho-
sprake und clage, de werdige gebediger van Lyfflande donn
an denn heren Pawel von Russdorp, wanner homeister to
Prassen nnd sine byligger." Fol. 267 b — 280 ruhren von
derselben Hand her, die auch die Chronik geschrieben hat,
wahrend Fol. 2f81 von einer anderen etwas junger aussehen-
den Hand herstammt.
•J—
Wir haben es hier mit einer Copie zu thun, w&hrend
das Original wahrscheinlich im Jahr 1439 abgefasst ist, da
die in der Schrift erwahnten Begebenheiten nicht iiber das
Jahr 1438 hinausgehen. An den Worten der Ueberschrift :
„ wanner homeister", zu irgend einer Zeit, friiher Hoch-
meister 2 ), braucht man keinen Anstoss zu nehmen, da es
nicht n5thig ist, dabei an die Zeit nach der Abdankung
und dem I'ode Pauls von Russdorf (2. u. 9. Januar 1441 8 ))
zu denken. Die westfalische Partei in Livland, von der
die Schrift ausgegangen isi, hielt mit dem Deutschmeister
lSberhard von Saunsheim den Hochmeister seines Amtes
schon friiher fur entsetzt. Die darauf bezugliche Erklarung
des Deutschmeisters datirt vom 30. Juli 1439 4 ). Daher kann
die Abfassung der Schrift sehr gut noch in die zweite
Halfte des Jahres 1439 fallen.
*) Diese gezeichneten oder gemalten Wappen der Hochmeister fehlen
in keiner Handschrift der Chronik. Cf. SS. rer. Prussic. 5, 4.
2 ) Dem entsprechend wird in der Handschrift faul von Russdorf
nie der Titel „Hochmeister" gegeben, gewohnlich wird er einfach
„Bruder Paul" genanht.
3 ) Index corp. hist. dipl. Liv. Est. Cur. 1470, Yoigt, Gesch. Marien-
burgs, 553 f., cf. Voigt, Gesch. PreussenS, 7, 786 f.
*) Mittheilungen, 10, 101 ff.
10*
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148
Die Copie, die uns allein vorliegt, ist fluchtig und fehler-
haft abgefasst, nicht selten sind einzelne Worte ausgelassen,
einige Mai sogar mehrere hintereinander, an manchen
Stellen ist der Sinn unverst&ndlich, einmal sind mehrere
Seiten vom Abschreiber an eine ganz unrichtige Stelle, den
Zusammenhang dadurch zerreissend, gesetzt worden.
Da die Schrift, wie schon aus dem Titel hervorgeht,
eine Partei- und Anklageschrift ist, so ist ihr Werth ein
bedingter und die allein in ihr enthaltenen Nachrichten sind
im Allgemeinen mit Reserve aufzunehmen. Von einer Ver-
tfffentlichung derselben sehe ich ab, da sie im nachsten
Bande des von Dr. Hermann Hildebrand herausgegebenen
livlandischenUrkundenbuches ihre Stelle finden wird 1 ). Hier
mtichte ich nur im Allgemeinen uber dieselbe referiren, und
betreffs einzelner Stellen meine Betrachtungen anknupfen.
Zuerst wird gegen den Hochmeister die Anklage er-
hoben, dass er gegen sein Geliibde von zwei erwahlten
Ordensmeistern immer den untuchtigeren best&tigt habe,
und zwar einmal deswegen, weil ihm Geld und Geschenke
dargebracht worden, und zweitens aus Parteirucksichten :
immer habe er die zur Partei der Rheinl&nder gehdrigen,
zu der er sich selbst gehalten, begiinstigt, die Partei der
Westfalen dagegen zu unterdrucken versucht 2 ).
Nach dem Tode Meister Sifrids (Lander von Span-
heym) 8 ) waren zwei Meister gekoren worden, und zwar Cysse
von Rutenberg, von der Partei der RheinlSnder, und Gos-
win von Velmede 4 ), vo n der Partei der Westfalen. Obgleich
J ) Dr. Hildebrand , dem ich das Manuscript auf seinen Wunsch zur
Abschrift fiir das Urkundenbuch ubergab, bin ich zu Dank ver-
pflichtet fiir die Ueberlassung seiner Abschrift, um dieselbe mit
meiner eigenen vergleichen zu kdnnen.
2 ) Ueber die Parteien im Orden cf. Mittheilungen, 13, 461 f.
3) 1424, April 3. Cf. Liv-, Est- und Curl. Urkundenbuch, 7, S. 88,
Anm. 1.
4 ) Comthur von Reval , dann von Segewold und Fellin. U.-B. 7,
8. 587 u. 604, 8, S. 660 u. 681.
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149
nun der letztere der tuchtigere fur das Meisteramt gewesen
ware, und auch die Pralaten, die Ritterschaften und Stadte
ihn dazu am liebsten gehabt hatten, so hatte der Hochmeister
dennoch Rutenberg, weil dieser von seiner Partei' war, und
ihm viel Geld und Geschenke dargebracht worden, bestatigt.
Bs waren namlich der Landmarschall Dietrich Kraa und
der Comthur von Pellin, Goswin von Palen (Polen, Pol em 1 )),
in des verstorbenen Meisters Kammer gegangen und hatten
daraus mit Rath, Wissen und Willen der anderen Gebie-
tiger 2 ) einen Schrein mit Gold genommen, ferner aus des
Meisters Stall zwei der schtfnsten Hengste. Damit waren
der genannte Comthur von Pellin und der Comthur von
Goldingen 8 ) nach Preussen zur Bestatigung gesandt worden,
und obgleich der letztere den Hochmeister unterwiesen, dass
Goswin von Velmede der tuchtigere und dem ganzen Lande
angenehmere ware 4 ), so hatte Paul dennoch den untuch-
tigeren Cysse von Rutenberg aus den oben angefuhrten
Grunden bestatigt.
Was diese Erzahlung anbetrifft, so wird man die sonst
unbekannte Nachricht, dass nach dem Tode Meister Sifrids
zwei zu Ordensmeistern erwahlt wurden, kaum bezweifeln
kOnnen, wofur auch die schon fruher bekannte Thatsache
sprechen ktfnnte, dass zwei Gebietiger zum Hochmeister
gesandt werden, um die Bestatigung zu erwirken 6 ). Aller-
dings bleibt es auffallend, dass in den Urkunden sich nicht
die geringste Erwahnung der Doppelwahl findet; auch
i) U.-B. 7, S. 594 u. 603, 8, S. 669 u. 681.
s ) Es konnen nur die zur Partei der Bheinlander gehorigen ge-
raeint sein.
») Cf. U.-B. 7, nn. 131 u. 276. Comtlmr yon Goldingen war damals
Franke von Steyn. U.-B. 7, S. 596 u. 603.
4 ) Hiernach ist der Comthur von Goldingen der Abgesandte der
westfalischen, der Comthur von Fellin der der rheinlandischen
Partei.
») U.-B. 7, n. 112, cf. nn. 131 u. 132.
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160
scheint die ,Sendung von zwei Abgeordijeten zum IJoch-
meister von .keinpm Gewicht zu sein, weil bei der Wahl des
Oi^densmeisters Buckenvorde, a. g. Schungel, dasselbe der
Fall ist, obgleich doch nur er allein erw&hlt wir<J. Aus
diesen Grunden babe ich in lneiner Abhandlung in d^n
Mittheilungen 13, 459 f. dieser in un^erer Handschrift er-
w&hnten Doppelwahl keine besondere Bedeutung beilegen
und den Beginn des Modus der Doppelwahl der Meister
erst vom Jahr 1433 an als sioher bezeugt datiren zu mussen
geglaubt. Ich muss aber jetzt gestehen, dass es mir nicht
berechtigt erscheint, die einfache Thatsache der Doppelwahl
anzuzweifeln, so tendenziGs und gehassig auch die sonstigen
Nachrichten sein mtfgen, die ill der Handschrift im Zu-
sammenhang mit derselben zu finden sind. Ich glaube da-
her als eine Erganzung meiner Arbeit das Factum hinptellen
zu kflnnen, dass nicht erst seit 1433, sondern schon seit
1424 der Modus; der von den livl&ndischeij, Gebiettfgern zu
vollziehenden Wahl zweier Meister, von denen der Iloch-
meister den einen zu, bestatigen hat, in Kraft gewesen ist.
Damit h&ngt zusammen, dass nicht erst bei <}er Wahl des
Masters Frapke Kerskorf 1433, sondern schon bei der Cysses
von B,utenberg 14?4 jjder Gegensatz der bpiden landsmann-
e^chaftlichen Parteien, welcher sich allm&lig im Ordei* her-
ausgebildet hatte und die Folgejspit srfullt, offeij, hervor-
traf 1 )-
Die Handschrift f&hrt dann fojt: Nach dem Tode des
Meister Cysse 2 ) wftren wieder nach alter Gewohnheit 8 ) zwei
erw&hlt worden, und zwar Franke Kerskorf, von der Partei
des Hochmeisters, up<H Heinrich Schungel, von deif Partei
der Westfalen. Der Comthur von Marienburg und der
Vogt von Soneburg w&ren darauf zum Hochmeieter gesandt
!) Worte Hildebrands in U.-B. 8, Einleitung XV.
*)Erste Halfte des October 1433. Est- und livl. BriefL 3, 68,
U.-B. 8, Einl. XV.
») Cf. fiber diese Phrase Mittheil. 13, S. 457 fi\
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151
wdrden 1 ), ihn zn bitten, den redlicheren raid aGhtbaaretfen
als Meister zu bestfftigefc, was aber nieht geschehen ware,
denn der Hocl&meister hatte Franke Kerskorf best&tigt, ob-
gleich de(r Vogt von Soneburg ihm erz&hlt, dass Franke
unadeliger G-eburt und nicht wurdig nnd tauglich zum
Meisteramt w&re, worauf Walther Kerskorf 2 ), Frankes
Bruder 8 ), geantwortet, er fiolle Meister zu Livland werden,
„idt were leff eder leidt, weme idt wolde."
Und es ware also geschehen durch Darbringung von
grossem Gut, das dem Hochmeister durch Franke Kers-
korf zu Theil geworden.
Weiter berichtet die Handschrift mit ihren eigeoen
Worten: „Item kortes vor dat hern Francken obgenant ge-
korea unnd besfodiget waarth, staarff eynn cumptur van
Velyn 4 ), de na sick leth 30,000 mrk an golde und 600
lodige mtfk gegotens snlvers, darto nobelen und taffeln-
gesctunide, dat all in des meisters kamer quam the Byga.
Item so wacrth demsulven meister Kersskotfff gegeven
van dem tfogede thb Gerwen (Weissenstein) gemanth Helwich
van Gyisentt by levendigdn lyve [eyne] tonne vull goldes.
i) Cf. U.-B. 8, n. 737, vom 8. Nov. 1483. Oonithur zu Marienburg
war damals Matthias von Boningen, wahrend der Name des Vogts
von Soneburg unbekannt ist. Ibid. S. 657 u. 681.
8 ) Zuerst Vogt der Neumark, dann Comthur zu Danzig, Grosscom-
thur, oberster Trappier und zugleich Comthur zu Christburg ( —
12. Mai 1440), hierauf wilder Vogt der Neumark und atdetzt Vogt'
zu Schiefelbein ( — 16. Nov. 1449). Cf. Voigt, Namenscodex der
deutschen Ordensbeamten, 7, 13, 27, 72 £ u. 79, SS. rer. Prussic.
3, 701,.. Asm. 5, auch Toppe^ Acten der Standetage Preussens, 1,
n, 325, wonach Walther Kerskorf spatestens schon im Mai 1423
Vogt der Neumark geworden war.
8) Cf. auch U.-B. 8, nn, 531 u. 1014
4 ) Es kann nur der schon oben genannte Goswia von Polem gemeint
sein, der kurz vor dem 7. Februar 1432 verstarb. U.-B. 8, n. 551,
cf. S. 669 u. 681. Der Tod ist also mehr als IV2 Jahre vor
Frankes Wahl erfolgt.
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152
Ock darna starff desulve voget 1 ), de do ock naMh mehr
dan 100,000 mrk an gegoten sulver, taffelngeschmyde, ndbeln
und anderen golden, dat sick ock up eyne grote summa
makede. Solk upgeschrevenn gelt und gude all in des
meisters kammeren tho Riga geantwordei wort by des vor-
genant her Kersskorff thidenn, als he meister wass worden.
Unnd nicht lange darna quam her Wolter Kersskorff, in
der thid grothcumptur in Prussen, tho Riga 2 ) mit des hoch-
meisters bevhelnisse unnd nam sulck sulver, gelt und guth
und golt alle enwech" etc.
Bei diesem Bericht iiber Franke Kerskorf ist zun&chst
darauf hinzuweisen, dass bei seiner Erw&hlung er als zur
Partei des Hochmeisters gehflrig angegeben, wfthrend
Buckenvorde, a. g. Schungel, zur Partei der Westfalen ge-
z&hlt wird.
In der Urkunde, welche iiber die Wahl berichtet 8 ), ist
nicht ausdrucklich angegeben, zu welcher Partei die Ge-
wahlten gehdrt haben, sondern es wird nur gesagt, dass
von der einen Seite der Landmarschall (n&mlich Fr&nke
Kerskorf), von der anderen der Comthur vo.n Reval (nam-
lich Heinrich von Buckenvorde) gewahlt worden sind. Der
Herausgeber des livl. Urkundenbuches, Dr. H. Hildebrand,
hat aber, im Gegensatz zu unserer Handschrift, Kerskorf
von Seiten der Westfalen, Buckenvorde von Seiten der
Rheinlander, gewahlt sein lassen. Dem bin ich gpfolgt in
Mittheilungen 13, 458 u. 460 f., Anm. Bestimmend dafur
i) U.-B. 8, S. 661 u. 681 noch nach Frankes Tod (1. Sept. 1435)
als Yogt von Jerwen registrirt. Er soil auch zu den in der
Schlacht an der Swienta Gefangenen gehdrt haben (nn. 1005 u.
1007, Anm. 3). Erst zum 4. Dec. 1435 wird sein Nachfolger
Matthias von Boningen als Yogt von Jerwen namentlich angefuhrt
(U.-B. 8, n. 1016, cf. S. 657 u. 681).
s ) Anfang 1435 in Livland nrkundlich nachweisbar. U.-B. 8, n. 905,
cf. auch n. 909.
3) U.-B. 8, n. 737.
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153
war die Urkunde 985 (U.-B. 8), in der ein offenbar der
Partei der Rheinl&nder angehcJriger Ordensritter dem
Ordensmeister Kerskorf die Schuld an der Niederlage des
livlandischen Ordens an der Swienta zuschreibt, und von
7 gefallenen rheinl&ndischen Gebietigern berichtet, w&hrend
die westf&lischen alle nach Hause zuruckgekehrt seien.
Hiernach muss Franke zur Partei der Westfalen gehflrt
baben, denn h&tte er sich zu der des Briefstellers gehalten,
so h£tte der letztere nicht so iiber ihn geschrieben. Aber
andererseits bleibt jetzt zu berucksichtigen, dass nicht ein-
zusehen ist, aus welchem Grunde in der Klageschrift, mag
sie auch immerhin Parteischrift sein, die Westfalen, von
denen sie doch ausgegangen ist, den Meister in so geh&s-
siger Weise als einen Rheinl&nder hinstellen, wenn er zu
ihrer" Partei gehtfrt h&tte. Auch das ktfnnte fur Prankes
HingehOrigkeit zur rheinlandischen Partei sprechen, wenn
man bedenkt, dass er ein Bruder des preussischen Gross-
comthurs Walther Kerskorf war, welcher zu den einfluss-
reichsten Rathgebern Pauls von Russdorf, eines Rhein-
lttnders, gehdrte. Dagegen l&sst sich aber wieder nicht
l£ugnen, dass Franke eine durchaus selbst&ndige, der des
Hochmeisters entgegengesetzte Politik verfolgte 1 ), wie auch
dem letzteren die Wahl desselben durchaus nicht so genehm
gewesen zu sein scheint, da er ihn erst nach ca. 2 Monaten
als Meister best&tigte 2 ).
Fasst man so alle Grunde fur und wider zusammen,
so scheint Franke Kerskorf doch zur westf&lischen Partei
gehOrt zu haben.
Ferner w&re auf die Angabe der Handschrift hinzuweisen,
dass Kerskorf nicht adeliger Geburt gewesen. Dass gerade in
*) Cf. U.-B. 8, EinleitungXYI und darnach Mittheil. 13, 459, Anm. 1.
*) Am 8. November 1433 erwahlt, wird Franke noch am 12. Januar
1434 Landmarschall genannt, und erst am 25. Jan. bezeichnet
er sich selbst als Ordensmeister. U.-B. 8, nn. 737, 763 u. 769
und Einleit. XT, cf, auch Mittheil. 13, 460, Anra.
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154
damaliger 2$eit auch Leute niedriger Herkunft in den Or den
aufgenommen wurden und auch zu hftheren Ordensamtern
gelangten, ist nicht anzuzweifeln. In einem Briefe des
Comthurs von Memel an den Hochmeister vom 18. Mai
1439 '), aus dem Ordensarchiv zu Ktfnigsberg stammend, ist
die Rede von 3 livlandischen Comthuren niedriger oder be-
ruchtigter Herkunft, wozu Dr. Hennig, der die Abschriften
der auf Livland Bezug habenden Urkunden aus diesem
Arohiv fur die Ritterschaften der 3 Ostseeprovinzen besorgt
hat, bemerkt: „War dies mttglich, so l&sst es sich auch
glauben, dass der livlandische Meister Franke Kirskorff
wirklich von niedriger Herkunft war."
Dieser Urkunde, die allerdings nicht frei von Partei-
lichkeit ist, ist eine andere anzuschliessen, in der die 3
Conventp von Ktfnigsberg, Balga und Brandenburg (Jan.
1440) 2 ) fordern: Grtfssere Vorsicht bei der Aufnahme neuer
Ordensbriider anzuwenden, nur wer seine vier Wappen auf-
weisei^kann, sollte aufgenommen werden; gerade dieNiedrig-
geborenen seien die Verderber des Ordens und des Landes;
sie seien es, die das Geld unnutz aus. dem Lande schicken;
ihren Freunden zu helfen, die Aemter und SchlGsser in
Verfall gerathen lassen, Land und St&dte hart und gewalt-
thfttig behandeln, die Zwietracht zwischen dem Orden und
seinen Unterthanen veranlasst haben; man sollte sie strafen
und entsetzen, dann werde die Landschaft gern bereit sein,
Leib und Gut fur den Orden einzusetzen. Damit stimmt
zusammen^ wenn in, einem neuen Statist des Hoqhmedsters
Conrad von Erlichshausen vom 28. April 1441 fur den liv-
landischen Orden geboten, wjrd, dass in Zukunft mit Aus-
nahme der Priesterbriider und* Graumantler 3 ) nur, Iieute
i) Mittheilungen, 10, 81 ff.
2 ) Toppen, , Acten der Standetage Preussens, 2, n. 90, S. 145, c£ SS.
rer. Pr. 3, 642, f.
*) Cf. iiber diese Toppe^ % S. 151 n. 192, SS. rer. Prussia 3 r 120 f.,
642, 4, 114.
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155
wu guiw Rittersch^ft, solche, welche ihre vier Ahnen nach-
veisen kftnnen, in den Orden aufgen9mmen und zu Orcteas-
Smtern gelangen sollen 1 ).
Was aber nun die Frage von Frankes unadeliger Her-
kunft betrifft, so durfte dem schpn der Umstand entgegen-
stehen, dass es an und fur sich unwa^irscheinlich w&re, wie
auch keiiv Beispiel dafur bekannt ist, dass auch Ordens-
meister $us JJichtadeligen gewablt wurden. Wahrscheinlich
gehdrte Franke zum ritterlichen Geschlecht der Kersecorf
(Kersekorp, Kersenoorf, E^irsekorf), das nacb Wilmans,
Westf^lisches Urkundenbuch, in den letzten Jahrzehnten
des 13. Jahrhunderts in Westfalen urkundlicb nacbweisbar
als ansassig und in Diensten dortiger sowol geistlicber wie
welttecher Herren ers cheint 2 ). In „ Grosses vollst&ndiges
i) Ind. 1474, cf. Voigt, 8, 7 f.
2 ) Cf. Personen-Register zu Wilmans, Westfalisches Urkundenbuch.
Bd. 3. Die Urkunden des Bisthums Munster von 1201—1300.
Miinster 1876, S. 16. Zu Otto Kersecorf sind die nn. 1191, 1120,
1131 u. 1138 zu berichtigen in nn. 1101, 1220, 1231 u. 1238. (Da-
selbst u. S. 18 wird die Frage aufgeworfen, ob dieses Geschlecht
identisch sei mit dem von Korf, und in Anm. 2 zur n. 1587
[S. 825 des Urkundenbuches] wird diese Identit&t ohne Vorbehalt
angenommen.) Zahlt man nun den Ordensmeister Franke zu die-
sem in Westfalen ansassig gewesenen Geschlecht, so konnte man,
wenn man nur die Herstaramung berucksichtigt, auch denselben
unzweifelhaft zur westfalischen Partei rechnen. Es ist aber
durchaus nicht ausgemacht, dass sich Diejenigen, die aus einer
bestimmten Gegend stammten, in jedem einzelnen Fall auch iramer
zu den betrefifenden nach Landschaften benannten Parteien ge-
halten haben, also die Rheinlander immer zu dieser Partei, die
Suddeutschen immer zu den Franken, Schwaben und Baiern, die
Westfalen immer zu diesen. Nimmi man nun Frankes Zugehorig-
keit zur Familie Kersecorf an, so konnte man auch seinen Con-
currenten Heinrich von Buckenvorde mit dem gleichfalls in West-
falen ansassig gewesenen gleichnamigen ritterlichen Geschlecht in
Verbindung setzen (Westf. Urkundenb. Pers.-Reg. S. 9). Dann
warep beid^ Manner y $ e doch urkundtycjb nachweisbar zwei ver-
schiedene Parteien im Orden reprasentiren, westfalischen Ursprungs.
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156
Universal -Lexicon aller Wissenschaften und Kunste etc.
Halle und Leipzig. Im Verlag Johann Heinrich Zedlers.
Anno 1735", Bd. 15, S. 503 findet sich dann folgende Notiz:
„Kersekorff, ein adeliges Geschlecht, aus welchem im 15.
Jahrhundert einer Heer-Meister in Liefland war," mit Bo-
rufung auf Chron. Luneb. apud Leibnitz, SS. rer. Brunsuic.
Tom. Ill, p. 208 *). Ohne die Identity mit dem hier als
aus der Pamilie Kersekorf herstammend genannten Ordens-
meister zu erkennen, wird dann in demselben Werk, Bd. 10,
S. 1172, derselbe Franco von Gersdorff genannt, und somit
in Verbindung gebracht mit der adeligen Pamilie von Gers-
dorf, uber deren Ursprurig, wie fiber die Herleitung ihres
Namens, viel gefabelt worden ist 2 ), und die sich aus der
Lausitz nach Meissen, Schlesien, Btfhmen, Preussen, Dane-
mark, Livland, Estland etc. verbreitet hat 8 ).
l ) Es ist die Chronik Hermann Korners gemeint. Die citirte Stelle
enthalt die Darstellung der Schlacht an der Swienta. Yon Franke
heisst es: „de Meyster von Liflande togenomet Kersekorff." Die
Ausschreibung dieser Stelle verdanke ich meinem Freunde Herrn
Dr. Theodor Schiemann in Berlin; mir selbst waren die SS. rer.
Brunsv. nicht zuganglich.
*) Of. z. B. Ibid. Bd. 10, S. 1169, Gauhen, des heil. Rom. Reichs
genealogisch-historisches Adels- Lexicon ete. 1. Theil. Leipzig
1740, S. 474 ff., 2, 1747, S. 351, Pitschmann, Memorias Familiae
Gersdorffiorum quasdam, ut prodroraum historiae Gersdorffianae
exhibet. Gorlicii 1706, 5f, Hupels n. Miscell. 15—17, 1788,
S. 461 ff., 18 u. 19, 1789, S. 122 f., auch das von Zedlitz-Neukirch
herausgegebene Neue preussische Adelslexicon, 2, Leipzig 1836,
S. 227 f. Gegen den Zusammenhang der Familie mit den Geronen
aus dem Quedlinburgischen erklaren sich v. Ledebur, Adelslexicon
der preussischen Monarchie, 1, 1856, S. 253 ff., Kneschke, Neues
allgemeines deutsches Adelslexicon, 3, 1861, 494 ff., Siebmacher,
Grosses und allgemeines Wappenbuch. 3. Bd. 2. Abth. Der
bluhende Adel des Konigreicbs Preussen. 1878, S. 139.
8 ) Cf. die in der vorigen Anm. citirten Werke, besonders die zuletzt
angefiihrten.
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157
Dieser Familienname fur den Ordensmeister Franke kann
nur dadurch gebildet worden sein, dass in spateren Chro-
niken (und darnach in vielen liter&rischen Werken) dessen
Name in der corrumpirten Form Kersdorf oder Kers-
dorp etc. erscheint, w&hrend in den Urkunden immer nur
die Form Kerskorf oder Kirskorf, auch Kirskorb(p) zu
linden ist, auch in unserer Handschrift findet sich fast
immer die letztere, nur einige Mai, vielleicht nur durch
Flnchtigkeit des Abschreibers entstanden, kommt auch die
Form Kersdorf vor.
Als ein Gersdorf wird Franke, soweit ich das habe
verfolgen kdnnen, zuerst bezeichnet von Daniel Hartnaccius,
Kurtzer Entwurff Liefflandischer Geschichten. Hamlmrg
1700, S. 53, auch Schurzfleisch, historia ensiferorum ordinis
Theutonic. Livonorum. 1701, S. 303, ist fur die Abstam-
mung von der Familie Gersdorf, wenn er den Meister auch
Kersdorff nennt 1 ), ferner hat den Namen Gersdorf Gauhen
in seinem Adelslexicon, 2, S. 351 2 ), auch Gersdorf, Franko
von Kerssdorf in Justis Taschenbuch die Vorzeit 1824,
scheint fur diese Abstammung zu sein, wie S. 118, Anm. 1
zeigt, wo er neben Anderen Zedler, Schurzfleisch citirt,
Franke aus Sachsen geburtig sein lftsst und sagt, dass
dessen Angehorige in der Lausitz und in Bcihmen ansftssig
*) Diese Ansicht Schurzfleisch' hat Arndt in seiner Ldefl. Chronik,
% 1753, S. 131, n. a. angefiihrt, ohne dass man sicher erkennen
kann, ob er sie theilt.
*) L. c. ist angefuhrt, dass „ Wolter und Franck von Gersdorff . . von
Dlugoss und anderen auswartigen Scribenten fast insgemein von
Kersdorff genannt werden. Hartknoch aber in Ldeflandischen
Geschichten p. 53 giebt inn en den rechten Namen, Gersdorf. tf
Gauhen meint hier allem Anschein nach Hartnacks oben er-
wahntes Werk, da auch die citirte Seitenzahl (ibereinstimmt mit
der S. bei Hartnack, auf der dieser von Franke erzahlt. Hart-
knoch (f 1687) selbst hat, soweit mir bekannt, kein Werk unter
dera Titel „Liefl. Gksch." verfasst, in denArbeiten aber, die von
ihm herruhren, habe ich nichts uber Franke gefunden.
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156
waren 1 ). Auch in dem von Zedlitz-Nfcttkirch h^rausgegebe-
nen Neuen preussischen Adelslexican, 2, S. 228 heisst eB:
„Franco von Gersdorf wurde 1437 unter dem Named voii
Kersdorf Meister des deutschen OrdeHs in Lief land."
Schliesslich verdient eine Erdrterung die Erz&hlung von
dem axis Livland entfuhrten Schatz. Sie findet sfch fconst
in keiner gleichzeitigen Quelle, keine Urkunde enthalt sie,
und sie ist deshalb bei dem Character der Handschrift mit
grosser Vorsicht aufzunehmen. Etwas mag an ihr sein,
jedenfalls aber ist die ganze Angelegenheit ubertrieben und
tendenzi&s entstellt. Interessant aber war mir die Nach-
richt, weil sie in spateren Chroniken und vielen literSrischen
Werken, selbst in denen aus neuester Zeit, sich wiederfiridet,
bald mehr, bald weniger ausfuhrlich, bisweilen nur im All-
gemeinen erw&hnt, nicht selten mit Ausschmuckungen, Zu-
s&tzen und fur den Ordensmeisser Franke wenig schmeichel-
haften Schlussfolgerungen versehen. Zuerst kommt die
Erz&hlung vor in Russows Chronik 2 ), und es ist nicht un-
mdglich, dass wir fur dieselbe als Quelle unsere Handschrift
anzun6hmen haben, die Russow entweder im Original, oder in
einer Copie gekannt haben mag, vielleicht hat el* die auch uns
vorliegende Abschrift benutzt, welche ja aus Reval Stammt,
*) Interessant ware es zu erfahren, was es mit dem zum citirten
Aufsatz gehorigen Bildniss auf sich hat, welches uberschrieben
ist: „ Franco, Heermeister des dentschen Ordens in Lief land,
1434." Dass es nicht wirklich Franke Kerskorf darstellt, erscheint
wol ausgemacht.
*) SS. rer. Livon. 1, 29 f., nach der Ansgabe von 1584 abgedrackt.
In der ersten Ansgabe von 1578 finden sich Zusatze, die in der
zweiten fehlen, wie: „Dat sint de fruchte eines ingedrungenen
Meisters gewesen" (S. 46 b ). „Solck einen statlichen Schat hefft
Lyfflandt vp eine tydt vorlesen moten, Wowoll der Yincken wol
mehr offfc vnde vaken vth Lyfflandt in Westphalen ocfc geflagen
sint" (S. 47). Auch wird in der ersten Ansgabe die Regiernngs-
zeit Frankes angegeben: „fast twe Jar," was richtig ist, wahrend
die zweite 10 Jahre hat.
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159
wo auch Ruesow lebte, und die eich dort schon lange be-
funden haben kann. Hinderlich nur 1st dieser Annahme
der Umstand, dass eine weitere Benutzung der Klageschrift
durch Russow, mit Ausnahme vielleicht dessen, was bei ihm
fiber das Motiv zur alleinigen Wahl Buckenvordes sich
findet, nicht naehgewiesen werden kann. Hatte sie ihm
vorgelegen, so musste es auffallen, dass er den ausfuhrlichen
Bericht uber den durch Vinke von Qverberchs Wahl zum
Ordensmeister entstandenen Streit mit dem Hochmeister
nicht benutzt hat, denn gerade bei diesem Ordensmeister
ist seine Erz&hlung eine sehr durftige. Ob nun aber Rus-
sow ana dieser Quelle schopfte, oder ob ihm eine andere
uns nicht mehr erhaltene, in der die Nachricht sich fand,
yorlag, jedenfalls ist er fur diese Erz&hlung die Quelle f&r
viele spfttere gewesen. Dionysius Fabricius 1 ) weicht etwas
von ihm ab, wie besonders darin, dass nicht Walther Kers-
korf, sodann Pranke selbst den Schatz nach Preussen ent-
fuhrt haben soil. In fliichtiger Weise, welche sich auch fur
das Polgende zeigt, erzahlt Bartholom&us Grefenthal 2 ) die
Begebenheit, wahrscheinlich auch nach Russow, dem dagegen
ganz folgen Johann Renner 3 ), Thomas Hi&rne 4 ) und Kelch 5 ).
Kurz erwfihnt auch Caspar Schiitz (f 1694) in seiner preus-
sischen Chronik des weggef&hrten Schatzes, was aber erst
nach Prankes Tod durch dessen Bruder Walther geschehen
*) Livonicae historiae eompendiQsa series in SS. rer. Lav. 2, 460.
2 ) Lief lendische Chronica in Mon. Liv. ant. 5 , 81. Nach Georg
Berkholz (Sitzungsberichte der Ges. f. Gesch. u. Alterthumsk. a. d.
J. 1874, S. 14 u. 30) ist Grefenthal* Chronik erst nach 1592 ab-
gefasst, also sp&ter als die Russows. Ueber die Benutzung Rus-
sows durch Grefenthal cf. auch Rathlef, Yerhaltniss der kleinen
Meisterchronik etc. S. 18.
8 ) Johann Renners livlandisehe Historien, herausgegeben von Richard
Hausmann und Konstantin Hohlbaum. Gottingen 1876, S. Ill f.
4) Ehst-, Lyf- und Lettlandische Geschichte in Mon. Liv. ant. 1, 177.
*) Lieflandiache Historia etc. (—1690). Reval 1695, £ Th. 136 f.
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160
sein soil 1 ). Aus Russow hat dann wieder Daniel Hart-
naccius 2 ) die Erz&hlung, und nach ihm ist sie kurz erwahnt
in Zedlers Universal-Lexicon 8 ), wahrend Schurzfleisch 4 ) eine
hierauf beziigliclie kurze Notiz, wie er selbst sagt, wieder
direct Russow entnahm. aus dem, wie er richtig bemerkt,
Kelch schflpfte, und aus letzterem hat Gauhen in seinem
Adels-Lexicon 5 ) die Erzahlung, die Arndt 6 ) wieder Russow
entlehnte. Nur kurz erwahnt findet sie sich bei Gadebiksch 7 ),
Friebe 8 ) und Baczko 9 ), ausfuhrlich dagegen und zwar nach
Russow bei Wagner 10 ) und Gebhardi 11 ). Direct aus unserer
Handschrift konnte dann Kotzebue, Preussens altere Ge-
schichte 12 ), die Erzahlung entnehmen. Sie findet sich dann
in der bereits erw&hnten Arbeit von Gersdorf fiber den
Ordensmeister Franke (S. 125), bei Richter 18 ), Rutenberg 14 ),
*) Ausgabe von 1599, — 1598 durch D. ChytraBus fortgesetzt, lib. 3,
129. In der lateinischen Bearbeitung, ed. Lengnich. Gedani 1769,
S. 264.
2) L. c. 53. 3) 10, 1172. *) l. c. 304. *) 2, 351. 6) l. c. 2, 132.
7 ) Livlandische Jahrbiicher, I, 2, 1780, 94, n. b. mit Berufung auf
Schiitz, Russow, Hiarne mid Kelch.
») Handbnch der Geschichte Lief-, Ehst- und Kurlands. 1791, 192 f.
9) Geschichte Preussens, 3> 1794, 182.
10 ) Allgemeine Weltgeschichte von der Schopfung an bis auf gegen-
wartige Zeit etc. Bd. 14, 2. Abtheil., welche die Geschichte von
Litthauen, von Preussen, des ostlichen Preussens und von Lief-
land enthalt, nach dem Plan von Wilhelm Guthrie, Johann Gray
und anderer gelehrfcer Englander entworfen, ausgearbeitet und aus
den besten Schriftstellern gezogen von Daniel Ernst "Wagner.
Leipzig, 1776, 897 f.
n ) Geschichte von Lief land, Esthland, Kurland und Semgallen in
Fortsetzung der allgemeinen "Welthistorie durch eine Gesellschaft
von Gelehrten in Teutschland und Engeland ausgefertigt. 50 Theil.
Halle 1785, 442.
12) Riga, 1808, 4, 246, cf. 6.
tt) Geschichte der dem russischen Kaiserthum einverleibten deutschen
Ostseeprovinzen, I, 2, 1858, 15.
14 ) Geschichte der Ostseeprovinzen Liv-, Esth- und Kurland, von der
altesten Zeit bis zum Untergang ihrer Selbstandigkeit, 2, 1860, 85 f.
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161
Croeger 1 ) und in der 1879 anonym erschienenen Geschichte
der Ostseeprovinzen 2 ).
Bei der Nachforschung iiber diese ErzShlung, wie des-
sen nberhaupt, was sich auf die Geschichte des Ordens-
meisters Pranke bezieht, ist mir wieder so recht zum Be-
wusstsein gekommen, wie wenig kritisch unsere Darstel-
lungen der livlandischen Geschichte gearbeitet sind, indem
man neben den Urkunden, die fur einen Theil des 14., fur
das ganze 15. und einen Theil des 16. Jahrhunderts unsere
alleinigen gleichzeitigen Quellen sind 8 ), sich auch noch auf
aus spftterer Zeit stammende Chroniken oder gar auf lite-
rarische Bearbeitungen noch jungeren Datums, die mehr
oder weniger immer dasselbe enthalten, und in grtfsserer
oder geringerer Abhangigkeit von einander stehen, stutzen
zu ktfnnen glaubte, denselben den gleichen, oder gar einen
noch htiheren Werth als den Urkunden beilegend. Oft
wimmelt es geradezu von Fehlern in der Erz&hlung uber
eine bestimmte Begebenheit, und immer wieder finden sich
dieselben.
Um auf unsere Handschrift zuruckzukommen, so be-
richtet sie weiter, dass nachdem Meister Kerskorf mit vielen
Gebietigern, Ordensbrudern und Bittern in einer Schlacht
in Litthauen erschlagen worden 4 ), „und leider in den landen
ovell stunth van grotem Kryge, vyenden und vran[ient]
schop wegenn, de vorhandenn wass, und ock dagelickes
!) Geschichte Liv-, Ehst- und Kurlands, 2, 1870, 34 u. 70.
2 ) Geschichte der Ostseeprovinzen Liv-, Est- und Kurlands von der
altesten Zeit bis auf unser Jahrhundert, 1, Mitau 1879, Verlag
von E. Sieslack, 225.
3 ) Gelegentliche meist kurze Livland betreffende Notizen in nicht
livlandischen Chroniken fallen wenig ins Gewicht.
4 ) Li der Schlacht an der Swienta am 1. September 1435, wo der
mit dem Grossfiirsten Switrigail verbiindete livlandische Orden
von den Streitkraften des Nebenbuhlers des ersteren, des Gross-
fiirsten Sigmund, eine Niederlage erlitt. Cf. hieruber U.-B. 8,
p. 595 u. 596, Anm., wie Einleitung, XYIII f.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 11
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unwiljen worden "were van den prelaten im lande 1 ), also
dat men sick besorgete einer grothen herunge nnd over-
fallens der lande," so dass man mit der Wahl eines neuen
Meisters nicht lange ztfgern konnte, hatten alle Gebietiger
einmiithig Heinrich Schungel (oder Buckenvorde) zum Meister
erw&hlt 2 ) und zwei Gebietiger mit der Bitte um Bestatigung
des Erkorenen zum Hochmeister gesandt 3 ). Dieser aber
hatte sich dessen geweigert, sprechend, sie hatten nicb£ zwei
nach alter Gewobnheit erwahlt, aus denen er den einen
zu bestatigen habe, ausserdem wisse man nicht, ob Meister
Franke Kerskorf „d&t" 4 ) ware oder nicht „wowoll dat apen-
bar wass, dath he dodt bleff; so worth he ock underricht>
dat de redelickesten erschlagenn unnd gefangen werenn 5 ),
dat man nicht gekyesen mocht" (d. h. zwei, wie es in
Uebung gekommen war). Trotzdem h&tte der Hochmeister
ein Jahr lang mit der Bestatigung gezaudert, und dieselbe
erst ertheilt, als er erkannt, dass keiner von seiner Partei
die Meisterstelle erlangen kdnne.
i) Cf. U.-B. 8, n. 970 u. 982, und dazu Binleit. XX.
2) 1435 Sept. 27. U.-B. 8, n. 982.
3 ) Die Comthure yon Goldingen (Simon Langeschinkel) and Windaa
(unbekannt). Ibid. a. n. 989, cf. auch S. 666 u. 681.
4 ) Das iibergeschriebene o stammt von einer anderen Hand und ist
mit derselben Tinte geschrieben, von der auch die vielen unter-
strichenen Stellen im Manuscript herruhren..
5 ) Of. U.-B. 8, n. 976, vom 20. Sept. 1435, wo der Hochmeister dem
Kaiser Sigismund berichtet, wie er vernommen, dass der Meister
mit den meisten und obersten Gebietigern auf der Wahlstatt ge-
blieben sei; n. 1005 in einem Brief des Landmarschalls (Heinrich
Buckenvorde) an den Hochmeister vom 27. Oct erzahlt der
erstere, wie der letztere ihm geschrieben, dass der Ordensmeister
noch lebe und nur gefangen worden sei, und an demselben Tage
schreibt der Hochmeister dem Kaiser zum zweiten Male, dass
man noch nicht wissen konne, ob der Meister nur gefangen sei
und noch lebe, oder ob er erschiagen worden (U.-B. 8, n. 1006).
Ueber die in der Schlacht Erschlagenen und G-efangenen cf, nn.
983, 985, 998, 1005, 1007, 1012.
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163
Aus diesem letzten Passus kann man den wenig zu-
verl&ssigen und parteiischen Charakter der Handschrift
deutlich erkennen, wie ich das schon fruher bemerkt habe *).
Gesfcgert hat der JHochmeister allerdings mit der Best&ti-
gung der Wahl, da er den Plan verfolgt zu haben scheint,
von sich aus den livlandischen Ordensbrudern ein ihnen
nicht genehmes Haupt aufzudr&ngen 2 ), aber nicht ein ganzes
Jahr, sondern nur zwei Monate, was urkundlich nachweis-
bar ist 8 ).
Nach dem Tode Meister Heinrich Schungels 4 ), f&hrt
die Handschrift fort, h&tten die Gebietiger zu Livland aber-
mals nach alter Gewohnheit zwei zum Meisteramt erwahlt 5 ),
nnd zwar „broder Hinricken Vincken voget [tho Wenden
van der Westphelinge wegen und broder Hinricken van
Notleben voget] tho Grabynn (Jerwen muss es heissen) van
der dicke genant broder Pawels parthey", und hatten vier
Gebietiger und einen Priesterbruder zum Hochmeister ge-
sandt 6 ), denselben zu benachrichtigen, dass Meister Schungel
gestorben w&re, dass sie zwei gekoren h&tten und ihn b&ten,
den redlicheren und tiichtigeren von diesen zu bestatigen.
!) Mittheilungen 13, 459, Anm. 1 u. 460, Anm.
*) U.-B. 8, Einleit. XX f. und darnach Mittheil. 13, 459, Anm. 1 .
3 ) Cf. Mittheil. 13, 459, Anm. 1.
4 1437 Ende December. Briefl. 3, 70.
5 ) Die Wahl war auf den 2. Marz 1438 angesetzt. Ind. 1423 u. 1425.
Die auf das Folgende Bezug habenden, dem Konigsberger Ordens-
archiv entstammenden , im livlandischen Ritterschaftsarchiv in
Abschriften aufbewahrten und im Index L. B. 0. registrirten
Urkunden habe ich schon friiher bei einer anderen Gelegenheit
abgeschrieben.
6 ) Cf. Ind. 1429, 1430, 1433 u. 1435, auch Mittheil. 13, 462, Anm. 2.
Die Gesandten waren Walther von Loo zu Reval, Hans Schaff-
husen zu Ascheraden, Matthias yon Boningen zu Goldingen und
Heinrich Sleeregen zu Mitau Comthure. Die beiden ersteren ver-
treten die westfalische, die letzteren die rheinlandische Partei.
Von der Sendung des Priesterbruders steht in den Urkunden nichts.
11*
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Der Hochmeister aber hatte den Gesandten keine genugende
Antwort gegeben, sondern die Sache verzGgert, so dass die
von der westfalischen Seite gemerkt hatten, dass er aber-
mals nach seinem Parteiinteresse nicht dem redlicheren,
tuchtigeren und nutzlicheren , sondern dem untiichtigeren
die Bestatigung ertheilen wolle. Deshalb waren sie zum
Hochmeister gegangen und hatten ihm vorgehalten, wie oft
bereits der unredlichere und untuchtigere von ihm zum
grossen Schaden des Ordens zum Meister bestatigt worden
ware. (Hier folgen im Manuscript 2 Seiten, die spater ein-
gereiht werden mussen.) Darauf hatte sie der Hochmeister
gefragt, ob sie gehorsam sein wollten, worauf sie geant-
wortet, ja, sie wollten wie bisher, so auch in Zukunft ge-
horsam sein alien denen, denen sie das schuldig seien. Und
weiter hatten sie ihm gesagt, weil er nicht den tuchtigeren
und nutzlicheren bestatigen wolle, und der Deutschmeister
ihn und sie 1 ) vor ein Gross-Capitel geladen und gefordert
hatte auf Grund des Statuts und der Gesetze, die einst
unter Hochmeister Werner von Orseln auf einem zu Marien-
burg gehaltenen Gross-Capitel festgesetzt worden waren 2 ),
so wollten sie die Bestatigung des Hochmeisters nicht eher
anerkennen, bis den gedachten Statuten ein Genuge ge-
schehen ware, worauf der Hochmeister geantwortet, die
Statuten waren untiichtig und erdacht und er wolle ihrer
nicht achten 3 ).
i) Am 6. Decbr. 1437 schrieb der Ordensmeister Schungel, knrz vor sei-
nem Tode, dem Hochmeister, dass, wie er eben gehdrt, der Deutsch-
meister auch ihn vor sich geladen habe. Ind. 1340, Brief 35.
») 1329 Sept. 17. U.-B. 2, n. 736. Nach diesen Statuten stent der
Hochmeister in bestimmten Fallen unter der Gerichtsbarkeit des
Deutschmeisters. Die Yorladung des Hochmeisters zu einem
Ordenscapitel durch den Deutschmeister Eberhard v. Saunsheim
ist datirt: Horneck 1437 Oct. 1. Ind. 1419. Ueber den Streit
zwischen beiden cf. Yoigt, 7, 683 ff. u. 699 ff.
*) Cf. Toppen, Acten der Standetage Preussens, 2, n. 61, Schluss u.
Mittheilungen, 10, 76; „sulche schriflfte seyn getichtet vnd gemacht.*
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165
Anfangs hatte der Hochmeister die Gebietiger wegen
ihres Verhaltens in Preussen gefangen zuruckhalten wollen l ),
doch hatte er es unterlassen und sie Ziehen lassen, ihnen
dabei erklarend, dass er zwei seiner Gebietiger, die Com-
thure zu Elbing und Ragnit, nach Livland senden wolle,
damit sie den, welchen sie als den nutzlicheren und tuch-
tigeren erkennen wurden, bestatigten. Beide waren auch
ins Land gekommen, aber von einer Untersuchung hatte
keine Rede sein kdnnen, da sie schon in Preussen ver-
fertigte Briefe mitgebracht, nach denen Heinrich Nothleben
als Meister anerkannt worden. Auch Briefe an die Pr&-
laten, die Ritterschaften und Stadte hatten sie mitgebracht
und begonnen, viele Irrungen im Lande zu machen. Als
nun die beiden hochmeisterlichen Abgeordneten die Briefe,
die Bestatigung Nothlebens betreflfend, den Gebietigern uber-
antwortet hatten, hatten diese sie, una die Urkunden zu lesen
und daruber zu berathen, hinausgehen lassen. Auch die
beiden zum Meisteramt Gekorenen hatten dasselbe thun
miissen 2 ), um sich zu berathen, ob sie „dewyle he (der
Hochmeister) stundt in ladinge des meisters van dutzschen
landen" des Hochmeisters Bestatigung, auf wen sie auch
falle, annehmen wollten oder nicht. Zuriickgekehrt hatten
sie gesagt, sie gedachten die Bestatigung des Hochmeisters,
auf wen sie auch falle, nicht anzuerkennen „dewyle dat he
stunde in ladinge des meisters van dutzschen lande[n] 3 ) unnd
ock den statuten (d. h. den Orselnschen) nicht w[v]oll unnd
gnoch gescheen were. tf Solches hatten die Gebietiger den
beiden hochmeisterlichen Gesandten gemeldet.
Da nun die Gebietiger zu Livland kein Haupt gehabt
und sich auf ein Gross-Capitel berufen hatten, hatten sie,
i) Anderweitig nicht belegt. *) Of. Mittheilungen, 10, 62.
8 ) Of. Toppen, 2, n. 61 u. Mittheilungen, 10, 74: a Is geschege denne,
dass sulche sachen vnd schelungen czwischen dem Meister czu
dewtschen landen vnd em (d. H. M.) warden gantcz entrichtet vnd
czu eynem ende komen."
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da es nicht tauglich gewesen, das Land ohne ein Oberhaupt
zu lassen, einmuthig von alien Theilen und mit Rath, Willen
und Wissen Heinrich Nothlebens Heydenreich Vincke bis zu
einem Gross-Capitel zum Statthalter eines Meisters erw&hlt 1 ).
Als darauf der Hochmeister von den Comthuren von
Blbing und Ragnit nach ihrer Riickkehr erfahren, daes
sein Wille nicht erfullt worden, h&tte er aufs Neue Briefe
an die Pralaten, die Ritterschaft und die Stadte zu Liv-
land 2 ) gesandt, in der Meinung, dadurch Irrthum und Zwie-
tracht zu stiften, dem aber mit der Hilfe Gottes wider-
standen worden ware.
Der Hochmeister hatte dann Biichsen, Buchsenkraut
und Buchsenschiitzen etc. nach Kurland auf das Ordens-
schloss Goldingen gesandt, desgleichen 600 Gewappnete,
die Lande zu iiberfallen, zu verwiisten und zu verderben 3 ).
Der Statthalter aber hatte die Schltfsser eingenommen 4 ), und
*) Das alles geschah auf einem Ordenscapitel zu "Wenden, wo fiber
den Beschluss eine Urkunde aufgesetzt worden. Cf. Ind. 1435,
im Sinn des Hochmeisters und gegen die Westfalen gehalten.
Mittheil. 10, 62 f., 72 ff., Toppen, 2, n. 61, Ind. 1438, 1452.
2) Cf. Mittheil. 10, 73 f. und Toppen, 2, n. 61.
3 ) Die Absicht hat der Hochmeister wol gehabt, Livland mit Krieg
zu iiberziehen, sie aber nicht ausgefiihrt. Cf. Yoigt, 7, 715 f. Der
Comthur von Goldingen, Matthias von Boningen, der mit den kur-
landischen Gebietigern dem Hochmeister zugefallen, ermahnte den-
selben ofters, sein Vorhaben auszufuhren und ihn zu untersttitzen,
aber ohne Erfolg. Cf. Ind. 1440, 1441, 1444, 1446, 1452. Auchnoch
spater, im Sept. und Oct. 1438, wird in Livland befurchtet, daes
der Hochmeister seine oben genannte Absicht ausfuhren werde.
Cf. Ind. 1454—1457 (im Ind. sind zu n. 1457 die Aussteller falsch
angegeben, es sind dieselben, wie in nn. 1455 u. 1456), Toppen, 2,
n. 60. Dem gegentiber ist es nicht ernst zu nehmen, wenn der
Hochmeister am 1. Oct. 1438 betheuert, dass es nie seine Absicht
gewesen, Livland mit Krieg zu iiberziehen. Mittheil. 10, 77, cf.
auch Toppen, 2, n. 72.
4) Im August 1438. Cf. Lid. 1449, 1452 und 1453, MittheUungen, 10,
60 ff., 75, Toppen, 2, n. 61,
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167
ale das die Gewappneteti vernommen, -Whren sie wieder
umgekehrt.
Der Hochmeister h&tte auch Herzog Sigmund ange-
gangen, ihm zu gestatten, durch sein Land gegen die Liv-
l&nder zu ziehen 1 ), was ihm jedoch der Herzog abgeschlagen.
Als dann zum dritten Mai vom Hochmeister Briefe an die
Pr&laten, die Ritterschaft und die Stadte geschickt worden
w&ren, urn Irrungen und Zwietracht im Lande zu erzeugen,
wftre eine Versammlung abgehalten worden 2 ), wo die Pr&-
laten, die Ritterschaften, Abgeordnete der Stadte und der
Statthalter mit seinen Gebietigern zugegen gewesen. Auf
derselben hatten die zwei Erwahlten erkl&rt, dass sie in
dem Capitel (zu Wenden) eins geworden w&ren, keine Be-
st&tigung des Hochmeisters anzuerkennen „dewyle he stunde
in ladinge unnd rechte des meisters van dutzschen landen,
unnd so lange beth dath den statuten ein gnoge und voll
gescheen wer und hedden sick des beropen wente an ein
groth capittell." Daruber wftre die Versammlung erfreut
gewesen und h&tte beschlossen, das anzuerkennen und zum
Hochmeister Boten mit Briefen zu senden, ihn zu bitten,
seine Sache auch nach des Ordens Regelbuch, Statuten und
Recht einem Gross-Capitel anheimzugeben, und das Land
nicht zu fiberfallen und zu besch&digen 8 ). Als solches der
*) Vielleicht ist folgender Passus in Mittheilungen, 10, 100 hierauf zu
beziehen: „Ok heuet de vorste (v. Litthauen) dem Lantmarschalke
(Heydenreich Yincke) ok to kennende geuen wo Juwe ghenade
(der Hochmeister) en hadde laten byden to gunnen VII hundert
gewapen dor sin lant laten to teende bas vp de Done in dit
lank" Die Urkunde ist allerdings erst vom 24. Juli 1439 datirt.
*) Z* Pernau am 20. Juli 1438. Cf. unten.
3 ) Ueber den Tag zq Pernau cf. Mittheilungen, 2, 150, 10, 64 u. 74 f.,
Ind. 1444, 1445, 1451, 1454-1457, Toppen, 2, nn. 60 u. 61. Voigt,
7, 716 sagt, dass der Beschluss des Landtages von Pernau fur
den Hoehmeister gunstig ausge fallen sei, „denn sammtliche Stande
erklarten einmuthig, dem Hochmeister treu und gehorsam bleiben
and dem von ihm bestatigten Meister huldigen zu wollen, also
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168
<
Hochmeister erfahren, hatte er, bevor noch die Botschaft
ausgefertigt worden, dem Bischof (Brzbischof) von Riga
den Yogt zu Jerwen Heinrich von Nothleben und keinen anderen
als ihren Meister anzuerkennen, doch dergestalt, dass man znnachst
alles der weiteren Beschliessung eines kunftigen General-Capitels
anheimgestellt seyn lassen wollte". Voigt stiitzte sich hierbei auf
Lid. 1444, Schreiben des Comthurs von Mem el an den Hoch-
meister vom 30. Juli 1438, beriicksichtigte aber dabei nicht, dass
auf den letzten Passus alles ankam, man appellirte ja eben von
der Entscheidung des Hochmeisters an ein General-Oapitel. Yoigt
sagt dann weiter: „So sprachen sich auch die Lande Harrien und
Wierland, die Stadt Beval und mehre andere aus," nach Ind.
1448 vom 16. August 1438. Die Bitter und Knechte von Harrien
und Wierland, wie die Stadt Reval, sprechen hier allerdings dem
Hochmeister ihre Ergebenheit aus, aber es geschah erst spater;
auf dem Tage zu Pernau sind wenigstens die Ritter von (Harrien
und) Wierland nicht zugegen gewesen (cf. Ind. 1451: „vd Wyer-
lande alleyne vdgenomen"), und am 17. September 1438 (Ind. 1454)
bittet Heinrich von Nothleben fur sich und die Ritter und Knechte
von Harrien und Wierland den Hochmeister, Livland nicht
mit Krieg zu iiberziehen, denn thue er das, so raussten sie ihm
widerstehen, er solle alles der Entscheidung eines Gross-Capitels
xiberlassen. Nur die Gebietiger von Kurland hatten sich schon
vor dem Tage zu Pernau fur den Hochmeister erkl&rt, auch die
Stadt Riga soil nicht abgeneigt gewesen sein, ihm beizufallen,
wenn er ihre alten Rechte bestatige. Ind. 1433, 1434, 1437, 1439,
1440 u. 1441, cf. auch Mittheil. 13, 463. Ferner ist Yoigts Dar-
stellung auf Seite 719 eine falsche, wenn er sagt, dass die fur den
Hochmeister auf dem Tage zu Pernau gtinstig ausgesprochene
Stimmung bewirkt worden sei durch eine im Interesse des Hoch-
meisters erlassene Bulle des Papstes Eugen IV., wie dieselbe auch
beim Deutschmeister den Entschluss erzeugt habe, sich nach
Preussen zu begeben, um auf einem General-Capitel eine Aus-
gleichung zu versuchen. Die Bulle, an den Bischof von Ermland
gerichtet, ist verzeichnet im Index 1426 vom 16. Marz 1438, in
dasselbe Jahr setzt sie Voigt und Kotzebue, Pr. alt. Gesch. 4, 244
(hier im Auszuge mitgetheilt, aber unrichtig als Adressat der Hoch-
meister angenommen, was schon Voigt, 1. c. Anm. 1, beraerkt). Sie
gehort aber ins Jahr 1439. Sie ist datirt: „Florentie a. inc. d.
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169
geschrieben, dieselbe zu Hause zu behalten, weil davon
nichts Gutes kommen mflchte 1 ).
Weitere Anklagen werden dann im Manuscript erhoben
wegen der auswartigen Politik des Hochmeisters, wegen
seines Verhaltens gegen Switrigail, den Bruder Jagellos von
Polen, der nach dem Tode Witauts (1430) Grossfurst von
Littliauen geworden, mit dem Orden im Bunde sich gegen
seinen Bruder und seinen Nebenbuhler in Litthauen, Sigmund
von Starodub, Witauts Bruder, der auch nach dem Tode
Jagellos (1434) von den Polen unterstutzt wurde, zu halten
suchte.
Der Hochmeister hatte sich persdnlich zu Switrigail
begeben, mit ihm einen Bund geschlossen und zu den Hei-
ligen geschworen, ihm zu helfen und ihn nimmer zu ver-
lassen, und zwar sei das geschehen ohne Rath, Wissen und
Willen des Deutschmeisters und des Meisters von Livland.
(Hier nrassen die schon fruher gesetzten Seiten 272 b , 273 a
und Anfang von 273 b eingeschaltet werden.) Nachdem der
millesimo quadringentesimo octauo decimo septimo Kalendas
Aprilis pontif. nostri anno no no." Das angegebene Pontificatsjahr
weist auf das Jahr 1439 (Eugen IY. 1431 Marz 5 erwahlt), und
somit muss die Bulle nach der Mariae-Verkimdigungsjahresrech-
nung, die das Jahr mit dem 25. Marz begann, datirt sein. Auch
der ganze Inhalt der Bulle zeigt, dass sie ins Jahr 1439 gehort.
Erst am 2. Marz 1438 sollte die neue livlandische Meisterwahl
stattfinden. Der Papst konnte deshalb unmoglich schon am
16. Marz d. J. von der vollzogenen Wahl, der Bestatigung Noth-
lebens durch den Hochmeister und den hieraus resultirenden Strei-
tigkeiten, Ereignissen, die zum Theil noch gar nicht stattgefonden,
als die Bulle vwfasst sein soil, unterrichtet gewesen sein. Nebenbei
sei bemerkt, dass die nach der Urk. vom 24. Aug. 1438 (Ind. 1452)
gegebene Darstellung Yoigts, 1. c. 720 f., ebenfalls nicht richtig ist.
2 ) Das stimmt tiberein mit Ind. 1451. Das, was zu Pernau beschlossen
worden, wird spater wiederholt auf dem Landtage zu Walk
(Michaelis 1438). Ind. 1455—57, Toppen, 2, nn. 60 u. 68. Dass
wir es hier mit dem Tage zu Pernau zu thun haben, zeigt auch
eine Vergleichung der Handschrift mit Ind. 1451.
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170
Hochmeister das Bundniss eingegangen, hatte er den Ordens-
meister von Livland aufgefordert, nach Preussen zu feommen,
was dieser auch, begleitet von einigen Gebietigern, gethan
hatte. Hier folgt eine corrumpirte Stelle; nur so viel lasst
sich errathen, dass der Hochmeister mit dem Ordensmeister
iiber den Bund gesprochen haben muss, was aber, ist nicht
zu entrathseln. Der Ordensmeister ware erschrocken ge-
wesen, dass „solck unrath" ohne sein und seiner Gebietiger
Wissen geschehen wire, und hatte sich gerne berathen.
Der Hochmeister aber hatte ihm vorgestellt, dass eine
langere Berathung nicht zweckmassig ware, denn wurde er
das nicht in kurzer Zeit thun (sc. dem Bunde beitreten),
so wurde sich Switrigail mit den Polen gegen den Orden
zum grossen Schaden desselben verbiuiden. Durch solche
Worte ware der Ordensmeister dahin gebracht worden,
ebenfalls den Bund zu besiegeln und zu beeidigen. Als es
nun zwischen Switrigail und seinen Feinden zum Kriege
gekommen ware, so hatte der erstere den Hochmeister ge-
mass dem eingegangenen Bundniss ermahnt, ihm zu helfen.
Der Hochmeister ware auch mit seinem Heer nach Polen
gezogen 1 ) und zwar ohne Rath, Wissen und Willen der
Livlander. Den livlandischen Meister hatte er urn Hilfe
angegangen, der ihm auch den Landmarschall 2 ) mit vielen
Gebietigern und einer Menge Volkes gesandt. Als die nach
Preussen gekommen, waren sie bedeutet worden, dass sie
allein nach Polen ziehen und nicht zu dem preussischen
Heere stossen sollten. Und sie waren gesandt worden zu
einem Ordensbruder, der sie in Feindes Land gebracht, aber
im Angesicht des Feindes ware dieser mit den Seinigen
davongeritten und die Livlander, allein gelassen, hatten eine
Niederlage erlitten, waren erschlagen oder gefangen worden.
i) Of. U.-B. 8, nn. 500, 503, 504, 511 und Voigt, 7, 672 £ Der
Hochmeister selbst war nicht mitgezogen.
2 ) Werner yon Nesselrode.
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171
Diese Erzahlung ist stark entstellt. Unter dein Bunde
ist das zwischen dem Orden in Preussen und Livland und
dem Grossfiirsten Switrigail zu Christmemel 1 ) am 19. Juni
1431 abgeschlossene Defensiv- und Offensivbfindniss 2 ) zu
verstehen. Der Qrdensmeister von Livland, Cysse von Ruten-
berg, war zwar nicht persdnlich zugegen, hat aber dem
Hochmeister Vollmacht ertheilt, auch fur ihn abzuschliessen 3 ).
Er kann nicht erst auf einer sp&ter stattgefundenen Zu-
sammenkunft mit dem Hochmeister gewissermaassen dazu
gedr&ngt worden sein, den Vertrag mit zu untersiegeln und
zu beschworen, er kann sich nicht fiber das Bundniss er-
schrocken gezeigt haben, denn er hatte schon frfiher einen
Bund mit Switrigail gegen Polen befiirwortet 4 ), da es darauf
ankam, eine Verbindung Polens und Litthauens, welche die
ganze Existenz des Ordens in Frage gestellt hatte, zu ver-
hindern, und deshalb musste die Peindschaft zwischen
beiden L&ndern aufrecht erhalten werden, womdglich noch
grtfssere Dimensionen annehmen 5 ).
Entstellt ist ferner der Bericht fiber die nach Preussen
gesandte livl&ndische Hilfsschaar und das Unglfick, das sie
betroffen. Kein zahlreiches Heer war ausgerfistet worden,
sondern, gefuhrt vom Landmarschall und mehreren Ge-
bietigern, rfickten haupts&chlich schlecht bewaflhete und un-
disciplinirte kurische Bauern ins Feld. Der die Schaar
geleitende Ordensbruder war der Comthur von Tuchel 6 ),
die Niederlage war der Ueberfall in den Netzebrfichen bei
*) Oestlich von Georgenburg am Memelfrass.
*) U.-B. 8, n. 462. Bekraftigt und beschworen durch die beider-
seitigen Mannen und Stadte am 15. Mai 1432 zu Christmemel.
U.-B. 8, nn. 589—591, cf. audi nn. 60S, 608, 619, 88. rer. Prussia
8, 497 t Anm. 4 und Voigt, 7, 594.
») U.-B. 8, n. 463, cf. 8. 272, Axm. 1 und nn. 479 u. 500.
*)U.-B. 8, n. 398.
*) Of. ibid. 8, BinL DL
6 ) Westpreussen, Regierungsbez. Marienwerder, Kreis Konitz.
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172
Nakel 1 ) (13. Sept. 1431), durch den der grtfsste Theil des
kleinen Heeres niedergemacht wurde, ein anderer in Ge-
fangenschaft gerieth 2 ) und nur ein geringer sich zu retten
vermochte. Der Comthur von Tuchel hatte die Livlander
nicht verlassen, er hatte mitgek&mpft und war auf der
Wahlstatt geblieben 8 ).
Die Handschrift fahrt fort: Als nun Switrigail aus
Litthauen vertrieben worden 4 ), hatte der Hochmeister dem
Meister von Livland geschrieben und ihn auf Grund seines
urkundlich gegebenen und mit seinem Siegel bekr&ftigten
Versprechens ermahnt, dem Grossfursten zur Wiederge-
winnung seines Landes behilflich zu sein 6 ). Darauf h&tte er
einen Beifrieden mit den Polen, Litthauern und alien seinen
Widersachern auf 12 Jahre abgeschlossen 6 ), abermals ohne
Rath, Wissen und Willen des Meisters von Livland und
der livl&ndischen Gebietiger, und hatte dadurch, entgegen
seinem Switrigail urkundlich gegebenen und besiegelten Ver-
*) Posen, Regierungsbez. Bromberg, an der Netze.
2 ) Unter ihnen befand sich auch der Landmarschall. Ueber das
Schicksal der Gefangenen cf. U.-B. 8, Einl. X.
3) Cf. iiber diese Begebenheit ibid. 8, nn. 495, 503—508, 510, 511,
Einleit. X.
4 ) Am 31. August 1432 ward Switrigail in seinem Hofe Oszmiany
bei Wilna von litthauischen Grossen, die von Polen fur den
Fursten Sigmund von Starodub gewonnen waren, iiberfallen. Nur
mit genauer Noth gelang es ihm, nach Polozk zu entkommen.
U.-B. 8, n. 624, cf. 627, Einl. XI, auch SS. rer. Pr. 3, 497 f.
5) Cf. U.-B. 8, n. 634, auch 636. Was die hierauf folgenden Worte
der Handschrift an dieser Stelle besagen sollen, vermag ich nicht
recht zu deuten: „Und dede dath ane rath, wethen edder vor-
betrachtinge dessulven [ ? ] unsem Meister selige unnd wy da
deden, dath he doch billichen mit weten und rade gedan hedde."
Ueber des Hochmeisters schwankendes, unentschlossenes Yerhalten
in dieser Frage cf. U.-B. 8, Einl. XT f.
6 ) Ueber die vorausgegangenen Ereignisse, die Haltung des Hoch-
meisters, die Ziige der Livlander in Litthauen cf. U.-B. 8, Einleit.
xn— xv.
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173
sprechen, diesen preisgegeben, und sich verpflichtet, ihm
nimmer zu helfen 1 ); auch hatte er in diesem Frieden sich
nicht bemuht urn die Ltfsung der in Polen gefangen ge-
haltenen Livlander 2 ).
J ) Es handelt sich Mer urn den am 15. Dec. 1433 auf 12 Jahre ab-
geschlossenen Waffenstillstaiid zu Lencziz (Polen, s. w. von Plock),
wonach das Bundniss zwischen Switrigail und dem Orden fur auf-
gehoben erklart wird, und letzterer sich verpflichtet, jenen nie mehr
zu unterstiitzen. Der Konig von Polen wird den Beitritt des Gross-
fursten Sigmund, der Hochmeister den des livlandischen Meisters
zum Stillstand bewirken. Auf Niemandes Befehl, selbst wenn
Papst oder Kaiser, oder ein Concil etc. es forderten, diirfe der Ver-
trag aufgehoben werden. Die Unterthanen des Theils, der wah-
rend der Dauer des Waffenstillstandes den anderen bekriegen wolle,
seien nicht verpflichtet, ihm zu gehorchen, sie sollen des Eides
der Treue und der Unterthanenpflicht entbunden sein. Dariiber
sollen gegenseitige Versicherungsbriefe ausgestellt werden. U.-B.
8, n. 742 im Auszuge, vollstandig bei Dogiel, Cod. dipl. Pol. 4,
n. 96, S. 119, und dazu Varianten nach der Copie in Konigsberg
in Napiersky, Russ.-Livl. Urk. n. 234, cf. SS. rer. Prussic. 3, 504
und Yoigt, 7, 646 f. — In Livland war man in der That sehr un-
willig fiber den WafFenstillstand, man erkannte ihn nicht an, son-
dern setzte den Krieg fort. Cf. U.-B. 8, EinL XVI f.
*) Es sind die bei Nakel vor mehr als 2 Jahren in polnische Ge-
fangenschaft Gerathenen. Cf. oben S. 172. Ueber dieselben wird
allerdings im Waflfenstillstand nichts bestimmt, aber ohne Interesse
in dieser Angelegenheit ist der Hochmeister nicht gewesen. Er
hat sich wiederholt um Freilassung der Gefangenen bemuht, und
am 21. Sept. 1433 bittet er den Kdnig von Polen, dieselben gegen
seine Burgschaft bis December 25 d. J. (so lange sollte der zu
Jessenitz [Westpreussen, Regierungsbezirk Marienwerder, Kreis
Schwetz] 1433 Sept. 13 vereinbarte Waffenstillstaiid dauern. U.-B.
8, n. 721, cf. auch SS. rer. Pr. 3, 503 f.) freizugeben. U.-B. 8,
n. 725. Im Januar 1434 treffen die zunachst auf Burgschaft bis
zum 8. Sept. entlassenen Gefangenen in Preussen ein (U.-B. 8,
nn. 761 u. 770). Aus etwas spaterer Zeit verlautet dann freilich
die Klage, dass man wenig Interesse fur ihre definitive Befreiung
zeige, dass man sich mehr um die Freilassung der preussischen,
als der livlandischen Gefangenen bemuhe. In Livland schickte
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174
Nach geschlossenem Beifriecten h&tte der Hochmeister
die Meister van Liv- und Deutschland aufgefordert, zu ihm
nach Pteussen zu kommen, urn wegen des ewigen mit den
Polen zu vereinbarenden Friedens zu berathen. Als nun
beide mit einigen ihrer Gebietiger dorthin gekommen
w&ren 1 ), hatte ihnen der Hochmeister den Verlauf des
Krieges und den Beifrieden vorgelegt und von ihnen be-
gehrt, jeder sollte einen Gebietiger oder zwei zu einem
bestimmten mit den Polen aufgenommenen Tage entsenden,
worauf beide Meister nach Berathung mit ihren Gebietigern
erklart hatten, dass sie den Frieden nicht anerkennen
deshalb die Mannschaft, die Yerwandte und Freunde unter den
Gefangenen hatten, dem Ordensmeister zu seinem Znge zu Gunsten
Switrigails nur ihre Knechte, blieb aber selbst zu Haus. U.-B. 8,
n. 849 vom 28. Aug. 1434, cf. auch nn. 847 u. 848. Darauf hin
bemiihte sich der Hochmeister um definitive Befreiung. U.-B. 8,
n. 857.
*) Im Juni 1434 ist der livlandische Meister in Preussen. U.-B. 8,
n. 816. Am 20. des Monats urkundet er bereits wieder in Gol-
dingen. Ibid. n. 820. Ob diese Anwesenheit in Preussen mit der in
der Handschrift erwahnten identisch ist, lasst sich nicht erweisen.
Was den Deutschmeister anbetrifft, so ist er nicht personlich nach
Preussen gekommen, nur schriftlicb haben die Gebietiger Deutsch-
lands dem Hochmeister ihren Unwillen fiber den Beifrieden wegen
des Bingehens der oben erwahnten Artikel (cf. auch weiter unten
im Text. Der von der Uebergabe von Land und Leuten ist nicht
beriihrt) ausgedruckt, und ihn gebeten, dieselben im Prieden nicht
aufzunehmen, weil die beiden Meister von Deutsch- und Iivland
sie durchaus nicht billigen konnten. Der Hochmeister hat dann
dem Kaiser das Versprechen gegeben, niemals einen jener Artikel
in einem Frieden mit Polen aufzunehmen. Auf einem vom Deutsch-
meister versammelten Ordenscapitel wurde bestimmt, der Hoch-
meister dfirfe in einem ewigen Frieden mit Polen keinen jener
Artikel eingehen. Schreiben der Gebietiger in Deutschland, dat.
Frankfurt Dienstag nach dem Sonnt. vocem sucundidatis (15. Mai)
1^6, und in demselben erwahnt ein fruheres Schreiben derselben
Gebietiger, dat. Frankfurt am Donnerstag nach Assumt. Mariae
(19. August) 1434. Voigt, 7, 688 ff.
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175
konntea, auch dem Hochmeister widerrathen mussten, auf
folgende vier Artikel einzugehen: 1) Switrigail, mit dem er
church Bide und Urkunden verbunden sei, aufzugeben; 2) des
Ordens Lande und Leute zu ubergeben; 3) dem Papst, der
heiligen Kircbe und dem heiligen Romischen Reiche un-
gehorsam sein zu durfen (<L h. vm deren Befehle, den Ver-
trag aufeuheben, sich nicht zu kummern); 4) den Unterthanen
(Pr&laten, Ritterschaft und Stadten) Urkunden auszustellen
und sich gegen sie zu verschreiben, wonach sie, falls der
Hochmeister o&er seine Nachfolger mit den Polen Krieg
beginnen wurden, keine Hulfe zu leisten hatten, ja sich
ihres Eides als ledig betrachten ktinnten. Als der Hoch-
meister hierauf in Gegenwart seines Bathes Gebietiger er-
kl&rt, dass er nicht Willens w&re, die Artikel einzugehen,
hatten ihm die Meister zugesagt, ihre Gesandten zu dem
mit den Polen aufgenommenen Tage zu senden, um wegen
des ewigen Friedens zu unterhandeln 1 ), wobei sie ihm aber
!) Der Vogt von Wesenberg nahra Theil an den im September 1434
zu Thorn zwischen dem Orden und Polen wegen des ewigen Frie-
dens gefuhrten Verhandlungen. Toppen, Acten der Standetage
Pijeussens, I, n. 506^ cf. nn. 505, 507 u. 508, U.-B. 8, nn. 844 u.
847. 1434 Nov. 19 empfiehlt der Ordensmeister dem Hochmeister
den Comthur von Schweden, der als sein Bevoilmachtigter zu dem
auf den 8. December mit den Polen vereinbarten Tage gehe.
U.-B. 8, n- 877, cf. n. 906 und Toppen, 1, m 534, S. 622. 1435
Marz 13 entsendet der Ordensmeister zum Hochmeister 2 Gebie-
tiger und 2 von der Ritterschaft von Harrien und Wierland, welche
als seine Bevollmachtigte an dem April 23 mit den Polen zu
haltenden Tage theilnehmen sollen. U.-B. 8, n. 905, cf. nn. 906,
909, 917, Toppen, 1, n. 524, S. 663 und n. 531. Diese livlan-
diachen Boten erklarten, nur wenn man zu einem ewigen Frieden
karae, nicht aber wenn der Stillstand fortdauere, zu bestimmter
Antwort bevollmachtigt zu sein. U.-B. 8, n. 921. An den Oc-
tober 16 von Neuem mit Polen begonnenen Yerhandlungen ist der
livlandische Orden nicht betheiligt (cf. Toppen, 1, nn. 543, 544,
546, U.-B. 8, nn. m u. 998), dagegen ist ein livlandischer Ge-
bietiger zugegen bei den December 6 eroflheten Friedensver-
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176
gesagt, dass, wenn er doch auf einen oder auf mehrere
jener Artikel eingehen wiirde, sie sich verantworten und
erkl&ren wollten, dass sie dazu weder Rath noch That
gegeben, sondern es widerrathen h&tten. Und trotz seines
Versprechens und ohne Wissen, Rath und Willen der
beiden Meister w&re der Hochmeister auf die genannten
Artikel eingegangen, bevor von den zwfllf Jahren zwei veiv
flossen gewesen 1 ).
Darauf ware der livlandische Meister aus Preussen ge-
schieden (d. h. nach der oben erz&hlten Zusammenkunft mit
dem Hoch- und Deutschmeister), und es ware beschlossen
worden, dass er Switrigail zur Hilfe ausziehen solle, w&h-
rend der Hochmeister ein grosses Heer gegen die polnische
Grenze schicken solle, damit die Polen zu Hause blieben
und den Ordensmeister und Switrigail nicht hindern k5nn-
ten, dem er aber keine Folge gegeben. Darauf aber ver-
trauend 2 ), waren der Meister mit den Gebietigern und
Switrigail nach Litthauen gezogen und hatten eine Nieder-
lage erlitten, wobei der Meister und eine Anzahl Gebietiger
handlungen, die zum Frieden von Brzesc fuhrten. Toppen, 1,
n. B49, Anm. 1, U.-B. 8, n. 1024.
J ) Es ist der am 31. December 1435 zu Brzesc (Oujavien, s. w. von
Wloclawek) abgeschlossene sogenannte ewige Friede gemeint.
U.-B. 8, n. 1026 und Einl. XXI f., cf. auch SS. rer. Prussic. 3,
504 und Voigt, 7, 672 flf.
*) Dass der Hochmeister ein solches Versprechen hat geben konnen,
erscheint nach seinem ganzen Yerhalten sehr- zweifelhaft. An
Switrigail hat er allerdings 13. Juli 1434 die Zusage weiterer
Unterstiitzung ergehen lassen (U.-B. 8, n. 828), doch ist dieselbe,
wie schon der Herausgeber des U.-B. Einl. S. XVI bemerkt, kaum
ernst zu nehmen gewesen. Jedenfalls werden die beiden Bundes-
genossen, der livlandische Orden und Switrigail, schwerlich darauf
grosse Hoffhungen gebaut haben, ebensowenig wird ihnen als
wesentliche Hilfe erschienen sein die Zusage des Hochmeisters,
200 Schiffkinder abzufertigen, welche iibrigens auch wieder zuriick-
genommen wurde. U.-B. 8, nn. 905, 936, 947.
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177
fcrschlagen worden 1 ), was nicht geschehen w&re, wenn der
Hochmeister sein Versprechen gehalten. Derselbe h&tte auch.
den Comthur von Memel, Johann Ribbenitz 2 ), nach Bras-
law 3 ), an der Grenze von Russland und Litthauen, wo sioh
die Heere des livl&ndischen Ordens und Switrigails ver-
sammelten 4 ), gesandt, damit er die kriegerischen Operationen
derselben auskundschafte. Der Comthur hatte darauf dem
Hauptmann von Samaiten einen Brief geschrieben, in dem
er ihm gemeldet, wo Switrigail und der Ordensmeister sich
mit einem grossen Heer versammelt h&tten, nm Litthauen
zu uber fallen, und ihm den Tag genannt, an dem sie in
das Land kommen wurden. damit er sich darnach zu rich*
ten wisse und das Land warnen kdnne. Auch das hatte
die Niederlage verschuldet 5 ).
Es folgen noch einige Beschuldigungen und Forderungen
an den Hochmeister. So wird ihm vorgeworfen, dass durch
seine Schuld der Orden in Livland 20,000 Mark Rigisch
hatte zahlen miissen w^gen des von ihm bewirkten Mordes
auf dem preussischen (kurischen) Strande, wie er auch die
Verantwortung trage fur die dem Orden in Livland durch
die erw&hnte That, ohne dass er daran Schuld hatte, ent-
standene uble Nachrede 6 ).
ijln der schon fruher erwahnten Schlacht bei Wilkomir an der
Swienta (1. Sept. 1435). Cf. oben S. 161, Anm. 4.
*) Of. uber ihn U.-B. 8, S. 680.
3 ) Gouvernement Kowno, s. 6. von Dunaburg.
4 Of. U.-B. 8, S. 596, Anm. 1.
6 ) Diese Beschnldigong, dass der Hoehmeister einen Verrath gegen
den livlandischen Zweig des Ordens unterstutzt, erscheint urn so
mehr als unbegriindet, weil es dem Hochmeister gar nicht unlieb
sein mnsste, wenn die Gegner Polens Erfolge errangen, da dadurch
seine Yerhandlnngen mit Polen nnr gunstig beeinfiusst werden
konnten. Of. U.-B. 8, Einl. XVI.
6 ) Es ist hier allem Anschein nach gemeint die beriichtigte That
des Vogts von Grobin, Goswin von Ascheberg, der die auf dem
Provinzialconcil zu Riga (1428 JanUar 25 ff. Brief lade, 3, 180,
MittheiL «, d. livl. Gwchicht©. XIV. 2. 12
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178
Ferner wird der Hochmeister beschuldigt, fiir die Be-
st&tigung des Ordensmeisters Franke Kerskorf wider des
Ordens Kegel und Gesetze und entgegen allem redlichen
Herkomr^en mebr als 100,000 Gulden und 3000 Mark lathi-
gen Silbere erhalten zu haben, ebenso, was schon fruher
angefuhrt wurde (S. 149), fur die Cisses von Rutenberg einen
Schrein mit Gold, was auf mehr als 50,000 Gulden zu
sehatzen sei, und zwei der besten Hengste. Anspnujh wird
auch erhoben auf die Summe von 270,000*) Mark ltfthigen
SUbers und eine halbe Tonne Goldes, die des Hochijieistsrs
Vorg&ngern geliehen worden; ferner soil Schloss Memel,
wofur dem Bischof von Kurland das Schloss Neuhausen 2 )
gegeben worden, dem Orden in Livland Iiberantwortet war-
den, oder Neuhausen miisse ausgeldst werden, urn wieder in
die Hande des Ordens zu kommen 8 ).
U.-B. 8, n. 690) vom Erzbischof von Riga und den Bisehofen von
Dorpat, Oesel und Reval beschlossene Gesandtschaft nach Rom,
um dort Klage uber den Orden zu fuhren, welcher Bich auch die
Sonne der Burgermeister von Riga und Dorpat, um in Italien zu
studiren, angeschlossen, bei Libau hatte ergreifen, sie ihrer Brief-
schaften berauben und ertranken lassen (Februar 1428). Korner
bei Bccard, corpus hist. med. aeri, 2, 1289, d. sog. Rufus bei
Grantoff, hibische Chroniken, 2, 564, Laspeyres, chronicon Sclavi-
cum, 172, Krantz, Vandalia, 11, cap. 16. Cf. uber diese Begeben-
heit und Goswin von Ascheberg auch U.-B. 7, nn. 718, 723, 733,
799 und Einl. XIX, 8, nn. 1, 36, 38, 69, 802, 945, § 3, 4, 6 u.
954, wie Pabst im Inland, 1858, Sp. 101 ff., 130 ff., 454 f. und Bei-
trage zur Kunde Ehst-, Liv- und Kurlands, 1, 185 ffl — €ranz
unberechtigt und unbeweisbar wird hier der Hochmeister be-
schuldigt* die That veranlasst und dadurch dem Orden in Livland
geschadet zu haben. — Unter den 20,000. Mark Rigisch sind wol
die zu verstehen, die der Orden dem Erzstift Riga zum Ausgleich
verschiedener Anspriiche und Anklagen auf dem Landtage zu
Walk am 4. December 1435 zu zahlen versprach. U.-B. 8, n. 1019.
!) Bei Kotzebue, 4, 247 ist, wol nur verdruckt, 27,000 angegefojen.
*) Kurland, Kreis Hasenpoth.
*) Im Jahre 1392 verzichtete der Bischof von Kurland zu Gunsten
des Ordens auf das seiner Kirche zustehende Drittheil von dem
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179
Die Handschrift schliesst mit den Worten: Durch des
Hochmeisters unredliches Regiment w&re es dahin gekommen,
dass die Polen, die Litthauer, die Russen und die Samaiten
sich verbunden hatten, dem Orden, alien deutschen Landen
und der ganzen Christenheit zu grossem Unheil auch noch
in kiinftigen Zeiten, was alles nicht geschehen ware, hatte
er Switrigail Eid und Siegel gehalten.
Lande zwischen der heiligen Aa, der oberen Windau, Litthauen,
der Memel und dem kurischen Hafif (innerhalb dieser Grenzen
lag auch das Schloss Memel). Dafiir tritt der Orden dem Bischof
das Schloss Neuhausen ab. U.-B. 3, n. 1319, of. auch 8, n. 149.
Memel hatte der Orden in Livland schon im Jahre 1328 freiwUlig
dem Orden in Preussen wegen der grossen Entfernung von seinen
anderen Besitzungen abgetreten. U.-B. 2, n. 733 und 3, Reg.
n. ad 866.
12*
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Zur Baugeschichte der Petri-Kirche in Riga. I.
Yon Joseph Qirgensohn.
Die froherea Arbeitei fiber die Baugeschichte der Petri-Kirche.
Die Baugeschichte der Petri-Kirche ist wiederholt dar-
gestellt worden. Dennoch sind mehrere wichtige Quellen
unbenutzt geblieben, die theils zur Feststellung bisher ver-
muthungsweise aufgestellter Ansichten zu dienen, theils ganz
neue Daten zu bieten vermogen. Daher ist es nicht zu ver-
wundern, dass alle bisherigen Arbeiten auf diesem Gebiete
nicht viel mehr enthielten, als die bereits im J. 1792, also
vor beinahe 100 Jahren, verfasste Schrift Liborius Berg-
ma nns: „Versuch einer kurzen Geschichte der Rigischen
Stadtkirchen seit ihrer Erbauung, und ihrer Lehrer von der
Reformation bis auf die jetzige Zeit (Riga C. D. Muller)."
Bergmann hat, wie er selbst im „Vorbericht tt angiebt,
Gerickes „Reformationsgeschichte der Hauptstadt Riga 1 )",
Arndts „Lieflandische Chronik", Gadebuschs „Livl. Bi-
bliothek", Hup els „Miscellaneen" und die handschrift-
lichen Sammlungen Brotzes nebst den „Depkinschen"
und „Ravensbergschen tf Predigerverzeichnissen 2 ) heran-
gezogeu.
Auf Seite 1 beginnt dort die „ Geschichte der Peters-
kirche". B. halt die Petri-Kirche fur die alteste in der
Stadt, sie hatte „vielleicht auf der Stelle gestanden, wo
x ) Acta historico-ecclesiastica XX, 265.
*) Winkelmann, bibl. Liv. nn. 7766 und 7785.
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hernach die noch jetzt vorhandene hingebauet worden". Aus
Urkunden der Jahre 1209, 1234, 1295 wird ihre Existenz fur
das 13. Jahrhundert erwiesen, das 14. Jahrhundert ist ganz
ubergangen. Der Verfasser spricht dann von der bei Arndt
angefuhrten Inschrift einer an die Aussenwand des Chores
gehefteten Messingtafel, nach welcher der Chor 1406 seinen
Anfang genommen. Perner wird von der Stiftung einer
Vikarie der Schwarzenhaupter im Jahre 1481, die 1524 auf-
gehoben worden, erz&hlt, vielleicht nach Notizen aus dem im
Schwarzh&upter-Archiv befindlichen „ Vikarienbuch" ; 1466
sei der erste Thurm erbaut, 1491 der Hahn auf den Knopf
gesetzt worden. Letztere Notiz stammt wohl aus Brotzes
Bigensia I.
Aus Thurmknopfnachrichten, die sich abschriftlich in
verschiedenen B&nden der Brotzeschen Sammlungen finden,
sind noch weitere Angaben uber das Schicksal des Thurmes
hinzugefugt. Den Beschluss des Abschnitts uber die Petri-
Kirche bildet eine fragmentarische Beschreibung der inneren
Ausstattung derselben.
Erst im Jahre 1862 wurde derselbe Gegenstand von
Neuem behandelt von Dr. W. v. Gutzeit in einem am
6. December in der Jahresversammlung unserer Gesellschaft
gehaltenen Vortrage „Zur Geschichte der Kirchen Rigas" *).
Gutzeit benutzte schon reichlicheres Quellenmaterial und
stellte zuerst bestimmter, aber doch auch nur vermuthungs-
weise, folgende Bauzeiten fur die Petri-Kirche auf.
Anfangs, vor 1209, wurde sie nach Gutzeit „eher von
Stein als Holz" erbaut, darauf erfolgte 1406 der Neubau,
und zwar begann derselbe mit dem Chore. Der Portbau
wurde dann unterbrochen; erst nach einigen Jahrzehnten
baute man weiter, daruber existirt als fruheste Nachricht
eine Notiz von 1456. Der Thurm erhielt seine Vollendung
1491. Ueber die im Laufe der Jahrhunderte sich ferner
*) Mitth. X, 318 ff,
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182
vollziehenden Veranderungen am Thurm berichtet Gutzeit
nichts, was er nicht aus Bergmann haben kdnnte. Funf
Jahre spater (1867) erschienen die „Beitrage zur Geschichte
der Kirchen und Prediger Rigas" von C. A. Berkholz
(Riga, Hacker).
Ueber die fcltere Bauperiode bis auf die Reformation
ist in dieser bisher umfangreichsten Beschreibung unserer
Kirche nicht wesentlich neues Material hinzugebracht wor-
den; aueh fur die sp&tere Zeit stiiM sich der Verfasser
haupts&ehlich auf Bergmann. Dagegen sind die noch vorhan-
denen Grabsteine und Denkm&ler etc. hier zum ersten Mai
genauer verGffentlicht. Was friiher, in katholischer Zeit,
vorhanden gewesen, ist dabei nicht berucksichtigt worden,
weil eben kein einziges Denkmal aus derselben iibrig ist.
Gleichfalls im Jahre 1867 vertfffentlichte Herr Ober-
ingenieur B. Becker einen Aufsatz uber „die alten Kirchen
in Riga" im Notizblatt des technischen Vereins. Der Ver-
fasser wendet sich in der Nr. 7 der genannten Zeitschrift
zu einer genaueren Betrachtung der Petri-Kirche. Es ist
dies die erste Beschreibung unserer Kirche vom kunst-
historischen Standpunkt. Becker erkennt im Geb&ude zwei
Theile aus ganz verschiedenen Zeiten an: »der eine, und
zwar der altere, reicht von der Thurmseite bis &n den Chor,
der zweite, neuere, von hier bis an das Ostliche Ende der
Kirche (S. 97)." Dieser altere Theil sei 1213—1234 er-
baut ; 1406 wiirde dann der jetzige Chor an das schon vor-
handene Langhaus angebaut sein (S. 100 f.). Die Erijauung
des Thurmes falle in die Jahre 1456 — 1466, Becker findet
eine grosse Aehnlichkeit unserer Kirche mit der 1358 (lies:
1368) vollendeten Abteikirche zu Doberan, aber auch die
Domkirche zu Liibeck kGnnte vielleicht von Einfluss auf
den JJau-Charakter der Petri-Kirche gewesen sein.
Diesen Ausfuhrungen kann ich nicht durchweg bei-
stimmen, wie ich im Folgenden auseinanderzusetzen gedenke.
Zuzugeben ist zwar die Aehnlichkeit von St. Peter mit der
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183
Doberaner Abteikirche; was aber die Bauzeiten der einzel-
nen Theile anbetrifft, scheint mir die Ansicht v. Gutzeits
die richtige.
Die Zeit bis 1418.
Die Stelle, auf der sich heute die Mauern der Petri-
Kirche erheben, ist wahrscheinlich die alteste Kultst&tte
unserer Stadt. Denn es unterliegt kaum einem Zweifel,
dass zugleich mit der Grundung der Stadt auch der Boden
geweiht wurde, welchen man dem heil. Petrus zu besonderem
Schutze anvertraute. Gehttren die dem genannten Heiligen
geweihten Gotteshauser uberhaupt zu den altesten in einer
Stadt 1 ), so ktfnnen wir mit fast vollst&ndiger Sicberbeit
die sphere Entstebung aller andern Kirchen in Riga nach-
weisen. Was die leteteren anbetrifft, verweise ich auf den
citirten Aufsatz von Dr. W. v. Gutzeit: „Zur Geschiobte
der Kircben Rigas." Nur die erste Domkircfce mag viel-
leicht ebenso alt gewesen sein, da Biscbof Albert im ersten
Jahr der Stadt den bischoflicben Sitz aus Uexkull nach
Riga verlegte. Wo aber diese alte Domkircbe gestanden,
lasst sich nicbt mehr genauer bestimmen.
Aus viel neuerer Zeit, als aus dem Grundungsjahr,
stammen aber die jetzigen Mauern der Petri-Kirche. Schon
v. Gutzeit hat a. a. 0. die Bauzeiten zu ermitteln gesucht.
Nach ihm begann der Bau mit dem Chor 1406 und endigte
mit der Spitze des Thurmes 1491. Es entsteht nun die
Frage : war die Petri-Kirche, die in einer Urkunde vom J. 1209
zuerst erw&bnt wird 2 ), von Stein oder von Holz erbaut?
Ich zweifle nicht, dass das letztere der Fall gewesen ist.
Es war im 12. und 13. Jahrhundert nichts Ungewdhnliches,
dass man selbst Dome aus Holz battte. Die Marienkirche
in Lubeck, welche unter Heinrich dem Ltfwen 1163 geweiht
x ) Otte, Handbuch der kirchlichea Kunstarchaologie I, S. 559.
*) Bunge, Livl. Urkb. I, n. 15.
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184
wurde, war aus Holz. In Lebus wurde noch 1354 eine
Kathedrale aus Holz errichtet *). Einen noch besseren Beweis
fur meine Behauptung bietet ein mir von Dr. H. Hildebrand
freundlichst zur Verfugung gestellter Brief eines gewissen
Johan Peterssen zu Rostock an den Rigischen Rath aus dem
Anfang des 15. Jahrh., in dem es heisst: Wetet, leven
vrundes, dat ik juwen bref wol vornomen hebbe, alzo umme
enen meyster tho murende sunte Peters kerken.
Ueber die Existenz und den Gebrauch der Kirche zum
Kultus mindestens seit 1209 bis 1418 kann nun eigentlich
kein Zweifel sein; dennoch will ich der Vollst&ndigkeit
wegen die Notizen, die wir iiber die Petri-Kirche aus dem
13. bis zu dem Anfang des 15. Jahrhunderts ubrig haben,
zusammenstellen.
Im J. 1234 (U.-B. I, n. 136) wird ein Plebanus der
Petri-Kirche mit Namen Jordanus erw&hnt.
In das- Ende des 13. Jahrh. setzt Bunge eine Urkunde
(U.-B. I, n. 602), in welcher ein „kovent bi sente Petir*
genannt wird.
Perner wird St. Peter erwahnt im J. 1353 (U.-B. II, n.
946); 1354 (U.-B. II, n. 950, 53); 1391 (U.-B. IH, n.1301);
1392 (U.-B. m, n. 1332); 1405 (U.-B. IV, Sp. 861).
Im I. Erbebuch kommt im J. 1396 in n. 198 das Haus
des Plebanus der St. Petri-Kirche vor 2 ).
Zahlreiche Inscriptionen der beiden altesten libri re-
dituum (1334 bis 1406) handeln von Geb&uden in der Nahe
von St. Peter 8 ).
Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts werden in den
Rigaschen K&inmereirechnungen eine Rathsvikarie in St.
Peter und ein Glockenthurm angefuhrt; es ist da von zwei
Glocken, der campana laboris oder Werkglocke und der
!) Otte, a. a. 0., S. 32.
2 ) Vgl. auch das Register in der Ansgabe von Napiersky S. 485.
8 ) Ansgabe von Napiersky, S. 207.
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campana longa die Rede. Ueber einen Neubau der Petri-
Kirche hat sich aus frfiherer Zeit keine Nachricht erhalten,
erst im J. 1406 hat, wie wir aus der schon erw&hnten
Messing-Tafel erfahren, der heute noch stehende steinerne
Chor der Kirche seinen Anfang genommen. Diese Tafel
befand sich, wie Arndt (II, 119 Anm.) mittheilt, nahe der
Thur zur Siinderstrasse beim Chor. Brotze (Samml. IV,
137) sagt, man habe (zu seiner Zeit) die Stelle, wo diese
Tafel gesessen hat, n&inlich „von aussen neben der kleinen
Seitenthur, die zur Siinderstrasse fuhrt", deutlich sehen
kOnnen. Sie trug die Inschrift:
Milleno quadringento sexto simul
Anno Christi, principium fert horus iste suum 1 ).
Arndt spricht von der Inschrift so, als hatte er sie ge-
sehen, allein sie war schon im Jahre 1677 bei dem s. g.
grossen Mordbrande zur Halfte ausgebrochen worden 2 ). Die
lateinischen Verse brauchen zwar nicht gleichzeitig mit dem
Neubau zu sein; durften aber doch dem 15. Jahrhundert
angehoren. Im 16. Jahrhundert hatte man kaum die Form
^quadringento" gew&hlt.
Wir besitzen aber viel genauere Nachrichten liber die
Erbauung des Chors aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts,
die bisher wohl hie und da erw&hnt 3 ), jedoch nicht n&her
beschrieben worden sind; ich meine die Baurechnung der
Petri-Kirche aus den Jahren 1408 und 1409. Dieselbe be-
findet sich im Inneren Rathsarchiv (Nr. 26) und ist jetzt
registrirt unter dem Titel:
„Rechnung der Verordneten des Rathes und der Biirger-
schaft uber die zum Neubau an der St. Peters-Kirche em-
pfangenen und verausgabten Gelder. 1408 und 9."
*) So nach einer Nachricht ans dem 17. Jahrhundert (Brotze, Ri-
gensia I) abgedruckt ia den Rig. Stadtbll. 1871, S. 22.
*) a. a. 0.
8 ) a. B. in einer in d. Stadtbll. a. a. 0. erwahnten Notiz.
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Die Handschrift beginnt mit den Worten:
In den jar en unses heren 1408 vor vastelavende wor-
den ghekoren unde ghesat tho buwmeisteren tho dem nyen-
buwe an sunthe Peters kerken tho Bige: her Tydeman
Hundschede unde her Ghodschalc Bredbeke radmanne
unde Arnd Weyenborch unde Herman Budde borger
der vorgenometen stad Rige unde de sulyen hebben dit
nagescreven geld tho der vorgescreven kerken behoff
entfanghen.
Vergleichen wir hiemit den Anfangs-Satz der Rechnung
des Jahres 1409 (p. 49 MS.):
In den jaren unses hern 1409 des dinxtages vor mit-
vastenwart dem rade rekenschop ghedan van dem buwe
tho sunte Peters kerken tho Rige unde darna worden ghe-
koren etc. Dann heisst es:
Tho dem ersten so behelden see van der andern
rekenschop 8 mr. myn 7 sol.
Man sieht doch, dass 1408 keine Rechenschaft abgelegt,
also der Bau erst in diesem Jahr begonnen ist. Dennoch
kann die Angabe der Messing-Tafel, dass der Chor 1406
seinen Anfang genommen, richtig sein. Es ist mftglich,
dass man 1406 den Baugrund durch Ausgraben fur den
eigentlichen Bau vorzubereiten anfing, oder auch nur den
Boden weihte.
Dass der Bau des Chores im Wesentlichen Ende 1409
vollendet war, geht aus einer Bemerkung der Baurechnung
auf S. 56 des MS., wo das Wochengeld fur die Arbeiter
verzeichnet wird, hervor; da heisst es zum Schluss: Item
8 dage vor Michael (Sept. 22) und so langhe darna dat
sunte Peters werk gheendiget wart tho wekengeld
2 mr. 3 or.
Dem scheint zwar die dfter angefuhrte Notiz aus den
Kammereirechnungen zum J. 1418: „Item 6V2 mr. utgeg. . .
dem bisscope do sunte Peters kerken wedder gewyget wart"
entgegenzustehen. Die Weihe hat aber gax nicht fruher.
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stattfinden ktinnen, da der Erzbischof Joh. Wallenrod schon
1403 Livland auf immer verlassen hatte und nur ein Bischof
Kirchen weihen durfte. Erst 1418 kam sein Nachfolger,
Erzbischof Johann Habundi, nach Riga und weihte die
Kirche „wieder".
Die Ursache der Unterbrechung des Baues lag wohl
vorzugsweise in dem Kriege, der im August 1409 zwischen
Preussen und Polen begann, und der Livland in Mitleiden-
schaft ziehen musste. Die Kriegserklarung Livlands an
Litauen erfolgte im Mai 1410 *).
Leider scheinen am Schluss der Rechnung ein oder
mehrere Blatter zu fehlen. Die Generalsumme der Ein-
nahmen fur das Jahr 1409 ist z. B. nicht angefiihrt. Den-
noch ist mit Sicherheit anzunehmen, dass der Bau 1410 nicht
weiter fortgesetzt wurde, da nach den auf meine Bitte von
Herrn Maurermeister Bartsch freundlichst angestellten
Berechnungen die Anzahl der Ziegelsteine, die 1409 genom-
men war (204, 215 Stuck S. 72), ungefahr der Anzahl der
factisch verbrauchten Ziegelsteine am Chor entspricht.
Es w^re nun noch zu erweisen, dass die Rechnung von
1408 und 1409 sich auf den Chor bezieht und nicht auf
einen andern TheU der Kirche. Dafur findet man
1) in der Rechnung selbst einen Anhalt. Es ist dort
namlich die Rede von Steinen, welche zugehauen werden
sollen zu der gerwekamer. Diese Gerwekammer, die heute
verschwunden ist, lag am Chor, wie aus zahlreichen In-
scriptionen des noch ungedruckten Rentebuchs hervorgeht;
2) heisst es S. 37 des MS. der Baurechnung: 5 Mark
„vor sten tho howende tho den pilren". Es kommt nun an
den Pfeilern im Langhause kein Haustein vor, wohl aber
an den Pfeilern im Chor;
!) Schiftnuura, GescMchte Livlands, S. 107.
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3) wird im J. 1425 der Chor der „nye chor" genannt
(U.-B. VII, n. 372);
4) sprechen architektonische Griinde fur die angegebene
Erbauungszeit des Chors. Auf diese hier n&her einzugehen,
halte ich fur unndthig, da Herr Architekt W. Bockslaff
demnachst eine Arbeit, die die Baugeschichte der Petri-
Kirche vom fachmannischen Standpunkt behandelt, in
dieser Zeitschrift veroffentlichen wird.
Die letter des Banes und ihre Hilfsarbeiter.
Zur Leitung des Baugeschaftes, namentlich der finan-
ziellen Operationen, wurden zwei Herren aus dem Rath
(Tydeman Hundschede und Ghodschalc Bredbeke, welcher
ubrigens 1409 zurucktritt) und zwei aus der Burgerschaft
(Arnd Weyenborch und Herman Budde) gekoren. Die
kiinstlerische Leitung aber fiel dem Meister der Bauhutte
oder des „Werkes tf zu. Bs gelingt nur in hOchst seltenen
Fallen, den Namen des Baumeisters einer mittelalterlichen
Kirche festzustellen. Nun findet sich in der sogenannten
Treyschen Sammlung 1 ) (in der Bibl. der Gesellschaft) ein
Sammelband in 4°, in dessen erstem Stucke (3 Doppelbl&tter
Pergament) eine Notiz uber den Erbauer der Petri-Kirche
verzeichnet ist. Es heisst dort namlich unter der Ueber-
schrift: „Anno domini 1409 sublevata a : Arnd Weyenborch
habe von Herrn Tydemann Huntscheyden diverse Summen
empfangen „to meyster JohanRfimescotelenbehouff tor koste."
Es ist weiterhin von dem „Werk" die Rede, auf dem eine
Anzahl Tonnen Bieres ausgetrunken seien u. s. w. Unter
diesem Johan Rumescotel ist der Meister Johann unserer
Baurechnung von 1408 und 1409 leicht zu erkennen, da eben
jener Rathsherr Hundschede und der Burger Arnd Weyen-
borch zu den gekorenen „buwmeisteren tho dem nyenbuwe
an sunthe Peters kerken tho Rige a gehdren, und die buw-
meister auch fur die Kost des Baumeisters zu sorgen hatten,
!) Diesen Nachweis verdanke ich Herrn Dr. H. Hildebrand.
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189
Wir wissen aber ausser dem Namen noch mehr von
unserem Bau- oder Werkmeister. Er gehflrte einer weit
verbreiteten Familie an; in Wismar, in Koln, in Kolberg, in
Butzow, in Rostock kommen Burger dieses Namens vor 1 ).
Aus letzterem Ort stammte er, wie aus folgender Stelle in
dem oben erw&hnten Briefe des Johan Peterssen zu Rostock
hervorgeht: Dat .wetet, leven vrundes, dat ik darumme
[wegen der Aufmauerung der Petri-Kirche] spreken hebbe
myd Kersten Rumeschottelen zone, de hir vorstorven is, de
ludet dar wol to, men des kan he er nicht don eer jeghen
dat jar, wente he heft zik vorredet jeghen den zomer.
