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Full text of "Heddesheimer-Don-Der-Erste-Holocaust"

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DER ERSTE HOLOCAUST 

JUDISCHE SPENDENKAMPAGNEN MIT HOLOCAUST-BEHAUPTUNGEN 
IM ERSTEN WELTKRIEG UND DANACH 



Der Erste 
Holocaust 



Judische Spendenkampagnen 

mit Holocaust-Behauptungen 

im Ersten Weltkrieg und danach 

Don Heddesheimer 




Castle Hill Publishers 

PO Box 118, Hastings, TN34 3ZQ, UK 

Juli 2004 



Don Heddesheimer: 

Der Erste Holocaust. Judische Spendenkampagnen mit Holocaust- 

Behauptungen im Ersten Weltkrieg und danach 

Hastings (East Sussex): Castle Hill Publishers, Juli 2004 

ISBN: 1-902619-08-0 

Englische Original- Ausgabe: 
HOLOCAUST Handbooks Series, vol. 6: 
Don Heddesheimer: 

The First Holocaust. Jewish Fund Raising Campaigns with Holo- 
caust Claims During and After World War One. 
Chicago (Illinois): Theses & Dissertations Press, 
Imprint of Castle Hill Publishers, October 2003 
ISBN: 0-9679856-7-6 
ISSN: 1529-7748 

© by Don Heddesheimer 

Distribution Australia/Asia: Peace Books, PO Box 3300, 

Norwood, 5067, Australia 

Distribution Rest of World: Castle Hill Publishers 

UK: PO Box 1 1 8, Hastings TN34 3ZQ 
USA: PO Box 257768, Chicago, IL 60625 

Set in Times New Roman. 

www.vho.org 
www.tadp.org 



Inhaltsverzeichnis 



Seite 

Vorwort 7 

Kapitel 1: Aktivitaten vor dem Ersten Weltkrieg 21 

Kapitel 2: Aktivitaten wahrend des Ersten Weltkrieges 39 

Kapitel 3: Naclikriegskampagnen 59 

Kapitel 4: Die Kampagnen von 1926 71 

Kapitel 5: Auf der Spur des Geldes 81 

Kapitel 6: Die Spur fuhrt weiter 101 

Anhang 117 

Bibliograpliie 168 

Namensverzeiclinis 171 



Vorwort 

Von Germar Rudolf 



Bekanntlich wurden im Zweiten Weltkrieg etwa sechs Millionen 
Juden durch das nationalsozialistische Deutschland getotet - so sagt 
man uns jedenfalls. Dieser Volkermord wird heute allgemein als der 
Holocaust Oder die Shoah bezeichnet. Aber woher konnen wir wis- 
sen, daB sechs Millionen Juden ihr Leben verloren? Und seit wann 
wissen wir das? 

Wahrend die erste Frage wohl durch demographische Forschun- 
gen iiber jiidische Verluste wahrend des Zweiten Weltkrieges beant- 
wortet werden kann, muB die zweite Frage an die Historiker gerichtet 
werden. 

In bezug auf die erste Frage versuchten verschiedene Forscher, 
demographische Untersuchungen tiber die jtidischen Bevolkerungs- 
verluste wahrend des Zweiten Weltkrieges durchzufiihren - mit 
manchmal sich widersprechenden Ergebnissen -, aber erst 1991 er- 
schien in Deutschland eine groBere Monographic, die sich dieser 
wichtigen Frage zuwandte. Sie wurde von anerkannten Fachleuten 
verfaBt und erschien in einem ebenso angesehenen Verlag. 

Es iiberrascht niemanden, daB das Ergebnis dieser umfassenden 
demographischen Studie bestatigte, was jedermann ohnehin schon 
wuBte: 

»In der Gesamtbilanz ergibt das ein Minimum von 5,29 und ein 

Maximum von knapp iiber sechs Millionen [jtidischen Opfem des 

Holocaust] <^c 

Und obwohl die 6-Millionen-Zahl als eine hochst »symbolische 
Zahhi' bezeichnet wurde, hat sie inzwischen einen beinahe sakro- 
sankten Status erreicht. Es ist klar, daB die massive soziale Achtung 
und die Strafverfolgung, die jeder in Deutschland erlebt, der die 6- 



W. Benz (Rg.), Dimension des Vollcermords, Milnchen: Oldenbourg, 1991, S. 17. 
^ So der etablierte deutsche Historiker Martin Broszat vom Miinchner Institut fur 
Zeitgeschichte in einer Aussage als Sachverstandiger vor dem Frankfurter 
Schwurgericht am 3. Mai 1979, Az. Js 12 828/78 919 Ls. 

7 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Millionen-Zahl anzweifelt, leugnet oder zu widerlegen trachtet,^ eine 
unsichtbare Richtschnur fiir diese Studie bildete, obwohl sich der 
Herausgeber des besagten Bandes, Prof. Dr. Wolfgang Benz, beeilte 
hervorzuheben:'* 

»Selbstverstdndlich hatte das Projekt auch nicht den Zweck, ir- 

gendwelche vorgegebenen Zahlen ("Sechs Millionen") zu bewei- 

sen.« 

Aber ist das wirklich selbstverstandlich, wenn man bedenkt, daB 
der Heilige Holocaust ohne jeden Zweifel das groBte Tabu unserer 
Zeit darstellt? 

Ich habe die Benzsche Studie mit einer groBeren revisionistischen 
Analyse der jtidischen Bevolkerungsverluste wahrend des Zweiten 
Weltkrieges verglichen^ und darauf hingewiesen, daB die Arbeit von 
Benz so viele logische, methodische und systematische Mangel auf- 
weist, daB ihre Ergebnisse abzulehnen sind.'' 

Aber wenn es wahr ist, daB wir tiber keine verlaBliche demogra- 
phische Studie verfugen, die zweifelsfrei zeigt, daB sechs Millionen 
Juden wahrend des Zweiten Weltkrieges das Leben verloren, warum 
werden wir dann mit dieser 6-Millionen-Zahl konfrontiert? Wo 
kommt diese Zahl her? Wann wurde diese Zahl zum ersten Mai vor- 
gelegt? 

Der ktirzlich verstorbene Dr. Joachim Hoffmann war der erste eta- 
blierte Historiker, der sich mit dieser Frage befaBte. In seiner Studie 
aus dem Jahr 1995, Stalins Vernichtungskrieg 1941-1945, wies er 
darauf hin, daB der sowjetische Haupt-Greuelpropagandist Ilja Eh- 
renburg die 6-Millionen-Zahl in der sowjetischen Auslandspresse be- 
reits am 4. Januar 1945 veroffentlicht hatte, d.h. ganze vier Monate 
vor Kriegsende.^ Zu jener Zeit konnten Ehrenburg keine demogra- 



Vgl. hierzu meine Studie »Wo liegt Absurdistarm, in: G. Rudolf, Kardinalfragen 

an Deutschlands Politiker, Hastings: Castle Hill Publishers, 2004. 

W. Benz, aaO. (Anm. 1), S. 20. 

Walter N. Sanning, Die Auflosung de osteuropdischen Judentums, Tubingen: 

Grabert Verlag, 1983. 

»Statistisches iiber die Holocaust-Opfer: W. Benz und W.N. Sanning im 

Vergleich«, in Ernst Gauss (=Germar Rudolf, Hg.), Grundlagen zur 

Zeitgeschichte, Tubingen: Grabert Verlag, 1994, S. 141-168. 

Stalins Vernichtungskrieg J 941 -1945, Miinchen: Verlag fur Wehrwissenschaften, 

1995, S. 160f. In einer Neuauflage seines Buches weist er sogar einen noch frii- 

heren Termin nach: 22. Dez. 1944, vgl. ders., ebenda, 5. Aufl., Miinchen: Herbig 

1999,8.391. 



Vorwort, von Germar Rudolf 

phischen Statistiken vorliegen. 1996 betonte der britische Historiker 
David Irving, daB einige Zionistenfiihrer schon im Juni 1945, also 
unmittelbar nach Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen in 
Europa, behaupteten, in der Lage zu sein, die genaue Zahl der jiidi- 
schen Opfer angeben zu konnen - natiirlich 6 Millionen -, obwohl 
das zu jener Zeit in Europa herrschende Chaos jegliche demographi- 
sche Studien unmoglich machte.^ 

Andererseits haben sich revisionistische Forscher lange Zeit uber 
die Herkunft der 6-Millionen-Zahl Gedanken gemacht, wobei die 
bekannteste und griindlichste Untersuchung von Prof. Dr. Arthur 
Butz stammt: sein epochales Werk Der Jahrhundert-Betrug!^ Butz 
fand bei der Analyse einer groBen Anzahl von Artikeln aus der New 
York Times hinsichtlich der Verfolgung der Juden in den von 
Deutschland wahrend des Zweiten Weltkrieges kontroUierten Teilen 
Europas mehrere Artikel, die eindeutig zeigen, daB bereits Ende 
1 942/Anfang 1 943 jtidische Lobby-Gruppen in den Vereinigten Staa- 
ten einen Verlust von fiinf bis sechs Millionen Juden bei Kriegsende 
voraussagten. Ich mochte hier einige dieser Artikel aus dem Buch 
von Butz zitieren: 

NYT, 30. Juni 1942, S. 7: 

»Laut Bericht 1.000.000 Juden durch Nazis abgeschlachtet« 

NYT, 3. September 1942, S. 5: 

»Ein europdischer Beobachter sagte, die Deutschen planten nicht 
nur die Vernichtung aller Juden in Europa, sondern in der ganzen 
Welt. Er sagte, die Nazis hdtten in den vergangenen drei Jahren 
2.000.000 Juden hingerichtet.« 

NYT, 13. Dezember 1942, S. 21: 

»[...] Bestdtigte Berichte weisen auf 2.000.000 Juden hin, die be- 
reits auf alle Art satanischer Barbarei abgeschlachtet wurden, und 
auf Plane fiir die vollstdndige Vernichtung aller Juden, derer die Na- 
zis habhaft werden konnen. Das Abschlachten eines Drittels der fiX- 



David Irving, Niirnberg - die letzte Schlacht, Tubingen: Grabert Verlag, 1996, S. 
86f. 

Richmond: Historical Review Press, 1977 (engl. The Hoax of the Twentieth Cen- 
tury Brighton: Historical Review Press, 1976). Alle nachfolgenden Zitate sind 
neu Ubersetzt. Seitenangaben beziehen sich auf diese dt. Ausgabe. 
Ebenda, S. 93. 
Ebenda, S. 94. 

9 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

dischen Bevolkerung in Hitlers Herrschaftsbereich [3 x 2.000.000 = 
6.000.000] und das angedrohte Abschlachten aller ist ein Holocaust 
ohne Par allele. « 

NYT, 20. Dezember 1942, S. 23: 

»Was geschieht mit den 5.000.000 Juden im von Deutschland be- 
setzten Europa, denen alien die Vemichtung droht [...]. 

Im Dezember 1942 gab das Aufienministerium in Washington ei- 
nige Zahlen bekannt, die zeigen, dafi die Zahl der jildischen Opfer, 
die seit 1939 im von der Achse kontrollierten Europa deportiert 
wurden und verstarben, nun die erschreckende Zahl von 2.000.000 
erreicht hat und dafi 5.000.000 die Gefahr der Vemichtung droht. « 

TVrr, 2. Marzl943, S. 1,4: 

»Sofortiges Handeln durch die Vereinten Nationen, um so viele 
der 5 Millionen Juden wie moglich zu retten, die von der Vemich- 
tung bedroht sind, [...] wurde bei einer Massendemonstration [...] 
in Madison Square Garden letzte Nacht gefordert. 

[...Rabbi Hertz sagte] " erschreckend ist die Tatsache, dafi dieje- 
nigen, die die Vier Freiheiten verkiinden, bisher sehr wenig getan 
haben, um auch nur das Lebensrecht ihrer 6 Millionen jildischen 
Volksgenossen zu sichern, durch die Bereitschaft, diejenigen zu ret- 
ten, die noch der Tortur und dem Abschlachten durch die Nazis ent- 
kommen konnten [...]"« 

NYT, 10. Marz 1943, S. 12: 

»40.000 Menschen horten und sahen [...] letzte Nacht zwei Auf- 
fiihrungen von "We Will Never Die", einem dramatischen Massen- 
gedenken an die 2.000.000 Juden, die in Europa getotet wurden. 
[. . .] Der Sprecher sagte "Wenn der Frieden kommt, wird es in Euro- 
pa keine Juden mehr geben, die reprdsentiert werden konnen. Die 4 
Millionen, die noch nicht getotet sind, werden jetzt planmdfiig um- 
gebracht. "« 



Ebenda, S. 95. 

Ebenda, S. 97f. 

Ebenda, S. 98. Es handelt sich um denselben Rabbi Hertz, der schon 1922 be- 

hauptet hatte, in der Ukraine seien y>l .000.000 Menschen [...] abgeschlachtetv. 

worden, New York Times, 9.1.1922, S. 19; siehe S. 68 und Anhang, S. 148. 

Ebenda, S. 99. 



10 



Vonvort, von Germar Rudolf 

iVrr, 20. April 1943, S. 11: 

»London, 19. April (Reuter) — Zwei Millionen Juden sind ausge- 
loscht warden, seit die Nazis ihren Marsch durch Europa 1939 be- 
gannen, und weiteren fUnf Millionen droht unmittelbar die Gefahr 
der Vernichtung. Diese Zahlen wurden im sechsten Bericht fiber die 
Verhdltnisse in besetzten Gebieten offenbart, der durch das Interalli- 
ierte Informationskomitee herausgebracht wurde.« 
Folglich kommt Butz in seinem Buch zur SchluBfolgerung:"' 

»Ein weiterer Punkt, der hier hervorgehoben werden sollte [...], 
ist, dafi die Zahl 6 Millionen offenbar ihren Ursprung in der Propa- 
ganda der Jahre 1942 und 1943 hatte.« 

Butz zeigt auch, daB die Urheber dieser Artikel jtidische zionisti- 
sche Lobbygruppen waren, wie etwa der World Jewish Congress und 
der American Jewish Congress. Zunachst wurden ihre Behauptungen 
in Washington nicht ernst genommen, bis es Henry Morgenthau vom 
US-Finanzministerium schaffte, den EinfluB des US-AuBenministe- 
riums auf die offizielle US-Politik zuriickzudrangen.'^ 

Aber auch der umfassende Ansatz von Butz ging noch immer 
nicht weit genug. Lassen Sic mich zunachst noch sechs Jahre weiter 
zuriickgehen. Am 25. November 1936 sagte Chaim Weizmann, da- 
mals Prasident der World Zionist Organization, vor der Peel Com- 
mission aus, die als Reaktion auf gewalttatige ZusammenstoBe zwi- 
schen Juden und Arabern in Palastina gebildet worden war und die 
schlieBlich entschied, Palastina in einen jtidischen und einen arabi- 
schen Staat zu teilen. Weizmann sagte in seiner Rede:'* 

»Es ist keine Ubertreibung zu sagen, dafi in diesem Teil der Welt 

sechs Millionen verurteilt sind, eingesperrt zu sein, wo man sie nicht 

wUnscht, undfiir welche die Welt eingeteilt ist in Lander, wo sie nicht 

leben konnen, und Lander, in die sie nicht zugelassen werden. « 

DaB Weizmanns Bezugnahme auf sechs Millionen bedrohte 

und/oder leidende Juden weder cine Ausnahme noch in irgendeiner 

Weise die friiheste Bezugnahme auf diese Zahl darstellt, wird nun 

durch Don Heddesheimer gezeigt. Er hat umfangreiches Material ge- 

sammelt, das zeigt, daB die im Zweiten Weltkrieg von zionistischen 



"^ Ebenda, S. 100. 

Vgl. Butz, ebenda, Kapitel III, ab S. 79 seines Buches. 
'* Walter A. Berendsohn in der Einleitung zu Thomas Mann, Sieben Manifeste zur 

jtidischen Frage, Darmstadt: Jos. Melzer Verlag, 1966, S. 18. Ich danke R.H. 

Countess, der mich hierauf aufmerksam gemacht hat. 

11 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Organisationen in Gang gesetzte Propaganda nicht zum ersten Mai 
auftauchte. Tatsachlich handelt es sich lediglich um eine Wiederho- 
lung - Oder gar Fortsetzung? - von Propaganda, die im Ersten (!) 
Weltkrieg zunehmend verbreitet wurde und ihren ersten Hohepunkt 
nach 1920 erreichte. Schon damals wurde die Zahl von fiinf bis sechs 
Millionen Juden, die durch den Tod bedroht seien, weitlaufig verof- 
fentlicht und als Mittel zum Zweck eingesetzt: namlich fiir die unkri- 
tische Untersttitzung jiidischer und zionistischer politischer Ziele.^' 
Doch damit nicht genug: Heddesheimer fand sogar eine Quelle aus 
dem Jahr 1900, die behauptete, sechs Millionen leidende Juden seien 
ein gutes Argument fiir den Zionismus (vgl. S. 51). 

In dieser Einleitung habe ich mehrere Artikel aus der New York 
Times aus den Jahren 1942 und 1943 zitiert, denn ich mochte gerne, 
daB der Leser nach der Lekttire des Buches zu diesen Seiten zuriick- 
kehrt und diese Artikel noch einmal liest. Er wird dann die Ahnlich- 
keit der Thematik bemerken. Aber er wird auch einen Unterschied 
bemerken: 

Das nationalsozialistische Deutschland, dessen antijtidische Poli- 
tik alle moglichen Anschuldigungen glaubhaft klingen lieB, gab fiir 
die zionistischen Lobbygruppen im Zweiten Weltkrieg ein sehr be- 
quemes Ziel ab. 

Vor, in und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg war die Situa- 
tion jedoch komplexer. Wie Heddesheimer zeigt, war in den Jahren 
vor dem Ersten Weltkrieg das zaristische RuBland wegen seiner Ju- 
denpolitik, die von den meisten Zionisten als antijiidisch eingestuft 
wurde, das Hauptziel polemischer Angriffe. Als die Niederlage des 
zaristischen RuBland nach 1916/1917 offenbar wurde, wechselte die 
zionistische Propaganda ihr Angriffsziel auf Deutschland (vgl. S. 
48f ), dessen AUiierter, das Osmanische Reich (die Tiirkei), geschla- 
gen werden muBte, um Palastina fiir zionistische Plane zu "befreien" 
(und natiirlich, um Milliarden von Dollar zu sichern, die man den 
Englandem und den Franzosen geliehen hatte). Solche propagandi- 
stischen Anklagen gegen Deutschland horten jedoch bei Kriegsende 
auf, well Deutschland in jenen Jahren willens und in der Lage war, 
sich gegen solche Liigen-Propaganda zu wehren. 

Don Heddesheimer veroffentlichte friiher einen kurzeren Artikel uber dieses The- 
ma: »Der Erste Holocaust anno 1914-1927% Vierteljahreshefte fiir freie Ge- 
schichtsforschung 3(2) (1999), S. 153-158; Engl.: »Holocaust Number One - 
Fundraising and Propaganda«, The Barnes Review, 3(2) (1997), S. 19-24. 

12 



Vonvort, von Germar Rudolf 

Nach dem Ersten Weltkrieg, als die zionistischen Palastina- 
Traume zunachst enttauscht wurden aber durch das sowjetische Ex- 
periment in RuBland neue Hoffnung aufgekommen waren, wurde zu- 
nachst kein bestimmtes Land ins Visier genommen, obwohl es ein 
perfektes Ziel gab: Polen. 

Zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg war Polen eine 
Militardiktatur, deren Politik es war, Druck auf alle nicht-polnischen 
Minderheiten auszutiben, die verschiedenen Arten von Verfolgung 
und Diskriminierung ausgesetzt wurden, um sie davon zu "iiberzeu- 
gen", daB sie auswandern sollten (etwa wie es Israel heutzutage in 
Palastina gegeniiber Nichtjuden macht). Die Juden in Polen waren 
von dieser Behandlung nicht ausgenommen. Tatsachlich war der of- 
fizielle und inoffizielle polnische Antijudaismus so massiv, daB viele 
polnische Juden es bis Ende 1938 vorzogen, in Deutschland, also im 
Dritten Reich zu leben, statt in ihrem Heimatland zu bleiben. 

Es gab folglich genug AnlaB, Polen wegen seiner wilden antijtidi- 
schen Haltung massiv anzugreifen, so wie es Griinde gab, Deutsch- 
land anzugreifen, nachdem Adolf Hitler dort an die Macht gekom- 
men war und Schritt fiir Schritt eine Politik durchsetzte, die zuneh- 
mend mit der in Polen vergleichbar war. 

Obwohl gezeigt werden kann, daB die New York Times in vielen 
Artikeln Polen eine antijtidische Verfolgung vorwarf - wahrend diese 
Zeitung im Wesentlichen zu den vergleichbaren Verfolgungen 
schwieg, unter denen die in Polen lebenden Deutschen, Litauer, Rut- 
henen, Ukrainer und Slowaken litten - konzentriert sich Heddeshei- 
mer nicht auf diesen Aspekt, well sein Buch nicht das Leiden und die 
Verfolgung der Juden in Osteuropa zum Thema hat, sondem die Pro- 
paganda und das Geldsammeln in New York. Ich mochte daher die 
Aufmerksamkeit des Lesers auf einige Beispiele aus Artikeln in der 
New York Times lenken, in denen die antijtidische Verfolgung in Po- 
len angesprochen wird. 

Schon 1919 erschien ein Bericht tiber angebliche antijtidische Po- 
grome in Polen in der New York Times, aber mit einem sehr ironi- 
schen Unterton, well man in den Redaktionsstuben offenbar die 
Wahrheit dieser Berichte anzweifelte:^" 

»Es ist darauf hingewiesen warden, dafi einige dieser Berichte 

von deutschen Propagandisten stammen oder von ihnen Ubertriehen 



^Pogroms in Poland«, New York Times, 23. Mai 1919, S. 12. 



13 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

sein konnten mit dem offensichtlichen Ziel, Polen bei den Alliierten 
zu diskreditieren, in der Hoffnung, dafi Deutschland hieraus Gewinn 
ziehe. Deutschland konnte an der Verbreitung dieser Berichte mit- 
gewirkt haben, es konnte sie erfunden haben, obwohl es ein grausa- 
mer Betrug ware, so grofien Menschenmengen um eines solchen Zie- 
les willen ins Herz zu schneiden \_...y< 

Falsche Behauptungen tiber jiidisches Leiden waren in der Tat 
grausam, und es ist sicherlich nett, dies von der urspriinglichen Quel- 
le zu horen. Es ist jedoch beunruhigend, wenn solche Anschuldigun- 
gen gegen die Falschen gerichtet werden, so wie in diesem Fall, wo 
die New York Times offenbar ihre Voreingenommenheit nicht unter- 
driicken konnte, potentiell den "bosen Deutschen" hinter allem zu 
sehen. 

In manchen Artikeln, die wahrend der 20er Jahre die Leiden des 
polnischen Judentums behandelten, wurden diese Harten interessan- 
terweise als Folgen der allgemeinen Wirtschaftsprobleme in Polen 
nach dem Ersten Weltkrieg eingestuft, statt als Folge irgendeiner 
spezifisch anti-jiidischen Politik.^' Andere Beitrage berichteten, ins- 
besondere wahrend der 30er Jahre, als die polnische Politik repressi- 
ver wurde, liber antijiidische Verfolgungen, die einen offentlichen 
Protest von Dr. Joseph Tenenbaum auslosten, dem Vorsitzenden des 
American Jewish Congress?'^ Darin machte er aber auch einige dra- 
matisch iibertriebene Behauptungen tiber das Leiden der Juden.^^ 

»Das jildische Volk in der ganzen Welt geht einem Vernichtungs- 
krieg entgegen, erkldrte Dr. Tenenbaum in einer Ansprache [...]<<• 
Dies geschah etwa ein Jahr, bevor Adolf Hitler zum Kanzler von 
Deutschland gewahlt wurde! 