Kersten wird wohl der Vater unseres Johann und vielleicht
der Erbauer des Schweriner Domes gewesen sein. Die
Kunst erbte sich wie das Handwerk in bestimmten Familien
fort; so haben wir einen Anhalt zu der Annahme, dass
Johann Rumeschottel in kunstlerischen Traditionen aufge-
wachsen sei; dafur spricht auch das Bauwerk, das er ge-
schaffen. Endlich weist auf die Herkunft des Meisters aus
Rostock der Posten von 2 Mark in unserer Baurechnung,
welche deinselben gegeben sind fur Zehrung, do he van
Rostecke qwam (MS. S. 25).
Wahrend Rumeschottel der oberste technische Leiter des
ganzen Baues war, standen ihm zwei „Gesellen a zur Seite,
deren Namen unsere Baurechnung angiebt. Sie hiessen
Hinrik Hauerbeke (S. 61) und Kersten [Rumeschottel], des
Meisters Sohn (S. 51). Sie stehen offenbar hoher als die
gewflhnlichen Maurermeister, von denen folgende genannt
werden: Evert, Jacob, Swarte Claws, Wilkin; von ihnen
erhalt ubrigens nur Swarte Claws den Titel „murmeister a ,
wfthrend die anderen nur als „murer" bezeichnet werden.
In unserer Baurechnung wird auch noch mancher andere
Burger als Hilfsarbeiter aufgefuhrt, so Andrew kalcmengher,
die Schmiede Johan von der Pal, Frederik, Cort Kedingh,
J ) Hans. Urk.-Buch HI, Register.
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die Steinhauer Hans und Peter, der Zimmermeister Peter
u. s. w. Die Bauhiitte hatte Ger&the und Material anzu-
schaffen; auch Pferde und Wagen zu kaufen und zu er-
halten, wie aus der Bau-Rechnung hervorgeht.
Die Baumittel.
Es waren zwei Hauptquellen, aus denen die Geidmittel
zum Bau flossen:
1) aus dem Kirchenvermogen, z. B. Renten von der
Kirche gehdrenden H&usern (S. 3);
2) aus Spenden des Rathes und einzelner Privat-Per-
sonen.
Wiederholt werden Summen aus dem Pfundgeld an-
gefuhrt; diese letzteren liefern die „puntmeister" (z. B. S. 2
u. 3 1 ). Unter den privaten Spenden spielt eine nur un-
bedeutende Rolle das „bedelgheld". Im J. 1408 kam von
diesem in dem Kirchenblock gesammelten Gelde nur 4mr.,
7 fr. und 7 or. ein, 1409 sogar nur 10 fr. (myn 1 sol. 2 ).
Dagegen zeichnen sich einzelne Burger und Burgerinnen
durch sebr reiche Gaben aus.
Wyneke Vinkeldoppe zahlte z. B. (1408) 50 mr., der
Rathsherr Hinric Durkop dieselbe Summe (1409), auch
Prauen spendeten ansehnliche Summen, so die Rymansche
und die Putkeversche je 10 mr. Weitere Einnahmen er-
gaben sich aus dem Verkauf von zur Unterstutzung des
Werkes geschenkten Gegenst&nden, z. B. von Armb&ndem,
Schalen, Ltfffeln, Kleidern.
Ablassgeld ist fur den Chorbau nicht gesammelt worden.
Erst im J. 1465, als der Bau des Langhauses gar zu lang-
sam vorschritt, griflf man zu diesem MitteL Merkwurdig
x ) Wohl Rathsherren nach Analogie der buwmeister unserer Bau-
rechnung. Yergl. Stieda, Revaler Zollbiicher, S. LXII.
*) In Xanten brachte der Opferkasten im J. 1492 40 Mark ein
(Scholten, Ausziige aus den Baurechnungen der S. Victorskirche
zu Xanten. Berlin, 1852. S. XIV).
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erscheint es iiberhaupt, dass die Geistlichkeit am Kirchen-
bau in keiner Weise betheiligt war. Kein Priester wird
unter den Spendern von Geschenken angefiihrt. Die Summe
aller Einnahmen betrng im J. 1408: 43372 mr. 6 or. 2 art.;
im J. 1409: ungefahr 334V2 mr. Im letzteren Jahre ist die
Summe der Einnahmen nicht angegeben und die Notizen auf
S. 51 des MS. lassen dieselbe nicht genauer erkennen.
Die Ausgaben sind unter folgende Rubriken vertheilt:
1) Wochengeld fur die Arbeitsleute, 1408: 164 mr. 16 or.
5 d.; 1409: 106 mr. 3 fr. 7 or. 2 art. — 2) Der Lohn des
Meisters Johann Rftmescotel im J. 1408: 69 mr. 26 or. myn
2 d.; 1409: 52 Vs mr. Von dieser Summe erhielt der Meister
nur einen kleinen Theil baar ausgezahlt, denn bei den
meisten Posten in der Reihe fur ihn bestimmter Ausgaben
ist der Zweck, Esswaaren oder Bier anzuschaffen, ausdruck-
lieh angegeben; auch erhalt der Meister des Werkes freie
Wohnung und Zeug zur Kleidung. — 3) Was des Meisters
Johann Gesellen gegeben ist; dieser Posten betrug im J.
1408: 15 mr.; 1409: 46V« mr. 9 or. 2 art. Die htfhere Summe
im zweiten Jahre erklart sich daraus, dass ein Theil der-
selben fur das.Jahr 1408 verrechnet werden sollte (S. 61
MS.). Wir erfahren dabei, dass der Jahreslohn des einen
Gesellen Hinrik Hauerbeke 12 mr. betrug. — 4) Den Mau-
rern gab man 1408: 6 mr. 3 fr. 7 or. 2 art.; 1409: 3 mr.
— 5) jjdis is vtgegeuen vor allerley dink tho makende des
men darf tho dem buwe." Unter dieser Rubrik findet man
Ausgaben verschiedenster Art. Neben dem Lohn fur Hand-
worker und andere Arbeiter findet man auch Ank&ufe von
Material verzeichnet, einmal auch das Reisegeld eines
Stadtdieners (Kersten) fur eine Reise nach Kurland, offenbar
zum Zweck, Holz zu den Gerusten etc. zu kaufen. Denn es
geht aus mehreren Notizen (S. 47 u. 69 MS.) hervor, dass
man aus Mitau sich mit Holz versorgte.
Die bedeutendsten Summen wurden fur Anschaffung von
Baumaterial verausgabt. Es lassen sich hier allerdings die
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einzelnen Posten schwer gesondert aufstellen, da sie unter
den Ausgaben fur einzelne Nebenarbeiten zerstreut ver-
zeichnet stehen. Beispielsweise fuhre ich an, dass im J. 1408
ein mal 96 mr. fur Ziegelsteine verausgabt worden sind,
w&hrend die Summe aller Ausgaben 425Va mr. 3 or. und
1 art. betrug.
Die Summe aller Ausgaben fur das Jahr 1409 ist in der
Baurechnung nicht aufgefuhrt, uncT es l&sst sich dieselbe
bei der unklaren Fassung einzelner Notizen kaum mehr
berechnen. Aber auch in diesem Jahr tritt als Hauptausgabe
die Zahlung fur Mauerziegeln und Dachsteine auf: 101 mr.
Pmsangaben der Baurahiung.
Es ist zu bedauern, dass wir iiber die Arbeitsltfhne
jener Zeit wegen mangelnder Detailangaben aus unserer
Baurechnung wenig erfahren. Nur zwei Notizen sind in
dieser Beziehung hervorzuheben: der Jahreslohn des Hinrik
Hauerbeke, des einen Hilfsarbeiters des Baumeisters, betrug
12 mr. (S. 61 MS.), und ein Zimmermann bekam fur 7 Tage
14 sol. (S. 71).
Wie viel die einfacheren Arbeiter an Wochenlohn er-
hielten, l&sst sich leider nicht feststellen, da immer nur die
Summe des Wochenlohnes (wekengeld), an keiner Stelle
aber die Anzahl der Arbeiter angegeben ist.
Etwas mehr erfahren wir iiber die Preise der ver-
schiedensten Waaren, die ich in Folgendem zusammenstelle:
Pferde und Vieh.
Ein Pferd kostete zwischen 7 fr. und 1 mr. (37, 50, 63, 72 *).
Fur zwei Pferde wird einmal 3 mr. 15 or gezahlt (64).
Eine Kuh kostete 1 mr. myn 4 or (26).
4 Schafe 33 or (26).
2 Schafe 17 or (26).
l ) Die Zahlen weiseii auf die Seiten des MS.
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Zeuge und Kleider.
30 Ellen (das Zeug wird nicht angegeben) . 17 mr. (27).
Die Elle von einem thomaffchen peers . . 10 or. (61).
1 vrowenhoyke 1 mr. (3).
1 hoyke 3 fr. (49).
Vi laken 8 mr. (59).
Baumaterial.
2Vf lodyge keferlinghe 50 or. (37).
1 lodige keserlinge . . ., 19 or. (37).
4 lodige keferlinge,
2 lodige keferlinge to 35 or. (37).
de anderen (2) to .... . 30 or. (37).
2 lodye ftenes 20 fol. (66).
6000 murften 6 mr. (45).
5 lodige fporkalke 5 mr. 15 or. (37).
4 eken balken 17 fol. (69).
30 fparen 20 fol. (69).
fparen van 8 vademen lank, dat ftucke . . 8 art. (69).
50 delen 2 mr. (69).
1 vaden holtes 1 fr. (26).
1 pram holtes . . 6 fr. (37).
1 ftucke holtes 5 art. (71).
1 rouden lem to voren 2 or. (64).
1 rouden lem to voren 5 art. (64).
Lebensmittel.
1 tunne heringe 5 fr. (25).
1 tunne heringhes 1 mr. (51).
4 bant viffche 15 or. (26).
1 bant wemegallen 4 or. (26).
1 achtendel ftokuiffche 30 or. (27).
1 kulmet gftrte 4 or. (26).
12 lope rogghen 6 fr. (31).
V* laft hauern 6 fr. (43).
V* laft hauern 7 fr. (43).
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 13
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1 laft hauern 3 mr. (43).
4 lope hauern . . . . 8 foi, (43).
1 tunne beres 13 or. ($5, 26).
1 tunne beres .. . .. . . ... . . 1 fr. (25, 26, 27).
1 tunne Wisinarfches bers.. . .... . . 25 or. (25).
1 tonne beres yan der Wismar . . . . . Va mr. ("26).
Gerathschaften verschiedener Art.
2 Muern lepele 30 or. (50)
1 ghulden boghede 5 fr. (1)
1 fchale 4 mr. (3).
ene perde krubbe ......... 2 fol. (12)
1 wagen . . . 6 fr. (48)
1 fleden ........... 13 art. 1 d. (48)
2 fchuuekaren . . . . . . . . . . . 6 or. (68)
3 par rade 30 or. (68)
de d6r tho makende . . . 32 or. (38)
6 palholtere . ........... 7 or. (47)
6 molden ............. 3 or. (38)
4 bicken ............. 1 mr. (38)
2 isern ftanghen ... . V2 mr. (59)
700 negele . . . . . . . . . . . 24V 2 or. (67)
1000 latten negele . . . 5 fr. (67),
1 mest 5 fr. (69)
Der Text ist im Wesentlichen uirverkurzt wiedergegebpn,
dooh habe ich mir erlaubt, die. Geldangaben, in Rubril^en
an die Seite zu setzen. Die Uebersichtlichkeit de$ Inhalts
■wird durch diese Art der Wiedergabe erhftht. Im Original
sind die Geldangaben in die Zeilen fortlaufend eingefugt,
was eine Zusaminenfassung der einzelnen Postep. sehr er-
schwert. In der Orthographie bin ich genau dein Original
gefolgt; einige der im Original vorkomm#nclen Abkiirzun-
gen von after sich wiederholenden Woriera., und auch
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einige andere sicli darbietende und leioht verstandliobe
Abkiirzungen durften dem Leser nur genehm sein. Eitrige
ungewOhnliche Ausdriicke sind unter dem Text in Ap-
merkungen erkl&rt. r
Zum Schluss kann ich nicht umbin, der Bereitftilligkeit
dankend zu gedenken, mit der Herr Rathsherr August
Berkholz mir die Baureehnung von 1408 und 1409 txxr
bequemsten, Benutzung zur Verfiigung gestellt hat.
Personen- und Orts-Verzeiehniss *)• ,
Die Zahlen weisen auf die Seiten des MS., die mit einem Stern bezeichneten NaraaM
sind Namen von „heren tt .
Andrew, kalcmengher, 62.
Albert *Stokmann.
Arnd Hagemami, Pozepolle, van
der Slus, Weyenborch.
*Axringh, Joban, 49i •
Berbuk, 63.
*Berkhoue, Eggerd, 3, 50, 51, 64.
*Bredbeke, Ghodfchalc, 1, 2,
49, 50.
Budde, Herman, 49, 50.
Kersten [Ruraefcotel].
Kersten, stades dener, 37.
Claws Groten wyf.
Claws Swarte, murmeister.
Knut, Gherd, korfenwerter, 3*
Cord *Durkop, Kedingh, *Vififch.
Kure, Merten, 47.
Curland, 37.
Dazeberg, 72.
*Deterdes, Henningh, 49.
*Durkop, Cord, 2, 3, 45.
*Durkop, Hinrik, 47, 50, 51.
Eggert *Berkhoue.
Enbeke, Hermen, 43.
x ) Rige ist nicht aufgenommen.
Enghelbrecht Witte.
Euert,murer> 31, 62. *
Frederik, meister, der. fmed, 38,
67.
Gherd Knut, korsenwerter.
Ghodfchalc, Gotfchac*Bredbeke.
G[r]ipenbergesche, de, 3.
Godeke *Odiflo.
Groten, Claws wyf, 2.
Hagemann, Arnd, 38.
Hagen, 50.
Hagensche, de, 50..
Hans, de ilhenfnider, 64.
Hans von der Nyden, Smylte,
Smelte.
Hauerbeke, Hinrik, 29, 61. i
Hendereke Stokmana, 1.
Henningh Deterdes. . \\
Hermen, Herman Budde, Enbeke,
von der Molen, Sohottei'
Hinkemann, 69, wagendriuer,
31, 37.
Hinrik, 63.
Hinrik *Durkop, Hauerbeke.
13*
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Hintze, rademeker, 37.
Hoppezenbole, 2.
*Hundfchede, Tydeman, 1, 49, 51.
Jacob, murer, 31.
Jacob, fager, 50.
Johan *Axringh, von *Linden
up der wage, van der Pal,
[Rumefcotel], *Wanfchede.
K. s. C.
*Linden, Johan van, up der wage,
51, 61.
Merten Kure.
Mytow, 47, 69.
Molen, Hermans van der, wyf,
49.
Nyden, Hans van der, 37.
Olrik f. Vlrik.
Nyendorpes, Werner, wyf, 51.
*Odiflo, Godeke, 1, 3, 49.
*Ouelacker, kebier, 45.
Pal, Johan van der, 38, 67.
Peter, kistemaker, 37, 38.
„ meister, 71.
„ ftenhower, 72.
„ Prenter.
„ vp des Itades houe, 64, 72.
Pozepolle, Arnd, 1.
Prenter, Peter, 2.
Putkeverfche, de, 2.
Rymansche, de, 3.
Rone, junghe, 51.
Rope, Symon van der, 51.
Roftek, 25.
[Rumefcotel], Johann, 25, 26, 27,
29, 51, 59.
[Rumefcotel], Kersten, 29, 51, 61.
Sarius *Yockinhusen.
Schutte, Hermen, 37, 38.
Sluke, 51.
Slus, Arnd van der, 51.
Symon van der Rope.
Smelte, Smylte, Hans, 2, 3, 12.
Smylte s. Smelte.
*Stokmann, Albert, 1, 45.
Stokmann, Hendereke, 1.
Swarte, Claws, 31, mnrmeister,
62.
Thomas, hern Sarius Vockin-
chusen fon.
*Tydeman Hundfchede.
*Wanfchede, Johan, 50.
Werner Nyendorpes wyf. 51.
Vesdote, fager, 72.
Weyenborch, Arnd, 1, 49, 59.
Wilkin, murer, 31.
Wyneke Vinkeldoppe.
Yinkeldoppe, Wyneke, 3, 51.
*Wynold, 3*).
Wismer, 26.
*Viffch, Cord, 50.
Witte, Enghelbrecht, 1.
Vlrik, 43.
*Vockinchusen, Sarius, 1.
Yockinchusen, Thomas, 1.
*) Wohl nur der Vorname eines Rathsherrn.
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197
Die Baurechnung.
Die an den Band geseizten Ziffern beziehen sich auf die Seiten der Handschrift.
mrc.
In den jaren vnfes heren 1408 vor vastel-
auende [Febr. 26] w6rden ghekoren vnde ghe-
fat tho buwmeifteren tho dem nyenbuwe an f&nthe
Peters kerken tho Rige her Tydeman Hund-
fchede vnde her Ghodfchalc Br£dbeke r&dinanne
vnde Arnd Weyenborch vnde Herman Budde,
borgere der vorgenomeden ftad Rige, vnde de
Muen hebben dit nagefcreuen gheld tho der
vorgefcreuen kerken behoff entfanghen.
Tho dem ersten entfanghen van Thomas hern
Sarius Vockinchufen f&ne 2
Item entf. van hern Godeken Odiflo van der
v6gedye wegen 8
Item entf. van hern Albert Stokmanne 21£
„ noch van dem fftluen de teghelmeistere 10
„ entf. vam deme rade to Righe 100
„ „ van Hendereke Stokmanne 5fr.
„ „ ouer de vaften bente 14 dage na
paffchen [Apr. 15] van bedelghelde 1 ) 2 7 or.
„ „ van eynem ghuldenen boghe 2 ), den
eyn fchipper ghaflf 5fr.
„ „ van Arnd Pozepolle % 1
„ „ „ Enghelbrecht Witten 10
Summa 157
2.
Item entf. van Hans Smylten 2
„ „ „ bedelghelde uppe sunte Johannis
baptiste auende [Juni 24]
7 or.
7fr.
x ) Das Bettelgeld wird im Kirchen-Block gesainmelt.
2 ) Spange, Armband.
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im
Item entf. van den vdrmuifderen des Mlghen
gheiftes van hete des rades to Rige uppe den
vorfcreven auent sunte Johannis baptiste [ Juni 24] 30
Item entf. van Hoppezferibolen 6
Item entf. van Peter Prenter 3 ft
Item geantwerdet hern Gotfchak Biredebeke 15
nobelen vnde 6 groffos; bir wedder aflf entf.
van hern Godfchak vorgefcreuen 20
Item entf. van den puntmeifteren van hete des
rades 30
Item entf. van hern Cord Durkope 10
Item noch [van dem fuluen] 10
Item van dem fuluea eatf. 20
Item entfengen van dem fuluen de tegelmeistere 10
Item entf. van fparkalc 1 ) 4 \
Item entf. van Claws Groten wyue , 1
Item entf. van der Putkeverfchen 10
Summa 156
3.
Item entf. des fonauendes na funte Bar-
tholomeus dage [August 25] van
bedelghelde
Item entf.. van Wyneken vnde van
fchafferen
Item entf. van her Wynolde van. hete
hern Cordes Dfirkopp
Item entf. van der Rymanfchen
Item entf. van den puntmeisteren noch
Item entf. van der G[r]ipenbergefchen
Item entf. van dem hus, dat sunte Peter
hort, achter Hans Smelten
Item entf. van Gherd Knut, korfenwerter
9 fr.
8mynlfr.
10
15
3
33 or.
x ) Gebrannter Kalk.
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199
mrc.
Item entf. van 1 vrowenhoyken vorkoft 1
Item entf. van hern G6deken 23 myn4fol.
Item van ener fchalen van hern Eggerd
Berkhoue 4 myn 4 or.
Item entf. van Wyneken Vinkeldoppe 50
(In der ersten vullen weken in der
vasten 3 fert tho wekenghelde
Item in der andern weken 8 fert. tho
wekenghelde) *)
Summa 120 £ myn 1 art.
Summa omnium fubletorum praefcrip-
torum 433J 6 or. 2 art.
4 — 11 sind leer.
12. utgegeuen: _ c .
Primo Hans Smelten van sunte
Peters huse wegen 2
Item vor ene perde krftbbe gegeuen 2 fol.
13.
Hir na volget, wat de vorgenome-
den buwmeistere in dem vorge-
fcreuen jare tho der sAluen
kerken buwe hebben vtgegeuen.
Tho dem ersten: des ersten dages
van dem Merten Arnd Weyen^
borge vor allerleye arbeydesfl&n,
dat he vor der thiid vtgegeuen
hadde 3£, 4ior.
Item in der negeften wekene vor
valtelauende [Febr. 24] 2 ) den
arbeydesl&den geg. 1 myn 10 d.
Item in der weken des vaitelauen-
des [Marz 3] den arbeideslftden
geg. 1 min4or.
!) ( ) durehstrtchenj
2 ) Die eingeklammerten Daten geben den Schluss der Woche an.
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200
Item in der ersten vullen wekene
in der vaften [M&rz 10] tho
wekenghelde den arbeidesl&den 2 10| or.
Item geg. in der andern wekene
in der vaften [Marz 17] den
arbeydeluden 5 fr. myn 3 or.
Item in der derden weken in der
vaften [Marz 24] to wekenghelde
den arbeydesluden geg. 3 fr. 13 art.
Item in der verden weken in der
vaften [Marz 31] to wekenghelde
den arbeydesluden geg. 1 1 or.
Summa deffe fyde mit dem, dat
vp der fyden hir vor fteit:
12 mrc. 3 fr. 2 or. 8 d.
14.
Item in der vifften weken [April 7]
geg. den arbeydesluden to weken-
ghelde
Item in der leften wekene der vaften
[April 14] geg. den arbeydefluden
to wekenghelde
Item in der paffche weken [April 21]
geg. to wekenghelde den arbeydes-
luden
Item in der andern wekenen na
, paffchen [April 28] den arbeydes-
luden geg. to wekenghelde
Item in der derden wekenen na
paffchen [Mai 5] geg. to weken-
ghelde den arbeydesluden
Item in der verden wekene na
paffchen [Mai 12] geg. to weken-
ghelde den arbeydesluden
3£
33 or.
15 or.
10 art.
16 or.
5 minus 1 fr.
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201
Item in der veften weken na
paffchen [Mai 19] geg. to weken-
ghelde den arbeydesluden 6 minus 10 or.
Item in der felten weken na paffchen
[Mai 26] geg. to wekenghelde den
arbeydesluden 6
Item in pinxitauende [Juni 2] geg.
to wekenghelde den arbeydesluden 6
Item in der hillghen drevaldicheit
auende [Juni 9] geg. to weken-
ghelde den arbeydesluden 4 minus 10 or.
17 or. myn 1 art.
9or.
IB.
Summa 42 3 fr. 1 or.
mrc.
Item des ersten fonauendes na des hilghen
lichames dage [Juni 16] geg. to wekengh.
d. arb. 6 6 or.
Item in sunte Johannis baptifte auende [Juni 23]
geg. to wekengh. d. arb. 8 5 si.
Item in der ersten wekene na funte Johannis
dage [Juni 30] geg. to wekengh. d. arb. 6 myn 8 or.
Item in der andern weken darna [Juli 7]
geg. to wekengh. d. arb. 9
Item in der derden wekene [Juli 14] geg. to
wekengh. d. arb. 5 minus lfr.
Item in der verden weken na Johannis [Juli 21]
geg. to wekengh. d. arb. 6 \ 4 or.
Item in der vifften weken na Johannis dage
[Juli 28] geg. to wekengh. d. arb. 6 1 fr.
Item in der feften weken [Aug. 4] geg. to
wekengh. d. arb. 5 18 or.
Item in der feueden weken [Aug. 11] geg.
to wekengh. d. arb. 5 myn 6 or.
Summa 57 myn 10 art.
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2Q2
16.
Bare.
Item in der achteden weken na funte Joh.
dage [Aug. 18] gheuen to wekeng. d. arb. 7 fr. 6 o\\
Item in der negeden weken [Aug. 25]
ghegeuen to wekeng. d. arb. 6 mynlfol.
Item in der teyden weken [Sept. 1] ghegeu.
to wekeng. d. arb. 5 8 or.
Item in der elfften (den) wekene [Sept. 8]
gheg. to wekeng. d. arb. 5 1 fr.
Item in der twolften weken [Sept. 15]
gheg. to wekeng. d. arb. 7£ 10 or. 2 art.
Item in der drutteyden wekene [Sept. 22]
gheg. to wekeng 1 . d. arb. 8 15 or.
Item in der weken v6r sunte Michele dage
[Sept. 29] unde in der weken na sunte
Michele dage [Oct. 6] tho wekeng. d. arb. 5 myn 1 fr.
Item in der andern weken na sunte
Michele [Oct. 13] den arb. tho wekeng. 5 fr. myn 3 or.
Item in der derden weken na sunte Michele
[Oct. 20] den arb. tho wekeng. 1 3 or.
. Summa 41 14 or. 1 art.
17.
mrc.
l
3fr.
1 art.
l
30 or.
14 art.
Item in der vSrden weken [Oct. 57] den arb.
Item in der vifften weken [Nov. 3] den arb.
gegeuen
Item in der weken vor sunte Mertin [Nov. 10]
Item in der weken na sunte Mertin [Nov. 17]
Item andern arbeideslflden, de tho bithiden
afthogen geg. 30 or.
Item noch arbeidesl&den und tho allerleye
arbeide 31 or. 1 art.
Item lfem tho v&rende 4 or.
Item vor 1 lbdye kefolinghe 18 or.
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2oa
Item gegeuen arbeidesl&den
Item vor dunneb£r
Item vor sant tho v$rende
Item vor ftfin tho v&rende
Item vor l&n tho v&rende
Item in der erften vullen weken in der vaften
[Pebr. 23, 1409] tho wekengelde
Item in der andern weken [Marz 2, 1409]
tho wekengelde
8 or.
26 or. 1 art.
myn 1 art.
9 or.
7fol.
3fr.
7Jfr.
Summa 10 20 or. 2 art.
Summa Ouer al van wekenghelde 164 11 or. 5d.
18-
25.
24 sind leer.
Hir na volget, wat meifter Johanne vnde
fynen gefellen vndfc ok den nifirmeifteren-
is gegeuen.
To dem erften meifter Johaane.
To dem erften gegeuen meifter Johanne int
erfte van der vaften twe mrc, de he ouer
winter an verfcher vytaly en vortheret hadde 2
Item na mitvaften gegeuen meifter Johanne
1 tunnen heringe vor 5fr.
Item na mitvaften gegeuen msi&ter Johanae 1
Item dem fuluen vor palmen [April 8] ge-
geuen to verfcher vytaly en 3fr. mynllot.
Item gegheuen meifter Johanne in der palane
wekene 9 tunnen beres, de tunnen to< 13 or.
mit fynen gefellen to drinkende 117 or.
Item in der pafchen wekene [April 15 — 21]
meifter Johanne gegheuen \
Item in der derden wekenen na paffchen
[Mai 5] gegheuen meifter Johanne vor
rys vnde vaft^m krude 1 minus 5 d.
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204
Item do fulues erne gegheuen } 2 mark. Item
gegeuen \ mrc. 1
Item in der verden weken na paffchen
[Mai 12] gegeuen meifter Johanne 7 tunnen
beres, elke tunnen vor 1 fert. 7 fr.
Item in der vefften weken na paffchen
[Mai 19], meifter Johanne 4
Item meifter Johanne gegeuen 1 tunnen
Wismarfches bers vor 25 or.
Item em gegeuen 2 mrc, de he vortheret
hadde, do he van Rofteke qwam 2
Item meifter Johanne gegeuen 1
Item in pinxftauende [Juni 2] em gegeuen
6 t. beres, de he mit fynen gefellen upp
dem werke gedrunken hefft, 6|fr.
Summa 17 1 fr. 4 d.
26.
mrc.
Item meister Johanne gegeuen \ mrc.
item £ mrc. 1
Item dem fuluen gegeuen \ mrc. item
i mrc. 1
Item meifter Johanne gegeuen 8 t. beres,
des kofte de t. 13 or., dat fchach in
der erften weken na Johannis dage bap-
tiften [Juni 30], item em gegeuen \ mrc. | 104 or.
Item mefter Johanne gegeuen £ mrc. item
mrc. Item £ mrc. 1\
Item mefter Johanne gegeuen 3| fert.
Item I mrc. ^ 3ifr.
Item meifter Johanne vnde fynen gefellen
gegeuen na funte Laurentius daghe
[Aug. 10] 11 1. beres, 13 or. vor de t. 143 or.
Item em ghegheuen ^ mrc. Item ^ mrc.
Item \ mrc. 1^
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205
Item meifter Johanne gheuen \ mrc.
Item I mrc. Item ^ mrc. 1^
Item meifter Johanne gegheuen to vlefche 23 or. minus 1 art.
Item vor 13 tunnen beres, vor iflike t.
13 or. unde 1 or. vor indregent up all 170 or.
Item vor 1 tunnen beres van der Wismer £
Item vor botteren 6 fr. m y n J fo1 -
Item vor 4 fchape 33 or.
Item noch vor 2 fchape 17 or.
Item vor 1 ko 1 myn 4 or.
Item vor 7 vaden holtes 7 fr.
Item vor 1 kulmet g&rte 4 or. item 9 or.
vor folt, al to mefter Johans behof 13 or.
Item 15 or. vor 4 bant viffche tho fynem
behof. Item 1 mrc. vor brot 1 15 or.
Item 14 t. beres, vor iflike 1 fert. vnde
1 art. inthodregende. Item vor holt
tho f. beh. 5 fert. 19 fr. 1 art.
Item vor 1 bant wemegallen 4 or.
Summa 29 3 fr. myn 1 fol.
27.
mrc.
Item vor 1 achtendel ftokuiffche 30 or.
Item vor verfche fpyfe 1 mrc. Item 8 or.
1 art. vor dre drunke 1 8 or. 1 art.
Item vor mengerleye plftckefchult 8 or.
Item 6 or. vor brot 14 or.
Item 1 mrc. myn 1 lot. vor mengerleye
vaftenfpife. Item 1 mrc. vor verfche fpyfe 2 myn Hot.
Item vor 30 elen meifter Johanne geg. 17 myn 2 art.
Item vor 6 t. beres, vor iflike 1 fr. unde
1 art. intodregende 6 fr. 1 art.
Summa 22^ 8 art.
Summa in al vor meifter Johan vtgegeuen 69 26 or. myn 2 d.
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206
88 leer. 89. mfC .
Wat meifter Johans ghefellen gegeuen is.
To dem ersten int erste van der vaften en gegeuen
vpp rekenfchopp 1
Item na mytvaften mefter Johans fellen gegeuen
vpp rekenfchppp 2
Item in pinxftauende [Juni 2] Hinrike vnde Kerftene
geg. elkeme 2 mark 4
Item Hinrik und Kerften gegeuen if likem 1 nirc.
Symonis et Jude [Oct. 28] 2
Item den fuluen nocii gegeuen 6 fert. Item noch
4£ mrc. 4£ 6 fr.
Summa hir van 15 mrc, der heft Kerften 8 unde
Hinric 7 entfanghen. 15
30 leer. 31.
. , mrc.
Wat den mfirmeifteren vpp rekenfcop
, is gegeuen. <
To dem erften Euert mftrer (int erfte van
den vaften gegeuen 1 mrc. vpp fyn
arbeit) 1 )
Item dem fuluen gegeuen 3 fr. myn 1 fol.
Item dem fuluen vor 12 lope rogghen 6 fr. 9 fr . myn 1 fol.
Item Jacob murer aff gheflaghen 1 fert.
Item dem fuluen in der hilghen dre-
ualdigheit auende [Juni 9] afgheflaghen
\ mark £ 1 fr.
Item dem ffiluen gegeuen \
Item gegeuen Swarte Clawfe \ mrc. Item
dem ffiluen 1 mrc. H
Item gegeuen Wilkin mfirer 13 or.
Item Hinkemanne dem wagendriuere 6 fr. 8 or.
Summa hir van 6 3 fr. 7 or. 2 art.
!) ( ) durchatrichen.
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307
33.
1
Item den kalcv&rers gegeuen \ mrc.
tare.
Item
noch den f&luen \ mrc.
1
Item den f&luen ;
3fr..
Item noch
19 fol.
Item noch
i
Summa 11 fr. 1 fol.
33—36 her. 3?.
mrc.
Dit is vtgegeuen vor allertey dink tho
makende, des men darf tho dem buwe.
Tho dem erften gegeuen Hintzen rade-
mekere upp rade, de he maken vnde
bringhen fchal tho funthe Peters behoff 1 fr.
Item gegeuen den tyinmerluden to funte
Peters behoff 10 or.
Item gegeuen Peter kiftemaker 17 or. myn 1 art.
Item gegeuen JLerften ftades dener, do
he in Curlande was 20 fol.
Item gegeuen vor 2| lodyge keferlinghe 50 or.
Item gegheuen vor 11 bunt lynen Hart.
Item gegheuen vor 2 lodige keferlinge 40 or. 2 art.
Item gegheuen vor faghede delen tor
ftellinghe behoff 1
Item gegheuen Hans van $er Nyden vor
1 pert 1
Item .gegheuen den murinannss to ftquea-
ghelde 1 .XI- Item vor baft 5 lub. lfl.5iub.
Item gegeuen vor 5 lodige fporkalke 5 15 or.
Item gegeuen vor 4 lodige keserlinge,
2 to 35 or. de andern to 30 or. vnde
1 art. den luden to bere 130 or, 1 art.
Item * gegeuen Hermen SchutteH up
rekenfchop 1
Item gegeuen vor 1 vlicken vlefches 19 or.
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208
mrc.
Item gegheuen vor 1 lodige keserlinge 19 or.
Item gegeuen Hinkemanne upp reken-
fchopp 1 fr.
Item vor ften tho howende tho den pilren 5 1 fr.
Item gegeuen vor 1 pram holtes den
fparkalk to bernde 6 fr.
Item gegheuen vor borken 22 or.
Item vor vftren holt tho den teghelhfts 3 9 or.
Summa van deffen fyden 24| myn 10 d.
OO. mrc.
Item gegheuen Arnd Hagemanne vor
fmedewerk vppe rekenfchopp 6
Item ghegeuen Johanne van der
Paal vor 4 bicken 1
Item dem ffiluen vor negele 18 or.
Item gegheuen vor vnghers yfern to
funte Peters behoff 4 myn 1 fr.
Item vor de mefte ft&n tho fnidende 16 or.
Item vor 6 molden 3 or.
Item gegeuen meister Frederike,
dem fmede 3 1 fr.
Item Peter kiftenmeker vor de dftr
tho makende 32 or.
Item den tymmerluden, de balken
tho behowende 9J fr.
Item den luden, de de balken rumeden 14 art.
ItemHerman Schutten vor ty mmerwerk 6 fr.
Summa van deffen fyde 19 myn 1 fr. 7 or. 2 art.
39—42 leer. 43. mrc .
Int erfte gegeuen hern Johan Roftoke vor
^ laft hauern to funte Peters behoff 6 fr.
Item gegheuen Hermen Enbeken vor
| laft hauern 6fr. 4 or.
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26S
mrc.
Item gegeuen Vlrike vor \ laft hauem * 7 fr.
Item gegheuen vor hoy 1 myn 2 or.
Item gegeuen v6r hoy 13 fr.
Item gegheuen vor hoy % 9 or.
Item vor 1 l&ft hauem 3 18 or.
Item noch vor 4 lope hauern 8 fol.
Item Olrike gegeuen van hauern etc.
noch van Rofteken tyden 4
Summa hir van 16 3 fr. 3 or. 2 art.
44.
Entfanghen van den kemerern 163 lefte kalkes vnde
ltunne, dar vor aftoflande 35 mrc, de fe entfanghen
hebben, alfo hir by gefcreuen fteit. fo blift funte Peter
den kemerern fchuldich 19 mrc. 17 or. vnde 1 art.
45.
mrc.
Int erfte gegeuen den kemereren vor kalk 10
Item gegeuen den kemerern noch 10; Item 5 mrc. 15
Item gegheuen den kemere[r]n anno VIII (anno IX
is em b) 1 ) 10
Item van den domhern ghelenet 14,500 murlten;
des heft de kelner her Ouelacker wedder 1000
entfanghen anno VIII. Item anno IX den dom-
hern betalet 4000 murften vnde 3000 dakften.
Item dem huskumpther gegeuen vor 6000 murlten 6
Item van dem ghelenet 10,000 murften, de men em
fchuldich is.
Primo weren- de teghelmeiftere funte Peter fchfil-
dich 41 mrc. 9 or. anno 1408 in der vaften.
Item fo hebben de teghelmeiftere entfanghen
van hern Albrecht Stokmanne 10
Item van hern Cord Dfirkope 10
x ) ( ) durchstrlchen.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 14
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210
mrc.
Item den teghelmeifteren gegeuen in der* hilghen
drev^ldicheit auende [Juni 9] uppe llene 5 mrc.
Item 10 mrc. Rig. 15
Item hebben fe entfanghen van den puntineiifaren 20
Summa kir van der tegelmefter wegen 96 9 or.
Entfanghen van den thegelmeifteren mit dem ftene, de
noch tho dem tegelhus is 100,000 vnde 32,000 mfir-
ften. Dit is gefcreuen anno VIII Andree [Nov. 30].
Summa an ghelde 82| mrc. Item fo bliuen de thegel-
meiftere van deffen rekenfchop funte Peter fchuldich
13| mrc. 9 otr.
Summa geg. den teghelern vnde kemerern praefente
anno etc 76
46 leer. 47.
mrc.
Int erfte in der palme wekene gegheuen
luden van der Mytowe upp balken 2 5,fl.
Item ghegheuen op fente Margreten dach
[Juli 12] den vorfcreuen luden 1 ) 16 30 or. mynlart.
Item gegheuen vor holt upthowyndende 7 fr. 3 or.
Item lftden van der Mytow ghedaii up
balken 6fr.
Item luden van der Mitow, de kent her
Hinrik Durkop wol, gedan up holt |
Item den fageren vor de ekenen mflr-
latten tho fagende 4 3 or.
Item Merten Kuren ghegeuen (geuen)
vor latten 6 fr.
Item vor 6 p&lh<ere 7 or. myn 1 art.
Summa 28 13 or.
l ) Dieser Satz ist von einer anderen Hand geschrleben.
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211
48.
mrc
Int erfte gegeuea vor 7 par rade to vox'
vracht vnde to vinnegelde
i lfol.
(to winneghelde) *)
Item gegeuen vor 1 wagen tho funte
Peters beh&f
6fr.
Item vor 2 f leden
13 art. Id.
Summa hir van 2 5 or. 7 d.
Summa opunium expositorum 425} 3 or. lart.
49.
In den jare vnfes hern 1409 des dinxtages
vor miduaften [M&rz 12] wart dem rade
rekenfchop ghedan van dem buwe tho funte
Peters kerken tho Rige vnde darna worden
ghekoren vnde ghefat tho buwemeifteren her
Thideman Huntfchede, Herman Budde vnde
Arnd Weyenborch, de hebben dit nafereuen
gheld entfanghen.
Tho dem erften fo behelden fee van der
andern rekenfchop 8 mrc. myn 7 fol., de
weren noch van den erften 50 mrc, de
van hern Godfchalke Bredebeken jent-
fanghen worden 8 myn 7 fol.
Item tho paffchen [April 7] van hern Ghod-
fchalke Bredebeken entfanghen de andern
50 mrc; vor deffe 100 mrc. fchal men van
funte Peters wegen alle i&r vp paffchen
geuen S^rc Rig. lif like rente Hermans wy ue
van der M61en, de wile fe levet, 50 ,
Item entfanghen van hern Godeken Odiflo 3fr.
Item entfanghen van hern Godeken 3
Item entfanghen van hern Godeken noch 1 fr.
*) ( ) durchstrichen.
14*
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212
Item entfanghen van enem h6yken 3 fr.
Item entfanghen van hern Johan Axringhes
wegen 6
Item entfanghen van hern Henningh Deterdes
wegen 5
Summa van deffen fyde 73y 2 fol.
SO.
rare.
Item entfanghen van hern Eggerd Berkhoue 10
Item entfanghen van dem f&luen noch 2
Item entfanghen van hern Eggerde noch 20
Item entfanghen van hern Eggerde noch 20
Item entfanghen van hern Eggerde noch 30
Und he zecht, he hebbe den teigelmefters geuen 20
Item entfanghen van hern Johan Wanfcheden 4
Item entfanghen van Herman Budden 4 8fl.
Item entfanghen van der Hagenfchen wegen 6 fr. 4 or.
Item van 2 fuluern lepelen 30 or.
Item entfanghen van Hagens wegen 12
Item entfanghen van Jacob fager van funte
Peters hufe 1
Item entfanghen van hern Hinric Dfirkope
van hern Cord Viffches wegen van waffe 25 10 d.
Item entfanghen van hern Godfchalc Bredbeken 40
Item vorkoft 1 pert vor 7| fr.
Item noch 1 pert vorkoft vor 7fr. mynllot.
Summa 194 1 or.
51.
Item van WynekenVinkeldob entfanghen 1 myn 1 fol.
Item van hern Eggherde entfanghen | myn4d.
Item van hern Hinric Dfirkop entfanghen 50
Item van Arnde van der Sifts entfanghen 1
Item van Sluke entfanghen 1
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213
Item van ener tunnen heringhes entfanghen 1
Item an waffe entf. van hern Johan van
Linden vp der wage, dat Kerften meifter
Johans f&ne wart, vor 13 14 or. myn i art.
Summa 67 3 fr. myn 1 d.
Item entfanghen van Werner Nyendorpes
wyues wegen 9 nobelen vnde 1 fert. vor
10 inro. Rig. Hir van wedder gegeuen
6 nobelen junghen Ronen vor Symons
hus van der Rope vor meifter Johans
hure 1 )
Item heft her Tideman Huntfchede ent-
fanghen ^ nobelen van den feluen tho
marken vnde twen fol. Item 1 fert. an
ghelde van dem fftluen: Summa 3 mrc.
20 or. 3 20 or.
Item fo heft her Tydeman entfanghen van
bed^lgelde - 10 fr. myn 1 fol.
53—54 leer. 55.
mrc.
Hir na volget dat wekengeld.
In der erften weken vor miduaften [M&rz 16]
tho wekengelde vtgegeuen den arbeides-
lftden 8£fr.
In der andern weken vor palmen [Marz 23]
tho wekengelde, dat is de weken na mid-
uaften, gegeuen tho wekengelde 7 fr. 3 or.
Item in der negeften weken vor palmen
* [Marz 30] 5£ fr.
Item in der weken vor p&ffchen [April 6] 5|fr. lor.
Item in der erften weken na paffchen [April 13] 3 myn 4 or.
*) Das Haus lag „apud cymiterium f. Petri", Napiersky, Erbebiicher
aer Stadt Riga, S. 34, n. 292,
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214
mrc.
Item in der andern weken na paffchen
[April 20]
11 fr. 2 or.
Item in- der derden weken na paffchen
[AprU 27]
3
myn 5 or.
Item in der vSrden weken na paffchen [Mai 4]
10|fr.
Item in der viften weken na paffchen [Mai 11]
3
Item in der feften weken na paffchen [Mai 18]
10 fr. 1 fol.
Item in der negeften wekein vor pinxften
[Mai 25]
4
1 fr.
Item in der weken na pmxften [Juni 1]
3
lfr.
Item in der andern wek^n na pinxften [Juni8Q
5
lfr.
Item in der derden weken [Juni 15] tho
wekengelde
3
lfr.
Sumnia van deffen fyde 39$ myn 1 art.
56.
mrc.
Item in der weken vor funte Johans dage
[Juni 22] to wekengelde 4
Item in der weken na funte Johans dage
[Juni 29] 3 18 or*
Item in der andern weken na funte
Johans dage [Juli 6] 4 26 fol.
Item in der derden weken [Juli 13]
tho wekengelde 4 20 or.
Item in der weken vor Marie Magda-
lene [Juli 20] tho wekeng. 5
Item in der weken na Jacobi [Juli 27]
tho wekeng. 5 myn 9 or.
Item in der weken na Peter ad vinculam
[Aug, 3] tho wekeng. 6 1 or.
Item in der weken vor Laurencii
[Aug. 10] tho wekeng. 5 18 or.
Item in der weken na Laurencii [Aug. 17]
tho wekeng. 7 min5fol.
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215
1
nrc.
Item in der weken na vnfer vrowen
dage [Aug. 24]
5 myn 14 or.
Item in der weken dar na [Aug, 31]
to wek.
7 myn 5 or.
Item in der v£rden weken na vnfer
vrowen [Sept. 7]
4| 1 fol.
Item in der viften weken na vnfer vrowen
[Sept. 14]
10 fr. 4 or.
Item in der feften weken na vnfer vrowen
[Sept. 21]
2 toyn 4 or.
Item 8 dage vor Michael [Sept. 28] unde
i
fo langhe dar na, dat finite Peters
werk gheendiget wuir% the wekengelde
2 3 or.
Summa van deffen fyde 67| myi*2fol,
Sumtna des wekengeldes 106 3 fr. 7 or. 2 art.
57 xl 58 leer. 59.
mic.
Hir na volghet meifter Johan,
Tho dem erften meifter Johanna gegeuen 1 mrc, de
erne noch thobftrde van dem wande 1
Item dem fiM^en gegeuen 2 mrc. in der palmeweken
[April 6] vor verfche fpife, de he vortheret hadde, 2
Item dem fuluen noch twe mrc. tho uerfcher fpife 2
Item Arnde Weyenborge tho meifter Johans behof tho
vytalie tho kopende ghed&n vnde gheantwordet.
Tho dem erften dre weken vor paflchen [Vor April 7] 2
Item in der weken na p&ffchen 4
Item in der viften weken na p&ffchen 3
Item dar na noch 3
Item noch dar na em ghedan 3
Item dem fftluen noch 4
Item dem fuluen vp dat nye ghed&n 3
Item dem fuluen dar na noch 4
Item dem fuluen ghed&n noch 3
Item dem fftluen noch tho meifter Johans behof 8
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216
Item gefant dem fuluen noch 2 mrc. meifter Johan to
geuendd 2
Item gegeuen meifter Johanne vor 2 ifern ftanghen £
Item gegeuen meifter Johanne vor £ laken 8
Summa hir van meifter Johapne gegeuen 52J-
60 leer.
61.
mrc.
Dit fint meifter Johans ghezellen.
Tho dem erften Kerften meifter Johans f&ne
vp miduaften [Marz 17] gegeuen 1
Item Hinrike fynem ghezellen vp palmen
gegeuen 1
Item Kerften vnde Hinrike beyden thohope
gegeuen 7 mrc, darmede fyn fee betalet
van deffem iare vorganghen 7
Item gegeuen Kerften vnde Hinrike jewliken
16 elen van enem thbmaJTchen peers x ) van
twen jaren, de elen vor 10 or. Summa an
ghelde 6£ 8 or.
Item gerekent mit Kerften, dat em b6rt vor
dit jar unde vorjaren, dat noch nicht ent-
richtet was, 19 mrc. 2 or. myn 1 art.
Hir vp heft he entfanghen an waffe, dat
her Johan van Lynden vp de wage ant-
wordede, 13 14 or. myn 1 art.
Item heft he entfanghen an redem ghelde 5£ 1 fr. 1 art.
Item Hinrike Hauerbeken gegeuen vor fyn
16n van deffem j are 12
Summa meifter Johans ghezellen gegeuen 46£ 9 or. 2 art.
*) Thomafche laken, wohl = Laken von Thuin sw. Charleroi, Hs.
U.-B. HI, Register, Peers, pers, blau» ibidem.
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217
62.
mrc.
Dit is den munneifteren vnde luden ghelenet.
(Tho dem erften Swarte Claws murmeifter ghelent
1 mrc.) 1 )
Item Andrew kalcmengher ghelfint 1 fr.
(Item Hinrike de de perde vefwa) 2 )
Item Swarten Claws murmeifter gegeuen vor fyn arbeit 1
Item dem fuluen ghelouet 8 lope roggen, dar heft
he 3 fert. vp entfanghen 3 fr.
Item fo fyn Euerde milrer ghelouet 12 lope roggen,
dar heft he vp entfanghen 1
Summa hir van 3
63.
mrc.
De perde vnde ere voder etc.
Tho dem erften gegeuen vor h&y J
Item gegeuen vor hoy tho funte Peters behof 1
Item gegeuen Hinrike, de de perde vorwaret, 1 fr.
Item dem fuluen noch gegeuen £
Item dem fuluen noch gegeuen *.
Item dem fuluen noch gegeuen 1 fr.
Item dem fuluen noch 1 fr.
Item dem fuluen noch 3 fr.
Item ghekoft van Berbuke 1 pert vor 11 fr.
Summa hir van 7 myn 1 fr.
64.
mrc.
Dat theghelhus mit fyner thobehoringhe.
Tho dem erften den teghelmeifteren gegeuen 10
Item den teghelmeifteren gegeuen 10
Item noch den fuluen gegeuen 10
Item den fuluen gegeuen 6
Item 20 mrc. hebben de theghelmeiftere van hern
Eggerde entf. 20
*) ( ) durchstrichen. 2 ) ( ) ausgewischt.
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218
Item den tegelmeifteren gedaen 2 perde vor
3 mrc. 15 or.
Item fo weren de the[ge]lmeiftere van ouer dem
jare funte Peter fchuldich ghebleuen 13 J mrc. 9 or.
Item an thegele entfanghen tho funte Peters behof
oueral 158,200 murften vnde 3000 dakften.
Summa an ghelde dar van 101 mrc.
Item vor theghelladen 1 fert. Item vor theghel-
laden tho beflande 26 or. lfr. 26 or.
Item noch vor theghelladen tho makende unde
tho beflande 19 or.
Item noch vor laden 6or.
Item noch vor teigelladen lfr.
Item vor theghelmefft, den thegel tho fnidende 14 or.
Item Peter vp des ftades houe gegeuen 2 mrc. vor
lem tho v&rende to dem theghelhufe, noch
2 mrc. vnd 8 or. 4 8 on
Deffes lemen was 9 rouden und 100 rouden, vor
1 rouden 2 or., vor de anderen 5 art, to voren
Summa hir van 62 lor,
65.
mrc.
Sthenhoweren vnde fnyderen vnde luden tho(n)
dem tegelhus.
Peter fthenhower vor ftSn tho howende tho
der gerwekamern 2 5 or.
Item Hans dem fthenfnidere ghelent £ "
Item luden, de van funte Peters wegen an der
traden tho dem theghelhus arbeideden 1 fr.
Item noch 10 fol. Item noch 12 fol. 22 fol.
Summa van deffen fyde 3£ myn2art.
66.
WitftSn.
Primo vor 2 lodye ftenes 20 fol.
Summa 20 fol.
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219
67.
nucc.
Smedewerk.
Primo vor 700 negele tho funte Peters behof 24J or.
Item meifter Prederike vor 1000 lattennegele 5 fr.
Item dem fuluen vor perde thobeflande 43 or.
Item dem f&luen gegeuen vp rekenfchop noch 6
Item dem fuluen gegeuen noch 2
Item Johane van der Pal vor fmedewerk 1 fr.
Item vor negele tho funte Peters behof 33 or.
Item Cord Kedingh 7£ fr.
Summit hir van 13| myn 13 d.
68.
n^rc.
De rade karen.
Primo gegeuen vor 3 par rade 30 or.
Item vor twe fchuuekaren . . 6 or.
Item vor thSr gegeuen 16 or. myn 1 art.
Summa hir van 1 4 or. myn 1 art.
69.
mrc.
Hir na volget dat holt,
Tho dem erften ghed&n Hinkemane, de de
wintmolen waret, vp fparen van 8 va-
demen lank, dat ftftcke vor 8 art. 1
Item dem fuluen gegeuen, do he dat holt
brachte, noch 10 fr, 8 or.
Item dem cumpter gegeuen vor 50 delen 2
Item vor 30 fparen 20 fol. Item ghekoft
4 eken balken vor 17 fol. 37 fol.
Item ghelenet luden van der Mytow vp holt 16 or.
Item gedan dem molnere van der Mitow
vp ekenholt 1
Item den luden, de de latten bringhen, ged&n 3 fr.
Item den fuluen noch gegeuen 3fr.
Item vor kfene latten 8 or.
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5fr.
16 or.
19 or.
>nde 3 fr.
myn 1 art.
3 or.
6 or.
1 art.
220
Item gegeuen v6r 1 mall
Item gegeuen vor bark
Item gegeuen vor vpftftken holt
Item gegeuen vor bark
Item Carf[t]en vor balken vpthowindende
Item noch dem feluen
Summa hir van 13 5 or. 1 art.
70 leer.
71.
Dit fyn de tymmerlfide. mrc .
Tho dem erften meifter Peter in der palrne-
weken gegeuen vp rekenfchop 2
Item dem fflluen noch 3 mrc. Item 1 mrc.
Item 2 mrc. 6
Item 2 mrc. Item 1 mrc. vp Philippi vnde
Jacobi [Mai 1] 3
Item noch 2 mrc. dem fflluen. Item noch
2£ mrc. 4}
Summa, dat ik mefter Peter geuen hebbe vor
450 holtes, vor elck ftucke 5 art. 15|
Item gegeuen mefter Peter in dem koer to
ftutten 6 fr. 6 or.
Item 1 tymmermanne vor allerley arbeit tho
funte Peters behof vor 7 dage gegeuen 14 fol.
Item vor den r&dftil tho vorfattende 9 or.
Item vor latten tho behowende 3fr.
Item meifter Peter vp nye gegeuen 1 mrc.
Item noch ^ mrc. 1|
Item noch 1 mrc. Item noch 1 mrc. Item
noch 1 mrc. Item noch 1 mrc. 4
Item noch 1 mrc. Item noch 3 mrc. vnde 6 or. 4 6 or.
Item dem timmermanne, de funte Peters holt
dakede 25 or.
Summa hir van 28J 4 or. 2 art.
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221
72.
De fagere. mrc .
Item gegeuen enem fagere \ mrc. Item noch
\ mrc. 1
Item V£sdoten fagere | mrc. Item noch 1 fert. ^ 1 fr.
Item noch dem fuluen 15 or. 1 art.
Item dem fflluen noch 1 fert. Item noch 3J
fert. 1 fol. 4Jfr. 1 fol.
Item andern fageren \ mrc. Item noch 1 fert.
Item den fuluen noch 3 fert. ± 4 fr.
Summa den fageren gegeuen 4 J 10 or. 2 art,
(Siwnma van thegele entfanghen mit dem, dat
tho dem theghelhufe fteit 204,215 ftene) l )
Item entfanghen van den kemerern 100 lefte
kalkes
Item van Dazeberge 7 lefte 4 tunnen kalkes
(Item fo hebben de thegelmeftere 2 perde van
funte Peter entfanghen, 1 brfln vnde 1 wit) 1 )
Item vorkoft 1 pert tho borge Peter vp des
ftades houe vor 10 fert., de helfte vp wi-
nachten tho betalende vnde
Item blift mefter Arnd de fmet 3 fert.
fchuldich
Item Peter ftenhower blift fchuldich 1 fert.
*) ( ) durchstrichen.
Anmerkung. Dass die Summirungen der einzelnen Posten
nicht immer genau sind, erscheint bei einer mittelalterlichen Redlining
niclit aaffaUend, Bisweilen sind aber auch einzelne Posten absichtlich
nicht mitgerechnet, z. B. S. 64 des Mf. Solche habe ich, soweit sie
mir bemerkbar waren, in dieZeile, und nicht unter die Summanden
gestellt.
Zu berichtigen ist, dass die beiden letzten Notizen unter derRubrik
B Baumaterial a (oben S. 193) iiber das Lehrafiihren unter die Bemer-
kungen uber den Arbeitslohn (oben S. 192) gehoren.
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Wie-man in Alt-Eiga Kannen goss.
Von Prof. Dr. Wilh. Stiedo.
Bis in unser Jahrhundert hinein hat das Zinngeschirr
eine grosse Rolle gespielt. Kannen, Schusseln, Teller,
Flaschen, Becher, LofFel, Leuchter, Waschbecken, Terrinen
aus Zinn fehlten in keinem Haushalt. Auch grossere Stucke,
wie die ansehnlielien Trinkgefasse, welche bei den festlichen
Zusammenkiinften der Zunftgenossen zu kreisen pflegten, die
sogen. Willkommen, wurden aus Zinn gegossen. Der letz-
tere Brauch kam vermuthlich erst auf, als die Mittel der
durch den dreissigjahrigen Krieg verarmten Handwerker
die AnschafFung von Silbergerath nieht mehr gestatteten.
Die Kirche bediente sieh zur Herstellung der Altarleuchter
oder der zum Gottesdienst erforderlichen Kannen, der sog.
Ampollen, da wo die Kosten fur diese Gegenstande aus
Silber nicht aufzubringen waren, in spaterer Zeit gleichfalls
des Zinns. Es ist nicht uninteressant und zugleich dariiber
belehrend, welche Zinngerathe vorzugsweise im Hause un-
serer Voreltern eine Rolle spielten, sich das Meisterstuck
einzelner Zinngiesser-Ziinfte zu vergegenwartigen.
In Reval bestand dasselbe nach Ausweie des Schmiede-
Schragens vom Jahre 1459 — die Zinngiesser gehdrten dort
zum Schmiedeamt — in Herstellung einer Plasche, einer
Weinkanne und eines Waschbeckens (Eyn kannengeter sail
maken 3 formen, eyn flaschkenforme, eyn wyenkannenforme
unde ein fatefornij ein isliclce forme sail syu von 2 stopen) 1 ).
*) Nach einer Abschrift in meinem Besitz.
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22S
Die Liibecker Zinngiesser mussten nach ihrer Rolle von
1508 *) gleichfalls Flaschen, Waschgefasse und Kannen an-
fertigen (Vortmer schal he maken an der werckmeister
werckstede dre formen unde drygerleye werck, alse vlasschen,
vate unde kannen, von yslikeme eyn par). Das Meisterstuck
der Nfirnberger Kandl- oder Zinngiesser war die Anferti-
gung einer Schenkkanne auf einem Fuss, einer grossen
ScWissel und eines Waschgeschirres (nemblich ain gefupsste
schenckkandel, darein ein Viertel geet, nieht uber 8 Pfund,
unnd ein schussel, die nit uber 4 Pfund schwer sein soil
und ein gussfass mit*einem hohenLid oder techlein, darein
ungeferlich vier oder funff mass geet 2 ). In Rostock, wo
die Auswahl der anzufertigenden Stiicke dein jungen an-
gehenden Meister uberlassen war, fertigte man, wie aus den
seit dem Jahre 1701 bis in die Mitte unseres Jahrhunderts
im Protokollbuch 3 ) verzeichneten Beitr&gen sich ergiebt,
Waschgefaase, Sebiisseln, grosse Schalen, Weinkannen, halb-
stofige Kannen, Gelachskannen (d. h. bei Gelagen zu ge-
brauchende K.), Bettpotte (i. e. Nachtgeschirre), Willkom-
men, Terrinen u. s. w. an* Man sieht, fast alle Gef&sse fur
die Bedurfnisse des taglichen Lebens, die heute aus Thon,
Porzellan, Steingut, Glas oder Silber gemacbt werden, goss
man Jahrhunderte hindurch aus Zinn.
Einer derartigen Verbreitung des Zinngesehirrs ent-
sprechend, hatten seine Verfertiger unter den stadtischen
Gewerbetreibenden der alteren Zeit eine grosse Rolle
spielen mussen. Man sollte glauben, dass ihre Zunft eine
zahlreich besetzte und der Verdienst der einzelnen Meister
nicht unbedeutend gewesen sei. Denn wenn auch das zin-
nerne Gef&ss eine lange Haltbarkeit versprach, so waren
Bruch und Abnutzung unvermeidlich, ein Neuguss demnaeh
von Zeit zu Zeit unumg&nglich, eine Vermehrung des Haus-
*) Wehrmaim, die alteren ldbeckischen Zunftrollen. S. 247.
*) Stockbauer, Niirnbergisches Handwerksrecht. S. 7.
8 ) Rostoeker Bathsarchiv.
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224 .
raths, in dem Maasse als die BevGlkerung wuchs, erforder-
lich. Indess spricht, was hieriiber bekannt geworden ist —
zur Geschichte dieses Handwerks ist freilich zur Zeit ausser-
ordentlich wenig verftffentlicht — nicht gerade far obige
Annahme. In Niirnberg sind im Jahre 1363 nur 14 Kandl-
giesser, ausserdem einige Zinngiesser 1 ), in Frankfurt im
Jahre 1387 2 ) gar nur 5 Kannengiesser nachzuweisen und
in Rostock zahlte das Zinngiesser- Amt wahrend des 17. Jahr-
hunderts hflchstens 5 Meister, noch spater gelegentlieh nur
3 und 2, bestand eine Zeit lang in unserem Jahrhundert
selbst aus einem einzigen,
Sehr fruhe schon sehenkte die Obrigkeit dem Zinn-
giesser- Gewerbe Aufmerksamkeit. Theils der grtfsseren
Kostbarkeit des Zinns wegen, theils der besseren Verar-
beitung halber 3 ), war ein Zusatz von Blei ntithig und, um nun
Betrug zu vermeiden, musste das Verhaltniss der Misehung
von Rechtswegen vorgeschrieben werden. Anderenfalls
mochte der Preis, welchen der Zinngiesser fur seine Br-
zeugnisse forderte, leicht iiber die Produktionskosten zu
weit hinausgehen. Moglicherweise barg auch eine zu grosse
Portion Blei Gefahren fur die Gesundheit oder bot ge-
ringere Gewahr fur die Dauer des Gef&sses. Daher be-
stimmten im Jahre 1361 die wendischen St&dte des Hanse-
bundes, Rostock, Lubeck, Wismar, Stettin und Greifswald
auf der Tagfahrt in Lubeck, das Verhaltniss, in welchem
Zinn und Blei fur die Anfertigung von Zinngeschirren ver-
mengt werden durften und kamen in der Polge mehrfach
darauf zuruck. Nicht minder liessen die preussischen St&dte
es sich angelegen sein, zur Zeit der deutschen Ordensherr-
i) Hegel, Stadtechroniken. Bd. 2, S. 507.
2 ) Biicher, Die Bevolkerung von Frankfurt a. M. Bd. 1, S. 83.
3) Sprengel's Handwerke und Kiinste (Berlin 1769) Bd. 4, S. 72 be-
sagt hieriiber: der Zinngiesser verarbeitet dieses Metall nie un-
vermischt, sondern er setzt jederzeit einige Metalle oder Halb-
metalle hinzu. Diese fremden Theile nennt er Versatz.
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225
schaft die Kannengiesser zu beaufsichtigen und in mehrfach
wiederholten Vorschriften ihnen die Richtschnur far ihre
Th&tigkeit zu geben 1 ).
Das Verhaltniss, welches man damals als zweckmassig
ansah, gestattete auf ein Sehiffpfund Zinn 5 Lispfund Blei
zn nehmen mit der Beschrankung, dass Schiisseln, Plaschen
und Ampollen aus reinem Zinn gegossen werden sollten.
Spater, im Jalire 1376, wurde fiir Kannen, sowie fur Hand-
griffe und Wirbel an den Gefassen ein st&rkerer Bleizusatz
erlaubt, n&mlich fur die ersteren eine Mischung von einem
Pfiind Blei und drei Pfund Zinn — die oben erwahnte Be-
stimmung bedeutet eine Mischung von 1 Pfund Blei auf
3V5 Pfund Zinn — , fur die letzteren eine Mischung von halb
und halb, w&hrend Becher (Standen) 2 ), Plaschen, Schiisseln
und Salzfasser aus reinem Zinn herzustellen waren. Eine
derartige Mischung war im sechszehnten Jahrhundert in
Lubeck fur Kannen und sogenannte Mischarbeit noch immer
ublich (dat schal wesen de dre part klar thyn unde dat
veerde part blyg) s ). Standen, Plaschen, Schiisseln, Ampollen
und Becher (bechele) dagegen mussten aus reinem Zinn an-
gefertigt werden. In den preussischen St&dten dauerte es
langere Zeit, bis man sich iiber eine bestimmte Mischung
einigte. Als man im Jahre 1410 daran ging, die Durch-
fuhrung der Vorschriften zu verlangen, wie sie die wendi-
schen Hansestadte im Jahre 1376 aufgesetzt hatten, stellte
sich heraus, dass die preussischen Kannengiesser anders
vorzugehen pflegten. Sie nahmen zum Rumpfe der Kanne
eine Mischung von 2V2 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, zu
den Henkeln und Griffen (hengelen und handgriffen) eine
Mischung von 2 Pfund Blei und 1 Pfund Zinn. Da nun bei
!) Naheres hieruber in meinem Aufsatze: „Hansische Vereinbarungen
iiber stadtisches Gewerbe im XIV. und XV. Jahrhundert" in
Hansische Geschichtsblatter, Jahrg. 1886.
2 ) Gefasse, die oben enger sind als unten (Wehrmann).
3 ) Wehrmann a. a. 0.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 15
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226
diesen Gewohnheiten die Mischung, welche in den west-
lichen Hansest&dten gebr&uchlitfh war, einzubiirgern nicht ge-
lungen zu sein scheint, so machte man im Jahre 1432, indem
man fiir Kannen und ZubehcJr die Mischung von S Pfund Zinn
und 1 Pfund Blei forderte, das Zugestandniss, dass Schiis-
seln, Stand en und Flaschen nicht aus r&inem Zinn hergestellt
zu sein brauchten. Bei Schiisseln durfte man auf 8 Pfund
Zinn, bei Standen und Maschen auf 10 Pfund Zinn 1 Pfund
Blei hinzufiigen. Die Landesordnung vom Jahre 1435,
welche die Frage zum Abschluss brachte, schrieb vor, dass
Standen und Maschen aus klarem Zinn, Kannen aiis einer
Mischung von 2 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, Schiis-
seln und Teller aus einer Mischung von 5 Pfund Zinn und
einem Pfund Blei anzufertigen waren.
Ueber die Kannengiesser in Riga oder Reval zu dieser
Zeit ist nichts bekannt. Lediglich der Umstand, dass jener
Beschluss der Seestadte von 1376 in das Revaler Denkel-
buch 1 ) eingetragen worden ist, deutet auf das Vorhandensein
derselben. Ich denke, dass der damalige Bedarf an Zinn-
geschirren haupts&chlich durch Einfuhr aus Lubeck und an-
deren Hansestadten gedeckt sein wird. Es wird in Riga
nur wenige Gewerbetreibende dieser Art gegeben haben'und
diese Wenigen werden kein besonderes Amt ffrr sich ge-
bildet haben. Vielleicht hatten sie sich, wie das nach Ausweis
eines Revaler Schragen der Grob- und Kleinschmiede von
1459 dort, iibrigens attch in Frankfurt a. M. seit dem 14. Jahr-
hundert 2 ), der Pall war, dem Schmiede-Amt angeschlossen.
Nach dem Schragen der Rigaer Schmiede vonl57& z&hlten
zu diesem Amte die Kronengiesser, d. h. Gewerbetreibende,
die man — nach ihrem Meisterstiick zu urtheilen ^— in anderen
Stadten als Grapengiesser bezeichnet. Ihr Meisterstiick be-
i) Liv-, Bhst- u. Curland. Urktmdenb. Bd. 3, Nr. 1164. Das rich-
tige Datum ergiebt sich jetzt aus Hanserecesse I. Abth. Bd. 2,
Nr. 115.
2 ) Biicher, a. a. 0.
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stand in Anfertigung eineB Wandleucbtera* ernes Morsers und
ernes Grapen x ). Mijglicberweiae hatten sjch aber zu dieser
Zfcit die Kannengiesser bereits zu einer selbstftndigen Kor-
poration zusammengethan, wenngleiph eiji Scbragen sicb bis
jetzt Qocb iiicht hat finden Jas^en. Ich mtfchte das ajj-
nehmen, weil eine Vereiflbarung de* Kannengtesspr-Aemter
von liikbeck, Hamburg, Wfcmar, Rpstock u. s- w. 2 ) uber die
Behandlung der Gresellon vom Jabre 1573 141 eu*eri gut er-
haltenen Pergamenturkunde nach Riga gerkommen ist (g^gei*-
wartig in* ,Ratbsarcbiv aufbew^hrt). Der Beziebungen
zwischsn den liviandischenStadten auf der.ejnen Seite und
L&beck nebst den andern Hanaestadten auf der anderen
Seite waren zwar viele; auch mussten die Kannengiesser
den Wunscb begen, ibre BeschJiisse weitbin befeannt m
geben. Beidea wiirde geniigen, den Fundort jenes Stiicks,
welches^ merkiwiirdigerweise in anderen Sfcadten siqh nicbt
erhalten zu baben scbeint, zu erkla^ei^. Indess mpchte n\an
docb glauben, dass wenn $8 in Riga zu jener Periocje nur
wenige Kanae&giesser gab, die uberdies kein Amt fur sich
bttdeten, die Hansest&dte es nicbt der Miihe .w^rtb gebalten
haben diircften, sie von ibren J^Hcbl,u$seu zu benactyrichtigfln.
Der erfcte, Scbragen, der von den Zinn- und Kannen-
giessern in Riga una bekannt ist, stammt aus dpni Jahr
1645.- Sowohl d^ Sphragenfeu^d^r RigischeflL Adulter 3 ),
*) Were.er aber, ein Kronengiosser, der soil gjessett emeu leacbter-
armb, den man an eine, wand gebraucht und einen stossmerser,
zum dritten einen grapen. Die Revaler Grapengiesser (grapen-
geter),,die im. Jahre 1459 zum Schraiedeamt gehorten, mussten
machen „3 form eh, de erste forme sail sin ein grapenform unde
cin degellform (Tiegel) unde ein morserform (Morser) unde dat
selveste to geten unde to beryden."
2 >vergl. meinen. Abdruck derselben in „Jahrbucher fur National-
dkonomie ; und Statistik, . herausg. yqn-Hildebrand*, 3d. 33, S. 334
bjs 339.
3 ) Halblederband von 1110 Seiten.
15*
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228
welches auf dem Amtsgerichte in Riga auf bewahrt wird, als
auch das im Besitze des Herrn Burgermeisters Bdthfuhr
befindliche Exemplar eines Schragenbuches enthalten Ab-
schriften desselben. Das unter Nr. 374 der Manuscripte der
Ritterschaftsbibliothek in Riga eingereihte Schragenbuch
fiihrt eine Rolle der Zinn- und Kanngiesser von 1688 an,
vermuthlich nur eine jiingere Abschrift jener altera vom
Jahre 1645. Der Original-Schragen von J.645 ging bei der
Pest im Jahre 1710 verloren, wie der im Rathsarchiv auf-
gehobene Schragen des Amts der Zinn- und Kannengiesser
vom Jahre 1719 besagt, der nur eine Erneuerung jenes
altern verlorenen sein will. Das Amt verfiel mit der Zeit
vollst&ndig, wohl in dem Maasse als das Zinngeschirr durch
Porzellan, Fayence und Glas verdr&ngt wurde. Ein Ver-
zeichniss „derer Meister und Amtsgenossen nachstehender
teutschen wie auch unteutschen Amter in Riga de anno
1763" fuhrt nur drei Zinngiesser auf.
Mit den Kannengiesser- Aemtern in den norddeutschen
St&dten an der Ostsee waren die livlSndischen stets in
enger Beruhrung. Nach der damaligen eigenthumlichen
Organisation, welche das Zinngiesser-Gewerbe beherrschte,
waren die grtfsseren norddeutschen Stadte im Hansegebiete
als Vororte ausersehen, denen'die anderen minder bedeuten-
den sich in gewerblicher Beziehung unterordneten. Sei es,
dass in den letzteren besondere Zinngiesser-Aemter nicht
vorhanden oder die vorhandenen nur mit wenigen Meistern
besetzt waren, die betreffenden Gewerbetreibenden hatten
sich in alien Handwerkssachen den Entscheidungen des
Amts in ihrem Vororte zu fugen. Riga, Reval, Narwa und
Dorpat gehtfrten bei dieser Eintheilung nach Lubeck und
mussten sich, wie der technische Ausdruck lautet, dort
„strafen tf lassen. Auf einer der Versammlungen, welche die
Zinngiesser-Aemter der Hansestadte alle 7 Jahr zur Rege-
lung ihrer Angelegenheiten in Lubeck abzuhalten pflegten, '
wurde den Lubeckern dieses Recht streitig gemacht. Jedoch
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229
kamen die anwesenden Deputirten dainals — am 18. August
1710 — uberein, dass es bei der alten Verfiigung ver-
bleiben sollte.
„Die Ehrbaren von Stralsundt", so lautet der Beschluss,
„haben wider die Ehrbaren von Lubeck protestiret, dass sie
die Stadte in Lieffland, namentlich Riga, Reval, Narwa und
D6rp, wie auch in Ourland Libau, Pernau, Mytau, Windau
und Golding, nicht unter ihre Bestraffung behalten solten;
darauff ist von dem gantzen ldblichen Convent beliebet
worden, dass die Ehrbaren von Lubeck solche spezificirte
Stftdte fernerhin behalten solten, weiln sie solche von uhr-
alten Zeiten gehabt und auch niemahlen von jemanden
wiedersprochen worden. Dahingegen also hat gedachtes
ldbliches Convent ihnen denen Stralsundern alle ubrige an
der Schwedischen Seekante belegene St&dte zu bestraffen
zuerkant, und solte so Jemand aus denen ubrigen St&dten,
ohne die obspecificiret, zu Lubeck anmelden und die Be-
strafung begehren, so wollen die Ehrbaren von Lubeck
selbige Persohn an Stralsundt verweisen, umb ihre Be-
strafung alda zu hohlen" 1 ).
Auf zwei spateren Versammlungen in den Jahren 1719
und 1729 wurde dieser Beschluss wiederholt.
Auch in den livlandischen Stadten taucht nun die
Frage auf, welches Verhaltniss der Zinn- und Blei-Mischung
am zweckmassigsten den Arbeiten der Kannengiesser zu
Grunde gelegt wird. Einige undatirte Papierblatter, die
sich in einem Revaler Schragenbuche des 16. Jahrhunderts
vorgefunden haben, geben daruber Auskunft. Sie stammen,
nach der Handschrift zu urtheilen, wohl aus derselben Zeit,
wie das Buch, in welchem sie aufbewahrt sind. Herr Staats-
rath von Nottbeck in Reval glaubt sie in das Jahr 1550
verlegen zu ktanen. Der Revaler Rathssecretair, der mit
der Angelegenheit zu thun hatte, war Lorenz Schmidt und
die Amtszeit desselben -fUllt in die Periode 1541—70.
*) Becess im Kostocker Rathsarchiv.
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Die Revaler Kannengiesser ver arbeiteten damals einer*
seits klares Zinn, woruntefr sie eine Mischung von 12 Pfund
Zinn und einem Pfund Blei verstanden, und andererseits ziir
Herstellung des sog. Mankgutes eine Miscfaung von 9 Pfund
Zinn und einem Pfund Blei. Ausserdem hatten sie die Ge-
wohnheit, als „Abgang tf beim Guss eine bestimmte Menge
Zinn zuriickzulbehalten. W6nn ein Kunde ein Lispfund
reines Zinn zum Verarbeiten brachte, so erhielt er nioht 16,
sondern nur 14 Pfund Zinn in den angefertigten Gei*Sthen
zuriick. Mit diesen Arbeitsgebr&ucheh scheinen die Revaler
auf Schwierigkeiten gestossen zu sein und wandten sicb
naeh Riga und Dorpat mit der Bitte um Auskunft, wie es
dort gehalten wurde, wobei'did gehofft zu haben seheinen,
dass man die von ihnen beliebten Normen als die allgemein
gebr&uchlichen best&tigen wurde. * Dieses Schriftstiick ist
nachstehend unter Nr. 1 abgedruckt. In dem^elben stellen
die Kannengiesser ibren Fall fcwar so dar, als ob Sie dfe~
jenigeri w&ren, die bei ihrem Verfahren leicht zu Schaden
k&men, insofern sie das alte Ziringeschirr des Adels iiber-
nehmen miissten, das nicht in demselben Verh<niss Zinn
aufweise, wie ihre Erzeugnisse^ Es 1st aber sehr zu fnxehten,
dass der Adel gutes (d. h. aus ganz reinem Zinn bestehendes)
Zinngeschirr, vielleicht importirtes, besass, und bervorkom-
menden Reparaturen desselben schl&chteres (mit Bleizusatz)
zuriickerhielt, Dias „Mankgut a wurde zwar auch im Aus-
lande, z. B. in Liibeck, „ thorn dardehn punde^ gegossen (dat
schal wesen de dre part klar thyn uhde dat verde part
blyg), aber die bessere Waare in Schusseln, Flaschen; Am-
pollen u. s. w. aus reinem Zinn angefertigt.
Auf den Brief der Revaler erfolgte die unter Nr; 2
nachstehend abgedruckte Erklarung/ wie es in Riga mit der
Verarbeitung des Zinns gehalten wurde. Ob dieselbe j als
eine Ausarbeitung der Zinngiesser selbst anzusehen ist, bleibe
dahingestellt. Die ganie Haltung des Aufsatees macht /nioht
diesen Eindruck und die Worte im vorletzten Absatz „damit
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231
ira gerurter schade der gemeyne muchte abgeschafft werden,
will me ins bedunckens notigk sienn" legen den Gedanken
nahe, den Verfasser in den sachverstandigen Kreisen der
Rathsmitglieder zu suchen. Die Handwerker hatten auch
kaum so unumwunden zugest&nden, wie es hier der Fall ist,
dass dieangefertigteri Erzeugnisse von der einmal als zweck-
massig angenommenen Norm weit abwichen.
Hiernach ging die Verarbeitung des Zinns folgender-
maassen vor sich. Zii Kannen wahlte man eine Mischung
von 12 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, die Handgriffe an
denseltaen aber wurden „uber die helffte gerynger" gemacht,
nicht naeh einem bestimmten Verhaltniss. Zu Schusseln,
Tellern und anderen Stiicken, die ohne Henkel gegossen
zu werden pflegten, nahmen die einen dieselbe Mischung wie
zu den Kannen, die anderen eine geringere. „Manckgut, tf
das man in Riga „Fategudt u nannte, wurde fur gewdhnlich
aus einer Mischung von 3 Pfund Zinn mit einem Pfund Blei
angefertigt. Doch hielten sich nicht alle an diese Regel
und im Allgemeinen herrschte die Gewohnheit: „eyn jeder
machts so geringe er das giessen kan." Anderes Manck-
gat; diS so^en/tannelitiiaicfcgut, wurde tfus einer Mischung
die Zfon-undlBlei zn gle^h^n Tbeiten eogrielt, bemtefc, die
Handgriffe an diesen Kannen von Blei mit einem geringen
Zinnzusatz.
Die Rigaschen Kannengiesser verarbeiteten demnach
durchgehends geringhaltigere Mischungen als ihre Cbllegen
in Deutschland. Selbst da, wo sie das „Fategud" genannte
Manckgut, wie die Liibecker „tzum vierth" verarbeiteten —
bei den Lubeckern ist einfach von Manckgut ohne nahere
Angabe die Rede — machten sie es womtfglich schlechter
als jene,
Bei dieser Verarbeitungsweise entsprang fiir die livl.
Consumenten ein fuhlbarer Nachtheil, wie § 5 der Erkla-
rujog auseinandersetzt. Diejenigen, welche reines Zinn „wie
das aus dem berge kumpt" zur Verarbeitung oder englische,
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232
brabanter, holl&ndische, niirnberger und leipziger Zinn-
sachen, die das Zinn in besserem Verhaltnisse aufwiesen,
zum Umguss brachten, erhielten es nicht eben so rein zuruck,
sondern mit Bleizusatz. Ein Abgang, sagt der Verf. der
Erklarung, wiirde uberall in Rechnung gezogen, aber kein
so betrachtlicher, wie er in Riga iiblich war. Demnach
liessen sich die Rigenser dieselben Missbr&uche zu Schulden
kommen, wie die Revaler. Die Vorschlage, welche zur Ab-
hilfe gemacht werden, kommen auf dieselben Ideen heraus,
wie sie vor mehreren hundert Jahren bereits von den See-
st&dten laut wurden, n&mlich die Forderung, dass die Kannen
und die Griffe daran aus der gleichen Mischung bestehen
sellten. Zu der Frage, welche Mischung eigentlich die zweck-
massigere sei, ob die von 12 Pfund Zinn und 1 Pfund Blei
oder die von 10 Pfund Zinn und einem Pfund Blei, nimmt
die Rigasche Erklarung nicht Stellung, sondern iiberlasst
deren Entscheidung den Revalern.
1.
Das Kannengiesser-Amt in Reval schreibt an die
Kannenglesser-Aemter (?) in Riga und Dorpat.
Ein einzelnes Papierblatt in einem Revaler Schragenbuch des
16, JahrhunderUy mehrfach corrigirt, macht den Eindruck
eines Brouillom.
Unnssen frunttlichenn groth midt aller erbedung alle
tidt thovoren, ersamen vorsichtigenn wolwisen gunstigen
heren. Alse uns dan ein erssam radt unses amptes der
kannengeter des gudes halben, wie we etselbige vorar-
beiden 1 ), szo arbeide wy datt clare tzin, gelick wo unse
vorvaders gedaen hebben, dat clar tein tho twolfften punde,
J ) Hier fehlt irgendwo das Verbum: „gefragt" oder „ersucht a ; ur-
sprimglich stand: e. ers. radt uns „anlanget unnd ersoght". Docb
sind diese Worte ausgestrichen.
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233
dat m'anckgudt thorn dardenn punde. So bidde wy nu Iw.
Er. W. wolwisen gunstigen herenn, gi unns mede willen
helppen behertzigenn thorn landzdaghe der beider Btede
nhamhaflftich Bigga unnd Dorpptte eres gude& halbenn, dat
dar gemaket wert, unnd ock de affganck unsem gude nicht
lickfformich ist, beide an dem claren unnd ock an dem
inanckgude, des wy uns dan beclagen, wen wy reysenn in
de markede manck denn adell, dar wy dan er gudt motten
entffangen tegenn unse gudt, unnd nicht so gudt enne is,
dar wy schadenn by lidenn motten. Bidden derhalbenn Iw.
vorsichtigenn wolwisen gunstighen herenn, gi willen dusse
vorgescreven artikell unnd puncte in gedenken hebben unnd
de tho vorenigen der beider stede des teins halben tho
maken an manckgude unnd an clar, uber uthwisunghe unsser
prove unnd des affganges halbenn by unns, ock mogen
broken glick de beide stede, unnd wo in Dudesslandt ge-
bruketwert, von dem liss.# afftogande twe marckpunt unnd
van dem halven eyn unnd van viven eyn halff.
I. E. W. gehorsame medeburgere 1 )
• dat kanngeter ampt
tho Revall.
2.
Erklarung fiber das Verhaltniss der Mischung, die von
den Ziiingiessern in Riga verarbeitet wird.
2 gleichlautende nur in der Schreibweise abweichende Exem-
plare, Papierbldtter , das eine mit blasser, das andere mit
schwarzer Tinte. Das letztere fuhrt avf der Ruckseite den
Vermerk; die kanneengeten belangende. Copie nach dem
letzteren.
Antzeigunge des tzin, wie guth das itzt in der stadt
Riga tzur prob vorarbeydet unnd gemacht wirdt.
l ) Diese Worte scheinen yon einer anderen Hand hinzugesetzt zu
sein. Die Unterschrift riihrt wieder von derselben Hand her, die
Alles schrieb.
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234
t. 1 ) Erstlick so wirdt das tzin, welchs man klar nennet
nnd zu kannen maehet, tzum tzwelflftenn punde vor-
arbeith, das ist, man setzt inn zwelff mark,^ klar tzin
1 markiSf bley, die handtgrieff oder hengGll, aber darbie
man die kan helt unnd auffthut, wirdt mehr alss uber
die helffte gerynger gemacht und wierdt in dem kein
gewisse prob gehalteh noch angesehenn. Und so man
allerley kangisser arbeidt probierenn unnd eyne ge-
machte kan mit irem handtgrieff tzugliech eynschmeltzen
unnd besehenn, wurde nicht geringer mangell bie
etlichen derwegen uffenbar warden und die prob nicht
besser dan tzum 10, unnd etliche wieniger halten,
2. Das tzin an klarenn sehusseln, telleren unnd der-
gliechenn, dar kein handtgrieff ann kumenn, wirdt von
etlichenn tzum 12 unnd vonn andern geringer vor-
arbeydet.
3. Das manckgut, so alhier fategudt heist, sol tzumvierth
sienn, is gescbicht aber hierin keyn auffsehens, sender
eyn jeder maehts so geringe erdas giessen kan.
4. Hiemegst ist ander manckgut, ias kannennmanckgut
genandt wMt, dasselbige sol die helffte tzin sienn, is
ist aber auch an prob gegossenn unnd kundt man die
* baAdtgrfetfe'gar "bfye&f giassdaii (vrelchsr vor -twat&bit 2 )
des *hUes njebt «#gk i ge^h^en), n*$a tofch : is uaafi wirdt
also von jederm sienes gevallens vorarbeith.
5. Der nachteil aber, damit gemeiner man hierinne be-
schwerdt wirdt, is diesser, so eyner eyneru kangiesser
newe klar tzin, wie das auss dem berge kumpt, oder
alt klar gudt wie in Engellandt, Probandt 3 ), Hollandt,
tzu Nurmbergk unnd Lieptzigk gemacht wirdt, alhier
bringet, vorarbeyden und umbmachen lesset, alse dan
!) Die Zahlen vom Herausgeber hinzugefiigt.
2 ) Schwachheit, d. h. geringe Haltbarkeit.
3 ) Brabant.
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235
gibt man im solche newe arbeit, wie obenn angetziegt,
wiederumb unnd rechent im auffs schippunt 2 lispunt,
der abgangk wirdt allenthalbenn zugelassenn, es wirdt
aber niergenn dan alhier gestadet, das man klar tzin
dem kangiesser lieffer 1 ), unnd tzum 12 oder 10
wiederumb vor klar von im entfange, unnd also ge
meine? man auff 1 schippunt 2 lispunt vorkortet wirdt
6. Damit nu gerurter schade der gemeyne muchte affge-
schafft werden, will meins toedun&kens notigk sienn
das Ewer Ert>ar Wieseheit hiefuber ein gdwiesse orde
nunge mache, das das tein, es sien schusseln odder
kannenn glieche gut sampt den handtgrepenn gemacht
werde, dessgliechen auch das fate und kannenmanck-
gudt nach der prob machen unnd vorarbeiden lassenn.
7. Und wan Ewer E. W. sich des gantz endtschlossen,
ob das tzin tzum 12 oder 10 oder besser solte ver-
arbeideth werden, muchte E. E. W. tzu behaltunge der
angenomen ordenunge eynem der kangiesser nach auff-
gesatzter prob alle monat umbher probiernn, unnd eyn
auflfeehens tzii hftbenn bie sienem eyde atiffleggenn, wie
das dan in Duthsohlandt auch gebrucklich is.
!) lieffert.
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Kunstgeschichtliche Bemerkungen fiber die
St. Petrikirche zu Riga
und ihre Vorganger in Meoklenburg.
Von Architekt W. Bockslaff.
Und each will ich begrnssen,
Ihr Zeugen stnrmnmweht,
Die ihr an nnsern Flnssen,
Ihr dentschen Dome, steht.
F. Kugler.
Der Dom und die St. Petrikirche sind sonder Zweifel
die grossartigsten und bedeutungsvollsten Monumente, welche
die vielbewegte Vergangenheit unserer Stadt uns hinter-
lassen hat. Sind doch in ihnen die beiden Hauptfaktoren
des mittelalterlichen Lebens der Stadt Riga gleichsam zu
Stein geworden; im Dom erblicken wir die Pfarrkirche der
einst weitherrschenden und einflussreichen Erzdidzese Riga,
das gewaltige Denkmal des geistlichen Grunders der liv-
landischen Colonie, des grossen Bischofs Albert v. Bux-
hoevden, in der Petrikirche dagegen haben wir die ehemalige
Parochialkirche der reichen Hansestadt und ihrer riihrigen
Biirgerschaft vor uns. Diese ihre fruhere Bestimmung ist
den beiden stolzen Bauwerken auch im Aeussern sowohl,
als im Innern deutlich genug aufgepr>. Ist dem Dome
bei aller Weitr^umigkeit und bei der Grossartigkeit seiner
baulichen Verhaltnisse eine gewisse Gedrucktheit und
Schwerf&lligkeit nicht abzusprechen, so muss dem un-
befangenen Auge beim Eintritt in die St. Petrikirche sofort
klar werden, dass hier ein freierer, ich mtfchte fast sagen,
schneidigerer Geist gewaltet hat. Ist auch der Dom sicher das
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237
grossartigere der beiden Gotteshauser, wie auch sowohl in
historischer, als architektonischer Hinsicht das interessantere,
— der Preis der grtfsseren Schtfnheit muss der St. Petri-
kirche zufalien.
Auch ihr stolzer Bau ist nicht unversehrt aus dem
Wechsel der Jahrhunderte auf uns gekommen; Krieg, ele-
mentare Ereignisse und unverst&ndiger Menschen Hand
haben ihre ursprungliche Gestalt mannigfach verandert, ihr
manchen kostbaren Schmuck geraubt. Der Einsturz des
mittelalterlichen ersten Thurmes gab ihr in der Folge die
jetzige styllose Fagade und den, allerdings mit Recht, viei-
bewunderten jetzigen Thurm; Krieg und Brand zerstOrten
die schutzende, einstmals reichgegliederte Gewflibedecke des
Hochschiffes, die von schnfldem Holze und in stylwidriger
Form wieder ersetzt wurde; rohe H&nde schlugen ihr
manchen Zierrath der Pfeiler ab und zuletzt iiberlieferte
zelotischer Reinigungseifer alles dem TrOdler, was das
Leben vergangener Greschlechter an frommen Gaben und
Kunstwerken in der Kirche hinterlassen hatte. Doch alle
diese Verunglimpfungen und SchJlden haben der Kirche
ihre Schtaheit nicht vftllig zu rauben vermocht, noch jetzt
wird Niemand durch das Hauptportal in das Mittelschiff
treten, ohne den Reiz ihrer edlen Verh<nisse zu spuren.
Der Bau hat dennoch verh<nissm&ssig weniger als
die Domkirche durch die Ungunst der Zeit zu leiden ge-
habt. Einestheils hat er durch sein geringeres Alter nicht
so haufig den Wechsel des kiinstlerischen Geschmackes an
sich .zu erfahren gehabt, anderntheiis haben seine, eine
kr&ftigere und der Renaissancezeit fremdere Sprache reden-
den Formen ihn vor gar zu vielen Zuthaten in diesem Style
zu bewahren gewusst. So ist er denn, von der Fagade
abgesehen, doch im Grossen und Ganzen in reinerer Form
auf uns gekommen, als es beim Dome der Fall ist. Auch
ist von dem inneren Schmucke der Kirche, sofern derselbe
nicht direkt mit dem katholischen Cultus zusammenhangt,
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238
doch wenigstens Biniges erhalten geblieben; man gedenke
nur der grosseren Anzahl der Wappenschilder, einiger alter
Metallgitter und vor allem der zahlreichen messingenen
Armleuchter, die noch jetzt der Kirche zum ganfc hesonderen
Schmuoke gereichen. Aueh scheint St. Peter, mehr als es
beim Dome der Fall war, in protestantdacheir Zeit die
GunBt der Stadtbevolkerung genossen za haben, was, da
die Kirche von jeher die Parochial- und Rathskirche Rigas
war, ja auch nicht mehr ale naturlich ist,.wahrend der Dom
erst circa anderthalb Jahrhunderte naoh Griiadung der
St. Petriklrche in den Besitz der Stadt gelangte.
Wie schon erwahnt, ist in dem Dome sicherlich. die
sowohl historiscb als baulich interessantere Kirche 2u sehen,
weshalte es sich erkl&ren lasst, dass iiber dieselbe ver-
haltnissmassig weit mehr bisher verftffentlicht worden ist,
als uber unsere hier zu besprechende Kirche. Das Ver-
dienst, zuerst sich in eingehenderer Weise mit der Archi-
tektur beider Kirchen besehaftigt zu haben, gebuhrt Ober-
ittgenieur B. Becker, dor schon vor zwanzig Jahren in den
„Rigaschen Stadtblattern" einen Aufsatz nebst erlauternden
Zeichmmgen veroffentlichte. Doch scheint clamals in hiesigen
Kreisen noch zu ^enig Verstandniss fiir ; unsere mittel-
alterliche Kunat geherrseht zu haben, sein Beispiel biieb
lange Jahre ohne Naehfolger. Im Anslande, dflr Heimath
Beckers, hatte man schon seit mehreren Jateehnten be-
gonnen, die alten Baudfcnkmale verstandnissvofl zu restau-
riren, hier geschah noch fast nichts, octer wenn etwas
geschah, so war es meist in verkehrter Weise. Erst jetzt,
vor wenig Jahren, ging R. Guleke in bahnbrechender Weise
mit seiner er&chttpfenden Unterguchung uber <Jen Bau des
Domefc voran und es fehlte ihm nicht an Nachfolgern, so-
wohl unter den Kjreisen der Architekten, wie der Historiker,
welche beide sich bei diesem Werke die IJande zu reichen
haben. Von Vortheil fur die weitere Verbreitung der
Gulekeschen Arbeit und fiir das Interesse, welches sie
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239
beanspruchen musste, war der Umstand, dass.sie im Jubi-
laumshefte der baltiscken Monatsschrift erschien und ihr
Erscheinen zeitlich mit der Errichtung der neuen grossen
Orgel im Dome nahe zusammenfiel. Seitdem ist allmahlig
auch in weiteren Kreisen das Interesse fur die Sache er-
wacht, wiewohl das richtige Verstandniss fur dieselbe, selbst
in den Kreisen der Fachieute, vielfach noch ein ziemlich
geringes ist.
Bis , auf die kiirzeren Notizen W. Neumannp in seinem
Grundri$s der baltiscljen Kunstgeschichte und seinem Auf-
satz iiber „ die Charakteristik der baltischen Kunst" *) ist
seit Becker nicjhts iiber die Petrikirche vertfffentlipht worden;
daher will i$h versucben, das, was ich an, diesem Ge-
baude beobaohtet babe, weiteren Kreisen bekannt/zu machen
und damit das Interesse auch fur dieses zu ford^rn, Es
liegt mir feme, dainit eine alles erschqpfende Arbeit liefern
zu wollenj wie Guleke es mit seinem Werke fafet gethan
hat; das mir zur Hand liegende Material ist dazu ein zu
beschei^enes und kaim zu einer solchen bei weiftem nichf
ausreichep. Es soil, mich aber frjeuen, wean spatere Be-
arbeit^r d,es vorliegenden Themas.in diesen Zeileij, ^renigstens
Eimiges finder : was fur. ihre Zwecke yerwendbar ist. Gern
hatte ich dies^n Zeilen eine genaue Aufoa&ne <Jes Baues
mit auf den Weg >¥ gegeben, doch wer die Schwierigkeiten
kennt, welche einer wirklich alien Anforderungen geniigen-
den AufmQBsimg eines so^h^i Baues in den Weg t^eten,
wird eg b^greiflich f nden, dass ich ganz dar^iuf v§rzichte*je,
denn liebej^ ver#ffentlicbt man gar keine Aufnahmen als
ungenaue, djie, mit Maassst#ben yejrsehen, doch. Anspruch
auf Vertrauen ; ^rfcebea und cipher leicht zu Irrung^n fuhren.
Die beigegebenen Skizzea sollen nur zum leichteren. Ver-
standniss des Textes dienen. An dieser Stelle sei den
Herren Gberbaurath Daniel zu Schwerin und Baurath
!) Vergl. Rigasche Zeitwig 1887 Nr. 261 und 262.
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240
Mflckel zu Doberan nochmals Dank fur ihre freundlichen
Bemlihungen zur Beschaffung des ndthigen Materials gesagt.
Auf die Geschichte der Kirche gehe ich hier nicht
naher ein, es ist dies nicht meines Amtes, sondern das des
Historikers. Die Arbeit des Dr. Joseph Girgensohn bringt
Alles, was iiber dieselbe zur Zeit erkundet werden kann
und habe ich von den durch ihn ansfindig geraachten Daten
nur so viel hier mit verflochten, als es mir fur meine Zwecke
ntfthig erschien. Indessen sei hier gleich gesagt, dass kaum
eines der Daten des Dr. Girgensohn ganz unzweifelhaft
genau auf diesen oder jenen Theil des Baues weist; was
uber die Bauperioden gesagt ist, kann nach wie vor nur
als ungefthre Zeitbestiramung gelten. Auch die Angabe
der von Arndt erw&hnten, auf den Chor sich beziehenden
Inschrift: -
Milieno, quadringento, sexto simul anno
Christi, principium fert chorus iste suum.
welche sich zu alten Zeiten neben dem Sudportale befunden
haben soil, ist nicht iiber allem Zweifel erhaben. So lange
aber nicht ganz unzweifelhaft genaue Daten fur die Bauzeit
der einzelnen Theile der Kirche gefunden werden, mussen
wir uns an Girgensohns Zeitbestimmungen halten, welchen
ich in alien Stricken beipflichte, um so mehr, da sie mit
dem architektonischen Charakter des Gebftudes in vollem
Einklang stehen.
Zwei Behauptungen kGnnen aber mit Sicherheit auf-
gestellt werden, denn sie werden durch genaue Betrachtung
des Baues selbst erwiesen; er redet diesbeziiglich eine nicht
misszuverstehende Sprache. Erstens die, dass von der
St. Petrikirche des 13. und wahrscheinlich auch des ganzen
14. Jahrhunderts nichts mehr im Gebaude steckt. Zweitens
die Behauptung, dass der Chor der alteste Theil der Kirche
ist und das Langhaus an denselben gefugt ist. Was diese
beiden Punkte betrifft, so stehe ich darin mit der Hypothese
Beckers im Widerspruch. Fur den Chor als den alteren
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241
Theil hat sidh ber^its vo* larger Zeit Dr. Gutzeit in eineip
Aufaatz0 iiber die Kirchen Rigas aupgegprochen.
Bevor ioh jetzt zum ispeciell ktinsthistowschen Theile
dieser Schrift ubergehe, mdchte ich noeh - einer Ansioht
eirtgegentreten, die ich gar zu haufig und Belbst aus dem
Munde vou JTachgenoesen gehdrt babe. Eb wurde Jmir ge-
sagt, es sei wohl kaum der Mijhe werth, sich mit ungeren
mittelaUerlicheu Kirchen eingebender zu befassen, eineg-
theils standee sie in Bezug auf ihr^ji kunBtlerischen Werth
auf einer gar zu niederen Stufe, anderenthails seien sie ja
doeh nur Copieen weit schtoerer ausl&ndifi^her Bauten und
hatten daher fur die Kimstgeschichte durchaus keinen Werth,
weshalb sie auch kein Becbt hatten, in derselben einen
Platz zu bea&Bpruchen. Freilicb, mit den Haqsteinbauten
Sud- und Westdeutschlands kaan man sie nicbt auf eine
Stufe stellen, ui*d ist es mir auch nieeingef alien, dies zu
thun." Und selbst wenn ich es tb&te, ein Yergleich. auf
Haannonie der raumUoheni Verh&tnisse \rurde zu UngunBteji
manchefl, in der Kujastgeacbkhte eine grosse Bolle spiefen-
den Baues ausfailen. Man trete z. .B. in die engen, g$-
druckten, dj&steren Seiienschiffe vieler jfbeaniachjer Kirchen
und verglcicbe damit . speciell das audliche Seitenschiff
unBerer Domkirohe. Welch andrer Geist weht darin, ebenso
wie in einein anderen, allerdings > auswartigem Ziegelbau,
der Marienkirche zu Lubeck. In Bezug auf die upseren
Kirchen Terwandten \ Bauten , im Norden Deutscblands,
wo ihre Vorbilder zu suohen sind, ist obige Ansicht jedoch
eine ganz und gar verfcehrte. J)ie Bigaer Domkirche %. B.
ist ihrem Vorbilde, dem Dome zu Lubeck, in kunstlerischer
Hinsicht sicher bei weitem uberlegen, ist daher auch keine
Copie desselben, Bondern reprasentirt eine weitere Entr
wickelunggphase der daselbst gegebenen Motive. Bei der
St. Petrikirche ist bezflglijoh der inneren Ausbildung ejn
Rttekschritt gegeniiber ihren VorbiWernj dem Dome , zu
Schwerin, und. mehr noch gegeniiber der Abteikirche z^i
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 16
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242
©obfcraft toicbt feu letignen, lite Au&bildung <les Aetissereki
des Chores da^egeto iet der jetier beiden Eirchen theilweise
fifbefctegeto; tf<er Aks Aeu&ere dee Chutes attaetfer Kirche
ittit d&n Aetissefti de* gratidioBfen tind in diedei* HmsitAt
writ Befcht vidgiet*Miiiftten LUbeck^t Marienkirche verglefoht,
w8 !fi Befcttg anf Schttitioklo&igkeit das A^ussdrste gelei^t
isfc, *frd trohl einstfheii, atiF'eitter irieviei * hflherett kdast-
terisfchen Storfe dieter Th&l del- St. Petoftttclte -Bteto*.
Vfcll&hds die Rfchheiten dier SteaisnAder Marieiikfrche, die
dofch itt jeder Kiiti&l^scbichteilb^eti Plate fitidefy die fcntek-
bogig&i tiM halbfcn "Pttdste ^fc. derselben, koriuaefc <6oeh
bei trtiserer Kirehe 'Aieht vw. Atoh -fet die St. Petrikirtih^
*#ttt d&Voh isfcfefetfkt, fciite Ctfpte deS Schwariner Dotaes tfti
sefri; da& dart und fc« DGbaran gegebeiie Motiv hat hie*
eSfce "Wteite^etitwi^keliiHg erfklir&nj welcbe sogar efrrige gswnz
s^rfcttftr*^ Eigenheiten aeigtj von denten ich laUerdings
nteht bebaupten -"will, disss sie alle'^en I*6rtsohfitt in <dei %
'Ktm&t be^euten. Uiid: dohliesftlifeh, iro is* dfcfett eigefitK*h
Tfcftige (MgmaKtat in der Rt*nat? S4e stecfct mit ih*ei&
Ttf&ger, dem Mefaschen^ On Bantie ihretf Umgebang, d&t
zfcifclfchfen V^haftnissfc titid der Vetfgangenbeit. Das Btolaeste
Wferk der deuischen Gtatfiik, der Kdlner Dom, ist e* efavfc
<eiti Origifcaltf&fc'? S&hfcr: nicht, f^nzB&BOke* '4telst fcat
Mer sehr bedetotend ta Gavatter gesfcafcden.
Itti Neirctfeii Deutdchlands also, in Mecklenburg, kaben
Wfr fe n&chsten Verwandten d£r RJgaer St. Petrikirche,
d. h. sf>ecieH dei* ursprftiiglich^n Arilage dfcrselbeto, •zfc
sachefc. Mehrals alle anAeren kind die KfrGhe der ehe-
maligen Cistercienserabtei zti I)6beran und der Dem za
SfchweHn die Vorbilde* derfcelben. Es ist dieses sehr nattfi*-
itfeh, sind doch die mecklenburger Lande mit Stammlahdfc
der deutsch4iVl&ncHschen Colonie, habeft sie doch seit deli
«retea Jahren defc Bfc&ehens derselban im rfegsten Verkehr
mit ite £estenden. ifomch ntfecklenburge* Kind hat seine
Krafte der jnngen christlichen Pflanming geweiht, gar ^ele
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248
haben Het eine netie Heimath 'gefunden i Icb trill Mer niehi
dee nihem dairetiif ttagthenf, trar eritaiicJra trill w* an
einfcelne Momehte "dei* maiftiigfacben Bezfehun^en fcw$96hen
y viand iind ; Medklenbtrrg *), so ah die b&lflgen Heisett
BieehW Alberts nach Notdflen&cMftfid, dn die Tftiitigfceit
PhiHpf>s roil RtrtJxibtitg iw tmfeeren' Landen, aft den liV-
lttndiBdhefn Krettzzug Borwins *des Ersten, deB zweiten
cbristlichen Mrsten v. Mecklenbtrrg, der bei seiner Rfco'kkefci'
dae £los*er Diberah beatatigte und die Leiche s^iteff Vater«
Pfribisl&v «da&ell>fet beieeizte; Das Rigaetf ErzbiBthtrai, da*
fieiligen£feist-HoBpit*l *uhd das Kld&ter DGn»miiiide batten
bedeutewde Besitzungen in llecfclenburg. Johanri detfDrltte,
BrzbWclwtf von Riga, war Chraf von Schwerki nnd kurz vor
dem wahrscbeinlichen Begihn des Bauee der jetrigen 1 St.
Petrikirdbe, anno 1398, scbenfcte Erzbigcbof Johatin der
Ffinfte, WaJlenrotte von Riga, auf Ansnchen dee sehweriner
Doiiherren Dietrich von Jftmffhansen <ler Heiligel^BlutB*
Capeile ties dortigen Doaies em Stuck vom Kreuze ChriBti:
„von flenk h^Mgien Holze, fgo in der Rigeschen Kircbe ist*
aefofit 40t&gigem Ablfess ffihr ffiejjctoigen, welcbe vor der
ReMqnie ihre Andachtveriricbteten 2 ).
•' Allgiimeritor dro nttUobtirgar latMrafotylt
Iii den mecllenburger Lahflen wai 4 seit der Mltte des
1& Jahrhuhdeits fur deii Bati grosser Kirchen ein Styl in
Aufnabiiie geKommen, der sich von detn in den ntnlieg^nden
niedersSchsiscben tind m&rkischen Gebieten herrsctienden
sebr erheblicb untersciHfcidet. Wahrend in dieseri iter
Hallehban mit Voriiebe gepflegt Ward, findeii wir in Meckleh-
burg eine Bauform, die nicbts anderes als eine verfcinfachte
- ' .■■■■■■ .-.V , . . ,;.....:/ -.,.
. . ; i • . , • . ; . . . . , t . . . , ■ ;
x ) Siehe die Aufsatze von G. F. Lisch in den Jahrbucherii des
mecll. OesclAchtsVei-eins. Jahrgang 1S49. ' "
'*) Slfehe mecM. '^alfrbiichef , 13: Jahtgattf. Liach, 'Ge&Mchte def
Heiligen-BI*ts-<Dapelleiim Dome an iSchwerin.
16*
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244
Form des gross&rtfgen frunzftsischeti Kathedralstyles ist>
welches seine edeteten Vertreter in den Domen zu Amiend,
zu Rheims etc* fi&det. Gleichwie in diesen fiadett wir auch
hier die gothisohe Basilika mit ausgebildeteiffQtterscluffliiid
mehrseitig geschlossenem Hochchor uebst Kapellenkranz.
Doch wahrend in Frimkreich meiet die fiknfschiffige Anlage^
namentlich im Chor, bevOrzugt wird, let der Grandriss in
MecMenburg auf drei Schiffe redudirt; das iniiere Seiteii-
schiff r welches sons* als Umgang um den Hochckor teuffy
fallt fort und statt destfen fQgen sich die Ohoribapellfen un*-
mittelbar an die Scheidbdgen deft 0h6rhauptes. Diese vei>
einfachte Anlage der Chtirpaftie findet rich sfchoa ver+
einzelt iti Frankreicb und den Niederlandesi trie in detf Kifche
zu Uzeste, der Kathedrale zu Tournay uild dfeni Dome zu
Utrecht Unter der Zahl der Kirchen dieses mecklenburger
Styles finden wir, wenn auch nioht die tfeichsten/ so dock
unstrfeitig dte edelsten und erhabensteh kirchliehen Bau>
werke, welche die nofrddeutsche Backsteingothik je h6rvoi>
gebracht hut; mit die vorzuglichsten sihd geriide diebeiden
Vorbilder im&erer St. Petrikirche. Beast nicht dfer Bfck
ornamentaler Formen, die bunte Fafrb&ipfraohtf glasitftet
Steine, die bei diesen Werken wie bei vielen m&rkischen
Ziegelbairtefa ;daB Auge b«tioh* und luber wndetft' Mangel
hinwegt&uscht, es sind der einfache und strenge AdeJ der
einzelnen Bauglieder und die Ha^mpnie des Grundrisaes und
der Verh<nisse, welche das Studi\im dieser Monumente zu
einem ganz besonders anziehenden macjit. In reicher Zahl
Steven, diese Werke in <Jen §ta.dten der Ostseekupte; yon
Uibeck anfangend, fluden wir sie an vielen anderen Orten,
so in Wismar, RostQck, Stralsund, Dpber^n, , Pargun,
Schwerin. Wie sehr diese Bauweise den Zeitgenossen gefiel,
sehen wir daran, dass sie s^lbst ausserhalb der Grenzen
Mecklenburgs, in fernen uberseeischen Landen sich Eingang
zu scbaffen wusste< So bei: der St. Petrikirche zu Malmd
in Schonen und — bei unserer St. Petrikirche.
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246
Fragen wir, woher kam der mecklenburger Gothik diese
Bauweise, so l&sst sicb d&rfiber schwer g&nz Sicheres sagen.
Lisoh, in seinen Aufs&tzen uber die Doberaner Kirche, will
specidl bei <Meser und der Capelle zu Althof (Alt-Doberan)
norm&nnisohe Einflusse sehen und rerweist dabei auf die
normanniscbe Abkuaft der Stifterin Doberans, der Furstin
Woizlawa, Gemahlin Fribislavs, sowie auf die narmannaschen
Reliefiriegel in der Capelle zu Althof und dem Chore der
Abteikirche r welche eine uberraschende Aehnlichkeit mit
den Mosaikziegeln dBr Eitche zu Hovedoe bei Christiania
zeigen, welches Kldster von England aus gestiftet ist. In
England finden sick auch ahnliche Mogaikziegel, wie auch
in den unter dem Einflusse der Normannen stehenden
Thedlen Frankreichs 1 ). An anglononnannische Bauweise
erinnert allerdings auch die Querschiffanlage der Kirchen
von Doberan und Dargun, indem dieselbe ausser demHoch-
schiff nur ein SeitenschiflF und zwar ein dstliches aufweist,
ganz wie mehrere englisehe Eathedralen, 2. B. die zu
Salisbury und; Peterborough. Erinnern will icb nebenbei
noch an den Bom zu Upsala, welcher 1287. von einem
feanadsischen Meister, Etienne de Boneuil, im franzttsischen
Kathedralstyle begonnen ward. An Einflusse von Bdhmen
her, wo gleichfalls der genannte Styl kultivirt ward (Prag,
Kuttenberg), l&sst sich schwer denken, denn einestheils war
der Verkehr Bobmens mit Mecklenburg wobl kein sehr reger,
auch gehftren jene siLddeutschen Bauten mehr der Epoche
der Sp&tgotbik an. Am wahrscheinlichsten ist die Be-
einflussung des mecklenburgischen Styles durch die nieder-
rheinisch-gothische, direkt aus der franzflsischen hervor-
gegangene Schule, welche gerade damals im Dome zu tflln,
in der Katharinenkirche zu Oppenheim' etc. ihre grdssten
Triumphe feierte. Befolgt doch der Kolner Dom die
x ) Vergl. die ifttereasanten Aufeatze Lischs. Mecklenb. Jahrbiicher.
Jahrgang 1854.
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846,
franzcVeiadie Anlage, gleich den Giflferoienseckirehen zu
Maorienstadt und Altenbeirg, und t CistercieBserkloster waren
ja auoh Doberan undDargun. Selbst eiiie,j<iieeemMoDohs-
oi^en gekbrige, spatroBQaaisqhe Kircke: dear Rlueinlande, die
zu Heisterbach im Siebengebirge, zeigt sohbA in' ilurer Gbor-
atilage einen Aaklang aa den franzdsischen Kapellenkrana ^).
Hit einee -der <este& und erhiabensten Weirke der
nieckleabUrg^ Sckule kb St. Mariea zti iLiibeck. Hier iat
die Anlrige no6h €ine reoht schlichtej ein auBgebfldetes
Queradbiff fehlt, eiapelldnartige Anbautemitt: der: Hobe der
Sfeiteaschiiie ersetzen dasselbe^ Das Chorhaupt ^chli^st,
wie aa)oh an^ den Kirch© zu Dargn% Kg. ly nbch< etwas
unorganisch mit mar S Seiten dee Achteoks und hat udemr
eirtspreehend nur 3 Capellen; die Bauforauan, namentlich
des Aetissera, sind ftberechlicht, .5 «*
3Eine streng in sieh abgeachloeeen^ Quappe bilddn nan
drei Eircheri, cw^i meklenburgdflche und . einei livlandiflche;
namlioh die Doberaoer Abteikiroh^ der Dom hu Schwann
und; >die f St PetriMrohe 1 zi Riga- Biese • Bind es$ welohe
uoa ferner alleiii in Ansprudt nehnmen werdenu Pasflenwir
annaehst Alies zusammeii, was .dteseh drei tBanteo gemeinr
sami^ so ze%t; sichi Folgendesr i c .
1. Die Grnndfdrtn ist die dreisohiffigfe Basilika, mit
ausgefeiidetem Querscbiff in der Hohe dee MittBleohiffs, in
Sofcwerin -drei- 7 in Doberaa m d6r • Ausaenaf cbitektar afwei*,
in Riga wahrsoheinlich einsohiffig angelegfc?); das Ghorbanpt
sehliesst ftnfseitig mit fiinf Seiten des Aahteflks und ist von
funf, im Grimdriss siBchsseitigeix Oapellen umgeb^a. Eig* 2.
1)4^ s^Bin^sse^ap^ 4en^ie4«r^4en aH pehr^an^cneuilich
anzunehmen, wie schon; die verwandten Chpranlagen von Tournay
und TJtrecht zeigen. Auch sonst ftnden wir in der norddeutschen
Architektur vielfacn niederlandische Einflusse, ich ennneta nur
an die Danziger Renaissaucebauten.
3) LeteteTe Bemerkting mochrte in Being aaf Biga: WuMer, nelimen,
ich komme jedoch spater genaner daranf zu street en. <> ■
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247
2„ IMe PfeUer sift^im €rrmidris»qunidrMia9h, wtitfcb-
gasobrftgtea ode* abgenwdeten Bcken, anf dar Mitt* der
Seftenfl&sheBrmit BieaatYorlagen f6r die (Jewttlberippen nafl
a& SobeidbogeahProfilkung*
•« IMefta, re&aaftiaohe Rfewinisoe^en seigwde Pfeijeiv
bildw&g iat wohl die ctorakteriBtiasfaate Eigwtbwdiohkett
diweiT'duw Monuments nnd ecbeidflt m styme w alien
verwandten Itanten, He*r Oberbauratb J>wiel m Sebwfltuh
©in gru^dKohar Kroner der mecklaaburger JJauten, ^clirieb
wir **u£ *peqiefle A#&aga, das* ibm ande?!& Kw*w m*t
almiieher Pfeilerbildung in seiner: Heimath: nieh* bekawrt
gaien,
'& Jw Aeuswrn fWH « der Mangst einaqj aMS-
gebildeten Strebesyatemt* in's A^gty sqwoW $eitep-
sqbiff wie HochsQbiff verden duwb ei»&cb^ Strebepfeiler
gwtfttet, Aifc Langbawe <jter Befeerjfler Kijrch* fiftdm sipb
Strebebttgen npter dem Daebe nnd die jftngaren Tbttte des
Schweriner kanghausea zsigea Ana*en . eiflbtbwe iSt^eJbe-
bdgcn, in Riga feblen sie ganz.
4 Diet Fenster zeigen ein scUwbtW M«lft»W^rk: ^us
BacfesteinpflQpten, oben durch einfache Spifabflge^ yerbnnden.
5„ Die Bebr^niung der? eimelwn G^blfadecfcheite wird
durflb mem g^br^tenbogigep Spitrtkogenfirw, a,nf kjeiwn
Gowolm rubend, gobiidPt; die, Bolder zwisoben den Btfgen
s*nd weiea g^p^at. !%♦ 3. ■ • >
6, Gftftsirfco Zi^gQj, wer*ten nur spj^ew vorwrod*.
Die lircjie sen ; Dokeran,
,: Pi& ebew*lige Ci^eroieneieyab^i J)abfc?&» wut4q U70
gesiaftelt wd war vo* Prib4$fev, dep s?»ten ohrt^Ghen
Fasten Meflklenbnrgs, seiner Oiwablw WpjaJaw, einer
norwegiscben ^pig^pbt^r, mm$ dem Bj^obpfe Berw *Qn
MwWenbmrg, welcb -Mrterw woh dea Grwdatein 2^n d$r
orstow SftbirwmWrWwiw^beJ^gt^ Wftnn der Ban der
jrtugpa Kircbe begnnnen -w*rd • $st wobt ! gewan w be-
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S4S
stimmen; geweiht wurde sie im Jahffe 136#. Sie liegt unfern
det* Meetfeskftste^ einige Meilen vofi Ro&tock, und verdfcnkt
ihren, veit fiber die Grenzen Mecklenbu-rgs hinausgehenden
Ruf nicht nur ihrer hervorragenden batilichen Schdnheit, son-
dern afcch der grossen Zahl h<*chst werthvoller Kunst-' und
Grabalterthftmer, Seiche sie aus aJter Zeit sich bewdhft
hat. (Ich kann dieselben hier nicht nfther attff&hren, ihrfc
Zahl ist zu bedeutend, doch Mrer eich daf&r naher in*
teresfeirt, lese die AufeStste Lischs in den Jahtfbufcbern des
mecklenburgischen Geschichtsvereins vo&1844, 1849 u. 1854.)
Auch ist sie wabrend mlehrerer Jahrhunderte die Begr&baisfe*
st&tte der Ahnherren des heutigen grossherzoglichen Ge*
scblechts, der Fftrsten"aus den Linien Meckienbfcrg, Werle
und Rostock gew^s^n. Von Pribislav bis anf Bischof
Magnus, Grafen von Schwerin, gest. 1560, haben sie, neun-
undf&nfrig ari d<er Zahl, ihr^ Rnhestfttte daselbsfc geftmden.
Dte Lftnge der Kirche betr> . . circa 266' — 80»
Die Breite im Querschiff genieSsen „ 188' ■= 40* 1
Die Mittelschiffbreite ..... „ 36* = 11"
Die Mittelsdiiffhtthe ...... 83' t±z 26 m
Die SeitensohiffhOhe . . . . . ^ • ■• 44' t= 134» !
Der Grundrisg de* ; Kitfehe, Fig. 4, zeigt dife bereits er-
wfthnten charakteristisfcben Eigenthumlichkeiten, auch fiaden
wir an ihm dieselben eigfcntbumlichen Verschiebungen ill
den Axen, wie bei unseren rigaschen Kirchen. Das Hoeh-
sdriff des Chores beSteht aus dem Chorhatipt und zwei Ge-
wolbefeldern, Seitencapellen fehlen. Von ganz eigenthum-
licher Anlage ist das Quferschiff, es hat nur ein dstliches
Seifenschiff, das Hochschiff ist zweisehiffig und jede? Quer-
schiffarm 2 Gewdlbefelder lang und 2 Felder breit; diese
4 ; Felder ruhen auf einem in der Mitte jedes Armes
stehenden, uberatis schlaiiken Pfeiler, verjgl. e, Fig. 4,
welcher also ^om Fussbbden bis an die Decke des hohen
Querscbiffes freihinaufstrebt. Abtoeichfend von deti' anderen
Ptfeilern der Kirche sind diese beiden voa achteckigem
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24&
Querschnitt mit Rundstaben an den Ecken (wie am Dom
zu Dcxrpat). Enisprechend dieser zweischiffigien Anlage des
hohea Querhauses dffhet sich dasselbe gegen das Mittel-
sohiff auch in zwei xiberaus hohen Scheidbftgen, vergl. dd,
Fig. 4 und Eig. 7, woher denn dem Mittelschiff auch eine
eig^ntliche V^erung fehlt. Was jene beideu, zudem von
unten bis oben mit farbigen Mustern mosaikartig bemalten
achtecjrigen Pfeiler anbetrifft, so ist Lisch der Meinung,
dass dieselbeu von der alten, dem jetzigen Bau voraus-
gegangenen romanischen Kirche herstammen, von welcher
npch Reste in der siidlichen Seitenschiffwand des Lang-
hauses, sqwie in der Westwand stecken, ja der ganze Giebel
des sudlichen Qperschiffes der alten Kirche ist in die
Giebelwand des jetzigen Querschiffes eingemauert. Wir
hattepa also ein zweischiffiges romaniscbes Querhaus gehabt,
wie es ja api Muaster zu Strassburg auch vorkommt. D^e
ubrjgen Pfeiler der Kirche zeigen die charakteristischeq
Merkioale unserer Gruppe, Fig. 5; sie sind quadratisch,
an den JScken mit einer Dreiviertelsaule versehen ?
die GewfllbedieijLSte, sowie die Scheidbogen-Pro-
filirung besteben aus einem ruadlichea Kerji nebst funf, im
Querschnitt birnfbraigen Diensten. In der Hflhe der Scheid-
bflgen zieht sich ein reich in Blattforn^en ornamentirter
Capitalkrauz um den ganzen Pfeiler heruia; er wird nur
von (Jen Gewdlbediensten des Mittelschiffes durchbrocben,
welche ihrerseits auch in Capitalen endigen und im Chor
bis auf den Boden hinabreichen, im Langhause endigen sie
in einer Hdhe von circa 18 ' auf gleichfalls in Blattformen
reichskulptirten, aus einer Stuckmasse bestehenden Con-
solen. Uebef den Scheidbdgen verl&uft ein kr&ftiges Gurt-
gesimse, die Mittelschifffenster sind m&ssig hoch und haben
sich, wie auch die Fen^ter des Seitenschiffes, vielfach die
gemalte, alte Verglasung, bewahrt. Die ganze Kirche ist
mit einfachen KreuzgewGlben bedeckt, selbige sind weias-
geputzt mit hellgrunen Rippen. Die W&nde der Kirche
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250
stehen Gberall im Rohbau, bis auf die geptrtxten vertiefteu
Fl&chen der Dienstvorlagen, die Dreivieptebaulen an den
Pfeilereeken irod dieuntere Ansicht der Scfoeidb&gen ; ranter
den Mittelscbifffenstern zieht sich ein hohes, auf weissdm
Grunde hellgr&B gemaltes Triforium hin. Fig. 7.
Bei der Beschreibung des Aeusseren der Kirche wollen
wir unser Interesse vornehmlich dem Chore^ Pig. 33, fcu-
wenden, da dieser fur unsere Zwecke mehr von Belang
ist. Mittelschiff sowie Seiterischiff zeigen d£h bek£nnten
gebrocbenbogigen mit schwarzen Glasurstein&n eingefossten
SpitfcenbogenfHes auf weissgepntztem Grunde, am 'Mittel-
schiff endigen die Strebepfeiler unterh&lb des Frieses, aih
Seitenschiff und am Umgang wird derselbe von den zwei-
mal abgesetzten Strebepf eilern durchbrochen. D?e Strebe-
pfeiler werden an den Abschrfcgungeri durchweg dtrrch
Dachpfannen abgew&ssert. Die dreitheifigen Fenster des
Hochschiffes sind, innen Trie aussen, mit profilirtei* Bin-
fassung ohne Glasursteine versehen; £ie fiihren das bekannte
BacksteinmaateSwerk, welches oben durch Mnfkche Spitzbogfett
verbunden ist ; in der Hdhe des Fensterbogen-An^atzes 1st
es uiit kleinen CapitElen versehen. Die Capellfen des Um-
gahges haben jede ihr eigenes Dach, so dass die drfei
freistehenden Wftnde derselben frei vortreten *). Die mittlefe
Watnd jeder Capelle zeigt ein profilirtes dreitheiliges
Fenster, die gleichfalls mit Car>Mlen verseheneri Maafcs-
l ) Naeh Kugiers „Gesehichte: der Baukunst* liegen sammtlicbe
Capellen unter .eiinem Dache. Ba ware dies soraH d^esQjbq Aa^
ordnung wie zu. Schwerin und Riga. Indesaf isf diese Augafcie
Kugiers nur bedingungsweise richtig, indem das Dach, welches zu
Kugiers Zeiten und bis vor Kurzem existirte, ein spater er-
richtetes und mit der Architektur der Capellen liicht iiberein-
stimmendes war. Bei der j tings ten Best auration durch MdckeTist
dieses alte Dach beseitigt worden und jede Capelle hat wiede*
ihr eigtnes Dach erhalten. .. i . ;
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251
werkpfosten desselbflu jjflbfcni in: <#W|fl roher Weise ohne
Vermittelwg gerade in den Fpftsterbog^i e;^ Vergl. b,
%8 und 9, Die in den eiaspwngenflen J5<?ken zwiscben
den CapeUen befindlichen Fen^ter sind scbff#lsr wxd
niedriger, zw^itheilig, da? AJaassweqrk scbliesatin 2 Spitz-
bogen zwaaminw, daruber $u*# kleine Rolette. Vergl. a,
Big. 8 and 9* Uitf;erbalb de* S$itensQbiffifenster aieb* aicb
ein kleines GeBinise unuaierbrQphen nm die gauze Kirche
herum; Die (Jiebelw&ide dee Qnewbiffe* sind dey i#n#yen
Awtfiniing zufolger weigetbeilt. Die ftOrdlicbe Wan<i sejgt
an de» E^fcen kraftige Trpppentburacben, in der Mitte
eii*en bohen Strebepfeiler, dajz^rischen % ubeiraus sehlanke
und bobe Fenster, Dos Verb<we der Breite jwrHohe
derselben ist wie 1 : 10, Die sudlicbe Wand, in welcber
der Giebel der alten romaniscben Kirche dentlich sicbtbar
sitzij, bat emeu m% ^pitzbogigen Bleudiyechea und Rqaetten
reiAy^gie*ten Giebel. Das Asusser^ des Langbauaes ateht
dem des ;l Chores bei weitem nasb. Gem&ss der Itegeln des
iGistiwie^eyQrdefcfl febtt der Kirche ein Thnrm, anf der
Kreuzung sitot em au£ jftngerer Zeit stammender Dach-
reiter, dsssen XJuforaalichkeit wohl nicht ubertroffen werden
k*nn< Die ganse Kircbe, wird jfttzi unfar* Idling des
Bauratha M6akel pxftQbtig restaurirt; das atte Z^egehnaass*
werk der Fenste? igt jedoch nicbt durqh Cemenlgnss ersetet
worded, sondearn wird nberaU beibebalten. .
Brwatmen will itth nur noch die nftrdlich von der
Kirche isolirt stehende, fiberaxis zierliche Heilige-BlntB-
Capelle*), ein Octagon aus der Zeit des Uebergangstyles,
aiussen wllstttildig mit' glasirten Ziegeln in abwechselnd
rothen, dunkelgrtmen tind Bchwarzen Schiohten bekleidet,
frmen mlt ; hdchsfc interessanten Wandmalereien, das Ganze
ein wahres 4 Kleinod nordischen Ziegelbaues.
^Yergl. fpeckl f .Jahrbuc^er 165^, pag. 373, den Aufsatz yon I4sch.
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252
Itor 1km zu Sokwerii.
Die Domkirehe zu Sehwerin ist zu gleicher Zeit mit
der ebenbesprochenen Doberaner Abteikircbe gegrundet
worden und ist dem jetzigen Ban gleichfalls ein altered,
jetzt bis aiif den Thurm verschwundener, vorhergegangen.
Der sich auf die Baugeschichte des Domes beziehenden
Urkimden sind nach Lischs Forschungen sehr wenige vor-
handen, so dass nichts Sicheres ftber die Erbauungszeit der
einzelnen Theile ergriindet werden kann. Br stellt ver*
urathungsweise folgende Daten anf: 1327 sei der Hocbchofr
eben fertig geworden, 1365—76 sei der Umgang und das
Chorseitenschiff erbatit worden, 1396 wahrscbeinlich das
Querschiff, 1412 — 16 das Langhaus; 1416 ist dasselbe
von den Stralsundern gewOlbt worden 1 ).
Der Grundriss der jetzigen Kirche, Pig. 10, ist die
dreischiffige Basilica mit ausgebildetem dreischiffigen Quer-
hanse, welches hier die voile principta&ssige Entwickelung
zeigt. Der Chor ist sehr lang, er z&hlt ausser deto, wie zu
Doberan, aus 5 Seiten des Achtecks gebildeten Polygon
4 Gewftlbefelder; ebensoviel Pelder z&hlt das Langhaus,
jeder Querschiffarm hat 2 Gewdlbefelder. Die ganze Kirche
ist mit einfachen Kreuzgewfllben fiberdeckt, mit Ausnahme
der Vierung und des bohen Querschiffes, weiche reiche
Sterngewfllbe zeigen. Charakteristisch und an englische
Bauweise erinnernd ist die Longitudinalrippe, weiche das
Gewtilbe des ganzen Mittelschiffes durchzieht. Die Maasse
des Mittelscfaiffes sind nach Kugler 39' Breite bei ca« 100'
Htfhe, die Hdhenwirkung ist somit gegen , Doberan etw^s
geateigert. Die Seitepschiffe sind im Vergleich zum Mittel-
schiff sehr hoch, so dass im Aeusserji der hohe Chor in
das Seitenschiffdach wie eingesunken erscheint. Die Pfeilex
J ) Vergl. meckl. Jahrbiicher 1854, G. Lisch, Ueber die Bauperioden
des Domes zu Sehwerin. Jahrb. 1877, F. W. Lisch, Sehwerin bis
zum Uebergang der Grafschaft Sehwerin an das Hans Mecklenburg.
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263
des Chores, Fig. 11, Bind quadratisch mit abge-
schr>en Ecken, die Gewolbedienste wiezu Doberan
zu funfen urn einen rundlichen Kern, Fig. lib, sie sind
im Querschnitt jedoch rundlich und nicht birnfflrmig wie
dort gegtaltet; die ScheidbGgen hahen eine aus Rundstaben
und birnfOrmigen Profilen getaildete Gliederung. Fig. 11a.
Der treiche Capitalkranz in der Hdhe der ScheidbOgen, den
die Doberaner PfeUer zeigen, faHt hier fort, Fig. 15, und
Capitale fuhren nur die Gewolbedienste am Gewdlbeansatz.
Die Dienflte gehen im Mittelschiff des Chores nicht bis auf
den Bodein herab, sondern endigen in Coneolen, die in
Ziegelrohbau hergestellt sind und die Form der Doberaner
Gonsolen nachahmen, naturlich ohne den ornamentalen
Blattschmuck derselben, Fig. 14. Von besonderem In-
teresse fur uns ist der Vierungspfeiler. Fig. 12
und Fig. 10 a. Er zeigt zum Seitenschiff zu eine Vorlage
yon ca. Va Stein, um den Scheidbogen zwischen Seiten-
und Querschiff, den Bogen, auf welchem die Wand des hohen
Querhauses sitzt, aufzunehmen. Fig. 10 c. In den Ecken
zwischen demPfeiler und der Vorlage sitzt ein feines Profil
zur Aufnahme der GewGlbrippen des Seitenschiffes und des
Querhauses (vergl. den Vierungspfeiler von Doberan, Fig. 6).
Ueber den Scheidbflgen verlauft, wie zu Doberan, ein
kraftiges Gurtgesimse, die Fengter des hohen Chores sind
im Lichten sehr niedrig, sie gehen aber als Blenden noch
tief hinab, f fast bis zum Gurtgesims. Das Maasswerk der
Fenster ist uberall das bekannte. Im Innern steh^n die
Wande der Kirche. jetzt im Rohbau; wie dieselben jedoch
vor der letzten durchgreifenden Restauration gewesen sind,
verinag ich leider nicht apzugeben, sie sind wi$ zu Doberan
nur theilweise geputzt. In der mittelsten Capelle hinter
dem Altar, der ehemaligen Heiligen-Blnts-Capelle, sind Reste
von Wandmalereien zu Tage getreten, weshalb hier die
Wande geputzt gewesen sein miissen. Betreffs der intieren
Ausstattung der Wande in den norddeutschen Ziegelkirchen
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254
Will ich hter bemark^n, dass ttran 8 ve*66hiedeite Arteh
derselb&i als ftn MittelaTter gebrEucMicfo uaehgewieaett' hat*
Entweder wurden sie wfe fcu Dbberan und Schwerin im
Rohbau belassen und ilur theilweise geputzfc, odet sie
warden VoUstandig geputfct und in Nachahmung flafftrticfhett
Backsteinmauenverks Toth mit waissen Fugen geitialt; die
einfcehiefl Steine wurden jedoch grosser dargestellt, als sife
ill Wiridiehkeit waren. !DrittefcS wurfen sie eittflach weiss
geputet und so belassen!, in welchem Falle sie jedodi
h&ifig den Schmtick figftrlieher, sowie ornamentater ^Wandl-
malerei erhielten. Beifcpiete der letztereA Art bttoeii sich
in Meekfenburg seht aahlreich erhalten, r©sp» sind in dfesem
Jahrhundeft wieder aufgedeckt worden.
Im Aeussern der Kirche, Kg. 34, finden wir als Be-
kronung den bekainnten Bogenfries, sowohl am Mittelschiff
wie am Seitenschiff samnit dem KrGnungsgesiinse von den
Strebepfeilern durchbrochen. Am Mittelschitf des Chores
sind letztere wenig vortretend und oh'ne Abstufung. r Dfe
Fenster sind fiber all sehrag eingeschnitten und zeigen eiii
einfaches Profil, das Maasswerk hat keine Capitate. Die
einspringenden Ecken zwisctien den Chorcapeilen
sind durch einen flachen Bogen, auf welchem del* Spitie-
bogenfries fortlauft, uberwdlbt, durch welche Anordnung *e6
ermtfglicht wird, dass ein Dach sich gleichm&ssig ohnG ein-
springende Ecken iiber sammtliche ffmf Capellen hinzieht.
Die Penster der Chorcapelleh sind:, zum Uhterschied
von Doberan, sammtlich gleich breit und hoch dreitheilig
angelegt; in den einspringenden W&nden der Capelleri wird
jedoch das der inneren Ecke zun&chst liegende Maasswerk-
feld jeden Fensters im Aeussern dutch den Strebepfeiler
verdeckt und erscheint im Innerh als Blende (vergl. St. i^eter
zu Riga). Fig. 13.
Die Giebelwande des Querschiffes werden wie zu
Doberan von achteckigen Treppenthiirmchen flankirt, in der
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255
Mitte jeder Wand ein holies Fenster y daruber ; sifceigfc der
durch Spitzbogenblenden belefye Giebel arifi Bas Mittel-
scbiff des Langhausea zeigt im Aeusaehi StrebehftgeBL: Die
oberen Theile de&selben mit den G«lfr5lben inttsst&n die
Stralsunder aid Strafarbeii, urn sfeh vom Bamnfinehe em
ldseil, aufffthren; nafcorlich babefa sise diese Arbeit «twas
naehl&ssig feusgefahrfc. Diese Langhauetheile zeigen daher
anch in den Feastem ttnd Wawdnfechen dea gebrocJienen
Spitzbogen, der anch bei do* Stralsunder Kircken jester
Zeit ^ofrktimmt, Der noch Von <d6r a/lttoi Kirshe heir-
rfthrende Thurm zeigt die allgemcin bckannte Au&blldung
dter Thfirme maserer B&ckstcinkwcben, er ist betr^hiflfah
schmftler als das JEtteJacUiff, und seine Sphze erhebt rich
nur «ehr wenig uber das Dach der Kirche. An der
Nordseite schliesst sfch ein sohooer Kreuagang derti
Dome an*
Ve^Mchen wir fechliessMch den jungeren Sohweriner
fcait dem fctaras alterfcn Doberamer Bau, so foemefrken irir ian
ereterem ein Wachsen der Dimfensionen uiwL eule gedteigdrte
Hflhenentwifckelung> dagegen eine Verefa&fthirag des Details,
ireleber mehr dem Oharakter des Backsteinmateriala an-
gepasst wird; Bine Verrobang -des Details begins* sicfh
erst am Langhause zu zeigen nnd wfci dunch; Einflfigse tool
Awssen Tier* Die Verh<nisse und Formed sifad fanner
noeh von hohem Add, zeigen jedoch schdn nicht niehr die
Bohlicbfce Harmonie Und die vOHige Gtesetzmassigkeit) welche
deo Doberaner Bau in so hervorragetkiefll Maas&e aros-
zeiehnen* !
•er Ch«r der «t. Petoikir** zn Riga.
Sehen wir im'nmehr, wie das an dte fernen »os4baltischetn
Gestade verscblagene Reis der grossen mecklenburgisdheii
KirchenfamiKe, undere Riga**r Si. Petrikirche, sicih >ent-
wickelt hat. Welt im Westen, unfern der Kitten des at-
lantisfchen Oceans, 6tehen die Urahnen ihrer stolzen Sippe;
in unserer Hei&atfa, an den Ufern d^r Duna, erblicken toir
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256
den itetlichsten Vertreter derselb^n, weit und breit dfen
Einzigen in seiner Art. x m '
Der nmthmaassliehe Urheber seines erstfen Planes,
Meister Johannes Rumeschottel, dessen Name undHerkurift
die Forficbnngen Dr. J. Girgeneohns kurzlich all's Lioht
gezogen haben, wird aus Rostock riaek Riga beriifen. Dieafe
seine mecklenburgische Herkunft weist darauf hin, dags er
der Meister des Chores von St. Peter war und dass feben
dieser Ghor der Theil der Kirche geweaen, der laut Bau-
rechnung vbn 1408 uiid 1409 erbaiit trard. Damals war
die Doberaner Kirche nioht langst vollendet worden, die
d&tlfchen Theile des Schweriner Domes waren eben voll-
endet, das Langhans nocik im Ban. In zeitlteher wie in
ttrtlicher Folge konnen wir logischer Weise den Beginn des
Rigaer Chorbaues in diese Zeit verlegen, atick wfcist die
ganze Architektur desselben auf diese Epoche hin^
Im Grundplan unserer Kirche, Pig. 16^ fcrbEckeii wir,
wie zu Doberan und Scbwerin, das; funfseitige Chorhaupt
nebst dem Kranze von 5 Capfcllen; der Langchor, zwei
Gewtf Ibefelder lang, zeigt eine Ver&nderung und Bereioheitailg
darch die nach Innen gezogenen Strebepfeiler nebst zwi&chen
denselben angeordneten Seitencapellfcn, so dass in Summa
BennCapdlen den Chor umgeberii
Die Pfeiler, Pig. 17, entsprechen fast vollsttadig detteh
des Schweriner Domes, sie sind wie dort quadratisch
mit abgeschr>en Eeken, die Gewftlbedtenstfc sind
rnnd, funf an der Zahl, an einem rundlichen Kern. Pig. 17 b.
Das Scheidbogenprofil wie zu Schwerin, nur <$urch
einen weiterea Bhindstib bereichert* Kg. 17 £. Die Pfeiler
des Chorhaupts zeigen naturlich als' Eckpfeiler eine ver-
Underte Grundform, sie sind funfeckig, ganz wie die enfc-
sprechenden Pfeiler von Schwerin and Doberan. A.
Sowohl in der Structur wie in der Architektiir zeigen
sich zwischen Chorhaupt und Langehor bis zur Scheidbogeri-
hfthe kleine Unterschiede, weshalb ich die Veintmthung aus-
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Kuapreefcen wage,, dags dies© beiden TheUe nicht ganz
gleichfceitig erbavtt wurden und die Zait ihrer Erbaumig
TieBeicfat urn wenige Jabre differirL Mtfgiicbenreise wat
das Chorbanpt deayanige Theily welcber 1406 ^principium fert
iate suum"; der Langehor fclgte) dann 1408 niid 1409. Oder
es begann Meister Johannes in den letztearen beiden Jahren
den Kirchenbau mit dea» Chorbaupt u*d beendete das*
nelbe 1409- Bis 1418, Wo der Ban wieder geweiht wnrde,
iflt dann dor Langehor nnd daft Ho^hschiff^ d. h* derOber*
ban des Mittelschiffes, welches im Ianero darchans gleich-
artig ist r erb«ttt worden. Doch da& sind mar Hypothesen,
£nr Welahe keine positive* Bewei&e erbra^bt werdea kortt^©.
Die erwahnten Uiltdifschiede bestehen im Aen&sern in def
MTFcarglekhlicb smibettereiii Technik der Capellen des Uin*
ga&gee im Yeacgleich z& der der Anssenwtode der Langchorv
CapeUen, bed welchen. ducb der Mangel der StrefoeJpfeiJer
sefar stonead in's Auge falft* Im Innern aeigei* sie si<£h im
Aufbaa dear Pfeiler. Wahrend die Pfefler des Chorhaupftf,
Fig. 18 und Fig. 20, 1, rich edel wftd folgericbtig, dd*
Sehtferiner Syatem genat* bdfoJgend, eatwiekelti, i&dem da*
Sch^idbogeiipirofil ohnie Capital in den Bogen iibergeht und
die Diensie nnimterbrocben W$ aim Gewolbe etoporsirebeft,
bemerken vir an den Pfeilearn dee Laagebore^ Fig* 19 und
20> 3, stmie an der demeelben zugewandten Halfte des atif
de* Grrenze Kwi&ehen beiden Chcfertkeile* stebeaidenj Pfeiierft,
Fig. 20> 2, in der H&he des Sdhdytoegwaiisatees eine Vei*
jiittgxsDg von ! A Stein, nnd awar nach beiden Sedteb, sewoM
ssooB Mittel- als znm Seitensciif kin. Bin aehwatfbes- ©e*
simse venaitteJjt dies* VeijjSngung^ durdi welebe die MiAtel*
schifilieBete nnterbrockea wearden, der untere Tbeil der*
selben wird duirch eijre Art Capital abgeschloese% dariber
setzt der olhere Thdil *&t eimer A#t Basis wieder aft, Biese
Anoudnntng tot dbenso tnschdfc, Wie nnverst^adKeb^wad aeigt,
daes die Architektur dieses Theilee des Chores befeits be-
giant, siefa Huf abschussigefc Bahnen zu bewegen.
MittheU. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 17
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268
Die Gapitale des ganzen Chorbaues, sowie die Fuss-
glieder der Seitensfchiffdienste bestanden bis zur letzten
Restauration ais einfachen cylinderfdrmigen Gliedern, doch
ist es bei den sonstigen Feinheiten im Detail, wiez. B. der
zierlichen Soheidbogenprofilirung, Bur zu wahrscheinlich,
dass jene im Bau ilnvollendet geblieben sind, und ist es
uaserer Zeit vorbehalten gewesen, hier die letzte Haad an*
zulegen. Scheidbogenprofife und Mittelaohiffdienste endigen
anf ziemlich rohen Consoten, die ebenfalls vor einigen
Jahren «ine wurdigere Form erhalten haben.
Das Mittelschiff ist 86' b&it bei ca. 100* Etohe und
zeigt somit im Verglereh zu den vorher bespardchenen
Kirchen eine sehr gesteigerte Hdhenwirkung. Die
Gberwande desselben sind wohl gleicbzeitig mit dem ganzen
Langchor erriobtet worden; ihre Architektar ist hftchBt
eigenthumlich. Fig. 20. Ueber den ScheMbflgen vcrl&uft
gleiehfalls ein kr&ftiges Gurtgesimse, tber welchem eine
Mauernfeohe ansetzt; diese ist unten schmaler und verbreitet
sich weiter aben ptetzlich in einem Absatz, ein ebenfalls
unschftfies, konstructiv allerdings zu rechtfertigendes Motor.
Die Fenster des Oberschiffes sind bei weitem hoher als zu
Scfewerin- sie zeigen im Licbten etwa die Verhaltmsgd dep
Doberaner Fenster und Ziehen sich wie 2u Sehwerin ala
Blenden noeb weit hmrmter} doeh sicht so tief wie-dort
Fast ohne Beispiei dastehend in der ganzen gothischen
Bpoche ist die ursprungliche GewOlbeanordiiung des
Hoehschiffes. Wahrend nfcmlich in der gesammten kurch-
lichen Archltektur der Gotirik nur fiber den Pfeilern Waad-
dienste aufsteigen, zwischen welchen sich ntir ein Gewfllbe-
feld auss^annt, setzt beim Langchor unserer St. Petrikirohe
aueh fiber tier Spitze der Scheidbflgen ein schwacheres
Dienstbfindel an und schfiesst in gleicher Hfche mit den
Hauptdiensteh durch ein Capital. Daduroh ist die Ober-
wand des Langchores zwischen den Pfeflern zweigetheilt
und resultirt daraus die Anordnung zweier Nischen und
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2m
fffrefci- Fenster in jeder Trav£e. "Wrist nur eine Kii^ha
bekannt, bei welcker AehnlicheS Vorkommt, Mmlieh der
Dom zu Magdeburjg. Fig. 23:
Dtfefce efgenarfige Anordnung giebt dein ganzen 1 Hocfc*
fcfeor ein stehr lichtes und schlank atifetreblendes Ansehen.
Welche Foi*m die jetzt vefrsehwundenfe alte GewGlbdecke
selbfit gehabt hat, ist z^eifelhaft, vielleicht war sie fcin
sechsttieiliges Gewftlbe, tfie es in der Uebergangsztfthaufig
vorkommi;, z. B. im Don* St. Georg su lambu'rg a. d. Lahn;
Pig. 24, Viellfei^ht Gin s£lir rei<Jh&r Stetn- odetf tfetegewtflbe.
Fig. 21, 22, 25, 26. Da& jfctzige Gewdlbe ist bekanntlidi
von fiote tind' an der Dachkonstruction aufgfcfcangi; es
(Ufctsprictfit nieht dei- Arehitektur der Wande. Die Seifei^
scfcHfe nnd der Unigang *ind m!t ainfacbeft Kreu4g6W5lbeii
fcberdeckt, in den €&pellfcn des Langcliores kommen anch
Stemgew5ft>e vor. ! ' ! '
Die Auteeriarclrit^ktiir dfes Ho^tchores M glefohfalfc
sehr merkwfirdi£i Fig. 31. Wle in Schwerin und Doberad
#ird er dtfrch den ans'g^brocherien Spiitzbogen aiif vefissefri
Grande g6bild£ten Ftfes gekrdAt. Die 1 Bbgeh werden V6n
Bfeliwarz^l^sMeWFomistelineii'gebildet und Sitzen atff kleineri,
gleicMaHs glasirten sch^arzen Consolen. Die Str^feepfeiler
durehbreehen, wie zu ScHwerin, so auch liter den Fries;
das P*6fil dersdben i^t merkwfirdigerweise am (vhorpolygon
und der Nordseite bei jedem einzelnen Pfeiler ein anderefc;
^s scbeintfast, als habe de? Baumeister auf ex^erimentelleni
Wegef '-die beste Fbrtn zn finden gesucht. ' An ddr Sudseite
haben alle Strfcbepfriler das gleiche Profil. Dieser selbe
nnerklarlkhe Wechsel in der Arehitektur flndet fcei den
Fenstenl 1 stattj dfejen%en der Ost- und Noi-dseite hateri
fast s&^mltHell , eiiie Einfassung Von profilirteti ' Ztegeln, bei
zweien sind diese tinglasirt, bei den fibrigeri* sind glasirte
Steine Verwandt und fcwar in elneiri Wfechsel von j3 zVei
rothen und zwei sdhwarzen Scliichten. t)ie Fenster der
Sfidseite sind alle gleich ausgebildet Und gleich ! denen de^
17*
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360
Unlersctuffe gerade e^D^eschnitten vind w an 4e* ftakea
eiafaofr reefctwinklig: ausgekebH, alio ^wster fiihren das
bekannte, im einfachen Spitzb<>gen gescbloesene Maas^werk.
Bitfsprechead den aefew&cberei* JKenstefl zwiscbem den
Fei^tera des LaagchoreB sitzen ansae©, $c^wach#re m*d
kftrzere Strebepfeiler. t*er gaii&e Cbpr whobt sich hQSfc
wd frei fiber den Daphera der geitenjsclriffe vmd ubertrifft
tr<4? :4w Unregete^ssigkeitan seine* Arxsbitektur ifr der
^fiASljeriscbeft Wirfcupg bei we#$n* die gteiehen TJheile dee
a^lxweriuer J>omes, der edlen Gesetamaa^igkeit de& Dobei-aBe^
^cbcl^ar^3 mus& ^r fr^icji weicbeni
©er ^wstler^ch voJle«Mtets<^ un^d all/?^ Wakrscjtefalfcb-
k,ei$ nacb; der fcltesfte Tbe# de$ g^z^ Bjajt^a sfad, bwa
^henr dte Cborcapellej* des Umganges; di# ArcfailjektuF d**-
^elben ist wUf ai*s edneaft :Gu9se a ctfe Ityraqn ^nd Ver]*SJfc<
nisse einfach, streng und edel, die Tecl^k ep#e hiEfttefc
ged^gei^e wd das $w?e e*n wateefr Mustei^erk der
J&iegglgothik. Er ubestrifft, in $esei* Tbeils SQgar die
D.Q^rstfier WrQ^e mid iat dw Schw^ine* Dom, df^rij*
^enbfirtig, iwtefl* er web da& dart jpjge^ajKHfl Systw, fort
gejm& sipJiMtr Wie. b$v <Uesenv sind die edi^etoen Ca,pellen>
dimk fof&e B^gei* rwt$x clem. Paste Ba^teiBai^r yer-
bwufen, die JScjken. dei;$elbe?L 494 abgea^ragt nn4 zieWi
$icb der giawte Sipiteboge^ies, auf sieriiefcefl glasfrteft
Consign stemd, d^riib^ tyiju Die. ^tr^bspfeit^r duii^c
br^Qbe^ 4e», Frios,. sie wad weimal abge^etst, na# §auber,
wH TSte*kstein#a abpwasaer^ J& zweien der einsprpgeawiw
IJcken steh^n aefeteskige, Treppentftifrmcben, wefobe $0hr
geschic^t angeor<toet $i$d r so d*$s sie cU$ Fei^steparcbifcfktw
v^Ghjt mehr S,t#ren, $$ es 4^ Strebepfejier tb^. Die h$ckr
Scbla&kea Fester sind \^ie w Scb,v$ri» ga^wtlic^ dre^
theiljg apgeordAet, wi# dort : warden, sie in djen iwerea
Eckei* tfyeUweise (Jiprcb die $trebepfeiAer re^p. Tburw5b#B|
Yerdeckt. Fig. 13. Das Maasswerk i^t das. bekaP^te, das
ProlU der Pfosten trotz seiner Ein£a(?hbeit sebr elegant, es
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S31
fteigt d& Form eiftGfc Jibgttrtampften £eile». Dfe feftBtfcr*
gewande Btod gfcrade eiftge&cfcfcitteA, ttn de& Icken £itifil<&
rechteckig ausgekehlt. Die Abwasserung besteht aus Ziegeln
in sauberem Vferbafide ttnd tmter defseibeil Sieht sich ein
Gteshasprofll hia, tfar v^tt den Strebepfeilerli dttrohbrochen.
Leider 'hat die GW^htemigkeit dfeses efllea, eittfawA
sohttrin Bauee du*ch 2 modertie, in anderen Formea ©in-
geaetate ferbige Fesnster etapfindlidhen Bofaaden gelittek.
In dea westUchaten Capettenwttndett jeder Seite dea Un*-
g*»ges befhadet aioh je ein Portal m einfacbem Spltzbogefi,
die ISnftiftiung (toeselbeii 1st reich profilirt. Der Socket
dee U&ga&geg, wie anch dee LangohorOapfcUen besteht atifc
Hausteta, da« etwas flache Profit de» Ftofcegerimfcea an dam*
selbea bat sehr gelitten \m& ist an vielea Stelten aiclrt mete
8U erkemiexii
Das Aeussere der Capellen des Lahgchores fcticht Sehf
gegen das des tfttiganges ab, es zeigt je ein einfochefc
Fenster und eitt Doppelfenster, uber letzteretn eine offtene
Rosette. Es ist zweifelhaft, ob diese Capellen fiberhaupk
ztir ursprfinglichen Anlage gehiJren, die (Mnde ffor und
wider halten sich so ziemlich die Waage und kanA teh
keine bestimmte Mehmng darttber auss'pret&en.
.Betreten wir nun das Gotteshaus zur Winterzeit, weni*
die Geineinde beginnt sich zur AbeUdfeier zu versammeln.
Nur erst das Langhaus ist erhellt, in den oberen Partieei^
des hohen Chores herrscht noch ein geheimnissvolles
Dammerlicht, an den GewGlben und Pfeilern des ttmganges
treibt ein reicher Wecbsel von Licht und Schatten sein
zauberisches Spiel. Dies ist die Stunde,, da der Bau des
Meister Johannes seine htichste SchGnheit entfaltet, die
edlen Formen ubeji alsdann einen eigeneil Reiz aus, wie
keifl anderes kirchliches Werk unseres Heimathlandes. Es
ist der Hauch echt kiinstlerischen Geistes, welchen wir in
dieser Stunde in den weiten Sallen verspuren, desselben
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hoh^ii (treistes, welcber diegrossen Dome des etirop&isehen
WeBtecs so magisch un(i simiberau8cbend durekwekt.
UrsjffiBglic^r Eatptf fur St. Peter,
.: 1st dieses bedeittende and etoke Werk mm wklicfa
0ia in sich abgescblossenes Ganae r an ein alteres Gefetade
angeflickt, loderi ist es nur ein Fragment, nur der Bruch-
tfceil eineg unyollendet gebliebenen grossartigen Planes?
Betfcachten wir did durch einen Scieidbogeii dUrebbrochene
Wand, welche idie ChorsfcitenSfchifife von demea des L*ng-
hauses treUnt, Fig. 16d;b,c, mto wird uns die Antwoitt aiif
diese Erage bald 211 TheiL 'An dear . deiu Langhaase m-
getohrten Seite dieter Wand, iu der Verl&ngeraag Att
SeitensishiflFwraHkd - detf • Chorea sitet, obdn mid nnten 4b-
gebrochen, ohne irgendwelchen Zusammenhang mit dem
Gewolbe ein Dienstb^ndel. Fig. 1,6 und 28 b. Es gleicht
vOllig denen des Chormittelsohiffes. Dock nioht genug da-
mit, im Dachbodeni;aum setzt die Wand sich no<?h einige
Fuss hpch fort und auch dQrt finden yrir das geheimniser
voile Architekturglied. Es geht soipit /^eit hoher hinauf
als die jpew.Olbe des ganzen Seitenschiffes und ist nich1#
anderes und kanjqi nichts anderes sein, ,alg die GewQlbe-
stutze eines ei^tweder nicht ausgefuhrten oder vor der
Vollendung wieder abgetragenen hoben Querhauses. Auch
im Aeussern lasst sicb die abgebrochene Querschiffwand,
Fig. 16 c und 28 c, beiderseits an den berausstehenden
Ziegeln d,eutlich erkennen; an der Nordseite ist der Spitz-
bogenfries uber der abgebrochenen Wand nicht vorbanden,
an der Siidseite, ist er sp&ter, nach Abtragung der Querschiff-
wand, in roher Weise hergestellt und der HausteinsockeJ
des Chores zeigt an dieser Stelle eine Unterbrechpng, er
ist hier aus Putzpasse hergestellt. Auch die Treppen-
thurmchen des Hochschiffes sche^nen in ihrer Grundform
anzudeuten, dass sie bestimmt waren, in der Ecke zwischen
Langhaus und Querschiff zu sitzen; auch an ibnen sieht
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263
man, dass die Qtterechiffwand abgebrochen und die Bruch-
stelle spater wieder geglftttet worden ist. Dimes alles wrist
unzweideutig anf em, im ursprunglichen Plane Yorgesehenes,
leider nicht ausgefuhrtes bohes Querhaus hin. Vergh Fig. 31.
Es iafc dies ein neuei* Beweis far die Verwandtschaft misers
Kirehe mit denen von Doberan and Schwerin und ist da-
mit aoch das Rathsel des Ghorbaues gelflst. Wir sehen
nunmehr deujfclich, daBS wiser. Chop Aurdas Fragment eines,
leider wntbllendert gebliebenen, groseartigen Eiitwurfes ist
und es theilt die St. Petrikirche hiermit das Sehicksal so
manchen mittelalterlichen Domes. Allem Ahscheine na©h ist
das Querhaus nur einschiffigprojektirtgeweseii; difcs w&re fur
eine so grosse Kirehe eine allerdings etwas seltsame Anlage,
doch bei den mancherlei Seltsamkeiten, die das Gebaude una
8choi* gebbted bat, kflnnen *ir atif diese neue Ueberrasehung
schon gefasst sein. An die Vierung h&tte sich alsdanndas
Langhaus f etwa 4 Felder lang, geschiossen, im Westen durch
einen oder zwei gewaltige Thiirme gekrflntj es ware das
ein Baa gjewesen, der die Lange des jetzigen sicher bfei
weitem fibertroffen hatte. Vergl. Fig. 28.
Aber noch inehr erz&hlt uns diese Grenzlinie zwisehen
Chor und Langhaua; Mmlich sie sagt uns deiitlich, dass
der erstere der ftltere Tbeii der Kirehe ist. Wiehfitteman
vor Allem an die Anlage eines QuGrhauses denken kounen,
wenn ein so umfangreiches Werk, wie das heutige Lang-
haus, bereits dagetfresen ware; vielmehr sieht man deutlieh,
dass Gewdlbe und Wfimde der Seiteaschiffe deseelben an
die Wand des dem Chorbau angehdrigen Querschiffes an-
gebriut sind tind zwar mit Durehbrechung des dort befind-
liehen, nunmehr uimtftMg gewordenen Bienstb&ndels. Doch
audi ftoch einen anderen schlagenden Beweis fur obige
Behauptungen giebtder Mittelschiffpfeiler, Fig. 16urid
28a, Fig. 27, welcher an der Grenze zwisehen Chop
und Langhaus steht. Erstens gehdrt er seiner* ganzen
Architektur nach dem- Chorbau an und sitzen an ihm so*
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864
wohl das Scheidbogenprofil wie das Dienstbilndel desselben.
Zum Seitenschiff zu zeigt er genau dieselbe Ausbildusg, wie
die Vierungspfeiler von Sobwerin imd Doberan, n&mlioh
eifte Vorlage von Va Stein mit den fein profilirten Gewdlbe*
diensten in den Bcken zwischen Pfeiler und Vorlage.
Mitteht eines glatten ScheidbogeUB, wie an Schwerin, trftgt
er die Hochwand des Querhauises. Br iat somit nickts
anderes als der Yierungspfeiler dee ursprimglichen
Planes und ist sein Vorhandensein ein neuer Beveis fa#
das anfangHch projectirt geweaene Querhaus. Zweiteas
stutzt si eh der tetzte Scheidbogen des Langhauses sammt
der darauf stehenden Larighauswand anf diesen Viertroga-
pfeiler^ folglich muss der Vierungspfeiler und mit
ibmder ganze Ghorbau, su dessen baulichein Organismus
er untreimbar gehflrt, vor dem Langhause erbaut geweeea
sefn. Das an dem Vierungspfeiler, zum Langhause hin,
in Scheidbogenhohe siteende Profil gehdrt der leteten
Bestauration an und ist frfther nicht vorhanden gewesen*
Dass der Vierungspfeiler nicht wie die anderen Lang|)feiler
im Grundriss quadratisch, sondern langlich viereckig werden
musste, ergiebt sich bei genauetr BetrAchtung des Eecon-
struktionsplanes und bei einigetn Naehdenken von selbfct*
Es ist dies einfach die Folge dessen, dafes der Baumeister
die Gewdlbefelder des Ohorseitenschiflfefi gleich lang und
die Pfeilerabst&nde des Lang^hores gleich gross zu haben
wiinschte und der Pfeiler der Vierung den Scheidbogen d
der Quersehiffwand aufzunehmfen batte,
Mit dem Ansatze zum Querschile bricht also das Werk
Meister Johannes Bumesohottels ab; ware es im Shine
seines Sehopfers vollendet worden, in unserer baltisohen
Heimath und weit liber deren Grenzen hinaus h&fcte es
nicht > seines Gleichen gebabt* Wie aus Dr. Girgensohns
Forscbungen zu ersehen, flossen die Hilfequellen des Baues
nicht sehr ergiebig und Mangel an Mitteln wird wohl *uch
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1409 die Ursaohe der Stoekung gewesen sein. Vielieioht
siaaden daaiala audi nodi Theile der aiten Kirche, die mit
zur protieorischen BenuUung hinzugeaogen werden koanten;
der Chorbau wurde durch eine provigorische Wand ge-
aoblosaea *nd die Vollendung des Banes auf eine gunstigere
Zest hinauageechoben. Beispieie fur dieee letetere Hypotbese
finden sich genug, ieh verweise Bar auf den Kftiner Dom
und den Dom St. Veit auf dem Hradschin mi Frag, bei
w^ieben bedden die provisorisehe Weafcwand des Chores erst
in dieeem Jabrhundert naoh Vollendung des Laoghauses
gefailea ist.
Zti ineiner Reoonstruktion, Fig. 28 und 32, des ur-
sprunglichen Entwurfes fur St. Peter bemerke ich Folgendes.
Da an , dem vorhandenen Tbeile desselben keimerlei An-
zeicben za finden ist, daw Seitenachiffe das Querhaus be-
gleiten sollten, so blieb nichts Cibrig, als letzteres einaohiffig
zu reooDfitf uiren» Einen Ersatz fur dieee fehienden Seiten-
achiffe bilden die beiden anstoaaenden Seitenoapellen, welche
infolge der Atchitektur des Vierungspfeilera linger als die
ubrigen Capellen, aueh ausaerlioh durch Zwillingsfenster
vor jelien auBgezeichaet bmkL Die ubrigen Seitencapelien
fuhren »ur ein einfaehes Fenster.
Fur die Reconatruktion des Querhauses selbst bieten
der Vieruugspfeiler a und das besproeheae abgebroohene
Diensttrandel (b), sowie der Vergleich mit Doberari, und
vornahnilich mit Schrerin, geougfcnden Anhalt. Es ist zwei
GewOlbefelder lang aagenouuaen worden, an den nur wenig
vortretendea Eeken gleiehfalls von achteckigen Treppen-
thfirmchen flankirt. Aus denaelben Elementen ergab sich
unachwer die Viernng, da eben sammtliche Vorbedingungen,
am ein dem Schweriner Querhaude ahnliches eu reoon-
struiren, im jeizigen Ban vorhaaden sind. Zw beacbten ist
bier der Umatand, dasa der di& Vierung von den Quer*
scbiflBarmen trennende Bogen nicht, Fig. 28© und Fig. 10 d,
wie sonrt in der Gothik alaeinfaeher Gurtbogen, aoadern
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als Scheidbogen, versehe® wit dem ScheidbogenptoftI,
ausgebildet ist. Dasselbe finflen wir bei cleA vorfcer-
gegangeaen Bauten und ist diese Anordnung gleicbfalls 6in
Charakteristikum des mecklenburger Kathedralstyies. Dae
Querhaus erscheint dadureh als ein mit dem Hauptschiff
niobt unimttelbar und organisteh zusammenh&ngendier Raun^
sondem al& eine Art grosser Seitencapelle.
Das Langbaus musfite nnn, urn dem Chor sammt Quer*
sehiff geniigend das Gleichgewicht zu halten, 4 Felder lang
angenonwaen werden. Wefln die seitliohen Choreapellen
wirklich dem ersten Plan schon angehtfrt haben, wogegefc
kein stichhaltiger Grund voriiegt, bo konnte ich sie auch
mit gulem Gewissen dem Langbause zusprecben; derartige
Anlagen sind ja durehaus keine Settenheit. Die ' Architektur
des Chores ist im ganzen Langbause sttfeng emgehalten
worden.
Bis bierher glaube icb mit ziemlicher Sicherheit be-
haupten zu kdnnen, dase meine Reconstruktion wenig oder
kaum vom Plane Meister Rumeschottels abweicht. Was
die Mittelschiffgewolbe anbelangt, so ist ja bereits Mher
gesagty dass und weshalb sie ausfcergew&halieh reich ge-
bildet gewesen sind; wie sie nub aber ausgesehen haben,
dariiber giebt uns der Ban leider k^ine Auskunft mehr.
Bei ihrer Reconstraktion habe ieh mich an dte Qtterscbiff-
gewolbe vofl Schwerin gehalten. Die beiflen m&chtigen
Westtburrtie sind naturiich aueh nur Bypothesej diese An-
ordnung war aber bei den verwandten Bauten sehr beliebt;
wenp. nicht vorhandene altere Thurme, wie za Schwerin,
die Anlage von Zwillingsthurmen verhinderteh. Da dfe
Thftrme in ihren Bratetorverh<nissen mit dfer mit Sichetf-
heit reoonstruirbaren Qtterschiffbreite gut liartnoniren, so
ist die Richtigkeit meiner Annabrae imtoerhin wahrscheinlich.
Im Aufriss der Reconstruktion, Pig. 82, begrusdt uns <ler
Chor als alter Bekaanter. Es iBt de!r St. Pfctrikirfchen-Cbor,
wie wir ihn noch heute vor uns sehen. EtwaB Neues an
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, 26?
demselbeh ist nur das hoher hinaufgefubrte Treppeniburin-
cheft des Umganges mat > dean spdtafcn Helm als Bekxonung,
weicher ebemals obne Zweifel vorbanden gewesen, aber, da
68 bei der Caostrubtion des Dacbes Unbequemlichkei&en
TOrursaebie, beseitigt worden ist. An den Chor schliesst
sifch, boch uad scbmal vortretend, das reconstruirte Quer-
sobiffw £8 zeigt in der Giebelwand das typische hohe
Ee&ster der -verwandtea Bauten, sowie die flaakirenden
Treppealhuttnehenj die Bekrdnung derselben^ sowie die
Blendenarcbitektur des Giebels sind der Sdhweriner Quef*
bansfaijade nachgebildet. Anf der Kreuzung, mitten zwischen
den vier spitzen Helmen der eben erwabnten Stfegenthurme,
sitzfc dad fialengeechmuckte Sanotusthurruchen, aus Holfc
oonStriiirt und mit Kupferbleeh bekleidet. Diese ^ierlieben
D&chreiter finden sich nocb heute bei den meisten der yer*
wandten Bauten; die Lubecker Kirtihen fiihren es durchweg,
auf d£r Jlarienkircbe dient es als Gehfiuse fur ein Gloeken*
spiel. Das Lahghaus befolgt strengdie Arcbitektur des
Chores, fiber den breiten ungegliederteh, nur von den
grosaen ffenstern durebbrochenen Masseri der Seitenschiff-
c&peUen erhebfc sich reich gegliedert in Mcbter Klarheit
daB Hochschiff. Im Wester kronen das sfcolze Bauwerk die
beiden maehtigen Thnrmriesen. Es ist die riehtige
Hanseatenkirche, trotz ihrer Sfchlichtheit ist sie kraft ihrer
harmoniscben Verhftltnisse und -der Gese*z- nnd Zweck-
massigkeit ihfrer Anlage docb ein wahrhaft schoner Bau.
Vergleichen tfir numnebr die Reconstruktion' mit dem
Griind* imd Aufiriss der heutigen Kirehe, Pig* 16 n. 31, 20,
bo wird tins. ohne. Weiteres klar, urn wieviel groesartiger
der Ban hat werden sollen. Der Chor sitzt nicht mehr als
fremdartigefe Glied am Langhause, er'bildet vielmehr mit
deitoselhen eiir harinonisches Ganze. Ein weiterer Vergleich
mit den Grundrissen der Kircbea Von Sehwerin und Doberan
zeigt deutKcfa die nahe Verwandtsefaaft mit jetton Batten.
Weiter beweist unsere Reeonsttfuktion, welehe nioht etwa
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m
em Product individuelten Gefechmacks ode* der Phantasie
ist, sondern welohe sich mit fast mathomatischer Folge-
riehtigkeit aus der kritischen Betrachtnng des VorhaiHie&en
sowie dem Stadium der verwandten Bauteti fergeben hat,
dags St. Pete* lu Riga berufen war, ale wfirdiges Giied
sich seinen norddeutschen Vorgangern anzureiheru Ja
mfchr ate daB, wir sehen dass St. Peter eift durchaus origi-
nelles und hochbedeutendes Werk hat werden solten,
welches in der Kunstgeschichte mit Fug und Recht seinen
Plate fordem darf.
Das Streben der jungeren Zeit, dee 16. Jahrbunderte,
each dem Aussergewdhnliohen manifestirt sich bei unserem
Bau deutlich in den Capellenreihen, sowie in dem com*
plicirten GewOlbesystem. In dieaen baiden Eigenthumlich-
keiten unserer Kirche mag man vielieicht aach em Zti-
gest&ndniss an die in den L&ndern des deutschen Ordens
herrschefide Geschmacksrichtung sehen. Oaten uifl Westen
reichen sich in St. Peter die Hand rum Butide. (VfcrgL
St. Marien m Danzig, St Johannis zu Riga und dte
preussischen Kirchenbauten.) Bin weiteres Anzeichen der
jnngeren Zert ist in dem Aufbau, in dem auf eine gewalt*
same Htfhenwirkuiag angelegten Mitteldchiffsyatetn lu fefehen.
In Doberan ist dasselbe einfach und streng gesetzm&ftsig,
in niaassvoller Hdhenentwibklung angelegt; in Schwerin Ttei>
siicht man schon durch Kunstetucke, durch hohe Fenster*
blenden, die Hfthenwirkung 2u steigern, in Riga vollends
wird die Trav^e zweigetheift, d»8 Oberschiff noch eirhdht
und daruber ein kunstvoll reiches Gewalbe gespannt. Da*
mit ist aber die Grenze des im Ziegelbau meglichen Behon
fast erreicht. Drittens und letztens weisen die verschiedenen
bereits erwilhnten Geschmaoklosigkeiten im Aufbau der
Kirche darauf hin, dass die Bluthezeit des Styles zUr Zeit
des Beginnes des Rigaer Banes bereits uberschriiten war.
Doch trotzdem wird wohl ein jeder Freund alter Kunst auf s
Tiefste heklagen, dass es Meister Johannes nicht vergtaflt
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gewesea, ae»n erbabenes Work zur Reifo au bringen 4 Leiden
i$t ea wob) a*ucli nuv ein Traum und ein schoaejr Wahn,
wean ich mir vorstelte, daas dag, whs cter alte edte Bau in
seine? Spra$ibe mir von aeinen Jugendtagen mablt und Ton
dero, irasi sein Scbftpfer im Sinne gebabty dereinat nocb atut
Wabrbeit weE<te» und grejfbar to? unser alter Augen da-
steben k<HH*te. Unsere Zeit bant nur nocb ungern Gottes*
bauaey y©* aolcber Erhabeaheit und Grdsse; wie eollte aie
de*n eia^a berefts, voarhandenen Bam zur Halfte abteagea,
um einem laj>gst verges&e&en Projekte, velcbss der Foreahe*
aus dem Staube der Jahrh«nd^rte herrorsncbte, wieder an
&i*$9fc Reohte gu verbeifen. Das sind nur leere Tr^ume.
Und doch e& ware e£ne wrdjge Feier dog baibtaasend*
jSbrigBn Jmbilaums der St Petrikirabe, wollte die Stadt
Riga das Werk Meistex RumeacJKvtte^s %\x Bade fuhren, sich
u*m1 d$s A&#e$k$n der kunstsinfligen Voarfahrw gleteher-
Wflise ebuendlv
lbs togkuta for St. PftoUwta.
Fast $in balbsa Jfthrbuadert, yon 140&. bis zam Jabre
1456, h&tm wir aicht$ Ton eioem Ban an St Peter; era*
ia j#i$m Jabre caffahrsn wir Tjiedsr etwafl uber den JVwrt*
gftftg (tefr W«rk^4 Dai^U wurdjen 4000 Bachat^ae yer^
braaicbt^ d,ieaee taBii si$b nur auf das Schiff bezieboi^, ctena
der Tbwtm wiird scbwerlicb Bait Dachsteinen gedeckt warden
sain, la djiesp Zftft babea wip demnach salt alter W^hr-
aabeupjiehkeit die Ertichtuflg dea jetaigen tangbauses zu
setyen. Ueber de^ dawaJtigje* B^uqieister wis«en wir nicbte;
^ltern Anactein^ naeb i$t ea eia biesager, in dies, Baukunst
niGbjt $beq beryca;rag$n<jl03 Mann gewesen, Der site Ent-
V*rf M^eier Rttwschottels wurde voUataadig jwsisgegeban,
wobl a^ine^ zu groasen Kostepieligb^it lialb^r, und mau be*
IGbilteikitd aicbi to der AorcbitekAur <fe» Neuba^* a»}f ^
wwmgftqgliek n^tbige, Dieaea Cb^raktei? eines yeinen Nuta-
ba,«e9 tr^gt (ten^ 4^ kanghaua^ yon St., Peter sowoW m
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270
Aeussern ate im Iimern cteutlich genug ausgepragt, atich
die techfiisehe Ausfiihrung des Mauerwerks st^ht betr&chtlteh
hinter der des Chores zuriick; beim Mittelsehiff ist sie eine
fast nachl&s&ige zn nennen, was anch die beiden tn&cbtigen
Risse beweisen, welche im zweiten Gewftlbefeld rom Thurm
aus ger^chnet, beide Mittelschiffwimde spalten mi& eine
Unterftingung der Scheidbtfgen ndthig gemabht habere Ameh
mit der Construktion des zu iSnde dfes 15. Jahrhunderts
errichteten erslJen Thuttnes wird es wohl nicht ztim Besten
bestellfc gewesen sein, dieses beweist das Schtoksal, welches
ibn zwei Jahrhnnderte spllter ereilt hat.
Das Langhaus, Pig. 16, setet sich als dreischiffige
Basilika, im Mittelschiflf 4 Travgen lang, dem Choitoati an.
Das Mittelschiif ist in der Breite dem Chorschiff gleick;
die Abseiten sind betrachtlieh breiter als die€horseatenscbiffej
jedoch nicht ganz so breit als diese mit Einschlttss der si€!
begleitenden Capellen. Die Pfeiler, Fig. 29, sifld kretiz^
formig, sie zeigen nach alien 4 Seiten je einen Pilaster zur
Aufnahme der Scbeidbfl&en uttd €ta*te,<*kr-dtftn Ecken sitzen
Viertelpilaster zum Auf lagei* f&r die Rippen. Die Bekrtfriung
der Pfeile* war ! vor der letzten Restanration eine einfache
Platte, fig ist dieses eine Ausbildung, die an die Pfeiler
des Domes erinnert und'bei der St. J&cobikfrche gletch&lls
sich findet. Die Seitenschiffe sind mit reichen Sterftgewfllben
bedeckt, die Fenster daselbst gross und Kcht, die Gewandk
und das ehemalige, jetzt dnrch ein moderns ersetzte, Maass-
werk derselben gleich denen des Chores. Das Aeussere
der Seitenschiffe, Pig. 31, zeigt kr&ftige Strebepfeiler, deren
Absatze ebenfalls mit Werksteinen abgew&ssert sind, dar&ber
den SpitzbOgehfries des Chores nur in weit roherer Aus-
fahrung) theilweise jedoch auch mit glasirten Steineni Die
Innenarchitektur des Mittelsohiflfes, Pig, 30, ist sehr roh,
die Pfeilerpilaster verjiingeA si<Jh ail der hohen kahlen Wand
in zwei, durch einfache Platten gekrdnten Abs&tzen bis auf
die Breite des Gewtflbegurtes. Neumann, in seinem „Grund-
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271
riss der Kunstgesehichte der Ostseeprovinzen" sieht in
diesen AbsStzeti em Anzeiohen for eine spatere Erhtthung
des Mittelacbiffea tind folgert daraus, dass die St. Petrikirche
ucBprunglich eine Hallenkirche gewesen sei. Er verweist
hierjxei auf die ahnliohe Erscheinung am Dom. Ich kana
jedoch in den abgesetzten Pilastem der St. Petrikirche
nioht mebr als eine ungelenke, wiewohl ganz systematisch
durcbgefiihrte Losung einets architektonisohen Problems
sehen^ von emer g&nzlichen Aenderung des tektonisehea
Systems, wie an den Dompfeilern ist bier gar keine Rede.
Die Mittelschiff-Fenster sind sehr klein und niedrig, sie
sitzen in flachen Blendan, welche oben im gebrochenen so-
genannten Stralsunder Spitzbogen zusammeongehen. ; Die
Gewfllbe sind ^auch bier von Hofo und wie die des Choree
als rundbogige Kreuzgewolbe aiwgefuhrfc. Das alte Gewalbe
mag.aflob, wie das der Seitenschiffie, ein Sterngewdlbe ge-
wesen sain. Das Aeussere des Mittelschriffes entbehrt der
Sftrebepfoiter, die Fenster sind flach und recht roh profilirt,
daruber der bekannte Fjies, ebfcftfaUs sehr roh ausgefuhrt.
A& del 1 Grease &»tn Chormittelschiff und zwar zum letzteren
geh^rig, sitzen beidetcseits Treppenthiirmcben. Die ndrdliche
SeitenBchiffcapelle ist ersiehtlich gpater aligebaut, wie ee wahr-
scheinlicher Weise auch die Capellenr&time zu beiden Seiten
des Thurmes sind. Die Verhaltnisse des Innern, wie uber-
haupt der ganze Langhausbau fallen gegen den Chor sehr
bedeutend ab.
Ein dem unserer St. Petrikirche sehr ahnliches Schick-
sal hat der Ban der St. Marienkirche zu Rostock gehabt.
An einen alteren, schdnen, dem unsrigen in der Anlage
verwandten Chor nebst ausgefuhrten Kreuzschiff, wurde dort
im Laufe des 15. Jahrhunderts ein wenig bedeutendes Lang-
haus ; gefiigt, und die Harmonic des ganzen Bauwerks da-
durch empfindlich gestOrt, Archivrath G. F. Lisch schreibt
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272
dartiber 1 ): „So kam eg in den fiaa«egt&dten after; es
warden etwa in der 2weiten H&lfte dee 14. Jahrhunderta
Kxrchen von kologsater Ansdehirang fur den Ziegelbaa an*
gefangen, aber nicht voilendet; dasselbe ftnden wir an dan
Kirehen Wismars, welche ebenfalls in aehr grosgem Maasa*
stabe angelegt, aber nicht in alien Theilen und in dem*
gelben Geiste volleadet umd auggeffihrt Bind; man siefct
fbberall, wie jftngere, schlechtere Anbatiten die
Ansffihruiig des Grundplanes abgeschnitten h&ben.
Dies mag %emea Grund in dem allmfthligen Verfatt tmd
den inneren Unruhen und Itosseren KrJegen der Hansastadte
im Anfange des 15. Jaferbwnderts feaben."
Die Schicksale und die Form des erslea, sowfe de» jetaigen
Thnrmeg tmserer St. Petrikirohe gind hinreichend bekauarty alg
dass ich hier nfcfaer daranf efczugehen brancbte. Zum S*hiug*e
will ich nnr die Hoffnung aussprechen, das« bei femerai Re*
stauratiensarbeitew, besonders an dear so hoehst interessantea
Cborbau etarae mehr Rftckskht auf die archi*ekt<mlscbe
Eigenart unaerer St Fetrikirche genommen werde, als eg
bisher theilweige der Fall gewesen. Das Werk lieister
Johanies Rumeechottefe ist deggen wabrlich we*th. Dass
diese Zeilen daau foeitragen intfgen, iat der Wunsch, den
icb ibnen mit anf den Weg gebe.
Zum Schluss noch einige Worte iiber zukunf tige Arbeiten
an der St. Petrikirche.
Die Hauptfa£adeu. der Thurmmussten,abgesehenvon
ndthigenReparaturen, von dem rothen Anstrich befreit werden.
An den Seitenfa£aden ware der Speicheranbau an
der Nordwestecke zu entfernen und die Sakristei hinter
dem Altare in gothischen Formen augzubauen.
Die Gesimse der Kirche mussten in gothischen Formen
in Rohbau wieder hergestellt werden.
i) Meckl. Jahfbueher, 1844, pag. 451. G. C. F. Liach. Die Marfen-
kircke zu Rostock.
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273
Die Windf&nge vor den Seitenportalen sind zu
entfernen, resp. nach Innen zu verlegen; die Portale selbst
in Rohbau zu erneuern.
Die Treppenthurmchen des Hochschiffes, sowie
hinter dem Altare sind zu reinigen und zuganglich zu
machen, da sie bei etwaiger Feuersgefahr von der aller-
grflssten Wichtigkeit sind! Sammtliche Treppenthurm-
chen sind mit einer stylgem&ssen Bekrftnung und mit
gothischen SpUahelmen zu versehen.
Das erhalten gebliebene Ziegelmaasswerk des Cho-
res ist zu reinigen und in Rohbau zu restauriren. Dass die
Fenster des Chores bis auf eine den Langhausfenstern gleiche
Hfthe vermauert werden, erscheint durchaus uberflussig.
Diese Restaurationen am Aeusseren der Kirche
lassen sich sammtlich ohne allzu bedeutende Kosten be-
werkstelligen k Anders steht es mit tiefergreifenden Restau-
rationsarbeiten im Innern.
Wftnscbefiswerih wire die Wiederherstellnng der
masshren Gewdlbedecke des Mittelschiffes. Die
Wande des Langhauses sind zwar stark beschadigt, doch
wHaren sie nach Einziehung geeigneter Ankerverbindungen
wohl noch im Stande. ein leichtes Gewdlbe aus Hohkiegeln
resp. pordsen Tuffsteinen zu tragen. Die WtadeMes Chores
sind ohne Zweifel noch vollstandig fehig, eine massive
Decke zu tragen. Fur die neuen Gewdlbe des Chores ir&re
der Zweitheikrag der G^wdlbejoche des HochschiffeB unter
alien Umsttoden Rechnung zu tragen.
Wunschenswerth ware ferner eine Herstellung des
Innern in Rohbau nebst theilweisem Verputz und Malerei
nach dem Muster der Kirchen zu Doberan und Schwerin.
Diese beiden im Innern vorzunehmenden Restaurations-
arbeiten lassen sich jedoch leider nicht ohne recht bedeutende
Kosten bewerkstelligen, namentlich nicht die erstere.
Mittheil. a. d. livl. Geschiclite. XIV. 2. 18
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DietJebeireste der SkQeqrgskirqhQ im „Qonv^^e
zum heiligen Geiste" in Riga.
Von Carl vo* LSaisof Meuar.
■ , . * — ■ ■ .
lw Hltesten Theile Bigas, unweit der St. Petrir und
St. Jobimniia-Kirohe^ befindet sicb der Hof des „Oonv6nti
Hum befligea Geiste." Die zu demselben gehfrrenden H&user
bilden nabezu ein Rechteck, belegen zwiaohen der groasen
SobmiedestaraBse und der SoharrecBstoaase* Zunslobst dear
letzteren befindensich drei dem QonTeoate gebGpemleSpeioier,
welche duroh ihre alteh unregelm&ssigen Mauen* *nd D*eieck-
giebel auffallen. Sie fiihren den Namen die ^blauef oder
riehtigor ^bliimerante (hLen niourant) Taube"; die ^weieae
Tajiba" wfcd die ,>hfraune Taaibe". (Verglekhe » d«n Lagepkn
to 1:600.) =
An dem mittleoren Spoaeher die „Tr«ta8fe OPaube* sjeht
man an der AuaBenwand dee auffaJdemd altertbumlioben
Ctea»&nerB der nordlioh^n Wand deutliche Spnren einea
venrmau«irten Spitlbogenfebflter*, deepen GrtJaa^nvenrhiBaiisfie
vermuthen lassen, dasa «s vor Zeiten »u einer alten Kirebe
gebtfrt bate. /
Duroh das firenacUiobe Entgiegankomnien de* Verwaliung
dea Convento wurde es ennflgHokt, daa Innaro dee Banes,
gQweit ea did: auffeespeioherten Waaoren mberhaupt zoliessen,
ia Augensehein z* nehmen. Ira ErdgeBchoea* fanden Blob
Pilaster (Wandpffeiler), uad swar j© zwei an den Lang*
w&nden und zwei Eckpfeiler nach Osten (zur St. Johannis-
Kirche) hin.
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976
Diese ans fian»teinen gefertigten Wandpfefter sind
90*» bis -1* breit nnd springen 16 Ms 32f cm rechturinkeltg ana
der Wand herror. Aus dettselben springt «tfiedernm efa
60** breites ftechteok urn 8 bis 25 Ctt vor, 6o ddsa der ge-<
sasnmte Qaersehnitt die Halfte eines Pfeilers mit kreu*
ftmaigem Qnerscbnitte bildet. In denselben Maassverb<*
rAmen bilden die Eefepfeiler den vierten Theil eines eben-
solehen Pfteilers (Vergl. den Bamptplan im Massfttabe 1 : 100).
Dag Material diesfer Pfeiler ist ein recht harter rdther
marmorartiger Kalkstein, mit wenigen kleinen grunfich ge<
raaderten DCisen. Die sanbere Bearbeitting lfcsst rermnfhen)
dat» diese 9tutzen der ebemaligen Gnrtbdgen nnbetiincftt
blieben, wftbrend der fcbrige Theil der Wand, hanptsacklieb
am bellem Kalkstein, aber auch ans grossen Ziegeln be-
stehend, wahrscheinlich getuncht bezw. bettiaW gewesen dein
irird.
iMe Pilaster der Sfid*and treten in imgleicher St&rke
ans der Wand hervor, wodnreb der Erbaner den Fehler in
del* Artage (dte YeAreitemng del* Kirehe nadh Osten) mit
Btakaichfc anf die Gewdflbegurtnngen offenbar bat Ausgleiehen
ui&Oen.
fiegiebi min ftieh anf der in der Manerst&rke der Stid-
wand (anr Seharrensfrasse bin) angelegten aehmalen Treppe
aal den 5,«b m fiber dem Pussbodefc belegenen ersten nnd den
2,w m ftber diesem liegenden ztreiten Boden, so bemerkt mktt
lttngs den vie* Wte&n, besonders deirfllch aber an der 3fi<I-»
wand, die Spuren der 6 Kreuzgew#M>e, welche diesen ganaen
Baum ehemafe ftberspannt haben. IWeae S^iiren erscheinen
ate Bftgen, deren Sehdtel 9ty* Meter fiber dem Fns&boden
zu ebener Erde belegen sind. SJe lassen d4e St&rke 1 der
ebemaligen Gew&tbe als 25°" betragend erkennen. Hieraus
erkatten wir die Hdfee> der ebemaligen Gurtbogen mit 9 l N
Metem und den Ansate derselben (SteHe der ehemaligen
KapitSle) etwa/ in S 8 A bis 6 Meter flsbe fiber dea* befttigen
Possbeden. Wie heeb die Gewfllfee aelbst ge^es^n sind,
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276
l&sst sich nicht mit Bestimmtheit ermitteln, doch kflnnten
dieselben wohl ca. 12 Meter hoch geschatzt werden — also
etwa so hoch, wie das Gewtflbe im Altarhause der St.
Jakobikirche. GewOlbe von so bedeutender Efohe diirften
in Slterer Zeit wohl nur in Kirchen vorgekommen sein.
Der Umstand, dass diese R&ume seit langer Zeit Speicher
sind, entzog dieselben bisher den Augen der Forscher.
Wie ein Blick auf den Hauptplan zeigt, stimmen die Haupt-
axen der Penster nicht mit den Queraxen dep Gewdlbe
iiberein. VieUeicht gestattet solches den Schluss, dass die
Kirche hier im Langhause ursprunglich flach gedeokt war
und erst spater die Einwfllbung stattfand. Dabei lntfgen
auch, etwa in der Zeit des Bog. Uebergangsstyles, die ur-
sprunglich vielleicht rundbogigen Fenster den spitzigen
Bogen erhalten haben.
In den Kellern der „weissen Taube" finden sich noch
die altenviereckigen2,2o m breiten Fundamente der ehemaligen,
jetzt durch Holzpfeiler ersetzten, Mittels&ulen oder Pfeiler <
Waren dieselben rund analog der in Uexkull vorhandenen
Saule vor dem Altarchore, oder waren es viereckig^ Pfeiler,
oder solche von kreuzformigem Querschnitte? Da von ihnei^
selbst nichte erhalten blieb, so durfte diese Frage wohl nur
durch Auffindung eines alt en Planes zu beantworten sein.
Der Pfeiler im Schiffe der Uexkullschen Kirche hat
einen kreuzformigen Querschnitt, doch kannte derselbe
jungereu Datums sein — ebenso der ahnljche Pfeiler im
Speicher die „braun,e Taube".
In unserer Rigaschen St, Marien-Domkirche haben wir
freilich auch Pfeiler mit kreuzformigem Querschnitte, iiber
^eren hohes Alter kein Zweifel vorhanden ist.
Das zweischiffige Langhaus die „weisse Taube" hat
nach Norden drei Fenster gehabt, nach Suden ist jedoch
gegenw&rtig nur einee nachzuweisen. Dieser Ranm ist im
Innern gegen 23 Meter lang, fcei einer Breite von IS 1 /* bis
uber 14 Meter. Das am besten erhaltene Fenster in der
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277
Mitte der Nordwand ist im Lichten 127 cm breit in seiner
Mitte, erweitert sich bis ca. 2 ra nach innen und ausseh.
WestKeh an den Speicher die „weisse Taube* stdsst ein
anderer Speicher, die „braune Taube" benannt. Diese Be-
zeichnung der Speicher ist offenbar davon herznleiten, dase
dfe Taube als Symbol des heiligen Geistes gebraucht wird,
wie denn auch das Siegel des „Convents' ziim heiligen
Gteiste" *) eine Taube mit einem Heiligenschein darstelit.
Die „braune Taube 44 ist von der „weissen Taube" durch
einen (jetzt iugemauerten) runden Bogen von 7V* Metern
Spafcnweite, sichtbar auf dem fersten und zweiten Boden
der „braunen Taube", getrennt. Getragen wird dieser
Bogen von fcuraen consolenartigen Pilastern, deren Fusse
sich in einer Hbhe VoA fiber 3 Metern uber dem Fussboden
des Erdgeschosses befinden.
In der Uexkiillschen Kirche wird der zweitheilige Bogen,
durch welehen das zweiscbiffige Langhaus vom Altarhause
getrennt ist) in der Mitte von einer runden 9G cm starken
S&ule getragen*), w&hrend an den Seiten ebenfalls kurze
consolenartige Pilaster die anderen Bnden der B>5gen trageri*
Zu dieser Aehnlichkeit der Anlage kommt noch hinfcu,
dass did Pilaster im Schiffe der Kirche zu UexkMl nach
Form und Maass mit denen in unserer ^w.eisBen Taube"
ubereinstimmen; ob auch im Materiale, konnte nicht fest-
gestellt werden. Auch die Pfeiler mit kreuzffcrmigem Quer-
sohnitte hier in der „braunen Taube" wie dort im Schiffe d^r
Uexkiillschen Kirche sind einstnder tfecht ahnlich.
An die Ostwafad der „weissen Taubfc" sttfsst die „blaue
Taube", gegenwttrtig ebenfalls ein Speicher, Ein jetzt auch
!) Est- und Iivlandische Brieflade von Baron Robert v. Toll, vierter
Theil, herausgegeben von Dr. Joh 8 Sachssendahl, Tafel 29, Nr. 66.
2 ) W. Neumann giebt in seinem „Grundriss einer Geschichte der
bildenden Kiinste und des Kunstgewerbes in Liv-, Est- und Kur-
land" auf Seite 7 iiTtMmlich diese riinde Saule als quadratischen
Pfeiteran. ■ , *
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Twmauerter Bogen vtm 6,10^ Spamnreite trerait beide Rjfcume.
Die Bnden dieses Bogene ruben jedock auf Pikstern, deren
Fuese tn ebenar Erde sichtbar Bind. Wir haben * es bier
rait dem sog. Triumphbogen (zwwcken Langhdns und Altar-
baus) su ttmn. In der „blatfen Tavbe", dem AUaurchore,
and but Eckpfeiler vorhanden, welche ein einziges Krena-
gewftlbe getragen zu hatoen soherinen. Der nordostiiche Eck*
pfeiler ist jedooh nicht xnetor vorhanden und wurde dafae*
auf <ier ZeiebntiBg, gleioh der Innenseite der nratbmaasslich
ehemdligen Nordwund dieses Raumes, punktirt angedentet.
Im Materials und in den Dimensionen sind diese Eck-
pfeiler jenen in der „weis9en Taiibe* gfoicb, irnr dass hier
die Fusee deraelbea Sichtbar uad gut erhalten sind.
Bin Riss i» der Ostwand und die flinbiegung des
Daches sprecben aucb fur einen sp&teren Anbau des tdrd-
lichen Tbeiles der *blauen Taube*.
Die ^blaue Taube* scbliesst nacb Oaten mit einer ge-
r&utoigen Niscfee ab. Es ist die bei den Kiroben im ro-
mani«chen Style h&uflg vorkommende Apsis oder Conoha.
Auob an der Rigaschen Domkirche baben tfir erne tthnliohe
baibninde Altaraidche.
Etwa auf I 1 /* Meter von der Innenseite der Ostwand
unserer ^blauen Taube" sind die Wtode der Nisehe parallel;
dann aber schliesaen sie in einem Kreisbogen ab. Im Innern
gem^ssen ist die Apsis 6,01* breit und £,70"* tief bei einer
Mauerbfthe yon 7Vs Metern fiber dem heutigen Hofeapflaster
bezw. Fusabodfili zu ebener Erde.
Der abgerundeie Tbeil der inneren ApsiahWand bildet
keinen Ttnllstandigen Halbkreis auf dem Grundriese, sondern
einen Kreisbogen zum Radius- 2,85 m und Centriwinkel von
ca. 157 •. Von der Strasse bezw. dem Conventshofe aus ist
die Apsis jetzt nicbt sichtbar, da kleine Anbauten sie
verdecken. .
An der Innenseite der Sudwand dieter Apsis liegt in
Brusthtfhe (l,is m ) eine fast wurfelfOrniige Niscbe (46°* tief,
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2m
53?* breit und 46** hoch im Licbfan), welche mian gerieigt
sein konntie, tut ein Sakramenfcsh&usoheii zu balten. L&tzteree
lag jedoch atsoaiuiifllofi Atif der Brangelient(MiniMr*) ode*
Brod8eite t (hicr NordseHe) dqs Altars* d. k. rechts vondem-
eelbent und komcat bereits Beit dep 13* Jahrfcundert vor
als Wandscbrwk. Gajiz ahnlich wje 4iesss Wandtebeiruakel
auegostattet, nur church s^ine Stellung «n der Epi^el- oder
Kelclisaiie (lmv S^Jseite) au ; n^r^p^ide^, , ist das Dee
positorium fur die heiligen O^Let, Es JaaadjeU sicb s^Wftit
hier^clrt iwein SakramejitshftusQhen,, sondes inn $n solches
QopocfifOT^mn. ,I)a§9s}he ist vQhlerhaltea, ntft 4 gposp^n
Bajisteineiv umr#hjnt — frailic^ fehlej* die Thjirw, Auch
die Ruckwand wird aus Hausteinen gjebildet und z,wa? yon
dem^elben Materiale, yie demjenigen, der Einfassung, uber-
haupt der erwahnten Wand- und Eckpfeiler.
Solche Wandschranke kommen haufig auch im Nord-
osten DeiltscHands vor 1 ). Nebpn die^em Depositorium be-
findet sich ein vermauertes Fenster in der Apsis. Eine Krypta
ist. nicht vorbanden. Hat e$ uberhaupt eine solche hier ge-
geben, so wtirde £ji,e langst bei Umbauten spurlos vernichtet.
An der ndrdlichen Au^senwand der Apsis, in einer Htihe
von 3 Metern (auf dem Heuboden ernes angebauten Pferde-
stalles sichtbar), befindet sich eine 95 cm hohe, 75 cm breite
und 14 cm tiefe Nische, welche in flachem Bogen oben schliesst
(Ffeiihake 2b m ). Vtelteicht dtente fiie anr Aufhsthme' eines
Hdligeabildee.
Die ganzfe Kirche itft im In&eru 45 Mete^ laag (elirai
langer, als die Rigasche St. Jacobikirche) und im zwei-
sohifflgcrA Mittelbati gegem 15 Meter breft, Hiei'bei niftsfien
noch die IV2 bis l 3 /4 Meter starken Mauern hinztf£6tfe<5hnet
wefden.
Der zur Scharrenstrasse vorspringende Theil cler „t}rau-
nen^aub^ mit der schragen Wand erspljieint seiner Ma,uer-
i) Yergl. Br, Heinritfh Otte : Han^buoh del kfreMiohen Rwvrtafthao-
logie I, Anbgabt van 1881, &#*te ,243, 250 u*4 WL : t :
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starke und Lage nach als ein spaterer Anbau, wof&r audi
deutlich dasGeb&lke desDachstuhls sprieht* Es biMetcEeser
Theil jetzt keinen integrirenden Bestand der Kirche.
Wie ein Blkk auf den Hauptplan (in 1 : 100) zeigt,
fallen die Axen der Apsis, des Altarchors {blaue Taube)
und des zweischiffigen Mittelbaues oder Langhauses (weisse
Taube) nahezu zusammen. Die Axe der Vorhalle (br&une
Taube) bezw. des trennenden Bogens ist jedoch bedeutend
nach Norden hin verschoben.
An der ntirdlichen Aussenwand unserer Kirche finden
sich Spuren von Strebepfellern, vielleicht auch nur Lisenen
aus Hausteinen. Ein grflsserer Glockenthurm scheint nicht
vorhanden gewesen zu sein.
Das ehemalige Hauptthor des Convents nimmt Herr
J. Doring 1 ) als in der Stadtmauer, zur Schmiedestrasse hin
belegen an 2 ). Nach dem altesten Rigaschen Stadtplane vom
Jahre 1660 scheint dieses Thor nicht an seiner heutigen
Stelle, sondern mehr westlich und zwar gerade unserer
Kirche gegenuber gelegen zu haben 8 ), Eine ahnliche An-
ordnung findet sich auch am heutigen Rigaschen Scilosse
und durfte auch noch am Wendenschen Schlosse erkennbar
bezw. nachweisbar sein.
Wie bereits angedeutet, ist unsere Kirche im roma-i
nischen Style erbaut, also wohl bald nach der Grunduijg
Rigas, am Anfange des 13, Jahrhunderts. Berucksichtigt
!) Sitsungsbericlite der kurL Ges. fiir Lit. u. Kunst, 11. April 1879.
Seite 9.
*) Vergl. auch die Urkunde vom 21. Marz 1304, U.-B. Nr. 460, Beg.
Nr. 700.
3) Vergl. auch die altere Ansicht der Nordseite des Convents in J.
C. Brotzes Sammlung verschiedener Livlandischer Monumente,
Progpecte (Portraits, Gtoabmaler), Muneen, Wappen etc. Orig.-Mss.
in der Bigaschea Stadtbibliotkek, Band Yin, Seite 57.
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man andererseits die Lage dieser Speieher 1 ), so liegt die
Veramthung nahe, dass es sich hier um die St. Georgs*
Kirche des Livlandischen Schwertbruderdrdens, welche bald
nach deasen Stiftung 1302 durch den Erbauer Rigfcs er-
richtet und dem Sohutapatrone der Ritter geweiht wurde,
handeln kdnnte.
In solchem Falle wurdo dieser Ban sowohl fur die Stadt
Riga, als deren alteste Kirehe (dte 1215 nicht verbrannte,
als ein Theil der Stadt und die epste Domkirfche einge-
asehert wu*den), als aueh fur die Qstseeprovinzen nbe?Kaupt,
als alteste Kirche des einheimischen Bitterordefts, lioch
interessant sein.
Die Uexkullsche Kirche kann htfchstens 29 Jahre (1186
bis 1216) frnher als St. Gteorg, wahrscheinlich aber nur
wenig iiber 16 Jahre (1186^—1202) vor dieser Schwertbruder-
kirche erbaut worden sein. Bs ist wohl mOglich, dass die-
eelben Hande hier vie doit bei der Erbauung thfttig waren
und die frnher erw&hnten Analogien kOnnen daher nicht
auffallend erscheinen.
Betrachten wir nun die mit der 700ja^rigen Livlan-
dischen Landesgeschichte vielfach verknupften.wechselvojlen
Schicksale dieser Kirche, so sehen wir, dass dieselbe nicljt
weniger als drei Nainen gefiihrt zu haben scheint, sui? Zeit
*4s sie noch ihrer kirchliohen Bestinimung erhalten blieb.
Schon seit drei Jahrhunderten acheint letzteres leider nieht
mehr der Fall gewesen zu sein.
Ueber die St. Georgs-Kirche, bezw. Kirch,e des Scbwerj;*
briiderordens finden wir bei Heinrich von Lettland die
muthmasslich erste Erw&hnung bei dem Jahre 1200: Nsach-
dem der die strenge Ordenszucht iiberdrftssige Ritter Wigbert
*) VergL A. v. Rickter: Geschickte der dem russischen Kaaserthume
einverleibten deutschen Ostseeprovinzen, Theil I, Band I, Seite 139
and J. Doring: Sitzungsberichte der ktiri. <*esellsehaft f; lit. a.
Kunst von 1879 April 11, Seite 9. .
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von Sosat den ersten (&d$asmeister Wenno ermordet hafte,
flab er aus demHuuse ill dieCapelle(a domo iitc4pell*m)
— ■ wabreoheinlioh Gapelle des Ordens.
Deutticher iftt ebendort die Nachricbt bei dem Jahre
1315, als noehts zur Fastenseit ein Tbeii der Stadt tnit
der Marienkirche (ursprungliche Domkirche) eingeftsdi&rt
wu*de, wobei 4a» Feiae* siob bis an die Kirohe der Ordens-
brSder erstneckte (usque ad eoc£esi*m Fratrom militiaeX
disaelbe also v-etfschonte.
In der Urkunde von 1225, April 22 1 ), ist die Bode
davon, dam die Bruder (fratree militiae Chriflti) mit ihr^r
eigenen Gapelle zufrieden seien (ut ipsi fratree oapella
propria ^saent eontetiti)*
Im Jabre 1225, December 19, weibt der Biscbof Wilbelm
von Modena 8 ) die Kirebe von neuem, nacbdam Bte vielleicbt
erweitert worden 8 ).
In der Urkunde yon 1226, April 5 4 ), begegnen vir dem
Na«aen der Kirche St. Georgs (eoolesia St. Georgii) im
Gegensatze znr St. Jakobikirche (damals in der Vorstadt:
in suburbio).
Bei der Vereinigung des Livl&ndischen Schwertbruder-
brdens mit dem Deutschorden 5 ) ging St. Georg nattirlich
in den Besitz des letzteren ube*.
Die Livl&ndische Reiinchronik spricht bei dem Jabre
1254 (Vers 3711) ton „sente Uri&n" und bei dem Jahre
1280 (Vers 8898) von „sente Jurian", dem Ordenshofe der
•Bruder in der Stadit Riga, ohne aber von der dortigen
Kirche zu reden.
i)U:-B. I, Nr. LXXHL
*)!Heitna*w von Wartberges Liviandipche Cbronik in script, ror.
prnssicarum II, Seite 31 und 120.
*) Vergl. die Anmerkung 2 des Herausgebers Ernfct StrehHre eben-
dort Seite 31.
4) -U.-B, I, Nr. LXXXH, Befeesten Kr. 98.
5) 12. Mai 1237, U.-B. CXLTX, Regestten Nr. 168,
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1m JahrO 1897 *) soil d» Schloss und die Kirohe voll-
rttodig aerrt^rrt wordon aeinj).
In; eitier Urkttnde ohne Jahr unci Tag*) werden die
Rjgagehejtf Birger von den Ordensbrtuietn besohiddigt, sie
hatten das Ordeilssohless in Biga Betstdrt, die Brftder er-
f&bUgefc, deraj Kirchen und Capfellen, dowie andere Hfcuser
niedergerieaeu (si wurfin das Bidir di Kirchen und Capellen
dor bradere), dock iat nifcfot ausdrfieklkh der Name der
^Sk Georgskirche* genaimt, wie aurih derselbe nioht in deni
yom Yoigt eitirteti Manaserijtte vbrkomml
Sogar nooh im Februar 1494 4 ) klagt der Orden fiber
die Zersttturg von 1BOT.
Sowohl Dr. W. t. Gutzeit ah anich Herr *L Dttring
nehoten an* dates ee sioh hier nicht um ^ine Tollsttadige
Zerstdrung habe handela ktfnnen und begrimderi solches
mit der Urkunde vot 1304y MSrz 21 s ), eitoer Entsciheidung
des Isftrnusy Erzbiscbofe von Lund, der nufolge der Ordea
eiae <J Ellen hohe Maner zwisefcen seinem fiause oder
Hofe und der Stadt errichten soil, ohne die Oasse zwischen
der St, Gtedrgs-Eirehe, die folglioh doch noch bestanden
haben muss, und dem Hause, in welchem Woldemar yon
Bwa WQkntj m verengen ( . * . via, quae est inter ecelesiam
S, Georgii et dommn, in qua habitat dominus Weldemarus
dwtue de Rwa, miles, , ♦ . )w Bieee Manor fcollie nur eine
Hintertbfire von 4 Fuss Breite und 6 Fuss Efohe haben.
*) Vergl. Dr. W. v. Gutzeit, Mittheilungen, Band 10, Seite 322, mid
J. Doling, Sitzb. d. kurl. Ges. f. Lit. u. Knnst v. 167*, April 11,
Seite 10 und 11.
*) Vergi, auuh Napiarsky, Mon. Iiv. aatiq. IV, geite 29 und 170,
welcher sich auf Voigt, Geschichte Preussens, Ban4 IV, §eite 125
bezieht. Dort aber wird ein altes Manuscript des geaeitneu r Archivs
wdrtlich ftngefiihrt. Der TiteJ despelben lantet: ^Ri^iecbe Hand-
lungen* p. 49. Allerdings kommen daselbst die Worte vpr:
n , . . ecclesiam ac capellag , totaliter desftryierunt . , . . a .
3)U.-B. MXXXVI, Regesten Nr. 1227.
4) U.-B. YH N, 7$, Seite 61, *) U r -B. DCX, Re$esten Nr. 700.
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284
Auoh sollten die Bruder, ausser dem einen There, Haupt-
thore, in der Stadtmauer kein anderes, audi nidit in der
Kirche ein solches haben* Bis zu jen^r Zeit, vor Errichtung
der in Rede isteheaden Mauer^ lag somit did Kirche an*
ausseren Bande des Convents, zur Stadt bitt.
In demselben Jahre 1304 wird die St. Georgs-Ktrche 1 )
den Ritterbrudern m ihrem Gottesdieaete eingeraumt.
Da die Errichtung der Mauer zwisehen Stadt und
Convent offenbar auf Wunsch der Burger Rigas angedrdnet
ward, so hatte siff wohl den Zweck der Vertheidigung def
Stadt vor Angriffen der Ordensforuder. Vielleicht sftid in
den zur Scharrenstrasse hin liegenden auseeren Mauerfc der
„braunen Taube", der Hauser N*. 10 r 12/14, 16, 18 und
20, auch noch Reste — wenigstenB in den Fundamenten —*
dieser Mailer von 1304 enthalten.
Ueber die Lage der St. Georgskirche zieht Herr J.
Ddring in seinem bereits erwahnten Aufsatze (Seite 9)
Sehlusse, denen zufolge ihm der Speicher die „6raune Taube"
als auf der Stelle der St. Georgskirche erscheint. Dieser
Speicher erweist sich nunmehr als eine Vorhalte unserer
Kirche.
1306 den 6 Juli 2 ) wird der St. Georgshof erwfthnt,
ebenso 1330, Marz 30 s ), und 1330, August 3*). Auch 135^
December 28 6 ), wird der St. Georgsplatz, zur Erbauung
eines Schlosses, irn Gegensatze zu dem damals schon er*
bauten heutigen Rigaschen Schlosse erwahnt, ohne dass
von der Kirche die Rede ware.
Dagegen verzichtet in dem beruhmten Kirchholmschen
Vertrage von 1462, August 21 *), der Erzbischof Sylvester
i) IT.-B. H, Regesten N. 701.
2) XJ.-B. DCXX, Reg. Nr. 716, Quittung Meister Gottfrieds von Rogga.
*) tf.-B. DCCfXLf, Reg. Nr. 875, Punkt 1, Suhnebrief.
4) U.-B. DCCLm, Regesten Nr. 877.
5) U.-B. CMLXVm, Reg. Nr. 1145, Punkt 4, Ausgleich des Floren-
tinischen Cardinalpriesters Franciscus.
6) J. G. Arndts Lieflandische Ohronik, Theil II, Seite 141.