Obwohl Polen durch seine gegen Minderheiten gerichtete Politik 
im allgemeinen und seine anti-jtidische Politik im besonderen, die 
gleich nach der Staatsgriindung 1918/1919 begann, zu einem perfek- 
ten Ziel fiir Kritik wurde, ist dieser Aspekt der polnischen Geschichte 
heute fast vergessen. 



Z.B., »Jews of Poland Again Face Period of Want«, New York Times Sunday 

Magazine, 28. Mai 1926, S. 8. 

»Tenenbaum quits Polish Group Here. Charges Anti-Semitic Policy Abroad in 

Resigning as Head of Good-Will Committee«, New York Times, 20. November 

1931,8.26. 

»Racial Bias Viewed as Threat to Peace«, New York Times, 22. Februar 1932, S. 

20. 



14 



Vonvort, von Germar Rudolf 

Wie wir heute wissen, erfolgte das groBte Leiden der Menschheit 
zwischen den beiden Weltkriegen in der Sowjetunion, so daB man 
erwarten wiirde, daB die zionistischen Organisationen den Roten Ter- 
ror als einen Hauptgrund fur die behaupteten Leiden der Juden Ost- 
europas anfuliren wiirden. Aber dies geschah erst spater. Der Grund 
hierfur kann aus einem Beispiel abgeleitet werden, das ein bezeich- 
nendes Licht darauf wirft, wie die New York Times die Situation der 
Juden in der Sowjetunion einstufte. Ende 1922 berichtete diese Zei- 
tung, es gabe einige Feindseligkeiten gegen Juden in der Ukraine. 
Diese seien allerdings gewaltsam mit Hilfe einer jtidischen Armee 
von angeblich 500.000 Soldaten beendet worden, also einer Armee, 
wie sie nur mit der Zustimmung der neuen sowjetischen Behorden 
gebildet und unterhalten werden konnte.^"* Mit anderen Worten: An- 
gesichts des Schreckens, den bewaffnete wie unbewaffnete Einheiten 
der sowjetischen Machthaber unter der Zivilbevolkerung der friihen 
Sowjetunion im allgemeinen und in der Ukraine im besonderen ver- 
breiteten, muB angenommen werden, daB diese jtidische Armee ein 
wichtiger Faktor war, der diesen Terror verursachte, anstatt die Be- 
volkerung dagegen zu verteidigen. Und die New York Times stellte 
diesen wichtigen Teil des Roten Terrors als heroische, gerechtfertigte 
jiidische Selbstverteidigung dar. Man kann diese Haltung verstehen, 
wenn man sich vor Augen fiihrt, daB viele zionistischen Juden die 
neue Sowjetunion als ein jtidisch dominiertes und kontroUiertes Ex- 
periment eines jtidisch gefiihrten Landes einstuften, das frei von An- 
tijudaismus war.^^ 

Ein weiterer Punkt der Geschichte geht dem Geld nach, das bei 
diesen Spendenkampagnen eingesammelt wurde. Im fiinften Kapitel 



»South Russian Jews Raise Strong Army«, New York Times, 20. Dezember 1922. 
Es ist moglich, daB diese Behauptung selbst eine tjbertreibung ist, wenngleich es 
durchaus wahrscheinlich ist, daB Juden den Streitkraften der friihen Sowjetunion 
eher beitraten als die Nichtjuden. 

Vgl. dazu Sonja Margolina, Das Ende der Liigen, Berlin: Siedler, 1992; vgl. auch 
die neueren Untersuchungen von Johannes Rogalla von Bieberstein, Jiidischer 
Bolschewismus: Mythos und Realitdt, Dresden: Edition Antaios, 2002; Alexander 
Solschenizyn, Zweihundert Jahre zusammen. Die russisch-jiidische Geschichte 
1795-1916, Munchen: Herbig, 2003; ebenso: Nikita Petrov, »Verdnderungsten- 
denzen im Kaderbestand der Organe der sowjetischen Staatssicherheit in der 
Stalin-Zeitu, Forum fiir osteuropdische Ideen- und Zeitgeschichte, 5(2) (2001); 
zuammenfassend: G. Rudolf, »Juden im NKWD von Stalins Sowjetunion«, Vier- 
teljahreshefte fUr freie Geschichtsforschung 8(2) (2004), S. 233-235. 

15 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

spricht Heddesheimer diese Frage an. Die Literatur, die er zitiert, 
zeigt, daB jtidische Organisationen in der Tat etwas von diesem Geld 
dazu verwendeten, um der jtidischen Bevolkerung in Polen zu helfen. 
Aber sehr unschon ist, daB es auch dazu diente, Mittel zu beschaffen, 
um verschiedene Aktivitaten der jtidisch dominierten kommunisti- 
schen Revolution in RuBland zu fordern oder, mit anderen Worten, 
um bewuBt oder unbewuBt den jiidisch-sowjetischen Holocaust ge- 
gen Christen in RuBland, in der Ukraine und all den anderen Landern 
der Sowjetunion zu bezahlen. 

Im Gegensatz dazu zielte die zweite groBangelegte zionistische 
Spenden- und Untersttitzungskampagne wahrend des Zweiten Welt- 
krieges auf die Schaffung des Staates Israels ab. Diese Propaganda 
hat bis heute nicht aufgehort, und zwar erstens, well Israel standig 
Bedarf fur massive Untersttitzung hat, wohingegen die Sowjetunion 
keine solche Untersttitzung erhielt, nachdem sie unter Stalin weitge- 
hend entjudaisiert worden war. Und zweitens, well Deutschland nach 
dem Krieg vollig zusammenbrach und ihm niemals gestattet wurde, 
sich gegen diese zionistischen Propagandabehauptungen zu wehren. 
Ganz im Gegenteil: Es ist in Deutschland und in vielen anderen eu- 
ropaischen Landern per Gesetz strafbar, diese Behauptungen in 
Zweifel zu ziehen. 

In seinem letzten Kapitel untersucht Heddesheimer kurz, ob die 
Behauptungen iiber auBerordentliche jtidische Leiden, die von zioni- 
stischen Lobbygruppen nach dem Ersten Weltkrieg aufgestellt wur- 
den, auf Fakten beruhen. Litten Juden in Mittel- und Osteuropa mehr 
als die Durchschnittsbevolkerung in diesen Landern, die nach dem 
Ersten Weltkrieg zusammengebrochen waren? Drohte oder erfolgte 
tatsachlich ein Holocaust in den Jahren zwischen 1915 und 1927? 
Unter Heranziehung zeitgenossischer jiidischer Bevolkerungsstatisti- 
ken fiihrt Heddesheimer kurz aus, daB die jtidische Bevolkerung 
wahrend des Ersten Weltkrieges und kurz danach weltweit viel 
schneller wuchs als andere religiose und/oder ethnische Gruppen, die 
in den gleichen Landern lebten. Dies sollte ausreichen, um die oben 
gestellten Fragen zu beantworten. 

Man kann zudem wohl davon ausgehen, daB diese ersten Holo- 
caust-Behauptungen, falls sie denn wahr gewesen waren, unsere Ge- 
schichtsbticher als "der erste Holocaust" beherrschen wiirden. Aber 



16 



Vonvort, von Germar Rudolf 

da dort nichts dariiber zu fmden ist, dlirfen wir zu Recht annehmen, 
daB diese Propaganda unwahr ist. 

Zum AbschluB meines Vorworts mochte ich noch kurz auf die 
Griinde des angeblichen jiidischen Leidens gemaB den beiden Holo- 
caust-Propagandabehauptungen eingehen. Wahrend als Hauptgrund 
ftir den (erfundenen) ersten Holocaust im wesentlichen einfach Ar- 
mut angegeben wird, waren angeblich Massenmord durch Gaskam- 
mern und Hinrichtungen die Mittel wahrend des zweiten, des wirkli- 
chen Holocaust. 

Obwohl Behauptungen iiber Gaskammem nicht Teil des Propa- 
gandaklischees nach dem Ersten Weltkrieg waren, ist hiervon cine 
Ausnahme bekannt, die durch den Londoner Daily Telegraph am 22. 
Marz 1916 auf S. 7 veroffentlicht wurde: 

»GE WAL TTATEN IN SERBIEN 

700.000 Offer 

VON UNSEREM EIGENEN KORRESPONDENTEN 

ROM, Montag, (18.45 Uhr) 
Die Regierungen der Alliierten haben Beweise und Dokumente 
gesichert, die in Kiirze veroffentlicht werden und beweisen, dafi 
Osterreich und Bulgarien schrecklicher Verbrechen in Serbien 
schuldig sind, wo die begangenen Massaker schlimmer waren als 
diejenigen, die die Tiirkei in Armenien begangen hatte. 

[...] Frauen, Kinder und alte Manner wurden durch die Osterrei- 
cher in Kirchen eingeschlossen und entweder mit dem Bajonett er- 
stochen oder durch erstickendes Gas erstickt. In einer Kirche in Bel- 
grad wurden auf diese Weise 3.000 Frauen, Kinder und alte Manner 
erstickt. \_...y< 

Nattirlich behauptet heute kein Historiker, daB die Osterreicher 
oder irgendeiner ihrer Verbiindeten jemals im Ersten Weltkrieg durch 
Giftgas Massenmorde in Serbien vertibt haben. Dies war nichts ande- 
res als Greuelpropaganda, die von der britische Regierung fabriziert 
und durch die Massenmedien eifrig weiterverbreitet wurde. 

Aber vergleichen Sie dies mit einem Artikel, der im gleichen 
Londoner Daily Telegraph am 25. Juni 1942 auf S. 5 erschien, d.h. 
ftinf Tage bevor die in jtidischem Besitz befmdliche und jiidisch be- 
herrschte New York Times zum ersten Mai tiber die angeblichen Mas- 
senmorde an Juden im deutsch beherrschten Europa berichtete: 



17 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

»DEUTSCHE ERMORDEN 700.000 
JUDENINPOLEN 

REISENDE GASKAMMERN 

DAILY TELEGRAPH REPORTER 

»Mehr ah 700. 000 polnische Juden wurden von den Deutschen 

im grofiten Massaker der Weltgeschichte abgeschlachtet. [...]<<" 

Wir wissen freilich alle, daB diese Behauptungen diesmal stimm- 
ten, nicht wahr? Und es ist genauso wahr, daB heutzutage keiner ir- 
gendein Land der Welt ernsthaft beschuldigen wiirde, am Ende des 
20. Jahrhunderts Gaskammern gebaut und Zyklon B gelagert zu ha- 
ben, um damit alle Juden umzubringen, daB die Juden also ein weite- 
res Mai durch einen Holocaust, eine Ausrottung von Millionen be- 
droht seien. Das war doch etwas einzigartig Deutsches und "Nazi"- 
haftes, das nicht wieder vorkommt, nicht wahr? 

Wenn Sie glauben, es sei ganz offensichtlich, daB niemand mehr 
solche ungeheuerlichen Behauptungen aufstellt, so muB ich Ihnen ei- 
ne weitere erstaunliche Lektion erteilen: Lassen Sie mich nur zwei 
Beispiele anfuhren aus einem Krieg, der fast 50 Jahre nach dem Be- 
ginn der zweiten Holocaust-Propaganda stattfand, im Jahre 1991. Es 
handelt sich dabei um Amerikas ersten Krieg gegen den Irak, um die 
irakischen Truppen aus dem Kuwait zu vertreiben. Die in New York 
erscheinende Jewish Press, die sich damals selbst als »die grofite un- 
abhdngige anglo-jiidische Wochenzeitung« bezeichnete, schrieb auf 
ihrer Titelseite am 21. Februar 1991: 
»IRAKIS HABEN GASKAMMERN FUR ALLE JUDEN« 

Oder man nehme die Uberschriften auf der Titelseite der ersten 
Ausgabe des Jahres 1991 (12. Jahrgang) der Zeitschrift Response, ei- 
nem vom jiidischen Simon- Wiesenthal-Zentrum in Los Angeles ver- 
legten Periodikum mit einer verteilten Auflage von 381.065 Exem- 
plaren: 

»DEUTSCHE PRODUZIEREN ZYKLON B IM IRAK 
(Iraks von Deutschen gehaute Gaskammer)« 

Wenn Sie es nicht glauben woUen, so schlagen Sie den Anhang 
auf, S. 166f , wo wir die besagten Dokumente wiedergegeben haben. 