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286
auf seine Anspruche auf den (ehemaligen) ^heiligen Qeist"
und das Lazarus-Hospital (beides wohl auf dem Platze des
heutigen Schlosses), beh< aber den „Hof zu St. Jurgen
nebst Kirche", Per Er^bischof beabsichtigte damals die
Kirche zu renoviren. Letztere war somit in jener Zeit
noch vorhanden und ihr erster Name war noch gebrauchlich.
Im Jahre 1330, nach Eroberung Eigas durch den Ordens-
meister Eberhard von Monheim, wurde der bis dahin auf
der Stelle des heutigen Schlosses befindliche „Conventzum
heiligen Geiste" nach der jetzigen Stelle verlegt, wo er sich
seitdem befindet, namlich der Stelle des St. Georgshofes. Der
nordwestliche Stubenthurm des heutigen Schlosses tr>
von jener Zeit noch heute den Namen „Heiligergeistthurm".
Es beginnt nun die Bezeichnung „St. Georgskirche" sich
zu verlieren. Die Kirche tritt fortan als Kirche des heiligen
Geistes auf.
Am deutlichsten gebt die Identit&t der St. Georgs- und
Heiligengeisikirche bervor aus eineaa noch ungedruckten,
mir freundliebst von Herrn Dr. EL Hildebrand mitgetheilten
Briefe des Erzbischofs Michael Hildebrand an die Stadt
Biga d. d. Ronneburg 1503, April 3. In diesem Schreiben *)
macht der Erzbischof seine Rechte auf den St. Georgshof
nebst Kirche „binnen der Stadt" geltend und wirft den
Bigensern vor, demselben den neuen Namen „heiliger Geist"
gegeben zu haben.
Es durfte dieses die letate Erwahnung unserer Kirche
als St. Georgskirche gewesen sein, denn die sp&tere vor*
stadtische St. Georgskirche, welche in der Gegend der
heutigen Georgenstrasse stand, hat mchts mit unserer alten
Georgskirche gemein, ausser dem Namen.
*) Vergl. auch J. C. Brotze, Riickblicke, 5. Stuck, Seite 18, Aiimer-
kung, sowie Theodor ScMemann: „Russland, Polen und Livland
bis ins 17. Jahrhundert," Band II, Seite 174 in der „Allgemeinen
Geschichte in Einzeldarstellungen" herausgegeben von Wilhelm
Oncken.
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386
Dr. W/v/^titedtervrahnt^fd^ndeNachrrchtt w 1589
am 10. December haben die 70 M&nner (d. h. die beiden
Aeltestenb&nke) deito Rathe Vorgeateflt, statt der Gertrtidert-
kfrche (irelche damals neu gebant wurde), die Heii: Geist-
• i — Johannis- ■— oder Jiirgenskirche herzustelleii". Es d6rfte
wohl bereite die bbengenannte zweite Georgskirche bier
gem^ftlt aeili, da von der HelligengeistSkirclie irii Oegensatze
zur Jiirgen&kirehe die Rede ist.
Diese zrweite Georgskirche *) wird 1692 erw&hnt, ver-
brabntef 1656, wurde 1058 neti erbaiit, 1700 ge^prengt,
1704 ztrm dritten Male erbftut und 1710 von deri Russen
zerstort und seitdem tricht wilder eirbaut.
Beueits in <fea VermfiohtiiisBe der Wittwe Rapesylver 8 )
wird die Kurcbe des hciligen Geiates erw&hnt. Sie mag
mit dem gleichnamigen Convente zusammen auf <Jem Piatae
des bentigen Schlosses gestatiden baben.
Im Jahre 1488 irird die Kirche des hefligen Geiste*
den Franciskanern der 3c Kegel (streage Qbservanz) voin
Rigaschen Ratk einger^umt. Hi^r handelt es sieh bereft*
urn unsere Kirtihe. Ukter diesem Name© begegnel mtt
dieselbVauch mmh am 16».Juni 1554, als die Glocke dee
heiL Geietes aa d»r Qstseite des Pctrithurms amfgehitogt
vmA*). Noch 1589 (siehe oben) ist von der Kirehe <te*
heiligen Geistes die Rede.
Bennoek muasen nir annebmen, class 1488 oder bald toach-
h&c diese Kjrche znm zweiten Male ihren Naiaen geweckseik
babe, denn sie trht apaler als St* Catharinenkirdie auf.
Erwfchnt wird eine Katbarinenkiralie sehoa 1312, Fe*
bruar 27 5 ); ferner in d«meriraint^vVeriiachtBigrse T:©n 1324 p )
und 1392, September 24, im Testamente des Bertold von
*) Mtttheilungen aus der Livlandischen Geschichte, Band X, Seite 322
und 323. *) Ebendort, S. 323. 3 ) Ebendqrt, Sei*e 328.
4) Mittheihmgen aus d. Iivi Gescbiqhte, Bd. XTTT, S. 351 (Padela
Tagebuch). *) Als Minoritenkirche U.-B. DCXXXVII, Reg. Nr, 736.
6 ) Mittheilungen aus der Livl. Geschichte, Bd. X, S. 327.
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287
Kokenhusen 1 ), doch bezieht Dr. W. v. Gutzeit^ diese Anfiih*
rungen s&mmtlich auf <He Kircbe des St. Katharinenklosters
der Franciskaner (der ersten Kegel) bei der Gildstube.
Im Schragen der Schwar2haupte* vom Jahre 1416*) iet
von Vigilien und Seelenmesseta zu St. Kfctharineir die Rede;
ebenso wird 1425, November 20*), im Testamente des Conrad
Viseh S. Katharineii erwfcbnt. Auch bier mag es sich urn
die erwfthnte Mttnchsklosterkirche der IVanziskaner d6r
arsteft Kegel handeln,
Dass es aber spater eine Katharinenkirche und zvrai
im „heiligeii Geidte* gab, erhellt aus einer Notiz von
Liborius Depkin in dem Manuscripte*), welches betitelt ist:
Memorabilia Higensia 1708. Dort heisst es: „1699 d. 1. Sep-
tember hat man aus der kleinen Kirchefl, S. Catharin in
dem H. Geiste, darln der Rath bis hieher Holz gehabt,
anggfttngeh fcinen Speicher zu batten.*
Eine Bfest&tigung dies^r Notiz von L. Depkin findet
sich in den, nur y als Manuscript vorhandenen „Iristructionen
ffir die Administration des Convents zum heiligen Gelst,
abgefasst im Jahrfe 1789", utiterschrifcbeta vom Gouvernehr^n
H. BeHesehoff, C. €k von tTlrichen, P. v. Bruhtfngk,
Thomas Zuekerbecker, Job. ft. Schrdder und Sekretair
Kerten. Dort heisst es Seite 10: „Die GebBttde des Con-
Vents gehttrten damate* {riamlich zur Zeit der Reformation)
^wahrtcheinlich zu dem obenerwlthnten Nonnenklostet der
grauen Schwesterfc; denfc obgleich die Katharinenkirche,
weflche jetzt hoch vorhandenund in eineATSpeicihe?
verwandelt worden, atici nach den alten Namen
ffthrt, im Convente des heilfgen Geistes belegen
l).U& MWCXXm JUg. Nr. 15^8.
*) ^ttheilungeji a, d. I4vL Gtscb., Band X, Seite 326 mid 32,7.
3) U.-B. JOCXLV, Punkt 25. Regesten Nr. 2445.
*)U.-B. VH, Nr. 372, Seite 264.
5) IAvlandidcte RitterscWtsbibliothek , Abtheilung r, Nr. 62: Col-
lecrfcaaea Higensia.
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ist, so folgt doch daraus nicht, dass die Geb&ude des Con-
vents selbst zum Katharinenkloster gehtfrt haben, wie einige
irrig dieser Meinung sind. Das Katharinenkloster war ein
Mdnchskloster, und lag, wie auch Arndt bezeuget, schon im
Jahre 1352 bei der grossen Gildstube!" Ferner heisst es
ebendaselbst Seite 10 und 11 : Die im Convent belegene Kirche
hiess in den altenZeiten die heil. Geist Kirche, und
vermuthlich waren die Mftnche, welchen der Magistral 1488
diese Kirche zum Gottesdienste einraumte, aus dem bei der
Gildstube belegen gewesenen Katharinenkloster und bios
durch diese hier dienende Geistliche mag diese Kirche den
Namen der Katharinen erhalten haben."
Trotz gewisser Ungenauigkeiten in Hinsicht auf die
altere Zeit, haben diese „Instruct}oi*en tt doch Werth fur die
Zeit von 1789 selbst. Es ist recht auffallend, dags in der-
selben Stadt zwei Kirchen denselben Namen gefuhrt : baben*
Jene bei der Gildstube war offenbar der Hauptheiligen
Katharina von Alexandrien geweibt. Ihre Verehrung wurde
zur Zeit der Kreuzziige aus dem Orient ins Abendland ver-
pflanzt und im XIII. Jahrhundert kain ihr Cultus in Auf-
nahme. Dagegen wurde erst 1461 die Katharina von Sinna
kanonisirt. Vielleicht hiess nach ihr die zweite Kirchp
St. Catharinenkirche.
Es scheint, dass man bei der Orientirung unserer Kirche
dem Laufe der Conventsgrenze bezw. der Stadtmauer gefolgt
ist, da der ursprunglich viereckige Conventshof nahezu
parallele Seiten hat. Die Stadtmauer richtete sich aber
hier wieder nach dem ^ufalligen Laufe des Flusseg Rige
(Rising). Die Orientirung der St. Johanniskirche durffce
auch auf diese Art ihre Erklarung finden.
Etochst auffallend ist es, dass der Alles untersuchende,
zeichnende und beschreibende J. C. Brotze von dem noch
erhaltenen Theile dieser unserer altesten Kirche Rigas gar
nichts berichtet hat. Die „Instructionen" von 1789 muss er
gekannt haben, denn er giebt in der Notiz zur Ansicht eines
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289
Theiles der Geb&ude des Convents (Nordseite) 1 ) die Binkunfte
und Ausgaben dieser milden Stiftung an, wie dieselben 1789
gewesen, jedoch ohne der Kirche zu erw&hnen. Dort befindet
sich auch die Bemerkung, dass von den 11 damals noch
vorhanden gewesenen Speichern im „ Convent zum heiligen
Geiste" einer im Jahre 1818 niedergerissen worden sei.
Daheutenurnoch 5 Speicher vorhanden sind, so mussen
seit jener Zeit 6 Speicher niedergerissen worden sein.
Es findet sich Einiges hieruber im Archive der grossen
Gilcte 2 ), nach welchen Angaben die Notizen auf dem Lage-
plane in 1 : 600 gemacht worden sind.
Man vergegenw&rtigt sich die Lage des alten St. Georgs-
hofes am* besten, wenn man sich das „Haus der grauen
Schwestern" von 1488 (Nr. 2), das in dem Hofe des Con-
vents 1492 errichtete „Campenhausens Elend a (Nr. 8) und
das dazwischen liegende Haus (Nr. 5) wegdenkt.
Die in der Mauerst&rke der Sudwand der „weissen
Taube" angelegte Treppe hat ihren Eingang und ihre ersten
Stufen merkwiirdiger Weise belegen in der Westwand des
jetzt umgebauten und in Privathanden befindlichen ehemali-
gen Speichers die „rothe Taube". Es liegt die Vermuthung
nahe, dass dieser an die „weisse Taube" stossende Raum
ehemals einen zur Kirche gehdrenden Anbau bildete.
Wir schliessen die Betrachtung uber den gegenw&rtigen
Zustand und die Geschichte der St. Georgskirche mit dem
Wunsche, es mOgen sich Mittel und Wege finden, um fruher
oder spater eine wurdige und stylgerechte Wiederherstellung
dieses altehrwurdigen Gotteshauses vornehmen zu kdnnen.
*) Brotze, J. Ch., Sammlung verschiedener livlandischer Monumente,
Prospecte (Portraits, Grabmaler), Munzen, Wappen etc. Orig.-Mss.
in der Rigaschen Stadtbibliothek, Band YJll, Seite 57.
2 ) Lithographirtes Manuscript des Herrn Stadtaltermanns C. Zander :
,, Der Convent zum Heiligen Geiste". Riga, im Juni 1883. Seite
13, 28 bis 31.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 2. 19
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Urkuuden aus dem Archiv der Grossen Gilde
zu Reval.
Von Dr* Ft. Bieniman*. 4
* Oriff. Arch, rf* gr. GiMe. Reval.
1568, Dee. 22. • Reval.
Det Rath der Stadt Reval bezeugt, dass er auf
Geheiss des [Aeltennaiflis] Retobert vom Schareftbeorge,
sowie der Aelterleute und Brfeder der gtoseen Gilde
daselbst too den Verordiieten del 4 Frachtladen Jost
thor Haken und Blastas Hogreve atis der erw&hwteii
Lade 1000 Mark aufgfenoramen habe, una die far den
Krieg gegen den Grossftirsten von Mosk&u gemietheten
Kriegfeletite am beaahlen.
Wy burgermeistera und r adtmanfce der stadt Revell
don kundt, bokennen tmd bettrgen opentlick vor allenaeirig*
lichen vor uns trt>d unse nakometi vef middelst desser unser
vwsegelden recognitionschrift, dat wy nth hete und bovelh
des erbaren Reifcbert vom Scharenberges olderhtdeft sampt
den gemeinen broderen der groten gilde eyner go&eft stadt
Revell van den ersamen Jcyst th#r Haken tihd Blasius Ho*
greven, nhu thor tidt verordente der frachtladen, in dessen
unsen hochbeswerliken nfiden wegen des gemeinen erbfiendes
christlikes namene, dee MoschowiterSy uth bomelter lade, so
wy alsebolde in unser stadt nutfce und bestes, nftmelick
unsere setaptlike krigesluede dormede tbo besolden, gewant,
enthfangen und an uns gebracht hebben ein ddsent marck
hovetstols. Desulven gereden und belauen wy b. u. r. Tor-
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291
gemelt vor unfl und unss nakomea ermelten olderlueden
oldesten uad gemeinen broderen der groten gilde und ihren
nakomaa elck ein hundert jerlifces mith 80s nwrck up
miohelis und dessen vorleden miohelis angaade tho vorren*
tende beth thor tidt tho dat Tty den hovetatol unser eroten
gelegenheit nha, dat ja got van hohem hdmmel geyeft mote,
wedderumme afflegen mogen etc. etc. etc Donneydages nha
Thomae anno acht undo vofftich.
(l. s.)
Orig. Arch. d. gr. Gilde. Eeval.
2. 1559, April 12. Wenden.
OM. Wilhelm Furstenberg meldet s&mmtlichen
drei Gilden Revals seinen bevorstehenden Feldzug
gegen denPeind und verlangt gegen geziemende Zahlung
die Zufuhr allerlei Victualien ins Lager. Auch ermahnt
er sie auf den ihm gethanen Bericht ihres Mitburgers,
des Thomas Laue, der mit etlichen in der Stadt „in
Recht zu thun habe tf , demselben zu will&ihren, so er
einige von ihnen zum Behof seiner Sache, die ihm
„folghaftig a sein mOchten, anlangen wfirde.
In dor so: Item entfangen von unsem g. h. des dynsch-
dages for pyngesten (Mai 9.) anno 1559 unde
alien drien gilden forgelesen.
Cop, Arch, <?, gr. Gilde, BevaU
3. 1559, Mai 15, RevaL
Antwort der gemeinheit ey^er guden stadt Revell
up de werfinge, so dhnen sampt und sunderlisk fri-
dages nha Exaudi [Mai 12.] tho radthuse in sfeidt und
van wegen unseres genedigen fursten und bsrn m^ist^re
tho Lifflant dorcb de verordenten des hern fejtmav-
schalckes gescheen.
Hebben ermelte gemeinheit nha npttorft iflgenhojnmen
behertiget u»d bewogen. Wowol desulvigen nicht ungeneg^t
deai hern feltmarschalcke syner gestr. boger$B pha solcke
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292
geschene werfinge sluenigest wedderumme tho beantworden,
hebben de dochwegen desser hilligin pingestfierdagen nha
willen dar nicht tho kamen k&nnen, mit fruntlikem boger,
de her feltmarschalck wil de gemeinheit desses geringen
vertoges anderst nicht als in gunsten und mit dem besten
fruntliken bodencken.
Und geven hirmit up den ersten punct thor antwort,
belangende dat anwerven eynes erbaren rades, unser leven
van godt geordenten overicheit, wegen eyner gemeine eyner
guden stadt Revell, dat de sampt und sunderlick in keinen
afreden sonder gantz woll gestendig. Dewile man in der
tadt ersp6ret und ock befunden, dat des uthridens und
overtastens up unser stadt marck und friheit je lenger je
geswinder van dem slote ge&vet und vorgenhommen in be-
rofinge und wechnheminge nicht alleine so darbtisfche guder
heeten und wesen sollen, sondern ock datjenige wes uns,
unseren borgern, gesellen und kindern mit thokumpt: dat-
sulve gedactte und wolde eyne gemeinheit der stadt Revell
nicht Hden, is uns ock anderst van unserem genedigen re-
gerenden hern und hern coadiutorn belavet worden. Syn
dorup vor eynem erbaren rade erschenen mit ernstem und
starckem bovele, eyn radt solde und wolde woll don und
verbidden unse privilegien, van oldershero gehatte herlicheit
und friheit, und stueren und wheren, dat wy des unseren
up friher straten doch so gar klegeliken und erbarmeliken
nicht mochten berovet werden. Dan einmal whar, nhademe
uns und den unseren de almechtige godt vederlick dataulve
uth des viendes handen gegeven und wedderumme thoge-
keret, hedden wy uns woll verhopet, wo dan ock recht und
billich, man mit solckem spolieren und wechnhemen kegen
und wedder uns und de unseren nicht vortgefharen solde
hebben, sondern vele mher dat eyn her feltmarschalck sampt
den anderen bovelhebberen van unserem genedigen fursten
und heren hirher verordenet und gesettet worden uns und
de gude stadt Revel in billiken beschutt und vordegedinge
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293
mede thonhemen und dero gestalt, als geschicht und ock
vorhanden, nicht vortthofharen. Wollen uns ock eigentlick
tho unserem genedigen fursten und heren meiatern ridder-
liken dutschen ordens tho Lifflande nicht vorsehen, dat
6hre hochwirdige f. g. in solckem hochbeswerliken und
keines weges der gemeinheit eyner guden stadt Revell
lithBkem vornhemen dem heren feltmarschalcke oder jemande
anderst van 6hrer hohen f. g. bovelhebberen unsen privi-
legiis gerichte und rechte strax thoweddern jenigen bovel
nicht gedan. So des etwas gescheen, wo nicht vermodtlick,
hedden wy uns des billich vor unserem genedigen fursten
und heren tho beklagen. Sintemal wy uns noch gantz woll
tho erinneren weten, wes uns van unserem g. h. coadiutoren,
als Ahre f. g. hir thor stede was, genedichlick belovet unse
und der unseren gelt und gut up friher straten so nicht
henwech tho nhemen, tho parten bueten und tho deilen.
Imgeliken so in der warheit befunden, dat unberuchtigeden
ehrliken darbtischen borgeren und gesellen ock gelt uth
Darbte gesant, solde sick nemandes, alse nhu leider vor-
handen, mede bekummeren, veleweniger anholden parten
und bueten. Up solcke genedige thosage hochgedachten
unseres genedigen fursten und hern coadiutoren don wy
noch refereren, vaste darby beharren und bliven, mit gut-
likem ansynnen, der her feltmarschalck wil sick sampt
synen medeverwanten solcker genedigen thosage gemete
holden, uns und de unseren darentboven ferner nicht bo-
sweren, darmit leefmudt, einicheit und vaste gude thoversicht
under uns beidersitz erholden moge werden. Dan eigentlick
eyne semptlike gemeinheit eyner guden stadt Revell k&nnens
und werdens nicht liden und wollens ock nha dessem dage
nicht mher liden, wornha sick eyn her feltmarschalck tho
richten.
Dat overst syne gestrengicheit sulvest sehen, mit wat
varreterliken stucken in itzit gefherliken tiden an und
van dem viende practiceret und uth der stadt Revel ge-
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2H
schreven etc. Had van eynem erbaren rade nicht gehindert,
darumme etc.
Desses punctea halven weten wy una tho berichten, dat
eyn erbar radt, unse gunstige und velegelevede gebed^nde
heren, darup ernstliken und mit allem vlite an de semptHke
gemeinheit antigen und werven laten, idt solde sick ne*
mandes nioht vortristen efcwes uth Bevel nha Darbte ehne
medeweten und willen eynes erbaren rades nioht tho schriven
noch mundtlick thoentbeden tho laten, by lieve und gude,
worover van eynem erbaren rade. unser leven overioheit,
des wy gude wetenheit, ock noch up desse hutige stunde
flitigen geholden Werdt.
So nhu jemandes in unser gemeinheit, de mit solcker
verreterie bewant und tho rechte fiverwunnen, he sy borger
oder gast, eddel edder uneddel, de mach syner straffe get
wertieh wesen, dar wy nemants gedencken inne tho vor*
bidden noch vorthotreden. Weret ock de her feltmarschalck
jemants in unser gemein wueste, densulvigen bogeret eyne
gantze gemeinheit unverBchrocken vor den kop nhamkun-
dich tho donde. Sunst wollen wy den anbringer vor eynen
landtvorreder und solcken man, dar wy tho unser hohen
unschult by syner gestr ht vor angegeven worden, in de
stede gestellet hebben beth thor tidt tho uns solokes mit
warheit gudt gedan, als in ewicheit nicht geecheen soli,
Dan se samptlick und sonderlick beth anher eynen ehrliken
namen gehat, wo se dan noch gerne hebben und side ock
nha alle ihrem vermogen darinne beflitigen wollen, geswigen
dat jenige vorrederie by dhnen solde gefunden werden.
Wes overst nhu de beklaohtigunge des ersamen her
Johann Smedemans anlanget, is uns nichtes van bewust:
syn dennoch der eigentliken thoversicht, he werdt sick des
reddeliken und tho alien ehren woll tho entleggende weten*
Dat sick ock de her feltmarschalck mit droweworden
vornhemen leth, wo uth der overgegevenen schrift genuch-
sam tho ersehen, wollen wy uns sampt und sonderlick ock
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296
nicht vorsehen, dat syner gestr M unser genedige furste und
here solckes in bovel gedan. Wat dar ock mede gemeinet,
is lichtlick tho ermcten, godt sy darvor etc* und hedden uns
woll eynes anderen verhopet: inotent vor dit mal over St gade
wad der tidt bevolen syn laten.
Wes belanget, dat den Darbtischen 6bre angeholdene
gnder up derstilvigeft erforderent van dem hem feltmar-
schalck wedder gegeven und boschreven worden beth up
wideren boscbeit unseres genedigen heren, item dat der
beruchtigeden darbtischen boipger und geBellen gelt und
gudt ock beth up wideren boscheit unses genedigen her£n
in bewharinge geahommen: wes des geseheen, laten wy in
gyn^n weerden und unweerden also bHven und beruwen.
Up den anderen artickel, worinne meldinge gesehicht,
dat eyne lofflike gemeinheit der stadt Revel up den hern
feltmarschalck vele unbillikef worde gefhftret und gehatt
sol hebben, des weet sick eyne gemeinheit nicht tho er*
inneren* So dar 1 jemandes under 6hnen, de hirittne anders
als thor gebtae wedder den hern feltmarschalck gehandelt
und nhamkundich gedan Worde, he sal tho reden gestellet
werdeiu
Belangeride ock des hern feltmarsehalcks bogerSn in
uattien unses genedigen heren, so etzwelcke in der genaein-
bdt, de up den jennigen, so syne gestr M in unses genedigen
herett besttickinge heft, etwes anthot&gen Oder tho klagen
hedden ete. dat de idt forderlikest don solden und wolden:
syne gestr^ woldd dat reeht ferner darinne ergan laten.
Wefekes der gemeinheit also allenthalven angekundiget umb
stck wider dartiha tho fichten- werden deme ungetwifelt
w^eten nhathokamen.
Was dat richterlike ampt unser leven overicheit, eynes
erbaren rades der stadt Revel, anlanget, mit denen so se in
b^strickinge hebbett, gtelikes falles tho gebrueken: darinnen
werdea sick Ahre erb. w. tho eyner ideren tidt unbosweret,
ock thor billicheit, wes des 6hnen amptes und rechtGs Wegen
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tho donde eigenet, finden und gebruken laten, darmith de
gerepe vorrederie an den dach kame und dat unkrudt ut-
gerodet moge werden etc. Worover wy unseres andeiles
ock flitigen mede holden wollen helpen.
Thorn dorden, als ock vam hern feltmarschalcke der
lubeschen bercke gedacht, dat man darumme handelen solde
und wolde, umme desulvigen eyne tidtlang by der stadt
tho beholden:
Nu wollen wy in keinen twifel stellen, syne gestr u hebbe
genuchsamen bericht entfangen van den afgefertig[t]en ge-
santen unser heren eynes erbaren rades, so jungest vorleden
by unserem genedigen heren tho Wenden gewesen. Wath
de endtlike affcheit wegen der bercke twischen 6hrer f. g.
und bemelten unseren gesanten gewesen, worup idt do eigent-
liken verlaten und yorafscheidet worden, is nicht nodich
unseres erachtens hir wider tho verhalen. Und were unseres
erachtens ohne nodt gewesen uns sampt und sonderlick mit
dessen worden tho beschuldigen, de wy wharlick nicht vor-
denet und im geringesten tittel ock doran nicht schuldich.
Hedden wol liden k&nnen, dat man uns init solcken und
dergeliken worden verschonen dede, also das ihr viele,
welche nicht die geringesten guter dorunter haben, wol
wolten, das nicht eyn schif uf solch landtvorretters und
stedtverderbers ausgemachet worde, uf das ihre finantzerie
und hinderlistige practiken nicht an den tag quemen und
sie allein mit schanden reich wiirden etc. Sintemal idt nicht
heet noch heten sail seggen oder etwes tho schriven, sonder
velemher mit der warheit gudt tho don und aptholeggen,
als kein mensche don sal noch werdt de dat levendt heft.
Wenner wy de luede in der warheit solden befunden wer-
den, dar wy thor unwarheit van unsen misgunneren voran-
gegeven, weren wy nicht weerdich, se syn binnen oder buten
rades, nemandes uthgeslaten, dat uns de erdedragen und
de leve sonne nha dem willen gades des almechtigen be-
schienen solde.
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So syne gestr ht noch etwes fruchtbarlikes dem Wen-
dischen afscheide nha hir inne bearbeiden und vortstellen
konden, wo sick syne gestr ht dan fruntlick don erbeden,
nemen wy tho hogem groten dancke an und syn fruntlick
danckbar darvor. Mit dessem unserem slutliken erbeden,
wor inne und mede wy syner gestr ht fruntlike wilferinge der
geboer nha wedderumme tho ert&gen wusten, willen wy in
allewegen gudtwillich ersp6ret und befunden werden und
syne gestr ht hinnit dem almechtigen bevolen hebben.
Oeldeste, olderluede und gemeine broder
der drier gilde eyner guden stadt Revel.
In dorso: A 1559 den mandach na pingsten. Chopie
der beanthwordinge der gylde dem felttmar-
schalck up dusse schrifftt de hyr by lichtt.
Orig. Arch. d. gr. Gilde. Reval.
4. 1559, Mai 24. Wenden.
OM. Wilh. Fiirstenberg meldet den Aelterleuten,
Aeltesten und der ganzen Gemeine beider Gildestuben
zu Reval, „dass der Muschowiter vom Tattern merck-
lich angefochten, etzlich volck erlegt und viel heuser
eingenhommen, der wegen ehr alle seine macht von diesen
grentzen Plesskow und Nowgarden wieder den Tattern
wenden mussen." Diese gute Gelegenheit, die vom
Peind begangene Tyrannei zu r^chen, diirfte vorbei
gehen, da das Kriegsvolk sich nicht eher gegen den
Peind gebrauchen lassen wolle 7 bevor es ganz und gar
bezahlt sei. „Wiewoll wir aber mit gelde an etzlichen
ortern vortrostet, so wolte aber doch schedlich fallen,
wan sich die ankunft desselbigen lenger vorweilen
wurde, das dieser gewunschte vortheil vorseumet wer-
den solte." Deshalb bittet er um Vorstreckung einer
moglichst grossen Summe Geldes gegen Verpfandung
einigw Landgiiter im Gebiet Reval.
19*
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298
In dorso: Von Wenden den 24 maji zu 8 uhr vo* mittage.
(Von anderer Hand): E^tpfangen den 26 maji und be-
antwordet als de copie nawiset, hyr by ge-
bwdep is.
Cf. #;en4?mann, Br. u. Urk. Nr. 432.
Origt. Arch. d. gr. Gilds. Beval.
1559, Jam 3. Wenden.
»OM. Wilhelm Fiirstenberg beglaubigt seine Ge^
sajadten Schwedeir von Melschede, Thomas Homer und
Johannes Wagner bei den Aelteriteuten und Aeltesten
t^eider GU4e$tub§n zu Reval,
Cf. Bienemann, Br. u. Urk. Nr. 441.
Berichtigungen.,
Im Bd. 13, S,, 64, Zeiile 16 : v. u. ist statt 1524 zu lesen 1514.
S.525, „ 6 v.o. iststajttBalderinuszulesenBaldewinus.
S. 525, „ 14 v. q. ist statt mr zu lesen wo.
S. 525, „ 4 v. u. ist st. evagitarunt zu lesen exagitaruiit.
S. 525, „ 4 v. u. ist statt Rudeliuno zu lesen Rudelium.
S. 525, „ 3 v. u. ist statt cius zu lesen ejus.
Im Bd. 14, S. 159, „ 17 v. o. ist statt sodann zu lesen sondern.
Gedruckt auf Verfiigen der Gesellschaft fiir Geschichte, un4 Alter-
thumskunde der Ostseeprovinzen Russlands.
Biirgermeister H. J, Bothfuhr,
Pr&sident.
Riga, 15. Januar 1888. „
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Fumes cftottets fiir St^Peter 2u /copas.
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£
— : Fig. 34.
Chor imd siidlicher Krenzfliigel
des Domes zu Schwerin.
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Lageplan der St. Georgs-Kirche
im Rigaschen „Convente zum Heiligen Geiste" (Maassstab 1:600V
St. Johannis- Kirche
(ehemah der Domini canar).
Ehemah Speicher
[die „bunte Taube*
%
j
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§rkonveg.
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Nr. 9.
Ehemah Speicher
die ..Columbe".
Thonoeg
fe^,,,„. -■
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e rfe# Convener zum heiL Geiste. A Thorw&J.
:
Speicher
| rfie yy 8chwarze
Taube".
Nr.8.
Camp en-
hausens
Elend
von 1492.
Nr.3.
Ehemah Garten. \
A/^/$ - Ehemah
I Filial-Stift
Altarhaas 1 1841—68.
\keiMd^ %: ^ m ^\ Ehemah
Zwistiiiffige*
(Spddicrtlte
-f
* I
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Jnn& >\nvenUhof.
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Die Ordensburgen im sog. polnischen Livland.
Von W. Neumann,
(Vorgelegt iu der Sitzung vom 14. September 1888.)
Das sog. polnische Livland bildet heute den nordwest-
lichen Teil des Gouvernements Witebsk. Es grenzt im
Norden an das Gouvernement Pskow oder Pleskau,
im Nordwesten an Livland, im Westen und Siiden an Kur-
land, von letzterem durch die Diina getrennt, und uinfasst
die Kreise Diinaburg, Reschitza oder Rositten und den
Ludsenschen Kreis. Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts be-
fand sich dieses Gebiet im Besitze des Ordens; nur ein '
kleiner Teil mit den Burgen Marienhausen und Kreuzburg
gehorte zum Erzbistum Riga. Durch den Vertrag vom
31. August 1559 und die Ratihabition desselben vom
14. Februar 1560 verpfandete der durch die Kriege mit
Russland erschopfte und durch innere Zwistigkeiten zer-
riittete Orden dieses Gebiet, sowie den siidostlichen Teil
Kurlands mit der Burg Bauske und die Burg Ascheraden
in Livland, als Entschadigung fur die im Kriege gegen
Russland zu leistende Hiilfe an Sigismund August von
Polen, auch raumte der Erzbischof von Riga ausser einigen
Schlossern in Livland die Burg Marienhausen dem Konig
von Polen ein 1 ). Der Untergang des Ordens machte die
Wiederauslosung des Landes unmoglich; es blieb daher vor-
laufig mit Polen vereint, bis es im Jahre 1772 nach wechsel-
vollen Schicksalen fur immer mit Russland verbunden wurde.
!) A. v. Richter. Gesch. d. Ostseeprovinzen I, 2. S. 345 ff.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 3. 20
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300
Die Befestigung der Landesgrenzen gegen Littauen und
Russland bildeten in diesem Teile der Ordenslande die
beiden Hauptburgen Dunaburg und Rositten, zu welch letz- *
terer, noch weiter gegen die Grenze vorgeschoben, 'auch
die Burg Ludsen gehtfrte. Die Burg Wolkenberg scheint
trotz Jhrer weit das Land beherrschenden Lage, schon
fruhzeitig ihre Bedeutung verloren zu haben, denn in der
spateren Geschichte des Landes findet man sie nicht mebr
erwahnt, auch ist sie in den Vertragen des Ordens mit
Polen von 1559 und 1560 beziiglich der Verpf&ndung der
Burgen nicht aufgefuhrt, woraus geschlossen werden konnte,
dass sie zu jener Zeit schon unbenutzt gelegen habe.
(jtjtJ 3t^f ftf*^/ &*■** s,/a*0 id/**** o^«^ f'*tJH*/*4+*
Unter der prachtigen Hiigelwelle, die als Auslaufer
des Waldaigebirges den siidostlichen Teil des Landes durch-
zieht und ihn mit den unzahligen grOsseren und kleineren
Seen zu einem ausserst malerischen Bilde gestaltet, er-
reicht der, etwa in der Mitte des sog. polnischen Livlands
gelegene Wolkenberg die grosste Hohe. Am Siidufer des
herrlichen Rasno-Sees gelegen, dessen Wellen vor Jahr-
hunderten vielleicht seinen Fuss unmittelbar benetzten,
steigt der Berg im NO., SO. und SW. steil empor, wahrend
die Nordwestseite sich sanft zur Ebene niedersenkt.
Meilenweit streift der Blick von der Hohe des Berges ins
Land hinein, hinweg uber dunkle Tannenwalder, glitzernde
Seen und wogende Felder.
Die hochste Kuppe, ringsum von Wallen und Graben
umgeben, wird einst eine Bauernburg getragen haben, die,
nachdem die Ordensritter auch hierher siegend vorgedrungen
waren, von ihnen weiter befestigt wurde.
Das obere Burgplateau hat die Gestalt eines Trapezes
von 62,8 m Lange an der NW. und SO. Seite, 52,7 m an
der NO. und 43,6 m an der SW. Seite. An der NW. Seite
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301
erhebt sich eine 3,o& m dicke Schildmauer, die dazu be-
stimmt war von dieser, dem Feinde leichter zug&nglichen
Seite, der Burg die erforderliche Sicherheit zu bieten.
Sie besteht aus Feldsteinen und Ziegeln und ist in zwei
Abs&tzen erriehtet, von welchen der obere Absatz um 0,s m
gegen den unteren zurucktritt. Rechtwinklig an die Mauer
stossen zwei in derselben Starke ausgefuhrte Vorsprunge
von je 10,67 m Lange. Bei den, an den Bnden dieser Vor-
sprunge unternommenen Naehgrabungen ergab sich, dass
keine Fundaniente weiter vorhanden waren, dagegen liessen
die mehrfach, ungefthr 1,5 — 1,8 m unter der Oberflache des
Plateaus angetroffenen Kohlenreste von Fichtenholz schlies-
sen, dass sich uninittelbar an diese Mauervoreprunge die
halzerne Befestigung angeschlossen habe. Ebenso ei^gaben
an mehreren anderen Stellen des Plateauumfanges ange-
stellte Naehgrabungen, dass keine weitere Fundamente vor-
handen waren. An der Nordseite der Schildmauer wurde
eine halbrunde Steinplatte mit einem rund ausgearbeiteten
Loch darin gefunden, die mtfglicherweise als Unterlage oder
Drehpfanne eines Thorflugelzapfens gedient haben kdnnte.
Aus all diesem erhellt, dass die ehemaligen Burgge-
baude aus Holz aufgefuhrt waren und eine halzerne Balken-
befestigung sich an die Schildmauer schloss. Die Mitte des
Burghofes nimmt ein Brunnen ein, der aber jetzt bis auf
1,5 m verschuttet ist. Die BrunnenOffnung erweitert sich
trichterformig bis zu 10 m Durchmesser und soil fruher mit
behauenen Granitsteinen ausgelegt gewesen sein. Eifrige
Schatzgraber haben von dieser Ausstattung keine Spur
hinterlassen. Das ganze Plateau umzieht ein jetzt stellen-
weise noch mehr als 2,5 m hoher Wall mit breitem Graben.
An der SW. Seite schneidet der Graben in das sich hier
bis uber die Mauerflucht vorschiebende Plateau und setzt
sich unterhalb desselben wieder in nordwestlicher Richtung
fort. Hinter der Schildmauer zwischen den Vorspriingen
ist ebenfalls ein Graben vorhanden. Ob derselbe mit den
20*
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302
Aussengraben in Verbindung gestanden, oder ob hier Keller-
raume bestanden haben 1 ) ist nicht mehr nachweisbar. An
der NO.-Seite ist eine Oeffnung bis zur Sohle des Funda-
ments durchgebrochen, doch sind B6gen oder doch die
Ansatze von solchen nicht zu sehen. Auf der entgegen-
gesetzten Seite ist ebenfalls derartiges nicht nachweisbar.
Ebensowenig sind Fundamentreste auf dem Kamme der
Grabenboschung gefunden.
Auf dem nach NW. sich erstreckenden, von der Schild-
mauer etwa in dem Verhaltnis von 1 : 8 abfallenden Terrain
befindet sich die, ebenfalls von einem Wall und Graben
umzogene Vorburg. Etwa in der Mitte der ausseren Urn-
wallung sind Wall und Graben auf eine Lange von 8 m ver-
schwunden. Es ist nicht unmftglich, dass hier der Zugang
zur Burg lag, der iiber die Vorburg zur Siidwestseite der
oberen Burg und an dem Mauervorsprunge vorbei in den
Burghof fiihrte. Ob von hier noch ein zweiter Weg zu
Thai ging, ist zweifelhaft, doch scheint der an der Siidwest-
seite der Vorburg entlang laufende Wall, der in der Mitte
der Umwallung plotzlich nach Westen abspringt und in die-
ser Richtung allm&lig im Thai verlauft, fast dafur zu sprechen.
Sammtliche Walle waren in fruherer Zeit durch Mauern,
aus roh, ohne MOrtelverbindung iibereinander geschichteten
Steinen, erjioht, wie die iiberall zu beiden Seiten der Walle
liegenden machtigen Peldsteinblocke beweisen.
In den Chroniken des Landes, selbst den altesten
findet man die Burg nicht genannt, obgleich sie schon frtth
den Rang einer Komturei einnahm. Bereits im Jahre 1263
wird ein TheodoricuS) commendator de Wolkenborg als
Zeuge in einer Urkunde genannt 2 ). Ferner findet sich an
einer Urkunde vom 27. August 1271 (in der Kais. Gffentl.
x ) S. Reiseskizzen aus dem Oberlande v. A. Bielenstein. Bait. Monat-
schr. iee^r s. 720. r f& ■•:/ 7 ^
2 ) Urk. B. I. 378. Anmerk. b. (Urk. vom 10. Septbr. 1263.)
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303
BibL z. S. Petersburg) das Siegel des Komturs mit der
Umschrift: + S. COMENDATORI WOLKEBG 1 ).
Hochst wahrscheinlich ging die Komturei nach der
Erbauung der Dunaburg ein.
2. Burg Dunaburg.
Tafel 2 u. 3.
Die livlandische Reimchronik berichtet V. 8169 u. ff.
von dem Zuge des Ordensmeisters Ernst von Rasburg nach
Littauen und der Erbauung der Dunaburg:
d6 daz her do allez quam
am den berc, der meister nam
mit sinen brtideren den rat:
„min mut zti disem berge stat,
dar uf sal man buwen
eine burc, daz sal beruwen
her nach vil manchen heiden
und ouch den Kunic Thoreiden 2 ).
Die Statte, auf welcher die Burg urn 1275 oder 1276 3 )
von dem Ordensmeister Ernst erbaut wurde, liegt ungefahr
siebenzehn Werst oberhalb der jetzigen Stadt Dunaburg,
zwei Werst von der Eisenbahnstation Josefowo, hart am
Diinaflusse. Zwei tiefe Schluchten, durch die zwei kleine
Bache ihr Wasser dem Strom zufuhren, trennen durch
steil abfallende Boschungen ein schmales sich vom Flusse
ab allmalig verbreiterndes Plateau, auf dessen schmalem
langgestreckten Riicken sich das Schloss erhob.
Dr. C. E. Napiersky verOffentlichte im Inland 1838
eine Geschichte des Schlosses Dunaburg und fiigte derselben
!) Briefl. rV. Tafel 16. Fig. 83. Eine bessere Abbildung des
Siegels bei P. v. Gotze: Albert Suerbeer, Erzbischof v. Preussen,
Ldvland und Estland. 1854.
2 ) Thoreiden, Troiden, littauischer x Furst, spater Grossfurst von Lit-
tauen. s. Richter, Gesch. d. Ostseeprov. I, 1. 166.
3) Nicht 1272, wie J. Plater im Rubon III. S. 12—27 angiebt, da
Ernst erst urn 1274 vom Hochmeister nach Livland geschickt
wurde. Briefl. !!!.• 24.
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304
erne der Chronik des Jurgen Helms entnommene Skizze
der Burg bei, welche dieser aus einer alten preussischen
Chronik entnommen haben will 1 ), die aber durchaus nicht
der Anlage derselben entspricht und wiederum den Beweis
liefert, dass diese Zeichnungen mit grosster Vorsicht auf-
zunehmen sind. An der Hand dieser Skizze und gestutzt
auf Napierskys Mitteilungen versuchte im Jahre 1842 Graf
Adam Plater eine Reconstruction der Burg, die in der
polnischen Zeitschrift "Rubon 2 ) verGffentlicht und unter Hin-
zufugung geschichtlicher Daten von J. Plater besprochen
wurde 3 ). Diese Reconstruction, namentlich der Grundriss
wurde bisher von polnischen wie russischen Schriftstellern
ohne Correctur weiter benutzt, obgleich auch diese Zeich-
nungen ebenso wenig mit der Wirklichkeit iibereinstimmen,
wie die Jurgen Helmsche Skizze, und die besonderen Eigen-
tumlichkeiten der deutschen Ordensburgen vollst&ndig ausser
Acht lassen 4 ).
Nach genauen im August 1888 unternommenen Aus-
grabungen und nach Freilegung der Fundamente, die bisher
unter oft sieben bis neun Puss hohem Schutt begraben
lagen, wurde erst ein genaues Bild des Grundrisses ge-
*) Arndt nennt das Jahr 1628 als das Vollendungsjahr der von
Jurgen Helms geschriebenen Chronik. Th. IT. S. 68.
2 ) Rtibon (alte Bezeichnung fur Duna) Pismo zbiorowe, poswi§cone
pdzytecznej rozrywce, Wydawca Eaeimierz Bujnicki. 1842—49.
3) Rubon. Band. HI. Jahrg. 1842. S. 12—27.
4 ) Abgedruckt findet sich der Grundriss und die von Graf A. Plater
reconstruirte Ansicht, ausser in der vorerwahnten polnischen
Zeitschrift Rubon in dem polnischen Werke des Baron G. v. Man-
teuflfel: Inflanty Polskie. Posen 1879; in dem von demselben
Verfasser herausgegebenen, in deutscher Sprache erschienenen
Separatabdruck aus der livl. Gouvernementszeitung vom Jahre
1868 Nr. 126—144: Polnisch Livland; ferner im Usuartum Kmma.
BHTe6cKOH ryGepmn 1867 von A. CeMeHTOBCKii und in A. CanyHOBi:
Hh^jahth 1886. Auch auf einer neueren Karte von Polnisch-
Livland, deren Autor sich nicht genannt hat, nimmt der falsche
Grundriss einen hervorragenden Platz ein.
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306
wonnen. Die Obermauern sind trotz des von Kaiser Ni-
kolaus am 31. December 1829 erlassenen Befehls, die alten
Burgen u. s. w. nicht zu zerstoren, sondern nach Mtfglich-
keit zu erhalten, vollstandig verschwunden, die Ziegel und
Granitsteine des Baues von den umwohnenden Bauern aus-
gebrochen und an die Unternehmer zum Bau der Festung
verkauft. Selbst in jiingster Zeit wurdep voneinem Duna-
burger Ebraer noch Sprengungen vorgenoinmen und das so
gewonnejie Baumaterial fur 300 Rbl. kauflich erworben.
Die Bauern des nahen Dorfes Starji Samok benutzen den
Burgberg auch heute noch als Steinbruch.
Trotz aller dieser Beschadigungen konnten doch die
machtigen Anlagen nicht ganz vernichtet werden, so dass
es gelang eine genaue Zeichnung der Keller und der Punda-
mentzlige zu erreichen.
Der Zugang zur Burg fiihrte von Osten her. VergL
Tafel 2. Ueber eine grtfssere aussere und eine kleinere
innere Vorburg, die durch noch erkennbare Graben von
einander getrennt und nach den sich hin und wieder zei-
genden Resten von Mauerwerk zu- urteilen, ringsum mit
einer Mauer befestigt waren, gelangte man uber eine Zug-
brucke an die Thorbefestigung. Eine starke Grabenmauer
mit dahinter befindlichen Mauerverstarkungen und dem
Plankirungsturme zur Bestreiohung der Zugbrucke und des
Thoreinganges ist erkennbar. Die aussere Thorbefestigung
scheint hier ahnlich der Thoranlage mancher deutschen
Grdensburg gestaltet gewesen zu sein, wenn auch vielleicht
mit weniger Eleganz errichtet. Das innere Thor war zwischen
Rundbauten eingeschoben, wie solches bei dem Hochschlosse
zu Bauske der Pall ist, nordlich ein grosserer, siidlich ein
kleinerer Rundbau. Auffellig ist die Erscheinung, dass der
Raum unter dem Thorwege gewdlbt ist, was sonst bei den
Ordensburgen nicht gebrauchlich ist, doch mochten hier
der beschrankte Raum und vielleicht spater erfolgte Ver-
anderungen die Veranlassung dazu gewesen sein.
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306
Das Thor mit den dasselbe flankirenden Rundbauten
bildete den Ostfliigel des Schlosses, an welchen sich am
Nordrande des Burgberges, in der Richtung zur Diina,
ein langer Ban und rechtwinklig auf diesen stossend, pa-
rallel zum Flnsse, ein zweiter Querbau anschloss. Der Ost-
fliigel scheint der alteste Teil der Burg zu sein und gehort
vermutlich noch dem Bau des Ordensmeisters Ernst an.
Br ist unregelmassiger gestaltet, was bei den Ordensburgen,
die vor dem Beginn des 14. Jahrhunderts entstanden, fast
ausnahmslos der Fall ist, w&hrend der Nord- und West-
fliigel bereits eine regelmassige Form aufweisen, deren Er-
richtung mftglicherweise dem Ordensmeister Gerhard von
Jorke zugeschrieben werden kdnnte, der nach der Chronik
Hermanns von Wartberge im Jahre 1313 das inzwischen
zerstOrte Schloss wieder aufbauen liess. Ordensmeister
Goswin von Herike fiigte nach demselben Chronisten 1347
dem Schlosse vier Tiirme hinzu. An dem jetzigen Burg-
gebaude lassen sich mit Sicherheit nur zwei Tiirme nach-
weisen und zwar der Flankirungsturm an der Briicke und
ein Turm an der Sudwestecke. Mdglich dass das rund-
bogig vorgeschobene Gemauer an der Nordostecke eben-
falls zu einem friiheren Turme gehGrt. Uebrigens ist nicht
ausgeschlossen, dass auch die Vorburgen durch Goswin
von Herike Verstarkungen erhielten und hier die Anlage
von Tiirmen erfolgte.
Der Keller des Ostflugels besteht aus drei Abteilungen
(s. Tafel 3), von denen jedoch nur die unter dem grossen
Rundbau an der Nordostecke und der unter dem Thorwege
in Verbindung gestanden zu haben scheinen. Der schmale
Kellerraum unter dem Siidostbau kann nur von aussen her
einen Eingang gehabt haben, wie auch der grosse Keller
nur von aussen her zug&nglich gewesen zu sein scheint.
Letzterer war mit einem starken der Korbbogenlinie fol-
genden Gewolbe abgeschlossen, dessen Mitte jetzt einge-
stiirzt ist. (Tafel 3. Fig. 2.)
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307
Das uber dem Thore belegene Geschoss scheint die
Kapelle enthalten zu haben, wenigstens lasst sich dieses
schliessen, einmal aus der Lage des Raumes nach Osten,
(die Kapellen der Ordensschlosser mussten nach Osten
orientirt sein) und zum andern aus den im Schutte gefundenen
Profil- und Gewolbsteinen, auf deren Herstellung eine
grossere Sorgfalt verwendet worden ist. Letztere waren
keilfOrmig gestaltet und weniger stark als die gewohnlichen
Ziegel, aus denen die iibrigen aufgefundenen Kellergewolbe
hergestellt waren. Die Rippensteine (Tafel 3. Fig. 3) zeigen
noch zwei einfache runde "Wulste, d. i. ein Profil, welches
der Zeit des Ordensmeisters Ernst entsprechen konnte.
Auch wurden hier Putzreste aufgefunden, die Spuren von
Bemalung trugen: schwarzumsaumte blatterartige, natura-
listisch gebildete Motive in griinlicher und blassrothlicher
Farbung, ferner wurden Reste von Profilsteinen, die zu Thiir-
oder Fenstereinfassungen dienten, angetroffen. (Tafel 3. Fig. 4.)
An die Kapelle wird sich altera Gebrauch gemass und
den Einrichtungen des Ordens entsprechend irn Nordfliigel
der Kapitelsaal angeschlossen haben, an den sich der Remter
und vielleicht noch ein Gastgemach ' reihte, wahrend der
zur Duna belegene Westfliigel die "Wohnung des Komturs
umfasste. In den unter diesen befindlichen Raurnen hat
man das Dormitorium der Ordensbruder, die Kiichen, Lager-
und Vorratsraume u. s. w. zu suchen. Zwischen dem Keller
unter dem Kapitelsaal und demjenigen unter dem Remter
liegt ein kleinerer Raum, der den Kiichenschlot oder einen
Heizraum fur die Erwarmung des Remters enthalten haben
konnte. Die Lage des Raumes und die Menge der hier
gefundenen Kohlenreste lasst diese Annahme gerechtfertigt
erscheinen.
Auf der Siidseite des Schlosses verband eine starke
Mauer, die einen Wehrgang getragen haben wird, die beiden
Mugel; vielleicht, dass an derselben. etwa unterhalb des
Wehrganges ein schmales Holzgebaude gestanden hat, oder
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308
dass zwischen den Holzpfosten, die d'en Wehrgang stutzten,
eine Dielung belegen war, wie aus den vorhandenen Kohlen-
resten und dem Fehlen des Holzpflasters an dieser Stelle
geschlossen werden kann. Die ganze Burganlage hat die
Form eines Trapezes und misst von der aussern Keller-
mauer bis zur Aussenmauer des Parcham, der sich vor dem
Westfliigel befindet 58,56 m ; die kleinste Breite betragt 13,72 m ,
die grosste an der Westseite 26,23 m .
Das Hauptbaumaterial sind Ziegel von sehr grossen
Abmessungen 30 X 14 X 10 cm , dann Findlingssteine, besonders
in den Fundamenten und Kalksteinplatten. Die Rundbogen-
friese der Hauptgesimse sind aus schonem harten Kalkstein
gehauen. (Tafel 3. Fig. 5.) GrGssere Gesimsstiicke, Kapi-
tale und sonstige architektonische Verzierungen sind nicht
gefunden worden, dagegen eine kleine silberne Ordensmiinze
(Schilling) mit dem Pragort Reval aus dem Ende des 15.
oder Anfang des 16. Jahrhunderts, mehrere grosse und kleine
Steinkugeln, alte Bisenteile, einfache keramische Gefasse,
Scherben von Glasern und Kacheln. Einige Reste zier-
licher Renaissancekapheln wurden im Kapitelsaalkeller ge-
funden. (S. Tafel 3. Fig. 6.)
Vor der Westseite der Burg ist ein Vorhof, genauer
genommen eine Schanze angelegt von 73,2o m Lange und
30,8o m Breite, deren Plateau um 16,i6 m unter dem Niveau
des Pflasters des Burghofes liegt. Sie ist jedenfalls nicht
beim Erbau der Burg errichtet worden, sondern wahrschein-
lich erst y nach der Einfiihrung der Geschiitze in die Kriegs-
kunst. Das Plateau dieser Schanze erhebt sich um 8,54 m
iiber dem niedrigsten Wasserstande der Diina. Es ist zur
Zeit von den Bauern bebaut und sind hier beim Pftugen
h&ufig Hufnagel, Hufeisen und andere Eisenteile gefunden
worden. Die Umfassungsmauern dieser Schanze haben eine
durchschnittliche Starke von 2,5 m und schliessen sich an die
Nordwest- und Siidwestecke der Burg an. (Vergl. Tafel 2.)
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309
Das Terrain der Vorburgen dient jetzt den Bauern des
Dorfes Starji Samok als Ackerland und wird von denselben
berichtet, dass man beim Pfliigen haufig auf Fundament-
reste stosse. Hier konnten wegen der daraufstehenden Feld-
fruchte keine Nachgrabungen vorgenommen werden. Ebenso
konnte die Ruckwand des Westflugels der Hauptburg wegen
des mehr als zehn Fuss hohen darauf liegenden Schuttes,
dessen Wegraumung zu grosse Kosten erfordert haben
wiirde, nicht untersucht werden.
Obgleich es, sowohl in den preussischen, wie auch in
den livl&ndisehen Ordenslanden vielfach der Fall war, dass
die Burgen zunachst aus Holz aufgefuhrt, oder doch altere
heidnische holzerne Vesten benutzt wurden, scheint doch
die Diinaburg, entsprechend ihrer weit gegen Littauen vor-
geschobenen Lage und ihrer hohen Bedeutung wegen, bis
auf die aussere Befestigung gleich aus Stein angelegt
worden zu sein.
Die Reimchronik berichtet, dass nach Erbauung der
Burg und genugender Verproviantirung derselben der Ordens-
meister sie mit einer Anzahl der besten und zuverl&ssigsten
Ordensbriider und Krieger bemannt habe und dann nach
Riga zuruckgekehrt sei. Der Burgbau erfolgte also schein-
bar unter dem Schutze des Ordensheeres. Kaum hatte das-
selbe aber den Heimweg angetreten, als auch die Burg
schon eine vierwdchentliche Belagerung durch die Littauer
unter ihrem Fursten Troiden durchzumachen hatte. Vier
machtige Bliden (Steinschleudermaschinen) warfen Tag und
Nacht grosse Steine gegen das Haus, doch konnten sie nur
. hin und wieder die aussere um die Burg gezogene Planken-
befestigung beschadigen, ohne jene zu zerstdren. Nach Zer-
stdrung seiner Belagerungsmaschinen giebt Troiden die Be-
lagerung auf.
Glucklicher in ihrem Angriff auf die Diinaburg waren
die Littauer 35 Jahre spater; sie erobern und zerstoren
sie, doch wird dieselbe im Jahre 1313 von dem Ordens-
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310
meister Gerhard von Jorke wieder hergestellt 1 ). 1347 er-
halt sie unter dem Ordensmeister Goswin von Herike, wie
schon oben gemeldet, eine bedeutende Verstarkung durch
vier Tiirme und wird verbessert 2 ). Der Ordenschronist
Hermann von Wartberge berichtet ferner von wiederholten
Angriffen auf die Burg, die mit Verbrennung des Heues,
Wegfiihrung des Schlachtviehes und der Pferde endigen,
doch das Hauptburggebaude nicht in Mitleidenschaft ge-
zogen zu haben scheinen.
In den Jahren 1396 und 1403 erleide{ die Dunaburg
wieder starke Verwiistungen durch die Littauer; 1559 ver-
pfandet sie der Orden mit den Burgen zu Rositten, Ludsen,
Bauske und Ascheraden an Polen, in dessen vollstandigen
Besitz sie nach dem Untergange der Ordensregierung 1561
iibergeht. Sie wird nun zum Sitz eines polnischen Starosten
erhoben, deren erster aus der noch jetzt in polnisch Liv-
land und Littauen weitverzweigten Pamilie der Plater
von dem Brol stammt. Als erster polnischer Hauptmann
der Burg wird ein Melchior Schemitz genannt 3 ). 1577 be-
lagert sie Iwan Wassiljewitsch. 1625 und 1627 erobern
sie die Schweden, 1671 werden die Mauern ausgebessert
und neu befestigt, bis sie im Jahre 1710 aufhort ein be-
festigter Platz zu sein 4 ).
Das von Deutschen bewohnte Stadtchen zur Seite der
Burg konnte unter den fortdauernden Pehden des Ordens
mit den Littauern nie zur Bliite gelangen. Im Jahre 1582
verlegte es Stephan Batory um zwei Meilen weiter abwarts
an die heutige Stelle und befahl die Anlage einer Befesti-
gung. Ob es sich hier um die Wiederherstellung oder um
die Verstarkung einer schon von Iwan Wassiljewitsch an
A ) Hermann v. Wartberge. SS. rer. Pruss. II. 56.
2) Bbendaselbst. S. 76. Anmerk. 4.
3 ) S. J. Renner. Livl. Historien ed. Hausmann und Hohlbaum. S. 276.
4) S. Dr. C. E. Napiersky. Inland 1838 Nr. 7 und K. G. Basse
Inland 1851. Nr. 23.
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311
dieser Stelle angelegten Verschanzung handelt, von deren
Bestehen eine im Jahre 1819 beim Bau der heutigen Fe-
stung gefundene messingne Inschrifttafel berichtet haben soil,
ist nicht ganz klar. Jedenfalls bestand im ersten Viertel
des 17. Jahrhunderts neben der neuen Stadtanlage eine Be-
festigung, die in dem Werke des Preiherrn von Pufendorf
de rebus gestis Caroli Gustavi pag. 81 und in der deut-
schen Ausgabe desselben Werkes (Niirnberg 1697) pag. 90
abgebildet ist.
Dass die Komturei Diinaburg zu den bedeutendsten
des Ordens gehorte lasst sich schliessen aus dem ausge-
dehnten Landbesitz, der zu derselben gehGrte. Johann
Renner erwahnt bei der Erzahlung des Kriegszuges der
Russen durch das Ordensgebiet im Jahre 1559, dass dem
Komtur von Diinaburg sechs Hftfe von ihnen abgebrannt
wurden, mit Namen Dubena, Lautzen, Ellern, Born, Jatzen
und Rassone 1 ). Perner nennt die polnische Kommission
vom Jahre 1599 in der revisio privilegiorum nobilitatis
Livoniae die Giiter Dubena, die Gemeinde Skaluston, das
Gut Rossen (Rassone), das Gut Awle oder Aula-Moyza
(umgetauscht gegen Kurfien) Lelingut, Nederitz, Lixna,
ferner das Land Wilhelm Strombergs, sodann die Gliter
Lauzen, Kurzum und Lowiden in Kurland und viele Dorfer
ohne besondere Bezeichnung als zur Komturei gehorig 2 ).
In den Mitteilungen aus der livl. Gesch. Band VI
S. 429 und f. befindet sich ein chronologisch-topographi-
sches Verzeichnis der Landmarschalle und Gebietiger des
Ordens, eine Vervollstandigung des s. Z. von J* C. Schwartz
in A. W. Hupels Miscell. XXIV und XXV, S. 342—361,
verdflfentlichten Verzeichnisses der Ordensgebietiger. Das
erstere, dem noch einige Nachtrage und Verbesserungen
auf Grundlage neuerer Forschungen hinzugefugt werden
i) Joh. Renners livl. Historien S. 233.
2) Dr. C. E. Napiersky. Inland 1838. Nr. 7 und ff.
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312
konnten, m5ge, so weit es die Komturei Dtinaburg betrifft,
hier folgen:
1367.
Dietrich Fridach 1 ).
1387.
Bernhardus Heuelmann.
1416.
Johann Schwarzhof.
1422.
Heinrich von dem Vorste.
1431.
Walter von Plettenberg.
1437.
Brun Hirtzberg.
1445.
Heinrich von Wedigen.
1456.
Johann Spar.
1473.
Engelbert Lappe von Koningen.
1473.
Johann von Olepe (war 1473 — 75 Schreiber
des OM.)
1501.
Johann Vinke von Overberch.
1514.
Heinrich von Bercken.
1530—34.
Johann von Eckel.
1540-53.
Wilhelm von Furstenberg.
1554-56.
Gotthard Kettler.
1559.
Jorgen Sieborg von Wischlingen 2 ).
3. Burg Rositten.
Tafel 4.
Die Nachrichten fiber diese Grenzveste mit ihrem Unter-
schlosse Ludsen sind im Ganzen ausserst diirftige. Erst
in den Kampfen Iwan Wassiljewitsehs mit dem Orden, die
diesem den Untergang bereiteten, tritt sie mehr in der Ge-
schichte hervor. In den Jahren 1537 — 1559 kampft die Be-
satzung unter ihrem tapferen Vogt Werner Schall von Bell,
dem Bruder des Landmarschalls, mit wechselndem Gliick
gegen die Russen, bis die Burg von dem Orden in dem Ver-
trage von 1559 an Polen verpf&ndet wird.
i) S. Herm. v. Wartberge. S. 90.
2 ) Derselbe ist haufig verwechselt mit Jasper Sieborg, der Haus-
komtur von Riga und spater Komtur zu Marienburg war.
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313
Arndt berichtet in seinem Verzeichnisse der Stftdte,
Festungen, Schlflsser, gemauerten H&user u. s. w. im zweiten
Teile seined Chronik, dass die Burg urn 1285 von Wilhelm
von Schauerburg (identisch niit Willekin von Endorp, der
urn 1271 als Wilkinns Komtur zu Segewolde, 1281 als
Komtur Willekin von Schierborch zu Fellin genahnt und-
1282 vom Kapitel zu Fellin zum Meister erw&hlt wird 1 ),
erbaut sei.
Am 8. November 1559, so berichtet der Augenzeuge
Johann Renner, kamen der alte Vogt von Jerwen Bernt
von Smerten, Johann Plettenberg und Bastian Dithinar,
Sekretarius, als verordnete Kommissarii zu Rositten an, urn
das Gebiet dem Ktfnige von Polen zu iibergeben. Vertrags-
gemass hatte die Uebergabe am 11. November zu geschehen.
Am 10. December verl&sst der Vogt Werner Schall von
Bell unter dem Donner, der Geschiitze die Burg, doch ver-
zieht sich die Uebergabe bis zum 6. Januar 1560. Dann
trifft der polnische Befehlshaber Johann Kotkewiez, Erb-
truchsess von Littauen, mit 480 Mann und einer Anzahl
Geschiitze ein und setzt Nikolaus Ostzich, Freiherrn zu
Kremon, als Hauptmann der Burg ein. Ueber das an Polen
ausgelieferte Inventar der Burg berichtet der Chronist
Renner S. 279: Dem Kotkewitzen wort vam orden levert
neflfenst beiden huisen und dem gebede Rositen eine stein-
busse mit twe kameren, twe gegaten serpentiners, 14 dub-
belde haken, ein schiven rohr, elven haken, twe plumkuilen,
vif knipkernen, 2 tonnen pulver, 1000 loede und twolfte-
half lispundt blig. Tor Ludsen dre serpentiners, ein isern
stucke, 21 dobbelde haken, twintich halve haken, 1 tonnen
pulver, eine halve tonne korne kruth, 1000 loede und ein
melde blig. Also na antall was idt up den andern husen
ok beschreven, dat averst tho Rositen hebbe ick Johannes
Renner inventeret. 1577 fiel Rositten in die Hande der
i) S. Mitteil. VI. 510 und 521 und Briefl. III. 28.
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314
Russen, die das Stadtehen zersttfrten und auch die bis
dahin bestandene evangelische Kirche vernichteten. 1582
ist es wieder im Besitz.Polens. 1626, 1656 und 1660 hausen
hier schwedische Besatzungen. Nach dem Prieden von
Oliva fallt es wiederum an Polen und seit 1772 definitiv
•an Russland.
Der unregelmassigen Form der Burganlage nach zu
urteilen kann die Erbauung derselben noch dem 13. Jahr-
hundert angehoren und ist moglicherweise in dem von Arndt
genannten Jahre der Ausbau in Stein erfolgt, nachdem man
sich bisher mit einer holzernen Befestigung, wie solches
haufig gesebah, beholfen oder die ehemalige heidnische Be-
festigung, die hier bestanden haben mochte, benutzt hatte.
Dass eine solche hier bestanden haben kann, lasst sich aus
den wallartigen Erhohungen am Nord- und Nordostrande der
Vorburg vermuten, auf welchen sich, die spater aufgefiihrte
Wehrmauer erhebt 1 ).
Die Burg erhebt sich auf einer von dem Fliisschen
Reschitza (lettisch Reisneke) umflossenen Landzunge von
eiformiger Gestalt, die in Folge eines Durchstiches an der
schmalsten Stelle zu einer Insel umgeschaffen wurde. Der
Zugang zur Burg fiihrte mittelst einer Brucke iiber den
Durchstich zu einem hart am Ufer belegenen Thorturm,
von dem ein Rest an der Siidostecke erhalten geblieben
ist. Von ihm aug und dem hoher gelegenen Westturme
konnte der Burgzugang nachdriicklich verteidigt werden.
An der Siidseite der Burg entlang fiihrte der Weg zu dem
Vorburgthor und iiber die Vorburg unter dem Kapitelsaal
hindurch in den um l,otj m liber dem Vorburghof sich er-
hebenden Schlosshof.
Die Vorburg nahert sich der Kreisform; sie misst in
der Langenachse 103,8 m und ist von einer augenblicklich
2 ) Vergl. A. Bielenstein. Reiseskizzen aus dem Oberlande. Bait.
Monatscbr. JLfiS^. S. 729. / v ,
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315
noeh durchschnittlich 3 m hohen Wehrmauer umzogen, in
der stellenweise noch die Balkenlticher des Wehrganges
erkennbar sind. Ebenso weisen einzelne Fundamentreste
und Maueransatze darauf hin, dass hier bedeutende Ge-
baudeanlagen vorhanden waren, in denen sich die Vorrats-
r&ume fur Getreide, die Raume zur Unterbringung des
Viehes und der Pferde, die Schmiede, Wohnraume der Be-
satzung, die Draperie u. s. w. befunden haben werden.
Durch das schon erwahnte Thor unter dem Kapitelsaal (?)
gelangte man in die Hauptburg, die eiu unregelm&ssiges
Fiinfeck bildet. Aus den erhaltenen Resten der Obermauern
und der Fundamentzuge lasst sich die ehemalige Anlage
einigermassen erganzen; demnach umfasste der Ost-, Nord-
und Westflugel die Hauptraume der Burg, wahrend sich
an der Siidseite der m&chtige Hauptturm erhob, der mog-
licherweise mit dem gegen Siiden vorspringenden West-
flugel in Verbindung stand. In dem Ostfliigel wird man
die Ordenskapelle zu suchen haben, wenigstens spricht ein
hier erhaltenes Fenster mit zwei kleinen Nischen zu beiden
Seiten dafur, dass sie hier bestanden haben konnte. Dieser
wiirde sich dann nach Norden der Kapitelsaal und diesem
in der Richtung nach Westen der Remter angeschlossen
haben. In dem siidlich neben dem Hauptturme belegenen
Bau kOnnte die Wohnung des Vogts gelegen und der Raum
zwischen dieser und dem Remter vielleicht als Dormitorium
gedient haben. Der Umstand, dass die Burg vollstandig
aus machtigen Peldsteinen aufgefuhrt ist und Ziegel nur
zum Auszwicken der Pugen verwendet zu sein scheinen, die
Ruine aber seit Jahrzehnten als Steinbruch benutzt wurde,
erschwert die Bestimmung der Raume in hohem Grade.
Die Eapitelsaalwand ist in ziemlicher Hohe Grhalten, doch
zeigt sich an derselben nichts, das auf eine Wfllbung des
Raumes schliessen liesse, vielmehr legen Mauerabsatze und
einzelne BalkenlOcher die Vermutung nahe, dass diese Raume
mit Balkendecken versehen waren. Dasselbe ist im Nord-
Mittheil. a. d. livl. Geschichtb. XIV. 3. 21
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316
fliigel an einem bedeutenderen Teile der Aussenmauer und
dem daranstossenden Teile einer Quermauer der Fall.
An der &ussern Kapellenwand sind die Reste eines
viereekigen Turmes bemerkbar, der speciell zur Verteidi-
gung des Vorburgthores angelegt gewesen zu sein scheint.
Als eine besondere Eigentiimlichkeit fallt auf, dass die Vor-
l)urg nicht durch einen Graben von der Hauptburg ge-
trennt ist, wie dieses sonst bei grossen Burganlagen fast
immer der Fall war.
Von den Vogten, die auf Schloss Rositten residirten
ist nur ein luckenhaftes Verzeichnis bisher aufztistellen
moglich gewesen. Es werden genannt:
1422. Simon von Giintheym.
1438 — 45. Mathias von Boningen.
1440. Heinrich von Nothleben.
1473. Hieronimus Bilderscheyn.
1473. Wolter von Plettenberg (spater OM.)
1507. Gerlach von Houelen.
1514. Ttanis Ovelacker.
1532—35. Diedrich von Bahlen, gen. Fleck.
1535. Roloff von Raden.
1542(?)1550. Bernt von Smerten.
1556—57. Werner Schall von Bell.
4. Burg Lodsen.
Tafel 5, 6 u. 7.
Fast noch geringer als die Nachrichten liber Rositten
sind diejenigen iiber Ludsen, das nur ein Nebenschloss
der Rosittenscheii Vogtei war und keinen besonderen Vogt
besass, sondern wahrBcheinlich von einem Pfleger, den der
Vogt mit Genelimigung des Ordensmeisters bestimmen
mocbte, verwaltet wurde. Als zur Vogtei Rositten geh&rig
teilt es auch alle Schicksale dieser Burg, so dass auf die
Gesehichte der Ludsenschen nicht besonders eingegangen
zu werden braucht.
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317
Nach Arndt erbaut Wennemar von Briiggene im Jahre
1399 das Schloss, nacb anderen ein Bitter Konrad von
Thorberg *). Die erste Annahme hat mehr Wahrscheinlich-
keit fur sich. Wennemar von Bruggenoye war von 1389
bis 1401 Ordensmeister und mochte den Ban des Schlosses
verfugt haben. Die PersGnlichkeit des Konrad von Thor-
berg findet sich nirgends beglaubigt.
Auf einer sich zwischen die beiden Seen, den kleinen
und den grossen Ludsen-See, hineinschiebenden, nach Osten,
Norden und Westen steil abfallenden Landzunge ist das
Schloss erbaut. Ein von Nordost nach Siidwest sich er-
streckender, jetzt trocken liegender Graben verband die
beiden Seen und trennte die innere Vorburg mit dem Kon-
ventsbause von der ebenfalls von einem bogenformig nach
Siidosten sich ziehenden Graben umflossenen ausseren Vor-
burg ab. Die letztere erhielt dadurch eine dreieckige Ge-
stalt, wahrend die erstere die Form eines unregelmassigen
Yierecks zeigt. Am Nordwestrande der innern Vorburg
erhebt sich das Schloss. Der Zugang zu demselben fiihrte
von Siidosten her fiber die &ussere Vorburg zu einer den
zweiten Graben fiberapannenden Brucke mit einer Thorbe-
festigung, deren Beste erst vor ungefahr 10—12 Jahren ab-
gebrochen worden sein sollen. Das Schloss zeigt eine fast
quadratische Form mit einem naGh Nordwest vorspringenden
Ausbau. Die Wehrmauer der innern Vorburg ist in einer
durcbschnittlichen Hahe von 3 — 4 m und daruber erhalten.
Sie ist in den unteren Teilen aus Feldsteinen gemauert
mit einer l 1 /* bis 2 Stein starken Ziegelverblendung; der
obere Teil ist fast durchgehends aus Ziegeln aufgefuhrt
und l&sst an vielen Stellen noch die H(5he und Lage des
Wehrganges erkennen. Der westliche Teil ist vor kurzem
abgesturzt.
In gleicber Weise wie die Wehrmauer der Vorburg ist
T '
x ) A. CanyHOBt: Hh(J>jwhth 1886 pag. 32. Woher diese Angabe
stammt ist nicht nachgewiesen.
21*
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318
das Mauerwerk des Schlosses selbst ausgefuhrt, Feldstein
mit ausserer Ziegelverblendung, doch ist auf letztere be-
deutend mehr Sorgfalt verwendet. Ueber die ganze Aussen-
seite zieht sich ein heute freilich vielfach erblindetes Netz-
werk von schwarzglasirten Ziegeln, wie solches in ahnlicher
Weise und in ebenso ausgedehntem Masse an der in den
Jahren 1290 — 1300 erbauten preussischen Ordensburg Reden
angewendet worden ist (Tafel 6). Die &usseren Fenster-
einfassungen bestehen aus Profilsteinen, die einen kr&ftigen
Rundstab zeigen; ausserdem schmuckt die Nordwestseite
des Ausbaues ein pr&chtiger Spitzbogenfries, ebenfalls mit
Anwendung schwarzglasirter Ziegel und geputzter Flfcchen
hergestellt. Ueberhaupt zeigt dieser Ausbau eine bevor-
zugtere Behandlung und kflnnte man hier den Remter oder
einen Teil der Wohnung des Gebietigers vermuten. Der
Hauptraum war ehemals mit vier Kreuzgewfllben iiber-
spannt, die in der Mitte des Gemaehs von einer S&ule ge-
tragen wurden. An der Nordostseite ist eine Kamin-
anlage erkennbar. Die Gewolbe sind aber schon in fruherer
Zeit zerstOrt worden und darnach nieht erneuert, sondern
hat man sich damit begnugt in der halben GewdlbhGhe
eine Balkendecke einzuziehen, wie aus den Balkenlflchern
und den Spuren an der Mauer ersichtlich. Die Fenster
des Raumes sind verhaltnism&ssig klein und daher scheint
die Annahme, dass hier eine Wohnung gewesen gerecht-
fertigt. — Von dem Nordwestflugel des Schlosses steht nur
die aussere Mauer, die drei Stockwerke, wie der oben zum
Teil beschriebene Ausbau zeigt. Hier scheinen nur unter-
geordnete Raumlichkeiten vorhanden gewesen zu sein und
zwar die Kuchen, wie die Mauerans&tze zweier machtiger
Schlotkappen und die wenigen kleinen Fenster beweisen.
In der Ostecke erblickt man neben einem grdsseren Fenster
die Reste eines gemauerten Kamins. Das obere Stockwerk
hat eine fortlaufende Reihe kleiner Oefl&iungen, ein Beweis,
dass sich hier der Wehrgang des Schlosses befand.
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319
Ueber den Zustand des Schlosses im Jahre 1599 giebt
ein in dem genannten Jahre von einer polnischen Kom-
mission abgefasster Visitationsbericht eingehende Nach-
richten. Derselbe findet sich in einer Beschreibung des
Schlosses von G. v. Manteuffel, abgedruckt in der in pol-
nischer Sprache zu Krakau erscheinenden Zeitschrift Prze-
glad Powszechny Jahrg. 1884, Band I, S. 18—46. Das Ori-
ginal dieses Berichts war fruher im Besitz des letzten pol-
nischen Starosten zu Ludsen Joseph Borch und befindet
sich jetzt in den Handen des Herrn Wladislaus Soltan auf
Presmi (Kreis Reschitza). Er besteht aus 24 Seiten in
Folio, ist in alter polnischer Sprache abgefasst und mit
einem angeh&ngten grossen durchschniirten Siegel versehen,
welches die Umschrift tr>: Carolus Josephus Odrowaz . . .
Suae Regiae Majestatis Supremus Regni Thesaurarius.
Hier ein Auszug des Wichtigsten:
Das Ludsensche Schloss liegt vier Meilen von der Mos-
kowischen Grenze. Beide Lender Ludsen und Moskau
grenzen fast uberall unmittelbar an einander. sind aber
durch Moraste, Haiden und weit ausgedehnte Walder von
einander getrennt, so dass nicht nur Truppen, sondern
auch Privatpersonen nur durch Fiihrung besonders dazu
aufgestellter und mit den Wegen bekannter Wachen hier
passiren ktfnneni Dadurch werden auch viele Bauern und
Freie, die aus einem bedeutenden Teile Polnisch-Livlands
nach Moskau zu entweichen suchen hier gefangen und be-
straft. —
Das Schloss ist auf einem ziemlich hohen Hugel erbaut,
umgeben von zwei Seiten von Seen und von der dritten
von einem breiten Graben. Bs ist zum grossten Teile aus
Ziegeln erbaut; Feldsteine sind weniger benutzt. Die W&nde
sind besonders massiv angelegt, dabei ordentlich ausgefuhrt
und nicht niedrig. Die Auflfahrt zum Schloss ist durch
einen fichtenen Pallisadenzaun geschutzt, in welchem ein
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320
aus Bichenholz gefertigteB Thor gebaut, welches mit N&geln
beschlagen und mit einer (Neben) Pforte versehen ist, mit
eisernen H&ngen, Riegeln, Klammern und Uebert&llen.
Ueber dem Thor steht ein htflzerner Turm als Somraer-
sitz (?). Beim Eingang in die Vorburgsbefestigung befindet
sich ein eichenes mit N&geln beschlagenes Thor mit eisernen
H&ngen und zwei inneren SchlSssern; in dieses Thor ist
eine Pforte mit innerem Sohloss und Schubriegel gemacht.
Zum Verschliessen des Thors dient ein in die Wand ver*
schiebbarer Querriegel *). Ueber diesem Thor war auf der
Wand ein Turmchen gebaut, in Art der Moskauer, dessen
Balken jedoch verfault sind.
Um die Vorburg l&uft die (obenerw&hnte) Mauer. An
dieser sind neue, noch nicht gedeckte Schiessgange, zu
welchen zu beiden Seiten Stufen fuhren. Auf der Matter
ein Turmchen, neu, gut gedeckt und gebaut. In dieser Vor-
burg befindet sich in der Nfthe des Thors eine Wachtstube.
Nicht weit von ihr waren Geb&ude, zum Teil zu Wohnungen
bestimmt, wogegen jetzt nur zwei altersschwache Holzhutten
nachgeblieben sind, eine der anderen gegeniibergelegen,
als Wohnung des Unterstarosten, mit einfachen Oefen,
Thiiren und Glasfenstern. Die Thiiren haben einfache
Hangen, Klammern und Ueberfalle, ausserdem sind Tische
und umlaufende Banke vorhanden.
Etwas weiter stehen einige Holzhauschen nach Mos-
kauer Art gebaut, die aber schon verfault sind und zesrfallen.
Auf der andern Seite steht ^ine Kuche mit Vorhaus
und Vorrat&kammer.
Auf der Nordseite steht ein fast gut gebauter Pferde-
stall fur 100 Pferde. Daselbst in geringer Entfernung
eine Malzdarre, neu; daneben ein Vorhaus und ein neues
Blockhaus.
x ) Diese Art des Verschlusses findet sich bei den meisten Ordens-
burgen. Vergl. C. Steinbrecht. Preussen unter den Land-
meistern. Berlin 1888.
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321
In der Mitte der Vorburg steht ein grosses Haus oder
ein Speiseraum mit einem einfachen Ofen und einem ge-
mauerten Kamin; darin auch zwei Tische von zwei Seiten
mit Banken unigeben. Die Thiiren dieses Eaumes ruhen
auf Holzangeln. Aus diesem Raum fuhrt eine Thur, eben-
falls auf Holzangeln und mit einem Haken versehen, in
eine Kammer, in welcher ein gemauerter Kamin befindlich.
Aus der Kammer fuhrt eine Thur in den Hof; eine andere
in eine ebensolche Kammer und den Abtritt; die Thuren
auf Holzangeln.
In den Schlosshof fiihrt ein langer gewdlbter Thorweg
mit eichenen Thorflugeln auf eisernen Angeln, mit einer
Pforte auf H&ngen, einem Schloss und einem eichenen
Querriegel in der Wand. Zur rechten Seite dieses Thors
war eitf Keller, der aber jetzt eingestiirzt ist.
In den Hof eintretend zur rechten Seite standen unter-
geordnete Gehaude und unter denselben befanden sich
Keller, die jetzt eingesturzt sind. Hinter diesen Gebauden,
in der Ecke befindet sich eine Brauerei, in Stand gesetzt
durch den jetzigen Herrn Starosten, mit einem grossen
Kessel, Bottichen und anderen Utensilien. Neben der
Brauerei auf der vierten (?) Seite des Hofes, steht ein
grosser steinerner Turm aus der Wand nach aussen vor-
tretend. Unter diesem Turin* der von depa jetzigen Sta-
rosten neu aufgemauert und reparirt ist, befindet sich ein
Keller. In den Turin fiihrt ein langer schinaler gewtflbter
Gang (ein langer Hals), verschliessbar durch eine eisenbe-
schl^gene Thur. Im Keller ist ein Fenster mit Gitter zum
Sehiegsen angeordnet und von trier fuhrt ein Gang mit
einer Thur in einen kleineren Kellerraum.
Neben diesem Turm in der Ecke standen Geb&ude, die
jetzt zerfallen sind.
Beim Thor zur Linken liegt ein Raum zum Zeughaus
dienend, in Stand gesetzt von dem jetzigen Starosten. Die
Thuren desselben sind stark.
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322
Auf der siebenten Seite der Handschrift findet sich
die Beschreibung der anderen Geb&ude in demselben Hofe:
Zu ihnen fuhrt eine hdlzerne von zwei Seiten gedeckte
Treppe mit Handgel&nder. Die Schiessg&nge sind auf drei
Seiten aus Holz. Auf der Ostseite der Schiessg&nge be-
findet sich ein Zimmer in dem erwahnten Turm mit drei
eisenvorgitterten und verglasten Fenstern, Thiiren mit
eisernen Hangen, einem gemauerten Kamin, einem Ofen
und einer Gallerie fur Musici.
Ueber diesem Zimmer ein Raum fur Schutzen mit je
fiinf Fenstern von drei Seiten. Der Starost erhGhte den
Turm fur eigne Rechnung um Manneshdhe *). Sein Dach
ist neu mit Schindeln eingedeckt.
Weiter den Schiessgangen folgend in der anderen Ecke
in der Nahe des Thors befindet sich eine Thur mit H&ngen
in einen Vorraum fuhrend, neben welchem zur Linken ein
aufs neue hergerichtetes Zimmer liegt mit alien Zugehdrig-
keiten, als: Ofen, Fenstern, Tischen, Btoken u. s. w., fest
verschliessbar. Neben diesem, iiber dem Thor, ein zweites
neues aus Holz erbautes Zimmer; in demselben drei Fenster
mit Glasern, ein Ofen, Thiiren auf Hangen und vor dem
Zimmer eine hdlzerne Treppe. Aus dem Vorraum gelangt
man in ein drittes Zimmer, gegeniiber dem ersten, in dem-
selben ein Kachelofen, vier Fenster mit Glas, ein Tisch,
B&nke und eine Thiir auf H&ngen.
Das ganze Schloss ist mit Schindeln gedeckt. Von den
Moskowitern zersttfrt, wurde es von den Beamten des
friiheren, verstorbenen Starosten Naruschewicz nicht in
Ordnung gehalten und geriet in Verfall, und nur durch den
jetzigen Starosten Skarbek wurde es mit grossen Kosten
wieder hergestellt.
An vorhandenen Kriegsgeraten werden in der Hand-
schrift aufgefiihrt: „eine gusseiserne Kanone grossen Kali-
!) Die Erhohung des Turms ist noch erkeniibar. Ygl. die Ansicht
desselben auf Tafel 6.
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323
bers auf Radern, eine ebensolche kleinen Kalibers *(zu drei-
pfundigen Kugeln), drei Quarterschlangen auf Radern, zwei
gusseiserne Palkonette, zwei eiserne Geschutze auf Lafetten,
das dritte ohne Lafette, gute Hakenbuchsen mit Lafetten 14,
alte unbrauchbare 25. Die R&der s&mmtlicher Geschutze
sind alt und unbrauehbar, das Eisen an ihnen verrostet".
„Bei deui heutigen Starosten", berichtet die Handschrift
weiter, „wurde das Stadtehen neu erbaut, dessen Verlegung
auf Befehl des Ktaigs Stephan Batory angeordnet war und
sind bereits 24 Hauser aufgefuhrt. Zu jedem Hause ist
ein Platz von 10 Faden Lange und Breite abgeteilt worden.
Die Garten dazu sind hinter dem Sehloss und dem See
angelegt".
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1st Lohmiiller Superintendent in Eiga gewesen?
Von L, Napiersky.
(Vorgetragen in der Sitznng vom 14. September 1888.)
Iii den neueren Darstellungen der Reformationgge-
schichte Rigas wird nach dem Vorgange alterer Schrift-
steller als feststehend angenommen, dass Mag. Johann Loh-
miiller urns Jahr 1532 vom Rigaschen Rathe zum Super-
intendenten berufen worden 1 ). Die Richtigkeit dieser An-
nahme bedarf jedoch einer auf die Quellen zuriickgehenden
Priifung, die ich Ihnen vorzulegen mir erlaube, da die Frage,
ob Lohmiiller die Superintendentur in Riga bekleidet hat,
nicht bios fur die Lebensgeschichte eines Mannes, der von
Einigen als eifrigster Vorkampfer der Kirchenreformation
gepriesen wird, wahrend Andere dessen Charakter und
Handlungsweise sehr abf&llig beurtheilen, sondern auch fur
die Kenntniss der kirchlichen Verfassung Rigas in den
ersten Zeiten der Reformation von Interesse ist.
Unter den friiheren Sehriftstellern findet sich die An-
gabe, dass Lohmiiller der erste gewesen, dem das Amt
eines Superattendenten in ecclesiasticis iibertragen worden,
bei J. C. Gerieke, Kurzgefasste Reformationsgeschichte der
Hauptstadt Riga (in den Acta historico-ecclesiastica Bd. XX,
Weimar 1757) S. 302 Anm., so wie in mehreren Sehriften
Liborius Bergmanns (Versuch einer kurzen Gesehichte der
Rigaschen Stadtkirchen, Riga 1792, S. 29; Kurze biogra-
!) W. Brachmann, Die Beformation in Livland in den Mitth. aus
der Gesehichte Liv-, Ehst- nnd Kurlands, V S. 215. Th. Helm-
sing, Die Mrchliche Reformation in Riga (1863) S. 29. Derselbe,
Die Reformationsgeschichte Livlands (Riga 1868) S. 36. — Vgl.
auch C. E. Napiersky in den Mon. Liv. ant. IV S. CXXVII.
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325
phische Nachrichten von dem General-Superintftndenten
Livlands, Riga 1814, S. 3; Zur dankbaren Erinnerung an
die Reformation Luthers, Riga 1817, S. 38 Anm.). Beide
erzahlen hiervon im Anschluss an eine vom Rathe im
J. 1532 zur Beilegung von Differenzen zwischen Kndpken
nnd Tegetmeyer erlassene Verordnung, ktfnnen jedoch aus
letzterer nicht geschdpft haben, da diese Verordnung eine
Superattendentur liOhmiHlers gar nicht erw&hnt. Als Tauben-
heim das Programm „Einiges aus dem Leben Mag. Joh.
Lohmtillers" (Riga 1830) verfasste, vermisste er in den An-
fuhrungen Bergmanns jede Quellenangabe und fand endiich
in der Bibliothek des Oberpastors Trey die von Bergmann
benutzte Quelle, namlich eine aus Johann Wittes Collecta-
neen in eine Ausgabe von Arndts Chronik geschriebene
Notiz, aus welcber Taubenheim unter Anderem referirt,
dass die Stadt am Dinstage nach Andreas (den 3. Dec.) 1532
•Lohmuller zum Syndicate berufen tmd zugleich den Stadt-
secret&r und dessen Gehilfen angewiesen habe, ihm als dem
Stadtsyndicus und Superattendsnten gebiihrlichen Gehorsam
zu leisten 1 ).
Ein mit der erwahnten Randnotiz versehenes Exemplar
der Arndtschen Chronik habe ich zwar nicht auffinden
kdnnen, wohl aber sind von des Archivars Witte Hand
fcwei Auszuge aus der Urkunde vom Dinstag nach Andreas
1532 vorhanden, der eine in einem aus dem Nachlass des
Hrn. Biirgermeisters Btfthfuhr an die Stadtbibliothek iiber-
gegangenen Collectaneenbande Wittes pag. 116, der andere
in einem Convolute des Stadt -Archivs (Canzleibestallungen
von 1488 l)is 1643 ff.). Der von Witte in seine Collecta-
neen aufgenommene Auszug stimmt mit dem von Taubenheim
aus einer Notiz in der Arndtschen Chronik gegebenen
Referate fast wtfrtlich uberein; auf die Witteschen Auszuge
*) S. Taubenheim a. a. 0. S. 31, wo jedoch als Datum, offenbar
durch ein Versehen, der 2. Dec. 1532 angenommen ist.
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326
n&her etnzugehen, kann indess unterlassen werden, denn es
liegt die vollst&ndige Urkunde vom Dinstag nach Andreas
1532 iin Stadt-Archiv (Bestallungen der Herren Syndicorum
et Vicesyndicorum) vor und nur diese wird fur die Prage
nach Lohmiillers Superintendentur entscheidend sein, da
nach dem Vorausgesehiekten nicht anzunehmen ist, dass
Bergmann und sein Vorganger Gericke andere Quellen be-
nutzt haben kGnnen, als eben diese Urkunde oder aus der-
selben gemachte Notizen.
Aus der Urkunde, die eine Bestallung Lohmiillers als
Syndicus 'enthalt, ist mit tJbergehung der auf die Besol-
dung des Syndicus bezugliehen, hier nicht in Betracht
kommenden Bestimmungen Folgendes zu entnehmen. Loh-
miiller hatte bei der Erklarung, dass er durch seine viel-
faltigen langen Dienste (als Stadtsecretar) sich zu ge-
schwacht fiihlte, als dass er sammtliche Obliegenheiten
seines Amtes erfullen kGnnte, dem Rathe den Vorschlag
gemacht, ihn entweder ganzlich vom Amte zu entlassen,
oder ihn als Stadtsyndicus anzunehmen und nur zu den
wichtigsten Sachen der Stadt zu gebrauchen. Der Rath
will seiner ferneren Dienste nicht entbehren und geht daher
auf die vGllige Entlassung nicht ein, entbindet ihn aber
von der gew&hnlichen Arbeitslast mit taglichem Besuch
des Rathhauses und nimmt ihn als Syndicus an, mit dem
Bescheide, dass er fortan bios die vorfallenden wichtigen
Sachen zu uberwachen und zu bearbeiten, auch erforder-
lichen Falls seinen Rath und gute Meinung mitzutheilen
gehalten sein solle. Sodann heisst es weiter: „wuerinne
unnd tho unse secretarius edder des amptes vorweser tho-
samt sinen helpern in allwege, wenn se van ehm gefurdert,
verhelpen unnd den gebdrlicken gehorsam als unserm syn-
dico und erem superattendenten leisten sollen".
Auf diese Worte griindet sich die mit Sicherheit vor-
getragene Nachricht, dass Lohmuller der erste Superatten-
dent in Riga gewesen sei.
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327
Von dem Superattendentenamt handelt die wenige Tage
nach der Ernennung Lohmullers zum Syndicus erlassene
Verordnung des Rathes vom Tage Lueiae (13. Dec.) 1532.
In derselben wird zun&chst die Stellung der beiden Haupt-
pastoren Kntfpken und Tegetmeyer zu einander und zu den
ubrigen PrSdicanten geregelt, worauf es heisst: „Unnd wo
irkein gebreck thwuschen den beiden hern predicanten
fornemlick edder twusehen ennen und den andern predi-
canten und kerckendenern forbet entstunde, den se sulvest
in der stille zovort' an nicht byleggen kunden, densulvigen
sollen se semptlick edder ein yder van enne, so sick vom
andern beschwert folede, keinsweges vorhelen noch vor-
wylen lathenn, sunder densulvigen gebreck ahne vertogering
den vorordenten hern superattendenten aver dat gemeyne
geistlicke ampt ut middel des rades vorordenet vorwitlicken
edder vorwitlicken lathen. Welckere hern superattendenten
ane versumnis unnd vertoch getruwelick und ernstlick darinn
sehn sollen, densulvigen gebreck allenthalven upthoheven
und bytholeggen. Wo aver densulvigen hern superatten-
denten de sacken tho schwer fyllen, sollen se idsulvige
eynem erbarn rade mit erstenn vorwitlicken unnd eres rades
daraver wider beleven, welckerenn superattendentenn eynn
erbar radt alBdenne mher ander hernn des rades thofogen
willen edder de sacke semptlick, nach erfordering der not-
turfft, sulvest vornhemen, bieleggen unnd entrichtenn" x ).
Die Prediger werden hier angewiesen, sich in Zwist-
Mlen an die ^Superattendenten uber das gemeine geistliche
Amt" zu wenden, Letztere waren also damals schon vor-
handen und sind ohne Zweifel vom Rathe, der das seit der
!) Eine Copie dieser Urkunde findet sich in der Bibliothek der
livl. Bitterschaft, Mss. Nr. 121, Ecclesiastics I, pag. 769—71.
Der durftige Auszug, den Gericke in den Acta historico-ecelesi-
astica XX, S. 301 und 2 verofifentlicht hat, giebt den Inhalt
nicht richtig wieder nnd verleitet zu der Annahme, dass das
Superattendentenamt erst damals gegriindet und nur einer
Person ubertragen worden sei.
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328
Reformation auf ihn iibergegapgene Kirchenregiinent mit
den mannigfachen damit verbundenen Rechten und Pflichten
nicht in seiner vollen Versapimlung handhaben konnte,
schon lamgere Zeit vorher bestellt gewesen. Ausdriicklich
hervorgehoben wird, dass die Superattendenten aus der
Matte des Rathes verordnet seien. Nun war aber Loh-
muller, was von den tTberlieferern unserer Nachricht uber-
sehen worden, keineswegs Mitglied des Rathes. Er stand
als Stadtsecret&r ypx Dienste des Rathes und erlangte aueh
durch die Bestallung als Syndicus vom 3. December 1533
keine andere Stellung, als die eines angenommenen Beamten ^
weder war er in althergebrachter Weise zum Ratbinanji
erw&hlt, noch wurde ihm der den Rathsgliedern gebuh^ende
Titel „Herr" beigelegt, noch hatte er da? voile Stimmrecht
im Rathe, den zu besuchen er fiir gewdhnlich nicht einmal
verpflichtet war 1 ). 1st es nun wohl denkbar — so fragt
man mit Recht — , dass der Rath, wenn es ihm nicht
mtfglieh war, die Superattendentur einem angesehejien Theo-
logen zu ubertyagen 2 ), dieses wichtige Amt den Htoden
seiner Mitglieder entzogen und einem ihm untergeordneten
Beamten, mochte derselbe anch noch so bewandert in kirchr
lichen Dingen seiji, verliehen haben sollte? Schon die dem
16. Jahrhundert eigeije peinliche Beobachtung gewisser Rangr
unterschiede lasst es kaum mGglich erscheinen, dass ^Meistey
Johan" — so wjrd Jjohmuller afters vom Rathe genannt —
den ehrwiirdigen Herren des Ministeriums ubergeordnet
wooden, ohne vorher Mitglied des Rathes geworden zu sein.
*) In fruherer Zeit wurden die Stadtsecretare, m wenn sie zu Bot-
schaften ausserhalb Landes verwandt wurden, syndici et procu-
ratores civitatis genannt; s. H. J. Bothfiihrs Rathslinie S. 114.
Im J. 1505 wurde Mag. Wolmarus Mey, der nicht Rathmann war,
auf 10 Jahre zum Syndicus angenommen; Bestallung des Rathes
vom 3. Jnli 1505 im Stadt-Archiv. Lohmuller unterzeichnet sich
selbst stets nur als secretarius oder als syndicus und secretarius.
2 ) Im J. 1531 war Dr. Briesmann dazu ausersehen worden, hatte
jedoch die ttbernahme des Amtes ausgeschlagen.
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329
Dazu kommt, dass wir kein anderweitiges Zeugniss
hieruber besitzen mid Lohmuller selbst, der in den von
ihm herruhrenden Schriftstficken seine Person in den Vor-
dergrund zu stellen liebt, sicb niemals als Superattendenten
bezeichnet hat. Endlich aber ist nicht abzugehen, welchen
Sinn es haben soil, dass Lohmuller in der Bestallung vom
3. December 1532 „er (d f h. ihr, des Stadtsecret&rs und
dessen Gehilfen) superattendeat" genannt wird, da doch
Letzterer den Predigern, nicht den Canzleibeamten des
Bathes, vorgesetzt war.
Die LtJsung der sich bei der Annahme einer Superat-
"tendentur Lohmiillers ergebenden Widerspriiche ist eine
hdchst einfache. Superattendens bedeutet wtfrtlich den-
jenigen, der einen Anderen zu beaufsichtigen hat, ihm zu
solchem Zweck vorgesetzt ist, und der Gebraueh des Wortes
in diesem allgemeinen Sinne kann in einer Zeit, in der die
Entlehnung lateinischer Worte gewOhnlich war, nicht be-
fremden. Die angefuhrten Worte der Urkunde besagen
daher nichts weiter, als dass der Stadtsecretar und dessen
Gehilfen ihm (Lohmuller) als dem Stadtsyndicus und ihrem
nachsten Vorgesetzten behilflich und gehorsam sein sollen,
was mit dem sonstigen Inhalt der Urkunde vtfllig in Bin-
klang steht
Die Erzahlung von Lohmuller als erstem Superatten-
denten in ecclesiasticis beruht demnach auf irriger Deutung
einer Urkunde, die nichts daruber enth<, und ist aus der
Reformationsgeschichte Rigas zu streichen.
Als Superattendenten aus der Mitte des Rathes sind
bekannt: Conrad Durkop und Jasper Spenckhusen *)
(1535. 37. 39.) und Conrad Durkop und Jurgen Padel 2 )
(1541). Ihnen folgte als erster Superattendent geistlichen
i) Mitth. Xm S. 304. Sitzungsberichte der Gesellschaft vom
J. 1885 S. 16.
2) Mitth, xm S. 301.
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330
Standes Mag. Jacobus Battus, der am 12. Nov. 1545 starb 1 ).
Im J. 1558 finden sich aber in Jurgen Neuners Gedenk-
buche 2 ) wiederum Superintendenten, die Rathsglieder waren,
n&mlich Caspar vom Have und Laurentius Timmermann 8 ).
In demselben Buche kommen noch in den Jahren 1574 und
1577 Superintendenten (ohne Nennung der Namen) vor,
die dem Rathe angehOrt haben miissen, da das Ministerium
in einer an den Rath gerichteten Vorstellung vom 6. Febr.
1577 es als eine beschwerliche Anmuthung und unleidliche
Servitut bezeichnet, dass es sich Alles gefallen lassen solle,
was der Rath ihm durch seine (des Rathes) Superinten-
denten anmelden lasse, wobei noch bemerkt wird, dass das
Ministerium wohl wisse, was ihm gebuhren wurde, wenn
es ordentliche Superintendenten oder Oberpastoren hatte,
die ein Kirchenamt verwalteten. Man war also nach Battus
Tode zu dem alten Modus der Bestellung von Superinten-
denten aus der Mitte des Rathes zuriickgekehrt. Ob der
Nachricht Liborius Bergmanns, dass „nach einer alten
Handschrift" die Pastoren Matthias Knopius und Gregprius
Plen — Ersterer war von 1553 — 81, Letzterer von 1554 —
1596 im Amte — den Titel Rigascher Superintendenten ge-
f&hrt haben 4 ), Glauben zu schenken sei, muss in Ermange-
lung jeder n&heren Bezeichnung der von Bergmann be-
nutzten Quelle dahingestellt bleiben.
*) S. uber ihn Aug. Buchholtz in den Sitzungsberichten der Ge-
sellschaft vom J. 1876 S. 9—13.
*) Handsehrift der Bibliothek der livU Ritterschaft, Verzeichniss
Nr. 307.
3 ) Ausserdem heisst es in diesem Buche: „Ao. 1575 pridie Michaelis
(sub novis superintendentibus ecclesiae d. Everhardo Gotte et
cohsule Henrico Riggemanno)* etc., die eingeklammerten Worte
sind jedoch ausgestrichen und scheinen daher nicht in den Text
zu gehdren.
4) Kurze biographische Nachrichten von den Generalsuperinten-
denten Livlands S. 4.
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Der Process wegen der Hinrichtung Johanns
.von Dalen.
Von A. Bergengrtin.
(Vorgetragen in der Sitznng vom 5. December 1888.)
Unter den Klagepuncten , welche gegen den Hoch-
meister Heinrich von Plauen nach seiner Absetzung im
J. 1413 aufgestellt wnrden und durch welche man einer
schimpflichen Gewaltthat den Schein des Recbts zu geben
suchte, findet sich die Behauptung, dass w&hrend Plauens
Regierung viel Mord und Raub geschehen sei, wie nie zu-
vor in Preussen, und dass der Hochmeister trotz der Auf-
forderung der Gebietiger dem nicht gesteuert habe; „daher
man wohl vermuthen mag, dass es mit seinem Wissen ge-
schehen sei, davon dem Orden und Lande an alien Fursten-
htffen gross Laster und Schande entstanden ist" 1 ). Es ist
bekannt, dass nach der furchtbaren Niederlage, welche der
deutsche Orden in der Schlacht bei Tannenberg durch die
verbundeten Polen und Litauer erhielt, die sittliche Faul-
niss des Ordensstaates pltttzlich zu Tage trat und sich in
vielen Fallen von Landesverrath bekundete. Sowohl unter
der Ordens- wie der Landesritterschaft, und nicht weniger
bei den preussischen St&dten, zeigte sich eine eben so zucht-
lose wie vaterlandslose Gesinnung. Da that strenges Em-
schreiten, energische Bestrafung der Schuldigen Noth. Nach
Allem, was wir von Heinrich von Plauen wissen, war er
i) S. S. rer. Pruss. a,387.
22
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332
der rechte Mann dazu. Wenn nun von seinen Feinden be-
hauptet wird, er habe Mord und Raub ungestraft veriiben
lassen, so kflnnen wir wohl zugeben, dass in der unruhigen
Zeit die Zahl der Verbrechen eine ungewfthnlich Tiohe ge-
wesen sein mag. Andererseits aber haben wir auch Grund
zu der Annahme, dass jene Behauptung gerade auf die
riicksichtslose Handhabung seines landesherrlichen Richter-
amtes zuriickzufuhren ist, indem die Bestrafung schuldiger
Personen vom Standpunct der Peinde des Hoehmeisters
aus als Mord bezeiohnet wurde. Im Thorner Prieden von
1411 war freilich eine allgemeine Amnestie ausbedungen
worden; wir wissen aber, dass es doch zu einer ganzen
Reihe von Hinrichtungen gekommen ist. Besondere Aus-
kunft iiber diese Hinrichtungen unter Heinrich v. Plauen
gewahren einige Aufzeichnungen im Codex 160 des Central-
archivs des deutschen Ordens in Wien. Ein Theil der-
selben ist in Kotzebues Preussens altere Gesch.Bd. 3, S. 393 ff.,
abgedruckt. Ein anderer Theil findet sich im 3. Bd. der
Scriptores rer. Pruss. p. 485 — 487. Hier erfahren wir, dass
auch ein * livl&ndischer Ritter Dietrich v. Dalen
damals hingerichtet worden ist. Derselbe habe etliche
fremde Lander bereist und sei nach der Schlacht auch
nach Preussen gekommen. „Darnach qwomen etczliche
gebittiger aus Leyffland und obirczewgeten en, welchen
mercklichen schaden her unserm orden hatte geton, dorumb
her ward gek6ppet. a Ttfppen, der Herausgeber des Be-
richtes, spricht die Vermuthung aus, derselbe sei erst gegen
1453 verfasst, wahrscheinlich zur Rechtfertigung der Ordens-
politik vor dem Kaiser. Daraus liesse sich wohl auch die
corrumpirte Schreibweise des Namens Thaleym (uber-
geschrieben ist Taalen, wahrend am Kopf der Notiz als
Inhaltsangabe richtig von Dalen steht) erkl&ren. ijber
einen Dietrich von Dalen habe ich sonst nichts finden
kOnnen. Der 5. Band des Bungeschen Urknndenbuches
enthalt aber eine Anzahl von Actenstiicken, welche sich auf
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333
den gewaltsamen Tod ernes Dorpatschen Stiftsvasallen
Johann von Dal en (oder wie er gewdhnlich genannt
wird Johann v. Dolen) 1 ) in Preussen w&hrend der Re-
gierung Heinrichs v. Plauen beziehen. Die verhaltniss-
m&ssig spate und fliichtige Abfassung des Berichtes im
Wiener Archiv legt die Vermuthung nahe, dass auch der
Vorname Dietrich nicht der richtige ist, sondern dass es
sich hier urn denselben Johann v. Dalen handelt, den wir
aus Bunges Urkundenbuch kennen. Diese Vermuthung
findet eine Stiitze noch in dem Umstande, dass der Tod
Johanns v. Dalen nicht nur in Livland und Preussen das
grtfsste Aufsehen erregte, sondern sogar der Gegenstand
von Unterhandlungen zwischen dem Hochmeister Michael
Kuchmeister und dem Kdnig Erich von Schweden und Dane-
mark wurde, ein Ereigniss, das wohl bedeutend genug sein
konnte, um dem Kaiser in einer dem Orden erwiinschten
Beleuchtung gezeigt zu werden, wie es der Wiener Be-
richt offenbar thut. Die Acten unseres Urkundenbuches
aber best&tigen die Angabe der oben angefiihrten Klage-
schrift gegen Heinrich von Plauen, dass dem Orden aus
den Mordthaten in Preussen Unannehmlichkeiten an fremden
Hafen erwachsen seien. Zieht man das Aufsehen in Rech-
nung, welches der Tod Johanns von Dalen machte, so ist
auch die Vermuthung nicht ungerechtfertigt, dass in der
Klageschrift unter Anderem auch auf den Tod Johanns
v. Dalen und die sich an denselben kniipfenden Weiterungen
Bezug genommen worden ist.
Vorstehend Gesagtes mag es rechtfertigen, wenn ich
in Nachstehendem dasjenige zusammenstelle, was wir aus
dem Urkundenbuch uber die Dalensche Angelegenheit
erfahren.
Die Pamilie Dalen oder Dolen war im Mittelalter eine
der angesehensten in Livland. Wir finden sie gleich im
*) Bunge bezeichnet ihn als Johann IV. v. Dalen.
22*
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334
Beginn unserer Geschichte im Erzstift und in Estland;
dann breitete sie sich namentlich im DGrptschen aus. In
der Mitte des 14. Jahrhunderts gelangte ein Glied dieser
Pamilie, Engelbert, zur bischdflichen Wiirde in Dorpat, urn
dann zum Erzbischof von Riga zu avanciren. Dass er als
Kirchenfiirst die Ehre und den Vortheil seines Geschlechts
nicht vergass, zeigt seine Verwendung beim Papst urn
tJbertragung einer erledigten Pfrnnde in Upsala an seinen
Neffen Nicolai 1 ). Zur Zeit, welche uns hier besch&ftigt,
stand der Dftrptsche Zweig auch zu einem angesehenen Ge-
bietiger des deutschen Ordens in Livland in naher ver-
wandtschaftlicher Beziehung. Johann IV. von Dalen hatte
die Gertrud von Schwarzhof geheirathet, deren Bruder
Johann Comtur von Diinaburg, darnach von Ascheraden,
wurde. Johann v. Schwarzhof war ein eifriger Diplomat
des Ordens. Im Auftrage des Hochmeisters und Ordens-
meisters fiihrte er zum Theil die langwierigen und uner-
quicklichen Verhandlungen mit Polen und Litauen wegen
Verlangerung des Beifriedens nach dem sogenannten Hunger-
kriege von 1414. Wir kdnnen wohl annehmen, dass die
Dalen zu weiten Kreisen Beziehungen hatten und die
inannigfachsten Interessen sich an ihre Familie kniipften.
Es wird uns daher nicht Wunder nehmen, wenn der pl(5tz-
lich gewaltsam erfolgte Tod Joha.nns v. Dalen allgemeine
Besturzung und heftigen Zorn hervorrief. tJber den Zeit-
punct dieses Ereignisses wissen wir nur, dass es unter der
Regierung Heinrichs v. Plauen, der von 1410—1413 Hoch-
meister war, geschah. Johann v. Dalen befand sich mit,
wie es scheint, betrachtlichem Gefolge, darunter ein Dom-
herr, in Braunsberg. Auch fiihrte er allerlei werthvolles
Gerathe, Gold und andere Kostbarkeiten mit sich. Auf
Befehl Heinrichs v. Plauen wurde er gefangen genommen
und auf das Rathhaus von Braunsberg gefuhrt, wohin auch
!) Bunges Urkundenbuch 6, 3086.
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335
sein sainmtliches Gerathe gebracht wurde. Rathmannen
und SchGppen nahmen ein genaues Verzeichniss der vor-
gefundenen Sachen auf und ubergaben diese dann dem
Domherrn. Das Verzeichniss wurde zuriickbehalten und
dem Orden ausgehandigt. Einige andere Gegenst&nde,
welche der Gefangene in Danzig zuruckgelassen hatte,
darunter je 4 Kugelbuchsen, Armbriiste und S&ttel sollten
zu Schiff heimgeschickt werden, scheinen aber den Ange-
hOrigen Dalens ebensowenig zugestellt worden zu sein, wie
die dem Domherrn fibergegebenen Sachen. Zwei gold-
durchwirkte Tucher, die Johann von Dalen einst vom Hoch-
meister fcum Geschenk erhalten hatte, vermachte er der
Pfarrkirche und dem Kloster zu Braunsberg zur Anferti-
gung von Messgewandern. Zu n&ehtlicher Zeit wurde er
in Braunsberg gettf dtet und in der Pfarrkirche daselbst
begraben. Es geschah das ohne Wissen der Ordensge-
bietiger. Erst als das Gefolge Dalens auf seiner Ruckkehr
nach Livland sich in Kflnigsberg aufhielt, erfuhr der dortige
Hatrscomtur von der Sache und meldete sie dem damaligen
Landmarschall Kuchmeister 1 ).
Was diese Execution veranlasst hat, erfahren wir aus
dem Urkundenbueh nicht. Der Hochmeister Michael Eiich-
meiBter beschuldigt den alten Meister durch etliche Amt-
leute des Ordens Johann v. Dalen wider Recht und Billig-
keit, unmenschlich und ohneGericht zum Tode gebracht zu
haben. Da&selbe behaupten die Hinterbliebenen Dalens 2 ).
Dass dieser gariz unschuldig gewesen, wird aber auch an
kefiner Stelle gesagt. Im Gegentheil lasst sich aus der
Klage der Dalenschen Sippe, wenn er schuldig gewesen,
so hatte man ihn gefangen nehmen und verhdren sollen,
entnehmen, dass die Mdglichkeit einer Schuld zugegeben
wurde 3 ). Fassen wir alles zusammen, so ergiebt sich mit
i) U-B. 5, 2087. 2098. 2192.
2) U-B. 5, 2093. 2094.
3) U-B. 5, 2083.
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336
grosster Wahrscheinlichkeit, dass auch Johann von Dalen
in eine der landesverratherischen Unternehmungen ver-
wickelt war, und Plauen ihn von sich aus, freilich ohne
die gesetzlichen Foraien eines peinlichen Verfahrens zu be-
obachten, mit dem Tode strafte. Den Hinterbliebenen liess
Euchmeister trGstend melden *), urn dieser und anderer Un-
that willen, die er gegen Willen und Wissen der Gebietiger
unternommen, „ward er eintr&chtiglich entsetzet und an die
St&tte geleget, da er bleiben soil bis an sein Ende".
Die Wittwe Dalens, ihr Sohn Hans und die ganze
Sippe besturmten den Orden um Genugthuung fut diesen
Schimpf. Zu dem Zweck wandten sie sich zun&chst an den
Bischof von Dorpat und sein Eapitel. Aber auch sonst
batten sie einflussreiche GOnner, unter anderen die harrisch-
wierische Ritterschaft, deren Piirsprache 2 ) damals von
besonderer Bedeutung sein musste, weil der Hochmeister
gerade von ihr eine besondere Hilfe gegen die Polen erbat.
Merkwurdiger Weise begannen die Unterhandlungen in der
Dalenschen Angelegenheit erst nach einigen Jahren. Ob-
gleich schon der Ordensmeister Dietrich Tork ein be-
zugliches Schreiben von Euchmeister erhalten hatte, so
war doch erst sein Nachfolger Sifrid Lander von Span-
heym in der Lage, dem Hochmeister einen ausfuhrlichen
Bericht zu unterbreiten. Derselbe ist vom Januar 1416
datirt 8 ). Dietrich Resler, der damalige Bischof von Dorpat,
und die Angehdrigen Dalens hatten den Ordensmeister
persdnlich aufgesucht, um durch ihn beim Hochmeister auf
mdglichst rasche Beilegung des Zwistes zu dringen. Euch-
meister war die Sache sehr fatal; so sehr er seine und
des Ordens Unschuld betonte und Heinrich von Plauen
persdnlich fiir das Geschehene verantwortlich machte, —
es handelte sich immerhin um eine Missethat, die nur durch
i) 1. c.
2) 1. c.
3) U-B. 5, 2051.
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337
den Orden selbst gesiihnt werden konnte. Er wollte den
l&stigen Streit durch den Ordensmeister ausfechten lassen;
dieser aber weigerte sich durchaus: er wisse nicht, weshalb
Dalen zum Tode gebracht und was seine Schnld sei; es
sei doch besser, die Sache da abzumachen, wo sie geschehen.
Spanheym wollte die Verantwortung fur ein eventuelles
Misslingen der Verst&ndigung mit dem machtigen Ge-
schlecht nicht auf sich nehmen; er sprach im eigenen Inter-
esse, wenn er dem Hochmeister rieth, im kommenden
Sommer die Freunde Dalens zu einer Zusammenkunft in
Preussen einzuladen; da k&nne man ihnen die Schuld Dalens
zu bedenken geben und dann der Sache ein freundschaft-
liches Ende bereiten. Vor allem aber mussten die Boten
des Bischofs und der Betheiligten riicksichtsvoll empf&ngen
und einer entgegenkommenden Antwort gewiirdigt werden;
sie kdnnten, wenn der Orden in Noth gerathe, gefehrliche
Feinde sein. Das Verhalten Kiichmeisters entsprach im
Grossen und Ganzen den Wunschen seines Gebietigers.
Er erklarte dem Bischof von Dorpat und in besonderen
Schreiben den einzelnen Gliedern der Dalerischen Partei,
dass ihm Alles an einer giitKchen Vfcreinbarung liege, dass
er aber den Ordensmeister, wie sie gewiinscht, mit den
Unterhandlungen nichi beauftragen kttnne; er werde, so
beschwerlich es ihm auch sei, eine besohdere Gesandtschaft
in dieser Sache nach Livland schicken 1 ). Damit hatte es
freilich noch gute Weile. Der Hochmeister suchte vielmehr
die Sache zu verschleppen; Er stand damals in eifriger
Unterhandlung mit dem Eribischof von Riga und den alten
Rigaschen Domherren, die mit dem Ordensmeister ausgesOhnt
werden sollten. Der Erzbischof hatte sich bereit finden
lassen, zu Pfingsten 1417 aus Constanz zu einem allgemeinen
Versfthnungstage nach Danzig zu kommen. Diesen Tag in
Danzig, bis zu dem es noch iiber ein Jahr Zeit hatte, schlug
i) U-B. 5, 2053. 2054.
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nun der Hocbmeister in den freundschaftlichsten und vor-
sichtigsten Ausdrucken dem Bischof von Dorpat als sehr
geeignet zur Beilegung der Dalenschen Streitsache vor 1 ).
Die Dalensche Partei erklarte aber sehr besiiimnt, so lange
nicht warten zu wollen. und so musste sich Kuchpieister
im Spmmer 1416 wirklich zur Abordnung der versprochenen
Gesandtschaft an die beleidigte Familie entschliesaen 2 )*
Mittlerweile war durch dieselbe Angelegenheit die
Aufmerksamkeit des Ordens auch npich einer anderen Seite
hingelenkt worden. Es verbreitete sich das Gerucht, der
leidenschaftliche und reizbare Ktfnig Erich von Danemark
und Schweden fuhre etwas wider den Orden im Schilde.
Man fiirchtete in Livland, das Kriegsgliick des jungen eflg-
lischsn Ktinigs Heinrich V., der soeben seinen glftnzenden
Sieg bei Azincourt erfochten, habe in Erich den Ehrgeiz,
ahnlichen Ruhm zu erwerben, wachgerufen* Er hatte eben
Schleswig sp gut wie erobert; dariiber geri^th er auch mit
den Liibecfcern in. Streit und nun brachte Kiichmeister in
JJrfahrung, dass er ^iich mit Polen und Litaueji ein ge-
heimes Verstandnips angebaftnt habe. ; Noch hatte man in
Danemark nicht vergesgen, dass Estland einst danische?
Lehen gewe$en w*ir. Hermann Litel, ein harrischer EdeU
mann, Melt sich damals am Hofe Erichs auf, Er wurde
von des KoftigS Kanzler, dem Bipchof yon RGskiiele, zu
Tiscbe gel<aden und hier hprte er d^esen sagen: der KPnig
folg? jotzt neuem Rat^; w^n er dem alten folgte, : so w&re
das besser; er mjisse Harriet und, Wierland angreifen, auf
die er eiji besseres Jjiecht habe, als auf die St&dte, um
welche er jetzt kampfe. Den uns naher nicht bekannten
Absjchten Erichs 8 ) begegnete Kiichmeister in gewohnter
i) U.B. 5, 2062.
2) tWB.5, 2061.
3) Voigt. Gesch. Preussens VII, 275 n. 2 erwahnt ein Schreiben
des Comtnrs von Thorn vom 20. Febr. 1416, aus dem hervor-
gehe, dass Reval der Gegenstand des Streites zwischen Konig
und Orden war. Das Schreiben findet sich in den Abschriffcen
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339
Weise, schw&chlich und matt. Er trug seinem Procurator
apa Concil auf, Ktaig Sigismund zu bitten, er nidge von
sich aus den D£nenk()nig zur Besonnenbeit und zuin Frieden
vermahnen. Von Seiten des Ordens diirfe nur ja nichts
geschehen, was die Danen verstiuamen kftnnte. Wie l&stig
musste es da dem Hochmeisfter sein, als plotzlich des Konigs
Kaplan in Danzig ubfcrfallen und seiner Briefschaften be-
raubt wurde, und Erich selbst das Geriicht zu Ohren kam,
er werde der Mitschuld an dem Tode Johanna von Dalen
geziehen. Was dieeem Grerueht zu Grunde gelegen, in
welchen Beziehungen Johann von Dalen zu Erich gestanden
haben kann, entrieht sich unserer Beurtheilung. Genug
der Ordensmeister berichtete nacb Marienburg, der Konig
sei deswegen dem Orden sehr wenig freundlich gesinnt,
und Kfichmei&ter erschien die Sache ernst genug, um sich
in einem unterwurfigen Scbreiben bei Erich zu entschuldigen
und seine Unschuld an der Beraubung des Kaplans, wie
an der Entstehung des bdswilligen Geriichtes, darzuthmu
Ja der Hochmeister erkl&rte sich bereit, durch eine be-
sond^re Gesandtschaft den Ktfnig iiber alle Einzelheiten
aufzuklaren und so seine Unschuld vdllig su erweisen.
Doch scheint es zu dieser nicfrt gekommen zu sein 1 ).
Dagegpn traf die zuvor erw&hnte Gesandtschaft unter
der Fuhrimg des Comtiirs von Brandenburg im August
1416 in Livland ein. : De* Hochmejster gab dem Gomtur
eine Instruction mit, welcbe wir besitzen 2 ); hier waren dem
Cojfltuy dje Antworten, welcjie er auf die zu erwartenden
Fragen zu geben haben werde f genau formulirt. Eine Voll-
macht, den Streit im Namea des Hochmeisters gapz beizu^
legen, wie man es in iiivlapd verlangte, hatte der Comtur
aus dem Konigsberger OrdensarcMv Sectio II, torn. II, Nr. 246,
doch ist in demselben von Reval als einem Streitobject zwischen
Orden und Konig mit keinem Wort die Rede.
i) U-B. 5, 2047. 2050. 2072. 2080.
2) U-B. 5, 2083.
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nicht 1 ). Nach dem Willen Kuchmeisters sollten die Ver-
handlungen am 8. September in einer von den Gebietigern
zu bestimmenden Stadt erdffnet werden. Sie wahlten Walk.
Per Ordensmeister lehnte das Gesuch des Comturs von
Brandenburg, steh auch zum bezeichneten Termin in Walk
einfinden zu wollen, unter dem Vorwande ab, er sei durch
Gesch&fte daran verhindert. An seiner Stelle erschienen
Johann v. Scbwarzhof, Comtur von Dunaburg und Dalens
Schwager, und der Comtur von Fellin, dazu die Vtfgte von
Wenden und Wesenberg 2 ). Zwei Tage hindurch verhandelte
man ohne Erfolg.
Es scheint der Familie Dalens vor allem darauf ange-
kommen zu sein, den Todten in seiner Ehre zu rehabilitiren.
Der Comtur von Brandenburg bot ihr zur Suhne eine
immerwahrende Seelenmesse in der Pfarrkifche zu Brauns-
berg, wo Dalen begraben lag, und als sie damit nicht zu-
frieden war, die Stiftung einer Vicarie in einer Kirche,
die sie selbst wS-hlen kflnnte, sowie ein feierliches Todten-
amt in alien Ordenshauserh Preussens und Livlands, wie es
beim Tode eines Ordensbruders iiblich sei; dazu waren die
anwesenden livl&ndischen Gebietiger bereit, den livl. Ordens-
meister gleichfalls zur Stiftung einer Vicarie zu bewegen.
Aber auch das geniigte den Angehdrigen Dalens nicht 3 ).
Sie setzten ihre Forderungen, da der Comtur von sich aus
mehr nicht bewilligen konnte, schriftlich auf und ubergaben
sie ihm zur Ubermittelung an den Hochmeister 4 ). Es ist nicht
ohne Interesse, dieselben im Einzelnen kennen zu lernen.
Gertrud v. Dalen und ihr Sohn Hans forderten zun&chst
die Wiedererstattung von Geld, Gut, Kleinodien und
anderen Gerathen, die dem Verstorbenen in Preussen ab-
i) U-B. 5, 2097.
«) U-B. 5, 2086 und 2093.
3) U-B. 5, 2098.
4) 1. c.
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341
genommen waren, und die sie auf 1000 Mark Bigisch
schatzten; sodann als ewiges Lehen fur sich und ihre Erben
drei Vicarien im Stifte Dorpat von je 15 Mark. Im Dom,
in der Marien- und Johanneskirche zu Dorpat solle der
Orden je eine Bahre herrichten und auskleiden und Herrn
Johann feierlich begehen lassen. Die Gebeine des Ver-
storbenen sollen ausgegraben und nach Dorpat gefuhrt,
in den Kirchen aller der Ortschaften aber, in welchen der
Leichenzug iibernachten werde, ein Beg&ngniss auf Kosten
des Ordens veranstaltet werden. Darauf miissten ehrsame
Bitter und Knechte, uber deren Zahl man sich verst&ndigen
werde, im Namen des Ordens die Wittwe und den Sohn
um Gottes und unserer lieben Frau willen bitten, sich
wegen des Mordes zu vertragen, und wenn solches ge-
schehen sei, sollte ein Gebietiger „die fruntschaft von
Johann v. Dalen entpfaen", dann habe ein Gebietiger die
Erklarung zu machen, der Orden wolle sich mit einer eben-
solchen Suhne zufrieden geben, falls ihm ein gleiches Un-
recht durch Johann von Dalen widerfahren sein sollte.
Aber nicht nur daran scheiterten die Verhandlungen, dass
hier dem Orden doch eine ganz ausserordentliche Demiithi-
gung zugemuthet wurde, sondern auch daran, dass der bis
dahin eifrigste Vermittler zwischen dem Orden und den
Anspriichen der Familie, der Bischof von Dorpat, auf die
Nachricht hin, dass der Comtur von Brandenburg keine
Vollmacht habe, endgiltig abzuschliessen, den Verhandlungen
ferngeblieben war. Ausserdem herrschte, wie wir aus
einem Briefe des Bischofs an den Hochmeister erfahren, all-
gemeiner Unwille daruber, dass in der Vollmacht fur den
Comtur ein Punct gar nicht beriihrt word en war, auf den
man besonders Gewicht zu legen schien. Die Tddtung
Johanns von Dalen in Preussen durch des Ordens Unter-
thanen bedeute namlich den Bruch eines Privilegiums,
welches der Orden dem Stifte verbrieft und besiegelt habe.
Nur dann, schreibt der Bischof, kGnne der Streithandel
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342
freundschaftlich verglichen werden, wenn auch dieser Privi-
legienbruch in den Kreis der Berathungen gezogen werde 1 ).
Der Streithandel zog sich noch lange hin. Die Be-
dingungen, wie sie die Dalensehe Partei in Walk festsetzte,
acceptirte Kuchmeister jedenfalls nicht. Wohl aber gab
er dem erneuten Drangen des Bischofs und seiner Freunde
nach, indem er schliesslich doch den OrdenBmeister zum
Abschlues bevollmachtigte 2 ). Doch waren der Ordens-
meister und der Bischof damals gerade durch andere, wich-
tigere Arbeiten vollauf in Anspruch genommen. Mit Pleskau
wurde ein zehnj&hriger Friede vereinbart und in den end-
losen Verhandlungen fiber die Verlangerung des Waffen-
stillstandes mit Polen und Litauen spielte der Bischof von
Dorpat den Vermittler, Wir hdren wohl, dass die Boten
des Bischofs an den Grossfursten Witold auf ihrer Ruck-
reise dem Ordensmeister auch Mittheilungen iiber die Stim-
rnung der Dalenschen Parteigenossen machen 3 ), ohne dass
wir etwas Naheres erfahren. Erst im November 1417 er-
wirkte Johann von Schwarzhof, jetzt Comtur von Asche-
raden, einen neuen Beschluss derselben Dalenschen Partei.
Sie be8tanden auf der Ruckgabe des geraubten Gutes, fiber
dessen Verbleib Peter Essen, der beim Tode Johanns zu-
gegen gewesen, Auf»kunft geben musse, und auf der Grun-
dung dreier Vicarien im Dorptschen Stift. Im tJbrigen
woflten £ie, wie es scheint, damit eufrieden sein^ wenn ihnen
noch eine der fruher : namihaft gemachtea Forderungen be-
willigt wurde 4 ). Immer stiirmischer verlangten die Diirpt-
schen Vaaallen, der Bischof mdge etwas Entscheidendes
fur sie thun 5 ). Im Januar 1418 verhaadfelten die Gebietiger
1) U-B. 5, 2097 : . Auch noch an einer anderen Stelle, TIB: 5, 2192,
betoht der Bischof, dass die Ermordung Dalens insbesondere
gegen die Einigung zwigehen Stift nnd Orden verstosse.
2) U-B. 5, 2101.
3) U-B. 5, 2119 und 2126,
*) U-B. 5, 2173.
5) U-B. 5, 2192.
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343
mit den Boten des Bischofs in dieser Angelegenheit zu
Wolmar. Aber noch ein voiles Jahr verging, bis der Aus-
gleich wirklich hergestellt war. Am 14. Febr. 1419 fand
in Walk eine Versammlung statt, an welcher unter anderen
der Ordensmeister Sifrid v. Bpanheym, der Erzbischof
Johannes Ambundi und der Bisehof von Dorpat mit einigen
seiner Domherren, sowie einige Rigasche und Ddrptsche
Stifts vasallen, theilnahmen. Hier versdhnte sich der junge
Hans von Dalen mit dem Orden und schwor sammt seiner
Mutter Urfehde 1 ). Wieviel sie von ihren Forderungen
durchgesetzt haben, ob sie die drei beanspruchten Vicarien
wirklich erhielten, wissen wir nicht. Jedenfalls zahlte der
Orden eine Geldentsch£digung von 1600 Mark Rigisch,
also mehr, als anfangs von ihm verlangt worden war 2 ). Es
fiel ihm nicht leicht, diese Summe zu beschaffen; erst im
Sommer wurde dem Ordensmeister, nachdem er die Zahlung
far den Hochmeister geleistet, die Vertragsurkunde vom
14. Febr. ausgeh&ndigt 8 ).
Noch einmal ist i. J. 1421 die Ermordung Johanns
v. Dalen zur Sprache gekommen, als der Erzbischof von
Riga, Johannes Ambundi, als Schiedsrichter zwischen Kdnig
Erich und dem Bisehof von Upsala nach Schweden reiste.
Der Ordensmeister benutzte diese Gelegenheit, um dem
KOnige durch den Erzbischof Transsumpte der die Besitz-
titel des Ordens auf Harrien und Wierland enthaltenden
Urkunden zu ubersenden; zugleich ubernahm es der Erz-
bischof, den Orden noch einmal beim Kdnige wegen des
Geredes, er habe an der Ermordung Johanns v. Dalen
theilgenommen, zu entschuldigen 4 ).
*) U-B. 5, 2297.
2 ) Erwaknt werden die Dalenschen Handel von Ruthenberg und
Richter, welche Johann v. Dalen einen Vasallen des Erzstiftes
nennen und den Rechtsstreit mit der Erricktung dreier Vicarien
durch den Orden schliessen lassen. Schiemann bezeichnet
Johann richtig als Vasallen des Dorptschen Stifts.
3) U-B. 5, 2319 und 2326.
4) U-B. 5, 2548 und 2549.
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Markgraf Wilhelm von Brandenburg bis zu
seiner Wahl zum Coadjutor des Erzbischofs
von Riga 1 ).
Yon J. Girgensohn.
(Vorgetragqn in der Sitzung Tom 8. M&rz 1889.)
Fern von der Duna, an dem fr&nkischen Fliisschen
Rezat, stand die Wiege des letzten Erzbischofs von Riga,
des Markgrafen Wilhelm von Brandenburg. Seine Geburts-
stadt Ansbach, im Mittelalter Onolzbach genannt, spielt
in der Stadtegeschichte keine Rolle. Wohl riihmt sich
noch heute der Ansbacher, dass in der Nahe seiner Mauern,
in Eschenbach, der grosse Dichter des Parsifal, und inner-
halb derselben ein Uz, ein Platen das Licht der Welt er-
blickten 2 ). Politisch von Bedeutung ist das Stadtchen nur
durch die Hohenzollern geworden, die in dem Jahre 1331
durch Kauf in dessen Besitz gelangten.
Gegen Ausgang des Mittelalters hielt hier der Mark-
graf Albrecht Achilleus seinen glanzvollen Hof. Ansbach,
*) Bei meinem Bemuhen, die Geschichte Wilhelms von Brandenburg
zu erforschen, hat mich der Direktor des konigl. Haus-Archivs
zu Berlin, Herr GrafUnruh, in freundlichster Weise durch
Uebermittelung von Abschriften aus dem genannten Archiv unter-
stiitzt. Es ist mir daher eine angenehme Pflicht, auch an dieser
Stelle mit ergebenstem Dank dieser werthvollen Hilfe zu ge-
denken. Auch Herrn Oberlehrer F. Wagner in Berlin bin ich
fur Nachweis und Zusendung von Quellen-Material zu aufrichti-
gem Dank verpflichtet. Bei dem Mangel an Nachrichten iiber
die Jugendzeit Wilhelms in unserer Literatur, schien mir die
folgende Mittheilung aus meinen Vorarbeiten zu einer Lebensge-
schichte des Markgrafen Wilhelm fur die Verdffentlichung geeignet.
2 ) Meyer, Jul. Ansbach, eine Heimstatte der Dichtkunst. Ansbach,
1885. S. 1. 16. 47.
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345
ward gesucht von Freunden hftfischen Lebens und ritter-
licher Spiele. Der abenteuernde Meisters&nger Michael
Beheim weilte eine Zeit lang hier im Gefolge des Piirsten.
Die politische Rolle, die der Hof von Ansbach in jener
Zeit spielte, war so ansehnlich, dass man von Albrecht
Achilleus, der bekanntlich auch den Kurhut von Branden-
burg erwarb, sagen konnte, er regiere das Reich durch
den Kaiser Friedrich III 1 ).
Eine so hervorragende Stellnng im Reiche vermochte
Friedrich, der Sohn und Nachfolger Albrechts, nicht zu
behaupten. Bin tiichtiger Kenner des Kriegswesens 2 ), ver-
darb er in der Regierung viel durch seinen heftigen, leiden-
schaftlichen Charakter. Nachdem er im J. 1511 eine
schwere Krankheit durchgemacht und bald darnach seine
Gattin Sophia, die Tochter des Kdnigs Kasimir von Polen
und Schwester des Kflnigs Wladislaw von Bdhmen und
Ungarn, sowie im selben Monat seine Mutter durch den
Tod verloren hatte, verfiel er in eine krankhafte Gemuths-
erregung, die sich von Jahr zu Jahr steigerte und endlich
der Umgebung unertraglich wurde. Seine Stihne Kasimir
und Johann liessen ihn nach dem Fastnachtsfest des
Jahres 1515 auf der Plassenburg interniren. Darauf uber-
nahmen die beiden altesten Sahne, Kasimir und Georg, die
Regierung in den frankischen Furstenthumern. Die iibrigen
Kinder — es waren im Ganzen 17 Geschwister — sollten
anderweitig furstlich versorgt werden.
Einer von diesen war der Markgraf Wilhelm, der
sp&tere Erzbischof von Riga. Ueber seine Geburt hat sich
folgende gleichzeitige Notiz erhalten 8 ):
2 ) Haenle, S. Ansbach in der deutschen Geschichte. Berlin,
• 1886, S. 14 ff.
2 ) Wagner, F. Herzog Albrecht I. von Prenssen und seine
Kriegsordnong von 1555. (Nordd. A. Ztg. Beil. n. 9—16.) Sep.-
Abdr. S. 1.
3 ) Wagner, F. Das alteste standesamtliche Register des Hauses
Hohenzollern in: Ztsch. f. prenss. Gesch. XVIII. Jahrg. S. 471 ff.
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346
y>Am Sambstag nach Petri et Pauli apostolorurn, der
was der XXIX. tag des monats Junij, anno domini XIIII C
und im acht und newntzigsten zwuschen zehen und eylf horen
vor mitternaeht hat mein gnedige /raw einen son zu Onolds-
pach geboren; der ist darnach am Montag unnsrer lieben
Frauen tag visitacionis [Juli 2] im slops in der cappeln
solemniter getavft Sein gevattern gewesen: her Lebolt y abt
zu Hayhpronn, her Euckarius, abt zu Steinach und /raw
Brigitta y des geslechU von Aufses, meisterin des closters
Sultz, und das kind genand Wilhelm".
Seinen ersten Unterricbt wird Wilhelm von demselben
Magister Udalrich Seger von Monchberg erhalten haben,
der 1498 an den Ansbachischen Hof berufen wurde und
mindenstens ^ehn Jahre hindurch der Lehrer des Bruders,
des Markgrafen Albrecht, des spateren Hochmeisters, war.
Die Bltern zeigten sich bemiiht, ihren Kindern Sclralung
und Bildung zu verschaffen. Das geht u. a, aus einem
Brief hervor, den der Vater, der Markgraf Friedrich, an
seine Schwester, die Herzogin Elisabeth von Wiirtemberg,
richtete, bei welcher mehrere der Kinder erzogen wurden.
„Als Euer Lieb Uns schrieb", so heisst- es in dem Brief
vom 8. Oct. 1503, „dass Unsere Sdhne [gemeint sind
Johann und Friedrich] und Tochter [Elisabeth] auch frisch
und gesund und Unsere Stihne zu der Lernung auf die
Schule gethan, dessen sind Wir Euerer Lieb aus bruder-
licher Liebe und Treue . . . hoch dankbar". Und an seine
Sohne schreibt der Markgraf gleichzeitig:
„Vaterliche Lieb und Treue allzeit zuvor! Hochge-
borene Fiirsten, lieben &5hne! Uns ist von Unserer lieben
Schwester, auch Euch, durch Euer Aller Schrift zu er-
kennen gegeben, dass Ihr frisch und gesund und Ihr Beide
zur Schule gethan seid. Das haben Wir von Euer Aller
Lieb begierlich und gern vernommen. Und ist darauf
Unser vaterlicher Wille und Meinung, dass Ihr folget der-
selben Unserer lieben Schwester Unterricht, der von ihrer
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Liebe Euch und Eurethalben gegeben ist. So Wir das
ferner von Euch vernehmen, wird Una das zu Wohlgef alien
von Euch kommen nftd Ihr werdet Uns getteigt finden
gegen Euch mit v&terlicher Liebe und Treue und gegen
Daren Sehulmeister auf Eure Bitte mit gn&digem Ein-
gedenk^n. Damit wollet dem allmachtigen Qott seliglich
befohlen sein.
Datum Onolzbach am Sonntage nach Franzisci [Oct* 8.]
anno etc. tertio.
Friedrich" *).
Einige von den zehn Sdhnen des Markgrafen studirten
in Leipzig, unser Wilhelm und der ein Jahr altere
Friedrich in Ingolstadt. Nach der Sitte der Zeit be-
kleideten beide Bruder, Friedrich 1515, Wilhelm 1516 das
Rector at 2 ).
In jenen Jahren (1514 — 1518) hatte die Universitat
Ingolstadt den Efohepunkt ihres Ruhmes erreicht. Die Zahl
der Studirenden betrug durchschnittlich 450.
Unter den damaligen Ingolstadter Gelehrten ware vor
Allem Joh. Turmayer oder Aventinus zu nennen. Er be-
kleidete zwar keine Professur, aber er stand, nachdem er
fruher ein Mai (1507) vorubergehend Privat-Vorlesungen
dort gehalten, in fortdauernden Beziehungen zur Universitat
und grundete im J. 1516 die „sodalitas litteraria Angi-
lostadensis". Seine Ilauptverdienste erwarb er sich be-
kanntlich auf dem Gebiete der bayerischen Historiographie.
Fur uns kommt mehr in Betracht, dass er sich sehr un-
befangen, ja heftig iiber den Unwert von Wallfahrten,
Ohrenbeichte, Ablass, auch den Primat des Papstes zu
&ussern pflegte, und dass er, wie er selbst sagt, auf die
Fursten seiner Zeit bessernd wirken wollte. Da er Erzieher
*) Wagner, Herzog Albrecht I. etc. S. 2. 3.
*) K. H. A. (= Kgl. Haus-Archiv zu Berlin) „ Acta betr. M. Wilhelm
etc." a, n. 7. tmd Freninger, Matrikelbncb der Univ. Ingol-
stadt-Landshnt-Munchen, S. 14.
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 3. 23
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348
des Hersogs Ernst von Bay era war, der im selben Jahr,
wie Markgraf Wilhelm, das Rectorat bekleidete 1 ), liegt die
Vermuthung nahe, dass er mit dem Ansbacher Fiirstensohne
haufig in Beruhrung gekommen ist. Gleiehfalls in nahen
Beziehungen zu Herzog Ernst stand der bertihmte Urban
Rhegius, der in dem Streit zwischen Luther und Eck im
J. 1519 die Partei des ersteren ergriff und sp&terhin als
evangelischer Prediger wirkte.
Auch eines Gegners der Reformation ist an dieser
Stelle zu erw&hnen: Johann Mayr gen. Eck bildete in den
Jahren 1516 — 1519, in denen Markgraf Wilhelm studirte 2 ),
die Zierde der theologischen Fakultat zu Ingolstadt. Dieser
bekannte Eiferer gegen Luther gehGrte jedoch damals noch
zu den feurigsten Vertretern der humanistischen Richtung
und, als er 1519 jene weltgeschichtlich bedeutsame Dis-
putation mit Luther in Leipzig unternahm, trieb ihn
viel mehr der Ehrgeiz, fiber einen rasch beruhmt gewordenen
Norddeutschen zu siegen, als der Eifer fur die Kirche dazu
an. Erst nach der Disputation ausserte sich sein Unbehagen
iiber den zweifelhaften Sieg zu Leipzig in der Verfolgungs-
sucht gegen den Ketzer 3 ).
Der Hinweis, dass Markgraf Wilhelm auf der Uni-
versitat Gelegenheit hatte, mit frei denkenden Mannern in
Beruhrung zu kommen, durfte hier nicht fehlen. Auf seine
notorisch protestantische Gesinnung mag aber der heimische
Ansbacher Hof von noch grGsserem Einfluss ge^vesen sein.
Die evangelische Lehre fiel hier auf einen wohl vor-
bereiteten Boden. Der Grossvater Markgraf Wilhelms,
jener Albrecht Achilleus, von dessen bedeutender Stellung
!) Prantl, Dr. Carl, Gesch. der Ludwig- Maximilians -Univers.
in Ingolstadt, Landshut, Munchen, I, S. 101 ff. Im J, 1516 sollte
die Funktion des Rectors eine halbjahrige sein> S. 111. Ueber
Turmayer s. S. 134 f.
2 ) K. H. A. a. n. 7 heisst es, dass W. „ bis in sein vullenkommen
alter zn J. studirt" habe, also bis zum 21. Jahr.
3) Prantl, S. 146, 162.
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849
im rtimischen Reiche deutscher Nation oben die Rede war,
stand sehr selbststandig den p&pstlicben Anspruchen gegen-
uber. Er duldete> dass der Hussitiscbe Reiseprediger
Friedrich Mutter in Ansbach, der waldensische Prediger
Friedrich Reiser in dem nabe dabei gelegenen Kloster
Heilsbronn Anh&nger warben; er verheirathete seine
Tochter Ursula an den Sobn des ketzerischen Konigs
Georg von Btfhmen und verordnete in seinem Lande die
Pfaffensteuer *).
Albrecbt Achillas Sobn, Friedrich, scheint bei seiner
Hinneigung zum Eriegerberuf an den geistigen Kampfen
seiner Zeit weniger Anteil genommen zu haben. Nachdem
er, wie oben erzahlt, im J. 1515 abgesetzt worden war
und seine beiden altesten Sdhne das Regiment in Ansbach
an sich gebracht hatten, nahm die Zerruttung der Finanzen
die ganze Thatigkeit der beiden Fiirsten in Anspruch. Nach
langeren Verhandlungen einigten die sammtlichen Briider
unter Zustimmung der versammelten Stande sich dahin, dass
eine Statthalterschaft die Regierung im Fiirstenthume uber-
nehmen, und die Fiirsten, um die Kosten des Hofhaltes
zu ersparen, drei Jahre ausser Landes an auswartigen
Hflfen zubringen sollten. Wahrend dieser Zeit sollte jeder
Bruder zu seinem Unterhalt ein bestimmtes jahrliches De-
putat erhalten.
Wie bereits erzahlt, bezog bald darauf (1516) Markgraf
Wilhelm ,die Universit&t zu Ingolstadt, um 3 Jahre dort
den Studien obzuliegen.
Nach Verlauf der gesetzten Frist kamen Kasimir, Georg
und Johann auf einem Verhandlungstag zu Ansbach (Sept.
1518) uberein, dass dem Markgraf en Kasimir „das furstliche
Regiment und Hofwesen" zuerteilt werde, den Brudern
Johann Albrecht und Gumbert, die sich damals nach Rom
begeben wollten, das Deputat theils erhdht, theils neu an-
gewiesen werden sollte.
i) Haenle, S. 25.
23*
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360
Gegen diese Abmachungen remonstrirten die jungeren
Bruder: Albrecht, der seit 1512 Hochmeister des deutschen
Ordens in Preussen wat, und Wilhelm; Sie waren nicht
urn ihre Zustimmung gefragt irorden und fiirchteten nicht
ohne Grund, dabei zu kurz zu kommen 1 ). Kasimir nnd
Georg suchten nun, z. Th. mit gutein Erfolg, ihre noch
lebenden jimgeren Bruder mit Prftlaturen zu versorgen;
Friedrich (geb. 1497) wurde Dompropst zu Wftrzburg,
Gumbert (geb. 1503) fand eine Domherrenfftelle in Rom,
Johann Albrecht (geb. 1499) wurde nach einem Terfehlten
Versucb, sich zum Bischof von Bamberg wahlen zu lassen,
Coadjutor in Halberstadt, sp&ter Erzbischof zu Magdeburg.
Wilhelm blieb fur's Erste noch unversorgt und lebte am
Hofe Ansbach, bisweilen auch in Kflnigsberg in grosser
Abhangigkeit von seinen Briidern, da er wahrscheinlich
nur ein geringes Deputat bezog 2 ).
Aus dem Jahr 1521 ist ein Brief Kasimirs erhalten,
in welchem er an den Bruder Georg schreibt, es bedunke
ihn n not nutz und gut" zu sein, „dass wir (Kasimir, Georg
und Johann) allenthalben vleis ihun, m. Wilhelm in geist-
lichen stand zu versehen**). Zugleich nahm man in Aussicht,
ihn in den Dienst des Kftnigs von Ungarn treten zu lassen.
Der Hochmeister Albrecht schreibt dem Markgrafen Kasimir
am 27. Sept. 1521 aus Ktoigsberg: „ . . . hab auch nit
unterlassen auf e. L schreiben mit unserm bruder m.
Wilhelm zu handeln, der mir geantwort, das s. I. nicht
zu entkegen sei zu Hungern zu dienen y wo ime umb sein
dinst gelont mocht werden; ersehe er auch etwas, es wer
von pistumb oder anderem, das imb gefellig, woll er sich
i) Voigt, J., Markgraf Albrecht Alcibiades von Brandenburg-
Kulmbach I, S. 3. u. 4.
2 ) Im Jahre 1520 betrugen die GeldeinEahmen in Ansbach und
Baireuth: 22,200 Gulden, die Ausgaben und Schulden iiber
108,576 Gulden, Voigt, S. 5.
3) K. H. A.
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351
unferweislich erzaigen, wer auch dieser hofnung, e. L warden
in auch iren bruder sein lassen und mit statlicher hilff,
wen pisher geschehen, versorgen; on das wust er sick in
nicht8 zu begeben.
Belangend das pistumb Risenpergk [in Preussen] wer iek
in einem solchen und vil merer e. 1. und der herrschaft zu
dinen gutwillig, kann aber nicht befinden, das meiner hinder
irgent einem damit geholfen oder geraten wer .... , a es
sei so verschuldet, dass es Kosten mache aber nichts ein-
bringe *).
Schon im Jahre 1520 finden wir Markgraf Wilhelm in
Preussen und zwar als Mitglied der Regentschaft *). Zu
seinem 8 Jahre alteren Bruder Albrecht hat er bis an sein
Lebensende in besonders vertrauten Beziehungen gestanden.
Schon in seiner Studienzeit ist er zum Besuch in Ktfnigsberg
gewesen; eine Danziger Chronik berichtet zum Jahre 1517 3 ):
„Montag nach Maria Himmelfahrt [Aug. 17.'] kam
gen Danzig mit 17 oder 20 Pferden Markgraf Wilhelm,
des Hochmeisters Bruder, ein feiner junger Herr von
19 Jahren Bin ehrbarer Rath liess ihn empfangen
durch den Herrn Ef^rt Perber und Merten Ragewalt,
schickte ihm 6 Kannen Weins und liess ihm freie Kost
und Zehrung in der Herberge ansagen. Des anderen Tages
auf den Dienstag zog er wieder weg nach Ktoigsberg zu
seinem Bruder."
Mit den Verhaltnissen in den deutsch. Ordenslandern
war also Markgraf Wilheln schon friih vertraut geworden.
Er hatte in Kflnigsberg unzweifelhaft Gelegenheit,
iiber Land und Leute an der Diina Zuverl&ssiges zu er-
i) KRAI K. 292 M.
2 ) Napier sky, C, E., Index der Kgsb. Urk. Abschriften im Aroh.
v der livl. Ritt. n. 1816.
*) Christ. Beyers des alteren Danziger Ohron. in: SS. rer.
Pruss. V, S. 485.
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352
fahren. Wir finden ihn aber in der zweiten H&lfte der
zwanziger Jahre wieder am Ansbacher Hofe 1 ). Er giebt
fortdauernd den Brudern Anlass zur Sorge fiber seine Zu-
kunft, denn die finanziellen Schwierigkeiten in den fr&n-
kischen Fiirstenthumern nahmen eher zu als ab.
Man versuchte es im J. 1522 wiederuin niit einer Statt-
halterschaft. Von den drei altesten Brudern, Kasimir, Georg
nnd Albrecht wurde festgesetzt, dass alle acht Briider ein
Deputat von zusammen 23,000 Gulden auf ffinf Jahre er-
halten sollten. Die Erfahrung ergab nur zu bald, dass die
Statthalter der Herrschaft und dem Lande mehr Nachtheil
als Nutzen brachten. Daher iibernahm nach einigen Monaten
Kasimir wiederum die Regierung. Die Deputate an die
jiingeren Briider wurden zwar gezahlt, aber der Hof von
Ansbach gerieth in immer grossere Schulden 2 ). Immer
wieder hielt man Ausschau, urn die jiingeren Fursten mit
geistlichen Aemtern und Pfriinden zu versorgen. Dabei ist
es charakteristisch nicht fur die Auffassung der Markgrafen,
sondern fur die Auffassung der damaligen Anh&nger der neuen
Lehre, namentlich der Fursten, dass diejenigen, denen man
zuPr&laturen verhelfen wollte, eine unzweifelhaft evangelische
Gesinnung hatten. Ja denjenigen der Briider, der zogerte far
Luther Partei zu nehmen, Markgraf Friedrich, Dompropst
zu Wiirzburg, wollte der Hochmeister, als davon die Rede
war, denselben zum Erzbischof von Riga zu erwahlen, nicht
in dieser Angelegenheit unterstutzen, weil er „<lem evangelio
gantz und gar zu entkegen" sei 8 ).
Kasimir und Georg waren beide der neuen Lehre zu-
gethan. Der erstere trat weniger entschieden mit seiner
Ueberzeugung hervor. Religios indiflFerent und beeinflusst
durch seine baierische Gemahlin, wie auch durch pers5nliche
i) Brief des HM. Albrecht an Georg vom 26. Dec. 1529. — K. H. A.
2) Voigt, S. 8 u. 9.
») Albrecht an Georg, 1529, Nov. 13. — K. H. A. Friedrich ist
iibrigens spater Lutheraner geworden, F ab er, Prenss. Archiv. 1, 79.
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Beziehungen zum Kdnig Ferdinand, neigte zur Zuruckhaltung.
Georg hat sich in der deutschen Geschichte als Fflrderer
der Reformation hinl&nglich bekannt gemacht. Schon bald
nach dem Reichstage von Worms in den Jahren 1522 und
1523, wo er eine einflussreiche Stellung am bdhmischen
Hofe einnahm, offenbarte er seine Gesinnung, indem er
durch sein Verwenden ein Einschreiten der Regierung gegen
die sich rasch ausbreitende Reformation in Schlesien ver-
hinderte. In seinem fr&nkischen Erblande trieb er seinen
Bruder zu kiihnerem Vorgehen an und setzte es durch, dass
auf dem Landtage des Jahres 1524 die Predigt des reinen
Evangeliums verordnet wurde. Nach Kasimirs im J. 1527
erfolgten Tode f&hrte er die Reformation entschlossen
weiter, beseitigte die der alten Lehre anhangenden Geist-
lichen, hielt Kirchenvisitationen ab und fuhrte 1528 eine rein
evangelische Kirchenordnung ein. Er war es, der die
Secularisation des Ordensstaates in Preussen besonders
eifrig betrieb; er reiste im J. 1525 nach Krakau und ver-
handelte dort jenen Vertrag, in welchem Kttnig Sigismund
den Hochmeister Albrecht als erblichen Herzog anerkannte;
er unterschrieb die Protestation zu Speier (1529), und er-
klarte auf dem Reichstage zu Augsburg (1530) dem Kaiser,
er wolle, ehe er von Gottes Wort abstehe, lieber auf der
Stelle niederknieen und sich den Kopf abhauen lassen.
Gegeniiber den Bemiihungen des Kaisers und dessen Bruders
Ferdinand, ihn bei seinen Schlesischen Interessen zu fas-
sen — er hatte dort grosse Besitzungen — , wie auch dem
Drangen seines kurfurstlichen Vetters Joachim I. gegeniiber
blieb er standhaft; er antwortete auf des letzteren Frage,
ob er auch bedenke, was auf dem Spiele stehe: „Man sagt,
ich soil aus dem Lande verjagt werden, ich muss es Gott
befehlen 1 )".
Am Hofe dieses Fiirsten ist Mrkgr. Wilhelm vom Jiingling
i) Allg. dent. Biogr. Yin, S. 613.
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zum Manne herangereift, und es unterliegt keinem Zweifel,
dass der junge Prinz nur in der Absicht ein Bisthum zu
erlangen strebte, urn dasselbe zu secularisiren und eine
protestantische Herrschaft daraus zu bilden. Schon vor
dem Jahre 1529 hatten ihm die Bruder Domhernstellen zu
Mainz undKdln verschafft 1 ), die er natHrlich, wie die ineisten
Pr&laten jener Zeit, nur als Mittel, seine Einkunfte zu
heben, betrachtete. Im Jahr 1528 ist er dennoch sehr
geldbedurftig. Der Herzog Albrecht von Preussen schreibt
am 13. Febr. d. J. an seinen Bruder Georg: „. . . Ieh befil
e. I. unsern peder pruder m. Wilhelmen und pit e. L wol in
bruderlich nit verlassen und, ob ein gulden hundert oder
zwei pis in dij funf iner auf yn gehen wolten, das wol e. I.
nicht hoch achten; den der, der ob uns ist, wurts tausentfalt
widergeben ui ).
In diesen Worten diirfte vielleicht ein Hinweis darauf
liegen, dass Albrecht schon damals an die Erlangung des
Erzbistunis Riga far seinen Bruder Wilhelm gedacht hat.
Bald sollte dem jungen Fiirsten, wenn auch nicht das erz-
bischtffliche Amt selbst, so doch die Anwartschaft auf
dasselbe zufallen, indem er zum Coadjutor gewahlt wurde.
!) Mon. Liv. antiqua, V, S. 151.
*) K. H. A., I. K. 10. Oi.
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Em russischer Bericht fiber die Eroberung
Wendens im Jahre 1577.
Von Georg Rathlef.
Iin Jahrgang 1888 der Baltischen Monatsschrift (Heft 5)
habe ich in einem Artikel den Fall Wendens behandelt*
(Die Quellen far die Eroberung Wendens sind dort Anm. 1
besprochen.) Ich berief mich dabei wiederholt auf einen
wichtigen russischen Bericht: JhiBOHCKift noxofl'b HBaHa
BacHjiteBH^a TpoaHaro wh 1577 h 1578 ro^axi, abgedruckt
im BoeHHHfi JKypHajr& 1852 h 53 (ich citire JL II.). Die
Handschrift, nach welcher dieser Bericht dort edirt ist, hat
gerade an der fiir jenen Artikel wichtigsten Stelle, bei der
Belagerung Wendens, eine Liicke. Die Darstellung und
die Citate Karamsins zeigen, dass dieser handschriftliche
PaspaflH fiir jenen Abschnitt benutzt hat. Ein Versuch,
eine Copie der Wenden betreffenden Stelle aus der von
Karanisin benutzten Handschrift zu erlangen, hatte keinen
Erfolg und konnte schwerlich einen haben; und so habe
ich denn Karamsins Textdarstellung mit als Quelle ver-
werthet. Nun l&sst sich aber die empfindliche Lucke im
Text des BoeHHHft jKypHajrs durch eine mit der Quelle
Karamsins aufs nachste verwandte Darstellung erganzen.
In dem Werk von Weljaminow-Sernow: Ifecji'k&OBaHie o
KacHMOBCKHXTb ijapax'b h u;apeBiraaxt. CII6. 1864. II p. 27
bis 80, ist aus der sogenannten BanmaKOBCKaa pa3paja;HaH
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356
KHHra der den livl&ndischen Feldzug Iwans betreffende
Abschnitt abgedruckt — was mir leider bei der Abfassung
jenes Artikels entgangen war — und hier findet sich auch
die die Eroberung Wendens betreffende Stelle. Die Ausziige
Karamsins in den Anmerkungen der ersten Auflage (ich
hatte damals die zweite und dritte Auflage benutzt, in
welcher diese Ausziige fehlen) zeigen die durchschlagendste
Verwandtschaft, wenn auch nicht Identitat, mit den
Pa3pa.p1 bei Weljaminow-Sernow, und auch bei der Einnahme
Wendens, wo Karamsins Citate auf andere archivalische
PaspajiiH hinzuweisen scheinen, als diejenigen, aus denen
er sonst Excerpte mittheilt, stimmt seine Darstellung ini
Text so sehr mit dem Bericht der Pa3pa,n;H bei Weljaminow-
Sernow. dass man glauben muss, er habe einen ganz ahn-
lichen Bericht vor sich gehabt.
Dass aber der JlHBOHCKift noxo^t noch in verschiedenen
und zwar sehr von einander abweichenden und einander
erganzenden Handschriften erhalten ist, erfahren wir aus
einem am Ende des vorigen Jahres erschienenen , auf
umfassenden archivalischen Studien beruhenden Werk von
Lichatschew: PaspaflHHe Rhsmn XVI Biiea. CII6. 1888, na-
mentlich p. 323 Anm. 1. Von Lichatschew steht auch eine
kritisChe Ausgabe des JlHBOHCKift noxotf'E zu erwarten.
Es hat einen ausfiihrlichen, officiellen, gleichzeitigen,
russischen Bericht iiber den livltodischen Feldzug Iwans
gegeben und die Pa3pa^H bei Weljaminow-Sernow sind als
ein Auszug aus demselben (resp. die Bearbeitung eines
solchen) anzusehen. Da dieser Bericht doch manche in-
teressiren diirfte, denen das Werk von Weljaminow-Sernow
sclrtfer zug£nglich ist, so erlaube ich mir die Wendens
Eroberung betreffende Stelle hierher zu setzen. Weljaminow
Sernow II. p. 72, 78, 74: „A OTTOJieBa H,ny<ra fla wsun> ro-
cy,n;apL report HlKyHa (Schujen), a OTTOJieBa rocy^apt no-
inojit Keen (Wenden) co cb4mh judamh. A Kopojrro ApniH-
Maraycy EpecTBaHOBHqro Bejrfejn> rocy,a;api> ce6a BCTpeTHTt,
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357
H KOpOJIB BCTpeTHJTB rOCy^apjI OTt KeCH Ha aCTaHOfflHOM'B
CTaHy He co MHorHMH jiro^MH, h 6oajyb ob hhm'b eBO HeMHoro,
h rocy^apt nejrkjrh y Kopoja 6hth b'b npHCTaBex'B HfeaHy
HBaHOBy CHHy Eo6pinn;eBy UyniKHHy #a CHHy ero Oe^opy,
a ob hhmh fliTeft doapcKHxt KaniHHn;oBTb 132 qeJOBiKa, #a
CTpejujOBi mrb Pyro#eBa 167 qejiOB'fcK'B. CeHTJitfpa B'B 2 ^eHL
HpHroBopHji rocyaapt ob chhom'b CBOBarB ob ijapeBHieMt
co khji3b HBaHOMt HBaHOBH^eMt nociraTH B'B KecL ropoA'B
CBoero rocyaapeBa nojiKy rojrosy KHA3B HBaHa HBaHOBHia
rojiHH;HHa, #a H3fc xfcBofi pyEH BoeBO#y BacHjrBH JlBBOBHqa
CajiTHKOBa, #a .HBHKa Epina MuxaitaoBa, a BejrfjJTB rocy,n;apB
Ha ce6« rocyaapa xopoMH Bii6paTB, r^* eMy roey^apio ctohtb,
a BeaijrB hm^ boe> ropoflfc BtixaTt, h no BppoTaMt ctojitb
AJra 6epemeHL,a, ttoS-b BopoBCTBa HHKaKOBa He 6hjto, flOKOJieBO
npHayra Bt ropofl'B eBO rocy^apeBH OKOJTHH^He Ha rocy,n;apa
^BopoB'B BH^npaTB. H HiMijH KopoaeBCKie 6oapa ero Hh-
flpHRfc ByniMaH'B ,na BeijeBTeft, #a TyTonnrie HiimH Kaff3K>
HBaHy TojrHipiHy #a BacHJBH) CajmiKOBy ^am ^Ba ropo.ua
H OTOCTHJIH, a CaMH C06paJTHCB B'B BHHieropOtf'B BCfc OB me-
HaMH h ob a^tmh h ob jrhboth, onpnqB qepHHX'B JHOfleif.
H KHH3B IfoaH'B TOJIHn;HH r B H BaCMeft Ca.ITHKOB'B 3aX0T*JTH
B'BixaTB chjtbho B'B BHmeropo ( zi; r B no rocyjjapeBy HaKa3y, h
HtMI^H CB HHMH 6ofi yqHHHJIH, a B'B ropOJVB HX'B H6 nyCTHJIH,
a Ha ToarB 6010 ^foefi 6oapcKHx r B h cTpejujOB-B mhoi'hx'b no-
(mm, h caMoro BacnjiBtf CajiTHKOBa paHHjra hs'b HHnjajra no
pyitfi. H khji3b HBaHt TojnmHH'B h BacHjrefi Ga.KTHKOB'B k'b
ropo,a;y npncTynaTB He noqajra, ;a,a B'B tomtb o6ociajiHCB k'b
roey^apro, h rocy,a;apB yqajTB tobophtb Kopojiro, tto HiMniBi
6BK)Tn;a ob ero rocyaapeBHMH jibo^mh, a B'B ropojj'B He ny-
CTHTfc. H KOpOJB K'B HiMIjaM'B CBOHM'B HOCJTaJI'B, ^TOfil CB
rocy,niapeBHMH jtioamh He 6hjthcb, h wl ropofl'B 6u hx^ ny-
cmra, h H4muh Kopojra He HocjyniajH, ,n;a bi ropo^i 3a-
HepjiHca, h h^b ropo^a yiajiH no roey^apeBHM'B juoRawb
CTpej^TB. H rocy^apB BejiijrB 3a hxi H3M$Hy K)pB,a Bhji-
KOBa Ha KOJTB HOCa^HTB HpOTHB^B TOpO^a, H TfofB Bcfel Hfr
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358
ueyb Bejcbr* ho6htb KopojeBCKHxt, ^to (Sum b^ Bojioah-
Mepije (Wolmar). H kte» ropo^y Bftrtab rocyjapL npHBecTb
Hapa^i, aa y ropo^a ctojijih tph ahh, h ropo.n'B Bees po3-
6hjih, h y BHmeropo.ua bc4 ct4hh postfMH. H HiMim bhw
cbok) norH6ejib ^to hmi Bt ropo,ni He OTCHfleTija, a Kopo-
jeBCKofi 6oapHKb HH^pHRt BynncaHi #a Be^emja mojo^oS
co6pajiH bck) pyxjiH^b cbobo h KopojieBCKyro h jkhboth h cy^u
h BcaKoe njarae, Aa KiajiH oroHb cepe^H ropo.ua, ^a pyx-
JHAB BCiJiyiO H 2RHB0TH CBOH UOIKTJIU, a CaMH BaMypaBHJlHCJI
bi nojfaTKe eft sceHaMH h as a*tmh, a ho#b ce6a noflKarara
3ejrta BTb norpefit, .na to 3ejBe 3a»rjiH no^t cofioro Ha yTpe-
hoh 3apH, a nojiaTKy pa3opBajo, h H&Keigb MHornxfc ho6hjio,
a hhhx'b MHoraxt »HBHxt noBHMeTajio. H 86 ro,ny, ceH-
t&6])& bi> 6 #eHB, Borx nopyrajLt rocy^apK) ropoA* KecB,
h BoeBo.ii'B rocyaapB bi> HeirB ocTaBHji KHfl3a #aHHJa Bo-
pHCOBHna ripiHMKOBa Poctobckoh), ,a;a JK^aHa HBaHOBa ctraa
KBaniHHHa, ,a,a Kaasa TpHropBa HopTa khajkb HBaHOBa CHHa
.HojiropyKOBa. A orb Keen rocy^apB nomojrB m> PoBHOMy".
Erg&nzt wird dieser Bericht noch durch einige Angaben
in der Horopifl PoccificKaa von Schtscherbatow (C.-II6. 1789,
V 2 p. 408 ff.), da auch Schtscherbatow eine von den
verschiedenen Redactionen des livl&ndischen Feldzugs be-
nutzt hat.
Hier erfahren wir, dass es der im JIhb. IIox. anch sonst
genannte Bojarensohn Rodion Birkin war, den Iwan an
Magnus abschickte, urn sich nach Polubinsky zu erkundigen,
und dass es Bairn Wojeikow (nach dem X U. einer der
#yMHHe ABopaHe, also einer der vornehmsten Manner des
Heeres) war, der abgesendet wurde, um den Polubinsky in
Empfang zu nehmen.
Vor Allem frappirt in der Darstellung Schtscher-
batows der Bericht iiber die Einnahme des Schlosses und
die Ereignisse unmittelbar nach der Einnahme, der in ein-
zelnen Wendungen wtfrtlich mit Henning stirnmt und bei
dem sich der Verfasser ausdrucklich auf PaspajHHa Khhts
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359
beruft. — Es ist aber ein falsches Citat, denn gleich dar-
auf, bei einer anderen Gelegenheit, fuhrt Schtscherbatow
die Qufclle an, aus der er auch hier geschflpft hat, ntailich
die Description de Livonie Let. IX; sie ist 1705 in Utrecht
erschienen und die Einnahme Wendens ist nach Henning
nnd Kelch gearbeitet.
Durch diese Ausz&ge aus dem russischen officiellen
Bericht ger&th das Bild, das wir aus den ubrigen Quellen
von den Breignissen von Wenden gewinnen, in vieler Hin-
sicht ins Schwanken, namentlich da dieser Bericht, wenn
er auch von den masslosen vor Wenden verubten Grausam-
keiten nur einen Theil andeutet, in allem Thatsftchlichen
meist als die entscheidende Darstellung angesehen werden
muss. Die Apologia verliert nicht nur ihm gegeniiber,
sondern auch durch ihn an Autoritat, da eine ihrer be-
stimmte8ten Angaben durch ihn zum Theil wenigstens wider-
legt wird. Nach dem russisehen Bericht riickten die Russen
am 2. September in die Stadt ein und Heinrich Boismann
und Wezentei (Beiemja) ubergeben ihnen „^Ba ropofla",
wohl die Stadt und einen Theil der Vorburg; dann erst
beginnt der Kampf urn die Hochburg und das Bombarde-
ment auf dieselbe, es dauert „drei Tage u und die Spren-
gung erfolgt „Ha yTpeHofi 3apn tt , daran schliesst sich un-
mittelbar die Angabe: „H... ceHTa6p« b* 6 xeub Bort nopy^mjrb
rocy^apio ropo&t Kect". Es scheint also die Sprengung
am 6 stattgefunden zu haben, doch kflnnte mit diesen Worten
auch die fbrmliehe Besetzung gemeint sein (cfr. Pall Wendens
Anm. 22), nachdem Sprengung und Ersturmung schon am
5. stattgefunden. Nach der Apologia nun begann das
Bombardement des Schlosses „capta jam civitate a diluculo
primae Septembris diei" und dauerte „a primae usque ad
quintam Septembris diem, nee unam quidein horam inter-
mittens 44 und weiter: j,Expugnatio ista, ut supra annuimus,
quinta Septembris facta, ubi a prima ejus mensis <Jie, ilia
in quintam hanc usque continuo dies noctesque absque ulla
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960
assatione dur asset ". Diese bestimmt wiederholte Angabe
der Apologia scheint also falsch zu sein; das weckt Miss-
trauen gegen den ganzen Bericht und doch wird die An-
gabe der Apologia dureh Russow, der das Bombardement
(dabei i&lschlich den 4. nennend) auch 5 Tage und Nachte
dauern lasst, bestatigt.
Der Text des officiellen Berichtes ist durch den Al>
schreiber sehr verderbt; es fragt sich nun: ist die Angabe
„Tpn ahh" richtig oder am Ende ein Fehler? das scheint
nicht der Fall, da der Bericht das Bombardement zwischen
den 2. und 6. fallen l&sst; der Text, den wir bei
Weljaminow - Sernow haben, ist aber, wie gesagt, nur
ein Auszug, — er ist, wie die Vergleichung mit dem JL II.
zeigt, auch an dieser Stelle nur ein Auszug, der nach
anderen Handschriften bei einer kritischen Edition wichtige
Erganzungen erhalten kann. — Es ist wohl mdglich, dass
vor Wenden, ebenso wie etwa in Sesswegen (nach Weljaminow-
Sernow), schon ein Bombardement mit dem leichten Ge-
schiitz auf die Stadt vorausgegangen, und auch hier, wie
an einigen anderen Orten, die Aufforderung zur Ergebung
von der Eroffnung des Bombardements begleitet worden
ist, dass also, schon ehe die Stadt sich ergab, ein vor-
laufiges Bombardement stattgefunden hat, ohne dass es in
dem uns erhaltenen Auszug steht 1 ). Im officiellen Original-
bericht aber ktfnnte es gestanden haben; die Angabe der
Apologia und Russows kdnnen durch die zu hoffende
kritische Edition noch eine Bestatigung erhalten. Darin
aber lage dann immer noch ein Pehler, dass dieses funf-
t a g i g e Bombardement „ capta j am civitate" stattgefunden
haben soil. Wir hatten dann wirklich ein Bombardement,
das am 1. September beginnt und am 5. endet, w&hrend
die ununterbrochene Beschiessung der Hochburg allerdings
nur 3 Tage gedauert hatte.
*) Wie- z. B. im X n. des B. M. bei der Einnahme Sesswegens das
Bombardement (ibergangen ist.
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361
Nach Russow und der Apologia wurde die Stadt
Wenden auf Magnus Befehl ubergeben; bei Weljaminow-Ser-
now finden wir nur, dass Magnus, freilich vergeblich, einen
solchen Befehl zur Uebergabe des Schlosses ertheilte;
Boismann und Vincenz ubergeben die Stadt, dass Magnus
die Uebergabe befohlen, wird nieht gesagt. Best&tigt wird
durch den Text bei Weljaminow-Sernow und Schtscher-
batow die Angabe Renners, „dass zwei dort (in Wenden)
gewesen, die einen grossen Jammer angerichtet" d. h. die
Sprengung veranlasst haben, — neben Boismann wird,
sowohl bei der Uebergabe der Stadt als auch bei den Vorbe-
reitungen zur Sprengung, Vincenz genannt, vielleicht jener von
Russow erwahnte Vincenz Stubbe, der sich vor der
Sprengung von seinem Diener erschiessen liess.
Auch was den Ort der Sprengung betrifft hilft uns
der russische Bericht nicht ein wirklich klares Bild zu ge-
winnen. Fall Wendens Note 27 glaubte ich mich f&r die
Schlosscapelle oder vielleicht lieber noch einen Nebenraum
derselben (etwa die Sacristei, sie musste dann freilich sehr
gross gewesen sein) als den Ort der That entscheiden zu
kOnnen. Im russischen Bericht nun steht „3aMypHBajmci»
wb nojaTKe". Der Ausdruck ist nicht ganz klar; „nojraTEa"
bezeichnet wohl ein abgesondertes steinernes GewOlbe. An
ein vtfllig getrennt stehendes Gebaude wird man dabei
nicht zu denken haben, sondern wohl an einen genugend
grossen gewtflbten Raura im Schloss; das stimmt mit dem
^Gemach" Hennings und Russows und der Angabe Lau-
rentius Miillers : „ein starck gew5lbe a und bildet eine wich-
tige Bestatigung fiir diese Berichte. Sicher ist, dass der
Verfasser des ofiiciellen russischen Berichtes die Sprengung
nicht in die Kapelle verlegt, und dass die Russen wussten,
wo dieselbe stattgefunden, sollte man doch denken 1 ). So
*) Dass Boismann Alles erzahlt, b^richtet Kelch ; Russow, Kelchs
Quelle, sagt nur, dass er, vor den Zaren gebracht, noch
ein wenig gelebt.
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362
scheint es denn allerdings unwahrscheinlich, dass die
Kapelle, wabrscheinlicher, dass ein anderer gewfllbter Raum
der Schauplatz der That gewesen. Die Anschatrang, dass
es die Schlosskapelle gewesen, die wir in der Apologia,
einer in jenen Tagen geschriebenen Zeitung und bei Oderbonk
linden, ktfnnte darauf beruh^n, dass die Sterbenden vorher
— : gewiss in der Kapelle — das Abendinahl empfingen;
dennoch ist es misslich, die Angabe des eingehendsten Be-
richtes, der offenbar Ton einem ortskundigen Verfasser ber-
rfihrt, der Apologia, zu verwerfen. Ein zur Kirche ge-
hdriger, von ihr aus betretbarer gewdlbter Raum wiirde —
wenn er sich nachweisen liesse ■— alle Angaben erkl&ren.
Hinweisen will ich auch anf den theilweise den
Pa3pfl,n;H entnommenen Satz bei Schtscherbatow (1. c. p. 409):
„Ha uocji^newb CTaHy He ^oxo^a Keen, BCTpirajTb OHt
(Magnus) IJapa Ioama".
Bedenkt man, dass das letzte Lager Iwans (X II.) 2
Werst von der Stadt Jag (was hier in dem „3Ke floxoflfl
EecH u angedeutet ist), so konnte man zweifelhaft werden
an dem Bericht Hennings, dass wahrend dieser Zu-
sammenkunft eine verflogene Kugel aus dem SchloBS den
Grossf&rsten fast getOdtet babe, da es doch fraglich sein
mttchte, ob Kugeln damals 2 Werst trugen. iTest zu halten
ist zunachst, dass das „He ^oxoflJi" zu CTaHy gehtfrt, sich
also darauf, wo der Grossfurst den Lagerplatz wahlte, nicht
auf die Begegnung bezieht (wie es im JL II. von ejner
Heeresabtheilung heisst, sie hatte vor Wenden Stellung
genommen „He #omeX'B PoBeHCEOft ,a;oporH a ), ausserdem
fehlt dieser Zusatz b6i Weljaminow-Sernow 1 ) und im J. II., so
weit er hier erhalten ist 2 ). Der Ausdruck M Ha CTaHy" aber
1 ) 1. c. H KopojiB BCTpeTHax rocyaapa orb Keen (?) Ha acTaHonraoMi
CTaHy.
2 ) Ueber das Lager des Grossfiirsteii heisst es hier (1. c. 1853 YI
p. 87): Iloffb Keceio 6hm» CTaff& rocy^apro HH#pHRa AnrjiapoBa 2
Werst von Wenden.
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363
braucht nicht mehr zu sagen als: „w&hrend der Grossfurst
dort sein Lager hatte" und lasst vdllig frei anzunehmen,
dass die Begegnung naher zur Stadt stattgefunden habe,
also dort, wo der Lagerplatz war. Der vollst&ndige Text
wird auch hier vielleicht entscheiden kdnnen, zun&chst
aber glaube ich durch die citirten Angaben uber den Ort
der Begegnung unbeirrt an dem Bericht Hennings festhalten
zu ktanen, der in so we it von der Apologia unterstutzt
wird, als diese erzahlt: im Anfang der Belagerung sei der
Grossfurst fast von einer Kugel getroffen worden; auffallig
aber ist es doch in hohem Grade, und daher wohl einen
Zweifel an Hennings Darstellung erregend, dass der russische
Bericht dieses Vorkommniss nicht erwahnt; doch haben wir
ja eben nur einen Auszug — und der urspriingliche Bericht
ist, wie der JL II. zeigt, an vielen Stellen wenigstens, sehr
viel eingehender und selbst von geradezu uberraschender
Genauigkeit gewesen.
Es mag mit den gegebenen Bemerkungen uber vor-
handene Schwierigkeiten und etwa zu hoffende Aufschlusse
genugen. Der Versuch aus den widersprechenden Angaben
der Quellen die Reihenfolge der Ereignisse festzustellen,
wo sich herausgestellt hat, dass der massgebende Bericht
uns nur luckenhaft vorliegt, ist unthunlich, vielleicht nehme
ich ihn auf, wenn die kritische Ausgabe des JI. II. durch
Lichatschew, oder doch eine ausfuhrlichere, aufklarende
Redaction dieser Stelle des Berichts vorliegt; um eine Ab-
schrift der betrefifenden Stelle aus einem Codex, in dem er,
nach Lichatschew, sich befindet, habe ich mich auch dieses
Mai vergeblich bemiiht.
24
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Die Annalen des Jesuiten-Oollegiums in Riga
1604—1618.
Von L. Napiersky.
(Vorgetragen in der Sitating vom 8. Mara 1889.)
Ueber das Jesuiten-Collegiuin in Riga, das bekanntlich
vom J. 1584 bis zum Ende der polnischen Beherrschungszeit
bestand und eines der th&tigsten Werkzeuge der von der pol-
nischen Regierung in Livland unternommenen katholischen
Gegenreformation war, ist bisher nur sparliches Quellen-
material verGffentlicht worden. Um so mehr Beachtung
verdient eine der Bibliothek der livlandischen Ritterschaft
gehorige Handschrift, die als „Annalen des Rigaschen Je-
suiten-Collegiums von 1604 — 1618" bezeichnet ist 1 ). Es
ist dies eine niit einem Pergament-Umschlage versehene
Papierhandschrift in kleinem Quartformat, 174 paginirte
Seiten entbaltend, von mehreren zum Theil schwer lesbaren
Handen, durcbweg in lateinischer Sprache, geschrieben.
Ausser den Annalen des Collegiums enthalt die Hand-
schrift einen von dem Pater Erdmann Tolgsdorf geschrie-
benen Text der ohne Zweifel von ihm verfassten Geschichte
des Marien-Magdalenen-Klosters, der mitten in den ubrigen
Text hineingeschoben ist. Dieses Schriftstiick, das nicht un-
wesentlich abweicht von der zu Ingolstadt im J. 1615 er-
schienenen in v. Bunges Archiv Bd. V wiederabgedruckten
Ausgabe, wird hier nicht beriicksichtigt werden, da von dem-
x ) Verzeichniss der Bibl. der livl. Eitterschaft, Mss. Nr. 9.
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365
selben bereits von August Buchholtz jun< in den Sitzungsbe-
richten der Gesellschaft vom J. 1876 S. 33—36 gehandelt
worden ist und es in kemem directen Zusaminenhange mit
dem ubrigen Inhalt des Buchleins steht.
Die Ritterschafts-Bibliothek besitzt auch eine deutsche
Uebersetzung des ganzen Textes des Buches 1 ), welche nach
Handschrift und Sprache aus dem Anfang des laufenden
Jahrhunderts herstammt; dieselbe leidet jedoch an zahllosen
durch unrichtiges Lesen des Textes herbeigefiihrten Miss-
verst&ndnissen und ist so unbeholfen, oft geradezu wider-
sinnig, abgefasst, dass sie als g&nzlich unbrauchbar be-
zeiehnet werden muss.
Die Handschrift war unseren Historikern bereits seit
langerer Zeit bekannt 2 ) und ist von C. A. Berkholz zu
einem Aufsatz im Rigaschen Kirchenblatt „Etwas Kirch-
liehes aus Riga, 1604— 1618 3 ) a benutzt worden. Bingehend
beschaftigt hat sich mit der selben der Altmeister J. C. Brotze,
von dessen Hand ein vorn in das Buchlein hineingeheftetes
ausfuhrliches Inhaltsverzeichniss herrlihrt. Ich will ver-
suchen, Ihnen einen Einblick in Einrichtung und Zweck
des Buches zu geben, so wie den Inhalt in Kiirze zu kenn-
zeichnen.
Pur jedes Jahr enthalt das Buch eigenh&ndige Aufzeich-
nungen der einzelnen Priester uber ihre amtlichen Verrich-
tungen. Auf diese folgt ein meist mit „ Collegium Rigense" oder
„ Annales" (mit beigefiigter Jahrzahl) iiberschriebener Jahres-
bericht des Collegiums, der jedoch fur die Jahre 1609, 1611
und 1618 fehlt, so dass wir fur diese Jahre auf die Auf-
zeichnungen der Priester allein angewiesen sind, wahrend
Jahresberichte des Collegiums fur 1604—8, 1610 und 1612
bis 1617 vorliegen. Die Aufsicht uber die Piihrung des
Ganzen lag offenbar bis zum J. 1616 dem Pater Erdmann
i) Ebend. Nr. 10.
2 ) Recke-Napiersky, Schriftsteller-Lexicon s» v. Tolgsdorf.
3 ) Jahrgang 1870, Nr. 48 und 51
24*
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(Tolgsdorf) ob; von seiner Hand wurden meistentheils die
Namen der Patres und die Zeit, fur welche sie berichten
sollten, mit Freilassung des dazu bestimniten Raumes, ein-
getragen und er verfasste die Jahresberichte des Collegiums,
die bis zum J. 1616 incl. sfimmtlich von seiner Hand ge-
schrieben, hin und wieder aber von einer anderen Hand
(wol der des Pater Rector) corrigirt sind.
In jedem Jahresberichte wird zuvdrderst der Bestand
des Collegiums ziffermassig angegeben, sodann werden die
Berichte der einzelnen Priester (oft wdrtlich, oft aber auch
mit Auslassungen, Kurzungen oder Aenderungen) in zu-
sammenhangender Erz&hlung wiedergegeben, endlich aber
werden noch sonstige das Collegium n&her oder entfernter
beriihrende Ereignisse besprochen.
Vergleicht man den Inhalt dieser Annalen mit dem
was Professor Hausmann in den Sitzungsberichten der ge-
lehrten estnischen Gesellschaft zu Dorpat vom J. 1885
uber die in Rom gedruckten Annuae litterae societatis Jesu
mitgetheilt hat, so ergiebt sich unzweifelhaffc, dass die hie-
sigen Annalen nicht etwa bios eine fur das Collegium selbst
angefertigte Chronik bilden sollten, sondern zur Weiterbe-
forderung an dessen geistliche Oberen bestimmt waren.
Nach den Constitutionen der Jesuiten waren namlich die
Vorsteher der einzelnen H&user verpflichtet, von dem was
Gott im verflossenen Jahre in ihrer Mitte gewirkt und was
zum Trost der Oberen und zur Erbauung der Genossen
dienen kann, ihrem Provinzial regelmassige Jahresberichte
zu erstatten, dieser aber war gehalten, alle Berichte zu
einem lateinisch geschriebenen zu verarbeiten und im
Januar Monat an den General nach Rom zu senden, wo-
selbst die Jahresberichte fur die Mitglieder des Ordens ge-
druckt wurden 1 ). Die Berichte des Rigaschen Collegiums
mussten also an den Pater Provinzial in Litthauen, zu dessen
!) R. Hansmann in den Sitzungsberichten der gelehrten estnischen
Gesellschaft vom J. 1885, Sonderabdruek S. 6 ff.
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367
Provinz Livland gehorte, und von diesem verarbeitet an
den General in Rom gesandt werden, wo sie den Annuae Litte-
rae eingereiht wurden. DieBerichte desProvinzials sind wahr-
scheinlich nicht vertfffentlicht worden, die Annuae Litterae
aber gehdren zu den uberaus selten gewordenen Drucken 1 ).
Ich habe von denselben nur einen Jahrgang, den von
1610, benutzen ktfnnen 2 ), aus dessen Vergleichung sich er-
gab, daes der das Rigasche Collegium betreffende Abschnitt
ein hochst durftiger Auszug aus dem uns handschriftlich
vorliegenden Texte ist; er nimmt an Raum nur etwa ein
Funftheil des handschriftlichen Textes ein, hat den grflssten
Theil des Inhalts des letzteren g&nzlich weggelassen und
giebt das : Aufgenommene meist wftrtlich, hin und wieder
aber auch in etwas ver&nderter Fassung, wieder. Ein
gleiches Verh<niss der Annuae Litterae zu den Annaleii
des Collegiums ist ohne Zweifel auch fur andere Jahre
anzunehmen. Unsere Annalen erscheinen demnach als eine
primare Quelle, die die aus ihr abgeleitetea Annuae Litterae
an Reichthum des Inhalts weit ubertrifft und uberdies die
Entstehung der Jabresberiohte aus den Aufzeichnungen der
Priester anschaulich macht.
Gehen wir nunmehr auf den Inhalt der Annalen des
Collegiums uber und werfen wir an der Hand derselben
zun&chst einen Blick auf die St&tten, die den Jesuiten fur
ihre Wirksamkeit angewiesen waren.
Drei nahe beisammen belegene Gottesh&user besassen
sie in der Stadt, namlich die St. Jacobskirche, die Marien-
Magdalenen-Kirche (die alte Kirche des ehemaligen Cister-
zienser-Nonnenklosters) und eine kleine Kirche oder Capelle,
die als templum Polonicum oder sacellum beatissimae vir-
x ) Sie siiid wol nur auf einigen der grossten Bibliotheken vorhanden.
Die St. Petersburger oflfentliche Bibliothek besitzt, wie mir Herr
Prof. Hausmann mittheilt, eine sehr umfangreiche, bis in die
Mitte des 17. Jahrhunderts hinabreichende Sammlung.
2 ) Die Mittheilung desselben verdanke ich der Freundlichkeit des
Herrn Oberlehrers H. Diederichs in Mitan.
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ginis, in quo Polonicae orationes habentur, bezeichnet wird *).
Letztere wurde im J. 1616 auf Kosten des Wendenschen
Bischofs renovirt und mit einer neuen Canzel, eisernen
Fenstergittern von aussen und einem kleinen Orgelwerk
(positivum non contemnendum) versehen, worauf im J. 1617
eine Erneuerung des Fussbodens und Anschaffung von
Sesseln und B&nken, ebenfalls auf Kosten des Bischofs,
folgte. Fur die Instandhaltung und Ausschmuckung der
Jacobskirche war das Collegium namentlich in den Jahren
1612 — 14 th&tig. Nach Einrichtung einer Kalkbrennerei
und Ankauf von Ziegeln wurden grtfssere Reparaturen vor-
genommen, neue Fenster mit Bildern (cum insigniis) der
heiligen Vater Ignatius und Xaverius und der Kreuzigung
angelegt und Senkungen des Dachs der Kirche von beiden
Seiten bewerkstelligt, um dem Licht durch die oberen Fenster
mehr Eingang ins dustere Innere der Kirche zu verschaffen.
An den renovirten Aussenmauern wurde die ganze Kirche
mit Gemalden Christi, der heiligen Jungfrau und der Pa-
trone der Jesuiten geschmftckt, am Frontispiz des Chors
aber wurde auf Kosten der in Riga sich aufhaltenden aus-
wartigen Kaufleute ein Gem&lde des jungsten Gerichts aus-
gefiihrt. Desgleichen wurde die Wfllbung einer Capelle
(wol des templum Polonicum) auf Kosten eines Pernauschen
Hauptmanns Snarsky schon ausgemalt (elegantibus figuris
et imaginibus depicta).
!) Wo diese g^legen h&be, ist aus den Annalen nicht ersichtlich. Brotze
vermuthet, dieselbe sei eine an die Jacobikirche angebaute kleine
Capelle gewesen, in welcher spater das Lyceum angelegt wurde
und sich dessen Classen befanden, bis das neue Lyceum gebaut
wurde. Es ist ohne Zweifel dieselbe auf dem Jacobskirchhof
belegene Capelle, die im 15. und 16. Jahrhundert haufig vor-
kommt und Capelle des heiligen Kreuzes benannt wird (s. die
Erbebiicher der Stadt Riga, Register S. 486 und 496 unter Jacobs-
kirche). Auch die Capelle der Jesuiten hatte ein altare s. crucis.
— Das Lyceum wurde im J. 1676 in der in vier Classenzimmer
abgetheilten finmschen Garnisonscapelle neben der Jacobikirche
eroffhet; s. die Schrift: Zur Geschichte des Gouvernements-
Gymnasiums in Riga (Riga 1888) S. I.
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Ausser den Kirchen und dem Kirchhof wird Afters
die bursa erwahnt, wahrscheinlich ein Geb&ude, in welchem
die Schule und die Schuler (bursistae) untergebracht waren.
Da eine Procession von der bursa aus bis zum templum
Polonicum stattfand, so muss sie in einiger Entfernung von
letzterem geiegen haben. Ein Mai kommt auch ein Armen-
haus (domus pauperum) vor. Wo die Mitglieder des Colle-
giums selbst wohnten, ist nicht angegeben, vermuthlich in
den Raumen des einstigen Nonnenklosters.
Von landischen Kirchen scheint die Kirche zu Ubner
(Ubbenorm) 1 ) in der Nahe von Lemsal in naher Beziehung
zu den Jesuiten gestanden zu haben, denn es wird erzahlt,
dass diese von Alters her der heiligen Jungfrau geweihte
Kirche in Folge ihrer (der Jesuiten) Bemuhungen durch
Indulgenzen beriihmt geworden sei und dass zu derselben
am Tage Mariae Himmelfahrt 1615 eine ungeheure Menge
von Menschen zusammengestromt sei, deren Beichte von
Priestern der Jesuiten Tag und Nacht zum grossen Trost
der Katholischen, aber zum unglaublichen Schmerz der
murrenden Ketzer, angehort worden sei.
Der Jacobskirche gehdrten Gewander und Gerath-
schaften verschiedener Art (supellex ecclesiae), deren Ver-
mehrung durch neue Erwerbuiigen ansehnlich war. Von
den zahlreichen Notizen hieriiber fiihre ich als Beispiel nur
die folgende an. Im J. 1616 wurden Kelchdecken, ge-
stickte Subcorporalia und ein Schirm (umbella) fur das
heilige Sacrament aus rothem Atlas mit kosj;barer den
Randern angewebter Einfassung angeschaflft, als Geschenke
frommer Matronen aber kamen hinzu : ein kleines silber-
vergoldetes Herz mit 4 Rubinen und einem Saphir, in sil-
bernen Ketten hangend, zum Schmuck des Bildes der hei-
ligen Jungfrau auf dem Hochaltar bestimmt, ferner ein Ornat
fur das Ciborium aus doppelter purpurfarbener Seide, mit
J ) Vgl. iiber diese Kirche Gadebusch, Livl. Jahrbiicher n, 2, S. 161.
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Edelsteinen, Gold und Silber verziert, und endlich ein mit
Gold und Silber gestickter Halsschmuck, an welchem sich
6 Diamanten, 1 Saphir, 4 Rubine, 11 Karfunkel (carbun-
culi) und eine Rose mit Edelsteinen, deren mittelster die
Grosse einer Brbse hatte, befanden. — Als Geschenk fielen
dem Collegium im J. 1613 vier vorziigliche Pferde nebst
einem mit rothem Tuch iiberzogenen Wagen zu.
Die Annalen geben im Eingange stets die Anzahl der
Mitglieder des Collegiums an, so dass sich dieselbe durch
alle Jahre, fur welche Annalen vorhanden sind, verfolgen
l&sst. Im J. 1604 hatte das Collegium 13 Genossen (socii),
namlich 7 Priester und 6 Pratres, von letzteren war Einer
Magister und 5 Coadjutoren; im J. 1617 dagegen hatte
das Collegium 21 Genossen, namlich 9 Priester und 12
Pratres, welche letzteren sich aus 2 Magistern, 6 Coadju-
toren und 4 studiosi (wol Lehrer) rhetorices zusammen-
setzten. Es ist also ein bedeutendes Anwachsen der Mit-
gliederzahl ersichtlich, hauptsachlich dadurch herbeigefuhrt,
dass in der Zeit von 1610 — 1614 eine schola syntaxeos mit
einem Magister, eine aus 2 Priestern und 2 Coadjutoren
des Collegiums bestehende Residenz in Wenden 1 ) und eine
Schule der Rhetorik mit einem Priester und 3 Lehrern
(scholastici rhetores) hinzukamen. Der Professor rhetorum
und die studiosi rhetorices wurden jedoch im J. 1617 aus
Purcht vor dem Kriege nach Polozk geschickt, daher die
Schule der Rhetorik damals in Riga ihr Ende erreicht zu
haben scheint. — Aus den den Aufzeichnungen der Patres
vorgesetzten tJberschriften liesse sich iibrigens leicht ein
Namensverzeichniss der Priestermitglieder des Collegiums
herstellen, doch ist zu bemerken, dass zwei derselben, der
Pater Rector und der Pater Minister, immer nach ihren
Amtern ohne Beifugung des Namens aufgefuhrt werden.
*) Annalen dieser Residenz vora J. 1618 s. in den Mitth. IV,
S. 492-501.
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tJber das Verh<niss des Collegiums zur Stadt Riga
und zu lutherischen Predigern enthalten die Annalen viel
Bemerkenswerthes. Da heisst es, die von der lutherischen
Pest inficirte Stadt — an einer anderen Stelle wird sie
pertinacissima in haeresi genannt — lasse keine Heilmittel
zu, daher man hier einigen Brfolg nur an den in der Stadt
zusauimenstrdmenden Polen, Letten und Deutsehen niederen
Standes (plebecula) erzielt habe, im Allgemeinen aber sei
es ein durrer Acker. Geklagt wird daruber, dass die
Priester zu den Gefangenen nicht zugelassen wiirden und
denselben daher durch ein kleines Fenster Trost spenden
mussten, dass ein durch die Strassen der Stadt gegangener
Leichenzug vom Volk beinahe mit Steinen angegriffen worden,
dass Schmahungen der Priester auf den Gassen vorkamen
u. s. w. Dabei fehlt es nicht an geh&ssigen AusiUllen gegen
die lutherischen Prediger, denen das Offentliche Auftreten
gegen die Jesuiten durch aufreizende Predigten vorgeworfen
wird. Von einer Disputation, in welche Pater Franciscus
Brandonis im Domsgange mit einem ubermuthigen jungen
Prediger, der sich ein Herkules in der heiligen Schrift zu
sein beruhme (ohne Zweifel Mag. Hermann Samson), ge-
rathen, wird erz&hlt, Brandonis h&tte seinen stark in Ver-
wirrung gebrachten Gegner noch besser durchgehechelt,
wenn nicht seine Krankheit, an der er nach einen Monat
gestorben sei, und ein tumultuarischer Volksauflauf das
Gespr&ch abzubrechen rathsam gemacht h&tten. — Die Stadt
und ihre Bewohner waren also nach wie vor heftige
Gegner der Jesuiten, aber auch mit ihren eigenen Glaubens-
genossen waren diese nicht immer in gutem Vernehmen.
Der ktfnigliche Generalcominissar fur Livland (Johann Carl
Chodkiewicz) und seine Gemahlin waren den Jesuiten nicht
wenig entfremdet und der Bischof von Livland (Otto Schen-
king) begann erst nachdem zwei Jesuiten sich langere Zeit
bei ihm in Samogitien aufgehalten hatten und er dann im
Collegium aufs freundlichste und ehrerbietigste (magna
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humanitate et observantia) aufgenommen worden war, dem
Collegium geneigter zu werden. Beide werden freilich bald
dem Collegium ungemein zugethan und beweisen dies durch
Geschenke, Geldspenden und Briefe. — Besucht wird das
Collegium unter Anderen von dem Herzog von Pommern
(1604), der, obwohl ein Eetzer, zuvorkommend begriisst
wird und die Hauptraume des Collegiums nebst der Kirche
in Augenschein nimmt. Festlich aufgenommen wird im
J. 1612 der als koniglicher Commissar in Angelegenheiten
der Truppen nach Riga gekommene Bischof von Samogitien.
Zwei Mai (1610 und 1614) halt sich der Bischof von Liv-
land im Collegium auf und vollzieht die Confirmation; auch
ihm zu Ehren werden Festlichkeiten veranstaltet.
Mehrfach erwahnen die Annalen die vom Collegium*
meist vor kftniglichen Commissarien, gefuhrten Processe,
so Streitigkeiten mit der Stadt Riga und einen Process
wegen des Lachsfanges jenseit der Duna auf einem Gute
der Jesuiten. Eingehend; berichtet wird zu wiederholten
Malen uber Verhandlungen in einem Process mit dem Edel-
mann Wigant wegen der Grenzen des dem Collegium ge-
horigen praedium Pariense (bona Parien) 1 ). Ein Gut in
der Gegend von Ubbenorm, Schierstedts Gut genannt*), das
einem Verr&ther (perduellis) gehOrt hatte, wird als dem
Collegium geschenkt bezeichnet.
Von kirchlichen Handlungen begegnen uns in den An-
nalen dfters vierzigstundige Gebete bei verschiedenen An-
lassen, Processionen am Charfreitage und Frohnleichnams-
tage und Bussubungen (flagellationes vulgo disciplinae),
deren eine (im J. 1616) sich dadurch auszeichnete, dass
eine grossere Anzahl von Biissenden (aliquot ordines dis-
J ) Ohne Zweifel das heutige Jungfernhof im Lennewardenschen
Kirchspiel, das nach Hagemeister (Materialien zur Giiterge-
schichte I, S. 67) ehemals Pargenhof Mess und wahrend der
polnischen Beherrschungszeit den Jesuiten gehdrte.
2) Wahrscheinlich Napkiill im Lemsalschen Kirchspiel, das nach
Hagemeister (a. a. O. I, 160) Beit 1526 den Schierstadts gehdrte.
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ciplinantium) zum Grabe des Herrn (das wol in der Kirche
dargestellt war) eingefuhrt wurde. Von ausw&rtigen Geist-
liohen und Laien wurden zuweilen geistliche tJbungen (exer-
citia spiritualia) im Collegium abgehalten. Besondere Fest-
lichkeiten veranstaltete das Collegium, wenn die Bischofe
von Livland und von Samogitien anwesend waren. Die
Auffiihrung eines Drama (durch Schuler) war bei solchen
Gelegenheiten die Regel 1 ), ausserdem werden Festmale,
Gesang, Gedichte in mehreren Sprachen und Beden er-
w&hnt. Geruhmt wird die vermehrte Frequenz der Schule,
bei deren Beginn im Herbst ein Festact (renovatio studi-
orum) mit Redeiibungen, ein Mai auch mit Pr&mienverthei-
iungen, stattfand.
Aus der oben erw&hnten Unzugtaglichkeit der Stadt
Riga fur die Jesuiten erklart es sich, dass das Collegium
hauptsachlich das flache Land und dessen Bewohner fiir
seine Wirksamkeit ins Auge fasste. Fast in jedem Jahre
wurden Missionen durch Lettland, theils durch das ganze
Land (auf 20 Meilen im Umkreise) theils nach benach-
barten SchlGssern und Ortschaften, vorgenommen. Die
Sendlinge waren hierbei meist unter dem Bauerstande
thatig, dessen durch Krieg, Hunger und Mangel an katho-
lischen Priestern herbeigefuhrter bejammernswerther Zu-
stand tffters bezeugt wird. Andere Missionen gingen nach
Ludzen und Rositten, nach Litthauen und nach Samogitien.
Auch Kurland wurde mehrmals besucht, doch scheinen die
Missionen dorthin weniger dem Landvolk gegolten zu haben,
als einzelnen adeligen Familien, in welchen eine Trauung
nach katholischem Ritus oder Bekehrung gewisser Personen
zum Katholicismus gegen den Willen ketzerischerVerwandten
ins Werk zu setzen war. Ausfuhrlich geschildert wird eine
Mission vom J. 1606 in die Gegend von Ludzen und Ro-
J ) Im J. 1614 wurde eine Comoedia de Cambyse auf dem Kirch-
hofe und eine geschichtliche Darstellung.der Geburt des Herrn
vorgefiihrt.
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sitten, einen Landstrich, dessen Bewohner (Letten) des
gtittlichen Wortes entbehrend unter einem neunzigj&hrigen
Oberpriester, der Popus genannt wird, dein von ihren Vor-
fahren uberkommenen Gtttzendienst oblagen. Die verschie-
denen Gutter, die sie verehrten, werden namhaft gemacht,
die Opferungen unter heiligen B&umen, Zaubereien, Beerdi-
gungsgebrftuche und Gastm&ler fur die abgeschiedenen Seelen
beschrieben *). — Im J. 1610 werden zwei Priester defi
Collegiums nach Samogitien zu dem dort verweilenden Bi-
schof von Livland (Otto Schenking) gesandt, der von ibnen
vermocht wird, sich nicbt, wie er beabsichtigt, g&nzlich
nach Polen zu begeben, sondern in Livland zu bleiben 2 )
und die Susserst verwirrten kirchlichen Angelegenheiten
durch eine Provinzialsynode in Ordnung zu bringen.
Was die ThUtigkeit der Glieder des Collegiums in
ihrem geistlichen Beruf betrifft, so wird in den Annalen
eine Art statistischer tJbersicht in der Weise geboten, dass
in jedem Jahresberichte die zur Beichte Gewesenen, die
Communicanten, die zum Katholicismus bekehrten Ketzer
(d. h. Lutheraner und Calvinisten) und Schismatiker (Ange-
htfrige der orthodox-griechischen Kirche), die Getauften
*) In seinem Inhaltsverzeichniss bemerkt Brotze ad. p. 12 der Hand-
schrift; „Diese Stelle ist, wo ich nicht irre, von Einhorn und
Anderen schon benutzt worden", ich habe jedoch in Paul Ein-
horns bekannten Schriften (Historia Lettica und Reformatio
gentis Letticae in den Scriptores rer. Liv. II.) ausser einigen
allgemeinen Anklangen niehts findcn konnen, was darauf schliessen
liesse, dass ihra die in unserer Handschrift p. 11—14. 17 und 18
enthaltene recht ausfuhrliche Schilderung, die der Jesuitenpriester
aus dem Munde des alten heidnischen Priesters vernommen haben
will, vorgelegen habe. Letztere durfte daher der Aufmerksamkeit
derer, die sich fur die Erforschung des heidnischen Cultus der
alten Letten interessiren, zu empfehlen sein. Vgl. iibrigens auch
die Annalen der Residenz zu Wenden in den Mittheil. IV,
S. 497 ff.
8 ) Bemerkt wird hierbei, dass er beinahe 10 Jahre lang nicht residirt
habe (in Livland namlich).
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und die copulirten Paare ziffermassig aufgefiihrt werden 1 ).
Auch von Personen, die zur VersGhnung mit ihren Feinden
bewogen, die von Fleischessiinden abgebracht wopden und
Anderen werden solche Zahlenangaben gemacbt. Ein wertb-
volles Material liegt hier fur denjenigen vor, der den Er-
folgen der Jesuiten und ihren Missionen naher nachzugehen
wiinscht ; ich bemerke nur im Allgemeinen, dass die Anzahl
der Beichtenden und der zu den ubrigen Hauptkategorien #
Gehtfrigen vom J. 1604 bis zum J. 1613 eine allmahlig,
wenn auch nicht ohne Schwankungen, steigende ist, von
1614 bis 1617 aber stetig und in bedeutendera Maasse ab-
nimnit. Im J. 1604 werden 4018, im J. 1613 bereits 6397,
im J. 1617 aber nicht mehr als 1205 Beichtende gezahlt 2 ).
Den Zahlenangaben folgt in jedem Jahresbericht eine
Darstellung von Fallen, in welchen die Priester des Colle-
giums thatig gewesen. Mannigfache Werke der Mildthatig-
keit (opera charitatis) werden geubt, Ketzer und Schisma-
tiker bekehrt, Wankende im Glauben befestigt, Kranke, Be-
sessene und Bezauberte geheilt, Ehepaare und Feinde mit
einander versflhnt, gegen Ehebruch, Concubinat, Unzucht
und aberglaubische Gebrauche wird eingeschritten, Ge-
spenster und DSmonen werden gebannt, Zauberer und Quack-
salber von ihrem Treiben zuruckgebracht, sundhafte Hand-
lungen (namentlich Ungehorsam gegen Gebote des Priesters,
Arbeiten an Feiertagen, Uebertretung des Fastengebots,
Religionsspfltterei und Beichten, die unter Verschweigung
von Sunden abgelegt werden) werden durch gOttliche
l ) Dabei wird regelmassig auch angegeben, wie Viele noch niemals
oder seit mehreren Jahren nicht zur Beichte gewesen, wie Viele
unkraftige Beichten (confessiones invalidas) rectificirt und wie
Viele Generalbeichten (iiber ihr gauzes Leben) abgelegt haben.
*) Die Verringerung der Anzahl der Beichtenden beim Rigaschen
Collegium hangt oflfenbar mit der Errichtung der Residenz in
Wenden zusammen, welche in ihren Annalen vom J. 1618
(Mitth. IV, S. 496) 12,050 Beichtende angiebt.
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Strafen geahndet, Verurtheilte zur Richtst&tte begleitetu.s. w.
Charakteristisch ist in diesen Erzahlungen, dass der Er-
folg, der ungemein oft von wunderbaren Ereignissen be-
gleitet ist, zwar den vom Priester angewandten Mitteln
(Gebet, Beichte, Abendmal, Exorcismen, Gebrauch des
Agnus Dei, das um den Hals gehangt wurde, Anwendung
von Weihwasser, geweihtem Salz und Weihraueh) zuge-
.geschrieben, die Person des Priesters aber (sacerdos noster)
stets in den Vordergriind gestellt und sein Verdienst be-
sonders hervorgehoben wird. Die Berichte hieriiber, unter-
mischt mit Verdachtigungen und Schm&hungen der lutheri-
schen Prediger (ministri), fullen den grftssten Theil der
Annalen und gewahren ein lebendiges Bild von der Art
und Weise, in der die Jesuiten ihre Zwecke zu erreichen
suchten. Einige Probestucke aus verschiedenen Jahren
mdgen hier folgen.
(Aus den Annalen v. J. 1605.) „Ein Mann und eine
Prau, die einige Jahre ohne priesterlichen Segen ehelich
gelebt hatten, erlitten schwere Anfechtungen des Teufels,
indem ihnen ein noch nicht getauftes Kind im Schosse der
Mutter starb, ein anderes aber in den Brunnen fiel und
todt herausgezogen wurde. Sie konnten sich ein Ende
solcher Leiden nicht eher versprechen, als bis sie ihre
Seelen durch die heilige Beichte bei unserem Priester ent-
siindigt hatten und eine Weihe des Hauses mit Exorcismen
angewandt worden war. Auch mehrere Andere, die durch
Damonenerscheinungen theils in nachtlichem Schreck aus
dem Schlafe erweckt, theils von einem gewissen Irrsinn er-
griflFen, theils aber auch durch Behexung von einer Art
fallender Sucht elend mitgenommen worden waren, wurden
durch die Kraft des heiligen Sacraments der Beichte und
des Abendmals unter Hinzufugung von Exorcismen und
kirchlichen Gebeten, so wie unter Anhangung des geweihten
Agnus dei an den Hals, von den erwahnten damonischen
Anfechtungen befreit."
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(Aus den Annalen vom J. 1607.) „Ein Befehlshaber
eines Schloeses adligen Standes war, obgleich katholisch,
dem Verkehr mit uns so sehr abgeneigt, dass er sich durch
einen Eid verpflichtete, die Flecken seines Gewissens nie-
mals unseren Priestern zu offenbaren, in welcher Absieht
er 4 Jahre lang nicht gebeichtet hatte. Als die Schweden
das einer Besatzung entbehrende Schloss einnahmen und er
sich in einem verborgenen Loch eines zerstOrten Gewolbes
drei Tage lang ohne Speise verborgen halten musste, fasste
er endlich bessere Vorsatze als friiher. Er that n&mlich
ein Gelubde an die heilige Jungfrau von Czenstochow und als
er sich auf wunderbare Weise aus den HSnden der ihn in
alien Winkeln suchenden Feinde entronnen sah, kam er
nach Riga, wurde zuerst von einem unserer Priester zur
Beichte und bald darauf von einem andern zur Ablegung der
zweiten Beichte bewogen, genoss mit seiner Ehefrau, die sich
bereits seit zwei Jahren von uns entfremdet hatte, and&chtig
das Abendmal, befreundete sich mit uns und versprach,
diesem heiligen Werk hauflger bei den Unsrigen obzuliegen."