Ich hoffe, daB Sie ein Gefuhl dafiir bekommen, was sich hier ab- 
spieh: 1900, 1916, 1926, 1936, 1942, 1991... 

1991 war freilich wiederum alles erfunden, wie auch die spateren 
Behauptungen vor Amerikas zweitem Krieg gegen den Irak im Jahr 

18 



Vorwort, von Germar Rudolf 

2003, daB der Irak Massenvernichtungswaffen besitze oder bald be- 
sitzen wtirde - wobei diesmal allerdings die "Massenvemichtungs- 
waffe" Gaskammer bzw. Zyklon B nicht erwahnt wurde. Aber wie Is- 
raels bekannte Tageszeitung Ha'aretz stolz verktindete:^'^ 

»Der Krieg im Irak wurde von 25 neokonservativen Intellektuel- 

len ausgeheckt, die meisten davon Juden, die Prdsident Bush drdn- 

gen, den Gang der Geschichte zu dndern.« 

Weil j a, wie wir alle wissen, die Juden in Israel einen praventiven 
Schutz vor einer Ausrottung mit Massenvernichtungswaffen verdie- 
nen - mit oder ohne Gaskammern und Zyklon B, ob diese Bedro- 
hungen nun erfunden sind oder nicht. . . 

Vielleicht sind also doch nicht alle Behauptungen beztiglich der 
Ereignisse zwischen 1941 und 1945 vollstandig wahr? Vielleicht ist 
es doch moglich, daB gewissen Dinge verdreht, verzerrt, iibertrieben, 
erfunden wurden? Vielleicht. . . 

Wenn der geneigte Leser inzwischen die Moglichkeit eines Zwei- 
fels sieht, so kann ich ihn nur dazu einladen, die Argumente derer 
nachzulesen, die tatsachlich meinen, daB viele Dinge in Sachen "Ho- 
locaust" verdreht, verzerrt, iibertrieben, erfunden wurden. Wenn Ih- 
nen Heddesheimers Buch die Augen offnet, wovon ich iiberzeugt 
bin, dann darf ich Sie herzlich dazu einladen, noch weitaus faszinie- 
rendere Enthiillungen zu entdecken, indem Sie sich am Ende dieses 
Buches tiber weitere Bticher hierzu zu informieren. 

Ich glaube, daB Don Heddesheimers Buch einen sehr wichtigen 
Beitrag zu unserem Verstandnis der Urspriinge der heutigen jiidi- 
schen Holocaust-Behauptungen darstellt. Diese Behauptungen sind 
weder primar angelsachsisch noch sowjet-kommunistisch. Die sieg- 
reichen Nationen des Zweiten Weltkrieges ergriffen sicher die Gele- 
genheit, derartige Propaganda auszunutzen und deren AusmaB und 
Auswirkungen zu vergroBern. Aber die urspriinglichen Propaganda- 
behauptungen sind jiidisch-zionistischer Natur und Teil eines Propa- 
gandamusters, das bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zuriick- 
reicht. Und sie haben seit damals aufgrund ihres politischen Erfolges 
und dem Fehlen jedes Widerstandes standig zugenommen. 



Ari Shavit, »White man 's burden«, Ha 'aretz, 1 . April 2003; 
www.haaretzdaily.com/hasen/pages/ShArt.jhtml?itemNo=280279; siehe auch 
Stephen J. Sniegoski, y>Der Krieg gegen den Irak« Vierteljahreshefte fiir freie 
Geschichtsforschung, 7(3&4) (2003), S. 288-304. 

19 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Dieses Buch soUte uns auch an die alte Weisheit erinnem: die 
Wahrheit ist immer das erste Opfer eines jeden Krieges. Es ist tiber- 
raschend, daB so viele Menschen diese Erfahrung zuriickweisen, 
wenn es um den schlimmsten aller Kriege geht, den Zweiten Welt- 
krieg, in dem die Wahrheit so oft vergewaltigt und mit FiiBen getre- 
ten wurde wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte, was sich 
dann nach Kriegsende sogar noch steigerte. Ist es daher nicht auch 
wahrscheinlich, daB wir iiber diesen speziellen Krieg viel mehr ange- 
logen wurden und werden als beztiglich anderer Kriege - des Ersten 
Weltkrieges, des Korea-Krieges, des Vietnam-Krieges und den zwei 
Kriegen gegen den Irak - von denen wir alle wissen, daB gelogen 
wurde? 

»Nichts veranschaulichte den neuen Status der Juden deutlicher 
als die Reaktion des [US-JSewato auf die rumdnischen Pogrome 
1870. Die ersten Nachrichten, welche die USA erreichten, deuteten 
an, dafi "Tausende" bei Aufstdnden Ende Mai getotet warden seien. 
Protestkundgebungen wurden in Indianapolis, Louisville und einem 
halben Dutzend weiterer Stddte abgehalten. Nachdem Simon Wolf 
eine heftige Lobbytdtigkeit entfaltet hatte, wurde die Angelegenheit 
durch Senator Oliver Morton von Indiana der Senatsversammlung 
vorgelegt. 

Morton verlas eine Erkldrung der jiidischen Kundgebung von 
Indianapolis und forderte vom Senatskomitee fur auswdrtige Be- 
ziehungen, etwas zu unternehmen. Der Vorsitzende des Komitees, 
der Republikanerfuhrer von Massachusetts, Charles Sumner, er- 
kldrte der Kammer zuriickhaltend, er "neige zu der Ansicht, dafi 
die Berichte [iiber Massenmorde] zumindest grob Ubertrieben' 
seien. In Erwiderung hierauf versicherte Senator Morton seinen 
KoUegen, seine Feststellung stamme von "Ehrenmdnnern von 
hochster Glaubwiirdigkeit und Stellung, die eine sehr grofie und 
zahlreiche Menschengruppe in Indianapolis and in Indiana ver- 
trdten ". Das war anscheinend ausreichend. Der Senat wies das 
Komitee fiir auswdrtige Beziehungen an, die Sache mit dem Au- 
fienministerium zusammen aufzugreifen. (Wie sich herausstellte, 
hatte Sumner recht gehabt: Die Zahl der Todesopferzahl der Auf- 
stdnde betrug Null.)«^^ 



27 



Jonathan Jeremy Goldberg, Jewish Power, Reading, Massachusetts: Addison- 
Wesley, 1996, S. 98f. 



20 



Kapitel 1: 
Aktivitaten vor dem Ersten Weltkrieg 



Das goldene Zeitalter der Zeitungen kam und verging. Vor dem 
EinfluB des Computers, bevor es Fernsehen und Radio gab, handel- 
ten politische Fiihrer buchstablich aufgrund dessen, was in den Zei- 
tungen geschrieben wurde. Deren Berichte und Stellungnahmen 
wurden viel ernster genommen als heute. Wenn es eine weniger zyni- 
sche und unschuldigere Zeit war, so war es auch eine Zeit einfluBrei- 
cherer Zeitungen. Nur ein Beispiel. Einige Historiker bezichtigen die 
Hearst-Zeitungen, den spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 aus- 
gelost zu haben. Obwohl Zeitungen auch heute noch wichtig sind, 
waren sie im letzten Teil des 19. und wahrend der ersten Halfte des 
20. Jahrhunderts die vorrangigen Meinungsbildner. 

Drei Kommentare der New York Times, die 1880 liber die Deut- 
schen und die Juden veroffentlicht wurden, waren ziemlich voraus- 
schauend und sind ein geeigneter Ausgangspunkt. Ein Kommentar 
von 18801autete:^** 

»Der Krieg, der fur einige Zeit zwischen den Deutschen und den 
Juden in Deutschland gewUtet hat, scheint eher an Intensitdt zu ge- 
winnen, anstatt nachzulassen. Er ist mehr als ein beliebtes Vorurteil, 
er ist eine nationale Leidenschaft, und die fdhigsten, ehrenhaftesten 
und gebildetsten Manner nehmen auf beiden Seiten daran teil. Fiir 
uns hier erscheint es seltsam, dafi so ein Wettkampf zwischen Rassen 
in einem Land stattfinden kann, das von so viel Intelligenz und intel- 
lektuellen Anspriichen gekennzeichnet ist, zudem im Jahr 1880. Das 
Verbrechen der Juden wird offenbar hauptsdchlich in ihrem wirt- 
schaftlichen Wohlstand gesehen. In den Augen des Erfolglosen ist 
keine Siinde so grofi wie der Erfolg. Es wird der Vorwurf erhoben, 
dafi von den 600. 000 Israeliten im Reich kaum welche in der Land- 
wirtschaft oder in handwerklichen Berufen beschdftigt sind, dafi sie 
aber den Handel kontr oilier en, die Geldmdrkte beherrschen und das 
Land mit ihrer Gier und ihrem Zins auffressen. Sie unterscheiden 
sich physisch nicht vom Rest der menschlichen Familie. [...] Wenn 



28 



New Yorii Times, Leitartikel, 27. Februar 1880. 

21 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

die Juden in Deutschland arm wdren, wUrden sie nicht angegriffen 
werden. Aber viele von ihnen sind sehr reich, und das ist ihr Verge- 
hen. « 

Zwei weitere Artikel aus dem Jahre 1880 iiber das gleiche Thema 
werden nachfolgend wiedergegeben:^^ 

»THE [New York] TIMES hat mehr ah einmal aufdie Ungerech- 
tigkeit und Unzweckmdfiigkeit des Vorurteils hingewiesen, das 
Deutschland gegen die Juden hat, und dessen Ausmafi praktisch ei- 
ner Verfolgung gleichkommt. Es gibt nicht viel mehr als 500. 000 Ju- 
den im ganzen Reich, aber viele von ihnen leben in Preufien und ha- 
ben die Animositdt der Masse der Einwohner erregt, nicht nur durch 
ihren Wohlstand, sondern auch durch ihre intellektuelle Macht und 
ihren moralischen Einflufi wie auch durch die herausragenden Stel- 
lungen, die viele von ihnen einnehmen. Die gewohnlichen Leute, die 
in der Kegel nie erfolgreich und daher enttduscht und unzufrieden 
sind, beschweren sich dariiber, dafi sich die Juden dem Militdrdienst 
und den meisten Biirgerpflichten entziehen und dennoch Vorrechte 
und Privilegien im Ubermafi geniefien. Sie bekommen wahrschein- 
lich nichts, was sie nicht verdient haben, und der Aufschrei gegen sie 
ist Teil des unausloschlichen Vorurteils, das die Habenichtse immer 
gegen die Wohlhabenden hegen und hegen werden. In keinem Land 
Europas fordern die Juden die Humanitdt und den kulturellen Fort- 
schritt so aktiv wie in Deutschland. Der grofiere Teil der Professoren 
an den dortigen Universitdten waren und sind immer noch Juden, 
heifit es. Viele der dltesten Autoren, Journalisten, Komponisten, 
KUnstler, Philosophen, Gelehrten, Weisen waren und sind weiterhin 
entweder von dieser begabten, vielfach verfolgten Rasse oder deren 
Nachkommen. NEANDER war jiidischer Herkunft wie auch GANS, 
und das gleiche kann von BERNARY, WEIL, BENFEY, STAHL, 
DERNBERQ VALENTIN, LAZARUS, HERZ und vielen anderen ge- 
sagt werden. Die Juden selbst sind natilrlich iiber den Krieg, der ge- 
gen sie gefiihrt wird, sehr aufgebracht und sagen mit Recht, dafi sie 
so viel wiejeder Christ fUr die geistige, moralische und wirtschaftli- 
che Entwicklung Deutschlands getan haben und dafi die Verfolgung, 
der sie ausgesetzt sind, in beschdmendem Widerspruch zu dem an- 
sonsten toleranten und liber alen Geist der zweiten Hdlfte des 19. 
Jahrhunderts steht. Als Reprdsentanten der Literatur, der Musik und 
des Theaters verweisen sie mit Stolz auf HEINRICH HEINE, BOR- 
NE, ENSE, BERTHOLD AUERBACH, HENRIK HERTZ, JULES 