(Aus den Annalen vom J. 1608.) „Unter anderen
(zum Tode Verurtheilten) erglanzte die Standhaftigkeit
Eines, der, als er in Begleitung unseres Priesters und eines
Genossen unter dem Troste desselben aus dem Rigaschen
Schlosse nach der ziemlich entfernten Richtstatte hinaus-
gefiihrt wurde, seine Reue und Zerknirschung durch Worte
und Geberden bis zum letzten Augenblick zu erkennen
gab, so dass ein grosser Haufe von Ketzern, der zugegen
war, hin und wieder bei der Riickkehr bekannte, er sei
ganz wie ein wahrer Christ gestorben. Es geschah dies
gerade zu rechter Zeit< Denn da kurz vorher der oberste
Prediger (buccinator, Hornblaser) der lutherischen Secte
in der Rigaschen Hauptkirche mit grossem Geschrei dem
Volk eingebildet hatte, dass die Jesuiten die Menschen von
Gott zum Teufel fuhrten, lernten sie: an einem lebendigen
Beispiel, dass wir sie zum lebendigen Gott fuhren. Das
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Gegentheil gab sich bei ihnen kund an dem Theilnehmer
desselben Verbrechens, den zwei Prediger drei Tage vorher
aus dem Stadtgefangniss ganz zitternd und verzweifelnd
gefuhrt hatten, der das was sie ihm sagten, nicht einmal
anhoren wollte und als er auf der Richtst&tte aufgefordert
wurde, mit ihnen zu beten, antwortete, sie mGchten ihn ver-
lassen. Mit solchem Trost fiihren die Diener der Unbillig-
keit die Ihrigen aus der Verganglichkeit zum ewigen Ge-
richt. Damit aber das Volk bei der gewonnenen guten
Meinung von unseren Sterbenden nicht verbleibe, wagte
es nachher derselbe Prediger (buccinator), unseren Priester
in der Predigt zu beschuldigen, dass er den zum Tode
Verurtheilten nicht Gott, sondern der Maria empfohlen
habe, weil er unter anderen Gebeten auch den Engelsgruss
und das Salve regina recitirt hatte. So fiihren die lugneri-
schen Lehrer die von ihnen Bethdrten in den Abgrund,
obwohl sie die gegentheilige Wahrheit mit Augen sehen
und mit Ohren hOren."
(Aus den Annalen vom J. 1610.) „Jemand, der die
Ermahnungen unseres Priesters zur Busse und die Kirche
selbst flob, wurde mitten in der Nacht von einem bOsen
Damon aus dem Zimmer gezogen und auf einen Wagen
gesetzt, auf welchem er, als er den Namen Jesu anrief,
zwar von dem Damon verlassen wurde, aber die rechte
Hand und den rechten Puss brach, daher er kriechend
zum Priester kam und durch die Beichte Hilfe fand. u
(Aus den Annalen vom J. 1612.) „Ein lutherischer
Deutscher fuhrte aus Muthwillen und Verachtung der katho-
lischen Religion eine Kuh in die Kirche und band deren
Schwanz an das Seil der Glocke, um unsern Priester da-
durch zu Srgern und das Gel&chter des Volks zu erregen.
Aber bald darauf empfing er von Gott die seiner Sunde
wurdige Strafe, denn am dritten Tage darnach gerieth er
beim Becher mit seinen Gef&hrten in Streit und forderte
zwei derselben zum Zweikampf heraus, von welchen Einer
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ihm auf dem Kampfplatz die rechte Hand, mit weLcher er
die religkmsverachterische Handlung begaogen hatte, ganz-
tech abhieb. Drei Tage lebte er noch und hauchte dann
seine elende Seete aus".
(Aus den Annalen vom J* 1613.) „Im vergangenen
Sommer wurde Biner der Unsrigen nach Lemsal gerufen
wegen der Zaubetrer (venefiei, Giftmischer), die gefangeh
waxen und wachdem sie gut ermahmt worden waren, den
vwdlenten T6d im Feuer nrathig zu erleiden, mit ange-
tmessener ZerknirBehomg und vollstandigem Bekenntniss
sum Feuear gefitet wurtiten. Der Oberste derselben war
MigeJdaigt, (dads er durch Zaubereien Jemand getodtet habe,
der bereite sett 14 Tagen begraben worden war. Er reeht-
fert^gte rich jedoeh immer auf kUnstliche Weiae, so dass der edle
Sear Johann Farenebach ifan gegen Stellung von BSirgen
ontlasBen woDte nnd, da <er keine foeachaffen konnte, selbst
(die JBurgsdiaft dafur fibernafom, daes er sich wiedenm
stellen werde. Jerieir kehrte tfftera wieder, vtersicherte, dasB
er nn^chnidig sei und sagte tsl mehrer Bekraftigung dessen,
.er habe eiikein Wahrsager fiber sich befragt, welcher be-
seagt babe, dass er kein Zauberer &sL Verdaeht schdpfend
Eas6 der genannte Hertr den erwfthnten Todten ausgraben
und diesen Zaufoeater drei Mai im den Leioknam desselben
(der echom abscheulieh von Wurmern wimnielte) herum-
ffuhren. Darauf befahl er ihm, die Hand auf den Leichnam
xu legieti; ids er aber dies thai, floss sofort frisehes Blut
aras Nase ufkd Mund des Ausgegrabenen. Dadurch in
Schrecken gesetet bekannte der Arme sich an diesem Todes-
Mlb schuldig und sagte, mm ndeht der Tortur unterworfen
feu werden, fireiwillig von den Uebeln aus, die er durch
teuflisbhe Kiinste an Menschen, Vieh und Ackern, Getreide
wnd KSfadern veriibt hatte, aeigte atueh 17 Andere (von
welchen Zwei Untergebene des Doliegiunas waren) als seine
Mitechuidigen an, deren Zwei zrigledch mit ihm, Andfere an
iaittdteren Orten, unsere Untergebenen auf unserem Gute,
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verbrannt worden sind. Plinf derselben haben in der Tortur
sowohl als ausser derselben und noch besonders vor un-
serem Priester nach abgelegter Beichte Folgendes bekannt.
Im Jahre 1612 h£tten die Zauberer ihre Zusammenkunft
mit ihrem Piirsten in Riga in der jetzt von der ketzferischen
Pest angesjeckten einstigen erzbischof lichen Kathedralkirche
in der Nacht des lutherischen Weihnachten gefeiert. Ihr
Hdllenfiirst sei mit einem deutschen ganzseidenen schwarzen
Anzuge bekleidet gewesen und habe, durch neun Kftpfe
ausgezeichnet, nicht weit vom einstigen Hochaltar auf
einem hohen Stuhl gesessen, auf jedem Kopf habe er einen
ganzseidenen schwarzen Hut getragen, seine Mundflffnnngen
seien dick und breit gewesen, ungef&hr 20 Diener und
Knaben, Alle nach deutscher Sitte in ganzseidener schwarzer
Kleidung, hatten um seinen Sitz herum gestanden. Nach-
dem aber Alle einzeln die Seelen von Menechen und
Thieren, die sie gettidtet, und die Schaden, die sie dem
Getreide und Menschen zugefugt, ihrem Fursten dargebracht,
habe er sie in lettischer Sprache mit folgenden Worten
angeredet: Meine Sdhne, meine S5hne, es ist nicht gut,
dass ihr in diesem Jahre nicht so viel geleistet habt, wie
ihr solltet u. s. w. Eine beim Stuhl selbst stehende Alte,
die Lehrerin und Oberste der ubrigen Zauberer, habe vor
den Anderen geantwortet: Gnadigster Herr, es ist jetzt
Hungers- und Kriegszeit, wir konnen nicht mehr so viel
ausrichten wie sonst. Darauf Jener: Meine Sohhe, seid giiten
Muths, fahrt nur fort immer etwas zu verrichten, in diesem
Jahr, im folgenden, im dritten u. s. w. Hierauf habe er
ihnen in derselben Kirche zu essen und zu trinken gegeben,
Brod (so sagten sie) so weiss wie Meeresschaum, das, so viel
man auch davon essen mochte, keine Sattigung gab, und
Wein aller Art, Meth, Bier u. s. w. aus silbernen Bechern.
Endlich seien Melodieen aller Art von Orgel und Harfen
(mit Ausnahme der lettischen fiinfseitigen Leier (cochlea),
welche die einfachen Leute Gotte&leier nennen, diese allein
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habe gefehlt) erttint, nach deren Lauten sie getanzt und
gesprungen, bis der Hahnenschrei nahe war, dann seien
Alle nach Hause zurlickgekehrt. Lemsal ist 12 Meilen von
Riga entfernt, sie sagten aber, sie seien in einer Stunde
von Lemsal nach Riga und von dort wiederum in einer Stunde
nach Lemsal gekominen, jede Meile wie ein Scbritt. Auf
dem Hinwege sowohl als auf dem Ruckwege sei die Strasse
ganz eben gewesen^ ohne W&lder, Berge und Gew&sser,
aber nach ihrer Ruckkehr seien ihnen alle Olieder und
Knochen schwer und wie zerschlagen gewesen. Einer der-
selben, ein Untergebener des Collegiums, versicherte, er
sei in der Weihnachtsnacht zu jener Zusammenkunft zu
spilt gekommen und habe die Thur der Kirche schon ge-
schlossen gefunden; da der Thursteher mit dem Offhen
geztfgert, so habe er, als er durch eine Ritze der Thur
jenes Ungeheuer mit 9 Kopfen auf dem Stuhl erblickt, sich
erschrocken bekreuzt, worauf pldtzlich Einer der Teufel
herausgekommen sei, ihm eine Ohrfeige gegeben und ge-
sagt habe: Du Taugenichts, was hast du hier mit dem
Kreuze? und so habe er ihn zum Schmause hineingelassen.
Als ihr Oberster gefragt wurde, welche Belohnung ihnen
der Teufel fur solchen ihm geleisteten Gehorsam gebe,
antwortete er: Gar nichts; als er aber auf zwei- und drei-
maliges Befragen immer dasselbe antwortete, fugte unser
Priester hinzu: Vielleicht verspricht er auch etwas in
jenem Leben? worauf jener antwortete: Es ist wahr, er
sagt, wir wurden in der Hdlle mehr Freuden haben als
im Himmel. Dieser eines so grossen yerbrechens Schuldige
hatte schon drei Mai gebeichtet und communicirt, wobei
er immer das Verbrechen der Zauberei verheimlicht hatte.
Von unserem Priester befragt, wie er es habe wagen ktfnnen
unter Verschweigung dieser Siinde dem Mysterium zu nahen,
sagte er: Wenn ich das nicht gethan hatte, so hatte ich
weit schwerere Schandthaten vollfiihrt; da ich mich aber
immer der heiligen Kronung erinnerte und dfters den
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382
Namen Jesu anrief, so wurde ioh dadurch vor weiteren
Verbrechen bewahrt. Befragt, warum er dieses Verbrechen
verheimlicht habe, antwortete er: Unser Furst sagte, ich
werde nieht lange leben, wenn ich dies dem Priester offen-
bare. Dabei ist auch Folgendes bemerkt worden. Als der
Gefahrte Jenes in der Lemsalschen Kirche, wahrend das
Volk von weitem zusohaute, mit verbundenen Augen zu
beichten anfing und beim Beginn irgend ein sckreckliobes
Verbrechen (ein anderes als die Zanberei) offenbarte, er-
schien im Beisein des Priesters eine giftige Krflte, die auf
der Erde urn den Zauberer herumkroch und bald darauf
so verscbwand, dass das Yolk sagte, es habe nicht be-
merken konnen, wo dieselbe geblieben sei. Als am fol-
genden Tage ein Dritter auf dem Gute Schirstenmuis naoh
der Folter gebeichtet und communieirt hatte, kroch sogleich
eine sich hin und her walzende Schlange an die Thfir des
Hauses, wobei die Menschen staunten und versicherten,
sie hatten in mehreren Jahren auf diesem Gute keine
Schlange gesehen. Da die Hinrichtung zwei Tage yor dem
Feste Johannis des lUufers stattfand, so behaupteten sie,
die Zauberer wftrden jetzt abermals in der Johannisnacht
in Biga in der erwahnten Kirche zusammenkommen. Wir,
sagten sie, werden nicht zugegen sein konnen, weil wir
gefangen gehalten werden, die Uebrigen aber werden ger
wiss anwesend sein. Befragt, woher sie das wussten, sagte
Biner: Gut, gut, ihr werdet sehen, was flir einen Frost
ihr gleich nach dem Johannisfest haben werdet. Dies er-
wies sioh als wahr, denn beinahe acht Tage lang fugte der
Frost am Morgen taglich dem zarteren Getreide, wie
Weizen, viel Schaden zu. Man hatte sie wahrend der
Folter gefragt, ob sie auch in der St. Jaoobskirebe (die
dem Orden gehdrt) gewesen seien, was sie verneinten, weil
sich dort heilige Dinge (Reliquien oder die Hostie?) be-
fanden. Es erhellt hieraus, dass, da die Ketzear das Mesa-
opfer und die heilige Eucharistie zugleich mit dem Glaubea
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38£
verworfen haben, der Piiret der DSmoaen bcareite in fibre*
Kirehe© seinen Site aufgeschlagen bat und in denselbea
seine Zusaimmenkiinfta rait den Seinen abhfclt, so wie class,
w&bremd die Katholiken in der Nacht der Geburt Cbristi
in ibren Kirohen Christus Dank sagen, Jene aber schlafen
oder ismsinnige Dinge treiben, dear Teufel unte^dessen in
ibren Kirchen vera den Seinen angebetet wird. tt (Anf die^
selbe Eraahlnng komrnen aueb die Ansatan vom J. 1616
znrfick mit folgendea Worten): „Dea Zauherern, die mm
Feuertode verurthcdlt. waren, ist van nnsearen Prteatern
Hilfe geleistei und sind dieselben dazu gebraeht worden,
dass si e »it Zerkniraehung, duroh die Sacramento der Kirehe
geatairkt, die Todesstrafa gern erKtten. Sie bekanntea* dass
sie in der Kathedralkircha in Riga (die einst katholisch
und der heiligen Jungfrau, geweiht war, jetet aber durch
die lutherisobe Sekte propbanirt ist) am lutberischen Weih*
nachts* und Johannisfeste ibre Zueammenkitatfte zu feiern
pflegten und d&ss ihr Gebieter, dem sie ibre Uebeltbaten
dar^ubringen gewohnt sind, in der KJeiduug und Gestalt
eines lutherigphw Predigers einbergehe, und als sie gefragt
wurdeu> weshaib sie niQbt aucb in der St. Jacobskkche
(na»dicb der des Ordens) zusamwenkamen, erwiederten sia,
da#s ibnen das nicbt mGglich sei, weil diese Kirehe imjner
in grossem Glanse erstrahle".
(Aus den Annalen vom J, 1614.) „Pie Tochter eines
lutberiscben Predigers Utt drei Tage lang-an Geburtswebw-
Unser Priester rietb ihr, sich nach Abschwtfrung der
Eyetzerei durch die Sacrame^te der Kirehe zu st&rken, und
verbiess ibr eine glucklichq Geburt durcb Anwendung des
(^ott^siwms und Gebete der K4rche. Als sie sich zu AUem
bereitwillig zeigt?, blieb der Priester bei seinem Ver-
sprechen und bewirkte es, dass sie, als der Priester kaum
das Gemach verlassen hatte, ohne Schwierigkeit gebar und
am folgenden Tage ihre Gesundbeii wiedereriangie* Sie
jedoch war uneingedenk des Geschehenen und ais sie sich
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384
gesttnd sah, fing sie an, inehr in der Eetzerei zu wiithen
als fruher, ja sie versuchte sogar, ihren Ehemann, den
derselbe Priester schon vor drei Jahren zur Bekehrung ge-
neigt gemacht hatte, durch verschiedene Beweggrunde in
die Ketzerei zurfickzuziehen. Als ihr Gott eine neue Krank-
heit schickte und sie durch Lebensgefahr zur Reue gefuhrt
war, rief sie durch einen Diener denselben Priester herbei,
damit er der Sterbenden beistehe. Nach seiner Ankunft
wunschte sie von ganzem Herzen der Kirche einverleibt
zu werden und im katholischen Glauben zu sterben. Sie
wurde daher durch Beichte und heiliges Abendmal mit
Gott versflhnt und genas nach drei Tagen. Um sich Gffent-
lich als katholisch zu bekennen, wollte sie am Palmsonn-
tage abermals zusammen mit ihrem Ehemanne communiciren."
Der Verfasser unserer Annalen nimmt zuweilen Ge-
legenheit, Breignisse aus der fruheren Geschichte Livlands
kurz zu erz&hlen. Dahin gehdrt eine wunderbare Rettung
des Schlosses Neuhausen (Nowogrodek) von einer Belage-
rung durch den Grossfursten von Moskau *), die im J. 1381
zur Zeit des Rigaschen Erzbischofs Michael (!) stattge-
funden haben soil (p. 129 f.), Plettenbergs Sieg uber die
Moskowiter am Kreuzerhohungstage 1504 (p. 115 u. 130 f.)
und die Erscheinung eines nackten Propheten, der den
Untergang der lutherischen Ketzerei verkiindete und sogar
nachdem er gettfdtet worden war, wieder auftauchte (p. 114 f.).
Regelm&ssig werden daran erbauliche Betrachtungen uber
das Elend gekniipft, von welchem das Land ereilt worden,
nachdem es den katholischen Glauben verlassen hatte und
der Ketzerei anheimgefallen war. Als Beispiele katholi-
sirender Geschichtsauffassung, beziehungsweise Mythenbil-
dung, mOgen solche Stellen der Annalen von Interesse
J ) Dieselbe Fabel findet sich schon in dem Bericht uber die katho-
lische Kirchenvisitation vom J. 1583 oder 1584, in v. Bunges
Archiv I (2. Ausg.), S. 281 f.
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sein; earheblisher istj wad von zeitlich naheliegenden oder
gleichzeitigen Begebenheiten uberliefert wird. In den An-
nalenvoia «L 1612 findet sich ein kleiner Bxcurs iiber die
katholischen Bisch&fe in Wenden Mileeky, Abt von Trzemes,
Andreas Patricius Nidecky und Otto Schenking, der einiges
von den bisherigen Annahmen Abweichende enthalt. Ferner
werden theils in den Annalen theils in den Aufzeichnttngen
einzelner Priester mehr oder weniger eingehend behandelt:
1) der Sieg Chodkiewicz's uber die Schweden bei
Weissenstein im J. 1604 (p. 2) 1 );
2) die Schlacht bei Kirchholm am 17. (27.) Sept.
1605 (p. 8 f.)*);
3) die Einnahme der Stadt Wolmar durch die Schweden
und die Wiedereroberung derselben durch die Polen
in den Jahren 1606 und 7 (p. 18. 19. 23) 3 );
4) Kampfe der Polen mit den Schweden bei Duna-
miinde und an anderen (nicht genannten) Orten in
den Jahren 1608 und 9 (p. 39. 45 und 47) 4 ). —
Vereinzelte Nachrichten linden sich endlich noch
iiber die Belagerung von Smolensk durch die Polen
im J. 1610 (p. 62), die katholische Kirchenvisitation
vom J. 1613, an welcher ein Mitglied des Collegiums
theilnahm (p. 119 f., 129), kdnigliche Mandate in
Religionssachen (p. 112. 120. 165) und kGnigliche
Commissionen, die in Processen der Jesuiten und
anderen Angelegenheiten thatig waren (p. 112. 113.
137. 157. 163. 165).
In der obigen gedrangten Uebersicht haben nur Um-
risse geboten werden kdnnen und sind daher nicht wenige
Einzelheiten, die dem Forscher von Belang sein kdnnen,
x ) Vgl. v. Richter, Geschichte der Ostseeprovinzen II, 1, S. 186.
2) Vgl. ebend. S. 186 f.
3) Ygl. ebend. S. 187.
4) Vgl. ebend. S. 189-191.
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uner^riimt getdieben. So viel aber dfefte oub dftm Ange-
iuhrtea ersichttioh «ein 7 diss die Annalen des Jesuiten-
Collegiums tod 1604 — 1618, wenngieich eie als P*rtei-
sohriften mit grosser Vorsicht tfu beaatoen seiu uterdea,
eine nidut bios fitar das Leben wad Tfeiben der Jeeuiten
in Riga, ftondern auch nach vielen jjnderen Rkfetungea bin
wiobtige zeitgendBsische Qudte Widen, deren Verttifent-
lichung su irihiachen wfcre.
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Analecta historiae Livonicae.
Von Prof. Dr. E* Wink elm ann.
1. Honorius III. 1222 Febr. 8 beauftragt den Selonensis
episcopus und Abt und Prior von S. Nicolaus Cist,
ord. Rig. dioc. zu verhindern, dass einige Templer
gegen die jungst in Livland Getauften Gewaltthatig-
keiten veriiben.
2. — — beauftragt Abt und Prior von S. Nicolaus
und den Propst von Riga, einige Templer in Livland
zur Riickgabe des dem Selonen-Bischofe Genornmenen
anzuhalten.
Aus Vatic. Archiv: Registr. Hon. vol. III. lib.
VI. epist. 219. 221 fol. 196 S citirt im: Neuen
Archiv XH, 416.
3. Theodericus Vironensis episc. verleiht dem Nonnen-
kloster Eibingen einen Ablass. Dat. in dominica Mi-
sericordia domini, a. d. 1235, pontificattis noftri anno
septimo (= 1255 april 11).
Cod. dipl. Nassoicus I, 386.
4. Theodericus Vironensis episc. verleiht dem von ihm im
Kloster Bleidenstatt geweihten Altar einen Ablass.
1258, pontificatus nostri a. duodecimo (ohne Ort u. Tag).
Ibid. I, 414.
5. Christianus Sambiensis episc. Ablass fur die Kirche in
Erbach. Dat. Eberbach (= Erbach) 1281 iuli 5.
Ibid. I, 583.
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388
6. Frater Johannes Lettoviensis episc. ord. Teuton, er-
theilt den Augustinern von Strassburg einen Ablass.
Dat. Breisach 1284 aug. 28.
Strassb. Urkbch. II, 61.
7. — ebenso der Kapelle des Deutschordenshauses
zu Strassburg. Dat. Strassburg 1289 iuni 16.
Ibid. II, 119.
8. Cod. Vatic. Palat. nr. 701 sec. XV. enthalt in dem
f. 180 beginnenden Liber formulamm auch einen Brief
von (oder an?) Johannes archiepiscopus Rygensis.
9. Cod. Vatic. Palat. nr. 415 sec. XV. enthalt f. 74 •
einen Brief: Johannis monachi Carthusiensis prope
Pragam domino Johanni preposito ecclesie Osiliensis,
anscheinend 1449 abgeschrieben, und wohl schon vor
1403 verfasst.
10. Die p&pstliche Kammerei empf&ngt von Meister Walter
v. Plettenberg durch Ulrich Fugger und Gebruder
5000 und durch den Indulgenz - Commissar Christian
Bomhover 105V2 Dukaten als das ihr gebuhrende Drittel
vom Ertrage der von Alexander VI. gegen die Un-
glaubigen bewilligten Indulgenz. 1508 dec. 6.
Rom, Staatsarchiv. Divers. Julii II. f. 28 J .
Gedruckt auf Verfiigen der Gesellschaft fur GescMchte and Alter-
thumskunde der Ostseeprovinzen Russlands.
L. Napiersky,
Pr&sident.
Riga, 9. August 1889.
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TAFEL1
BURG WOLKENBERG.
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Langenprofil des Burgberges nach A . B .
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TAFEL 4.
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ganzbar.
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TAFEL 5,
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TAFEL 6.
Ansstfc desNordfliigels.
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Die Correspondenz Konig Gustav Adolfs mit
der Stadt Riga urn die Zeit der Belagerung
von 1621.
Yon Arend Buchkoltz.
(Vorgetragen in der Sitzuug vom 13. September 1889.)
Ueber die Belagerung Rigas durch die schwedische
Armee unter detn Oberbefehl Gustav Adolfs im Jahre 1621
tind die sich dai*an schliesaende Unterwerfdng der Stadt
ist nur weniges verftffentlicht worden. Wenii wir Ton den
allgemeinen livlandischen Historien und Chroniken (Hi&rne,
Eelch u. a.), die wenig zuverlassiges bringen, absehen,
haben wir eigentlich nur eine grtissere Broschiire, die sich
mit diesem fur die Geschichte der Stadt Riga ausserordent-
lieh bedeutungsvollen Ereigniss besch&ftigt: die wenige
Monate nach der Uebergabe erschienenen vier ausfuhrliehen
Schreibeli „von Eroberung der Haupt Statt Riga in Lieff-
land", deren es zwei bei Mollyn in Riga im Jahre 1622
gedruckte Ausgaben giebt, eine deutsche und eine latei-
nische, letztere fur den polnischen Hof bestimmt, beide
mit einem Plan der Stadt in Kupferstich versehen. Fast
gleichaeitig ersehien auch iik Wittenberg bei Christian Tham
1622 ein Druck der deutschen Ausgabe, ohne die Ansicht
von Riga* Es ist eine officielle Broschiire, mit der wir es
zu thun haben, sie ist im Schoss des Rigaschen Rathes
entstanden, der Verfasser kennt Verhaltnisse und Personen
aus eigener Anschauung ganz vortrefflich, ihm hat das da-
mals noch weitschichtige Actenmaterial des Rathsarchivs
Hittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 4. 26
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zur Verfugung gestanden. Aber es kam ihm weniger dar-
auf an, eine ausfuhrliche Geschichte der Belagerung zu
schreiben, als die Stadt gegen den dreisten, unbegrundeten
Vorwurf des polnisch-litauischen Peldherrn Christoph Rad-
ziwil zu vertheidigen, sie hStte sich ohne Noth, allein aus
Furcht den Schweden ergeben. Der ganze Ton der Schrift
ist ein polemischer.
Auf dieser officiellen Darstellung beruht zum grGssten
Theil der Aufsatz Karl Gottlob Sonntags: „Die Schwe-
den unter Gustav Adolph 1621", Abschnitt 7 einer grdsseren
Abhandlung. „ Geschichte der ersten sechs Belagerungen
von Riga" in dem Sammelwerk: „Das Russische Reich,
oder Merkwiirdigkeiten aus der Geschichte, Geographie
und Naturkunde aller der Lander, die jetzt zur Russischen
Monarchie gehtfren. Bd. 2 Th. 2. Riga 1792."
Genau zwanzig Jahre sp&ter verftffentlichte J. C. Br otze
einen Aufsatz in der Nr. 41 der „Rigaischen Stadt-Bl&tter"
vom 8. October 1812: „Belagerungs-Correspondenz Gustav
Adolphs mit der Stadt Riga", und endlich erschien im Jahr-
gang 1880, Band 27 der „Baltischen Monatsschrift" mit
der Abhandlung des Dr. A. Poelchau „Rigas Belagerung
dnrch Gustav Adolf im Jahre 1621" die letzte Darstellung
jener bewegten Tage und Wochen.
Eigentlich hat keiner der drei letztgenannten Verfasser
zu seinen Arbeiten handschriftliches Material herangezogen,
und doch giebt es davon allein im Rigaschen Stadtarchiv
und in der Rigaschen Stadtbibliothek eine betr&chtliche
Fulle. Im Besonderen vermissen wir ausfuhrlicheres iiber
den Inhalt der sich durch mehrere Wochen hinziehenden
Correspondenz des Schwedenkdnigs mit den einzelnen In-
stitutionen der Stadt Riga. Es werden uns nur durftige
Angaben aus den Schreiben geboten, aber nichts wOrt-
liches, und wir gelangen zur Ueberzeugung, dass die Ver-
fasser die Correspondenz gar nicht einmal gekannt haben.
Pur Brotze gilt iibrigens letztere Vermuthung in einem et-
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391
was eingeschr&nkten Sinn. Wenn ihm auch nicht die
OriginalBchreiben Gnstav Adolfs vorgelegen haben, so hat
er ihren Inhalt doch zum Theil wenigstens aus dem jetzt in der
Rigaschen Stadtbibliothek aufbewahrten „Verzeichniss was
sich in Livland und in Riga von Anno 1593 zugetragen"
gekannt, dessen Autorschaft dem Rigaschen Rathsherrn
Johann Boddeker oder Btftticher, f 1627, zugeschrieben
wird.
Die Originalschreiben Gustav Adolfs haben sich ubri-
gens, wie es scheint, aus dem Grande der Kenntniss unserer
Historiker entzogen, weil sie nicht an ublicher Stelle, im
inneren oder &usseren Rathsarchiv, aufbewahrt wurden,
sondern, zusammen mit vielen anderen kdniglichen Original-
schreiben in einen Band gebunden, die lange Reihe der
RescriptenbSnde im Zimmer der Publica und Aulica im
Rathhause eroffneten und sich hoch oben auf einem Regal
hart an der Decke befanden. Hier fiel mir der Pappband
in Folio bei n&herer Kenntnissnahme der archivalischen
Sch&tze dieses Zimmers vor zwei Jahren in die Hande.
Er tr> auf dem Rucken die Aufschrift: „K5nigl. Schwe-
dische Rescripta de Ao. 1621 — 1644." Das erste Blatt,
von Melchior von Wiedaus Hand beschrieben, giebt den
Inhalt an: „Ihro Kiinigl. Maytt. zu Schweden Gustavi
Adolphi an E*. WohlEdl*. Raht abgelaBne Original Brieffe
oder Rescripta de A?. 1621 usque ad A?,. 1644 incl."
Den Inhalt bilden 29 Originalschreiben Gustav Adolfs
in deutscher, schwedischer oder lateinischer Ausfertigung
vom 12. August 1621 bis zur Mitte des Jahres 1632. Das
Datum des letzten Schreibens ist weggerissen, das vorletzte
ist aus dem Peldlager bei Augsburg vom 10. April 1632
datirt und, wie eine Dorsualnotiz angiebt, am 29. Juni 1632
im Rath verlesen worden. Ein Schreiben ist nicht vom
Kiinig selbst, sondern auf seinen Befehl von Par Baner
allein unterzeichnet worden. Ferner enthalt der Band 66
Originalschreiben der vormundschaftlichen Regierung aus
26*
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Christinas Zeiten von 1632 December bid 1644 Mai. Sie
eind alle mit den vieien Namen dar Vdrmfindei* veraehen.
Der Text der Schreiben ist von wenigen geringf&gigen
LftCken abg^sehen vorafiglich athalten, dagegen fehlen die
Siegel vollstftndig. Sie fiind <lein Buehbinder fitdrend ge-
Wesefi-, und cr hat sie beim Einbinden, urn einen glatten,
nicht auseinanderfallendea Band zfl haben, s&mmtlich bis
auf einige letzte Spuren vertilgt.
Die Reihe der Schreiben Guatav Adolfs an die Stadt
ist im vorliegenden Bande nicht ganz vollst&ndig. Die
Moken sowie die Antwortschreiben des Rathes konnten
aber aus dem ans Acten&tficken des Stadtarchivs zusammen-
gestellten Bande V der Manuseripta ad his*oriam Livoniae
der Rigaschefc Stadtbibliothek ergttnut worsen. Dieser Band
enth< ausschliesslich Actenstficke zur Gescbicbte der Be-
lagemng nnd Unterwerfung Stigas von 1621, Die Schreiben
des Kdnigs sind hier in gleichzfcitigen Absdiriften, haufig
2wei- und dreifachen, und die Schreiben des Bathes gleich-
falls in Conoepten und durchcorrigirten Copien erhalten.
Fftr eine nooh zu schreibende Geschichte des Jahres 1621
wird dieser Manuseriptenband mit die wichtigste Quelle
abgeb^n. Fiir mich handett es sich zun&chst nur darum, den
Text der Corresponded zwischen Kdtfig und Stadt an die
Oeffentlichkeit zu bringen.
Am 11. August 1621 landete GuStav Adolf in Miihl-
graben und schlug hier sein Lager auf. Am 12. August
sandte er durch einen Trompeter drei Schreiben in die
Stadt, in denen er aufforderte, unverzu^lich Deputirte ins
schwedische Lager zu senden, um dariiber zu verhandeln.
wis ferneres Blutvergiessen verhiitet werde. Die Schreiben
(B6ilagen Nr. 1, 2, 3) sind gerichtet, das erste an Burg-
grafen, Biirgermeister, Stadt- und LandvOgte, K&mmerer
und s&mmtliehe Rathmannen der Stadt Riga, das zweite
an Aelterleute und Aelteste der grossen und dfcr kleinen
Gildfc some die ganze Stadtgetneindfc, das dritte an die
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Aeltedwte nnd A^teatea der Scbwa?zen jg&upter und alle
anderen freiaden Kaufiteute, Sshiifer md Seefabrep, di& ai<3h
in Riga aufbalten.
Der Hath erwidert no<& an deroselben Tage, nacbdem
er sicb mit den aaderen Siftnden der Stadt beratben batte r
in abtehwadem Sinne; so »ei die Stadt es ibrem Bide,
ibrer Pflieht und ihrer Ehre nach g^geniiber der Majest&t
und Krone zu Polea und dem GrosafBratentbum ldteu*e«.
gehnldig. So iieb ibnen sei, bei Gott ibr Gewiasen uad
bei aller Welt ihre Ehre zn bewahren, sq kennten sie in die
Aufforderungdochniobteinwilligen, wiisste» auch keinenMen-
schen in der ganzen Bfirgerachaft, der andera gegbmt eein
sollte, (Nr. 4.) Nun bebt die Belagerung an, die Tage
und Woeben grossten 6chreckena und argster Noih liber
die Stadt verhangte. Cbristopb Radziwil zeigte sich wol
einmal jenseit der Diina und nahm Miene an, als ob er die
Stadt entsetzen wolle, zog aber bald darauf ab. Hieran
erinnert Gustav Adolf den Ratb in seinem Schreiben vom
2. September 1621, dass der polnische Succurs davon-
gelaufen und nun wahr geworden sei, dass die Stadt auf
keinen Entsatz mehr rechnen diirfe. Er fordert die Stadt
nocbmals, diesmal dringlicher auf, Deputirte behufs der
Uebergabeverbandlungen zu entsenden. (Nr. 5.) Unter-
dessen wird die Belagerung fortgesetzt. W&hrend die hart-
bedrangte Stadt iiber die Zuschrift des Konigs ber&th,
fliegen gluhende Kugeln in die Stadt und wird Sturm ge-
laufen. Der Rath erwidert namens der Stadt, dass, ob es
wol offen am Tage liege, dass der Feind der schriftlichen
Andeutung gemass es an alien Scbrecken der Belagerung
nicht mangeln lasse, um die Stadt zu bezwingen, sie das
alles doch nicht soweit empfanden, dass sie um deswillen
vor Gottes und der Welt Gericht gemeint sein sollten, an
der Krone Polen eidbriichig zu werden und der lutherischen
Religion und der deutschen Nation ein Aergerniss zu be-
reiten. Der Antrag des Ktfnigs wird wiederum abgelehnt.
(Nr. 6.)
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Die Belagerung wird fortgesetzt tmd alles zum Sturm
bereitet, da sendet Gustav Adolf am 12. September aber-
mak ein noch dringlicheres Schreiben in die Stadt. Er
droht mit dem Aeussersten, falls sich die Stadt nicht jetzt
endlich ergebe. (Nr. 7.) Der Rath erbittet sich drei Tage
Aufschub (Nr. 8), der Ktfnig will ihn nur bis zum 13. Sep-
tember zugestehen. (Nr. 9.) An demselben Tage acceptirt
der Rath das bewilligte Quartier. (Nr. 10.) Am 13. Sep-
tember bewilligt der Kdnig auf Bitte des Rathes Waffen-
stillstand bis zum 13. September 5 Uhr nachmittags. (Nr. 11.)
Endlich wird noch ein weiterer Aufschub bis zum 14. Sep-
tember 12 Uhr auf Bitte des Rathes zugestanden. (Nr. 12
und 13.) Und nun wird im Lager des Kftirigs wegen
Uebergabe der Stadt verhandelt. Am 16. September zieht
Gustav Adolf in Riga ein.
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Beilagen.
1. Kmig Qttstav Adolf fordert Burggrafen, Biirger-
meister und Bath von Riga auf, Qesandte behufs Unter-
Jiandlung iiber Untertverfung der Stadt ins schwedische Lager
abzuferhgen. Milhlgrdben 1621 August 12.
Gleichzeitige Copie, ursprunglich im Rathsarchiv, jetzt in den
Manuscripts ad histor. Livon. Tom. V. Die Adresse des Schreibens
lautet: Den Erbahrn vnd Wolweifen Vnfern lieben Befondern,
Burggraffen, Burgermeiftern, Statt- vnd Landt Voigten, Cammer-
herrn vnd Sambtlichen Rathmannen der Stadt Riga Sambt vnd
besonders.
Wir Gustaff AdolfF von Gottes gnaden der Schweden,
Gotten vnd Wenden Koningh, Grofifurft in Finlandt, Her-
tzogh zu Eheften vnd Carelen, Herr zu Ingermanlandt.
Vnfern gruB zuuor, Erbahre vnd Wolweise liebe be-
fondere. Manniglich vnd infonderheitt Euch felbften i&
vnuerborgen, wie Wir zu ieder zeitt geneigt gewefen, mit
Vnfern feinden den Pohlen friedshandelung zu tractiren,
damit ferner blutsvergieBung hindan gefetzett werden mue-
gen, habens aber dahin biB dahero nicht brengen k^nnen.
Wan Vns den wissend, das der Pohll Vnserm Reich durch
Ewre Stadt diese zeitthero nicht weinigk mit allerfeits
kriegs praeparation incommodiret, alB haben Wir Vns mit
Vnfer kriegs armadi, VnB vnd Vnferm Stath dadurch zu
verfichern, anhero fur diBmahll verfugen follen. Nuhn ill
VnB wiJTendt, das Ihr wie eine freye Teutfche Stadt zu
den Pohlen getretten, Wir auch mit Euch in einer Religion
begriffen, alB wollen Wir vngern, das durch diefe Vnfere
Kriegsmacht Ewre Stadt ruiniret werden folte, nur das
Wir von Euch vergewiffert, wie Wir hinfurtt zur beffern
correspondentz mit Euch gerahten vnd Wir vnd Vnfer
Stath ferner nicht dergestaltt verunruhett werden muegen.
Begehren derowegen, das Ihr zu VnB in Vnserm Lager
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die Ewrigen gestracks abfertigett vnd dadurch mit Vns
tractirett, wie ferner BlutsuergieBen miichte verhiittet vnd
abgewendett werden. Sein auch biB dahin geneigett, kein
Stucke fur Ewre Stadt zu riihren, fo fern ihr imgleichen
mit aller thatligkeitt einhalten werdet, hettens auch gleicher
geftaltt nechten gethan, wan ihr nicht auB Ewerer Stadt
zu VnB auBgebrandt. Sollett Ihr aber diefes Vnfers gne-
diges wolmeinen hindanseteen vnd Wir dahero getrongeu
werden, Vnfer belles kegen Eiich vnd Ewre Stadt zu ge-
brauchen, wollen Wir fur Gott vnd M&nniglich entfchul-
digett fein, defifals Wir von Euch hierauff fchleunigft bei
Zeigern befcheidts abwarten thnn.
Datum in Vnfern Veldtlager beim Miihlegraben den
. . Augusti Anno 1621.
2. Konig Qustav Adolf fordert Aelterleute und Ael-
teste der grossen und der kleinen Oilde und alle anderen
Einwohner und die ganze Stadtgemeinde auf ? Abgesandte
behufs Verhandlungen ins Lager abeufertigen. Muhl-
graben 1621 August 12.
Orig., Folio, ein Bogen, 3 beschriebene Seiten. Auf der 4.
Seite die Adresse: Denn Erbahren vnd Ehrfahmen Ynfern lieben
Befondern EHterleutten vnnd Eitisten der groBen vnd kleinen Gil*
ftauben vnd alien andern Einwohnenden Burgern vnnd gantzen Ge-
meinde Sambt vnnd Sonders in der Stadtt Riga. Darunter die
archivalische Notiz: Lectae 12. Aug. A 1621.
Wir Gustaff Adolff etc.
Vnsern gruB zuevor, Erbahre vnd Erfelune liebe Be*
fondere. Wir hahen dieBe zeit hero vielfalttigk Vnfer ge-
muhts meinang dahin gefetzet, wie Wir mit Vnfern Feindefc
den Pohlen zuer friedenshandelung gerahten, vnd damitt
ferner bluedsvergieBung verhuettet, aller zwift durch guet-
liche behandelung hingelegett werden rouegen. Wir habens
aber durch keine ertregliche mittell dahin brengen ktinnen,
Wan VnB dan wiflen[d], das der Pohll durch Ewre Stadtt
VnB vnd Vnfern Stath nicht weinigk diefe zeit hero yervn*
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397
ruhet, al6 haben Wir mit Vnfer Kriegsmacht neher anhero
Vnfl verfuegen vnd Vnfern Stath in beftem verflchern
wollen. Nun haben Wir anfangs Vnfer Regierung zue ver-
geblichen bluedvergiefien keine begierd getragen, weiniger
wollen Wir, das Wir soltten getrongen werden, Euch vnd
Ewer Stadt zue ruinieren, bevorab weilln Wir Vn[B] er-
innern, das Ihr anfangs wie eine Teutf[che] Stadtt zue den
Pohlen freywillich getret[ten] vnnd Vnfl mit einerley Re-
ligion verwand, dahero Wir an Ewrem Stadtt Rahtt ge-
fchrieben vnd Euch vnd alien Einwohnern ertregliche mit'
tell gezeiget, wodurch folches abgewendet vnd durch beBer
correspondentz Vnfler Stath von Euch hinfurt vorfichert
werden ktfntte. Wan aber vielleieht vntter Ewren Stadtt
Rahte etzliche muchten gefunden werdenn, fo vmb Ihres
privat Vortheils diefies Vnfers gnediges wollmeinen vnd
alle der Statt Einwohner wolfarth leichtHch kdntten hind-
anfetzen, alfl haben Wir auch diefies Euch gnedigk an-
deuten wollen, dafl Ihr neben Ewren Stadtt Rahtt die Ew-
rigen zue Vns in Vnser Veldlager abferttiget vnd mit Vnfl
tractieren laflet, wie Ewer Stadt ruin ktfnntte verfchonet
vnd Wir vnd Vnfer Stath dadurch von den Pohlen auoh
deflfals defto befler verfichert werden. Sollet Ihr aber
diefies Vnfer gnediges wollmeinen hindan setzen vnd mehr
liebe tragen, Euch vnd Ewre Stadtt durch den Jesuitri-
schen fch&dlichen Schwann nach wie zuevor verunruhen
vnd verfuhren zue laflen, vnd Wir kegen Euch Vnser beftes
zue gebraiichen foltten getrongen werdenn, wollen Wir fur
Gott vnd Menfchen endfchuldiget sein, vnd erwarttenn
hierauff bey Zeigern Ewre Cathegorifche refolution.
Datum in Vnferm Veldlager am Mullngraben, den . .
Augusti Anno 1621.
3. Konig Qustav Adolf verspricht den Aelterleuten
und Aeltesten der Schwarzen Haupter und alien anderen
fremden Kauflenten, Schiffern und Seefahrern in Rigck
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freies Qeleit, falls sie die Stadt verlassen und Zoll erlegen.
Muhlgraben 1621 August 12.
Orig., Folio, ein Bogen, 2 beschriebene Seiten. Auf Seite 4
die Adresse: Denn Erbahren Ynfern lieben Befondern Elterleutten
vnnd Eltiften der Schwartzen Heuptern vnnd alien andern Frombden
Kauff- vnd Handelsmannen vnd Gefellen, anch Schiffern vnd See-
fahrenden, wafier Nation diefelben auch fein, anitzo in Riga Sambt
vnd Sonders fich verhalttend, In Gemein. Darunter die Notiz : Lectae
12. Aug. A. 1621.
Wir Gustaff Adolff etc.
Vnfern gruB zuevor, Erbahre liebe Befondere. Wir
fein getrungen worden, zue mehrer verficherung Vnfers
St&ths, nachdemmahln bey Vnfern Feinden den Pohlen
keine guetliche tractaten helffen muegen, mit Vnser Armadi
naher Riga Vns zue begeben. Ob Wir nun woll Ewrein
Rahte vnnd absonders der Burgerfchafft in Riga durch
Vnfer Schreiben ertregliche mittel gezeiget, wie ferner
BludvergieBen vnd der Stadtt Ruin ktfntte abgewendet
werden, fo wiBen Wir doch noch zuer zeit nicht, ob die-
selben mehr liebe zue Ihrem verderb dann wollfarth zue
tragen gemeinet, vf denn fall aber, weilln Wir mit dem
frOmbden handelsman nichts feindlichs zue thuen, wollen
Wir Euch fampt vnnd fonders ermahnet haben, das Ihr in
der Perfohn zuer Stunde mitt Ewren Schiffen, guettern vnd
gelden auB der Stadt Euch erhebet vnd, wohin Euch ge-
liebet, abreiBet, mit diefem Vnferm gnedigen Verfprechen,
daB Ihr, wan Ihr den gebuhrlichen zoll bey Vnfer Rigi-
fchen Schantze erleget, von Vnfer Armadi in Ewrem ab-
vnd zuereiBen hinfurt in der Perfohn vnd Guettern nicht
follet worein beleidigt werden. Sollet Ihr aber dieBes
Vnfer gnediges wollmeinen hindan fetzen, habt Ihr vnd
Ewre Guetter mehr nichts dan Unfere feindliche Waffen
zue erwartten, welches Ihr vf folchen fall keinem dan
Euch felbiten bey zue meBen, vnd Wir wollen bey Mennig-
lich endfchuldiget fein.
Datum in Vnferm Veldlager beym Mullngraben den
. . Augusti Anno 1621.
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399
4. Erwiderung des Hathes namens der Stadt auf
die Zuschriften des Konigs vom 12. August 1621. Riga
1621 August 12.
Gleichzeitiges Eeferat, Manuscr. ad hist. Liv. V.
Auff diefe Schreiben hatt Ein Erb. Rath nach ge-
haltener beredung mit Elterleutten vnd Elteften diefen be-
fcheidt ertheilett, dass er wie auch alle andere Stande der
Stadt biB Dato nichts gethan oder gelassen, was fie als
gefprochene getrewe Vnderthanen der Kflnnigl. Maytt. vnd
Chron zu Pohlen wie auch GroBfurftenthumbs Littawen
Ihren Eiden, Pflichten vnd Ehrn nach nicht fchuldigh vnd
verbunden gewefen, ohn das auch diefe Stadt keinen
Menfchen in dem Ktfnnigreich Schweden einigerlei weife
gefehrett oder beleidigt, vnd was etwa hiefelbft in vorigen
Jharen gefchehn, in terminis legitimae defensionis paBiret
vnd furgangen, deffen fie bei Gott fembtlich ein gutt ge-
wiffen vnd verhoffentlich bei M&nniglich in der Weltt mehr
Ehr den VerweiB haben. Darumb diese gutte Stadt gahr
vnfuglich vnd ohne iehnige rechtm&ffige Vhrfach befchuldigt
will werdenn. Das aber E. Erb. Rath sambt Elterl. vnd
Elteften die Ihrigen geftracks ins Veldt Lager abfchicken
follen, vmb zu tractiren, zu beffer correfpondentz zu ge-
rahten, ill ein folch dingh, das ohne VorwilTen vnd willen
der Konnigh. Maytt. vnd Chron zu Pohlen wie auch des
GroBfurftenthumbs Littawen, dehnen diefe Stadt einmahll
subijciret worden, mit nichten geschehn kan. Derowegen
kan in diesem gefuch E. Erb. Rath fambt Elterl. vnd El-
teften nicht verwilligen, fo lieb Ihnen ift, bei Gott Ihre ge-
wiffen vnd bei aller weltt ihre Ehr zu bewahren, wiffen
auch keinen Menfchen in der gantzen burgerfchafft, der
anders gefinnett fein folle. Vnd haben die, fo Potentaten,
ein andres persuadiren vnd diefelbe auffwieglen, fehr weitt
gefehlett. Solte auch ein folches der billigkeitt nach nicht
der Stadt "angemutett werden. Sie wollen aber geftracks
folche brieffe an die htfchftgedachte K(5nnigl. Maytt. vnd
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400
Stande fo auff itzigem Reichstage, der auff fleiBiges bear-
beiten der Herrn Kflnnigh. commiBarien dieser feit durcb
die H. H. senatoren bei der KGnnigh. Maytt. erhalten vnd
den 23. diefes Stylo nouo angehett vnd drauff in specie
lautt der aufigefchickten vniversalen von Scbwedifchen
bandeln tractiret werden foil, auff fchleiiniger Poft ge-
langen laffen vnd druber resolution erw^rten, Sagen avich
Ihres theils nichts Liebers, den das der langwirige, betrnbte,
bluttige kriegb zwifcben fo nahe Verwante Potentate^
darzu fie Ihres theiles keine Vhrfach geben, deruiahleina
durcb beqwehme mittell mdchte niedergelegett werden,
Solte nuhn vber daB vnd diefem alien vngeachtett diefe
vnfchuldige Religions Verwante Stadt mit Wehr vnd
Waffen bedrengett werden, fo will ficb diefelbe auff den
Schuz des gerecbten Gottes, dehn fie allewege zum Richter
vnd fchuzhern gefetzet vnd deffen fie bochgenoffen em-
pfunden, ferner verlaffen vnd demfelben den AuBgangb be-
fehlen, auch alle Vnparteifcbe verftendige der weltt druber
vrtheilen laffen. In Vhrkundt haben Wir Vnfer Secret
Siegell vnterzudrucken befoblen.
Riga den 12. Augusti Anno 1621.
5. Konig Ghistav Adolf fordert nocfimals Bivrggrafen,
Bilrgermeister und Bath etc, auf, Delegirte behufs Ver-
handhingen uber die Unterwerfung der Stadt ins sehive*
dische Lager zn entsenden. Feldlager vor Riga 1621
September 2.
Orig., Folio, ein Bogen, eine beschriebene Seite. Auf der 4.
Seite die Adresse: Denn Erbahren Vnfernn Besondern Bwggraffen,
Burgemeistern, Stadt- vnnd Landt-Voigten, Cammerern vnd alien
Rahtts Yerwandten in Riga Sambt vnnd Bonders. Darunter die archi-
valische Notiz: Gelesen in publ. concilio 2. Septemb. A. 1621 die
Dominica.
Wir Gustaff Adolff etc.
Vnfern grufi nach gelegenheitt zuvor, Erbabre Be-
fondere. Weilln Ihr fur weinigk tagen fur augen gefehen,
wie Ewer Pollnifcher Succurfs davon gelauffen, vnd nu-
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401
mehr wahr geworden, waB Wir in Vnflerm vorigem Schreibeli
Each angedeuttet, dafl Ihr nehmblich keinen Bndfatz zue
hoffean, alB baben Wir zwar Euch in Bwrer Jegenwehr
diefe zeit h6ro hinfpielen laBen- Ob nun dahero vnd ohne
daB wol der Allmechtige Euch in Vnfler htade gegeben,
so sehen Wir demnach Goites bafehlig nach wie Ein
ChriMieher Potentat liebeir wegen der allgemeinen glau-
bensverwandiroB, daB Ewer Stadtt erhaitten, dan gentzlich
ruinieret werden soltte. Wollen derowegen noohmahbi auB
ChriMiohffin wolmeinend Efich ermahiiet haben, daB Ihr ge-
iiraeks die Bwrigen zue VnB herauBer in VnTer Lager
fchicket, mii VnB 2ue vntergebungh zu tractieren, vf folchen
fall zweiffelsohne deorgleaehen mittell beraumet werden
kOntten, wie Ihr bey Ewren Privileges vnd freyheitten zue
erhalfcten feid* Sollet Ihr aber bey Ewer Hallftarrigkeit
verharren, in meinunge, daB extremum belli abzuewartten
vnd Ewre Stadt, ja Weib vnd Kinder dem Soldatifchen
einfall vnnd drauff vnwandelbahres Vngelucke vberkomlnen
zue laBen, alB habt Ihr auch von nun an nichts mehr zue
erwartten, alfl waB der Eriegk in folchen Pellen allezeit
mit fich einzutragen pfleget. Wir aber wollen in allem fur
Gott vnd der weld numehr endfchuldiget fein.
Datum in Vnferm Vefld] lager fur Riga den 2. Sep-
tember Anno 1621.
6. Ablehnende Antwort de$ Bathes an den Konig.
Riga 1&21 September 4.
Gleichzeitiges Referat, Manuscr. ad hist. Liv. V.
Auff welch Schreiben ein Erb. Rath fich alBbald zu
refoluiren bedacht gewefen, wen nicht Jlracks liach der in-
finuation eben bei verlefung vnd drtiber angeitelleten noth-
wendigen deliberation vber dem vielf<igen vbetmeffigen
fehiefsen ddr glnenden Kugeln auch ein feindtlicher ge-
fehrlichefc anfall in der Stadt Veftung vnd mauren ge-
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402
fchehen, vnd ob wol ein Erb. Rath daher befugt, mit dem
Bringer anders zu procediren, so hat er dennoch des lin-
deften weges gehen vnd das zugefagte Quartier halten,
auch folgenden auff gewiffen, ehr, recht vnd billigkeit ge-
grundeten befcheid vnd andtwort krafffc diefes fur lich felhft
vnd im nahmen der obgedachten Elterl. vnd Elteften beider
Gulden, ia der gantzen Burgerfchafffc auBgeben laflen wollen.
Das obs wol offentlich am tage, das der feindt der fchrifft-
lichen andeutung nach es bifhero an alien vnd ieden feind-
lichen gefehrlichen beginnen, furnehmen vnd thaten mit
berennen, graben, fchantzen, fchieffen, feuerwercken, miniren
vnd anlauffen an ihm nichts ermangeln laffen, fondern alles
das vngefpartes fleiffes iedesmal fiirgenommen was zum
verterb vnd bezwingung diefer Stadt ihm furtreglich ge-
daucht, dannoch das alles vom Erb. Rath, Elterl. vnd
Elteften vnd der gantzen Burgerfchafffc fo weit nicht em-
pfunden vnd angefehen werden kdnnen, das fie dahero vnd
vmb deffen willen fur Gottes vnd der Weldt Gericht ent-
fchuldiget vnd innigerlei weife geneigt oder gemeint fein
folten, Ihre der K(5n. Mtt. vnd lablichften Polnifchen Reip.
einmahl mit guten rath vnd wolbedacht gethane vnd mit
anruffung vnd bezeugung des hochgeehrten Nahmens Gottes
mehrmahlig befeftigte vnd verbundene trew vnd hulde eid-
briichig zu fchwechen, der Lutherifchen Chriftlichen Religion
vnd Teutfcher werden Nation bei alien andern Religion-
vnd Nation- Verwandten gefehrlich zu ergernn vnd prae-
grauiren. Konnens auch nicht dafur halten, das Gott der
herr, der ein grawen an vngerechten kriegen vnd blutver-
gieffen hat, ein folch decretum der vbergebung vnd vnter-
lage, wie in diefem fchreiben angezeiget vnd gerlihmet
wird, vber fie gefchloffen vnd verhengt haben solle. Dem-
nach magk E. E. Rath, die Elterl. vnd Eltiften wie auch
gantze Burgerfchafffc, fo lieb ihnen ihr gewiffen vnd ehr
ift, in folch begehren, wan auch kein einiger Menfch wegen
der KOn. Mtt. ihres gnedigften herrn vnd der Repub. fie
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403
entfetzen solte, nicht verwilligen, fondern muffen vnd wollen
fambt vnd befonders nach den Vhrkunden vnd griinden
des offenbarten willens Gottes in den fchrancken ihres be-
ruffs vnd der K5n. Mtt. vnd Chron zu Pohlen fo anch
GroBfurftenthumb Littawen fchuldiger treu vnd hulde bis
ans ende beftendigft vcrbleiben vnd de caetero die gerech-
tigkeit vnd den willen Gottes in diefer fach, drin fie vnd
die Chron Polen fich allerdings vnfcbuldig wiffen, regiren
vnd walten laffen, vnd was druber der Allmechtige Gott
nach feiner prouidentz erfolgen left, mit guttem gewiffen
erwarten vnd auBtauren. Vhrkundlich hat B. E. Rath
diefen befcheid mit der Stadt Infiegel zu beglaubigen
befohlen.
Actum Riga den 4. Septemb. Anno 1621.
7. Konig Gustav Adolf richtet eine nochmalige kate-
gorische Aiifforderunp an Barggrafen, Bilrgermeister and
Bath etc., die Stadt ihm z\i Ubergeben. Feldlager vor Biga
1621 September 12.
Orig., Folio, ein Bogen, eine beschriebene Seite. Auf Seite 4
die Adresse: An Burggraffen, Burgemeistern, Stadtt- vnd Land-
voigten, Cammerrern vnd femptlichen Rahtts verwandtten der Stadtt
Riga Sambt vnnd fonders. Darunter die Notiz: Gelefen in publico
consilio 12. Sept. A. 1621.
Wir Gustaff Adolff etc.
Vnfern gruB nach itziger gelegenheit zuevor, Erbahre
Befondere. Ob Ihr wol nach menfchliger art felber ab-
fehen ktinnet, daB Euch fall alle Defension mittel be-
nommen, dahero Ewre Stadt VnB nicht entgehen kan, Wir
auch wol es dahin billig kommen laBen follen, dennoch
haben Wir alB Ein Chriftlicher Potentat "zue verhuettungh
ferner bludtvergieBens Euch nochmahln ermahnen wollen,
daB Ihrs zum euflerften verderb mitteln nicht kommen noch
vff Ewre Weiber vnd Kinder VnBer Eriegesmacht laden
laBet, Befondern VnB Euch nochmahln bequemen wollet.
Wo nicht, habt Ihr aller Vdlcker ard nach mehr nichts
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404:
im auflganck, dan daB Jennige zue erwarten, waB der
Kriegk in gemeinen einfal pflegett eintragen, Ihr aber
habts alfldan fchwerlich zue VerandWortten, WaB Wir
bey Menniglich wollen jederzeit entfchuldiget fein, vnd
Ihr Burgemeifter vnd Bahtt follet rechnung geben ftir
daB vnfchuldige bludt, fo vf beyden Seitten pleiben
wird, vnd da Wir durch beyiiaiid deB Allndecbtigen mit
VnBer Kriegsmacht die Statt erobert, eB mit Ewren HftlBen
befcatden, weillii Ihr alleine die Vrsache feid, daB wieder
alien Kriegsgebrauch VnB die Stadt anitzo, da Euch vnd
der Statt Einwohnern gnade bezeigett Werdefc kdntte, vor-
enthalten wird.
Datum inn Vnferin Veldlager fur Riga den 12. Sep-
tembris Anno 1621.
<9. Ermderang des Rathes auf die Zuschrift des K'6-
nigs. Riga 1621 September 12.
Gleichzeitiges Referat, Manuscr. ad hist. Liv. Y.
Auff welch Schreiben E. Erb. Raht fich in begehrter
frift 1 ) refoluiren wollen, wan es nicht an dehme, daB diefe
Sache ihrer wichtigkeit nach nicht allein vermuge der vhr-
alten verfaften Regiementsordnung mit Elt. vndt Eltften
beider Gildeftuben vnd der ganzen Gemeinen Biirgerfchafft,
sondern auch den Schloffverwefer vnd andern alhie ver-
firenden LandfaBen vnd KdnigL Rittmeiftern beredet, er-
wogen vnd gefehloBen werden mufte, demnach weiln hiezu
diefer termin zue enge, so will hiemitt E. E. Raht vmb
inducien vnd Quartier auff 3 tage lang, nehmblich biB auff
den 15, diefes glocke 5 zu Abendt angehalten haben, der
vngezweiflfelten hoffnung, ee werde diefer kurze termin
Ihnen nicht verweigertt vnd abgefchlagen werden, vnd in-
terim fich mit fchliefllicher refolution vernehtnen laBen,
i) 6 Stunden.
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l05
•will auch, daferne mittlerweil das Schieflen vnd andere
feindliche attentaten iehner feiten eingeftellet werden, die
gleicheit halten vnd hierauff eine fchrifftliche erklehrung
bei Zeigern Ihren abgefchickten Trombter erwarten. Vhr-
kundlich ift dieB mitt der Stadt Infiegel zu befeftigen
befohlen.
Datum den 12. vmb 7 Vhr vffu Abent.
9. Gustav Adolf will den Waffenstillstand bis zum
13. September 1621 5 Uhr zugestehen. Feldlager vor Riga
1621 September 12.
Gleichzeitige Copie, Matmscr. ad hist. Liv. V.
Wir Gustaff Adolff etc.
Vnsern gruB nach gelegenheit zuevor, Erbahre Be-
fondere. Auf Vnfere an Euch gethanes Schreiben haben
zuer wiederandwortt Wir nicht ohne fonderbahren woll-
gefallen vernommen, daB ewer vorftehende gefahr Ihr vmb
ein etwas mehr, alB fur hin gefchehen, betrachtend, Euch
noch in einige Tractaten mit VnB einlaBen wollen, dabey
Vns gleichwoll nicht allerdings der lange anflffchub vnd die
gefuchte tergiverfation deB dreytagigenn Stilleftandes be-
haglich, angefehen dadurch VnBer furnehmen im fall (daB
Wir doch nicht hoffen noch Ewrenthalben wunfchen) ihr
vielleicht, wie biBhero gefchehen, weittere vnndhtige auB-
fluchte an die hand nehmen folltet, nicht weinich ver-
hindert wurde, auch fonften dergleichenn an keinem ortt,
viel weiniger bey Vns herkommens, daB bey fothanen ge-
ftaltten Sachenn vnd in folchen extremis ein fo langer
Terminus dem Feinde geftattet werde. Damit aber gleich-
•wol Vnfere gnade vnd gueten willen Ihr fo viel VnB fur
dieBmahl mueglich zue erfpueren, haben auf obbemelts
Ewer vntertheniges begehren Wir biB Morgen Abend vmb
5 Vhr den von Euch gefuchten Stilleftand bewilligen
wollen, dafur haltend, daB mittlerweile Ihr zeitts genuck
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 4. 27
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40&
Ewerer Sachen belles mitt Eltterleutten vnd Eltiften beyder
Gilftuben vnd der gantzen gemeinen Burgerfchafft zue er-
wegen, auch keine fonderbahre verlengerungh bedurffet,
mit SchloBvorwefern vnd den bey Eiich residierenden
LandfaBen, auch KGnigl. Rittmeiftern, al6 welche Theils
weinich oder gar nicht vorhanden, theils aber vf eigene
Mittell fur lich felbft zue tractieren gedencken muegen, zue
deliberieren. Wir verfehen VnB demnach, Ihr werdet die
Euch angebottene gnade, alB welche (deBen Wir den htf-
heften Gott zue zeugen nehmen) eintzigk vnd allein auB
einem Chriftlichem mitleiden, fo Wir zue Euch tragen, her-
rueret, vnd zue verhuettungh Ewers entlichen vntergangs
von VnB angefehen, weilln Sie Euch noch werden magh,
annehmen vnd vf folchen fall Euch ferner aller gnedigen
affection zue VnB verfehen. Die begehrte Cefsatio armorum
fol bey VnB vnd von den Vnferigen, wofern Sie anders
von Euch angenommen vnd vf Ewrer Seitten dergleichen
gefchicht, vnverbruchlich gehaltten werden, welches, wie
auch daB obige morgendes tages in aller fruhe VnB zue
berichten Ihr keine auBfluchte fuchen, fondern durch die
Ewrigen verftendigen laBen wollet.
Datum in Vnferm Veldlager fur Riga den 12. Sep-
tember Anno 1621.
10. Der Rath nimmt das vom Konig gebotene Qiiar-
tier an. Riga 1621 September 13.
Gleichzeitige Copie, Manuscr. ad hist. Liv. V.
Ein Erbar Raht der Kdnigl. Stadt Riga erklehret lich
hiemit nach empfahung vnd verlefung des eingebrachten
Schreibens zu beftande, daB Er lflblichen Kriegsgebrauch
nach quartier halten, die Sache mit den fembtlichen Standei*
vnd anderen angehOrigen deliberiren vnd iegen den Abent
darauff refolution zuekommen laBen will. Vhrkundlich etc.
Datum Riga den 13. Septemb. Ao. 1621.
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407
11. Konig Gustav Adolf bewilligt der Stadt Riga den
erbetenen Waffenstillstand bis zum 13. September 1621
nachmittags 5 Uhr. Feldlager vor Riga 1621 Septbr. 13.
Orig., Folio, ein Bogen, eine beschriebene Seite. Auf Seite 4
die arcfiivalische Notiz: Befcheid von vnferm Trommetern einge-
bracht. Gelefen in publico consilio a meridie 13. Septemb. A. 1621.
Riga, Stadtarchiv. Dieses Sclireiben wurde zu unbekannter Zeit,
wanrscheinlich schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts, dem Raths-
archiv entfremdet und gelangte in die Sammlungen D. F. Fehres,
nahm von hier aus den Weg nach Leipzig, um, zu Anfang der
siebziger Jahre seitens des Rigaschen Raths von einem Leipziger
Antiquar um zehn Thaler erhandelt, nach vielen Jahrzehnten an
seinen alten Bestimmungsort zuruckzugelangen.
Die Konigl. May. in Schwedenn bewilliget mit der
Stadtt Riga, fo fich ebenmeBigk in Schrifften dazue aner-
bieten thued, biB vff den Abend vmb 5 Uhr Quartier zue
haltten, doch dergeftalt daB alfdann Ein Erb. Rahtt vnd
Burgerfchafft Ihr Deputierte herauBer ins Lager fchicken, mitt
Ihr Kdnigl. May. zue tractieren, welchen hiemitvon Ihr Konigl.
May. frey ficher geleyd ab vnd zue kraft dieBes ver-
fprochen wird, allermaBen vf alien fall mit Ihr Kdnigl.
May. Abgeferttigten eB gleicher gellaltt von Einem Erb.
Rahtt foil gehaltten werden. Da nun hierein Dieselben zue
willigen bedacht, so wird E. Erb. Rahtt zeittich Ihr Ktfn.
May. folches wiflen laBen, vf daB dieselb auch Ihre Sachen
darnach richten vnd die Abgeferttigten der Stadtt gebuhr-
lich empfahen muege.
Signatum vnter Ihr Ktfn. May. Handtzeichen vnd
Infiegell, im Veldlager fur Riga, den 13. September
Anno 1621.
12. Der Rath bittet den Konig tim 24 Standen Auf-
schxib. Riga 1621 September 13.
Gleichzeitige Copie, Manuscr. ad hist. Liv. V.
Der geftrigen vnd heutigen erklehrung zufolge hatt
E. E. Rath diefer Stadt heutigs tages keinen fleiB ge-
fpahret, mit den Standen vnd andern in geftrigem be-
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408
fcheide benannten Perfohnen, mit dehnen diefe Stadt der-
maffen verbunden, daB einer ohn den andern nicht fchlieffen
kan, getreulich vnd forgfeltig vber den einhalt des eodem
vnterm Ktoigl. Schwedifchen titul, handzeichen vnd fiegel
eingefchickten dritten fchreibens zu communiciren vnd fich
einer gewiffen meinung zu vereinigen, allein zu dem ende,
damit ferner blutfturtzung vnter Religionsverwandte Chriften
vermitten vnd abgefchafft werde. Es ift aber E. E. R.
vnmiiglich gefallen, wie gern derfelbe auch gewolt, folche
wichtige deliberation in der engen zeifc zu fchlieffen. Hier-
umb E. E. R. abermaln belles fleiffes angefucht haben will,
aus eben dehnen im felben fchreiben angezogenen Chrift-
lichen hohen motiven vnd vrfachen die gegebene frill noch
vff 24 ftunden vnd alfo biB morgen auff den abendt glocke
5 zu extendiren vnd mitlerweile loblichen Kriegsgebrauch
nach in folcher maffe auffrichtig Quartier halten zu laffen,
das nicht allein ab armis cefsiret, fondern auch der Stadt
feftung in wehrendem ftillllandt nicht zu nahe getreten
noch auch die, graben gefullet, briicken vbergefchlagen
oder fonft ieniger vorteil eingenommen werde. Vnd ift
E. E. Rath^ auff dem fall folches bewilligt wirdt, redltch
zu correspondiren vnd immittelft eine einmiitige richtige
refolution einzufchicken bedacht vnd erbdttig. Es erachtett
aber E. E. R. fur hochnOtig fein, das zu defto licherer
fortfetzung der tractaten vblichem gebrauch nach zu beiden
theilen Gifelen gegeben vnd eingefchickett werden. Wan
nun dazu verwilligt vnd wer anhero eingefchicket werden
foil fambt der zeitt vnd ftelle der permutation specificiret
wirdt, wil E. E. R. gleicher weise die feinigen aus alien
ftenden nennen vnd abordnen vnd fich reciproce zu aller
gebiirender licherheitt obligiret vnd verbunden haben, eines
fchrifftlichen befcheidts hieriiber erwartend. Vhrkundlich
ift mit der Stadt Infegel zu befeftigen befohlen.
Datum Riga den 13. Septemb. Anno 1621.
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409
13. K'&nig Oustav Adolf bewilligt der Stadt Riga
einen Waffenstillstand bis zum 13. September 1621 nach-
mittags 5 Uhr. Feldlager vor Riga 1621 September 13.
Orig., Folio, ein Bogen, 2 beschriebene Seiten. Auf Seite 4 die
Adresse: An Buregraffen, Btu^emeiftern, Stadtt- vnd Landt-Voigten,
Cammerern vnd Sembtlichen Rahtts-Yerwandtten der Stadtt Biga
Sambt vnd Sonders. Darunter die Notizen: Gelefen 13. Sept. A. 1621.
und: Hae literae refcriptae funt 12. Augull. [!J ferme fub noctem ad
litems noftras hora 7 vespertina ejusdem diej in eaftra mifsas.
EB haben Ihre Kdnnigl. Maytt. zue Schweden Eins Erb.
Raths der Stadt Riga fchreiben empfahen, darauB ver-
ftanden, das derfelb zue ferner deliberation noch 24 Stunden
Quartier zue halten begehren, wan aber Ihre Kdnnigl. Maytt.
drein keines weges verwilligen kdnnen noch wollen, alB
begehren Ihre Kdnnigl. Maytt., daB Ein Erb. Rath morgendes
tags, wiirdt fein der 14. huius, vmb 12 Vhr Ihre GieBeler,
Einen Burgermeifter, Thomam Rahmen, Rathuerwanten oder
Ihren Syndicum vnd von der groflen vnd kleinen Gilde-
ftuben Elterleutte infl Lager fchicken, mit Ihr Kdnnigl. ,
Maytt. geftracks zu tractiren, alBdan diefelb geftracks hin.
wiederumb Ihren hoffmarfchalen, die Geftrengen, Edlen
vnd Veften Schwante Bannier vff DuerBholm vnd EkeneB
Ihren Obriften vnd Gubernatorn in Ingermanlandt, Heinrich
Fleminck vfF Lechten ErbBaBen vnd Ihren Secretariuin
Paulum Szpandkon zue Giefelers in die Stadt zue fchicken
vnd gleichsfals dafelbften zue tractiren geneigt fein,
vff conditionen wie vnter beiden Seiten alBdan be-
handeltt werden kan, da dan hoffentlich fich finden wiirdt,
das kein ferner vfffchub wurdt von ndten fein, vnd kan
hiezu der ordt bey Ewer Marftal-Pforten zue der VnBerigen
ankunfft gefetzett werdenn. Immittelll da die Stadt mit be-
fellen vnd arbeiten wiirdt einhalten wollen, folches gleicher
geftaltt Ihr. Kdnning. Maytt durch die Ihrigen vnterlaffen,
wo nicht, da gleichwoll der eine den andern zur arbeitt
vnd Jegenanfertigung reciproce veruhrfachen folte, foil
demnach hiedurch das Quartier von beiden theilen vnuer-
briichlich gehalten werden. Signatum vnter Ihre Kdnnig.
Maytt. handtzeichen vnd Infiegell.
Im Yeldtlager fur Riga den 13. Septemb. Anno 1621.
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Die Livlander auf der Universitat Bologna
1289—1562.
Yon Philip? Schwartz.
(Vorgetragen in der Bitzung vom 8. November 1889.)
Auf Beschluss der fur die Savignystiftung von der
Koniglich preussischen Akademie der Wissenschaften nieder-
gesetzten Commission sind mit besonderer Unterstiitzung des
verstorbenen Kaisers Wilhelm die in dem Hausarchiv der
Familie Malvezzi aufbewahrten Reste der Acten der deut-
schen Nation der Universitat Bologna unter dem Titel:
Acta nationis Germanicae universitatis Bononiensis ex ar-
chetypis tabularii Malvezziani. Jussu instituti Germanici
Savignyani ediderunt Ernestus Friedlaender et Carolus
Malagola. Cum quinque tabulis. Berlin. Georg Reimer
1887. Pol. zum Druck beftfrdert worden. Dabei hat sich,
wie dies auch in der Vorrede ausgesprochen wird, das Be-
diirfniss herausgestellt, die dem Abdruck beigefugten pro-
visorischen Indices der Personen- und Ortsnamen in dem
den Anforderungen der Wissenschaft entsprechenden Urn-
fang nachtraglich zu vervollstandigen und mit den nGthigen
Belegen zu versehen. Mit dieser weiteren Arbeit ist Herr
Dr. Knod, Gymnasial-Oberlehrer in Schlettstadt i. E., be-
auftragt worden. Zur Durchfuhrung der Aufgabe ist die
Localforschung der einzelnen in Betracht kommenden Ge-
biete herangezogen worden. Ich erklarte mich bereit, die
Livlander zu bearbeiten. Nach Vollendung der Arbeit
wurde sie Professor Pernice in Berlin, einem der Mit-
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411
glieder der genannten Commission, iibergeben, der sie dann
Dr. Knod iibermittelte. Von diesem erhielt ich brieflich
die Aufforderung, den Aufsatz vorher in einer baltischen
Zeitschrift drucken zu lassen, damit er, wie er sagte, meinen
Landsleuten in erster Linie zu Gute komme.
Da die Redaktion des Unternehmens nach einheitlichen
Gesichtspunkten durchgefiihrt und dabei schwerlich die Aus-
fuhrlichkeit, mit der die Livl&nder behandelt sind, gestattet
sein wird, eine solche aber fur livlandische Verhaltnisse
wohl von Interesse sein kann, so machte ich von dem An-
erbieten Gebrauch und legte die Arbeit, wozu ich mich
ohne Weiteres nicht fur befugt hielt, der Gesellschaft vor.
Sie wird hiermit dem Druck iibergeben, aus dem Dr. Knod
entnehmen mag, was ihm gutdunkt.
Der verstorbene President der Gesellschaft, Biirger-
meister Bothfiihr, hat auf der Januarsitzung des Jahres
1888 (Sitzungsberichte a. d. J. 1888, S. 4) nach den Acta
nationis Germanicae etc. die auf der Universitat Bologna
studirt habenden Livlander aufgefuhrt, ohne aber den ein-
zelnen Namen genauere biographische Notizen hinzuzufugen.
Auch habe ich nach Durchmusterung des ganzen Werke3
gegeniiber den 26 Namen, die Bdthfiihr hat, 37 aufzuweisen,
von denen allerdings einige zweifelhaft sind.
Was die Ausgabe anbetriflft, so riihrt der erste Theil
der Vorrede, welcher iiber die benutzten Handschriften,
wie iiber die bei der Ausgabe befolgten Grundsatze Aus-
kunft giebt, von Dr. Friedlander, KOniglichem Staatsarchivar
in Berlin, her, wogegen der zweite Theil, der eine ge-
schichtliche Darstellung der Stellung der deutschen Nation
an der Universitat enthalt, den kdniglichen Staatsarchivar
zu Bologna und Entdecker der Handschriften, Dr. Carlo
Malagola, zum Verfasser hat. Der Text enthalt: 1) die
Statuten der deutschen Studenten, 2) die Privilegien, nam-
lich das Privilegium Kaiser Karls V., das er zur Zeit seiner
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412
Kaiserkrftnung in Bologna ertheilte, und die Privilegien
der Papste seit Clemens VII., 3) die Annalen und 4) In-
strumenta, die zerstreut in den Annalen sich finden, aber
an besonderer Stelle abgedruckt wurden, altere Privilegien,
Satzungen, Rechenschaftsberichte , Inventarvereeichnisse,
Wahlprotokolle, Kaufbriefe, Schuldscheine enthaltend. Den
Beschluss bilden die Register: ein Orts- und Personen*
register vereinigt und ebenso ein Wort- und Sachregister,
bearbeitet von Dr. Friedlander.
Den hervorragendsten Theil der Ausgabe bilden die
sogenannten Annalen, eigentlich nur Jahresrechnungen der
Nation. Die deutschen Studenten 1 ) besassen zur Bestreitung
der gemeinsamen Ausgaben eine eigene Kasse. Jahrlich
versammelten sie sich, gewflhnlich am Dreiktoigstage, in
der Kirche St. Fridiano, wo die gemeinsamen Gottesdienste
abgehalten wurden, zur Wahl der neuen Vorsteher, der so-
genannten Procuratoren. Zu dieser Wurde sind auch nicht
wenige Livl&nder gelangt, Bei der Wahl der neuen Pro-
curatoren mussten die abtretenden genaue Rechnung iiber
die Einkunfte und Ausgaben wahrend ihres Amtsjahres ab-
legen und den Kassenrest nebst dem ubrigen VerraOgen
der Nation ihren Nachfolgern ubergeben. Solche Jahres-
rechnungen enthalten die Angabe des Jahres, der Wiirden-
trager der Nation w&hrend desselben, die Namen der neuen
Mitglieder, deren Beitr&ge, die gemeinsamen Ausgaben und
nicht selten auch geschichtliche Nachrichten, so dass sie
*) In Bologna existirten gewissermassen drei von einander getrennte
Universitaten: die der Juristen der Citramontanen und die der
Juristen der Ultramontanen (seit dem Anfange des 13. Jahrh.)>
wozu sich spater die Universitat der Mediciner und Artisten ge-
sellte (seit 1268). Jeder stand ein Rector vor, der von den Na-
tionen gewahlt wurde. Unter diesen war die deutsche die be-
riihmteste und zahhreichste, welche mit den weitgehendsten Pri-
vilegien ausgestattet war. Jeder Student musste sich der Nation,
zu der er gehorte, zuschreiben lassen, wobei der Geburtsort, nicht
der jeweilige Wohnort, massgebend war.
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413
auch das Namensverzeichniss wie die Jahrbucher der deut-
schen Studenten vorstellen k&nnen* Der erste Band der
Annalen umfasst die Jahre 1289—1657 (der zweite ist ver-
loren gegangen), die Ausgabe reicht aber bis zum Jahre
1562, so dass die Nachrichten fiber diese letzten Jahre aus
dem ersten Bande der Matrikel, die grtfsstentheils nur ein
spfcter Auszug aus den Annalen ist, abgedruckt werden
mnssten; aus derselben stammt auch das angehftngte Frag-
ment einer Doctorenmatrikel. Mit dem Jahre 1562, in
welchem die deutsche Nation aus Bologna nach Padua aus*
wanderte, von wo sie erst 1573 zuruckkehrte, endet das
Werk 1 ).
1291.
1. (?) Dominus Hermannus de Osenbrucken XII solidos*).
S. 38, 34.
Vielleicht den Livlandern zuzuzfthlen. Ein Hermannus
v. Osenbrugge war Bischof von Oesel. Als solcher ist
er zuerst genannt am 30. April 1338 und zuletzt wird
er erwahnt: 1362, Juni 10 (s. Est- und Livlandische Brief-
lade, 3. Theil, S. 235 f.). Sollte dieser identisch mit dem
Obigen sein, so musste er freilich ein sehr hohes Alter
erreicht haben.
1304.
2. Dominus Engelbertus de Estonia XL solidos. S. 55, 45.
Bdthfuhr in den Sitzungsberichten der Gesellschaft a. d.
J. 1888, S. 4 hat bei diesem Namen an den spateren Bischot
von Dorpat (1323—1341) und Erzbischof von Riga (1341
bis 1348) Engelbert von Dolen (Brieflade 3, S. 167 t und
*) Naheres s. im „Korrespondenzblatt des Gesaramtvereins der deut-
schen Geschichts- und Alterthumsvereine" 1890. Vortrag, ge-
halten von Dr. G. Knod anf der Generalversammlung des Ge-
eammtvereins zu Metz am 10. September 1889: Acta nationis
Germanicae universitatis Bononiensis.
2 ) Der solidus betrug 12 Denare (Bolognini, Bononeni etc.). S. S. 35,
Anm. 2, u. S. 502.
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414
343 ff.) gedacht. Zu dieser Annahme sind jedoch bei dem
Mangel jeder naheren Bezeichnung zu geringe Anhalts-
punkte vorhanden, ausserdem verdient, wenn aueh nicht als
entscheidender Grund, hervorgehoben zu werden, dass bei
dem Namen nicht, wie es h&ufig, wenn auch nicht immer in
richtiger Weise (s. S. XIII), und auch vielfach bei den
Livl&ndern vorkommt, von anderer spaterer Hand hinzu-
gefugt ist, dass der einstige Zdgling der Universitat nach-
her em bischtffliches oder erzbischcrfliches Amt bekleidet
habe. Vielleicht kann an Engelbertus, 1316 Rathsherr
in Reval, gedacht werden (s. Bunge, Revaler Raths-
linie. 1874. S. 53 u. 93). Ein dominus Engelbertus er-
scheint auch im Jahre 1317 in Reval (s. Das alteste Witt-
schopbuch der Stadt Reval (1312 bis 1360), herausgegeben
von L. Arbusow. 1888. S. 14, n. 112).
3. Dominus Burchardus de Estonia XXX solidos. S. 55, 46.
Ueber diesen Namen vermag ich nicht einmal eine
Vermuthung auszusprechen.
1327.
4. Frater Gerhe(a)rdus de Dron ordinis fratrum Theutoni-
corum de provintia Livonie XXX solidos. S. 88, 5. Derselbe
war im Jahr 1328 Procurator der deutschen Nation in
Bologna. S. 88, 24 u. 29.
1334.
5. A domino Frederico de Livonia Rygensis dyocesis VIII
solidos. S. 93, 47.
An den Erzbischof Friedrich von Riga (1304, 21.
Marz — 1341, vor 18. October. Brieflade 3, S. 163 ff.)
kann nicht gedacht werden. Obgleich viele Geistltche
hoherer Grade und in vorgeriickterem Alter sich in
Bologna immatriculiren liessen, so ist mir doch nur ein
Mai begegnet, dass auch ein Bischof das gethan hat (s. S.
215, 16; vielleicht ist auch noch S. 149, 5 heranzuziehen).
Sollte aber Erzbischof Friedrich, der schon seit einer Reihe
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415
von Jahren am papstlichen Hofe in Avignon lebte, sich
1334 wirklich der deutschen Nation als Student haben zu-
schreiben lassen, so ware dabei, bei der Genauigkeit der
Annalen in dieser Hinsicht, unzweifelhaft seine hohe geist-
liche Stellung mitangegeben worden. — Es steht nicht
einmal fest, ob unter dem angefuhrten Namen iiberhaupt
ein Geistlicher zu verstehen ist, denn der Ausdruck „Ry-
gensis dyocesis" kannte auch dahin gedeutet werden, dass
der Immatriculirte aus dem Gebiet der Rigaschen Didcese
stammte. Bei der Immatriculation Johannes Blankenfelds
ist auch „Brandenburgensis diocesis" angegeben und doch
scheint er damals noch keine geistlichen Weihen erhalten
zu haben (s. sp&ter). S. auch das fiber Johannes Wallen-
rode Beigebrachte.
1368.
6. Dominus Wynricus de Knyproden canonicus Maguntinensis
XL solidos. S. 131, 8. Er war fur das Jahr 1374 Pro-
curator. S. 137, 3, 393, 18 u. 39. Hier genannt: Wynricus
de Knyprode Maguntinensis necnon Sancti Pauli
Leodiensis ecclesiarum canonicus.
Als Canonicus von Mainz und St. Paul in Liittich
erscheint Winrich von Kniprode urkundlich in den Jahren
1372 und 1377 (s. Voigt, Geschichte Preussens, 5, S. 88,
Anm. 1 u. S. 243, Anm. 1). Er war ein Neffe des
gleichnamigen Hochmeisters des deutschen Ordens (1351
bis 1382). Aus einigen Briefen des letzteren an den
Papst Urban VI., die im Interesse seines Neffen ge-
schrieben sind, erfehrt man Genaueres fiber denselben,
speciell fiber seine Studienzeit (s. livl. Urkundenbuch
3, nn. 1145, 48 u. 49, alle ohne Datum. Der Heraus-
geber hat die erste Urkunde ins Jahr 1379 gesetzt, die
beiden anderen: um 1379, cf. Regesten nn. 1355, 58 u.
59. Urk. 1145 kann aber friihestens 1380 erlassen sein;
s. Brieflade 3, 351, Anm. 1, cf. auch 350, Anm. 1).
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416
Er studirte zuerst in Bologna und begab sich dann,
nachdem sich die Stadt gegen den p&pstlichen Stuhl er-
hoben hatte, nach Orleans zur Beendigung seiner Studien.
Hier, wo er, wie sein Oheim ruhmend hervorhebt, unter
den Deutschen als der Erste gait, erlangte er den Grad
eines Licentiaten des Civilrechts, kehrte aber, wegen der
dortigen Auflehnung gegen den Papst, nach Bologna zu-
rfick, wo er das canonische Recht studirte. So mnss er zu
zwei verschiedenen Zeiten in Bologna studirt haben nnd
zwar das erste Mai sehr lange. Im Marz 1376 folgte Bo-
logna dem Beispiel anderer St&dte des Eirchenstaates und
erhob sich gegen die Papstherrschaft, die ihren Sitz (mit
kurzer Unterbrechung unter Urban V.) immer noch in
Avignon hatte. Die Polge war das Interdict uber die
Stadt und die Suspension der Universitat, worauf die Stu-
denten Bologna verliessen (s. Acta S. 139). In dieser Zeit,
1376 oder 1377, wird Winrich nach Orleans ubergesiedelt
sein. Jedoch ist er von 1368 — 1376 nicht ununterbrochen
in Bologna gewesen. Am 20. October 1372 wird er als
Zeuge in einer in Preussen ausgestellten Urkunde auf-
gefuhrt (Voigt 5, 243, Anm. 1). Als dann im Juni 1373 die
Pest in Bologna zu wiithen begann, verliessen die Studenten
die Universitat, an der bis zum November des Jahres nicht
gelesen wurde (Acta S. 136). Zuruckgekehrt, ist dann
Winrich fur das Jahr 1374 zum Procurator erwahlt worden,
— In Orleans wird er bis Ende des Jahres 1378 geblieben
sein. Am 9. April 1378 wurde zum Papst Urban VI.
erwahlt, der seinen Sitz zu Rom nahm, w&hrend der Gegen-
papst Clemens VII. (seit 21. September 1378) in Avignon
residirte. Der deutsche Orden hing Urban VI. an (s. Voigt
5, 350), wahrend die Pranzosen sich fur Clemens VII. er-
klarten.
In Orleans hatte Winrich bei Erlangung der Licen-
tiatenwurde den Eid ablegen mussen, dass er nicht anderswo
die Doctorwiirde erwerben und nicht einmal beim Papst
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417
um Dispensation davon nachsuchen wolle. Der Hoch-
meister bittet deshalb den Papst (Urban VI.), er mdge
Winrich durch die ihm innewohnende Macht aus eige-
nem Antriebe dispensiren und demselben gestatten, in Bo-
logna den Doctorhut zu erwerben (es ist von dem des
Civilrechts die Rede, w&hrend der Hochmeister in einem
anderen Briefe schreibt, dass sein Neffe in Bologna das
canonisehe Recht studire). Auch das beriihrt der Hoch-
meister, dass sein Neffe von der ihm durch papstliche Ver-
leihung zu Theil gewordenen Pfriinde in der Mainzer Kirche,
weil er sich auch dort der Opposition gegen den Papst
nicht habe anschliessen wollen, keine Priichte gezogen habe.
In Erwagung dessen mdge der Papst, wenn die Gelegen-
heit sich darbiete, den Winrich mit einem Bisthum oder
sonst einem kirchlichen Amte versorgen. Des Hochmeisters
Wunsch sollte in Erfiillung gehen: sein Neffe wurde Bischof
von Oesel. Der Bischof Heinrich HI. war 1381, 1. Halfte,
gefangen genommen und im Kerker getftdtet worden, wor-
auf grosse Verwirrung im Stift herrschte, ohne dass zu-
nachst von einem neuen Bischof die Rede ware. Erst am 15.
November 1383 wird Winrich v. Kniprode Provisor der
Kirche zu Oesel genannt. Die bischflfliche Weihe erhielt
er aber erst 21. Mai 1385 vom Bischof von Samland zu
KOnigsberg. Er hat das Bisthum bis an seinen Tod, 5./6.
November 1419, innegehabt (Brieflade 3, 237 ff. Seite 238,
Z. 16 ist anstatt Werner: Winrich zu lesen).
Siegel von ihm s. auf Taf. 36, 6 (nicht richtig ge-
zeichnet), D. 5 u. H. 7 des 4. Theils der Est- und Livlan-
dischen Brieflade; cf. daselbst S. 133.
1392.
7. A domino Johanne de Wallenrode XXX YI solidos.
S. 151, 36. V. a. H. hinzugefugt: Factus archiepiscopus
Rigensis. Z. 48. Fur das Jahr 1393 war er Procurator
(dabei „scolaris in jure canonico" genannt), be-
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418
kleidete die Wiirde aber nicht das ganze Jahr, da er
zum Erzbischof von Eiga erwahlt wurde, und ein anderer
trat an seine Stelle. S. 152, 8. Wiederum v. a. H. hinzu-
gefiigt: archiepiscopus Rigensis supra. Z. 44. S. 399, 15
wird er als neu erwahlter Procurator genannt: Johannes
de Wallenrode Bavanbergensis diocesis.
Das Geschlecht der Wallenrode stammte aus Franken.
In den Annalen find en wir eine genauere Bestimmung. Johannes
gehorte als Geistlicher der Bamberger Kirche an oder er
war wenigstens aus dem Gebiet der Bamberger Diocese
gebiirtig. Er war ein Vetter des Hochmeisters des deut-
schen Ordens, Konrad v. Wallenrode, und studirte auf
Kosten des Ordens in Bologna (s. Johann v. Posilge in
SS. rer. Prussic. 3, S. 377 u. 386). Im December 1393
erscheint er bereits als bestatigter Erzbischof von Riga und
zu derselben Zeit lasst er sich in den deutsch^n Orden
einkleiden *). Vor dem 11. Juli 1418 wird er vom Papst
Martin V. als Bischof an die Kirche zu Liittich versetzt.
Als solcher stirbt er den 28. Mai 1419 (s. Brieflade 3,
S. 173 ff. S. 177, Zeile 14, ist anstatt 277 : 377 zu setzen).
Als Todesort wird Aiken angegeben (s. Numismatique de
la principautd de Lidge et de ses d^pendances (Bouillon,
Looz) depuis leurs annexions. Par le B°» J. De Chestret
!) In der zweiten Halfte des Jahres 1403 ist er bei seiner An-
wesenheit in Heidelberg in die Matrikel der dortigen Universitat
eingetragen worden. S. Bothfuhr, Die Livlander auf auswartigen
Universitaten (1884), S. 136, wo aber die falschen Angaben sich
finden, dass sich Wallenrode auf einer Reise zum Papst Inno-
cenz VII. befand, von welcher er erst am Ende des Jahres 1405
in sein Bisthum zuriickkehrte. Der Erzbischof erscheint im Juni
1403 noch in Riga, ist aber jedenfalls vor dem 13. November des-
selben Jahres nach Deutschland gereist. Im nachsten Jahr ist
er vom 22. September — nach dem 25. December, wie am 3.
Februar 1405 in Preussen nachweisbar. Dann weilt er in Viterbo
beim Papst Innocenz VII. und ist am 13. December desselben
Jahres wieder in Preussen anzutreffen. — Eine Riickkehr in sein
Stift aber ist uberhaupt nicht nachweisbar (s. Brieflade 3, 173 ff).
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419
de Haneffe. Premiere partie. Bruxelles 1888. Extrait
du tome L des M&noires couronn^s et M&noires des savants
strangers, public par l'Academie royale des sciences, des
lettres et des beaux-arts de Belgique. 1888. S. 185). Per
kleine Ort Aiken liegt in der Rheinprovinz, Regierungs-
bezirk Koblenz, an der Mosel. In Spruners Handatlas fur
die Geschichte des Mittelalters und der neuen Zeit findet
sich auf der Karte: Deutschlands Gaue II an der Stelle,
wo das heutige Aiken liegt, der Ort Alcana verzeichnet,
welcher nach der Karte: Deutschland nach seiner kirch-
lichen Eintheilung von der Mitte des 11. Jahrhunderts bis
zur Reformation zur Trierer Erzditfcese gehort haben muss.
Von den Herausgebern der Acta, oder vielmehr nur
von einem, Dr. Friedlander, von dem die meisten Anmer-
kungen herriihren, ist S. 151, Anm. 1 die Regierungszeit
Johanns als Erzbischof von Riga angegeben: 1395, April
bis 1418, Mai 4. Als Wegweiser fur die Angaben iiber
die Regierungszeit der livlandischen Bischtife haben, wie
eine Vergleichung der einzelnen Stellen zeigt, dem Heraus-
geber Potthast, Bibliotheca historica medii aevi, Supple-
ment und Gams, Series episcoporum ecclesiae catholicae,
gedient, wenn auch die Entlehnungen nicht immer ganz ge-
nau sind; so haben Potthast und Gams gleich hier: vor
1395, 8. April. Die Angaben derselben lassen sich aber
vielfach berichtigen. Dass Johannes bereits 1393 zum Erz-
bischof ernannt worden war, hatte iibrigens nach dem Obi-
gen schon aus den Annalen selbst erkannt werden ktinnen.
Worauf die Angabe, dass Johannes am 4. Mai 1418 nach
Liittich versetzt wurde, welche Potthast, Gams und auch
Chestret de Haneffe (S. 185) haben, beruht, ist mir nicht
nachweisbar. Sie kann aber nicht richtig sein, denn noch
am 15. Mai 1418 schl> Papst Martin V. die Bitte, Johannes
von Wallenrode zum Bischof von Liittich zu ernennen, vor-
laufig ab (Livl. UB. 5, n. 2238, cf. Reg. 2674) und am
folgenden Tage verlasst er Kostnitz, wo auch Wallenrode
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420
weilte (s. hieruber Schiemanns Geschichte Livlands, S. Ill,
in Allg. Geschichte in Einzeldarstellungen, herau9gegeben
von Wilh. Oncken), ohne die Ernennung vollzogen zu haben
(Livl. UB. 5, n. 2262). Am 19. Mai ist noch von dem
„von Rige a , worunter nur Wallenrode verstanden werden
kann, die Rede (UB. 5, n. 2239). Erst in einem Brief
vom 14. Juni wird geruchtweise davon gesprochen, dass
der Erzbischof von Riga Bischof von Liittich geworden
sei (UB. 5, n. 2249). Am 11. Juli ernennt dann der Papst
den Nachfolger Wallenrodes im Erzstift Riga und sagt da-
bei von letzterem, dass er ihn „nuper" dem Bisthum Liittich
vorgesetzt habe (UB. 5, n. 2258). So kann, bis ein ge-
naueres Datum bekannt wird, vorlaufig nnr davon ge-
sprochen werden, dass Wallenrode bis kurz vor dem 11.
Juli 1418 das Erzbisthum Riga inne gehabt hat.
Sein Siegel als Erzbischof von Riga ist abgebildet auf
Tafel 24, 13 der Brieflade 4.
1396.
8. (?) Den 7. Januar legen im Hause des Herrn Jacob
Scerbe de Curonia legum doctoris et licentiati in jure ca-
nonico die Procuratoren des Jahres 1395 Rechenschaft iiber
ihre Amtsfuhrung ab und iibergeben das Inventar der deut-
schen Nation ihren Nachfolgern. S. 399, n. 82. Z. 44,
Anm. b steht zu Curonia: corr. ex Selonia? und im Index
S. 463 ist zu dem Wort Curonia ein ? gesetzt worden.
Ob hier ein Fehler vorliegt, muss zweifelhaft bleiben, jeden-
falls ist der Name in livlandischen Quellen nicht zu finden.
1407.
9. Dominus Thydericus Reseler archidiaconus in Pathusen
necnon scholasticus Bremensis m libras 1 ). S. 160, 18. Y. a.
H. hinzugefugt: Nunc episcopus Tarbatensis in partibus
Livonie. Z. 42.
i) Die libra, lira war = 20 solidi. S. S. 35, Anm. 2 u. S. 502.
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421
Dass Theodericus Resler die in den Annalen ange-
gebenen Wurden bekleidet habe, war bisher nicht bekannt.
Man wusste von ihin nur, dass ihn der Papst Johann XXIII.
seinen Kammerer (cubicularius) nefint und dass er Magister
war (Livl. UB. 4, n. 1937). Hinsichtlich des Namens
Pathusen sei beinerkt, dass es heute zwei Orte Namens
Pattensen giebt. Beide liegen in der Provinz Hannover,
der eine unweit der Leine, n. w. von Hildesheim, der an-
dere n. w. von Liineburg. In Zedlers Grosses vollst&n-
diges Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Kunste etc.
wird der erstere auch Patensheim, der zweite audi Patten-
hausen genannt (s. Artikel Pattensen). Bei Spruner, Karte:
Deutschlands Gaue III. ist ein Ort Puttenhusen nahe der
Leine verzeichnet, der ohne Zweifel dem erstgenannten
Pattensen entspricht, wenn ihin auch auf der Karte, wohl
irrthumlich, eine etwas veranderte Lage gegeben ist. Nach
der Karte : Deutschland nach seiner kirchlichen Eintheilung
muss dieses hier nicht verzeichnete Puttenhusen im Gebiet
der Kdlner Erzdiftcese gelegen haben, wahrend das andere
Pattensen (bei Spruner nicht verzeichnet) zum Sprengel
der Mainzer Erzdiocese gehtfrt haben muss. Das in der
Nahe der Leine liegende Pattensen findet sich im Mittel-
alter theils mit derselben Namensform (auch Patenshen),
theils als Pattenhusen wiederholt urkundlich verzeichnet
(s. Hanserecesse, 2. Abth. 1431-1476, 3. Bd. S. 238,
5. Bd. S. 536, 3. Abth. 1477—1530, 1. Bd. S. 562,
Anm. 3, Hansisches Urkundenbuch, 1. Bd. n. 706, Neue
Nord. Miscell. 15—17, 222). Aus dieser Gegend wird
Theodericus Resler stammen, wenigstens wird von seinem
Vetter, Heinrich Resler, erwahnt, dass er aus dem Hildes-
heimschen gebiirtig sei (UB. 9, n. 776). Vom Papst Jo-
hann XXIII. wurde Theodericus Resler vor dem 23. April
1413 zum Bischof von Dorpat ernannt und bekleidete er
diese Wiirde bis zu seinem Tode, der gegen Mitte Marz
1441 erfolgte (Brieflade 3, S. 354 S. u. UB. 9> S. 494).
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 4. 28
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422
In der Anm. 3 der S. 160 der Acta ist seine Regierungs-
zeit angegeben: 1413, April 23 bis 1426.
Siegel von ihm finden sich abgebildet auf Tafel 40,
6 u. 7 und Tafel E, 3 \i. 4 der Brieflade 4. Von ihm
geschlagene Munzen ebenda Tafel 14, 40—46.
1408.
10. Dominus Johannes Teirgart (Tiergart) de Prussia XYI
solidos Bononinos. S. 162, 37.
Unter diesem Namen kann der spatere Procurator des
deutschen Ordens am papstlichen Hofe und Bischof von
Kurland, Johannes Tiergart, verstanden werden. Freilich
fehlt die Hinzufiigung von spaterer Hand, dass er Bischof
geworden, aber ausschlaggebend ist das nicht, denn auch
bei Winrich v. Kniprode (n. 6) fehlt eine solche Angabe,
obgleich der Student in Bologna und der spatere Bischof
von Oesel unzweifelhaft identisch sind. S. auch das uber
Friedrich Ampten Beigebrachte (n. 31). Ein Johannes
Tiergart (die Heimathsangabe fehlt) hat in Prag studirt.
Er wurde vor Weihnachten 1402 zura Baccalariatsexamen
zugelassen (s. Bathfuhr, Die Livlander, S. 7.) Bdthfuhr
identificirt ihn mit dem spateren Bischof von Kurland. was
als wahrscheinlich angenommen werden kann, giebt aber
die den letzteren betreffenden Daten meist unrichtig an.
Als Ordensprocurator wird Johannes Tiergart zuerst im
Jahr 1419 angefuhrt (Livl. UB. 5, n. 2345) und er be-
h< diese Stellung noch einige Jahre ( — - 1428, Ende.
UB. 7, nn. 747, 48 u. 88), nachdem er vom Papst
am 19. Januar 1425 zum Bischof von Kurland ernannt
worden war (UB. 7, n. 235, S. 164), welche Wurde er bk
zu seinem Tode, der Ende 1456 erfolgte, inne hatte
(s. Index corp. hist. dipl. Liv., Eston. Curon. etc. 2,
nn. 1982 u. 83). Zugleich war er von 1429, vor 7. Marz
bis 1431, vor 29. Juli, papstlicher Legat zu Spoleta (UB.
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423
7, b. 788, 8, n. 483), blieb aber auch sp&ter noch einige
Zeit in Italien. Erst am 14. August 1432 schreibt er dem
Hochmeister des deutschen Ordens, dass er vom Papst die
Erlaubniss erhalten habe, sich in sein Bisthum zu begeben
(UB. 8, n. 617). Hier unterschreibt er sich als Caplan
des Hochmeisters.
Der Name Tiergart begegnet Ende des 14. und
im 15. Jahrhundert auch sonst in Preussen. Ein Johannes
Tiergart war Grossschaffer in Marienburg (UB. 4, nn. 1375,
93, 488, 640, Index 1, n. 569, Hanserecesse, 1. Abth.
1256-1430. Bd. 4, S. 647 u. 5, S. 602, Sattler, Handels-
rechnungen des deutschen Ordens, S. 589, cf. S. XI),
einer desselben Namens war Ordensbruder (Sattler, 589),
Nikolaus Tiergart war Rathmann in Elbing, Peter und
Ambrosius waren Rathm&nner in Danzig (Toppen, Acten
der Standetage Preussens 1, S. 124, 171, 244, 372, 3, S. 665,
Sattler, 589. An letzterer Stelle werden noch angefiihrt:
Heinrich Tiergart, Wager zu Danzig, Mathis Tiergart,
Lieger des Grossschaffers von Marienburg in Brugge 1 ),
und ein von dem Grossschaffer und dem Ordensbruder
unterschiedener Johann Tiergart, der verheirathet war).
Ein Nikolaus Tiergart war Domherr zu Culmsee (UB. 8,
n. 763). Der Bischof von Kurland selbst besass einen
Bruder Augustin, licentiatus decretorum und Domherr zu
Frauenburg, dem er sein Bisthum zuwenden wollte, was
jedoch fehlschlug (UB. 8, n. 617, 9, n. 130, vielleicht
auch UB. 7, n. 799, S. 562, ferner Index 1, n. 1328, 2,
nn. 1895, 1900 ff., 1908 ff., Acten der Standetage
Pr. 3, S. 19, 307, 315, 415, 4, S. 279, 324, 5,
S. Ill, 115). Die Eltern dieses Augustin werden als
Mitanstifter und Aufhetzer des preussischen Bundes be-
zeichnet (Index, 2, n. 1912).
l ) Ueber das Amt der Grossschaffer und Lieger s. die angefuhrte
Schrift yon Sattler, Einleitung.
28*
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424
Die Siegel des Bischofs Johann Tiergart von Kurland
sind abgebildet auf Tafel 45, 5 (nicht richtig gezeichnet;
s. S. 158) und Taf. 46, 6 der Brieflade 4.
Mil.
11. Dominus Heinricus Beuermann de Livonia XII solidos.
S. 163, 9. V. a. H. hinzugefiigt: ex Livonia ultima regione
Europea. Z. 44.
1402 wird zu Ktiln ein Henricus Bevermann de Ter-
baco in artibus immatriculirt. Fur Terbaco wird Terbato
(Dorpat) zu lesen sein. In Dorpat existirte in dieser Zeit
1386 — 1402 ein Biirgerineister Johann Bevermann, dessen
Sohn der Genannte sein konnte (s. Bothfuhr, D. Livlander,
S. 9 u. 21 und ausser den dort angefiihrten Quellen noch
Hanserecesse, 1. Abth. 1256—1430. 3. Bd. n. 372, 4. Bd.
n. 47). In den Jahren 1434—45 erscheint ein zweiter Johann
Bevermann, wohl ein Sohn des Biirgermeisters, als Raths-
herr in Dorpat (Livl. UB. 8, n. 785, 9, S. 689, Hanse-
recesse, 2. Abth. 1431-1476, 3. Bd. nn. 160 u. 216). Als
ein dritter Johaijn Bevermann, ebenfalls Rathsherr in Dor-
pat, ist wohl der anzusehen, der in den Jahren 1465 u. 66,
wie 1478 u. 79 nachzuweisen ist (Hanserecesse, 2. Abth.
Bd. 5, nn. 587 u. 823, 3. Abth. 1477—1530, 1. Bd. nn. 83
u. 202, Bunge, Revaler Rathslinie, 210). Ein anderer Jo-
hann Bevermann, vermahlt mit Barbara Buxhowden, wird
der gewesen sein, dem 1509 Cftlljal im Kirchspiel Pyha
auf Oesel verkauft wurde, welchen Kauf der Bischof Jo-
hannes Kyvel 1513 bestatigte (BuxhGwden, 2. Portsetzung
von Hagemeisters Materialien zur Giitergeschichte Liv-
lands, 108 f.). — Ein Glied dieser Familie wird auch der
zu Erfurt 1446 immatriculirte Iwanus Beverman de Dar-
podia gewesen sein (Bothfuhr, D. Livlander, 21) und wahr-
scheinlich auch der 1375 erw&hnte Gotscalcus Benermani
(Bevermanni ?), canonicus Tarbatensis, magister in artibus
(UB. 6, Reg. 1302, d). Zu dieser DOrptschen Familie
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425
mag auch der Mag. Amoldus Bevermann gehtfrt haben,
der im Jahr 1377 Procurator der Stadt Riga am papst-
lichen Hofe war (Mittheilungen aus der livl. Geschichte
13, S. 107); wenigstens wird sein Vorganger im Procurator-
amt der Stadt Riga, Arnoldus de Calmaria, Dorptscher
Domherr genannt (ibid. S. 105 f.).
In spaterer Zeit erscheint eine Familie Bevermann
auch in Reval. 1559 wird ein Revalscher Burger Thomas
Befermann erw&hnt (Bienemann, Briefe und Urkunden zur
Gesch. Livl. in den Jahren 1558-62, Bd. 3, n. 456) und
in, den Jahren 1601 — 1603 war ein Thomas Bevermann da-
selbst Rathsherr (Revaler Rathslinie, 61 und 82). Einer
desselben Namens war 1658 Revalscher Aeltermann (Das
Inland, 1837, S. 51). — Auch in Riga lasst sich, allerdings
erst im 18. Jahrhundert, eine Familie dieses Namens nach-
weisen: Hermann Bevermann (f 1728) wird 1715 zum
Aeltesten der grossen Gilde erwahlt (Mon. Liv. ant. 4,
CCCXXX1X), und auch spater erscheint daselbst der Name.
12. Dominus Johannes Mekes XII solidos. S. 163, 13.
Er war im Jahr 1412 Procurator, aber schon am 2.
Mai desselben Jahres wurde ihm, weil er das Studium auf-
gab, ein Stellvertreter gesetzt. S. 164, 7 u. 20. Hier
Johannes Meckes clericus Revaliensis dyocesis,
scolaris in jure canonico, genannt.
Er wird identisch sein mit Johann Mekes, der am 2.
M&rz 1434 Licentiat der Decrete und Domherr und am
17. April 1442 Propst von Dorpat genannt wird (UB. 8,
n. 778, S. 453, 9, n. 837, cf. n. 920).
Die Familie Mekes, Mex, erscheint in den Ostsee-
provinzen schon im 13. Jahrhundert als ein besonders in
Estland besitzliches Adelsgeschlecht (s. Brieflade I, 2, Re-
gister, S. 52 ff. und Register zu II, 1 u. 2, bearbeitet von
P. Th. Falck, S. 26, wie Personenregister zum UB.).
Geschlechtssiegel der Mex s. Brieflade 4, Taf. 53, 1 — 5.
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426
1425.
13. A domino Bartholomeo Saviger preposito Tarbatensi
de Lyvonia ununi florenum Renensem *). S. 174, 36. V. a. H.
hinzugefiigt: nunc episcopus Tarbatensis. Z. 43.
Bartholomeus Savijerve, eineui iin Stift Dorpat be-
guterten, seit dem Ende des 14. Jahrhunderts urkundlich
nachweisbaren Adelsgeschlecht angehorend (UB. 4, n. 1459,
7, n. 222, 8, nn. 342 u. 468, Brieflade I, 2, S. 71), war
Domherr, dann Propst der Dorptschen Kirche und besass
den gelehrten Grad eines licentiatus decretorum (Brief-
lade, 3, S. 358, UB. 7, S. 595 u. 600, 8, S. 671 u. 77, 9,
S. 689 u. 709). In Bologna wartete er, als er daselbst
studirte, auf die Erledigung des Bisthums Dorpat (in Folge
Todes des Bischofs Theodericus Resler wegen Erkrankung
oder vielleicht auch wegen beabsichtigter Resignation des-
selben; in der Urkunde steht: vart doruff, ab der here zu
Darpt wurde abegeen, init welchen Worten noch nicht
durchaus auf den Tod geschlossen werden muss, wie in der
Regeste zur Urkunde und bei Bothfuhr, D. Livlander, S. X,
gedeutet ist) und hatte sich mit Geld versehen, urn wenn
dieeer Fall eintrete, sich um das Bisthum zu bewerben
(UB. 7, n. 259, S. 185). Seine Hoffnung ging aber erst
nach Jahren in Erfullung. Er war Bischof von Dorpat
von 1441, 27. Marz bis 1461 (Brieflade, 3, S. 358 ff. und
UB. 9, S. 494).
In der Anm. 3 d. S. 174 ist seine Regieruagsaeit an-
gegeben: vor 1443, Marz 17 bis 1450?
Sein Siegel ist abgebildet Brieflade 4, Taf. 41, 8 u. 9
trad Tafel E, 5. Von ihm geschlagene Munzen ebenda
Taf. 14, 47—49.
*) Zu den Jahren 1458 u. 59 ist zu den Annalen v. a. H.
hiiisugefugt: qui tunc yaluit XLIII solidos. S. 202, 45. Gf. auch
S. 502.
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427
1436.
14. A domino Johanne Creuwel do Gdanizk (Danzig) XX
Bologninos 1 ). Seite 176, 16.
Hierunter kann der spatere Bischof von Oesel, Johannes
Crewl, auch Krawel, C(K)rewel(ll), C(K)reuwel und abnlich
genannt, verstanden werden. mit deni auch vielleicht zu
identificiren ist der Johannes Crewl, der am 23. November
1433 als ein Gelehrter zu Danzig bezeichnet wird (Acten
der Standetage Preussens, 1, S. 610, n. 471). — Johannes
Crewl war seit 1437 Procurator des deutschen Ordens
(UB. 9, n. 145) und erscheint als solcher noch 1444 (Index,
1, n. 1499), nachdem er bereits am 24. Marz 1439 vom
Papst Eugen IV. zum Bischof von Oesel emannt worden
war, in welcher Wurde er zuletzt am 20. Februar 1456
nachzuweisen ist. Sein Gegenbischof war Ludolphus Groue
(vor 15. Januar 1439-1458, 1. Halfte). (S. iiber beide
Brieflade, 3, 252 ff.) Ein Bruder des Bischofs von Oesel
war Anthonius Krewel, 1446 als zum Domherrn in Frauen-
burg erwahlt angefiihrt (Index, I, n. 1529. Hier: Anton
Krauwel und Johannes Krauwel, in der Abschrift der Ur-
kunde im livlandischen Ritterschaftsarchiv steht aber beide
Mai: Krewel) und wahrscheinlich identisch mit Anthonius
Creyl de Prussia, der im Jahr 1444 in Bologna studirte
(Annalen S. 190, 36). Die Familie erscheint auch sonst
in Preussen. Im Jahr 1420 war ein Peter Crouwel Rath-
mann in Danzig, der am 5. Marz 1423 als verstorben an-
gefiihrt wird (Acten der Standetage Preussens, 1, S. 373,
n. 292, UB. 5, n. 2691), und im Jahr 1448 war ein
Johannes Krewel Schoppe und Burger in Konitz (Index, 1,
n. 1639, wo Kreuel steht).
Von Personen in anderen Landern, die denselben Na-
men fuhren, finden sich mehrere Beispiele im livlandischen
*) Bolognintts war identisch mit Denar, 12 davon machten einen
Solidus aus. S. S. 35, Anm. 2 u. S. 502.
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Urkundenbuch. Besonders anfuhren mflchte ich nur noch,
dass auch in den Ostseeprovinzen Trager desaelben Na-
mens erscheinen; so kouimt schon fruh (Anfang des 14.
Jahrhunderts) in Reval eine Familie C(K)rouwel, C(K)ruvel,
Cruel, Kruyl, C(K)rowel vor, von der mehrere Glieder
Rathsherren und Domherren waren (Personenregister zum
livl. UB. 2-9, vielleicht auch 8, S. 662: Heinrich Gruel,
Burger zu Reval, D. alteste Wittschopbuch der Stadt Reval,
S. 207, Beitrage zur Kunde Ehst- Liv- und Kurlands, 2,
500 u. 507, 3, 59 u. 76, Bunge, Revaler Rathslinie, 89,
ef. auch Btithfiihr, D. Livlander, S. 7 : ein Johannes Crowel
ohne Heirnathsangabe wird 1402 in Prag als Jurist iinina-
triculirt). — 1376 erscheint ein Johannes Krowel de Tar-
bato (UB. 6, 3217 h). — 1474 wird ein Johannes Krewel
de Riga in Rostock immatriculirt (Bothfuhr, D. Livlander,
S. 38); sonst habe ich in Riga nur die Form Gruwel ge-
funden (Napiersky, Die Erbebiicher der Stadt Riga, Reg.
S. 425 u. 458); iiber den Namen Gruwel s. auch UB. 5 u. 9,
Personenregister. — 1433 ersucht der livl. O. M. den H.
M., dem Heinrich Krouwel auf seiner Reise nach Brzesc
forderlich zu sein (UB. 8, n. 694).
1440.
15. Dominus Henricus de Livonia propositus dedit IX so-
lidos. S. 188, 7.
Welcher livlandischen Kirche dieser Henricus als
Propst angehtfrt haben kann, lasst sich nicht nachweisen.
Jedenfalls kann er nicht Glied der Revalschen Kirche ge-
wesen sein, da dieselbe die Wiirde eines Propstes nicht
kannte (s. Bunge, D. Herzogthum Estland unter den Ko-
nigen von Danemark, S. 188 f.). Auch Dorpat ist aus-
geschlossen, da bis zum 27. M&rz 1441 Bartholom&us
Savijerve Propst dieser Kirche war (s. n. 13). In den an-
deren Kirchen ist aus dieser Zeit kein Propst mit dem
Yornamen Heinrich nachweisbar (s. UB. 9, S. 710).
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1445.
16. Am 6. Januar 1445 wurden Leonardus Roethoese
und Hermannus Birken aus Preussen zu Pvocuratoren er-
wahlt, worauf ihnen im Hause des ersteren am 17. Januar
das Inventar und die Kasse der deutschen Nation von dem
abgetretenen Procurator iibergeben wurden. Aber schon
am 30. August d. J. wurde Roethoese wegen Weggangs
von Bologna ein Stellvertreter gesetzt in Lautentius
Blumenau aus Danzig in Preussen (s. iiber diesen Ss. rer.
Prussic. 4, 35 ff.). S. 191 f. Wann er immatriculirt wor-
den, ist in den Annalen nicht verzeichnet.
Br ist 1426 oder 27 in der Altstadt Elbing bei Caspar
Linke, damaligen Schulmeister und spateren Bischof von
Pomesanien (Riesenburg), in die Schule gegangen und wird
in den Jahren 1440 und 42 als Secretair (Schreiber) des
Ordensmeisters von Livlanji (fleidenreich Vinke v. Over-
berch) bezeichnet (UB. 9, nn. 660 und 831). Dann ist er
nach Italien gegangen, hat ausser in Bologna auch in Pe-
rugia studirt, erlangte den Grad eines decretorum doctor,
verheirathete sich, wurde dann juristischer Rath des liv-
landischen Ordens und starb in Reval (s. Schriften der ge-
lehrten estnischen Gesellschaft, n. 7, S. 4 u. 10: Winkel-
mann, Johann Meilof. Zur Geschichte des romischen Rechts
in Livland im 15. Jahrhundert. Winkelmann hat seine
Angaben dem mir nicht zuganglichen Werk: „Die Rubenow-
Bibliothek. Die Handschriften und Urkunden der von
Heinrich Rubenow 1456 gestifteten Juristen- und Artisten-
Bibliothek in Greifswald. Herausgegeben (d. h. beschrieben)
von Dr. Th. Pyl. Greifswald 1865" entnommen. Zeitbestim-
mungen dafiir, wann der Obige juristischer Rath des livl&n-
dischen Ordens war und wann er gestorben ist, sind nicht
angefuhrt).
1448.
17. A domino Petro Tyfenhusen de Lyfonia solidos duo-
decim. S. 194, 9.
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Eine Familie Tyfenhusen lasst sich in Livland nicht
nachweisen, aber hochst wahrscheinlich ist Tyfenhusen nur
corrumpirt fur Tysenhusen (s. auch Register, S. 491), in
welchem Fall der Obige der altadligen livlandischen Fa-
milie Tiesenhausen *) zuzuschreiben ware. Der Vorname
Peter erscheint beim Geschlecht der Tiesenhausen haufig
(s. Personenregister zum livl. UB., Brief lade, I, 2, Register,
S. 82 flF. und Register zu II, 1, 2, S. 44, Geschlechts-
deduction der Familie Tiesenhausen, Register, S. IX,
Schirren, Neue Quellen zur Geschichte des Untergangs
livlandischer Selbstandigkeit, 1, 299), ohne dass aber einer
der Tr&ger desselben mit Sicherheit auf den in Frage ste-
henden bezogen werden kann. Allenfalls kann gedacht
werden an Peter Tiesenhausen, dritten Sohn des Peter
Tiesenhausen zu Berson, der zwischen April 1434 und
Marz 1435 starb (UB. 8, nn. 801, 904, 907, 925 u. 9, nn.
24 u. 60, cf. Geschlechtsdeduction, Anm. 57 u. 58), freilich
miisste er dann 24 Jahre spater zur Universitftt gegangen
sein, als sein jiingerer Bruder Bartholomaus, der als der
erste seines Geschlechts, der studirt hat, am 11. Septbr.
1424 in Rostock immatriculirt worden ist (BOthfuhr, Die
Livlander, 27, Geschlechtsdeduction, Anm. 65); was diese
Annahme als nicht ganz ausgeschlossen erscheinen lasst,
ist der Umstand, dass wie schon frliher erwahnt, gerade
in Bologna viele schon in vorgeruckterem Alter stehende
Personen sich immatriculiren liessen.
1449.
18. A domino Jobanne Ruold de Livonia solidos 3. S. 195, 19.
Eine Familie dieses Namens ist in Livland nicht nach-
weisbar.
J ) Vergl. iiber dieselbe die in der nachsten Zeit zu erwartende,
von Richard Hasselblatt herausgegebene und erlauterte „Ge-
echlechtsdeduction der Familie von Tieeeaiiauseti", wo von die
Druckbogen mir freundlichst zur Verfugung gestellt wurden.
S. auch fur die altere Zeit der Familie (13. und 14. Jahrhundert)
„Baltische Monatsschrift" 35. Bd. S. 623 ff.
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1452.
19. 0. Hinricus Vws de Lyvonia solidos V. S. 197, 34.
Ein Henricus Vosch de civitate Rigensi in Livonia
wurde Ostern 1448 in Erfurt iinmatriculirt (Bothftihr, Die
Livl&nder, S. 21). Glieder der Familie Voss begegnen
h&ufig als Rigasche Burger und unter ihnen auch solche,
die den Vornamen Heinrich flihren und der Zeit nach auf
den Obigen bezogen werden konnen (s. Napiersky, Die
Libri redituum der Stadt Riga, Reg. S. 206 ; derselbe, Die
Erbebucher der Stadt Riga, Reg. S. 423 u. 455, livl. UB.
5, S. 1032, 6, S. 739, 7, S. 587, 8, S. 660, 9, S. 692,
Sitzungsberichte der Gesellschaft fur Geschichte und Alter-
thumskunde a. d. J. 1885, 107, Btithfuhr, Die Rigasche
Rathslinie, 2. Aufl. n. 294). Vielleicht aber wiirde auf
den in Bologna Immatriculirten auch passen der Gardian
der Minderbriider in Riga, Hinricus Voss, der den 19. De-
cember 1480 erscheint (Index, 2, n. 3449; das Siegel des-
selben s. Tafel 29, 62 der Brieflade 4, cf. auch 61), mit
welchem identisch ist der 1495 erw&hnte Hinricus Voss,
Custos der ersten Regel des heiligen Franciscus in Liv-
land (Sitzungsb. d. Ges. f. Gesch. u. Alterthumskunde 1889,
S. 19). Aus fruherer Zeit (1413) wird ebenfalls ein Miuder-
bruder Hinricus Voss angefuhrt, der aber mit dem 1480
erschemenden nicht identificirt werden kann (Erbebiicher
der Stadt Riga, n. 521). — Auch in Dorpat erscheint eine
Familie dieses Namens (livl. UB. 4, S. 906, 5, S. 1032, 7,
S. 587, 8, S. 660, 9, S. 692, Hanserecesse, 1 Abth. 6. Bd.
S. 646, 2. Abth. 5. Bd. n. 60, Bunge, Die Revaler
Rathslinie, S. 209) und in Reval ervrirbt ein Steffen Voss
1403 das Biirgerrecht (UB. 4, n. 1596). Daselbst war 1455
Giese Voss Aeltermfann (Inland, 1837, 8. 49).
1456.
20. Kecepfonus a domino Petro de Wetberghe de Livonia
toolasfico toclesie cathedral!* Ozitknsis librani unam. S. 200, 44.
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Er war fur das Jahr 1457 Procurator. Dabei genannt:
scolasticus et canonicus ecclesie kathedralis Oziliensis. S. 201,
13, 23 u. 202, 21. V. a. H. hinzugefugt: Jam episcopus
Oziliensis. S. 201, 46.
In der Anm. 1 z. S. 201 ist seine Regierungszeit an-
gegeben: vor 1470, Juni 24 bis 1491, vor November 21.
Richtig ist: vor 1472, Januar 22 bis 1491, vor Novbr. 21.
Am 24. Juni 1470 war Petrus Wetberch noch Domherr und
zwar der Kirche zu Reval; in derselben Eigenschaft er-
scheint er am 1. April des Jahres. Vorher mag er Dom-
herr zu Oesel gewesen und als solcher in Bologna imma-
triculirt worden sein, da nicht anzunehmen ist, da§s die
Annalen in dieser Hinsicht an zwei Stellen einen Fejiler
enthalten sollten. Er besass den gelehrten Grad eines
Doctors (s. Brieflade 3, 262 ff.).
Siegel von ihm s. auf Tafel 37, 13 u. 14 der Brief-
lade 4.
1458.
21. Dominus prepositus Georgius (de) Tarbatensis echlesie
chatedralis de Livonia war mit den Procuratoren des Jahres
1458, als dazu deputirt, anwesend bei der Rechenschafts-
ablegung (nach 6. Januar 1458) der Procuratoren des
Jahres 1457, Petrus de Wetberge de Livonia und Johannes
Gemetaw de Lubeck. S. 202, 6 u. 23. Wann er immatri-
culirt und der deutschen Nation zugeschrieben wurde, ist
in den Annalen nicht verzeichnet.
1460.
22. A domino Johanne Orges de Livonia XII solidos.
S. 204, 34.
Er war fur das Jahr 1461 Procurator. S. 205, 6, 18,
27 u. 207, 21. An letzterer Stelle genannt: Johannes de
Ories de Lyvonia.
Unter ihm wird gemeint sein der sp&tere Bischof von
Oesel, Johannes Orges (Orgies), der einem seit dem Anfang
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des 14. Jatirhunderts in den Ostseeprovinzen urknndlich
nachweisbaren Adelsgeschlecht angehorte (Personenregister
zum livl. UB., Index, 2, S. 406, Brief lade, I, 2, S. 60). Er
war der geistlichen Rechte Doctor und wird am 21. Octbr.
1464 Official des Erzbischofs von Riga Sylvester Stode-
wescher genannt (Brieflade, 1, n. 252). Spater erscheint
er als Decan der Kirche zu Oesel; als solcher zuerst nach-
weisbar den 13. November 1475 (Index, 2, n. 2088).
S. fiber ihn als Decan Brieflade, I, 2, 163 u. 235 und
ausser den dort angeffihrten Stellen: Arndts Lief land.
Chronik, 2, 173, Mittheil. a. d. livl. Gesch. 2, 496 u. d.
sogen. rothe Buch in Ss. rer. Liv. 2, S. 757, 71 f., 77, 95
u. 99. Am 14. Marz 1486 und im Jahr 1489 wird er zu-
gleich Domherr zu Dorpat genannt (N. N. Miscell. 3, 4,
701 u. Bunge, Einleit. in d. liv-, esth- u. kurl. Rechtsgesch.
177, Anm. p.) und am 3. August 1482 als Vicar des Erz-
bischofs Stephan (Grube) von Riga bezeichnet (Verhandl.
d. gel. e3tn. Gesellsch. zu Dorpat, 8, 1. H. S. 23; cf. fiber
ihn auch ibid. S. 25). Bischof von Oesel war er von 1491,
vor dein 21. November bis 1515, 19. Marz, an welchem
Tage er 95 Jahre alt starb 1 ) (Brieflade, 3, 264 ff.). v
Sein Gedenkstein mit dem Stiftswappen von Oesel und
dem Geschlechtswappen befindet sich fiber der Thfir der
Kirche zu Keinis auf der Insel Dagden (Dago) und ist ab-
gebildet auf Tafel 39, 30 der Brieflade 4. Siegel von ihm
s. ebenda Tafel 37, 15 u. 16; vergl. S. 136.
*) Im Liber Confraternitatis B. Marie de anima Teutonicorum de
Urbe. Romae 1875 heisst es von ihm: Anno 1492 Johannes
Orgass, eclesie Osiliensis episcopus consecratus in dicto hospital!
1. Aprilis ad fraternitatem receptus. m. p. se inscripsit et dedit
unum ducatnm (cf. auch Brief!. 3, 265, wo dem Citat Ss. rer.
Germ.: „Meibom", voranzustellen ist). Mittheilung von Dr. Knod,
von dem auch spater folgende aus diesem Werk stammende An-
gaben herriihren und dem ich auch fur einige sonstige Hinweise
zu Dank verpflichtet bin.
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434
23. A domino Stephano Gruben de Lipezk VII solidos.
S. 204, 38. V. a. H. hinzugefugt: postea factus est epis-
copus Rigensis. Z. 43.
Stephan Grube war Bischof von Troja (Provinz Capi-
tanata, KOnigreich Neapel) und Oberprocurator des deut-
schen Ordens in Rom, welche letztere Stellung er auch
nach seiner Ernennung zum Rigaschen Erzbischof noch
einige Zeit beil>ehielt (Index, 2, n. 2137 ; cf. iiber ihn auch
Krantz, Wandalia im Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth- und
Curl. 2, 2. Aufl. S. 267). Zum Erzbischof von Riga wurde
er vom Papst Sixtus IV. am 12. Marz 1480 ernannt, welche
Wurde er bis zum 20. December 1483, an welchem Tage
er starb, bekleidete. Beigesetzt wurde er in der Dom-
Kirche zu Riga (s. Brieflade 3, 189 ff. und Sitzungsberichte
d. Ges. f. Gesch. u. Alterthumsk. a. d. J. 1886, S. 3).
Z. 50 d. S. 204, Anm. 3 ist seine Regierungszeit an-
gegeben: 1480, Marz 22 bis 1483, December 20.
1476.
24. A domino Henrico Danhof de Livonia canonico Tar-
batensi XIII solidos. S. 223, 30.
Unter Danhof ist unzweifelhaft Ddnhoff zu verstehen,
so dass der Obige ein Glied der auch in den Ostsee-
provinzen vorkommenden Adelsfamilie DOnhoff gewesen
ware. S. uber dieselbe Mittheilungen a. d. livl. Gesch. 7,
281—342 und im Allgemeinen Kneschke, Neues allgemeines
deutsches Adels-Lexicon, 2, S. 522 ff.
Siegel der Donhoffs s. Tafel 49, 5—7 der Brieflade 4.
25. A domino Jofeanne Brockel de Livonia XIII solidos.
S. 223, 32.
Fur Brockel ist Brackel zu setzen. Am 4. Juli 1470
wird ein Johannes Brakel de Revalia in Rostock immatri-
culirt (s. Bothfuhr, D. Livlander, S. 36). Ein Johannes
Brakel erscheint in einer zu Reval am 19. August 1486
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435
ausgestellten Urknnde als Domherr der Kirche zu Dorpat
(Brieflade, 1, n. 355).
Die Adelsfamilie Brakel erscheint schon friih (13.
Jahrhundert) in den Ostseeprovinzen und ist in verschie-
denen Gegenden daselbst begutert gewesen. Auch unter
den Burgera Revals und Narwas ist sie zu finden (Brief-
lade, I, 2, S. 7 f., Personenregister zum livl. UB., Das
alteste Wittschopbuch der Stadt Reval, S. 191, Hildebrand,
D. Rigische Schuldbuch, S. 124, Beitrage zur Kunde Ehst-,
Liv- und Kurlands, 2, 503 f., Stryk, Beitrage zur Gesch. d.
Rittergiiter Livlands, 1, S. 6, 58 u. 144, Das Inland, 1852,
S. 638, 1853, S. 649 ff.).
Siegel der Brakels s. Tafel 48, 1—4 der Brieflade 4.
1489.
26. A venerabili viro domino Caspari Nockhen preposito
Rigensis eclesie VIII grossos 1 ). S. 236, 32.
Unter ihm ist unzweifelhaft Jaspar Notken zu
yerstehen, der nicht lange vorher Propst der Riga-
schen Kirche geworden sein kann, da am 21. Juli 1487
diese Wlirde noch von Heinrich Hilgenfeld 2 ) bekleidet
*) Der grossus war = 2 solidi oder 24 Deuare. S. S. 86, Anm. 1
und S. 502.
2 ) Er folgte in der Propstwiirde Georgius (Jurgen) Hollant, de-
cretormn doctor (f 12. October 1484. Sitzungsberichte der
Gesellschaft fur Geschichte und Alterthumskunde a. d. J.
1874, 5; vergL dagegen das sogenannte rothe Buch in Ss.
rer. Liv. 2, 773, wonach am 20. Juni 1481 die (wohl als fal-
sches Gerucht aufzufassende) Nachricht von seinem Tode nach
Riga gelangte), der, aus Preussen stammend, in Bologna das ca-
nonische Recht studirt haben soil (Schriften der gelehrten estn.
Gesellsch. Nr. 7, 4 u. 10). In den Annalen der deutschen Nation
ist sein Name nicht zu finden, was jedoch durchaus nicht hin-
dert, inn den Bologneser Scholaren zuzuzahlen. Es liessen sich
eben nicht alle Deutschen ihrer Nation zuschreiben. S. auch den
erwahnten Aufsatz von Dr. Knod, S. 16.
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436
wird 1 ) (Brief lade, 4, 111). 1485 war Jaspar Nfltken Be-
vollmachtigter des Erzbischofs Michael Hildebrand (1484
bis 1509; s. Brief lade, 3, 192 ff.), um dessen Anerkennung
bei der Stadt Riga, dem Rigaschen Domcapitel und der
erzstiftischen Ritterschaft zu erwirken (Ss. rer. Livon. 2,
795 f.; hier Jaspar Noseke genannt, cf. dazu N. N. Misc.
3, 4, 530). Am 2. Marz 1486 nennt ihn Erzbischof Michael
seinen Neffen, der auf die von ihm innegehabte Oeselsche
Dompropstei verzichtet habe zu Gunsten Heinrich Hilgen-
felds, der aber zugleich Rigascher Dompropst bleibt (N. N.
Misc. 3, 4, 692). Nach dem 21. Juli 1487 ist dann Ndtken
Rigascher Propst geworden (s. oben); und als solcher
*) Eine undatirte Urkunde im Index, 2, n. 2311, welche Hilgenfeld
noch als Rigaschen Propst bezeichnet, ist daselbst ins Jahr
1492 gesetzt worden. Dieses Datum ist falsch, da nach den
Annalen jedenfalls schon 1489 Casparus Nockhen'(Notken) die
Wiirde eines Rigaschen Propstes inne hatte und im Jahr 1490
dieser sich selbst so nennt, denn im Lib. Confr. B. Marie de
Anima Teuton, de Urbe (S. 85) heisst es: Jasperus Noectken,
prepos. sancte Rig. eccl. ordinis militie beate marie Theotoni-
corum Jerosolimitanorum intravi hanc frat. 2. Febr. 1490 et
manu propria me inscripsi. Im Jahr 1492 war Hilgenfeld auch
schon einige Zeit todt : in der sogen. Wolmarschen Afsproke vom
30. Marz 1491 wird er als verstorben angefiihrt (Arndt, 2, 172).
— In einer Urkunde vom 13. April 1489 wird er noch als Riga-
scher Propst bezeichnet (Verhandl. d. gel. est. Ges. 8, 1. H.
S. 40). Es sind aber seine Blutsverwandten, die ihn so nennen
und die dariiber klagen, dass der Erzbischof (Michael Hildebrand)
ihm, der sich gegenwartig bei dem Gubernator in Schweden auf-
halte (auch spater ist er dort: Verhandl. S. 42), seit drei Jahren
das Seine entziehe. Daraus durfte hervorgehen, dass damals be-
reits einem anderen und zwar dem Obigen die Wiirde eines
Rigaschen Propstes verliehen war. S. iiber Hilgenfeld ausser
dem Citirten noch N. N. Misc. 3, 4, 668—83, 690—709, Mon.
Liv. ant. 4, COXIV u. CCXLV, Verb. d. g. e. G. 8, 1. H.
S. 23, 25, 29, 33, Russwurm, Nachrichten fiber das Geschlecht
der Ungern- Sternberg, 2, S. 158, Index, 2, n. 2235, Krantz,
Wandalia im Archiv, 2, 2. Aufl. S. 270, Ss. rer. Liv. 2,
S. 784 f., 787 f., 790 ff., 794-97, 799 f., Rigasche Stadtbl.
1817, S. 75 f.
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m
v$d JQrchherr z^i St. P^ter erscjieint; $r ^m 20. Mai }496
(Brieflade, 1, n. 514). — In einem u^dptirtpn Schrpibe^
bittet der Hochmeister (Jen Oberprocprator in Rom, dem
Rigaschen Propst Caspar Notken beirathig zu sein, indem
de;rselbe durcbsetzen will, dass der dem Rigaschen Erz-
bischof den Gehorsam verweigernde Biscbof von Oesel
dazu gez\ynngen werd^ Index, 2, n. 2343. Hier „vielleicht
1495" gesetzt. Biscbof von Oesel war iin Jajar 1495
Johannes Orges (s. n. 22). Von einem Konflikt zwigchen
ihm und dem Brzbischof von Riga (Michael Hildebrand)
ist nichts bekannt. Ein solcher kann aber zwischen dem
Erzbischof und dem Biachof Petrus Wetberch von Oesel
(s. n. 20) entsjanden sein, als den letzteren am 25. Octbr.
1487 Papst Innocenz VIII. auf seine Lebenszeit von der
Gericbtsbarkeit und Oberherrsch^ft des Rigaschen Erz-
bischofs Michael und seiner Nachfolger eximirte (Index, 2,
n. 2241, cf. Brieflade, 3, 264). Im Jahr 1487 kann aber
nach dem Obigen Caspar Ntftken bereits Propst von Riga
gewesen sein, oder er ist es bald nacbber geworden. —
Am 14. Juni 1509 wird der Propst der Rigaschen Kirche
Johannes Notke genannt (Brieflade, 1, n. 735), wofiir
aber Jasper zu setzen sein wird (cf. auch Brieflade, J, 2,
59), wenn man nicht an^ehmen wjl|, dass ein anderes Glied
der Familie damals diese Wiirde inne hatte. Im Jahr 1502
vergleichen Bischof Heinrich (von Kurland) und Meister
Plettenberg den Propst „Jacob Nolcken" und die Stadt
(Riga) (Schirren, Verzeichniss livlandischer Geschichts-
quellen etc. S. 194, n. 64). Darunter kann nur Jasper
Notken verst^nden werden. Auf denaelben Vergleich wird
sich beziehen, was Arndt, 2, 155, Anm. erz&hlt. Nur ver-
legt er ihn ins Jahr 1512 und nennt den Propst: „Joh.
Nolcken". Identisch mit dem Propst kann auch der in
-einer Urkunde des Erzhischofs Michael Hildebrand vom
Jahr 1506 erw&bnte Jasper Ntitken sein, dem das Gut
Erkull im Kirchspiel Dbbenorm im Wolmarschen Kreise in
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 4. 29
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Livland verkauft worden war (Stryk, Beitr&ge zur Geschichte
der Rittergiiter Livlands, 2, 231).
Ueber andere Glieder der Familie 1 ), von denen im
16. Jahrhundert viele Inhaber von Gutern in Livland
waren, einige auch bei bedeutenderen geschichtlichen An-
lassen hervorgetreten sind, s. Brief lade, 1, n. 1015, Russ-
wurm, Ungern-Sternberg 1, S. 50 u.**2, S. 189: Angabe d.
beziiglichen Quellen, denen noch Mittbeilungen a. d. livl.
Gesch. 5, S. 374 ff. hinzuzufugen ist, fur d. Urk., in der
35 Vasallen des Rigaschen Brzstifts, unter denen auch ein
Notken war, sich gegen die vier Familien der samenden
Hand (Tiesenhausen, Uexkull, Rosen und Ungern) ver-
banden, ferner ebendas. 2, S. 459, n. 427, Mon. Liv. ant. 5,
S. 62 (Index, 2, n. 3029, falsch mit dem 4. Octbr.), cf.
Russwurm, S. 272, n. 210, ebendas. 5, S. 213 (Index, 2,
n. 3004) u. S. 255 (Index, 2, n. 3031), cf. Russwurm,
S. 273, n. 211, Mitth. a. d. livl. Gesch., 1, S. 469 u. 477,
2, S. 8, cf. 400 ff., 6, S. 313, N. N. Misc. 7, 8 2 ), S. 280,
Schirren, Verzeichniss, S. 21, n. 201, S. 35, n. 432 und
derselbe, Quellen z. Gesch. d. Unterg. livl. Selbst., 1, n.
15, 6, n. 794, Bienemann, Briefe u. Urkunden z. Gesch.
Livl. in d. J. 1558-62, 2, n. 392, Elert Kruses Warhafft.
Gegenbericht auff d. Liefflend. Chronica Balth. Russows
(Riga, 1861), S. 34 u. 38, Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth-
u. Curl., 6, 129: Johann Nebken (Notken) tho Erkull, 130:
!) Fur die weniger bekannten livlandischen Familien Notken, Blan-
kenfeld, Hagen und Schierstadt habe ich fiir das 16. Jahrhundert
und soweit sie vorkommen auch fur die fruhere Zeit die mir
entgegengetretenen Quellenangaben, in denen Glieder derselben
erwahnt werden, citirt, ohne aber dabei Vollstandigkeit zu bean-
spruchen, welche bei der Zerstreutheit des Materials fiir diese
Zeit iiberhaupt nur schwer moglich ware.
2) Der ebendaselbst S. 476 f. erwahnte Tonne Nodink ist nicht,
wie in der Anmerkung angegeben, als Glied der Familie Notken
anzusehen. Die Nodings und Notkens bildeten zwei von ein-
ander versehiedene Familien.
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Hinrich Ndlcken (Ntftken), 131: Jurgen Ndllen (Ntftken),
Hagemeister, Materialien zu einer Gesch. d. Landgiiter
Livl., 2, S. 213 f. u. 222, Schiemann, Der alteste scbwe-
dische Kataster Liv- und Estlands, S. 14, 44, 50, 71 u. 75,
Renners Livl. Historien, herausgegeben v. Hohlbaum und
Hausmann, S. 230 u. 274, Dionysius Fabricius in Ss. rer.
Liv. 2, S. 488 u. 491, Ceumern, Theatrid. Livon. 2, S. 141:
Jacob Ntfthen (Natken), Stryk, Beitriige, 1, S. 165, 2,
S. 187, 209, 231 (cf. Arndt, 2, S. 354), 300, 323 u. 370,
N. Misc. 22 u. 23, S. 454.
Von den weiblichen Gliedern der Pamilie ist durch
ihr treues Pesthalten am katholischen Glauben noch lange
nach Einfiihrung der Reformation bekannt geworden: Anna
Ndtken (f 1591), die letzte Nonne des Marien-Magdalenen-
Klosters in Riga (Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth- u. Curl.,
5, S. 73 ff., cf. Arndt, 2, S. 215, Mittheilungen, 4,
S. 446 u. 458, Sitzungsber. d. Ges. f. Gesch. u. Alter-
thumsk. 1876, 33 ff.).
Eine biirgerliche Pamilie dieses Namens lebte in
Reval: ein Michael Noteken wird in den Jahren 1410 — i443
vielfach als Revalscher Burger urkundlich erwahnt (Per-
sonenregister zum livl. UB. 4, 5 u. 7 — 9).
Vergl. iiber die Pamilie Notken auch Bdthfuhr, Die
Livlander, S. 141 u. 145, wo aber die historischen Angaben,
wie die Citate, nicht immer richtig sind.
Bin Siegel der Ncfrtkens ist beschrieben: Index, 2,
n. 2906, Anm. n. 31.
1498.
27. A venerabili ac nobili viro et domino Georio de
Wedberck preposito Osiliensi in Liflandia Bologninos XXIY.
S. 251, 18.
Ein Georius Wedeberg de Livonia wurde 1485 in Er-
furt immatriculirt (Bdthfuhr, Die Livlander, S. 23). Eine
29*
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Tdentitat mit dem Obigen i6t trotz deri grosBeto Zeitiinter-
schiedes nicht unmtfglich. Er kann in Erfurt studirt haben,
wurde dami, in die Heimath zuriifckgekehrt, Dotopropst zu
Oesel und begab sich als solcher zur Vervollfctahdigung
seiner Stiidieii nach Bologna, tro viele bereits im Altei*
vorgeruckte und hdhere Grade bekleidende Eleriker sich
itirimatriculiren Iiessen.
Von der Adelsfamilie Wetberch (Wettberg), die erst
im 15. Jahrhundert in den Ostseeproviiizen urkundlich
nachweisbar ist, erscheinen ausfeer dem obeil genahnteh
Bischof von Oesel, Petrus Wetberch, und dem bier Ver-
zeichneten auch sonst einige Glieder als Inhaber btfherer
geistlicber Wiirden der Kirchen zu Oesel und Reval (Brief-
lade, I, 2, ; Reg. S. 125 u. Index, 2, S. 413). Im Inland,
1837, S. 160 ist von einem Georg Wettberg, geb. 1417,
Stiftsvoigt in Livland, Erbherr auf Kangern in Oesel (uber
dieses Gut s. Nord. Misc. 22 u. 23, S. 464, Inland 1837,
S. 260 u. Buxhowden, 2. Portsetzung von Hagemeisters
Giitergesch., S. 117), die Rede. Zugleich wird die Prage
gestellt: War Georg Wettberg der erste, der aus Braun-
schweig nach den livlandischen Ordenslandem tarn. t)er
Obige konnte sein Sohn gewesen sein.
Siegel der Wettbergs s. auf Tafel 59, 14 u. 15 der
feriefl. 4; cf. auch Tafel 37, 13 u. 14.
1499.
28. A domino Joanne Blanckenf^t Brandenborgeriste dio-
cesis medium ducatum 1 ). S. 253, 21. V. a. H. hinzugefugt:
Johannes Blankenfeldt de Berlin episcopus Rigensis obiit
nunc. Z. 45.
Johannes Blankenfeld war ein Sohn des Mrger-
meisters zu Berlin, Thomas Blankenfeld, und ist in Berlin
*) Der dUcatus gait bal& 3*7, bald 38 fcolidi, auch 38 solldi und 6
Denare werden angegeben. S. S. 502.
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gebarea 1 ). Ip M. Fr T . Seidels Bilder?Saini#liABg . . , . ipit
beygefijgter IHaaterung . . , , . yon Kiiftfcer, Berlin 17161,
wird als sein (xeburtsjahr 147J a»gegpb^j}. Barnaph i#fc er
18 Jabre alt *u Bologna ioamatriculirf; w.qp<toft- IJier prp-
mpviptp $r zi*m Dp#tor pfriusque juris, auf yetofre Bflg$>PJi-
heii der Dr. theol. IJej*irich Bpger 2 ), Ppeta laurpa*ug, Rp-
stocfcer J)omLdeeh^nt und Professor, Bpgleiter (Jes J.5Q2 in
Bologna i#*majtariculixfcefl Herzogs Bricfr y. Mektenburg
(Acita, ,S. 260, 38), eip Gedicht verfaeet^ (3. Ifr. &ra,us? i$
Mittneitengsn *. d. HvJ. G^scb. lp, S. 287 ff.). £oger b^-
ESeiebnejt den Be^wgepen al$ vermutbUcbien J$ijrgeripei3ter
pder Syndipus y<on Berlin. Gpiatliehe We&en, ^t Jfrauae
-(8. 290), apbeiitfi BUpkpitfeld dewiacto npch nipbt gebabt
3u h^bei*. Die Prompjfcion Jkan# aber uicbfc, Vfe Kfister
angiebt, scbon in JBlankonfelds a^t^ehnteui Jabre ata^t-
gefun<jlen habe*i, <Ja Roger erst 15Q2 njapji Bplogna kam.
Kiister er^hlt dann wetter, rfjUss B^Jspnfetyl ,4arauf yjor-
steber 4e$ 4eutschen Hauses jLn Rojpa u#d Procurator dee
deutpchpn Qnieijts geweaen sei. Ij)ass er QrdeBaprpcflratpr
war, ig|t urkiji^dlich jhpzeugt, ,aber jaue gp^terer geft. l#i
.oben ,erwl^b»ten Lib,. Qpijfr^rn. p. Jtfar r ie ,#e janjiina Teu-
ftpnicorttm de Urbe bpisst ee zum J^r 15(13 vqn jixm
{p. 42): Jsobaflnes jBlaakfeMt .utriu^ftue juris 4pctpr, ttlu-
i) Ueber ,^ie famijlie BXankenfeld p. den .Aufsajz yQn Dr. C. pPfteqty
Berliner Geschlechter in „Vermischte gchriften im Anschlusse an
die Berlinisclie Chronik und an das Urkundenbuch, herausgegeben
von dem Verein fttr die ^esehichte Berlins". >1. Bd. Berlin 1888.
Tafdl 1. Ueber 4en uns interqssirenden fjilr.zbischqf von Riga
<fn$en siqh in c(eni$ett}en ke ( ine nenen Na t Qhrichten. JDie Angabe,n
iiber ihn sind dem oben angefuhrten Werk yon Kuster, der nicht
immer zuverlassig ist, entnoinraen. Ueber das Haas der Blanken-
feld in Berlin, in dem wool auch Johann Blankenfeld gebpren
sein ¥fbrd, s. „Nordd. A^fe- #%•" W.,0-,^ unjd .dai;nach ,J^g.
Stadtbl." 1889, n. 34.
2 ) Ueber Bpger ^. die a us ^brbelie Bipgraphie yon D[r. ICra|we in
t ,JahrbiiQ}ier dep Vereins ffir meklenburgische Geschiqhte und
Alterthumskundc". Jalirgang 47, S. Ill ff.
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442
strissimi principis marchionis Brandeburgensis, electoris
imperii ac magni magistri Prussie et Ordin. Teutonicor.
consiliarius ac procurator generalis 1513 Apr. 26.
dedit. Procurator d. d. 0. wird er auch Januar 1515
genannt (Index, 2, n. 2669). Auch war er Caplan des
Hochmeisters des deutschen Ordens, des Markgrafen
Albrecht von Brandenburg (1511, 14. Pebruar bis 1525,
8. April). In eine fruhere Zeit aber fUllt seine Th&tig-
keit in Frankfurt a. 0. Hier war er Professor der Rechte l )
an der neu (1506) gegrundeten University und wurde im
Jahr 1507 zum Rector (der zweite) erwahlt (den 23. April
auf ein Jahr). In der Matrikel dieser Universit&t heisst
es von ihin: . . . . de Berlin, utriusque juris doctor et fa-
cultatis juridice ordinarius, plebanus Cotbusianus ac in-
super ex procuratore ordinis Theotonicorum episcopus Re-
valiensis (Matrikel der Universitat Frankfurt a. 0. Heraus-
gegeben von Dr. Ernst Friedl&nder. I. Bd., in den Publi-
cationen aus den ktfniglich preussischen Staatsarchiven.
32. Bd> 1887, S. 17). Die letzten Worte mussen spater
der Matrikel hinzugefugt worden sein, denn Bischof von
Reval ist Blankenfeld erst im Jahr 1514 geworden. Als
solcher wird er zuerst genannt am 20. October d. J. und
zugleich heisst es von ihm: Sanctissimi domini pape et
Sedis Apostolice cum plena potestate legatus de latere
Nuntius et orator. Bischof von Reval bleibt er bis An-
fang 1525. Schon fruher (1518, vor 29. Juli) war er auch
zum Bischof von Dorpat ernannt worden, welche Wurde
er bis zu seinem Tode (9. September 1527) bekleidete.
Zugleich war er seit 1524, Juni 29, Brzbischof von Riga,
nachdem er bereits 1523, Nov. 29, vom Papst Clemens VII.
wegen Altersschwache und Krankheit des Erzbischofs Jasper
Linde mit ausdrucklicher Zustimmung des Erzbischofs und
*) Nach Kiister War er vorher noch in Leipzig Beisitzer der Jnristen-
Facultat. Auch sonst erzahlt Kiister von ihm noch einige be-
sondere Umstande.
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443
Domcapitels zum Coadjutor des Erzstifts und kiinftigen
Erzbischof ernannt worden war (s. Brieflade, 3, 202 ff.,
325 ff., 370).
Anm. 1 d. S. 253 der Acta ist die Dauer seiner
bischoflichen Wurden angegeben : episcopus Revaliensis
1514, episcopus Dorpatensis 1518, Juli 29 — 1524, Mai 3,
archiepiscopus Rigensis 1524—1527, Sept. 9. Er hat nicht
nacheinander diese Wiirden bekleidet, sondern zeitweilig
alle drei zugleich, und Bischof von Dorpat ist er bis an
seinen Tod gew^sen, ebenso wie als Erzbischof von Riga.
Worauf die falsche Angabe, dass er nur bis zum 3. Mai
1524 Bischof von Dorpat gewesen, welche Gams S. 273
entnommen ist (dieser hat iibrigens: trans Rigam p. 3.
v. 1524), sich stutzt, ist mir nicht nachweisbar. In der
Matrikel der Universitat Frankfurt a. 0. hat Dr. Fried-
lander (S. 18, Anm. 1): Bischof von Reval 1514, Oct. 30
— 1518, Juli 29, Dorpat — 1524, Mai 3, Riga — 1527,
Sept. 9. Hier herrscht dieselbe Verwirrung und Unklarheit.
Gestorben ist Blankenfeld am 9. September 1527 in
Spanien und zwar zu Torquemada (Castilien), einem
Stadtchen einige Meilen von Palencia entfernt. Daselbst
wurde er auch beigesetzt. Von seinem Grabe lasst sich
jedoch keine Spur mehr nachweisen (Kiister, 31, Sitzungsb.
d. Ges. f. Gesch. u. Alterthumsk. a. d. J. 1886, 3 u. a. d.
J. 1888, 9).
Siegel von ihm s. Tafel 26, 26 u. 27, 32, 15—17, 42,
20 u. 21 der Brieflade 4. Von ihm geschlagene Mlinzen
ebenda Tafel 15, 69 u. 70.
1516.
29. A domino Ludolpho Boberth Tarbatensis ac Sancti
Martini Mindensis eclesiarum canonico unum florenum Re-
nensem. S. 280, 19.
Eine Cumulation der Pfriinden war auch in Livland
nicht selten und auch fur die hier angefuhrte Verbindung
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einer Pfrunda in Livland mit fciner anderen in eitteto
L&nde, dfcs 2u Livlaiid in kfcinfcr Besiehung stand, finden
sich Beispiele im livl&ndischen Urkundenbuch.
Ludolphus Boberih ist unzweifelhaft identisch mit Lu-
dolf Bobbert, Domherr zu Dorpat und Oesel, der etwa
Ende 1518 als Gesandter der livlandischen Pr&laten sich
nach Rom auf den Weg machte, urn eine Wiederherstellung
des Zustandes im 13. Jahrhundert anzustreben, bei welcheiri
der tapst dem Kigaschen Metropolitan die Wahl, resp.
feestatigung der livlandischen Bischofe vOllig uberlassen
hatte. Bobbert hatte mit seiner Sendung auch Erfolg beim
tapst, starb aber September 1519 in Rom und die von
iW Wtriebene Angelegenheit verlief wegen des nachtrag-
licheh Widerstandes der livlandischen Bischofe, die dem
Rigaschen Erzbischof keine allzu grosse ftlacht einraunien
wollten, schliesslich im Sande (s. Hildebrand, Die Arbeiten
fur das liv-, est- u. kurl. UB. im Jahre 1875/76, S. 98 ff.,
of. S. 94).
1541.
30. A nobili domino Joanne a Stachelberg Livoniensi Bo-
nonenos 77. S. 322, 15.
Er ist wol identisch mit Johann Stackelberg, Dom-
propst zu Dorpat, der zu Dorpat am 2. November 1546
seinem Schwager Johann Zoege 1 ) zu Erbstfer (Errestfer,
Kirchspiel Kannapah, Kreis Werro) sein angestorbenes und
bescheidenes vaterliches Erbe, den Hof zu Rewold mit der
Miihle und den dazu gehorigen Giitern im Stifte Dorpat
und Kirchspiel Camby belegen, verkaufte (Brieflade, 1,
n. 1285, cf. n. 1286, Gadebusch, Livl. Jahrb. I, 2, S. 384
u. Stryk, 1, S. 35). Er erscheint dann als Dompropst am
27. Januar und 2. Juli 1550 (Gadebusch, I, 2, S. 396 u.
Sitzungsberichte der gel. estn. Ges. 1875, S. 37, n. 23).
'*) Vermahlt mit Gertrud Stackelberg (Schirren, 'Neiie Quellen zar
Gesdi. d. TJiitefg. livl. Selbst. 3, S. 381).
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446
Wahrgfcheinlich ist unter ihin auch zu verstehen der Dom-
herr Stackelberg, der beim Einfall der Russen ins Stift
Dorpat (Januar 1558) das bisobofliche Schloss Altenthurm
(Kfrchspiel Wendau) am Embach inne hatte. Oihne Wider-
stand zu wagen, raumte er das Schloss, worauf die Russen
es Yerbrannten und dann vor Dorpat ruckten (Renmer,
8. 164, cf. Stryk> 1, 176 u. Siteungsb. d. gel. estn. Oes.
1875, 37, n. 28). — Der in den Jahren 1541, 42, 47, 52
u. 55 erwahnte Johann Stackelberg (Russwurm, Ungern-
Sternberg, 1, S. 46, 2, S. 341, n. 278 u. Aram. 1, Mifctheil.
a. d. livl. Gesch. 2, S. 159, 11, S. 142 ff., Brieflade, 1,
nn. 1426 u. 31) wird ein anderer tmd wol identfech sein
mit dem Johahn Stackelberg, der am 27. Januar 1*550
neben dem Dompropst angefuhrt wird (Gadebusch, I, 2,
S. 396); er war wol des leteteren gle&ohnamiger Bruder,,
der in der Urkunde vom 23. April 1544 (s. unten) neben
demselben genannt wird.
Die Familienverbitftnisse dieses Dompropstes von Dor-
pat lassen sich sehr sicher bestimmen. Er war unzweifel-
balft edn Sohn des Peter Stackelberg, Armds Sohn, der im
Jafer 1522 vom Bischof Johann Blankenfeld mit dem Gut
Rewold belebnt wurde, auch songt im Stift Dorpat reioh
begurtert war iind in demselben angesehene Stellungen be-
kleidete. Er war Dftrptscber Mannrichter und Stiftsvogt,
wie Rath und Katazler des Bischofs von Dotfpat (Brieflade,
1, nn. 739 (cf. Russwurm, U.-St. S. 173, n. 116), 837 :(cf.
Russwurm, Nachrichten uber d. Geschl. Stael v. Holstein,
S. 10, n, 17), 848 (verdruckt 868; cf. Sitzungdb. d. g. e.
Gas. 1875, S. 85, n. 6 u. Stryk, 1, S. :212), 862 (cf. Russ-
wurm, >U.-St. 2, >S. 179, n. 122>), 896 (of. Stryk, 1, S. 35),
910 (cf. Sitzungsb. d, g. e. Ges. 1875, S. 35, <n. 7 u. Stryk,
1, S. 212), 1047, 1068, 1122, 1124, 1219, N. N. Misc. 7, 8,
S. 322, Russwurm, U.-St. 1, S. 46, 2, S. 385, m. 27?,
Mon. Liv. ant. 5, 76, 178 (cf. Russw. U.-St. 2, S. 258,
n. 193), 269, 314 ;(of. Russw. U.-St. 2, S. 292, n. 232),
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446
451, 483, Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth- u. Curl. 2, 2. Aufl.
S. 107, Arndt, 2, S. 190 u. Mittheil. a. d. livl. Gesch. 12,
S. 503 (Silvester Tegetmeiers Tagebuch; cf. dazu Mittheil.
13, S. 65 ff.), Bredenbach, Belli Livon. . . . 1564, S. 20 f.,
Stryk, 1, S. 17, 175 f., 213, 253, cf. auch Buxhowden, 2.
Forts, zu Hagemeister, S. 40, vgl. S. 35 u. 39 u. N. Misc.
20 n. 21, S. 168). Zuletzt wird er erwahnt am 23. April
1544, an welchem Tage er mit seinen Sohnen: Peter (spater
Beisitzer des Dorptschen Mannrichters : Briefl. 1, n. 1469,
auf ihn wol auch zu beziehen: Stryk, 1, S. 176), Jurgen,
Reinhold (mit Brigitta Tiesenhausen verm&hlt: Briefl. 1, 2,
S. 78, Geschlechts-Ded. d. Familie Tiesenhausen, S. 95),
Johann I. und Johann II. (der eine ist der Dompropst,
der andere dessen oben erwahnter Bruder), eine Erbthei-
lungsurkunde errichtete, mittelst welcher er den Hof Kawer
(Kawershof, Kirchspiel Wendau, Kreis Dorpat) und Petri-
mois mit Land und Leuten seinem Sohn Reinhold Stackel-
berg iibertrug (Sitzungsb. d. g. e. Ges. 1875, S. 38, n. 27,
cf. Stryk, 1, S. 175).
Die Adelsfamilie Stackelberg ist seit dem Anfang des
14. Jahrhunderts in den Ostseeprovinzen urkundlich nach-
weisbar (s. Rigisches Schuldbuch, S. 63, n. 939, Briefl. 1, 2,
Reg. S. 78, Personenreg. zum livl. UB., cf. auch Nord.
Misc. 15-17, S. 271 ff. u. Kneschke, 8, S. 581 f.).
Ein Siegel der Stackelbergs s. Tafel 57, 3 der Brief-
lade 4, cf. S. 203.
1542.
31. Reverendus ac nobilis dominus Federicus 'Ampten ca-
thedralis ecclesiae Osiliensis in Livonia propositus, cum per
Bononiam iter faceret, nostri collegii membrum esse dessi-
derans tres aureos Renenses, unum pro LVII Bononenis,
qui faciunt VIII libras et XI Bononenos, fisco nostro ap-
plicavit. S. 325, 34.
Nach der Fassung dieser Eintragung muss Friedericus
Ampten nur kurze Zeit sich in Bologna aufgehalten und
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447
nicbt eigentlich dort studirt gehabt haben 1 ). Das wird
durch einen anderen Umstand bestatigt (s. gleich unten).
Seine Einzahlung war eine ungewdhnlich hohe. Johann
Renner, der ihn perstfnlich gekannt hat, erz&hlt von ihm
S. 154 f.: Disse bischop van Revel was ein wis und vor-
stendich man. Vor tiden was he als ein schlicht bloth
geselle tho Revel gekamen and dem rade sinen denst vor
eynen prediger presenteret und angebaden; weren se dar
to wol geneget ohne an to nemen, wolden se doch erst
sine predige horen; dar up he gefraget, wo se idt hebben
wolden, upt olde edder upt nie; alse de rath solkes horde
und dat he huicheln wolde, do danckeden se em sines an-
gebadenen denstes. Dar up gaf he sick under de papen
up den dohm (den hGher gelegenen Theil der Stadt mit
der bischoflichen Hauptkircbe), wart van den sulven dar
na belenet und is entlich bischop geworden, heft nicht
oevel by dem lande gedan, dan he vaken in wichtigen sa-
ken tho des landes besten gebruket und vorschickt worden,
und als he to disser reise af geferdiget (im Auftrage des
Ordensmeisters Wilhelm v. Fiirstenberg mit anderen als
Gesandter zum Konig von Polen 1556) und to Wittenstein
(Weissenstein in Jerwen) quam, hebbe ick Johannes Renner
(als Schreiber des Vogts) dar sulvest mit ohme gegeten
und gedrunken.
Am 21. Februar 1541 erscheint er als Domdecan und
Domherr der Kirche zu Reval. Am 7. September 1542,
1543, 25. .April (Buxhowden, Fortsetzung zu Hagemeister,
S. 24, cf. Russwurm, U.-St. 2, n. 306) und 12. Octbr. 1548
l ) Auch uber ihn findet sich eine Notiz im Liber Confratern. B.
Marie etc., aber ohne Jahrzahl: Nos Fridericus Ampthenn, pro-
positus ecclesie Osiliensis (al. m. postea factus episcopus Re-
valiensis). Wahrscheinlich ist Ampten von Bologna, wo er nach
der Fassung der Annalen nur auf der Durchreise sich befand,
nach Rom gereist. S. auch den citirten Vortrag von Dr. Knod,
S. 19, Anm. 1.
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MB
und 17. Juli 1660 ist er als DompropBt zu Oesel urkund-
lich naohweiebar. 1st er vor dem 7. September 1542 ill
Bologna gewesea, so muss er diese Wiirdje sehon frfiher
bekleidet haben, da er m deuiselben Jahr unter deia Titel
eines oeselschen Dompropstes in die Amialen der deutschen
Nation eingetragen wird. In jedem Fall kann er nur kurze
Zeit in Bologna verweilt haben, da er am 7. September 1542
tuad im Jahr 1543 in Iivland naehzuweisjen ist. Qbgleieh
er in den genannten Jahren in d>en Urkunden nur Dom-
propet zu Oesel genannt wird, so muss er doch zugleich
Decan der Revalschen Kiroh-e geblieben sein, denn wegen
Krankbeit des Revalsohen Bisohofs Arnoldus Aanefofrt,
hels&t es, war der Decan Friedrich Amptea zu lessen
Coadjutor und Nachfolgear erwaMt worden. D& die Election
aber ohne Zustimnrang des ganzen Capdtels erfolgt war, so
wird sie auf dem Vertragswege am 19, Juni 1546 a#-
ttullirt. Anfaag 1550 ersoheint Ampten aber doch als
Coac^utor. Nach dem am IS. Januar 1551 eirfolgtw Tode
seines Vosrgangers wird «r Bischof, ^rsebeimt aber lai*ge
nur al« Elect Zuerst 1553, 13. Juli ist er als con-
firmirter Bdscbof nachweisbar, nennjt eicb aber dabfli
noch einige Zeilt Dompropet zu Oesel. Das Endjafer seiner
Regierung ist nicht sieher zu bestimmen, es inuss 1557 odjer
1558 gewesen sein (Brieflade 3, 331 ff. S. ,333 ist zwi-
schen 1553, 13. Juli u. 1553, 1. Octbr. Hapsal, einzu-
sclutften: 1553, 23. August, Waddimois (Kirchspiel Merjama
in der Wiek). Russwurm, Ungern-Sternberg, 2, S. 376,
,n. 331. Dabei nennt sich Friedrich: Confirmirter Bischof
des Stifts Reval und Dompropst zu Oesel, ebenso auch
noch am 1. Octbr. 1553).
Siegel yon ihm s. Tafel 32, 23 und Tafel 34, 31 der
Brieflade 4.
4560.
32. Dominus Johannes a Blanckenfeld libras quattuor.
S. 332, 11. Er war im Jahr 1552 Procurator ,S. 332, 34.
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44 9
Obgleich die Heimathsangabe fehlt, so ist man doch
berechtigt, ibn den Livl&ndern zuzuz&hlen, da ein wahr-
scheinlich tnit ihm zn identificirender Joannes Blancken-
felt Livonius im Wintersemester 1549 in Frankfurt a. 0.
immatriculirt wnrde (Matrikel dieser University. S. 113, 6).
Die Familid Blankenfeld erscheint im 16. Jahrhundert
in Livlatid als ans&ssig und zwar steht sie in naher Ver-
wandtschaft zum Erzbischof Johannes Blankenfeld. Am
13. September 1630 verkauft Hinrik Saltze das Gut Kuls-
dorf mit Lemskull (Kirchspiel Pernigel im Wolmarsohen
Kreise), damals „20 Haken gross und 30 Gefiinde mit
Erbbauerii besetzt", seinem Schwager Franz Blankenfeld,
Thomas Sohn, der als leiblicher Bruder des ver-
storbenen Erzbischofs Johannes Blankenfeld 1 ) ata
10. Novetobefr 1533 vom Erzbischof Thomas Schfcning ifait
2V« fiafken Landes, Lemsknll genannt, belehnt wurde. Bald
darauf aber, am 9. August 1537, verkaufte Franz Blanken-
ffeld mit Bewilligbng seiner Hausfrau 2 ) den Hof „tbo
KttllenSorp und das Dorf Lemskull" dem Atidteas Koskuli
(Stryk, 2, S. 177). Es war unzweifelhaffc derselbe, der am
20. Matz 1523 die von 35 Vasallen des Erzstifts Riga
J ) Ein Bruder desselben mag auch Peter Blankenfeld, Burggraf zu
Kirrumpah, gewesen seln, der als eirier der Bevollmachtigten des
Erzbischofs Thdmas Schoning mit det Stadt Riga Unterhand-
luugen pflog, welche aum Vertrage vOn Lilbeek im Juli 1529
fahrten (Taubenheira, Einiges aus dem Leben Joh. Lohmiiliers,
S. 40, cf. S. 21).
*) ITonne Tiesenhausen, eine StJhwester des Bischofs Cteorg Tiesen-
hausen von Reval und Oesel (1525—30 und 1527—30; s. Brief-
lade, 3, 270 f. u. 329 f.), welebe nach der TieflenbausenBchen
Geschlechts-Deduction, S. 91 (cf. auch Brieflade, i, 2, S. 6 u. 86)
eineh Franz Blankenfeld heirathete, identisch tnit Ounigunde v.
Tiesenhausen, der Gattin von Franz Joachim v. Blankenfeld auf
Wohnar und Blankenfeidshof (s. Anrep, Sveaska Adelns attarta-
flor, 1, S. 770, wo auch die Tochter aus dieser Ehe, Margaretha,
vermahH mit Balteer v. Falkenberg, und deren Nachkommenschaft,
angefubrt wird. Cf. auch Russwurm, Ungern - Sternberg, 2,
nn. 373 u. 445).
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450
gegen die Besitzer der samenden Hand geschlossene
Vereinbarung mituntersiegelte (s. bei Caspar Notken, n. 26).
Index, 2, n. 2906, Anm. 13 ist sein Siegel beschrieben.
In demselben findet sich das Wappen der Berliner Blan-
kenfeld (s. d. oben citirten Aufsatz von C. Brecht, Ber-
liner Geschlechter, desgl. des Erzbischofs Job. Blankenfeld
Siegel und Munzen in der Brief lade 4; die Beschreibung
derselben weicht etwas ab von der im Index a. a. 0. ge-
gebenen: anstatt der Trense eines Pferdezaumes eine Weife
(Garnhaspel). Es sind nur verschiedene Bezeichnungen fur
dasselbe Wappen). Auf ihn kann auch der Franz Blanken-
feld bezogen werden, der im Verzeichniss der zum Riga-
schen Erzstift gehGrigen Kirchspiele aus dem Ende der
Ordenszeit im Kirchspiel Kokenhusen als besitzlieh ange-
fuhrt wird (Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth- u. Curl. 6, 134),
oder es ist darunter zu verstehen der gleichnamige Ritter
Franz Blankenfeld, wol ein Sohn des Erstgenannten, dem
der Kdnig Sigismund August im Jahr 1571 das Dorf
Cilligen verlieh, aus dem Blanckfeld entstand, welches mit
Salisburg im gleichnamigen Kirchspiel (Kreis Wolmar) ver-
einigt wurde (Stryk, 2, 214.) Am 9. Marz 1575 wird der
Genannte als daselbst wohnhaffc angefuhrt (Russwurm,
Ungern-Sternberg, 2, S. 441, n. 402). Denselben hatte be-
reits der Ordensmeister Gotthard Kettler mit 4 Gesinden
und dem Hof Wesslau im Burtnekschen belehnt, welche
Besitzung Konig Gustav Adolf 1630 dem Heinrich Noeding 1 ),
der ein Schwestersohn des letzten Besitzers Hans Blankenfeld 2 )
*) Die Noedings waren daraals im Besitz von Kaltenbrunn oder
Noedingshof im Kirchspiel Lemburg, Kreis Riga (Stryk, 2, 50 f. ;
cf. auch Hagemeister, Materialien, 2, 211 und Schiemann, Der
alteste schwedische Kataster, 57).
2 ) Wol derselbe Hans Blankenfeld, der drei Bruder Ungern-Stern-
berg beredete, mit ihm nach Russland zu Ziehen. Der Plan aber
wurde vereitelt und vor seinem Tode (durch Hinrichtung? vor
Februar 1603) bekannte er, dass er die Bruder verleitet und un-
reeht gegen sie gehandelt habe (Russwurm, Ungern-Sternberg 1,
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451
war, verlieb (Stryk, 2, S. 214). Der 1571 u. 75 erwahnte
wird identisch sein mit dem Franz Blankenfeld, der mit
seiner Gemahlin Catharina, geb. Orgies, am 7. April 1598
in den Besitz des Gutes Ollustfer im Kirchspiel Gross-
St. Johannis im Fellinschen Kreise kam (Stryk, 1, .S. 370 f.).
Auf ihn wird auch zu beziehen sein der 1593 und 99 ur-
kundlich erwahnte und urn 1600 als im Burtnekschen, Hel-
metschen und Fellinschen (Wannimoise) als besitzlich an-
gefuhrte Franz Blankenfeld (Russwurm, Ungern-Sternberg,
2, S. 480, n. 463 u. S. 495, n. 486, Schiemann, D. alteste
schwedische Kataster, S. 86, 88 u. 96), gewiss derselbe,
der bald darauf auf Befehl des polnischen Heerfuhrers
Johann Zamoisky, beschuldigt gegen gefangene Polen grosse
Grausamkeiten veriibt zu haben, hingerichtet wurde (Dionys.
Fabricius in Ss. rer. Liv. 2, 495).
Der Vorname Johann begegnet ausser beim Erzbischof
von Riga und dem um 1600 erwahnten auch gegen Ende
der Ordenszeit bei einem Gliede des livl&ndischen Zweiges
der Familie Blankenfeld. Derselbe war im Sesswegenschen
und Schwaneburgschen besitzlich (Archiv f. d. Gesch. Liv-,
Esth- u. Curl. 6, 132) und ware vielleicht identisch mit dem
in Bologna Immatrikulirten *).
1553.
33. Nobilis dominus Fridericus a Volckersam libras duas.
S. 333, 1.
S. 166, 2, S. 504, n. 503). Br kann identisch sein mit Johann
Blankenfeld, der urn 1600 als besitzlich im Schwaneburgschen
und Salisburgschen angefiihrt wird (Hagemeister, Materialien, 2,
211 u. 219 u. Aeltester schwed. Kataster, 87). Zu derselben Zeit
erscheint ein Chris toffer Blankenfeld besitzlich im Helmetschen
und Oberpahlenschen (Hagemeister, 2, 220, Aeltester schwed.
Kataster 88 u. 101).
*) S. iiber die Blankenfelds in Livland auch Georg Langes Livlan-
dische Beitrage I im „Deutschen Herold, Zeitschrift fur Sphra-
gistik, Heraldik und Genealogie", 19. Jahrg. Berlin 1888.
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458
A»eb hiear fehlt die Heimathsangabe, abear die Zuge-
horigkeit zur livl&ndischen Adelsfaroilie FGlker^bni lap$t
sich um so sicherer bebauptea, da ein Fridericus a Volker-
sam Livoniensis im Wintersemester 1549 zu Frankfurt a. 0.
immatrioulirt wurde (Frankf. Matrikel, S. 112, 12).
Bs ist unter dem Gen&nnten wol das Glied d^s Riga-
sehen Domcapitels, Friedrich Folkersahm, zu verstefcen, der
ku Jahr 1554 als junger Domherr be&eichnet wipd (Mob.
Liv. ant. 4, S. 84) i*nd in den Jahren 1556-58 die
Wiirde des Domkellners bekleidete (Renners Livl. Histor.
148, Anna. 6, Schirren, Verzeichniss, S, 38, ». 490, Biejie-
mann, Briefe u. Urkunden, 1, ». 89,, Dogiel, Cod. dipjl.
Polon. 5, n. 121 (cf. Gadebuscli, Livl. Jahrb. I, 2, 489 f.),
Men, Liv. aak 4, 97 f.); im letztgenannten Jahr wurde er
Decan (Mon. Liv. ant. 5, 539)4 ate solcjier fftbrte sr das
gqgen die Russen ins Feld geruckte erzstiftiscbe Aufgebot
an: Septbr. 1558 (Bienemann, Briefe u. Urk. 1, n. 168,
cf. Rennex, 213, Anm. 4 u, Salomon Henning in Ss. rer.
Liv. 2, 227, der Fdlkersahm unriehtig Dompropst nennt,
ebenso viele Spatere). Im ritterlichen Kampfe fiel er
Anfang 1559 bei Tirsen (Kreis Walk); seine Leicbe wurde
nach Riga gebracht und in der Dom-Kirche beigesetzt
(Renner, 229 f. und die daselbst in den Anmerkungen
citirten Quellen, ausserdem Henning a. a. 0.).
Die FdlkersahjBB lassen sich urkundUch auerst in der
ersten Halfte des 15. Jahrhunderts in Li viand als angflssjg
nachweisen (livl. UB. 8, n. 544 v. J. 1432. Cf. auch
Mittheil. aus der livl. Geseh. 11, S. 142 ff. und dazu
Stryk, 1, S. 28).
Bin Siegel der Fttlkersahms ist in den Mittheilungen a.
a. 0. beschrieben.
1564.
34-36. Nobiles domini Christianus et Reinaldus a Szoyen
fratres et dominus Andreas ab Hagen Livonienses libras sex.
S. 333, 36.
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453
Reinaldus a Szoye war im Jahr 1555 Proourator-
Substigt. S. 334, 6.
April 1544 wurden Christianus Sege Livoniensis ex Derpt
dioc. ejusd. Derptensis und Reginaldus Soege ex Derpth in
Heidelberg immatriculirt. Dabei heisst es von ibnen: Hij duo
fratres geruiani et nobiles ultima Aprilis fidera praestiterunt
propter impnbertatem (Bdthfuhr, Die LivUnder, S. 138).
Ein Christianus a Szoyenn Nobilis Livoniensis, juris et
bonarum literarum studiosus, wurde vor Ostern 1554 in
Marburg immatriculirt (ibid. S. 151).
Bin Reinaldus Szoye Livoniensis Nobilis wurde 3. Mai
1551 zu Wittenberg immatriculirt (ibid. S. 145).
1. Ein Christian Soegen erscheint als Zeuge in einer
zu Arensburg am 15. December 1568 ausgestellten Urkunde
(Russwurm, Ungern-Sternberg 2, S. 424, n. 379), wol der-
selbe, dem Herzog Magnus am 8. September 1570 im Peld :
lager vor Reval das Dorf Ochtjas (Kirchspiel Mustel auf
Oesel) nebst dem Dorf Nempa im Kergelschen Kirchspiel
erblich auf ewige Zeiten verlieh (BuxhOwden, Portsetzung
zu Hagemeister, 46 u. 50).
2. Eines Reynold Szoygen als dselschen Domdecans
geschieht am 24. Juli 1554 Erwahnung (Sitzungsber. d. gel.
estn. Ges. 1875, 37 f., n. 25) und zwar in einer Weise,
dass seine Gegehwart in Li viand als wahrscheinlich ange-
nommen werden kann, so dass, wenn man eine Identit&t
mit dem Obigen annehmen will, er nach seinem Studium
in Wittenberg in der Heimath geweih hat, worauf er dann
als Decan zu Oesel in der zweiten H&lfte des Jahres 1554
in Bologna immatriculirt wurde. Das Studium auf der
protestantischen Universit&t Wittenberg und die Wurde
eines Domherrn stehen nicht im Widerspruch mit einander,
da auch in die Bisthumer Livlands vielfach der evange-
lische Gteist eingedrungen war und die Domherrnstellen in
der Zeit meistentheils der materiellen Vortheile wegen er-
strebt wurden. — In der oben angefuhrten Urkunde be-
Mittheil. a. d. lifl. Geschichte. XIV. 4. 30
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464
zeugt der Bftrptsche Domdeean, dass er den ttselschen
Domdecan Reynold Szoygen mit einer Vioarie- im ^ntzen-
scheri Kirchspiel des Bisthums Dorpat belehnt babe und
best&tigt* die Abtretung einiger Bauern von Seiten des
leteter&n an dessen Bruder Johann Szoyge zn Erbstfer
(s. uber ihn bei Johann Stackelberg, n. SO; er war reriich
begfctert im Bis^hum Dorpat und bischttflioher Rath und
wird in den QuelleA der Zeit vielfach erwahnt). Ein Rein-
hold Soie wird dann am 24. Juni 1563; als Dofriherr der
Kirche zu Oesel bezeichnet ^Brieflade, H, 1, n; 10), ofo-
gleich damals eigentlich nicht mebr von einem katholischen
Stift Oesel -Wiek gesproehen: werden kounte, wenn es aueh
officiell noch nicht s&oularisirt war {s. Brief lade, 3, S. 295).
September 1565 nennt sich ein Reinoldt Szoige einen Hof-
diener und Untersassen des Herzogs Magnus, des letzten
Bischofs von Oesel, Reval und Kurland (Schirreh, Ver-
zeichniss, S. 118, n. 1858), vielleieht identisGh mit dem
Gleichnamigen, von dem Russow (Ss. rer. Liv. 2, 75 ft)
und ihm folgend Spatere berichten, dass er das Schldss
Sonneburg auf Oesel, uber das er als Hauptraann g^etzt
war, 4en Scbwedeh ahne Kampf iVberlieiert ; habe* Russow
nennt ihn dabei einen Domherrn ;zu Bapsal, welche Wiirde
inhaltsleer geworden w&r, aber es wird dadurch die Iden-
titat mit dem in den Jahren 1654 und 1563 > Eirwabnteii
bewieaen. Derselbe wird es auoh gewesen sein, von dem
ebenfalls Russow (S,109), dem auch hier Spatere folgen^
erzablt, dass er mit Anderen ala d&ni$cher Commissar am
L September 1575 in Padia mit dem schwedischen ©on*
verneur von Reval, Pontus de la Gardie, nnd emigeii Re-
valscfaen Rathsherre» au einer Unterredung eusammenge-
kommen sei. A us fruh6i?er Zeit, 1. December 1571, wird
ein Reuihold Szoye in eoier zu Padeaorm (sudliehe Wiek)
atisgesteJUen Urkunde als Zeuge angefuhrt (RusBwuna,
Ungern*SterAberg 2, S. 429, n. 388) und einer desselbeDi
Namens iegt in deta Jahren 1591 und 92 Rechenschaft ab
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465
uber die Verwaltung des Schlosses Hapsal (Schirren, Ver-
zeichniss, 8. 178, nn. 209 — 12), woriach er damals in schwe-
disehen Diensten gestanden haben muss. Eines Reinholtt
Szoge geschieht auch 13. Pebruar 1605 Erw&hnung: er ist
nach Hapsal geholt und wegen der geraubten Pferde ver-
hflrt worden (Russwurm, Ungern - Sternberg 2, S. 506,
n. 508). Da der im Jahr 1544 in Heidelberg Imlnatri-
Gulirte als sehr jung bezeichnet wird, so ist es nicht un-
moglieh, dass er im Jahr 1605 noch gelebt hat, mit
grOsserer Wahrscheinliehkeit aber i»t ein Anderer gleichen
Namens darunter zu verstehen, auf den auch manche der
angefiihrten Beispiele werden bezogen werden konnen.
Ausgeschlossen von der Identit&t mit dem Obigen erscheiiri
auch der Reynholdt Zoege, Hermanns Sohn, der zu Reval
am 3. December 1587 unter Vorbehalt des kleinen Hofes
Kotzam das vaterliche Gut Hannijoggi (Harrien) seinem
Bruder Hermann erblich abtrat (s. Paucker, Estlands Land-
giiter und deren Besitzer zur Zeit der Schwedenherrschaft,
II, S. V f.). Es ist unter ihm das Glied eines anderen
Zweiges der Familie, der ZOge zu Hannijtiggi (s. uber diese
besonders Register zur Brieflade 1 u. 2), zu verstehen,
w&hrend derjenige, dem der Obige angehdrte, in den Bis-
thumern Dorpat und Oesel-Wiek anzutreffen ist 1 ).
Das Geschlecht der Soye (Zoege) ist seit dem Anfang
des 14. Jahrhunderts als eine vorherrschend in Estland
weitverbreitete Adelsfamilie urkundlich nachweisbar (s. be-
sonders Personenregister zum livl. UB., Register zur
Brieflade 1 u. 2 u. Aeltestes Wittschopbuch der Stadt
Reval, S. 215).
Siegel der Soyes s. Tafel 56, 27—30 der Brieflade 4.
*) Auch der Bruder des oselschen Domherrn, Joliann Zoege zu
Errestfer, erscbeint spater in der Wiek, als Hauptmann zu Lode
(s. besonders Schirren, Neue Qtfelleii zur Geschichte des Unter-
ganges livl. Selbst. 1—3).
30*
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456
3. Ein Andreas Hagensis de Revalia Livonie wurde
nach Michaelis 1547 in Erfurt immatriculirt (Btfthfuhr, Die
Livl&nder, S. 204).
Die Familie Hagen erscheint schon seit dem ersten
Viertel des 14. Jahrhunderts in Reval und zwar zumTheil
in angesehenen Stellungen. Gotschalkus Hagen war Bischof
von Reval (1509, vor 10. Februar bis nach 1513, 23. Marz.
Brief lade, 3, 324 f.; sein Siegel s. Brief lade, 4, Tafel 32,
14), Heinrieh (1486) und Dietrich Hagen (seit 1486) waren
Rathsherren, der letztere (seit 1499) auch Biirgerinei&ter
(N. N. Misc. 3, 4, 701 u. 710, Hanserecesse, 3. Abtheil.
3. Bd. nn. 516 u. 17, Beitrage zur Kunde Ehat-, Liv- und
Kurlands, 2, 98 u. 100, cf. 105 u. 107, Bunge, Revaler
Rathslinie, 58 u. 99, Arndt, 2, 352), Valentin v. Hagen
war Aeltermann (1532. Archiv f. d. Gesch. Liv-, Esth- u.
Curl. 6, 221). Ueber andere Glieder der Familie in Reval
s. livl. UB. 2, S. 788 u. 94, 3, n. 1098, Aeltestes Witt-
schopb. v. Reval, 198, Beitr. z. K. Ehsti. etc. 2, S. 496 u.
505, 3, S. 66 u. 73.
Auch in Riga erscheint eine Familie dieses Namens
schon fruh, Ende des 13. Jahrhunderts (Rigisches Schuld-
buch, n. 593, UB. 3, n. 1196, Erbebiicher der Stadt Riga,
S. 425, Libri redituum der Stadt Riga, S. 146, n; 249), und
1443 wird ein Claus vame Hagen als Burger zu Narwa
erwahnt (UB. 9, n. 967).
Ebenso werden Glieder der Familie als Grundbesitzer
in Liv- und Estland angefiihrt (Schirren, Verzeichniss,
S. 16, n. 139, Aeltester schwed. Kataster, 18 u. 103 (cf. zu
103 Verzeichniss, S. 97, n. 1635), Index, 2, n. 1838 (urns
Jahr 1450): Hagensche Guter in Harrien und Wierland
(cf. UB. 9, nn. 151, 301, 333, 742, 796 u. 954), Stryk, 2,
S. 139 u. 398. An letzterer Stelle wird angegeben, dass
der Erzbischof von Riga, Michael Hildebrand, im Jahr
1505 dem Andreas v. Hagen einen wiisten Haken schenkte,
aus dem in Verbindung mit anderen Landereien das Gut
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457
Kortenhof im Kirchspiel Schwaneburg, Kreis Walk, ent-
stand. Der gleiche Vorname kdnnte zur Annahme be-
rechtigen, dass der hier Genannte der Vater des zu Er-
furt und Bologna Immatriculirten gewesen sei; die Mdg-
lichkeit derselben erleidet aber dadurch eine Einschrankting,
dass der Student in Erfurt als aus Reval stammend an-
gefuhrt wird, wahrend das 1505 erworbene Grundstuck in
Livland lag). Cf. auch UB. 7, n. 463 v. J. 1426: Curd v.
Hagen, Monch zu Falkenau, Sehirren, Verzeichniss, S. 142,
n. 502 v. J. 1469, wo ein Heinrioh Hagens angefuhrt wird.
In den Jahren 1411, 1424 und 1430 wird ein oselscher
Stiftsdiener Friedrich Hagen, der zu Reval in Beziehungen
stand, erwahnt (UB. 4, Reg. 2231, 7, n. 114, 8, nn. 160
und 291).
1556.
37. (?) Nobifis dominus Wotfgangus Fridericus a Schierstet
libras quatuor. S. 335, 18. Er war im Jahr 1557 Pro-
curator. S. 335, 34 f.
Die Heimathsangabe fehlt, er ist aber vielleicht den Liv-
l^ndern zuzuschreiben, da die Adelsfamilie Schierstadt auch
in Livland und gerade im 16. Jahrhundert erscheint. Von
derselben sind zuerst zwei Briider nachzuweisen, Meinhard
(Mennike) und Wolff v. Schierstadt. Der erstere stand in
Diensten des Herzogs Albrecht von Preussen, dann in
denen der ErzbischGfe Thomas Scheming und Wilhelm von
Brandenburg. In des letzteren Dienst befand sich auch
sein Brtider Wolff und beide waren im Erzstift Riga be-
gutert (s. Mon. Liv. ant. 4, S. CCLXX, 5, S. 86 (cf. Ru£s-
wurm, Ungern-Sternberg, 2, n. 237), 156, 161 ff., 169, 188,
204, 216 f. u. 220 (cf. Taubenheim, Lohmuller, 25), 222
(cf. Ungern-Sternberg 2, n. 200), 234, 239, 244, 246 ff,
281 (cf. Ungern-Sternberg 2, n. 223), 328 f., 342, 344, 375
(cf. Ungern-Sternberg 2, n. 242), 387, 416, 434, 439, 483,
Index, 2, S. 410: Register (die meisten der in den daselbst
citirten Regesten angefiihrten Urkunden sind in den obigen
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458
Stellen der Mon. Liv. ant- 5 ahgedruckt. Index 2906
enthalt die Vereiniguog von 35 Vasallen des Erzstifts
Riga, unter deiven aucb Mennike Schierstadt sieh be-
laud, gegen die Besitzer der samenden Hand. Cf. bei
Ca&par Notken und Jobann v. Blankenfeld, nn. 26 u. 32),
Schirren, Verzeichniss, 26, n. 268 u. 29, n. 334, Ungern-
Sternberg 2, nn. 227 u. 336, cf. 1, S. 36, Brieflade 1,
n, 1157 r I, 2, S. 73 u. 85, Tiesenhaus. Geschlecbts-Deduction,
S. .85, Archiv far die Gescb, Liv-, Esth- u. Curl. 6, 128 n.
130, Stryk, 2, S. 154 f. u. 389, cf. aucb Kelcb, Liefb
Histor. Ausg- v. 1695, S. 216), Bin Sobn Wolffs, der aucb
Wolfgang genannt wird, ist vjelleicfot der in BoLogna Iru-
ruatriculirte gewesen; sicher war sein Sohn Wilbelm v.
Scbierstadt, dessen Besitzungen im Anfang des 17. Jahr-
bunderts von Polen confisciri; wurden, weil er es mit
S^hweden gehalten (M&tb«iluiigen aus dwr;-.livl, Gescb. 6,
S. 313, 8, S. 457, cf. auch 14, S. 372, Hagemeister, 2,
S. 221, Aeltester scbwedischer Kataster, S. 13 u. 15,
Stryk, 2, S. 155). S. auch Benner, S. 266 und, Schirren,
Quellen zur Gesch. d. Unterg. livl. Selbst. 3, n. 410 v. J>
1559: Scbierstadts Heuscblag an der Aa, an der Grenze
des Ordenslandes, des Erzbisthuins Riga und des Bistbums
Borpat.
Qf. iiber die Schierstacjs in Livland awcb N. Misc. 22,
23, S. 458 f; und im AUgemeinen iiber die Familie Kjieschke,
8, S. 159 f. .
Ein Siegel der Schierstadts s. Tafel.56, 14 der Brief-
lade 4.
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459
Register.
Die Zahlen bezeichnen die Nummern.
Ampten, Federicus, eathed. eccl. Osiliens. in Livon. prepos. 31.
Beuerman, Heinricus, de Livonia. 11.
B Ian eke n felt, Joannes, Brandenborg. dioc. 28.
Blanckenfeld, Johannes a. 32. \
Boberth, Ijudolphus, Tarbat. ac S. Martini Mindens. ecles. canon. 29.
Brock el, Johannes, de Livonia. 25.
Burchardus, de Estonia. 3.
(Jrouwel, Johannes, de Gdanizk. 14.
Danhof, Henricus, de Livonia, canon. Tarbat. 24.
Dron, Gerhardus de, ord. fratr. Theuton. de provintia Livonie. 4.
Engelbertus, de Estonia. 2.
Fredericus, de Livonia Rygens. dyoc. 5.
Georgius, prepos. Tarbat. echl. chated. de Livonia. 21.
Grub en, Stephanus, de Lipczk. 23.
Hag en, Andreas ab. Livoniensis. 36.
Henricus, de Livonia, prepositus. 15.
Knyproden, Wynricus de, Maguntinens. necnon S. Pauli Leodiens.
eccles. canon. 6.
Mekes, Johannes, clericus Revaliens. dyoc, scol. in jure canon. 12.
Nockhen, Caspar, prepos. Rigens. ecles. 26.
Orges, Johannes, de Livonia. 22.
Osenbrucken, Hermannus de. 1.
Reseler, Thydericus, archidiac. in Pathusen necnon scholast. Bre-
mens. 9.
Roethoese, Leonardus. 16.
Ruold, Johannes, de Livonia. 18.
Saviger, Bartholomeus, prepos. Tarbat. de Lyvonia. 13.
Seer be, Jacobus, de Curonia, leg. doct. et licent. in jure canon. 8.
Schierstet, Wolfgangus Fridericus a. 37.
Stachelberg, Joannes a, Livoniensis. 30.
Szoyen, Christianus a, Livoniensis. 34.
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460
Szoyen, Reinaldas a, Livoniensis. 35.
Teirgart, Johannes, de Prussia. 10.
Tyfenhusen, Petrus, de Lyfonia. 17.
Volckersam, Fridericus a. 33.
Voss, Hinricus, de Lyvonia. 19.
Wallenrode, Johannes de, Bavanberg. dioc, scol. in jure canon. 7.
Wedberck, Georius de, prepos. Osiliens. in Liflandia. 27.
Wetberghe, Petrus de, de Livonia, scolast et canon, eccl. cathed.
Oziliens. 20.
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Die Metropolitanverbindung Revals mit Lund.
Von R. Has s el b I at t.
Grotefend fuhrt in seinem „Handbuch der historischen
Ghronologie" in dem Verzeichniss der deutschen Bisthiimer
nach ihrem mittelalterlichen Diocesan verbande (pag. 118)
nnter den Suffraganen von Riga auch Reval an mit der
Bemerkung „bis 1374 Suffragan von Lund", w&hrend
Spruner-Menkes Handatlas in dieser Frage eine schwan-
kende, unsichere Stellung einnimmt. In der Ausgabe von
1846 verweist die Karte Nr. 22 („Die kirchliche Ein-
theilung der Ostseelander") Reval „ad provinciam Lun-
densem" und auch die Karte Nr. 68 der Ausgabe von 1880
(„Esthland, Livland, Kurland nach ihren kirchlichen Ver-
hMtnissen im Mittelalter") stellt Reval unter Lund, dagegen
findet sich auf der Karte Nr. 69 („Die Kirchenprovinzen
Gnesen^ Riga und Lemberg im XV. Jahrhundert) Reval
mit der Kirehenprovinz von Riga vereinigt. Die livlan-
dischen Gesehichtswerke bestatigen nirgends diese Angaben,
treten ihnen aber auch nirgends klar und scharf entgegen.
Urn so wiintfchen^werther schien es daher zu sein, dfese
Frage einer nochinaligen Prufung zu unterziehen, je weiter
die Verbreitung, je grosser die berechtigte Autoritat der
oben geiiannten Werke ist.
Die M^tropolitanhoheit des Erzbischofs macht sich in
der zweiten Hilfte des Mittelalters seinen Suffraganen ge-
genuber vornebmlich in drei Beziehungen geltend: in der
Visitation der untergebenen Bisthiimer, der Berufung und
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462
Leitung von Provinzialsynoden und in der Best&tigung und
Weihe der gew&hlten Bischofe (cf. z. B. Hinschius, „Das
Eirchenrecht der Eatholiken und Protestanten" III, § 173).
Diese Befugnisse schliessen fur den Erzbischof, wie fur den
Bischof nach kanonischem Rechte gleichmassig Pflichten in
sich ein; wie z. B. der Erzbischof das Recht, aber zugleich
die Pflicht hat, in bestimmten Perioden Provinzialsynoden
zu berufen, so ist die Theilnahiue an denselbeii nicht allein
ein Recht, sondern auch eine gesetzlicb eingescharfte Pflicht
des Bischofs. Sorait lag nicht nur die Mflglichkeit, sondern
die Nothwendigkeit vor, dass die Metropolitanverbindung
praktische Bedeutung fur das kirchliche Verwaltungsweseii
gewinnen musste. Wie hat sich nun das Verhaltniss fcwi-
schen Lund und Reval in diesen Beziehungen seit dem
Verkauf Estlands an den deutschen Orden gestaltet?
Was zunachst die Visitation betriflft, so liegt die
Saehe ganz klar: kein einziges Zeugniss ist bisher bekanat
geworden, welches eine Visitation Revals durch den Ei*z-
bischof von Lund — sei es persOnlich, sei es durob Detegirte
— nach 1346 erwiesen h&tte, Lund hat in diesfcr Beziehung
menials die kirchliche Oberhoheit geltend gemacht*
Von Provinzialconcilen des Lundischen Diocesan*
verbandes ist fur dia Periode nach 1346 nur ein einzig«fy
das von Kopenhagen im Jahre 1425, hervorauhebeni Die*
Syoodialacten (Mansi ^Collectio nova" etci, T. 28> /J3ag rf 1084)
z&hlen die erschfenenen oder durch Procuratored vertre-
tenen Bischofe auf und turn Schluss bemerken sie: ^lieet
nulla (richtiger „nullo a ) ex parte domini Rivallieiisis hie in
praesentiarum comparente". Die Synode vdrlaaagt also, dasS
der Bischof von Reval an der Versammlung theflaehmen
soil, mithin wird noch 1425 von Lund offidell dec Anspruoh
erhoben, dass Reval zu seitier Provitoz gehtirq. Aflflerefseits
wissen wiiv nichts von einem Convocationssokr^iben, das an
defc Bischof von Reval ergangen w&re, und ebensowdnig
von Erlassen und Censuren, welche den sfcuiraigen Bischof
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463
an seine Concilspflicht geniahnt hatten, denn der Bericht
de$ „Chronicon ecelesiae Ripeneis" (Ss. rer. Danic. VII,
198) „anno Chr. 1425 vocavit Episcopos Regni etc. etc.
et Reulienseni (sic!) Episcopum", wie auch jener in „Hams-
fortis Chronologia secunda" (Ss. rer. Danic. I, 198) „et
absentia episcopi Revaliensis damnatur" kann nur als
ungenaue Wiedergabe der Concilsacten gelten. Mit dieser
ablehnenden Haltilng des Bischofs Heinrich von Eeval ge-
genuber ' deni Kopenhagener Concil contrastirt es scharf,
wenn uns derselbe Pralat wenige Jahre spater, 1428, auf
dem Proviazialconeil von Riga begegnet. Weder die gleich-
zeitigon Urkuuden (z. B. UB. VII, Nr. 685, Anna. 3), noch
die Chronisten dieser Epocha (Hermann Korner bei Eccard
„ Corpus histovicorum med. aev." II, 1289; der sog, Rufus in Ss.
rer. Pruss. Ill, 410 etc.) erwahnen bei dieser Gelegenheit, dass
er nur als Gast, nicht als berechtigtes und berufenes Mit-
glied theilgenoinmen babe, vielmehr nennt ihn Korner einen
„eomprovincialis u des Erzbiscbofs von Riga und ihm fol-
gend der sog. Rufus einen w bigchop von siner (seil.
Heiming Scbarfenbergs) provincien^. Es steht jedenfalls
festj dafl8 Reval der. Concil&pflicht dem Ex*zbischof von Lund
gqgeniiber { nwAt nachgekommen ist, wohl aber sicb in der-
sejben Zeit an einer Synode in Riga betheiljgt hat. ;
. Am : reicbhaitigsten eind die Nacbrichten fiber die dritte
Frage, fiber die Wail, Bestatigung und Weihe der
Biaohdfe voa Reval, aus weloben sicb in kurzer Ueberr
siebt folgende Gesoluchte der Revaler Bischofswahlen er-
giebt. Anfanglich yindicirten sioh die Ktaige von D#ae-
mark, alsr Eundatore der Revalschen Kircfce* das Patronats-
recht (UB. I, 166, 206 u. 207), aber, nur der er&te Bischof
forbill ist nach diesem Rechte von Kdaig Waldemar pra->
seatirt und datf&uf voia Metropolitan bestatigt und geweiht
wordjen (UB, J, 166)-;. Sehon 1263 verwarf jedocb Urban IV.
das WahlrQQht der . jdaniecben Konige als uukanonisch
(UR I, 379)» ( aber diese, wie auch ibr Recbtsnaohfolger,
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464
der deutsche Orden, haben mit zaher Beharrlichkeit ihr
Patronatsrecht zu wahren und immer wieder bei den Wahlen
durchzusetzen versacht (UB. V, 2450, UB. VI, 2761 u. 62,
2785, besonders „Index a 1839a, 1961, 1964 u. 1975). Das
geschah im Gegensatz zum Papste, aber auch zum Capitel
von Reval, welchem bereits 1277 die Konigin Margaretha
das Recht der freien Bischofswahl verliehen hatte (UB. I,
455) und welches seitdem nicht ohne Erfolg mit den Lan-
desherren concurrirte (UB. V, 2202 u. 2203, UB. VI, 2761
u. 2785; Index, 1975; Theiner, Monumenta Poloniae
II, 152). Nachdem der Elect des Capitels, Johann Teri-
stevere, urn 1297 in Rom gestorben war, usurpirte die Curie
gemass diesem angemassten Rechtsgrund jedoch das Er-
nennungsrecht (UB. VI, 2761) und hat dasselbe im Laufe
des XIV. und XV. Jahrhunderts meist in der Weise ge-
ubt, dass sie entweder den Electen des Capitels oder den
vom Hochmeister prasentirten Candidaten bestatigte, stets
aber officiell das Wahlrecht des Capitels, wie das Patro
natsrecht des Ordens verwarf (cf. die oben citirten Ur
kunden). Nach der Wahl pflegte der Bischof mit papst-
licher Erlaubniss das Gelubde des deutschen Ordens abzu
legen (UB. IV, 1629, V, 2450; Theiner „Mon. Polon." II
154; Index, 2307—2310; Ss. rer. Pruss. HI, 270 u. 377)
falls er nicht schon Mitglied desselben war (UB. Ill, 1239
u. 1256; Ss. rer. Pruss. Ill, 281), weil, wie es in einer
Bulle (UB. IV, 1629) heisst, das Bisthum Reval unter
„tuitio et dominium temporale" des Ordens stand. Die
Weihe ist dann meist, soweit die Quellen erkennen lassen,
in Marienburg oder an der Curie erfolgt (UB. VI, 2761;
Ss. rer. Pruss. HI, 270, 281, 377). So hat also auch in
Bezug auf Bestatigung und Weihe der Bischdfe von Reval
der Erzbischof von Lund keine Metropolitanrechte aus-
geiibt und man darf sagen, dass seit dem ErWerb Eatlands
durch den deutschen Orden die Metropolitanverbindung
zwischen Lund und Reval in keiner Hinsicht aus der Praxis
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466
nachgewieden werden kann, wodurch die Angaben Spruner-
Menkes und Grotefends und das Schweigen der livlandisch^n
Historiker erklart, aber freilich nicht bestatigt werden.
Denn eine ganz andere Frage ist es, ob nun diese
thats&chliche Loslosung Revals aus der Kirchenprovinz von
Lund auch eine officielle Sanction erhalten hat, ob Reval
auch rechilich in den Rigaschen Diflcesanverband eingefugt
worden ist. Diese Frage muss entschieden verneint werden.
Schwere Bedenken gegen eine solche Annahme miisste
schon allein die Thatsache hervorrufen, dass eine Bulle
dieses Inhalts nicht existirt, aber es liegen auch voll-
wichtige Beweise dafur vor, dass das formelle Fortbestehen
der Metropolitanverbindung mit Lund auch officiell aner-
katint worden ist. Jenes oben erw&hnte Zeugniss, welches
der Metropolit und der Clerus der ganzen Provinz auf dem
Concil von Kopenhagen ablegten, konnte als parteiisch ab-
gelehnt werden, wie wir auch sonst ahnlichen PrMensionen
begegnen (z. B. Zeitschrift fur die historische Theologie
VI, 2 pag. 176 Anm. 164 u. 165), aber dasselbe wird ge-
stutzt durch entsprechende Belege aus Livland und — was
entscheidend ist — auch seitens der Curie.
Wenn der livl&ndische Ordensmeister Siegfried Lander
von Spanheim 1420 bemerkt (UB. V, 2473), ein gewisses
Privileg des Bisthums Reval sei auch bestatigt worden von
einem Erzbischof von Lund „in des provincien de kerke
to Re vale licht tt , wenn die Predigerbruder Revals in
ihrer Beschwerdeschrift gegen den Bischof und die Welt-
geistlichkeit beim Papste vorerst daruber klagen, dass sie
sich in Reval ihrer geistlichen, vom Papste verliehenen
Privilegien nicht bedienen konnten „quemadmodum ubique
in provincia Dacie tt (UB. VII, 356) — dann kann
uber die livlandische Auffassung dieses Verhaltnisses kein
Zweifel bestehen. Dass aber auch an inassgebender Stelle,
an der Curie, eben dieselbe Anschauung von der Fortdauer
des Metropolitan verbandes obwaltete, geht unzweideutig
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466
aus mehreren von Calixt III, 1457 erlassenen Balten her-
vor (Theiner „Mon. Pol." II, 151 — 153, besonders 154).
Ansdriicklich befiehlt der Papst in der letzten dieser Rullen
dem neu ernannten Bischof von Reval „et in manibus ve-
nerabilis fratris nostri arcbiepiscopi Lundensis, cui ec-
clesia tua suffraganea esse dinoscitur, professionem
ipsam (scil. das Geliibde des deutschen Ordens); emittere
valeas". Durch diese unumschr&nkte Anerkennung der Lundi-
schen Metropolitanhoheit seitens des Apostoiiscken Stnhles
ist jeder Zweifel an der Thatsache gehoben, dass Reval auch
nach 1346 im alten Diocesan verba nde verblieben ist.
Piir das letzte Jahrhundert der Gesehichte des Bis-
thums Reval habe ich zwar entsprechende positive Da ten
nicht aufgeftmden, aber ebensowenig irgend eine An-
deutung iiber die Aenderung der bestehenden Verh&llfoisse.
So lange nicht auf der Grundlage von bisher unbekannten
Materialien der Gegenbeweis gefuhrt wird, inu3S demnaeh
fiir feststehend gelten:
1) Das Bisthum Reval hat von 1240 bis zu seinem
Untergange rechtlich zur Kirchenprovinz von Lund gehtirt.
2) Der Metropolitanverband bat seit 1340 in keiner
Beaiohung praktische Bedeutung gehabt, vieluiehr habon die
geographische Lage und die politischen Verhaltnisse Reval
auch in kirchlicher Beziehung vflllig theilnehmen lassen an
der Geschichte der Kirchenprovinz von Riga.
3) Zur Lockerung der Verbindung zwischen Reval und
Lund hat das pratendurte Patronatsrecht des deutschen
Ordens wesentlich mitgewirkt, da dasselbe von der Curie
eine beschr&nkte Anerkennung erhalten hat. Eine solohe
liegt in der gestatteten Ablegung des DentscbordensrGeliibdes
seitens der Bisehtffe von Reval im XIV. und XV. Jahr-
hundert, wodurch das Bisthuni wie in politischer, so auch
in kirchlicher Beziehung von seinem Landeeherrn ab-
h&ngig wird.
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Aktenstucke
betreffend die Vermittehmg des Eurfursten Johann Georg
von Sachsen in den Verhandlungen wegen Kestitnirung
Herzog Wilhelms von Kurland. 1617—1619.
Mitgetheilt von E. Seraphim.
Naehdem Herzog Wilhelm von Kurland in Folge der
durch die Etfuior dung „ der Gebriider Nolde hervorgerufenen
Erbitterung des Adels sein Herzogthum hatte raumen
uwissen, begann man sehr bald am Mitauer Hofe, wo sein
Bruder Herzog Friedrich residirte, Versuche, das Gesche-
hene ungeschehen zu machen und namentlich durch Ver-
mittelung auswartiger Fih'stenhtife in Warschau eine giin-
stigere Stimmung fur den heissbliitigen Wilhelm zu er-
weoken. Elisabeth Magdalena von Stettin-Pommern, Herzog
Friedriehs Gemahlin, eine energisohe Fran, scheint die
Seeie all dieeer Unternehmungen gewesen zu sein, wie aus
einer grosseren biographischen Studie iiber sie, die ich
demnachsfc zu veroffentlichen gedenke, ersichtlich werden
wird. Die Hofe von Meklenburg, Brandenburg, Pommern
und Sachsen wurden um Hilfe angegangen. Bereits am 4.