29 

22 



Ebenda, 9. Dezember li 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

JANIN, MENDELSSOHN, HALEVY, MEYER-BEER, MOSCHELES, 
JOACHIM, ERNST, RUBINSTEIN, GRISI, GIUGLIM, CZILLAC, 
RACHEL, ROTT, DESSOIR. Wenn die deutschen Juden lediglich 
Geld angehduft hdtten und die Grofikapitalisten und Bankiers ge- 
worden wdren, die sie sind, ware der gegenwdrtige Kreuzzug gegen 
sie weniger verwunderlich, als wenn man sich vor Augen fuhrt, wie 
herausragend sie in alien Bereichen des Denkens und Lernens ge- 
worden sind. LEOPOLD ZUNZ sprach die Wahrheit, als er sagte: 
Wenn es im Leid Abstufungen gibt, hat Israel die hochste Stufe er- 
reicht. Wenn die lange Dauer der Leiden adelt und die Geduld, mit 
der sie ertragen werden, dann schlagen die Juden die Hochgebore- 
nen aller Lander. Wenn eine Liter atur als reich eingestuft wird, die 
einige klassische Dramen aufweist, welcher Platz gebiihrt dann ei- 
ner Tragodie, die 1.500 Jahre wdhrt und die durch die Helden selbst 
verfafit und dargestellt wird?« 
Und 10 Tage zuvor:^" 

»Die Verfolgung der Juden in Preufien, angefiihrt durch den 
Geistlichen STOECKER und Prof. TREITSCHKE, weist die neue Si- 
tuation auf, dafi die Juden in keiner Weise der christlichen Lehre zu- 
geneigt sind, die andere Wange darzubieten, um geschlagen zu wer- 
den, nachdem sie auf die eine Wange geschlagen wurden. Wenn dem 
Korrespondenten der London Times Glauben geschenkt werden darf 
hat vor kurzem ein jiidischer Freiwilliger seinen Leutnant wegen ei- 
ner Beleidigung erschossen und ein jiidischer Reisender hat in einem 
offentlichen Transportmittel einen Lehrer eines Gymnasiums mit dem 
Stock geschlagen. Ein jiidischer Student hat in Gottingen einen 
christlichen Kommilitonen in einem Duell getotet und ein jiidischer 
Handler hat einem christlichen Handler auf offenem Markt eine 
Ohrfeige gegeben. Die London Times macht klar, dafi all diesen un- 
seligen Vorfdllen ein 'Gewaltakt seitens des christlichen Gegners 
vorausging'. Dies zeigt nur, dafi im deutschen Juden mehr Kampf- 
geist steckt, als man erwartet, und wir nehmen an, dafi seine Glau- 
bensgenossen auf dieser Seite des Atlantiks eher darilber erfreut 
sind, dafi er seinen Kampfgeist zeigt. Was die personliche Courage 
anbelangt, ist es sehr dumm, von den Vorfahren her zu schliefien, 
dafi die Juden nicht ebenso mutig wiejede andere Rasse seien. Wdh- 
rend unseres eigenen Biirgerkriegs gab es sehr viele bewaffnete Ju- 
den auf beiden Seiten, und mehr als einmal hat man ihre Tapferkeit 
kommentiert. Bei einigen der letzten Indianergefechte wurden die 



30 



Ebenda, 29. November 1880, S. 4. 

23 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Verdienste eines Juden, der ein Freiwilliger war, von dessen vorge- 
setzten Offizier wegen des Mutes und der Tapferkeit besonders her- 
vorgehoben. Gelegentlich gab es in unserer reguldren Truppe Juden, 
die in allergrofitem Mafie Feuerfresser waren. Capt. LEVY von der 
US-Marine war von dieser Art. Er war so sehr darauf erpicht, einen 
Mitmenschen auf dem Feld der Ehre zurilckzulassen, dafi er nie 
glilcklicher war, als wenn er ein Duell mit Pistolen auf 10 Schritte 
hatte. In der englischen Marine wurde von judischen Offizieren 
manche sehr mutige und kaltblutige Tat vollbracht. Wenn man frei- 
lich auf brutale und niedrigste tierische Instinkte blickt, zeigen die 
Annalen des Preisrings viele fdhige jiidische Boxer, die vor 40 Jah- 
renjedermanns Kopf schlugen oder jede Menge von Schldgen selbst 
einsteckten und damit gleichrangig mit den berilhmtesten christli- 
chen Boxern des alten Korinth einzustufen sind. Es ist also ein ziem- 
licher Fehler anzunehmen, ein Jude wilrde nicht kdmpfen. Er wird 
nicht die Faust oder einen Stock benutzen, es sei denn, er wird einer 
eindeutigen Aggression ausgesetzt, aber wenn er sich im Recht 
wdhnt, ist er ebenso heifiblutig wie eine Person anderer Rasse. Wenn 
daher der Jude in Preufien zu einem Soldaten gemacht warden ist 
und den Angriffen der franzosischen Kavallerie widerstanden hat 
oder mit Berbern das Bajonett kreuzte, dann hat er einiges Vertrauen 
in seine eigene physische Kraft erworben und ist vor allem einige 
Selbstachtung im Hinblick auf seine Ehre gelehrt warden. Natiirlich 
werden Faustkdmpfe die Angelegenheit nicht regeln, aber ein gele- 
gentliches Scharmiitzel im guten englischen Stil und eine Demon- 
stration personlichen Mutes seitens der Juden in Deutschland kann 
ihnen nicht schaden.« 

Die wohl erstaunlichste Konstante in den Artikeln des 19. Jahr- 
hunderts ist nach meiner Erkenntnis die, daB sie alle von dem selben 
Standpunkt aus geschrieben wurden, der heute in den Zeitungen ab- 
gedruckt wird. Hier ein weiterer Artikel aus den Jahren nach 1880, in 
dem ein Vertreter des American Hebrew interview! wird und der ei- 
nen weiteren Einblick in die Situation der Juden im kaiserlichen 
Deutschland gewahrt:^' 

»Die Juden gehoren zuvarderst zu den besten Burgern Deutsch- 
lands. Sie machen nicht nur grofie Fortschritte im Bereich der gei- 
stigen Tdtigkeiten, sandern sie steigen mehr und mehr von was man 
als niedrige Stufen der Industrie und des Handels bezeichnen kann 
auf hohere und beachtenswertere Stufen auf. Sie dringen in grofier 



31 

24 



»Herr Lasker on German Jews«, New York Times, 26. August 1883. 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

Zahl in die juristischen Berufe, sie sind sogar Uberproportional bei 
den Gerichten vertreten. Bei ihren juristischen Kollegen sind sie we- 
gen ihrer Fdhigkeiten und Ehrbarkeit hoch geachtet. Sie stofien auf 
kein Hindernis, wenn sie sich bemiihen, in die hochsten Positionen 
zu gelangen, die ihr Berufbietet, es sei denn, dafi die Regierung vor- 
sichtig ist, nicht zu viele jUdische Richter in einem bestimmten Bezirk 
zu berufen, um Vorurteilen und Mifistimmungen vorzubeugen, die 
durch Neid geweckt werden konnten. In gleicher Weise macht sich 
ihr Einflufi im medizinischen Bereich bemerkbar, und auf dem Gebiet 
der Wissenschaft ist ihre Position auffallend. An den Universitdten 
haben sie herausragende Stellungen inne und besetzen eine grofie 
Anzahl von Lehrstilhlen. An den Universitdten gibt es viele Animosi- 
tdten gegen die Juden. Obwohl zweifelsohne viele Juden in der deut- 
schen Presse beschdftigt sind und dort bedeutende Stellungen in den 
Redaktionen fUhrender Zeitungen einnehmen, so ist doch ihre Zahl 
und ihr Einflufi stark Ubertrieben worden. Sie beherrschen die Pres- 
se sicher nicht so sehr wie in Osterreich.« 

1887 berichtete die New York Times, daB Londoner Juden im 
Schnitt mindestens 82 Pfund pro Person verdienten, wohingegen der 
Durchschnitt bei den Nichtjuden 35 Pfund betrug, d.h., daB die Juden 
zweieinhalb Mai reicher waren als die einheimische Bevolkerung. 
Die Zeitung schatzte auch, daB es ftir jtidische Manner in London ei- 
ne zwanzigfach hohere Wahrscheinlichkeit gab, mehr als 10.000 
Pfund jahrlich zu verdienen, sowie eine siebzigfach hohere Wahr- 
scheinlichkeit, mehr als 1.000 Pfund jahrlich zu verdienen, und eine 
sechsfach hohere Wahrscheinlichkeit, mehr als 500 Pfund jahrlich zu 
verdienen als die allgemeine Bevolkerung im Englischen Konig- 
reich.^^ 

Es gab damals bemerkenswerte Extreme an Armut und Reichtum 
unter den Juden in London. Die Juden kiimmerten sich um ihre eige- 
nen Armen, und es gab keine Juden, die in bezug auf ihren Unterhalt 
von staatlicher Hilfe oder nichtjtidischen karitativen Einrichtungen 
abhingen. Aber tatsachlich erhielt jeder dritte Jude in London Armen- 
ftirsorge, jeder zweite Jude gehorte zur Klasse der Armen und jede 
zweite jiidische Beerdigung war nach Angaben des Berichts des Je- 
wish Board of Guardians von 1886 die eines Armen." 



»Jews and Gentiles in London«, New York Times, 20. Juni 1887 
»Jewish Poverty and Wealtha, New York Times, 30. Mai 1887. 



25 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Armenfursorge hat in der jiidischen Gesellschaft eine lange Tradi- 
tion. Viele glauben, daB die groBen Propheten des Alten Testaments 
den direkten Zusammenhang zwischen wirtschaftlicher Unterdriik- 
kung und Mangel klarstellten. Nach ihrer Vorstellung war Armut 
grundsatzlich eine Folge sozialer und wirtschaftlicher Ausbeutung. 
Die Ursache des Mangels fiihrten sic auf den ungerechten Vorteil zu- 
riick, den sich der Starke gegentiber dem Schwachen verschafft. Of- 
fentliche Ftirsorge entstand im Bereich der Synagogen. Zu frtiheren 
Zeiten gab es im Tempel selbst einen Raum, wo der Glaubige unbe- 
obachtet fiir die jeweiligen Armen spendete. In alten Zeiten wurden 
Synagogen sogar als Orte des Obdachs und der Versorgung von Rei- 
senden genutzt.^"^ Etwas politischer formuliert sagte Theodor Herzl, 
der Vater des Zionismus:^^ 



Ephraim Frisch, An Historical Survey of Jewish Philanthropy, New York: Mac- 
millan and Company, 1924. Ab Seite 62 fiihrt das Buch die »Acht Stufen der Ar- 
menfiirsorgey) von Maimonides auf, »Portions of the Poor«, Kapitel 10, Absatz 
7-14, von der hSchsten zur niedrigsten: 

1 . Den hSchsten Grad der Wohltatigkeit erreicht jemand, der sich um einen Is- 
raeliten kiimmert, der verarmte, und ihm eine Spende oder einen Kredit gibt 
oder mit ihm eine Partnerschaft eingeht oder Arbeit fiir ihn fmdet, so daB er 
nicht um Hilfe bitten muB. 

2. Der zweithSchste Grad von Wohltatigkeitspenden bestand darin, dem Armen 
Fursorge zukommen zu lassen, ohne daB dieser wuBte, von wem er sie er- 
hielt, wie etwa die Spende an einen offentlichen Armenfonds, der von einer 
vertrauenswurdigen weisen Person verwaltet wird, die weiB, wie ordnungs- 
gemaB vorgegangen werden muB. 

3. Weiter in absteigender Reihenfolge vom hochstem zum geringsten Ver- 
dienst. Dem Armen Wohltatigkeit gewahren, wo man den Empfanger kennt, 
aber er kennt den Geber nicht, wie etwa erlesene weise Manner, die heim- 
lich Geld an der Ttir des Armen hinterlassen. 

4. Spenden, wenn der Arme weiB, wer der Spender ist, aber der Spender weiB 
nicht, wer sein Geld erhielt. 

5. Geben, ohne darum gebeten worden zu sein. 

6. Geben, nachdem man darum gebeten wurde. 

7. Weniger geben als sich geziemt, aber in einer angenehmen Art. 

8. Die am wenigsten verdienstvolle Wohltatigkeit liegt vor, wenn man wider- 
strebend gibt. 

Wenn man diese Liste durchliest, kann man sich ausmalen, wie ein solches Glau- 
benssystem fiir Spendensammler niltzlich sein konnte, die fuhrende Positionen in 
der jiidischen Gemeinde inne batten. 

Theodor Herzl, The Tragedy of Jewish Immigration, New York: Zionist Organi- 
zation of America, 1920, S. 9. 



26 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

»In alten Zeiten hatte man die judische Armenfilrsorge an ver- 

schiedenen Orten eingerichtet, im wesentlichen um die Bediirfnisse 

derjenigen zu befriedigen, die von anderen Orten anreisten und 

durch Verfolgung vermogenslos geworden waren. Zu einem grofien 

Teil bestand das Motiv in der Ungewifiheit, dafi der Fiirsorgegeber 

von heute bald der Bettler von morgen werden kdnnte.« 

Es gab eine Zusammengehorigkeit aufgrund von Ungltick, wenn 

nicht gegenwartig, dann moglicherweise in der Zukunft. Im Jahr 

nach Inkrafttreten der Sozialgesetzgebung von 1880 behielten die 

deutschen Juden Tausende ihrer eigenen Wohltatigkeitsorganisatio- 

nen bei.^* 

Die Alliance Israelite Universelle wurde in Paris, Frankreich, ge- 
griindet. 1871 wurde die Anglo-Jewish Association of London ge- 
griindet, die mit dem Board of Deputies of British Jews kooperierte 
und hauptsachlich in dem Gebiet arbeitete, das heute als Naher Osten 
bezeichnet wird. Die Israelitische AUianz zu Wien mit Sitz in Wien 
wirkte hauptsachlich in der osterreichischen Provinz Galizien, das 
heute ein Teil der Ukraine ist. Der Hilfsverein der deutschen Juden in 
Berlin wurde 1901 gegriindet und befaBte sich hauptsachlich mit 
Problemen der Migranten, die sich auf der Durchreise durch 
Deutschland befanden. 1891 griindete Baron de Hirsch die Jewish 
Colonization Association, die schlieBlich 40 Millionen Dollar seines 
Geldes erhielt, um Juden in Osteuropa zu helfen und sic dazu zu er- 
muntem, Osteuropa zu verlassen und nach Amerika zu emigrieren.^^ 
Im 19. Jahrhundert gewahrten europaische philantropische Organisa- 
tionen wie der Baron de Hirsch Fund und die Alliance Israelite Hilfe 
fiir judische Einwanderer in die USA. New York City soil angeblich 
mehr arme Juden gehabt haben als jede andere Stadt in Europa. 

Die meisten der friihen jtidischen Amerika-Einwanderer waren 
deutscher Herkunft. Wahrend sich viele als Geschaftsleute und 
Handler hervortaten, gab es auch einige politische Fiihrer. Der erste 
jiidische Gouvemeur war vermutlich Michael Hahn von Louisiana, 
der im Februar 1864 gewahlt wurde und 1865 sein Amt niederlegte, 
um US-Senator zu werden. Edward S. Solomon wurde von President 
Grant zum Gouvemeur des Gebietes Washington ernannt (1870 - 



Ron Chernow, The Warburgs - The Twentieth Century Odyssey of a Remarkable 
Jewish Family, New York: Random House, 1993, S. 43. 
Oscar Handlin, A Continuing Task. The American Joint Jewish Distribution 
Committee 1914-1964, New York: Random House, 1964. 

27 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

1874). Andere friihe jtidische Gouverneure waren Franklin J. Moses 
von South Carolina, der in der Zeit nach dem Btirgerkrieg zwischen 
1873 und 1875 wirkte, Alexander Moses von Idaho (1915-1919) und 
Simon Bamberger von Utah (1917-1921). 1931 wurde Julius Meier 
zum Gouvemeur von Oregon und Arthur Seligman zum Gouvemeur 
von New Mexico gewahlt. 

Die Grtindung des Bankhauses Kuhn & Loeb veranschaulicht vie- 
le Falle von wirtschaftlichem Aufstieg. Abraham Kuhn und Solomon 
Loeb waren Schwager, deutsch-jiidische Herrenausstatter, die mit 
dem Verkauf von Uniformen und Decken an den Norden wahrend 
des amerikanischen Btirgerkriegs ein Vermogen erworben hatten und 
dann nach New York zogen, wo sie 1867 das Bankhaus Kuhn & Lo- 
eb griindeten.^^ Bald wurde Kuhn & Loeb de facto von Jakob Schiff 
gefuhrt, einem gebiirtigen Frankfurter, der in die Familie hineinge- 
heiratet hatte, indem er Salomon Loebs Tochter Theresa ehelichte. 
Schiffs Vorfahrens waren mit den Rothschilds verbunden^^ und 
Schiff hatte vorher in Bankhausem in Frankfurt, New York und bei 
der Warburg Bank in Hamburg"^" gearbeitet, bevor er ein Angebot 
von Solomon Loeb annahm, in die Vereinigten Staaten zuriickzukeh- 
ren, um Partner bei Kuhn & Loeb in New York zu werden. Schiff 
konzentrierte sich auf das, was damals der lukrativste Teil der Wall 
Street war: Die Finanzierung von Eisenbahnen. 

Schiffs Tochter heiratete im Alter von 19 Jahren Felix Warburg 
aus der Hamburger Bankiersfamilie, wo Schiff vorher gearbeitet hat- 
te. Paul Warburg, einer von Felix' alteren Briidem, heiratete Solomon 
Loebs jtingste Tochter aus dessen zweiter Ehe, zwanzig Jahre nach- 
dem Loebs Tochter aus erster Ehe Schiff geheiratet hatte."*' Jacob 
Schiff war somit nicht nur Felix Warburgs Schwiegervater, sondern 
auch Paul Warburgs Schwager, weil Pauls Frau Jacob Schiffs Halb- 
schwester war."*' 

Paul wie auch Felix Warburg waren zu verschiedenen Zeiten so- 
wohl im Bankhaus Kuhn & Loeb in New York als auch im Hambur- 
ger Bankhaus M. M. Warburg Partner, wobei letzteres durch einen al- 



R. Chernow, aaO. (Anm. 36), S. 48. 

Ebenda, S. 46. 

Naomi W. Cohen, Jacob H. Schijf, A Study in American Jewish Leadership, 

Hanover, NH: Brandeis University Press, University Press of New England, 

1999. 

R. Chernow, aaO. (Anm. 36), S. 46-56. 



28 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

teren Bruder, Max Warburg, geleitet wurde. Paul Warburg arbeitete 
aktiv in beiden Banken, indem er etwa sechs Monate im Jahr in 
Hamburg verbrachte und den Rest des Jahres in New York, bevor er 
sich in New York niederlieB und schlieBlich im Jahr 1911 US-Biirger 
wurde. Zur Verwunderung Vieler wurde Paul Warburg, der nie an ei- 
ner amerikanischen Prasidentschaftswahl teilgenommen hatte, 1914 
von Prasident Woodrow Wilson zur US-Notenbank berufen, dem Fe- 
deral Reserve Board. 

1 903 war Jacob Schiff zu einer wichtigen Ftihrungspersonlichkeit 
in der New Yorker Gemeinde geworden. Damals gab es angeblich in 
RuBland ein Pogrom, das die halboffizielle Billigung der zaristischen 
Regierung hatte. Dies fiihrte zu vielen offentlichen Veranstaltungen 
in Stadten iiberall in den Vereinigten Staaten. Tausende von Men- 
schen unterzeichneten eine Protestnote, die Prasident Theodore Roo- 
sevelt der russischen Regierung iibermittelte. Amerikanische Juden 
sammelten auBerdem 100.000 Dollar fur die Opfer. Dies fuhrte zu 
einem RiickfluB von Fiirsorgegeldern aus Amerika nach Europa. Im 
Herbst 1905 kam es in RuBland zu allgemeinen Unruhen und zu Be- 
richten iiber deren Niederschlagungen, was eine direkte Folge der 
Notlage aufgrund des Russisch-Japanischen Krieges sowie der Iden- 
tifizierung einiger russischer Juden mit radikalen und reformistischen 
Ansichten war. Abermals wurden in den USA Protest-Demonstra- 
tionen durchgefiihrt, und diesmal sammelten amerikanische Juden 
1.2 Millionen Dollar von Tausenden von Spendern. Jacob Schiff, An- 
fiihrer der jtidischen Gemeinde in New York, die gegeniiber dem rus- 
sischen Zar aufgebracht war, setzte seine fmanzielle Macht schamlos 
und unverhohlen gegen den Zaren ein. Schiff versuchte, RuBland da- 
durch zu bestrafen, daB er den amerikanischen Geldmarkt fur die rus- 
sische Regierung abriegelte. 

Ging es den Juden in RuBland besser oder schlechter als dem 
durchschnittlichen Russe, der in diesem armen Land lebte? Unter 
dem Zaren wurden die Juden auf 1 0% der Platze in den offentlichen 
Grund- und Hauptschulen beschrankt, aber ihr Anteil an der Bevol- 
kerung betrug nur 2%. Eine andere Statistik, die aus der russischen 
Volkszahlung von 1897 stammt, besagt, daB 21,1% der allgemeinen 
russischen Bevolkerung lesen konnten, wohingegen amtliche Regie- 
rungsstatistiken der Vereinigten Staaten aus jener Zeit angaben, daB 
russisch-jiidische Immigranten zu 74% lesen und schreiben konnten. 

29 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Schiff drangte damals Prasident Teddy Roosevelt, gegen RuBland 
einen Pazifizierungs-Angriff nach dem Modell der amerikanischen 
Invasion 1898 in Kuba durchzufuhren.'*^ Schiff finanzierte Japan bei 
dessen Krieg 1904-1905 gegen RuBland."*^ Einige der spateren Dar- 
lehen von Schiffs Kuhn & Loeb an Japan waren teilweise durch die 
Hamburger Warburg-Bank gezeichnet.''^ 

Um den Zaren zu schwachen, unterschrieb Schiff das Multimil- 
lionen-DoUar-Darlehen an die japanische Regierung wahrend des 
russisch-japanischen Krieges und zahlte fur die Verteilung umstiirzle- 
rischer Literatur an russische Kriegsgefangene der Japaner. Viele 
Jahre spater, im April 1917, erinnerte sich George Kennan, Autor von 
Siberia and the Exile System und ein Fiihrer der Friends of Russian 
Freedom, an Schiffs Bemtihungen und riihmte sie:'*'' 

»Sie waren reich an guten Ergebnissen, weil die Duma aufgrund 
der Unterstiltzung der Armee in die Lage versetzt wurde, die Regie- 
rung des Zaren zu stUrzen, und Du halfst dabei, die Armee aufzukld- 
ren. « 

Prasident Theodore Roosevelt war der Ansicht, er konne die Ver- 
haltnisse in RuBland nicht andern und wollte sich und die US- 
Regierung nicht durch nutzlose Versuche einer Intervention in cine 
peinliche Lage bringen. Die jiidische Fiihrung war nicht damit zu- 
frieden, daB die US-Regierung nicht reagierte. Schiff wollte, daB die 
USA Kanonenboote oder gewohnliche Dampfschiffe nach RuBland 
schickten, um die Fltichtlinge aufzunehmen. Prasident Roosevelt war 
»uber den stdndigen Druck pikiert, den die Juden auf ihn und das 
State Department ausubten.« 

Das American Jewish Committee wurde 1906 wahrend dieser Ent- 
wicklungen gegriindet. Schiff berichtete der konstituierenden Ver- 
sammlung, daB er und seine Freunde ein Komitee benotigten, das 
machtig aber diskret agierte, da er fiirchtete, dem um 1890 herr- 
schenden Verdacht Nahrung zu geben, die Juden kontroUierten un- 
sichtbare Finanzimperien und lenkten insgeheim die Regierungen 
vieler Lander. Die Lobby-Techniken des American Jewish Commit- 
tee beinhalteten »reichliche Geldspenden, ojfentliche Vortragsreihen, 



42 
43 



44 



Ebenda, S. 100. 