Febtfuar 1615 hatte Kurfurst Johann Georg von Sachsen
sich beim Kflnig von Polen fQr Herzog Wilhelms Sache
verwandt (vgl* Mon. Liv. ant. II, Aktenstucke zur Ge-
schichte der Noldeschen Handel, S. 23). Sein Rath Fran-
cisous Roman us erhielt den Auftrag, beim KOnig Sigismund
mfindlieh gesauen Bericht und Ffirbitte zu thun. Wieder
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468
aufgenommen wurden die kursHchsiscben Intercessions ver-
handlungen vom Jahre 1617 ab, wie aus den nachfolgenden
bisher unbekannten Aktenstucken des Dresdener Archivs
hervorgeht. Hinweisen mtfchte ich auf die iin October 1617
geschriebene Relation Herzog Friedrichs, von dem eine
directe Aeusserung uber die Handel noch nicht bekannt
war. Schon am 2. Januar 1618 antwortet Johann Georg
und erklart seine Bereitwilligkeit zu ernenerter Intercession,
fugt aber Worte des TadelB iiber Herzog Wilhekns Ge-
bahren hinzu. Urn die Sache eifriger zu betreiben, ent-
sandte Herzog Friedrich seinen vertrauten Rath Caspar
Dreyling, beider Recbte Doctor, nach Dresden, wobei ihin
der Auftrag mitgegeben wurde, auch bei dem deutschen
Kaiser und dem Kurfursten-Collegium zu wirken, wozu es
freilich nicht gekommen ist, „weil berurte Zusaminenkunft
in etwass verschoben". Dreylings Dresdener Mission hatte
guten Fortgang, man entschloss sich hier, den schon friiher
thatig gewesenen Rath Franciscus Romanus zum polnischen
Reichstage nach Warschau abzusenden, wohin aus Mitan
sich die Herzogin Elisabeth Magdalena persdnlich be-
geben hatte. Ihre, wie Franciscus Romanus Mission schei-
terte in Warschau an der Unlust des Ktfnigs von Polen
und der Opposition des Adels. Am 19. M&rz n. St. 1619
schreibt die Herzogin daruber indignirt nach Dresden.
Hier war mittlerweile auch Herzog Wilhelm erschienen,
der ihr am 14. April fur ihre Bemuhungen seinen w&rmsten
Dank aussprach.
1.
MitaUy 1617 Oct 27. Herzog Friedrich von Kurland
an Kurfurst Johann Georg von Sachsen. Macht Miithei-
lungen uber den durch die Noldeschen Handel in hohem
Grade gef&hrdeten Zustand des hereoglichen Haitses und
bittet den Kurfiirsten, durch eine Legation zu dem auf
den 13. Febr. angeseteten Warschauschen Beichstage beim
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469
Konige von Polen zu seinen und seines Brnders Ottnsten
zu intercediren.
Koniglich sachsisches Staatsarchiv zu Dresden, Acta Hertzogs
Wilhelms zu Churland Aussohnung bey der Konigl. W. in Pohlen
etc. 1616-1639. Locat 7975. Blatt 8.
Vnser freundtwillige dienst, vnd was wir immer Ehren
liebes vnd gutes vermuegen, iederzeit zuuor. Durchleuch-
tiger, Hochgeborner Furst, Gnediger vnd freuntlicher ge-
liebter Herr Oheimb vnd Schwager, Wier zweifeln nicht,
B. G. aus dem algemeinen Landtgerichte gnugsamb werden
vernonimen haben, in was gefehrlichen vnd schwierigen
Zustandt dies vnser abgelegenes vnd Christliches Fursten-
thuinb ohne vnser verschulden gerhaten vnd gesezet worden,
vnd ob wir der vrsachen halben E. G. durch schreiben
dauon weitleuftigen bericht zue thuen fur vnndthigk erachten
mochten, Damit aber dannoch E. G. den rechten grundt,
woher solche schwierigkeit entstanden, vnd der sachen
verlauf kurzlich wiBen m5gen, Haben wir erheischender
vnser noturft nach, E. G. solches narratiue zuentdecken
nicht vnterlafien sollen, Vnd daneben E. G. der nahen
Anuerwandtnus nach vmb rhat vnd that durch gegen-
wertigen brieflf dienstfreuntlich zuersuchen, Vnd zwar wie
sonsten in gemeinem leben vnd weldthandeln aus geringem
anfang gros vnheil zuentstehen pfleget. Also hat sichs auch
alhier zugetragen, Sintenihaln der Hochgeborne Furst, Herr
Wilhelm, in Liefflandt, zue Churlandt vnd Semigalln Her-
zogk etc. vnser freundtlicher vielgeliebter Bruder anfengk-
lich mit vn8ern vnd S. Ld. Vnterthanen vom Adel, die
Nolden genant, in geringen differentien vnd Zwist gestanden,
vnd daruber bei S. Kdn. Maytt. zue Polen vnd Schweden
zue Recht gewachsen, auch dahero von derselben citiret
worden, Als aber S. L. ihr sonderlich bedencken gehabt,
sich zu stellen, vnd der sachen auBschlagk mit den Nolden
zuerwarten, 1st ein Decretum contumaciae wieder S. L. er-
gangen, dadurch auch wir consequenter an vnsern Purst-
Mittheil. a. d. livl. Geschichte. XIV. 4. 31
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470
lichen priuilegien aggrauiret, vnd dahero verursachet war-
den, vnserra Herrn Brudern au6 damhaligeui Reichstage
wieder S. Ld. wiederwertige beistandt zu leisten, vnd hette
auch gehoffet, es soltenn damhalen solche zwistige hendel
zwiscben S. L. vnd den Nolden ihren endtlichen auBschlagk
erlanget haben, Sein aber wieder verhoffen vf den folgenden
Reichstagk verschoben worden. Wie nun zue solchen
priuat irrungen vnd Zwisten auch der Landtschaft ver-
nieinte Landtbeschwer mit eingestiegen, Haben wir im-
mittelst, ehe einn Reichstagk wurde, dieselbe auf einein
allgemeinenn Landtage anzuhdren vndt abzuschaffen vns
angelegen sein laBen, Wie wir dan durch furnehme mittels
Persohnen, so wir an der handt gehabt, solches ins werck
zueseczen ganz geneigt vnd begierigk gewesen, Nachdem
aber die Nolden, welche wegenn vorbesagter differentien
mit S. L. vnserm freundtlichen lieben Herrn Brudernn
vonn Ihre Kon. Maytt. vnser Jurisdiction befreyet vnd
Exempt gewesenn, vndt ihre priuat - hendell mit der Landt-
schafft sachen durchgestochenn vnd vermischett, ebenmefligk
aufm Landtage erschienen, vndt die Landtschafft weiter
verunruhigenn vndt wiederspenstig machen wollen, Hat
vnser freundtlicher viellgeliebter Herr Bruder sie aus Biffer
vnd vngedult ohne vnser vorwiBenn bei nachtlicher Zeit
wegkreumenn laBenn, welches, weiln es in vnserm kreys
vnd der Stadt Mytow geschehen, Ihre Kon. Maytt. der-
mafien hoch angebracht worden, das dieselbe vns solcher
that halber mit verdechtig gehalten, Vnd weiln auch die
Nolden vnter andern in der Landtschaft nahmen I. Kon.
Maytt. vbergebenen grauaminibus eine vermeinte dismem-
bration des Furstenthumbs vndt Jurisdiction mit eingesezett,
Als sein wir nicht allein ex hoc capite vnd was dem mehr
anhengigk, Sondern auch wegen der Nolden entleibung
durch den Reichs Instigatorem auf verschienen Reichstage
citiret worden, da wir dan vnsere vnschuldt durch vnser
Abgeordente Rhete einbringen, vnd zugleich auch was vom
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471
Inrtigatcore auf die puncta Citationis ins mitteJ gebraoht
worden, beantwordten laBen, Vnd sein also vermittelst Gott-
lichen beistandes fur vnsere Persohn alles Argwohns ent-
lediget, Dagegen aber vnser vielgeliebter Herr Bruder
Herzogk Wilbelms Ld., weiln deroselben Abgesandte auf
der raise nacbm Reicbstage ohne gnugaamb bedacbt sich
wieder gewendet, vnd in primo termino nioht compariret,
vnajigesehen, das S. Ld. auf die andere Citation in secundo
teriaino sieh persohnlich gestellet, noch ante terminum in-
cidentem propter primam contumaciam des Furstenthumbs
ynd Fwstl. Titels nescitur ob quam Gausam entsetzet, vnd
zur Execution solches Pecrets gewiBe CommiBarien in dies
Furstenthumb verordnet worden.
Ob wir nun woll genzlich der hofnung gewesen, das
yns anstatt vnsers Herrn Bruders durante controuersia der
kreifl Churlandt aolte in commendament gegeben worden
sein, So haben sie doch nicbts weiniger denselben I. Kftn.
Maytt. immediate afiigniret, vnd alBbalt mit der Execution
ersttfcb gedrewet, Als wir nun solohe enormem laesionem
sowol vnsers Herrn Bruders, als vnser eigen Persohne
frbgesehen, haben wir zue erhaltung vnsers Rechtens vns
in der Persohne auf eine Wildische Conuocation vnd Zu-
sammenkunft des Grosfurstenthumbs Littowen aufmachen,
vnd wegen solcher der Herrn Commissarien verhandlung
kegen die Stende daselbst vnsere noturft beibringen miiBen,
wejcbe vns dan uicht allein gern vnd willig gehoret, Son-
4ern auoh beigefuegte InterceBionales in vnsers vnd vnsers
Herrn Bruders sachen an die Ktfn. Maytt. ergeben laBen,
Immitte^t aber als wir auf dm* Wildischen reise gewesen,
babe?* die Herrn CommiBarien in causis Nobilium priuatis
districts Curoniae Basenpotensis judicia exerciret, ynd ez-
tfcbe vpn vnsers Herrn Bruders dienprn bannisiret, auch
kegei* S. lid. selbst in priuatsacbeu, ipit der bannitipn v$r-
fahrpp wpUen, dadurcb S, h, sich aijBerbalb Landes zu be-
gebep, vnd bei ibren Aniierwandten Kqnigen, Chur vnd
31*
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472
Pursten rhats zuerholen verursachet worden, Inzwischen
aber dem Obristenn Wolmar Fahrensbach far ihren Stadt-
halter vnd Gubernatorn verordnet vnd hinter sich ver-
laBenn.
Wie wir nun von solcher S. Ld. vnuermutlichen ab-
reise ganz keine wiBenschaffi getragen, Also ist auch ohne
vnsern vorbewust vnd in vnserm abwesen solche des Fah-
rensbachs bestallung ins werck gerichtett, vnd sein hier-
iiber, wie wir von der Wilde wieder zuerucke gelanget,
nicht ein weinig besturzet worden, In anmerckung, weiln
er Fahrensbach bei der Kan. Maytt. in vngnade gestanden,
vnd solche hiedurch vielmehr auf das Furstliche Haus Chur-
landt laden wurde, vnd wie wir in deme nicht gefehlet,
So hats sich baldt hemacher zugetragen, das geregter Fah-
rensbach wegen mehrgemelter diflferentien rait der K5n.
Maytt. die occasion in Acht gehabt, vnd das Kan. Haus
Dunenmunde dem Principi Sueciae anfenglich, vnd her-
nacher Churlandt auch vbergeben, Auch von allerhandt
nationen eine Schwedische Kriegsmacht hineingef hurett,
Wiewol wir nun in solchen vnuerhofffcen fellen das vorge-
nommen vnd geleistett, was vnsere trewe kegen der Cron
Pohlen erfordert, So seint wir dennoch hiedurch in groBen
abbruch vnsers Furstlichenn Hauses gefiezet wordenn, den
nicht allein der Littausche Feldtherr Hertzogk Christof
Radziuill sich mit dem K(Jn. kriegsvolcke vnd vnser hulfe,
solcher vnd anderer vrsachen, sonderlich der groBen Plun-
derey halben, ins feldt begeben, Sondern auch baldt her-
nacher mit Fahrensbach die gehabte diflferentien ohne vnser
vorwiBen so weit verhandelt, das, wo er der Kdn. Maytt.
das Haus Dunemunde vnd Churlandt vbergeben werde, ei*
alBdan in voriger gnade vollenkomlich mit recompensation
solte restkuiret werden. Wir haben das billig zu loben,
das er zue der Kdn. Maytt. getretenn, Aber das schelten
wir hinwieder, das er vnserm freuntlichen liebenn Herrn
Brudern vnd consequenter vns, das theill Churlandt aus
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473
henden gebracht, deBwegen wir dan Persohnlich vns aufn
kunftigen Reichstagk begeben, vnd so woll fuer vns vndt
vnsernn Herrn Brudern vnd deBen vnschuldigen Jungenn
Sohnlein bei der Kftnig. Maytt. vnd den Stenden handlen
wollen.
Vnd wan vns vnd vnserm mehrgemelten Herrn Brudern
an E. 6. beistandt vnd Intercession gahr ein mechtiges ge-
legenn, Als tragenn wir die dienstliche zuuersicht, InmaBen
wir dan deinuetigst bitten thun, E. G. geruhenn auf kunf-
tigen Warschauischen Reichstage, so den 13. Pebruarii
stylo veteri soil gehaltenn werden, bei der K5n. Maytt. zue
Polen vnd Schweden in diesenn hochschwierigen sachen,
durch eine tuegliche Legation mit dero Intercession, wie
auch solches die Stende des Grossfurstenthumbs Littawen,
inhalts beigefuegter Copeyen, gethann, ins mittelzuetretten,
damit I. Konigl. Maytt. den errorem, so etwa vnser herz-
lieber Bruder begangen, gnedigst condoniren, vnd wo nicht
vmb vnsere merita, dannoch vmb E. G. willen nachlaBenn
wolle, Wir erachtens vnndtigk mit vnserm Konig vndt
Herrn zu disputiren, ob vnser freundtlicher lieber Bruder
nottringlich hierzue verursachett worden, derowegen wir
nur allein auf die InterceBion sejien thuen, Solches wollen
wir for eine hohe gnade vnd wolthat halten, vnd erbieten
vns vmb E. G. mit vnsern bereitwilligen Diensten wieder
zuuerschulden, Thuen E. G. zur gluckwertigen heilsamen
Regferung vnd bestendigen leibes wollmacht Gottlichem
schufle tretilich empfelen. Datum Mytow, den 27. Octobris
Anno 1617.
von Gottes gnaden Friederich, in LieflFlandt,
zue Churlandt vnd Semigalln, Herzogk etc.
E. G.
dinstwilliger Ohm vndt
Schwager
Fridericus manu
p. p.
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474
2.
Dresden, 1618 Jan. 2. Kitrfiirst Johann Oeorg an
Herzog Friedrich. Erwidwt, dass er eine Abordnung mm
Reichstage in Warschau nicht habe vornehmen k&rinen,
nnd Ubersendet ein zu Ounsten des herzoglichen Hauses
an den Konig von Polen gerichtetes Schreiben.
Bbendaselbst Blatt 17.
Vnnser freuntlich dinst, vnd was wir vil liebs vnd
guets verindgen, Neben Wunschung von Gott dem All-
mechtigen, einefc gluckseligen frid vnd freudenreichen Neuen
Jars zuuor, Hochgeborner furst, freundl. lieber Oheim vnd
Schwager.
Vns ist e. 1. an Vns abgeschicktes schreiben, darinn
sie vns Irs, sambt deren geliebten bruders herzog Wilhelms
zu Curland etc. beschwerlichen Zustand weitlauftig zu er-
kennen geben, vnd was sie darbei an vns ferner gfclangen
lafien, wol zubracht worden, Wie wir nun hiebeuorn vnd
izo die verloffene handlungen, dardurchen die K. Wiirden
in Poln etc. zum hefftigsten commouiret vnd zu eins
scharffen Decret wider e. 1. brudern, beweget worden, ganz
vngern vernommen, daher auch, mit ee. lid. beederseits ein
besonder mitleiden tragen vnd do vns e. 1. schreiben
etwas zeitlicher zukommen, wolten wir nicht vnder-
lafien haben, vf mittel zu gedencken, damit e. 1. vf
den vorstehenden Reichstag zu Warschau, von Vnsern
wegen ein beistand geleistet werden mtigen, Bieweil wir
aber kurtze der Zeit vnd anderer Vngelegenheit halber aur
abordnung nicht ftiegliohen gelangen konnen gesinnen wir
an e. }. freuntlich, solches nicht vbel vfzuneuien, darmit
aber e. 1. Vnsere zu derselben tragende gute neigung zu-
uerspuren, fchun wir derselben beiuerwart, ein schreiben an
Hochgedachte K. W(urden) in Poln etc. neben einer Copi
dauon auaenden, daraiifi sie zu ersehen, do vber zuuersicht,
e. 1. geliebten bruders Herzog Wilhelms etc. Ld. nicht
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475
wider auBgesdnet, vnd weil noch laut der einkomnienen
Zeitungen, Sein Herzogs Wilhelms etc. Portion landes, von
andern albereit occupirt vnd in PoBeB genommen, das doch
von I. K. W. e. 1. sambt Herzog Wilhelms vnmundigen
Son, Wan ie die restitution vnd des Decreti abolition nicht
eruolgen solt, obangedeute bona feudalia, zu Lehn, gleick-
sam von neuem gelihen, vnd also der vnschuldige junge
Herr ; dasienige, so er nit genoBen entgelten mueste. Wir
haben zwar vor eins Jar, an mehr hochgedachte Kon.
Wiirden vf Herzog Wilhelms etc. ansuchen ein Intercession
abgehn laBen, dieselbe dahin zubewegen, das Sein Herzog
Wilhelms , etc. Ld. saluum conductum erlangen, vnd wider
den Koniglichen Instigatorem seine habende Exceptiones
furbringen konte, Dieweil vns aber sider deBen, vnd dar-
auf kein widerantwortlich schreiben, zukommen, ktfnnen
Wir nicht wiBen ob eine resolution darauf eruolget oder
nicht. In der ganzen sach ist Vnsers erachtens von Dero
brudern, etwas aufi erhiztem gemuet geschehen, dardurchen
e. 1. bald gar auch in beschwerung gerathen durffen, Vns
ist aber lieb zuuernemen gewesen, das sie wider auBgesdnet,
die loblichen Stende in Littau vnd Liffland auch bei vor-
stehendem Reichstag zu Warschau Ir einen ansehlichen
beistand leisten, vnd in diser sachen sich interponiren,
auch gutte seruitia praestirn wollen, Wunschen das solches
alles wol effectuirt, vnd zu e. 1. gedeylichem vfnemen, vnd
zu entledigung diser beschwerlichen sach ersprislichen sein
moge. Wolten wir e. L zu disem mal in antwort nicht
bergen, vnd sind derselben freundlich zu dienen iederzeit
erpdtig vnd willig. Datum Dressden am 2. Januarii Ao. 1618.
Johann Georg etc.
3.
Mitau, 1618 Juni 12. Herzog Friedrich an Kurfilrst
Johann Georg. Hat seiwn geheimen Bath Caspar Drey-
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\
476
ling, beider Beetite Doctor, zu weiteren vertraulichen Mit-
theihtngen an den Kurfiirsten abgefertigt.
Ebend. Blatt 24.
Vnser freundtwillige dienste, vnd was wir niehr ehren,
liebes vod gutes vermuegen zuuohr. Durchlauchtiger, Hoch-
geborner furst, gnediger vnd freundtlicher lieber Herr
Ohm vnd Schwager, Wie E. Gn. kegen vns tragendes wol-
geneigtes gemiithe, wir aus dehnie gnugsam erspuret, das
dieselbe auf vnser bitliches ersuchen, Ihrer Kon. Maytt. zu
Polen vnd Schweden, vnserm Gnedigsten Konige vnd Herrn
vnsers furstlichen Hauses sachen so fleisig commendiren
wollen, Also sagen wir E. Gnd. deBhalber nit allein hohen
vnd vleisigen danck, Sondern haben auch ein solches mit
mehrerm mundtlich zu thun, vnd von gedachten vnsern
sachen vertrawlich zu comniuniciren, auch was sonsten
tnehr ntftig vmbstendiger beizubrengen, an E. Gnd. auff
das hohe vertrawen, so wir zu deroselben tragen, kegen-
wertigen den Ernuesten vnd Hochgelarten vnsern ge-
heimbten Raht vnd lieben getrewen Caspar Dreyling beider
Rechten Doctorn, dessen gutte discretion vnd solcher vnser
sachen wissenschafft vns genugsamb bekandt, abfertigen
wollen, Gancz dienst vnd vleisig bittende, E. Gnd. wollen
in allem dehm, so Er dieBfals E. Gn. vnserndtwegen an-
brengen wirdt, ihme nit allein solchen vngezweiffelten guten
glauben, als wan wir selber Persohnlich zukegen wehren,
beiniessen, Sondern sich auch vnser furgeseczten festen
Zuvorsicht nach, aller willfehrigen erklerung vnbeschwerdt
erzeigen, vnd dieselbe an vns weiter zurugk zu brengen ge-
dachtem vnserm Raht gar kuhnlich, vnd in geheimb zu
vertrawen gar kein bedencken tragen, Wir seindt E. Gnd.
wieder alle gefellige Dienste vndt willen zu bezeigen alle-
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zeit gevlissen, vnd befehlen dieselbe Gottes gnediger be-
warung getrewlich. Datum Mitaw, den 12. Junii Ao. 1618.
Von Gottes gnaden Friederich in Lieffland
zu Churlandt vnd Semgallen etc. Herzogk
E. G.
dinstwilliger Ohm vndt
Schwager
Fridericus manu
p. p.
. 4. #
Dresden, 1618 Juli 2. Kurfiirst Johann Georg an
Herzog Friedrich. Hat Dreylings Werbung vernommen
und erklart sich bereit, auf dem bevorstehenden Beichstage
zu intercediren, falls ihm die Zeit der Abhaltang des-
selben gemeldet und nahere Information mitgetheilt wiirde.
Ebend. Blatt 45.
Vnser freundlich dinst vnd was Wir liebes vnd guts
VermOgen zuuor, Hochgeborner Fiirst, freundlicher lieber
Oheim vnd Schwager. Wir haben E. L. Abgesandten, den
Hochgelarten vnsern lieben besondern, Herrn Caspar
Dreyling der Rechten Doctorn, vf E. L. vns vberreichtes
Creditif mit seiner Werbung gehtfrt vnd aus deBen an-
bringen so wol dem vbergebenen schriefftlichen memorial
E. L. freundliche begruCung vnd was Sie Ime sonsten inn
der Hauptsache anbeuolen vernommen.
Sagen darauf E. L. fur den vns zu entbotenen gruB
vnd daB Sie vns von Irem vnd der Irigen zustandt bericht
thun laBen, freundlichen Danck, Haben mit erfreuung ver-
standen, daB sich E. L. bey guter gesundheit vnd fur sich
noch inn einem ertraglichen wesen befinden, Wiinschen von
Herzen, der Allmechtige wolle E. L. vnd die Irigen bey
allem wolergehen noch lange Zeit fristen vnd erhalten.
Was vnsern vnd der vnserigen Zustandt anlangt, dauon
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478
wirdet E. L. Abgesandter, Derselben neben zuriickbringung
vnsers GruBes, bericht thun.
Was dann die Werbung an sich selbst betriefft, haben
wir wie hiebeuorn, also auch anizo aus des Gesandten fur-
bringen den betrubten Zustandt, welchen es mit dem Her-
zogthunlb Churlandt vnd E. L. geliebten Brudern Herzog
Wilhelmen etc. gewonnen, vnd daB zu diesem mal so hoher
vnd furnehmer Potentaten bey der Kon. W. inn Poln ein-
gewandte Intercessiones nicht vberantwortetet werden kon-
nen, vngerne vnd mitleidenlich vernoininen, Darneben ver-
standen, was E. L. durch ermelten Dero Gesandten bei der
Rom. Keyserl. Maytt. vnd dem Churfiirstlichen Collegio,
wenn die angestalte Zusammenkunfft fortgengig gewesen
wehre, dieser sache halben anbringen laBen wollen, welcher-
maBen Sie aber nunmehr, weil beriirte Zusammenkunfft in
etwas verschoben, vns freundlich ersuchen derselben vnd
dero geliebten Brudern vf den beuorstehenden Reichstag zu
Warschau mit einer Schickung zu assistiren vnd bey der
Kon: W(iirden) inn Poln zu intercediren.
Hierauff seind wir des freundlichen erbietens, wenir
E. L. vns die Zeit, vf welche solcher Reichstag gehalten
werden soil, vermelden, auch gnugsamen bericht, in was
terminis alsdann die sachen sich befinden, thun, vnd zu-
gleich Fundamenta vnd motiven an die handt geben wer-
den, doruff die Absendung vnd Intercession zu richten sein
mochte, vns alsdann also zubezeigei^ dafl verhoffentlich
E. L. damit freundlich zufriden sein sollen.
Vnder deBen aber vermahnen wir E. L. ganz treulich
vnd vleiBig, Sie wolle Iren geliebten herrn Brudern dohin
erinnern vnd vermdgen, daB sich S®- L. kegen der Kon. W,
vnd sonsten also bezeige vnd erweise, damit sie sich inn
die Vngnade nicht weiter vertiefen, sondera vielmehr inn
etwas daraus wiircken vnd also kunfftig die interpositionegi
vnd Intercessiones desto mehrern nuz vnd frueht schaflfen
mugen.
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Wolten wir E. L. inn antwortt wolmeinend nicht ber-
gen, vnd seind derselben zu angenehmer Willfahrung ge-
neigt. Datum Dresden am 2. Julii Anno 1618.
Johann Georg etc.
5.
Tttckam, 1618 Nov. 12,12. Herzog Friedrich an Kur-
fiirst Johcvnn Georg. Meldet, doss der Reichstag am 22.
Jan. neuen Styls 1619 in WarscJiau beginnen solle und
iibersendet „materiam delineatam, was des filrstlichen
Hauses wegen von dem kurfnrstlichen Legaten gesxtcht
iverden rnoge".
Ebend. Blatt 89.
Vnser freundwillige dienste vnd waB wir sonsten mehr
liebs vnd guts vermiigen zuuorn. Durchleuchtiger Hoch-
geborner Furst, Gnediger vnd freundtlicher lieber Her
Ohm vnd Schwager. Wir haben aus vnsers an E. G. ab-
gefertigten Rahts des Ernuesten vnd Hochgelarten vnsers
lieben getrewen Caspar Dreilings, beider Rechten Doctorn
erlangtem Schreiben, mit gancz erfrewtem Herczen ver-
nommen, wie E. G. vnBere vnd vnsers Hochbetrubtenn,
Furstlichen Hauses sachen nicbt allein zu alien gnaden
empfohlen genommen, Sondern auch dieselbe ins beste zu
befutfdern, vnd was zu dero erfrewlichen erspriesligkeit,
immer furtreglich seinn magk, auf dem furstehenden PoK
nischen Reichstage, duroh Abgeordente ansehenliehe Le-
gation, wan nur E. G. vom termino deBelben Reichstages
durch vns zuuor auisirt wurden, ins beste zu bewircken,
gewis md gantz geneigtwillig vertrdBtung gethan, Sagen
E. G. dahero billig dienstlicben dank, vnd wspuren darob
nwht anderfl, als das wolgeaeigte gemute, wormit E. G.
vns als Fursten, Teutsches geblute, vnd der Augspurgischen
confession verwanten, deoaooh mit allem guten zugethan.
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480
Wollen dakegen nichts liebers wunschen, als das in vnserm
vermugen etwas sein rnflchte, darmit solche E. G. wolge-
wogene affection, wir nur in etwas erwiedern konten, So
solte es an wilfehrigem Herzen, gar nicht mangeln. Als
aber numehr der Polnische Reichstagk auBgeschrieben, vnnd
derselbe auf den 22. Januarii stylo nouo des folgenden
1619. Jhares Gothelfende, zu Warsow gewis vnd eigentlig,
seinen fortgangk gewinnen soil, Mflchten B. G. eigenem
begehren nach deroselben wir solchen terminum so bald
wir nur dauon nachricht erlanget, in Zeiten anczudeuten,
wie auch materiani delineatam, was vnsers Furstlichenn
Hauses wegen, durch B. G. Legaten gesucht werden mogte,
vmb beBerer nachricht willen zu vbersenden, keinen vmb-
gangk haben. Gantz dienst vnd fleiBig bittende, E. G.
wollen gedachter lhrer geneigten vertrostung nach sich
numehr als dein getrewen Hern Ohm vnd Schwagern be-
zeigen, vnd durch lhren Legaten alle solche vnsere, vnd
vnsers freundlichen lieben Brudern, Herczogk Wilhelms
Ld. sachen auf selbigen Polnischen Reichstagk, dahin ins
beste richten vnnd befurdern helffen, damit, neben erhaltung
vnsers wolhergebrachten Furstlichen nahmejis vnd Standes,
wir, vnd vnsers freundtlichen lieben Brudern Herczogk Wil-
helms Ld. vnd dero Stihnlein, aus bishero mehr als zuuiel
erstandenem bedruck, wiedorumb in ertreglichern zustand
gesezt, vnd init guetem frieden vnd ruhe, denselben zu
langen Jharen, auf vnsere Posteritet vnd Nachkommcm
brengen vnd verstammen mugen. Solches wirt zweifels
ohne, alien andern Anuerwanten zu gar angenehmen ge-
fallen gereichen, vnd wir wollen solche E. G. vns erzeigte
grofie wolthat, hOchlig zu ruhmen auch mit alien ange-
nehmen gefelligen wilfehrungen hinwieder zuuerdienen, alle-
zeit geflifien ersptiret wei^denn, Thun E. G. hiermit Gottes
gnediger bewahrung, bey allem Chur furstlichen selbst
orwunschtem wotergehen zuerhalten, vnd vns derselben
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481
zu beharlicher gewogenheit getrewlich empfehlen. Datum
Tuckumb den 12./2. Novemb. Ao. 1618.
Vonn Gottes gnaden Friedrich in Liefland zu
Churland vnd Semgallenn et<> Hertzogk
E. G.
dinstwilliger Ohm vnd
Schwager
Pridericu8 m.
p. p.
6.
Dresden, 1618 Dec. 30. Kurfilrst Johann Oeorg
an Herzog Friedrich. Wiewohl er die angeblich uber-
sandte ^Delineation" bei dem Schreiben (votn 12./ 2. Nov.
1618) nicht vorgefunden, so habe er dock den Lcip-
ziger Professor Doctor Franciscus JRomanus mit ent-
sprechenden Weisnngen zum Warschauschen Beichstage
abgefertigt.
Ebend. Blatt 120.
Vnser freundlich dinst vnd was wir liebs vnd guts
vermtfgen zuuor, Hochgeborner Piirst, freundlicher lieber
Oheim vnd Schwager, Aus E. L. vnlengst an vns gethanem
freundlichen schreiben haben wir verstanden, daB der
Reichstag inn Poln nunmehr den 22. Januarii stylo novo
negst volgenden 1619 Jars zu Warsau angestellt, E. L.
vns eine delineation, was bey Ktfn. W. in Poln anzubringen
sein mflchte (so aber bey deroselben schreiben nicht zu be-
finden gewesen) vbersende, vnd dorbey nochmals freundlich
suche, einen sonderbaren Gesanten dieser sache wegen in
Poln abzuschicken. Ob nun wol die Zeit etwas kurcz, der
Weg hingegen weit, die delineatio, wie gedacht, gemangelt,
vnd Wir dannenhero wol vrsach gehabt, die Legation difl-
mal einzustellen vnd E. L. so wol dero geliebten Brudern
Herzog Wilhelmen in Churlandt etc. allein mit einer schriefffc-
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482
lichen Intercession zu assistiren. Wann wir vns aber
vnserer beschehenen vertrdstung so wol der verwantnus
vnd freundschafft, damit wir Euer und Dero Bruders LL.
zugethan, erinnert, auch denselben gerne gttnnen, daB Sie
aus diesen be^hwerligkeiten komraen niochten, Als haben
wir kegenwerttigen den Hochgelarten vnsern Rath, Pro-
fessorn der Vniuersitet vnd Assessorn des Obernhoffgerichts
zu Leipzig vnd lieben getreuen Herrn Pranciscum Roma-
num der Rechte Doctorn, abgefertiget vnd Ime beuolen,
sich alsobalden vf den Weg zu machen vnd seine Reise
dermafien fortzuseczen, damit er wo nicht vf bestimbten
22. Januarii stylo novo, iedoch bald hernach zu Warsau an-
langen, sich anfengklich bey E. L. oder Dero Rathen an-
nielden, mit Inen aus den sachen nottiirfftig vnderreden,
wie die Intercession zu Werck zu richten sein mtichte,
vergleichen, alsdann bey der K6n. W. inn Poln angeben
laBen, vmb audienz ansuchen vnd sein anbringen ver-
gliechener mafien thun auch sonsten E. L. vnsertwegen
dergestalt ansprechen soil, wie Sie von Ihme mit mehrerm
vernehmen werden.
Ersuchen demnach B. L. freundlich, Sie wolle Ihn,
vnsern Gesandten, httren vnd seinem anbringen glauben
zustellen. Yon Herczen wunschende, Grdttliche Allmacht
wolle zu dieser verrichtung gluck vnd segen verleihen, da-
mit solche zu Euer vnd dero Bruders LL. gutero content
ablauffen vnd Sie beidereeits gewirige resolution erlangen
mugen, Denen wir inn mehr wege angenehme freundschafft
zuerweisen alzeit geneigt. Datum Dressden am 30. Decembris
Anno 1618.
Johann Gecirg etc.
7.
Warschau, 1619 Mtirz 19. Elisabeth Magflalena, Ber-
zogin von Ktirland, geb, JPiirstin z\i Stpttin-Pommern, an
Kurfiirst Johann Oeqrg. Die Angelegenheit tvegen des
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herzoglichen Hauses habe zwar nicht mm gewiinscJiten Ziel
gebracht tverden kimnen, stehe jedoch nicht nngilnstig,
rvoriiber der Abgesandte Romanus Naheres mittheilen
werde. Nothwendig sei aber, dass die Intercession axtf dem
nachsten Beichstage erneuert werde.
Ebend. Blatt 173.
Vnser freundtlich Ehrengruss vndt was wir mehr liebes
vndt gutts vermiigen zuuohr. Hochgeborner Furst, freundt-
licher lieber Herr Oheim, Nachdein der Hochgeborner
Furst, vnser herzlieber herr vndt Gemahl nach gehabtem
rath fur gutt angesehen, das nebenst Ihrer Ld. vndt dero-
sembtlichen Churlendischen vndt Semgallischen LandtschaflFt
Abgeordenten, auch wir an den Koniglichen Hoflf vns be-
geben, vndt daselbst alien miiglichen vleis furwenden solten,
damit das hochbetrubte zerruttete vnwesen des Furstlichen
hauses zum bessern stande mOchte gebracht werden 7 haben
wir, wiewoll solche reise vndt gescheffte vns sehr be-
schwerlich vndt vngelegen furgefallen, aus tragender liebe
zu den Hochgebornen Fursten, herrn Wilhelmen in Lief-
landt zu Churlandt vndt Semgalln Herzogk etc. Vnsern
freundtlichen lieben herrn Schwagern, Brudern vndt Geuat-
tern vndt defielben Jungen herrn, wie auch zum Allgemeinem
wolstandt defl Herzogkthumbs, vns derselben, vndt wafi fur
vnkost, vnlust vndt molestien dran hengen, nicht vnterziehen
wollen, Sein also hie Gott lob zu reenter Zeit gesundt ange-
langet, vndt haben den hochgelarten, E. L. Rath- herrn Fran-
ciscum Romanum der Rechten doctorn schon fur vns funden,
der vns negst vbergebung E. L. an S. Ld. vnsern herzlieben
herrn vndt Gamahll dirigirten schreibens von dero, wie
auch Ihrer herzlieben Gemahlin vndt gantzem Churfurst-
lichen hauses, Gott lob, guter gesundtheit vndt glucklichen
wol«rgehen, Auch zu was ende Er von E. L. abgefertiget
worden, vmbstendig berichtet. Da6 alles wir mit sonder-
barem dancknehmigem gemiithe erfrewlich verstanden,
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Vnndt thun nicht allein B. L. vndt alien deB loblichen
Churfurstl. S&chsischen hauses Anuorwandten solche gate
leibes gesundtheit vndt alien ersprieBlichen wolstandt zu
langen zeiten bestendig wunschen, Sondern auch vnsers
herzlieben herrn GemahlB, wie auch vnsers eigenen interess
wegen solcher bewiesen gnedigen affection vndt ansehn-
lichenn hulff vns freundtlich bedancken, DeB erbietens vmb
E. L. solches bei aller begebenden gelegenheit mit alien
geflieBenen ehrendiensten hinwieder abzunehmen, Gestalt
den vnser herzlieber herr vndt Gemahll nichts weniger
solches mit stetiger geflieBenheit einzubringen sich bemuhen
wirdt. Was nun der Verlauff dieser beschwerlichen sache
gewesen, wie sich die allenthalben woll angelassen, was
aber fur impedimenta vnd hindernissen dorzwischen ge-
fallen, daB wie alle andere hochwichtige der Kdn. Maytt.
vndt Ihres Kftniglichen hauses selbst eigene vndt mehre
gescheffte vnertfrtert stecken blieben, Also auch diese heil-
sahme sache nicht zum gewunschten Ziell auBbracht werden
ktfnnen, vndt was noch ferner zuhoffen, vndt durch was
wege weiter fortzusetzen vndt verhoffentlich zuerhalten, das
wirdt B. L. von Ihrem Abgesandten herrn Romano, der
sich in diesem alien sehr discret, gewertigk vndt vleiBigk
erwiesen, vmbstendiger zuuernehmen haben, Wie wir dan
hiemit freundtlich anlangen vndt bitten, seinem anbringen
vollenkommen glauben zu geben. Bey vns ist schon kein
Zweifell gewesen, dafern der Reichstagk einen andern
aufigangk ins gemein gewonnen, Es solte auch diese hand-
lung nicht vnfruchtbarlich abgelauffen sein. Itzt da durch
solche ehafffc nichts effectuiret werden kflnnen, vndt den-
noch nicht allein nichts abgeschl&gen, Sondern auch did
sache in guter sperantz gelassen, ist nur dahin sonderlich
zu sehen, das nichts weiter furgehe, wodurch der Kdn.
Maytt. gemuth, welchs, Gott lob, sehr gelindert, verletzet
vndt die sache in mehre gefahr gesetzet, vndt daB auf
kunftigem Reichstage, der besorglich innerhalb Jahres
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wirdt gehalten werden, die itzt abgelegte interceBiones re-
nouiret, auch von andern Kflniglichen Chur- vndt Furstl.
Verwandten heuBern, so fur diefimahll wegen enge der Zeit
die Ihrigen nicht einschicken kOnnen, nochmahln durch Le-
gaten, oder auBfuhrliche schreiben intercediret vndt die sache
zum endlichen gewunschten bescheide verholffen werde, in
welchem allenE.L.IhrenHerzogkWilhelms Ld. mit mechtigem
rath vndt taht die grftste promotion, Vorschub vndt Be-
furderung leisten kftnnen, immassen wir dan dieselbe hir-
umb freundtlich ersucht, vndt vns gegen E. L. hinwieder
zu alien beheglichen ehrendiensten erbotten haben wtfllen.
Was wir vnsers theils alhie der sachen zu gute geleistet,
auch wie wir von der K(*n. Maytt. beiderseits angenohmen,
gehalten vndt dimittiret, werden E. L. vmb desto beBer von
der sachen zu entscblieBen, so weit Ihr geliebet, von ob-
geregten Ihren Abgesandten vernehnien kdnnen. E. L. vndt
alle Churfurstl. hauses Anuorwandte Gottlicher protection
hiemit empfehlende. Datum WarBow den 19. Martii Ao.
1619 stylo nouo.
Vonn Gottes gnaden* Elisabeth Magdalena
geborne Piirstin zu Stettin Pommern, in
Liefflandt zu Churlandt vndtt Semgalln
Herzogin
E. L.
deinstwillige Muhme die
Zeitt meines lebens
Elisabeth Magdalenna
mpr.
8.
Mitau, 1619 Jitni 11. Herzog Friedrich an Kurfurst
Johann Georg. Die ^Delineation" set an Herzog Wilhelm
gelangt und ivisse er nicht, tveshalb dieser sie nicht dem
Kttrfursten iibergeben. Dankt fur die bisherige Intercession
Mittheil. a. d. livl. (ieschichte. XIV. 4. 32
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486
xwd bittet* %w fernera Bef^rderwng der Swhe dps her-eog-
lichen Hauves bei dem kommenden Beich&tage.
Ebend. Blafct 301.
Vnser freundwilUge dienste, vnd was wir der Ver-
wantnus nach sonsten liebes vnd gutes vermugen zuuor,
Durchleuchtiger Haobgeborner Furst, gnediger vnd freundt-
licher lieber Herr Oheimb vnd Schwager. Vns ,ist E. 6.
schreiben vnnterm dato Dresden, am 30. Decemb. des ab-
gewicbenen 1618. Jhares, in der Hochgebornen Farstin
vnser freundlichen geliebten Gemahlin wiederkunft vom
WarBowischen Reichstage, woll anbehendiget worden, Wor-
aus wir fastbekuinmerlich verstanden, das E. G. die delii*eatio,
was in Pohlen anzuebrengen sein m0chte, wie auch das sqlurei-
ben, darin E. G. wir den terminum comitialem notificiret, nicht
zu handen komqaen, da doch solch schreiben von vns durch
einen gewiiten boten, auf Lubeck bestellet von dar, durch
des Hochgejbornen Fnrstem vnsers freundlichen lieben Bru-
dern, Herzogk Wilhelms Ld. diener weiter an izgedaehte
S. Ld. fortgebracht, die delineatio aber, durch den Ern-
uesten vnd Hochgelarten vnsern Raht vnd lieben ge-
trewen, Caspar Dreiling, dem Mecklenhurgischen Raht,
Johan Witten, dieselbe an S. Herzogk Wilhelms Ld. vber-
zubrengen, anbehendiget worden, InmaBen wir die nach-
richt, das S. L. solche auch erlanget habe, vnd also nicht
wiBen konnen, worumb Sie E. G. nicht muege eingehendigett
worden sein, Das aber dennoch E. G. auf vnser dienst-
fleiBiges ersuchen, dero Legaten dahin naher WarBow ab-
schicken, vnd vnsers Purstlichen Hauses sachen, dermaBen
befurdern wollen, daraus habenn wir E. G. nochmalige
wolgeneigte affection gnugsamb erspuret, Befinden vns auch
darumb EJ. G. dermaBeim verbunden, das wir n^chtp liebers
wunschen, dan es mdchte vns solche occasion dakegen fdr-
stoeBen, daduroh E, G. wir hinwieder, vnsor danc^bares
gemuete nur in etwas bezeigen vnd erweisen mdchten,
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^(*o<
437
Impiittelst M>er> sagpn E, G, wir gant?; dienst vnd fleiBigen
danck, das bey I. Kflnigl. Mayt. vnserm gnedigsten Konig
vnd Hern, durch deroselben wolgeneigte befurderung, des
Hochgebornen Fursten, vnsers freundtlichen geliebten Bru-
dern Herzogk Wilhelms Ld. vnd vnsers Furstlichen Hauses
sachen, dennoch so weit wiederumb gebracht worden, das
zu vollenkommener deroselben effectuirung in ferrere E. G.
promotion vnd furschub, wir numehr die hogste hofnung
gesezet. Wie dan E. G. wir nochmaln gantz dienstfleiBig
bitten, Als Sie diesem werck so einen heilsamen anfangk
gemacht, so geruhen Sie sich daBelbe weiter, zu aller er-
sprieslichen befurderung empfohlen sein zu laBen, vnd auf
kunftigen Reichstagk, der auBgeschrieben werden mochte ;
vnd E. G. von vns notificiret werden soil, durch deroselben
weitere fleiBige intercession alles ins beste dahin befurdern
zu helfen, damit S. Herzogk Wilhelms Ld. neben dero viel-
geliebten Stihnlein, vnd vnser gantzes Furstliches Haus
aus dem schweren bedruck, darin es leider ein Zeitlang
geschwebet, genzlich gehoben, S. L. vnd dero geliebteB
SiJhnlein zu Ihren Landen vnd Leuten wiederumb verholffen
werden, vnd wir vns E. G. nochmaliger geneigten befur-
derung nach empfundener ersprieslichen genossenheit, vmb
souiel mehr zu ruhmen haben mugen, Immassen zu E. G.
wir auch die zuuersicht seczen, Dieselbe wie Sie vnB fur
diesem daran erinnert, wolle S. Herzogk Wilhelms Ld. ins
beste ermahnen, damit S. L. ia nichts furnehme, dadurch
I. Konigl. Maytt. gemute anderweit offendirt oder diese
sache in weitere gefahr geseczet werde, sondern vielmehr
sich gegen I. Kdnigl. Maytt. in geburlicher Demut der-
maBen bequeme, damit die vorige gefaBete vngnade, so
dennoch ziemblich gelindert, vollents abgethan, vnd S. L.
Ktaiglicher gnaden restituiret werden mGchte. Vnnd wir
thun vns abermaln alle solche von E. G. vns bezeigte wol-
geneigte wilfehrung, mit angenehmen wolgefelligen diensten
euBerster vnser mugligkeitt nach, zu erwiedern vnd einzu-
32*
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brengen, hiermit dienstlich offeriren vnd gleichsamb ver-
pflichten. B. G. dem Algewaltigen schuz des htfgsten zu
allem erwunschten Churfurstlichem wolstande, getrewlig
vnd vonn Herzen empfeblende. Datum Mytow, den 11.
Junii Ao. 1619.
Vonn Gottes gnaden Friedrich in
Liefland zu Churland vnd Semgallen
Herzogk
E. G.
dinstwilliger Ohm vnd
Schwager
Fridericus manu
p. p.
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Zur Baugeschichte der Petri-Kirche in Riga.
H.
Von Joseph Girgensohn,
In dem ersten Theil nieines Aufsatzes (Mittheilungen,
14, S. 187 f.) glaube ich bewiesen zu haben, dass die
von mir vertiffentlichte Baurechnung (S. 197 ff.) aus den
Jahren 1408 und 1409 sich auf den Chor der Petri-Kirche
bezieht 1 ).
Unwiderleglich hat Herr Architekt W. Bockslaff dann
erwiesen, dass das Langhaus der Kirche an den Chor an-
gebaut, also sp&ter entstanden ist. Er hat dabei haupt-
sachlich architektonische Grunde ins Feld gefuhrt, wahrend
er nur eine kurze Notiz aus der Baurechnung vom Jahre
1456 entnahm (S. 269).
Leider ist diese Baurechnung, die noch zu Brotzes
Zeit vorhanden war, verloren, wahrscheinlich fur immer.
Brotze hat zum Gliick einige Fragmente von ihr durch Ab-
schrift gerettet in seinen w Livonica", Bd. XV, F. 175 f. Die
Fragmente sind folgende:
Item in den jaren vnses heren 1456 vmtrent passchen
do begunde ik in den namen godes vnd des guden heren
sunte Peters to grauende de kulen der pilers an der suder
syden.
Item vur de erste kule to grauen 24 manne ene weke
elken des dages 3 si.
Suma 10 ... . 12 mr.
*) Der Zweifel des Herrn W. Bockslaff, Mittheilungen, 14, S. 240,
wird auf 8. 256 ziemlich aufgegeben, wenigstens so weit er die
Bauzeit der Chorkapellen betrifft.
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490
Item viir 100 brede dat stucke 4 dn. Suma 372 mr.
vnd 4 si. 1 dn.
vur 70 brede dat stucke 4 dn. Suma 2V2 mr. 3 si. 1 dn.
Item noch utgegeuen vur dat orgelwetfk to beter6fcvnd
welke pipen, de de monnik hadde vtgestolen, wedder to
maken 15 mr.
12,000 stens 30 mr. . . 4000 dacksten dat 1000 3 mr.
30,000 mursten 75 mr.
21 menne 5 dage elken 15 si. Suma 60 mr. myn 1 fr.
Zu unserem Schmerz mussen wir erfahren, dass, wie
Brotze selbst hinzufugt, diese Rechnung von 1456—1473
reichte, also eine sehr wichtige, mit Unrecht missachtete
Quelle gewesen ist. „In den letzten Jahren," heisst es, „ist
aber wenig angemerkt und es scheint der grosse Bau, der
gleich Anfangs angekiindigt wird, im Jahre 1466 geendigt
worden zu seyn, vermuthlich war es der Thurmbau, nach
Anzeige der Rechnung wurde auch eine Gflocke umgegossen
und durch dazu gekauftes Zinn vergrossert."
Noch zwei Notizen schienen Brotze der Aiifbewatirung
werth, und zwar der Preis fur eine Last Kalk: 1 mr., und
der Preis fur eine Tonne Bier: 1 mr.
Es diirfte wohl kaum Jemand daran zweifeln, dass es
sich bei dem Bau von 1456 um das Langhaus und nicht
urn den Thurm handelt. iDarauf deutet die schon von
Bockslaif (S. 269) angefiihrte Notiz von 4000 Dachsteinen,
welche nur am Langhause und nicht am Thurme Verwen-
dung finden konnten. Darauf deuten ferner die Gruben
(kulen) zu einer Mehrzahl von Pfeilern an der Sudseite.
Am Anfang der Rechnung war gesagt (nach Brotze), dass
es sich um einen grossen Bau handelte. iEs ist hochlichst
zu bedauern, dass Brotze diesen Anfang mcht wtifttich
wiedergegeben hat, oder doch wenigstens eiriige Posten aus
den Einnahmen fur das Werk. Mit dfen letztfcren war es
bald schlimm genug bestellt, wie aus einer Urkunde des
Erzbischofs Sylvester Stodewftsdher vom 29. Novbr. 1465
hervorgeht.
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In dieser Kundgebung, welche Brotze in seiner Syl-
loge (II, 105 f. 1 ) absohriftlich erhalten hat, spricht der
Er^zbischof von dem nothwendigen „Wiederaufbau" der
Kirche, welche einst zu Ehren des h. Petrus erbaut sei (. .
majorem parrochialeta e^clesiam, quondam in honorem sancti
Petri edificatam, nunc basilicam reedificandam). Vielleicht
durffce &uch der Ausdruck „basilica u darauf hinweisen, dass
eben das Langhaus gebaut werden sollte. Die andere Ver-
muthung wird wohl auch gestattet sein, dass Sylvester Stode-
tt&schfcr fes war, der jene Messingtafel an der siidlichen
Thur <ies Thores anbringen liegs, die den Anfting des Chor-
b&ues auf 1406 setzte 2 ).
In etwas schwulstiger Weise hebt Sylvester in dem
^rw&hnten Aktenstuck aus dem J. 1465 die Wichtigkeit des
Werkes hervor, sodann macbt er dem Rector der Pfiarr-
kirche zur Pflicht, dem Bau kein Hinderniss in den Weg zu
lfegen, weder offen noch heimlich, sondern den fur den Bau
vom Rathe verbrdneten Personen beizustehen, die G^meine
zu ermahnen, nach Mflglichkeit behilflich zu sein. Endlich
wird denen, welche zum Bau beisteuern, ein Ablass auf
40 Tage verheissen.
Wahrscheinlich ist diese Mahnung nioht ohne TMolg
an die G&ubigen ergaagen, denn Brotze sagt ja, dass der
Bau 1466 beendigt worden zu sein scheint nach der oben
besprochenen Baurechnuiig, da in den letzten Jahren von
1467 bis 1473 „wenig angfemerkt" sei.
B8 bleibt nun 'nOch ftbrig, in bestimmen, wann der
Thurmbau beendigt wurde, und dariiber haben wir gmz
sichere Nachriohten.
Zu Brotzes Zeiten befand sich im Riga^chen Raths-
archive ein Kitchen, welches er in der Sylloge (I, S. 285)
und in den Monumental (X, S. 37 u. 38) beschreibt und ab-
bildet.
^'Registrirt bei Napiersky, Iudex n. 5430.
*) S. dae Nahere oben S. 185.
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492
Dieses spater auf der Rigaschen Stadtbibliothek aufbe-
wahrte, kiirzlich unserer Gesellschaft zur Aufstellung im
neuen Dommuseum ubergebene viereckige Kastchen mit
Schiebedeckel wurde auf der Rigaschen culturhistorischen
Ausstellung 1883 (Katalog Nr. 2508) ausgestellt.
Es ist 13,2 cm. lang, 8,5 bis 8,8 cm. breit und 6,3 bis 6,5 cm.
hoch. Auf den sechs &usseren Flachen und auf der innern
Seite des Schiebedeckels finden sich folgende Gravirungen:
Auf der ausseren Seite des Schiebedeckels der Heiland
in ganzer Gestalt, das Haupt von Strahlenkreisen umgeben,
in der Linken die Weltkugel haltend, die rechte Hand zum
Segen ausstreckend. Herum auf einem Bande der Spruch:
DATA EST MIHI - OMNIS POTESTAS - IN CCELO -
ET IN TERRA • \ • MAT. 24. Vor den Fiissen auf dem
Boden drei nach links gewendete Laminer (?). Rechts im
Felde neben dem linken Unterschenkel das Monogramm
ft
Aut der innern Seite des Schiebedeckels ein in zwei
Pelder quergetheiltes Wappen. Im obern Felde drei sechs-
spitzige Sterne neben einander gestellt, im untern Felde
ein springender Hirsch auf einem schrag getheilten Felde.
Als Helmzier ein wachsender Hirsch zwischen zwei Pfauen-
federn. Dazu die Umschrift: • HER • IOACHIM • WIT —
TINCK — DE • - OLDEST • BORGERMEISTER • — VND
LANTVAGET Zur Seite der Helmzier .1.5— .78.
Auf dem Boden: Gott der Vater mit dreifacher Krone,
von Strahlen umgeben, halt vor sich Christus am Kreuze.
Links vom Haupte des Vaters eine Taube und beiderseits
vertheilt sechs gefliigelte Engelskopfe. Herum auf einem
Bande: fflO EST FILI - VS MEVS DI — LEG— TVS —
IN QVO MINI (sic) - BENE PLACITVM EST.
Auf einer der langen Seitenwande das Rigasche grbsse
Stadtwappen in einem Schilde, gehalten von zwei Engeln,
darunter auf einem Bande: DE — VS EST — SVM - M -
VM - BONVM.
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493
Auf der andern langen Seitenwand halt ein Engel zwei
Wappenschilder, in denen sich je eineHausmarkebefindet. Ne-
ben dem linken Schilde: HER- GERDTjRIN-GENB ARCH.
Neben dem rechten Schilde: DET-LOFF | BROC— KHOF.
Auf der einen schmalen Seite ein Wappenschild mit drei
Schellen, umgeben von einem Kranze. Daneben DOMI —
NVS | MAT— TIAS | KNO - P1VS | PASTOR— R1GENSIS.
Auf der andern schmalen Seite nur die Inschrift:
• ANNO • DOMINI • | • M- CCCCO LXXVIH | • DEN • IP
IVLIVS.
Brotze giebt folg. Bemerkungen zu diesen Zeichnungen :
„Die Buchstaben CK stellen den Namen des Zinngiessers
vor, welcher das zinnerne Kastchen gemacht und die Figuren
radirt hat. Er hiess Cyriacus Klint. Auch sorgte er da-
fur, dass unter die damals eingelegte Schrift notirt wurde:
Fecit arculam stanneam Cyriacus Clintius; denn bei solcher
Gelegenheit sucht Jeder, der Etwas zu thun hat, seinen
Namen zu verewigen. Am Boden des Kastchens ist die
Dreieinigkeit nach der damals gewohnlichen Sitte der
Mahler vorgestellt Rathsherr Ringenbarch war
Kirchenvorsteher und daraus folgt, dass das andere Mono-
gramm auch einem Kirchenvorsteher (Brockhof) gehort.
Dieser war ohne Zweifel ein angesehener Mann, bekam
aber nicht den Namen Herr, denn das war gegen den da-
maligen Gebrauch."
In diesem Bleikastchen befanden sich nach Brotze,
"Sylloge a. a. 0., vier leider jetzt nicht mehr aufzufindende
Pergamentstreifen, „auf deren jeden der Anfang eines der
vier Evangelisten nach der Vulgata geschrieben war".
Brotze beschreibt dieselben in folgender Weise: „Sie sind
alle von einer Lange, aber nicht von einerley Breite. Fol-
genden, welcher der schmalste und nur halb so breit ist,
als die ubrigen drei, schreibe ich hier ab.
Inicium sancti ewangelii secundum Marcum Inicium
ewangelii cristi, filii dei, sicut scriptum est in Ysaia pro-
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494
pheta: Bcce tnitto aitgeluin nieum ante faeiem tuam qui
preparabit viam tuam ante te. Vox clamantis in deserto:
parate viam domini, rectas faeite semitas ejus, et: fuit
Johannes in deserto baptizans et predicts baptismum peni-
tencie in remissionem peccatorum. Et egrediebatur ad
ilium omnis Judee regio et Jherosolimite vniuersi et bapti-
sabantur ab illo in Jordane flumine confitentes pecdata sua.
Auf der Ruckseite desjenigen Streifens, der das Initium
evangelii secundum Jilatthaeum enthalt, stent Fblgendes
bemerkt:
Anno domini millesimo quadrihgentesimo nonagesimo
primo in vigilia beati Laureneii martiris [Aug. 9] est nodus
iste inpositus et affixus turri huic. Quo tempore quidatn
dominus magister Caspar Linde sanote Rigensis ^celeste
canonicus ordinis theotonicorum Jherosolimitani fungebaitur
cura ecclesie parrochialis sancti Petri. Prouisores vero
dicte ecclesie dicti sunt D. Dheodericus Meteler. D. Goss-
winus Menninck consules ciuitatis ejusdem qui eorum magnis
nisibus hujusmodi turrim cum quodam tunc in breui de-
functo Petro Hinrickflen suis plurimis elemosinis adflitis
adeo decenter «t pervenuste vt omnibus liquet construi
fecerunt etc. Orate pro eis.
Reperiuntur in scriniulo plumbeo plurimorum sancto-
rum reliquie" *).
Perner lag (nach Brotze) in dem Bleikftstchen vom
J. 1578 ein Streifchen Pergament mit der Aufschrift: ^Jhesus
Nazarenus rex Judeorum", und endlich ein viereckiges Blatt
Pergament, welches Brotze abgezeichnet hat. In der Mitte
sieht man die Buchstaben Jhs, umgeben von einem Strahlen-
kreis, um den herum sich eine Inschrift zieht: „In nomine
ihesu omne genu flectatur celestium terrestrium et infer-
porum et omnis lingwa confiteatur quia dominus nostdr ihs
xprus (Jesus Christus) in 'gloria est dei patris Amen. u
!) Von Anno domini an 1st diese Aufschrift schoh gedruckt in den
Stadtblitftern 1871, S. -28, aber mit eiriigen l kleinen <Fefclern.
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Unter der Kreisinschrift steht: „Anno domini 1491".
Am 9. August 1491 ist also der erste Thurm im Bau
vollendet worden, indem man den Knopf aufsetzte. Be-
kanntlich hatte der Thurm eine dem ubrigen Bau ent-
sprechende einfache Spitze. Man sieht ihn noch auf der
Abbildung Rigas von 1612 *).
Der innere Ausbau und die Ausschinuckung der Kirche
ist sehr allm&hlich im Laufe des ganzen 15. Jahrhunderts
von Statten gegangen. J5ur Zeit der Reformation hatte
St. Peter mindestens 20 Altare, deren Schutzpatrone in den
Quelleh angegeben sind. Von den Stiftern der Altare und
Kapellen erfahren wir nur gelegentlich. H&ufig sind es
nicht einzelne Persdnen, sondern ganze Genossenschaften,
Gilden Oder Anstalten.
Im Chor hatten folgende Heilige Altare : An der Nord-
seite: 1) St. Maria, hart an der Gerwekarainer oder Sa-
kristei (BB. I, n. 1010. RB. n. 76. 217 2 ); 2) St. Eligius
odfcr St. Loyen (RB. n. 8. 294.426); 3) St. Johannes (RB.
n. 37. 172. 261); 4) St. Jacob (RB. n. 41. 111. 172); an
der Siidseite: 5) St. Andreas (RB. n. 7. 135. 148. 191. 228
UB. VII, n. 372, S. 264 f. 3 ). L. r. IE, n. 14*); 6) Die heil
Dreifaltigkeit (RB. n. 148); 7) St. Stephanus (RB. ix. 174)
«) St. Brigitta (RB. n. 174. 291. 322). Ohne n&hfcre Be
zeichnung des Standortes werden noch als im Chore befind
libh etfw&hnt: 9) St. Antonius (RB. n. 33); 10) St. Matthias
(RB. n. 36); 11) St. Ludiger (RB. n. 175); 12) St. Nicolaus
(RB. n. 285).
Im Chore scheint auch, wenigstens bis 1456, die Orgel
gestanden zu haben (RB. n. 426).
x ) S. den Katalog der Rigaschen culturhistorischen Ausstellung 1883.
*) EB. = die Erbebilclier der Stadt Riga, hrsg. von L. Napiersky.
RB. •= Rentebnch, eitirt nach einer Absehrift, welche mir derPrasi-
dent giitigst zur Verfiigung stellte.
3) UB. = Livl. Urk.-Buch, hrsg. v. H. Bildebrand.
*) L. r. = Libri redituum, hrsg. von L. Napiersky.
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Ini Schiffe der Kirche sah man an der Nordseite:
13) St. Annen (RB. n. 135. 287. L. r. Ill, n. 14. UB. VII,
n. 372. S. 264 f.); 14) St. Philippus, Jacobus und Wal-
burgis (RB. n. 305) ; 15) St. Jiirgen und die heil. 3 Konige
(L. r. Ill, n. 30. RB. n. 100. 108); 16) St. Bartholomaus
(L. r. Ill, n. 30. RB. 46. 100. 108. 241. 265. 353); 17) St.
Crispin und Crispinian (RB. n. 189. 198. 321).
Im oder am Mittelschiff lagen: 18) St. Margarethe; 19)
St. Peter (RB. n. 306); 20) des heil. Leichnams Altar (RB.
n. 361).
Wie weit der „losdreger altar" (Vikarienbuch der Schw.
Haupter, Mscr.), sowie Peter Hinriks und Joh. Cainpen-
hausens Kapelle (EB. II, n. 109. RB. n. 374. 394) mit den
schon genannten Altaren in Uebereinstimmung zu bringen
waren, l&sst sich nicht mehr feststellen.
Es ware nicht ohne Interesse zu verfolgen, von wem
und wann die genannten Altare nacheinander gestiftet
worden sind. Es wiirde sich z. B. herausstellen, dass gegen
die Zeit d6r Reformation hin die Stiftungen sich haufen,
dem entsprechend, was aus der allgemeinen Geschichte fiber
Verausserlichung des Gottesdienstes, Heiligenverehrung etc.
bekannt ist.
Allein eine solche Betrachtung wiirde von der Bauge-
schichte zu weit abfuhren.
Die Petrikirche hat seit dem Jahre 1491 noch manche
bauliche Veranderung erfahren, namentlich ist der Thurm
umgebaut worden. Daruber finden sich an leicht zugang-
licher Stelle so viele Notizen, dass ich dieselben hier nicht
wiederholen mag. Nur auf die Kirchen-Gerichts-Proto-
kolle, welche gegenwartig in der Sakristei aufbewahrt
werden, mochte ich zum Schluss als auf eine bisher noch
wenig benutzte Quelle iiber die spateren Schicksale der
Petrikirche (von dem Ende des 17. Jahrhunderts an) noch
hinweisen.
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Nachtr&ge zum Aufsatz
„Die Livlander auf der Universitat Bologna 1289—1562".
Von Philipp Schwartz.
Dieselben stammen theils aus dem Verfasser fruher nicht
zug&nglichen, theils aus von ihm nicht eingesehenen oder
erst nach Vollendung des Druckes erschienenen Arbeiten.
Ad n. 11. Ueber die Bevermanns in Reval s. noch
Nottbeck, Die alteren Rathsfauiilien Revals, S. 40; Der-
selbe, Die alte Crirainalchronik Revals, S. 91 ; Derselbe,
Die alten Schragen der grossen Gilde zu Reval, S. 120.
Ein Iwanus Beuerman ist am 29. April 1447 zu Rostock
immatriculirt worden (Hofmeister, Die Matrikel der Uni-
versitat Rostock, I, S. 80, n. 10), wol identisch mit dem
Iwanus Beverman de Darpodia, der Ostern 1446 zu Erfurt
immatriculirt wurde (BfJthfuhr, Die Livlander, 21).
Ad n. 14. Vielleicht identisch mit dem spateren Bischof
von Oesel, Johannes Crewl, ist Johannes Krowel, der am
12. Mai 1420 zu Rostock immatriculirt und daselbst nach
dem Decanatsbuch der philosophischen oder Artistenfacultat
in der Zeit zwischen dem 14. April und 9. October 1422
zum Baccalarius promovirt wurde (Hofmeister, 4, n. 66 u.
13, n. 4). In Rostock wurde am 9. Mai 1447 auch ein
Anthonius Crowel immatriculirt (Hofmeister, 81, n. 22), der
mit dem 1444 in Bologna immatriculirten Anthonius Creyl
de Prussia und dem Bruder von Johannes Crewl identisch
sein mag. Zum 4. Juli 1426 findet sich ein Hinricus Crowel
de Dantzke, aus welcher Stadt auch der in Bologna 1426
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498
immatriculirte und wol mit dem sp&teren Bischof von
Oesel zu identificirende Johannes Crouwel staimnte, in der
Rostocker Matrikel verzeichnet (Hofmeister, 25, n. 78). —
Ueber die Crowels in Reval s. noch Nottbeck, Raths-
familien, 5 u. 29; Siegel aus dem Revaler Rathsarchiv nebst
Sammlung von Wappen der Revaler Rathsfainilien, 11, n. 17;
Criminalchronik, 40 u. 48; Der alte Immobilienbesitz Revals,
64; Das zweitalteste Erbebuch der Stadt Reval, 141. — Der
bei Bothfuhr, Livlander, 38, verzeichnete Johannes Krewel
de Riga heisst bei Hofmeister, 188, n. 4: Johannes Kreuet
de Ryga.
Ad n. 16. Nachtraglich erhielt ich Einsicht in, das
Werk von Pyl, Die Rubenow - Bibliothek etc. Es ergab
sich aus demselben jedoch keine Vervollstandigung zu. dem
oben Angefuhrten.
Ad n. 17. Ein wol mit dem Bologneser Scholaren
von 1448 zu identificirender Petrus Tisenhusen ist den
20. Juni 1443 zu Rostock immatriculirt worden (Hofmeister,
65, n. 131; die Hjeimathangabe fehlt. Bei Bflthfuhr, Die.
Livlander, ist der Name nicht anzutreffen). Wenn die oben
verzeichnete Annahme, dass er bezogen werden ktfnnte
auf den dritten Sohn des Peter Tiesenhausen zu Bersop
(t zwischen April 1434 und Marz 1435), begrundet ware, so
miisste er auch auf die Universitat Rostppk/ erst in vorge-
rucktem Alter gegang^n sein.
Ad n. 19, Schon seit dem Anfang des 14. Jahrtu ist
die Familie Voss in IJeval anzutreffen (Das alteste Wift-
schopbuch der Stadt Reval, 196 und Das zweitalteste Erbe-
buch der Stadt Reval, 138). Giese Voss ist ajs Altera w*
der grossen Gilde zu Reval von 1455—58 nachzuweiseA
(Nottbeck, Schragen, 117, cf. 32, 65, 98, 106).
Ad n. 20. Am 16. Juli 1439 ist ein Petrus Wedberob
p (pauper) vom Rector Bernardus Bodeker zu Greifswald,
wohin die Universitat von Rostock auf einige Jahre ver-
legt war (s. dariiber Krabbe, Die Universitat Rostock im
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499
15* u« 16. Jahrlj. 1, 119 ff.), imm^triculirt worden (Hof-
meister, 62, n. 46). Zuui November 1453 findet er sich
wiederuui in folgender Form in der Rostocker Matrikel
verzeichnet: Dns. Petrus Wetberch unum flor. Ren. e>t fuit
intitulatus sub mgro. Bernardo Bodeker in Gripeswaldis
anno XXXIX (ibid. 100, n. 36). Die Heimathangabe fehlt
beide Mai, aber vielleicbt ist darunter der spaterc Student
in Bologna und Bischof von Oesel zu verstehen.
Ad n. 22; Den 14. Juni 1451 wird ein Johannes Orges
mit seineiq Bruder Georgius de diocesi Rigensi in Rostock
immatriculirt (Hofineister, 93, nn. 52 und 53). Er kann
identisch sein mit dem 1460 in Bologna immatriculirten
und dem spateren Bischof von Oesel Johannes Orges. Beide
Bruder sind in der Zeit vom 9. Oct. 1452 bis 14. April
1453 zu Baccalarien der Artistenfacultat Rostocks promor
virt worden (ibid. 97, nn. 1 u. 2).
Ad ' n. 25. In de? von Hofmeister herausgegebenen
Matpikel der Universit&t Rostock beisst, es & 166, n. 83:
Johannes Brakel de Dorpte, nicht de Rev 4 alia, wie Bflth-
fuhy, 36, hat. Bald nach seiner lmmatriculation, spatestens
am 8. Oct. 1470, ist er zum Baccalarius artium pronaovirt
worden (Hpfm#ister, 167, n. 19). — Ueber die Brakels in
IJeval 8. noch Notjt^ec^, Siegel aus d. Rev. Rathsarchiv,
35, n. 219; Das. zweit^teste Revaler Erbebuch, 136 f.
Ad, n. 26. Jaspar Natken war unzweifelhaft der Sohn
des gleichqamigen Revajschen burgers, des Gemahls einer
Schwester des Erzbischofe von Riga, Michael Hildebrand.
Ms Brautsch^tz fiel ihcft das von seinem Schw;iegeryater,
d$i# R^valschen Kauftnann Michael Hildebrand (f 1453;
Npttbeck, Schragei*, 122), bepessene Haus in der Schjih-
strasse in Reval zu (Nottbeck, SiegeL aus dem Rev* Rjathsr
archfv, 6, Ai\m. 3). Er wiederum war ein Sohn des Michael
Natken (Nottbeck, ebenda, 10, n. 11 u. Die aften Schragei*,
123), wol desselben, der, wie oben angefuhrjt, in dei* Ja&ren
1410 — 43 als Revalscher Burger vielfach urkundlich erw&hnt
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500
wird. S. liber ihn noch Nottbeck, Criminalehronik, 38 u. 42.
Vielleicht ist auf ihn auch zu beziehen der Notken, der urns
J. 1410 als Schlusselbewahrer eines Revalschen Thurms
erw&hnt wird (Nottbeck, Immobilienbesitz, 79). Ueber seinen
Sohn Jasper s. noch Nottbeck, Criminalehronik, 56. Hier
zum J. 1479 als Revalscher Burger bezeichnet, ebenda, S. 61
zum J. 1490 ein Jasper Notken genannt, der in Dorpat zu
Hause ist. Ausser mit der Familie Hildebrand waren die
Nfttkens auch mit anderen angesehenen Geschlechtern
Revals verschw&gert (Nottbeck, Siegel, nn. 11 u. 124).
Zu dieser Familie wird auch der am 22. November 1486
zu Rostock immatriculirte Jacobus Notge de Revalia ge-
hort haben (Hofmeister 247, n. 20; bei Bothfuhr, 44, zum
20. Nov. 1486 verzeichnet), unzweifelhaft identisch mit Ja-
cobus Noteke, der daselbst zwischen dem 9. Oct. 1491 und
14. April 1492 zum Baccalarius und als Jacobus N&tke
zwischen dem 9. October 1493 und 14. April 1494 zum
Magister artium promovirt wurde (Hofmeister, 260, n. 1
u. 271, n. 1). An letzterer Stelle ist als Nachtrag hinzuge-
fugt: prepositus Rigensis. Sollte unter diesem Namen immer
Jaspar Notken verstanden sein? Br miisste in dem Fall
wahrend seiner Rostocker Studienzeit Rigascher Propst, als
welcher er 1489 in Bologna immatriculirt wurde, geworden
sein. Aus Bologna zuriickgekehrt, hatte er die gelehrten
Grade in Rostock erlangt. Oder hat es auch einen Riga-
schen Propst Namens Jacob Notken gegeben? Dann ware
der 1502 genannte „Jacob Nolcken" darunter zu verstehen
und wol auch der 1509 angefiihrte „ Johannes Notke".
Vielleicht ist aber auch dieser Name berechtigt und wir
h&tten dann innerhalb einer kurzen Spanne Zeit drei Riga-
sche Prftpste aus der Familie Nctken, bei welcher Annahme
auch der bei Arndt zum Jahr 1512 aufgefuhrte „ Joh. Nolken*
bestehen kdnnte, wobei dann freilich der von ihm ange-
fiihrte Vergleich trotz seiner Aehnlichkeit mit dem bei
Schirren erw£hnten von diesem zu unterscheiden w&re.
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501
Ad n. 27. Bin Georgius Witberch de Liuonia wurde
am 9. Mai 1481 zu Rostock immatriculirt (Hofmeister, 222,
n. 21 ; bei Bathfuhr, 42, als Georgius Wetborch de Livonia
zum 9. M&rz 1481 verzeichnet; in den „Berichtigungen und
Ergftnzungen", 225, ist dann Wetborch in Witberch verbessert,
aber auch die richtige Zahl 1481 in die falsche 1480 ver-
Sndert; im Register, 224, steht dagegen wieder die erstere
Zahl). Er wird identisch sein mit dem 1485 in Erfurt
immatriculirten Georius Wedeberg de Livonia und damit
vielleicht auch mit dem Bologneser Scholaren von 1498.
Ad n. 36. Ueber die Pamilie Hagen in Reval s. noch
Nottbeck, Siegel 32, n. 194 u. 43, n. 307 ; Criminalchronik,
60 f., 63, 67; Schragen 119 u. 124; Das zweitalteste Re-
valer Erbebuch, 139.
-HHc$-fr€P> v -
ttittheil. a. d. lirl. Geschichte. XIV. 4. 33
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Zum Gedachtniss an Hermann Hildebrand.
Von K. Koppmann.
Es ist eine Ehrenschuld, die ich hier abzutragen mich
anschicke! Von gemeinsamen Freunden aufgefordert, dem
am 17. /29. Jamiar dieses Jahres plfltzlich abbGrufenen
Jugendfreunde ein Wort des Gedachtnisses zu widmen, habe
ich mich gern zu dem bereit erklart, wozu ich im Stande
bin. Denn nicht eine eigentliche Lebensgeschichte des heira-
gegangenen Gelehrten, noch auch eine eingehende Wurdigung
seiner Verdienste urn die Geschichte seines Heimathlandes
vermag ich zu schreiben, sondern nur Erinnerungen an
einen Studiengenossen, mit dem ich mich durch die Ver-
wandtschaft unserer Arbeitsgebiete und durch das feste
Band der Jugendfreundschaft auf das Innigste verbunden
weiss, in mir wieder wachzurufen und aufzuzeichnen. Dass
dabei das hellste Licht auf die Jugendzeit falle und sie
trotzdem nur in einem Gruppenbilde erscheine, habe ich
weder vermeiden konnen, noch wollen.
Hermann Christian Hildebrand wurde am 8. Juli 1843
zu Goldingen als zweiter Sohn des Schulinspectors Heinrich
Justus Hildebrand geboren. Nachdem er den ersten Unterricht
in einem Privatkreise von Knaben gleichen Alters erhalten
hatte, trat er in die Kreisschule zu Goldingen ein, wo ihn
der Vater in die Elemente der Geschichtswissenschaft ein-
fuhrte. Neben dem Schulunterricht gingen Privatstunden
her, in denen ihn der Vater in den alten Sprachen, eine
Dame im Franzflsischen unterwies. Durch die starke
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503
Anspannung mdgen die oft wiederkehrenden heftigen Kopf-
schmerzen hervorgerufen sein, an denen er damals zu leiden
hatte. Im Januar 1858 wurde er in die Tertia des Gym-
nasiums zu Mitau aufgenommen, das er im December 1861
nach abgelegtem Maturit&ts-Examen verliess 1 ) und von
dessen Lehrern er besonders dem Dr. Paucker warme Dank-
barkeit bewahrte. Ostern 1862 bezog er, um Geschichte
zu studiren, die University Gattingen.
Mag es auf die Wahl der Universitat immerhin Einfluss
gehabt haben, dass der Vater aus Gtfttingen stammte und
dass die Georgia Augusta auch seine Alma mater gewesen
war, entscheidend war doch wohl die Anziehungskraft dessen,
der damals Gottingen fur uns „mittelalterliche" Historiker
zur vornehmsten Universitat machte, die Anziehungskraft
von Georg Waitz. Hildebrand war meines Wissens der
erste, der aus den baltischen Landen nacli Gottingen zog,
um „Waitzianer" zu werden; ihm folgten V. Diederichs, F.
Bienemann, dann Hausmann und Zftpffel, dann Dehio, Hohl-
baum, von der Ropp, dann Girgensohn und die grosse Reihe
von Jiingeren, die jetzt forscliend und lehrend die von Waitz
empfangenen Lehren und Anregungen far die baltischen
Lande fruchtbar machen.
Ich kann bei Erinnerungen, die dem entschlafenen
Prsunde gelten, nicht umhin, auch das Andenken an den
lebendig werden zu lassen, der uns nicht nur Lehrer, sondern
auch vaterlicher Berather und leuchtendes Vorbild war.
Waitz war von imponirender Gestalt, hoch und breit ge-
wachsen, von kraftig geschnittenen Gesichtszugen, ruhigen,
durchdringenden Auges. Gemessenen Wesens uberhaupt,
pflegte er auf dem Katheder bed&chtig zu sprechen, die
Worte abw&gend, die kraftige Stimme zuruckhaltend. Der
Vortrag war schlicht, fur diejenigen, welche an Pathos oder
spruhende Geistesfunken gew5hnt waren, vielleicht trocken.
1 ) Soweit nach Mlttheilungen des Herrn Dr. raed. A. Hildebrand.
33*
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504
Herr seines Stoffs, wie Wenige, verstand er aber meisterhaft
einzutheilen, zu gruppiren und zu beleuchten. Weniger
dazu geeignet und geneigt, den Menschen nach seinem
Aeussern zu schildern oder auch ein fein ausgefuhrtes
Charakterbild von ihm zu entwerfen, wusste er ihm doch
seine Stellung in der Geschichte mit wenigen Strichen scharf
anzuweisen; klar und deutlich in der Schilderung bestehender
Verh<nisse, verinochte er auch die grossen geistigen StrO-
mungen in ihrem Neben- und Gegeneinander voll zur An-
schauung und das Vergehen und Werden zura Verstandniss
zu bringen. Dabei kam er immer aus, batte nie etwas nach-
zutragen oder ?u berichtigen, niemals sich von etwas los-
zureissen nittbig; auf jede wichtige Frage ging er ein und
beleuchtete die verschiedenen Auffassungen; iiberall machte
er ; wenigstens fur das geschultere Ohr, den Stand der Unter-
suchung erkennbar. Nie hinreissend, waren seine Vor-
lesungen immer fesselnd, zuweilen, wenn ein leises Schwingen
der Stiinnie seine persdnliche Theilnahme an den Dingen
verrieth, wahrhaft ergreifend. Und mehfr noch als seine
Vorlesungen, waren es die „Historischen Uebungen", durch
die Waitz auf uns einwirkte. Hier lehrte er diejenigen,
die sich der Geschkhtswissenschaft widmen wollten, mit
den Quellen unizugehen, das Wesentliche zu sondern vom
Unwesentlichen, das Urspriingliche votn Abgeleiteten, das
Glaubwiirdige vomUnglaubwiirdigen, dasEchtevomPalschen,
lehrte uns mit eineni Worte wissenschaftlich zu arbeiten.
Wir versuchten und niassen da unsere Krafte, waren stolz
auf ein Wort der Anerkennung, stolz, wenn eine von uns
gemachte Bemerkung sich wiederfand in den Untersuchungen,
die Waitz als von ihm und „seinen jungen Freunden" unter-
nommen, verdffentlichte, am stolzesten, wenn eine Arbeit
von uns als reif von ihm befunden wurde. Die Gemeinsamkeit
des Arbeitens brachte die Theilnehmer auch persdnlich
einander n&her; unter den meisten herrschte ein enger,
zugleich freundschaftlicher und wissenschaftlicher Verkehr;
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50ft
jeder wusste, was der Andere trieb, nahrn Theil an semen
kleinen Nflthen und Preuden nnd wurde dadurch, ohne es
zu wissen, auf den verschiedensten Gebieten heimisch.
Die Vorlesungen, welche Waitz hielt, waren: Deutsche
Alterthiimer, Deutsche Geschichte, Geschichte des Mittel-
alters, Allgemeine Verfassungsgeschichte und Politik; dazu
kam noch ein seltenes Publikum iiber die Geschichte der
Deutschen Historiographie. Neben Waitz lehrten, abgesehen
von Havemann, der von den eigentlichen „Waitzianern" nur
selten gehort wurde, Wiistenfeld, Adolf Cohn, Sigurd Abel
und Wilhelm Vischer; an Cohns Uebungen in der Palao-
graphie und Vischers Uebungen auf demGebiet der stadtischen
Verfassungsgeschichte wurde gleichfalls theilgenommen.
Frensdorff lehrte Deutsche Rechtsgeschichte und Sachsen-
spiegel, Zachariae Staats- und Bundesrecht; bei Ribbentropp
und Mommsen wurden Institutionen, Rechtsgeschichte, zu-
weilen auch Pandekten gehort. Die Vorlesungen iiber
Griechische Geschichte und Kunstgeschichte von Ernst
Curtius, iiber Logik und Psychologie von Lotze wurden
ebenfalls besucht. Im Uebrigen gingen die Wege ausein-
ander; die Einen wahlten fur das zweite Pach, in welchem
der Doctorandus sich einer Priifung unterwerfen musste,
Deutsch, die Andern Staatswissenschaften; die letzteren,
welche Helflferich lehrte, wurden bevorzugt, weil Wilhelm
Miiller in seiner Grammatik abschreckend langweilig war.
Einer studentischen Verbindung hat Hildebrand nicht
angehflrt, doch stand er zu der Burschenschaft Neo-Brunsvigia
in naherer Beziehung. Pamilienverkehr hatte er bei zwei
Jugendfreunden seines Vaters, den Professoren Bertheau
und Wappaus. Zu dem Sohne eines dritten Preundes des
Vaters, dem Philologen Alfred von Bamberg, trat er in ein
enges freundschaftliches Verhaltniss. Naher bekannt war
er init dem Germanisten Ernst Wulcker, dem Historiker
Ferdinand Hirsch und durch dessen Vermittelung mit zwei
friih gestorbenen Danzigern, Brandst&dter und Czwalina.
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606
In diesem Kreise lernte ich Hildebrand kennen, als ich
Ostern 1863 nach Gtfttingen kam. Ich sehe ihn vor mir:
eine mittelgrosse kraftige Gestalt, das Plaid urn die Schultern
gehangt, auf dem Kopfe die keck aufgesetzte Filzkappe mit
rund herum aufgekrempteui Rande, das gutmiithige Gesicht
gebraunt und von gesunder Farbe, dicke aufgeworfene
Lippen, gute treublickende Augen. Wie in seinem gajizen
Wesen, liess er auch in der Unterhaltung gern sich gehen;
er sprach schnell und wenn er einem Einzelnen Etwas aus-
einandersetzen wollte, eindringlich ; in der Debatte sprang
ihm leicht ein selten base gemeinter „Schn()dler" iiber die
Lippen; Reden halten vor Mehreren konnte oder mochte er
nicht. Beim Arbeiten war er bedachtsam; die Gedanken
jagten sich ihm nicht, sondern er hielt sie fest, dachte sie
aus, suchte nach einer angemessenen Form, ehe er sie
niederschrieb. Von Hause aus ohne grosses Selbstvertrauen,
hegte er bei unerwarteten Sehwierigkeiten leicht Zweifel
an der Richtigkeit der bisher gewonnenen Ergebnisse; inehr
als Andere fuhlte er sich gehoben oder niedergedruckt djirch
Zustimmung oder Widerspruch derer, auf deren Urtheil
er Werth legte.
Bei der grossen Zahl von Anineldungen zu den Uebungen
sah Waitz sich genothigt, fur das Sommersemester 1863 eine
zweite Abtheilung einzurichten. Theilnehmer an dieser
waren ausser Hildebrand und mir Karl von Richthofen,
Varrentrapp, Clason, die Danziger Brandstadter, Desse,
Fuehs, Mertens, der Luneburger Ubbelohde, ein Braun-
schweiger Namens Gartner. Wir lasen Adam von Bremen,
verglichen ihn mit seinen Quellen, zogen die Urkunden
heran, studirten die einschlagige Litteratur. Im Wiater-
semester wurden die beiden Abtheilungen vereinigt; yon
denen, welche damals oder in den folgenden Semestern an
den Uebungen theilnahmen, sin^ mir gegenw&rtig: die
Hannoveraner Georg Kaufmann und Steinhoflf, der Mecklen-
byrger Keozler, die Westfalen Tourtual, Bi^son, ScheJJfer-
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607
Boichorst, Sauer, die Heidelberger Otto Waltz und Georg
Weber, Hildebrands Landsmann Diederichs, mein Landsmann
Wohlwill, Konrad Trieber aus Ostrowo, der Schweizer Trau-
gott Probst, der Strassburger Reuss, der Oesterreicher
Brunner, der Baier von Sicherer; die beiden letztgenamiten
Rechtshistoriker waren schon prouiovirt, als sie zu uns
kamen. Wir Genossen des ersten Semesters hielten auch
im zweiten zusainmen, insbesondere Hildebrand, von Richt-
hofen, Varrentrapp, Clason und ich; Kenzler, Busson,
Seheffer-Boichorst und Probst traten hinzu. Es war wohl
das Verlangen nach naherem freundschaftlichem Verkehr
auf wissenschaftlicher Grundlage, das uns antrieb, nach den
Uebungen noch unter uns zusammenzubleiben, um bei Muhlen-
pfordt in der Barfiisserstrasse einen Vortrag zu halten oder
anzuhdren und bei einem Glase Bier oder Grog lebhaft zu
debattiren. Im Sommersemester 1864 wurden daraus ge-
meinsame Spaziergange, die sich unmittelbar an die Uebungen
anschlossen und uns, gewdhnlich in angeregter Unterhaltung,
auf den Berggarten, den sogenannten Boons, fuhrten. Die
Vortr&ge schliefen ein, weil albnahlich jeder sein eigenes
Arbeitsfeld gefunden hatte, das ihn voll in Anspruch nahm;
aber das freundschaftliche Zusammenhalten und der wissen-
schaftliche Verkehr wurden fortgesetzt und festigten sich
in engeren Gruppen mehr und inehr. Zum Freitags-Schoppen
kam ein regelmassiger Sonntagnachmittags-Ausflug in die
nahere oder weitere Umgegend, dann und wann auch ein
Extraschoppen, zu dem Einer gerade aufgelegt war und
die Andern rasch zusammentrommelte. Gearbeitet aber
wurde mit wahrem Eifer und gar manchmal widerstand
Einer alien Lockungen, um sich wieder in seine Biicher zu
versenken.
Da Waitz seine Schiiler zu selbatstandigen Arbeitern
erziehen wollte, so beschrankte er sich darauf, uns das
Arbeiten zu lehren und iiberliess es grundsatzlich je^d^m,
das Thema, uber welches er arbeiten wollte, sich selber
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508
zu suchen; erst wenn man sich iiber einen Gegenstand n&her
orientirt hatte und zur Fragestellung gediehen war, ertheilte
er bereitwillig sein Gutachten, stimmte zu, rieth ab, machte
auf die Schwierigkeiten aufmerksam. Natiirlich kam es
dennoch vor, dass der Einzelne aus seinem Thema nichts
Sonderliches machen konnte, regelm£ssig hatte er aber dann
schon unterwegs unter Mithilfe von Waitz eine gliicklicher
gestellte Prage gefunden und ging deshalb frischen Muthes
und schon geubter Kraft an die neue Arbeit. Haufiger
geschah es, dass die Fragestellung sich w£hrend der Arbeit
verschob, dass aus der Darstellung, die man im Sinne gehabt,
sich unter dem Beirath von Waitz eine Untersuchung ge-
staltete. Ob der Gegenstand, den man bearbeitete, allgemei-
neres oder specielleres Interesse hatte, war Waitz gleichgiltig
oder richtiger gesagt, er lehrte uns, dass es in derWissen-
schaft nichts Unwichtiges gebe, dass jede in sich tuchtige Ar-
beit, so speciell auch ihr Gegenstand sein mtfge, auch fur das
Ganze Bedeutung habe. So gab es denn unter uns neben
denen, die sich der „Reichsgeschichte" zuwandten, immer
auch solche, die ihrer heimischen Geschichte pflegten.
Hildebrand wahlte sich zum Gegenstand seiner Erstlings-
arbeit die Persdnlichkeit des Bischofs Albert I., „dessen
Wirksamkeit zu Anfang des 13. Jahrhunderts bedeutungsvoll
in die Geschicke der Ostgestade des baltischen Meeres ein-
gegriflfen, ihnen Bahnen fur die Zukunft vorgezeichnet hat,
welche bis auf den heutigen Tag nicht ganz verlassen sind, a
der „den Grund legte zu dem grossen deutschen Staat, wie
er durch Jahrhunderte bluhend bestanden hat". Beim Ver-
gleich seiner Hauptquelle, der Chronik Heinrichs von Lett-
land, mit den einschlagigen Urkunden erkannte er bald,
dass der Verfasser in Bezug auf die politischen Verhaltnisse
nicht so glaubwurdig und zuverl&ssig sei, wie sonst, theils
unwillkurlich, weil es ihm an „Interesse und VerstSndniss
fur die Acte des Staats- und Verfassungslebens" gebrach,
theils absichtlich und mit Vorbedacht aus Rucksichtnahme
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509
auf seine Auftraggeber, den Bischof und den Orden. Eine
Reihe von Pragen erhoben sich, die Hildebrand seiner
Natur nach eingehend und vollstandig zu beantworten suchte,
ehe er weiter ging. Dadurch wurde es aber unmflglich,
den Rahmen einer Biographie einzuhalten, eine in sich
abgerundete Darstellung zu geben. Auf den Rath von Waitz
hin, der die Trefflichkeit der Arbeit anerkannte und von
den gewonnenen Brgebnissen nichts verloren gehen lassen
wollte, machte Hildebrand bei einer Ueberarbeitung die
Chronik des Lettenpriesters zum eigentlichen Thema, ver-
breitete sich in einem ersten Abschnitt uber den Verfasser
und sein Buch im Allgemeinen und beleuchtete in einem
zweiten seine Zuverlassigkeit und Vollstandigkeit in den
Nachrichten uber die politischen Verhaltnisse. So ist die
Schrift geworden, was sie ist, eine vorzugliche Quellen-
untersuchung iiber die Chronik Heinrichs von Lettland und
die grundlegende Arbeit uber die alteste Geschichte Livlands.
Auf Grund dieser Arbeit 1 ) und eines glanzend bestan-
denen miindlichen Examens zum Doctor der Philosophic
promovirt, ging Hildebrand Ostern 1865 nach Berlin, um
Ranke, Droysen und Jaflfe zu htfren. Er lernte noch den
bald darauf gestorbenen Ernst Strehlke kennen und lieb
gewinnen, wurde bekannt mit Toeche und Wilhelm Arndt,
der sich damals gerade mit den Vorarbeiten fur die Her-
ausgabe der Chronik Heinrichs von Lettland beschaftigte,
verkehrte mit zwei Landsleuten, mit denen er schon in
Gdttingen naher bekannt geworden war, vermisste und ent-
behrte aber doch gar sehr den engen, traulichen Umgang
mit gleichstrebenden Freunden, der uns Gottingen so lieb
gemacht hatte. Er war deshalb hoch erfreut uber einen
Besuch, den ich ihm wahrend der Pfingstferien machte, und
vergalt ihn mir am Schluss des Semesters durch einen lan-
geren Aufenthalt in Hamburg, wo ihm ein Mutterbruder
*) Die Chronik Heinrichs von Lettland. Ein Beitrag zu Livlands
His tori ographie und Geschichte. Berlin, 1865.
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510
lebte. Iin Wintersemester ging ich ebenfalls nach Berlin
und wir verlebten ein paar schOne Monate zusainmen. Mit
von Richthofen horten oder hospitirten wir bei Ranke,
nahuien an dessen historischen Uebungen theil und lernten
bei der vorziiglichen Lehrgabe Jaflfds, der ujis auch im per-
stfnlichen Verkehr mit der liebenswiirdigsten Freundlichkeit
entgegentrat, in die Palaographie eindringen, die uns Wilhelin
Muller und Adolf Cohn doch nur &usserlich bekannt und
wenig anziehend geinacht hatten. Nach Jaflf^s Vorlesung,
die er von 12 — 1 Uhr hielt, speisten wir zusainnien zu Mittag
und auch der Abend bot uns haufig in einer einfachen Re-
staur^ition unter den Linden einen gemeinsamen Schoppen
dar, zu dem auch von Bamberg und Ferdinand Hirsch, die
beide schon als Lehrer angestellt waren, zuweilen sich ein-
stellten. Im December reiste Hildebrand nach Hause, um
seit der Studienzeit zum ersten Mai wieder das Weihnachts-
fest in der Heimat zu feiern, bei der bevorstehenden sil-
bernen Hochzeit seiner Eltern zugegen zu sein un<J sich
sodann auf den Bintritt ins praktische Leben vorzubereite^a.
Da er zunachst an irgend eine Lehrthatigkeit, an der
Universitat oder einem Gymnasium, dachte, so ging er nach
Dorpat, wo er insbesondere von Winkelmann auf das freund-
lichste aufgenommen und im Juni 1867 zum Magister
der Geschichte promovirt wurde und gleichzeitig auch das
Oberlehrer-Examen bestand. Gar bald erkannte er indessen,
dass nicht sowohl das Lehren, als das wissenschaftliche Ar-
beiten sein eigentlicher Beruf sei, und nach einem kurzen
Zwischenspiel, das mir zu einem Zusammentreffen mit ihm
und von Richthofen in Berlin Gelegenheit bot, gelang es
ihm, Dank dem warmen Interesse, das der Akademiker
Kunik an seinen Arbeiten nahm, von der Akademie der
Wissenschaften in Petersburg wissenschaftliche AuftrSge zu
erhalten, die zwar zunachst im Interesse der russischen Ge-
schichte ertheilt waren, ihn aber doch auch mit der Ge-
schichte seines Heimathlandes auf das Innigste vertraut und
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511
selbst mit der hansischen Geschichte, der dann auch ich
mich zu eigen gab, genau bekannt machten. In einem ersten,
„St. Petersburg, im November 1868" datirten „Bericht liber
die in Bigischen Archiven vorn&mlich fur litauische und
westrus8ische Geschichte angestellten Forschungen" *) gab er
Auskunft liber den Erfolg seiner Arbeiten w&hrend der Mo-
nate Juni bis November, die sich insbesondere auf die Er-
forschung der Beziehungen Livlands und der Hanse zu Now-
gorod, Pskow und hauptsachlich zu Polozk richteten, aber
auch der Skra von Nowgorod galten, und sogar eine voll-
standige Abschrift des Rigischen Schuldbuchs mit uinfassten.
Diesem folgte, datirt „St. Petersburg im October 1871",
der „Bericht iiber die im Revalschen Rathsarchiv fur die
russisch-livlandischen Wechselbeziehungen im 15. und 16.
Jahrhundert ausgefuhrten Untersuchungen, insbesondere
uber die hansisch-livlandischen Beziehungen zu Nowgorod,
Untersuchungen, die ihn vom Juli 1870 ab ein voiles Jahr
hindurch in Anspruch nahmen und einen Urkunden- und
Regesten-Vorrath von etwa 880 Nummern ergaben 2 ). Aus
dem reichen in Reval eingeheimsten Material gestaltete er
1871 den hiibschen und lehrreichen Aufsatz „Die hansisch-
livlandische Gesandtschaft des Jahres 1494 nach Moskau
und die Schliessung des deutschen Hofs zu Nowgorod" 3 ),
dem sich 1873 als ebenbiirtiges Seitenstuck der auf Grund-
lage der Rigischen Ausbeute gearbeitete Aufsatz: „Das
Deutsche Kontor zu Polozk" anschloss 4 ). Im Jahre 1872
aber erschien: „Das Rigische Schuldbuch (1286—1352)",
eine Arbeit, in der sich Bildebrand zum ersten Male auch
x ) Melanges Basses tires du bulletin de l'academie imperiale des
sciences de St. Petersbourg. Tome VI, S. 606—633.
2 ) Melanges Busses tires du bulletin de l'academie imperiale des
sciences de St. Petersbourg. Tome IV, S. 716—802.
s ) Baltische Monatsschrift, Bd. 20, S. 115—136.
*) Dasejbst $d. 22, S. 342-381.
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als Herausgeber zeigte und nach allgemeiner Anerkennung
auf das Trefflichste bew&hrte 1 ).
Da gerade danials die Yerhandlungen fiber die Fort-
fuhrung des von P. G. von Bunge herausgegebenen Liv-,
Est- und Kurlandischen Urkundenbuches zu einem gliick-
lichen Abschluss gediehen waren, so sah sich Hildebrand,
an den der Auftrag zu dieser Arbeit erging, vor ein urn-
fassendes und miihseliges, aber auch ehrenvolles und seinen
Neigungen durchaus zusagendes Unternehmen gestellt, das
er iin Juli 1872 mit regem Bifer in Angriff nabm und dem
er bis an das Ende seines Lebens treu und mit warmer
Liebe gedient hat. Ich habe iiber das Hauptwerk Hilde-
brands, das aus diesen Arbeiten hervorging, nach den beiden
ersten, 1881 und 1884 erschienenen Banden seines Urkunden-
buches — der dritte war mir erst nachtraglich zugegangen —
an anderer Stelle berichtet 2 ) und kann mich hier mit einem
Hinweise darauf wohl um so mehr begniigen, als ich bei
den Lesern dieser Blatter Verstandniss und Kunde dessen
voraussetzen darf, was ihr Land nicht nur, was auch die
Geschichtswissenschaft an diesem Werke besitzt.
Kurz erwahnt seien auch die Vorlaufer, die Hildebrand
dem Urkundenbuche voraussandte: im Jahre 1874 erschienen
„Verbesserungen zu K. E. Napierskys Russisch-Livlandischen
Urkunden", Ergebnisse einer in den Archiven Bigas und
Revals vorgenommenen Kollation mit den Original-Doku-
menten, die bei der Benutzung des betreffenden Buches
unentbehrlich sind 8 ), im Jahre 1876 „ Die Arbeiten fur das
liv-, est- und kurlandische Urkundeiibuch im Jahre 1874/75",
ein Bericht iiber die Forschungen des Verfassers in Peters-
burg und Moskau 4 ), und im Jahre 1877 „Die Arbeiten fur
1 ) St. Petersburg, 1872. Vergl. die Anzeige Hdhlbaums in Hans.
Gesch.-Bl. Jahrg. 1874, S. 185-193.
2) Hans. Gesch.-Bl. Jahrg. 1888, S. 183-191.
3) Mittheil. a. d. livl. Gesch. 12, S. 259-294.
4 ) Separat-Abdrnck aus der „Rigaschen Zeitung' 4 . Riga, 1876.
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das liv- ; est- und kurl&ndische Urkundenbuch im Jahre
1875/76", ein Bericht uber dessen Porschungen in Schweden,
besonders Stockholm und Upsala, und in Kopenhagen *),
An Nachtr&gen aus der von seinem Vorg&nger behandelten
Zeit gab Hildebrand heraus: 1876: „Zehn Urkunden zur
alteren livlandischen Geschichte aus Petersburg und Stock-
holm" (1224-1348)*) und 1881: „Ausziige aus einem ver-
lorenen rigischen Missivbuche von 1347 — 1384" aus einem
Sammelbande der Bibliothek der livlandischen Ritterschaft 3 ).
Als Prucht einer letzten Forschungsreise, die ihn nach Rom
fiihrte und ihn dort vom October 1885 bis zum April 1886
festhielt, erschien 1887 eine selbstandige Schrift : „Livonica,
vorn&mlichausdem 13. Jahrhundert, imVaticanischen Archiv;"
sie verzeichnet 204 livlandische Urkunden im papstlichen
Registrum von 1198 — 1304 und fflrdert in einem Anhang
47 Urkunden aus der Zeit von 1217—1304 und acht Ur-
kunden aus der Zeit von 1319 — 1432 zu Tage 4 ). — Zur
Besprechung der Schriften Anderer sah Hildebrand sich
nur ausnahmsweise veranlasst: ich kenne nur seine Anzeige
der Ausgabe der „Libri redituum der Stadt Riga" von
J. 6. L. Napiersky 6 ).
Alte Freundschaft und die Verwandtschaft unserer Ar-
beitsgebiete haben Hildebrand und mich auch in unseren
reiferen Jahren noch mehrfach zusammengefuhrt. Bei seinen.
Reisen nach Schweden und wahrend seines Aufenthalts in
Lubeck kam es wenigstens zukurzen gegenseitigen Besuchen;
1873 in Riga und mehrere Jahre darauf in Wismar arbeiteten
wir wieder, wie in den Jugendjahren in Berlin, in gemein-
samer Wohnung zusammen. Auch auf seiner letzten Reise,
auf der ihn die junge Gemahlin begleitete, suchte er mich
i) Riga, 1877.
2 ) Mittheil. a. d. livl. Gesch. 12, S. 367-380.
») Daselbst, 13, S. 97-108.
4) Riga, 1887.
*) Baltische Monatsschrift Bd. 29, S. 44—52.
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auf in Schwartau bei Lubeck, wo ich damab mit meiner
Schwester die ersten Perien als Rostocker Stadtarchivar
genoss, und wir verlebten einen letzten schdnen Tag in Lii-
beck zusammen. Hildebrand blieb sich immer gleich, war
immer dieselbe gesunde, sanguinische, gutherzige Natur, ge-
wann sich Freunde, wohin er kam, und hielt fest an denen,
die er einmal lieb gewonnen. Prei von aller Selbstuber-
hebung und Eitelkeit, war er im Urtheil uber Andere ge-
recht und milde, niemals schrofif absprechend, wirklichem
Verdienst gegenuber immer bereit zu voller Anerkennung.
Ehre sei seinem Andenken bei den Seinen, in seinem
Heimathlande, in unserer Wissenschaft!
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Berichtigangen
zu dem Aufsatz „Die Correspondenz Konig Gustav Adolfs
mit der Stadt Riga am die Zeit der Belagerung von 1621."
S. 399 Z. 9 v. o. 1. geschwohrne statt gesprochene.
S. 402 Z. 10 v. u. sind nach dem Worte „Nation-Ver-
wandten" folgende Worte einzuschieben: „einen vnablesch-
lichen Makell vnd schandtflecken anzuhangen vnd alle
andere Religion vnd Nation Verwante".
Die iiber dem Texte der Urkunden Nr. 9 u. 13 befind-
lichen Inhaltsanzeigen und dazu gehtirigen Notizen sind
zurechtzustellen wie folgt:
Zu Nr. 9 (S. 405) muss es heissen:
9. Konig Qustav Adolf bewilligt der Stadt Riga einen
Waffenstillstand bis zum 13. September 1621 nachmittags
5 Vhr. Feldlager vor Riga 1621 September 12.
Orig., Folio, ein Bogen, 2 beschriebene Seiten. Auf Seite 4
die Adresse: An Burggraffen, Burgemeistern , Stadtt- vnd
Laudt-Voigteu, Cammerern und Sembtlichen Rahtts-Ver-
wandtten der Stadtt Riga Sambt nnd Sonders. Darnnter die
Notizen: Gelesen 13. Sept. A. 1621, und: Hae literae re
scriptae sunt 12. Augusti (!) ferm6 sub noctem ad literas
nostras hora 7 vespertina ejusdem diej in castra missas.
Zu Nr. 13 (S. 409) muss es heissen:
13. Konig Gustav Adolf bewilligt der Stadt Riga einen
Termin zur Sendung Hirer Abgeordneten ins Lager bis
zum 14. September 1621 urn 12 Uhr. Feldlager vor Riga
1621 September 13.
Gleichzeitige Copie, Manuscr. ad hist. Liv. V.
— °°3>~fc=>**Oo*
Gedruckt auf Verfugen der Gesellschaft fur Geschichte und Alter-
thnmskunde der Ostseeprovinzen Russlands.
L. Napiersky,
President.
Riga, 11. September 1890.
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Date Due
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Library Bureau
Cat. No. 1137
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