Judith S. Goldstein, The Politics of Ethnic Pressure, New York and London: Gar- 
land Publishing, 1990. 

George Kennan, Siberia and the exile system. New York: Russell & Russell, 
1970. 



30 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

ausgedehnte Verbreitung von Propaganda, sowie die Umwerbung 
von Politikern, indem man Demokraten gegen Republikaner aus- 
spielt.« Im Mittelpunkt dieser fiir das Komitee typischen Strategie 
des Druckes hinter den Kulissen und der Hinterttir-Diplomatie stehen 
die politischen und sozialen Kontakte seiner Fiihrer zu hochrangigen 
Beamten und auslandischen Wiirdentragern."^^ Adolf Ochs, damals 
Herausgeber der New York Times, war Mitglied des American Jewish 
Committeef"^ Die Autorin Judith Goldstein beschreibt das friihe Ame- 
rican Jewish Committee in ihrem Buch als eine Oligarchie, stabil, 
zusammenhaltend und extrem gut mit Geldmitteln versehen. 1917 
waren 10 der 15 Manner des Exekutivkomitees die urspriinglichen 
Mitglieder aus dem Jahr 1906, wahrend sich die generelle Mitglie- 
derzahl im ganzen Land von 57 auf 105 erhoht hatte. 

Die 1906 verabschiedete Verfassung des American Jewish Com- 
mittee stellte fest: 

»Das Ziel dieses Komi tees besteht darin, Eingriffe in die biirger- 
lichen und religiosen Rechte der Juden zu verhindern und die Folgen 
von Verfolgung zu lindern. Falls die Verweigerung oder Verletzung 
solcher Rechte droht oder tatsdchlich erfolgt oder wenn irgendwo 
unglilckliche Verhdltnisse bestehen, die es erfordern, dafi den Juden 
eine Entlastung verschafft wird, kann mit denjenigen, die mit der Si- 
tuation vertraut sind, Korrespondenz aufgenommen werden, und 
wenn die Personen vor Ort sich in der Lage sehen, mit der Situation 
fertig zu werden, mufi keine Mafinahme ergriffen werden. Wenn sie 
aber um Hilfe ersuchen, sollen Schritte ergriffen werden, um sie zu 
gewdhren.« 

Seine erste markante Aktion in der offentlichen Arena war ein 
Kampf um die Aufhebung des russisch-amerikanischen Vertrags von 
1832. Aufhebung bedeutet amtliche Ktindigung, Rticknahme oder 
AnnuUierung. Das American Jewish Committee drangte auf die Auf- 
hebung des Vertrags von 1832, um RuBland dazu zu zwingen, die 
Freiztigigkeit der Juden innerhalb RuBlands und nach Amerika zu er- 
lauben. Die Geschichte des ersten Kampfes des American Jewish 
Committee um die Gesetzgebung gibt wichtige Hintergrundinforma- 
tionen, well sie die beeindruckende Macht dieser Lobby-Gruppen 
schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeigt, sowie die Tatsache, daB 



Gregg Ivers, To Build A Wall. The American Jews and the Separation of Church 
and State, Charlottesville: University Press of Virginia, 1995, S. 36. 



""^ Ebenda, S. 41. 



31 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

die heute immer noch benutzten Methoden zur Beeinflussung der of- 
fentliche Meinung schon seit langem bestehen. The Politics of Ethnic 
Pressure von Judith S. Goldstein ist ein ausgezeichnetes, sorgfaltig 
recherchiertes Buch, das diese Periode im Detail behandelt, und der 
Verfasser sttitzt sich auf ihre SchluBfolgerungen im Hinblick auf 
Schiffs Verhalten im Konflikt mit der US-Regierung wegen deren 
Behandlung der vermuteten Verfolgungen von Schiffs Glaubensge- 
nossen in RuBland. 

Schiff war ein reicher, in Deutschland geborener Jude, der eine 
New Yorker jiidische Gemeinschaft anfiihrte, in der es eine Menge 
weniger begiiterter Juden polnisch-russischer Herkunft gab. Diese 
osteuropaischen Juden wandten sich insbesondere gegen ein inner- 
staatliches ReisepaB-System, das damals im zaristischen RuBland 
existierte. Dieses interne ReisepaB-System sollte die innere Sicher- 
heit wahren und verhindern, daB Moskau und Leningrad tiberbevol- 
kert wiirden, aber manche waren von dieser Beschrankung ausge- 
nommen. Es war mit Sicherheit nicht so einschneidend wie das ge- 
genwartige israelische System der ReisepaB-Restriktionen gegentiber 
den Palastinensern. Die Freiztigigkeit vieler Nationalitaten, die in- 
nerhalb des zaristischen Reiches lebten, war eingeschrankt. Juden, 
die in RuBland nicht von den Beschrankungen ausgenommen waren, 
durften innerhalb eines Gebietes leben und reisen, das etwa halb so 
groB war wie Westeuropa und sich vom Baltikum bis zum Schwarzen 
Meer erstreckte. Sic nannten dieses Gebiet die »Pale«, und es wurde 
offiziell im Jahr 1915 aufgehoben, obwohl es in Mythos und Uberlie- 
ferung bis heute weiterlebt. Innerhalb des Pale gab es groBere Stadte 
wie Odessa, Kiew und Minsk. In einer Zeit, in der viele Christen in 
Europa gleichsam darauf beschrankt waren, in einem kleinen Dorf 
Oder auf einem einzelnen Bauernhof zu leben, erschien dies wie eine 
relativ groBziigige Freiheit, aber diese Regulierung des Rechts auf 
Freiztigigkeit war die Basis einer entschlossenen Kampagne auf bei- 
den Seiten des Atlantiks. Seit der Ermordung von Alexander dem II. 
im Jahr 1881, die zumindest teilweise durch Gesia Gelfman, einer 
schwangeren jiidischen Frau, organisiert worden war, war die Situa- 
tion der Juden, die im zaristischen RuBland lebten, standig schlechter 
geworden. Als Reaktion hierauf autorisierte der neue Zar die Bildung 
einer quasi geheimen nationalistischen Organisation, deren Mission 



32 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

darin bestand, Terroristen auszumerzen und den russischen Patrio- 
tismus zu schiitzen.''^ 

Das Verlangen einer Volksgruppe, die AuBenpolitik der Vereinig- 
ten Staaten gegeniiber einem anderen Land wegen Privilegien zu 
kompromittieren, die das andere Land dieser Volksgruppe gewahrte, 
schien vielen Amerikanern unvemtinftig und selbstsiichtig. Diese 
Amerikaner sahen nicht ein, wie dies im amerikanischen nationalen 
Interesse liegen konnte. President William Howard Taft war nicht be- 
reit, Amerikas RuBlandpolitik an den Bedtirfnissen des russischen 
Judentums und den Wiinschen einer ethnischen Minderheit zuhause 
auszurichten. Taft war fur das Prasidentenamt von Teddy Roosevelt 
handverlesen worden. Als ein prinzipientreuer und nachdenklicher 
Mann, der spater als Oberster Richter des Obersten Gerichtshofes der 
USA diente, war Taft nicht so popular, wie es Teddy Roosevelt ge- 
wesen war Wahrend dieser Zeit der politischen Unruhe nutzte das 
American Jewish Committee schlau und forsch sein Netzwerk natio- 
naler Kontakte und untersttitzte Politiker wie Woodrow Wilson, die 
nach Stimmen fur die Wahl von 1912 gierten.'*** 

Louis Marshall war der Prasident und Hauptstratege des Ameri- 
can Jewish Committee. Als Zeitgenosse und AUiierter der Familien 
Schiff und Warburg"*^ leitete er das American Jewish Committee in 
einer raffinierten und kompromiBlosen Kampagne, um die sog. 
"Aufhebungsbotschaft" an Politiker der Bundesstaaten und auf na- 
tionaler Ebene zu verbreiten. Das Komitee arbeitete offen und un- 
verhohlen, um den KongreB und die Offentlichkeit glauben zu ma- 
chen, daB die ReisepaBfrage nationale Rechte und Macht beriihre, 
wobei die Juden nur zufallig Katalysator waren. Eine Serie von an- 
tirussischen Artikeln, die sich fur die Aufhebung aussprachen, wur- 
den fiir Zeitungen und Magazine im ganzen Land vorbereitet. Sie 
warfen Associated Press eine parteiische, unzuverlassige und anti- 
semtische Berichterstattung vor. Sie versandten femer 35.000 Kopien 
der Rede Marschalls vom Januar an die »Macher und Wortfuhrer der 
ojfentlichen Meinung in alien Teilen des Landes«, an alle Zeitungen 
mit einer Verbreitung von tiber 2.200 Exemplaren und an Zeitungen 
in den Heimatstadten von Bundesrichtern, demokratischen und repu- 

Norman E. Saul, Concord and Conflict. The United States and Russia, 1867- 



1914, Lawrence, KS: University Press of Kansas, 1996, S. 241-243. 
J.S. Goldstein, aaO. (Anm. 43), S. 162. 
R. Chemow, aaO. (Anm. 36), S. 164, 252. 



33 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

blikanischen Fiihrungspersonlichkeiten, Bezirksstaatsanwalte und 
KongreBabgeordnete. Das American Jewish Committee schrieb an 
50.000 Geistliche im ganzen Land und empfahl, den internen Reise- 
paB-Streit innerhalb RuBlands zum Gegenstand ihrer Predigten zu 
machen. Jiidische Organisationen und Personen beeinfluBten ihnen 
nahestehende Organisationen, Gewerkschaften und Landesparlamen- 
te, um Aufhebungsresolutionen zu verabschieden. Landesparlamente 
in den Bundesstaaten Georgia, Montana, Illinois, Florida, Nevada 
und New York verabschiedeten alle ahnliche Resolutionen. 

SchlieBlich veranstaltete das American Jewish Committee im Jahr 
1911 in New York City 

»[...] eine enorme Aufhebungs-Demonstration in New York City, 

bei der zwei Anwdrter auf die Prdsidentschaft auftraten, Woodrow 

Wilson und Champ Clark, sowie William Randolph Hearst, ein fril- 

heren Botschafter in Rufiland, und verschiedene Kongrefiabgeordne- 

te.« 

Es lastete eine Menge Druck auf dem damaligen Prasidenten Taft, 
der der Ansicht war, die Aufhebung wtirde die russisch-amerikani- 
schen Beziehungen erheblich beeintrachtigen und Amerikas Einwan- 
derungspolitik gefahrden. US-AuBenminister Knox sagte President 
Taft, daB ein Abbruch normaler Beziehungen zu RuBland, well sich 
dieses zugunsten seiner Innenpolitik liber die amerikanischen Juden 
hinwegsetzte, »unsere bisherige Einwanderungspolitik ad absurdum 
fiihren wiirde.a Trotz Prasident Tafts Opposition zu einer Aufhebung 
iibte das American Jewish Committee massiven Druck auf das US- 
Reprasentantenhaus aus, so daB dieses hierzu eine (juristisch nicht 
bindende) Resolution verabschiedete, und zwar mit 301 Stimmen ge- 
gen eine. Schiff briistete sich, daB der Aufhebungs-Sieg y>der grofite 
Sieg fiir die Juden war, seitdem Napoleon ihnen die Biirgerrechte 
gewdhrt hatte.« 

Es gibt noch weitere Beispiele fur Lobbying zur Beeinflussung 
der AuBenpolitik der USA zugunsten ihrer Glaubensgenossen vor 
dem Ersten Weltkrieg. 1906 unterwies US-AuBenminister Elihu Root 
den amerikanischen Vertreter bei der Algeciras-Konferenz, auf der 
die europaischen Machte tiber das wirtschaftliche und politische 
Schicksal Marokkos entschieden, Interesse an den Juden Marokkos 
zu bekunden. Roots Anweisungen beinhalteten einen Brief Schiffs, 



^^ J.S. Goldstein, aaO. (Anm. 43), S. 165-178. 



34 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

der die Verhaltnisse der marokkanischen Juden beschrieb. Am Ende 
des Balkankriegs im Jahr 1912, in dem Bulgarien, Serbien und Grie- 
chenland die Ttirkei geschlagen batten, beeinfluBte das American 
Jewish Committee den neuen Inhaber des Prasidentenamtes Wilson, 
diplomatisch bei den Londoner Friedensverhandlungen wegen der 
Juden auf dem Balkan zu intervenieren, die zuvor unter der Herr- 
schaft der ottomanischen Ttirken gelebt und Btirgerrechte genossen 
batten.^" Aber erst die Verurteilung eines Kindermorders im Staat 
Georgia aufgrund von Indizien versetzte die New Yorker jtidische 
Gemeinschaft in Aktion und lieferte den notigen AnstoB fiir die Er- 
richtung der groBten jiidischen Biirgerrechtsorganisation in den Ver- 
einigten Staaten. 

B'nai B'rith, gegriindet 1843, ist die groBte und alteste jtidische 
Bruderloge in den Vereinigten Staaten. Ihr Name bedeutet Kinder des 
Bundes auf Hebraisch. 1913 errichtete die B'nai B'rith die Anti- 
Defamation League (Liga gegen Verleumdung) als Reaktion darauf, 
daB der Prasident der B 'nai B 'rith von Atlanta, Leo M. Frank, wegen 
Mordes an Mary Phagan verurteilt worden war, einer dreizehnjahri- 
gen Angestellten in einer Bleistiftfabrik, wo er Aufseher gewesen 
war. Es handelte sich um ein besonders grausiges Verbrechen. Das 
Opfer war iiber den mit Kohlenasche bedeckten Kellerboden mit dem 
Gesicht nach unten gezerrt worden, was Verletzungen in ihrem Ge- 
sicht verursacht hatte. Der Inhaber der Bestattungsfirma berichtete, 
daB der Strang, mit dem sie erdrosselt worden war, immer noch um 
ihren Hals hing, als er den Korper des kleinen Madchens aufhob.^' 
Der Angeklagte wurde vor einem ausschlieBlich aus WeiBen beste- 
henden Schwurgericht angeklagt, das drei jtidische Mitglieder hatte. 
Bei dem Verfahrens sttitzte sich die Anklage auf das Zeugnis eines 
schwarzen Hausmeisters, dem die Geschworenen Glauben schenk- 
ten. Frank wurde fur schuldig befunden und zum Tode verurteilt. Der 
Oberste Gerichtshof von Georgia bestatigte das Urteil des erkennen- 
den Gerichts und fiihrte im diesbeziiglichen Teil aus:^^ 

»Das Beweismaterial zeigte seitens des Angeklagten ein Vorge- 
hen, einen Plan, ein System oder Schema, unsittliche oder ehebre- 
cherische Beziehungen zu einigen seiner Angestellten oder anderen 



51 



52 



Mary Phagan, The Murder of Little Mary Phagan, Far Hills, NJ: New Horizon 
Press, 1987. 

Frank v. State, Supreme Court of Georgia, 17. Februar 1914, 80 Southeastern 
Reporter L',S. 1016-1044. 

35 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Frauen in seinem Bilro oder Geschdftsbetrieb zu unterhalten, in dem 
der Mord erfolgte. Es wurde nachgewiesen, dafi im besonderen eini- 
ge dieser Handlungen nicht lange vor dem Mord vorgenommen wur- 
den. [...] Das Beweismaterial zeigte ein Motiv seitens des Angeklag- 
ten, das ihn verleitete, nach einer strafbaren Intimbeziehung mil dem 
getoteten Mddchen zu trachten und einen Mord zu begehen, als sie 
Widerstand leistete, um das Verbrechen zu vertuschen. Es gab nicht 
nur Beweise fur das Vorgehen des Angeklagten mit anderen Frauen, 
sondern wdhrend des Verfahrens wurde weiterer Beweis beigebracht, 
der zeigte, dafi er, entsprechend seiner allgemeinen Vorgehensweise 
Anndherungen gegeniiber der Verstorbenen machte.« 
Louis Marshall, Anfuhrer des American Jewish Committee, wahl- 
te zunachst die Taktik, dahingehend EinfluB auf die Presse im Stiden 
auszutiben, den Angeklagten freizusprechen. Als das nicht funktio- 
nierte, tiberzeugte er Adolf Ochs, den Herausgeber der New York Ti- 
mes und Mitglied des American Jewish Committee, seine Zeitung da- 
zu zu verwenden, die "Ungerechtigkeiten" dieses Verfahrens publik 
zu machen. Aber er bestand auch darauf, daB Ochs nicht erwahnte, 
daB der Angeklagte Jude war, oder andeutete, daB Antisemitismus die 
Anklage beeinfluBt habe.^^ 

Der Angeklagte wurde durch die hochkaratige Anwaltskanzlei 
Rosser & Brandon aus Atlanta vertreten, die sich 1913 mit Slaton & 
Phillips zusammenschloB, im gleichen Jahr, in dem das Verfahren 
stattfand. John Slaton von der gleichen Anwaltskanzlei wurde Gou- 
vemeur von Geogia und wandelte das Todesurteil am 2 1 . Juni 1915 
in lebenslange Haft um. Wenngleich eine solche Umwandlung si- 
cherlich im Ermessen eines Gouvemeurs liegt und moralisch vertret- 
bar ist, wenn der Angeklagte keine vorherige Verurteilungen hat, 
machte die Umwandlung politisch jedoch keinen Sinn. Die jiidischen 
Gruppen waren dartiber nicht glticklich, well sie behaupteten, daB 
Frank unschuldig sei und ein neues Verfahren wollten, das den An- 
geklagten entlasten sollte. Die Familie von Mary Phagan und ein 
groBer Teil der Offentlichkeit hielten die Umwandlung fur einen 
Kuhhandel zwischen dem Gouverneur und seiner alten Anwaltskanz- 
lei, die den Angeklagten vertrat. 

Dann erfolgte ein vergleichbar schrecklicher Mord, als der Ange- 
klagte aus seiner Gefangniszelle gefiihrt und gelyncht wurde. Das 
Rechtssystem brach vollig zusammen und niemand wurde jemals 

^^ G. Ivers, aaO. (Anm. 45), S. 41. 

36 



Kapitel 1: Aktivitdten vor dem Ersten Weltkrieg 

festgenommen, angeklagt oder sonstwie fur diesen zweiten Mord 
verantwortlich gemacht. Und es gab keinen Mangel an Personen, die 
behaupteten, fiir den Lynchmord verantwortlich gewesen zu sein. 
Welche geheimen organisierten Bewegungen waren in dieses 
Gangstertum verwickelt? 

Wenn B'nai B'rith wirklich dachten, daB ihr Angeklagter un- 
schuldig war, batten sie dann nicbt Druck ausgeiibt, urn sicberzustel- 
len, daB seine Scblacbter vor Gericbt gestellt werden wiirden? Aber 
wenn einige Leute meinten, er sei tatsachlich schuldig, dann loste das 
Lynchen viele Probleme. Ein schuldiger Mann, der den Rest seines 
Lebens im Gefangnis verbringt, konnte sich dazu entschlieBen, im 
Verlauf der Zeit ein Gestandnis abzulegen, in der Hoffnung, entlas- 
sen zu werden. Diesbeziiglich kommt einem der PoUard-Spionage- 
Fall in Erinnerung. Wir wissen, wer Mary Phagan getotet hat. Die 
wirkliche Frage ist, warum sich niemand darum kiimmerte, wer den 
Prasidenten der B 'nai B 'rith von Atlanta lynchte? Nicht nur, wer sich 
am Lynchen beteiligte, sondem auch, wer bei dessen Vertuschung ci- 
ne Rolle spielte? Wer waren die Anstifter dieser morderischen Be- 
hinderung der Justiz? Viele Jahrzehnte spater, nachdem die meisten 
Zeugen tot waren, wurde er posthum begnadigt, was nicht dazu bei- 
trug, seine Morder zur Rechenschaft zu ziehen. Natiirlich beruht cine 
Begnadigung gewohnlich auf politischem EinfluB und hat nichts mit 
Schuld oder Unschuld zu tun. 

Die Forderung nach Aufhebung des russisch-amerikanischen Ver- 
trags von 1832, die offentliche Finanzierung der Japaner im russisch- 
japanischen Krieg sowie die Ubernahme der Verteidigung des verur- 
teilten Morders der kleinen Mary Phagan sind reprasentative Beispie- 
le fiir Falle, welche die organisierten jtidischen Lobbygruppen in den 
USA vor dem Ersten Weltkrieg zusammenschweiBten. Wie zu sehen 
ist, batten diese Gruppen ein groBes MaB an EinfluB und Zugang zur 
Macht in der amerikanischen Politik zur Zeit des Ausbruches des Er- 
sten Weltkrieges. Viel groBer, als man sich heute allgemein bewuBt 
ist. 



37 



Kapitel 2: 
Aktivitaten wahrend des Ersten Weltkrieges 



Bezuglich der wachsenden Bedeutung des American Jewish 
Committee erklarte 1931 ein zusammenfassender Bericht seines Se- 
kretars Joseph C. Hyman:^"* 

»Obwohl klein in seinen Anfdngen und obwohl es lediglich ah 
vorldufiges Nothilfekomitee betrachtet wurde, hat sich die Organisa- 
tion zur grofiten Hilfsagentur in der jUdischen Geschichte entwik- 
kelt. Ihre Hauptergebnisse bestanden in der physischen Errettung 
von Millionen osteuropdischer Juden.« 

Eine andere Erklarung des American Jewish Committee war zu- 
riickhaltender:^^ 

»Sobald der [Erste] Weltkrieg begann und es offensichtlich war, 
dafi ein grofier Teil des Krieges in dem Gebiet ausgefochten wtirde, 
in dem 6 oder 7 Millionen Juden lebten, insbesondere Polen, Rut- 
land und Galizien, griindeten viele honorige Menschen Organisatio- 
nen, um Mittel fiir die Leidenden in den Kriegsgebieten zu sam- 
meln. « 

Die Geschichte iiber den Holocaust an bis zu 6 Millionen euro- 
paischen Juden begann nicht mit dem Zweiten Weltkrieg. Tatsachlich 
wurde ein sehr ahnliches Szenario mit etwas weniger bombastischen 
Begriffen im und nach dem Ersten Weltkrieg entfaltet. Nach dem Er- 
sten Weltkrieg wurde die Behauptung verbreitet, daB fiinf Millionen, 
iiber fiinf Millionen, sogar sechs Millionen Juden in Europa krank 
seien oder in einem Holocaust aufgrund von Hunger, schrecklichen 
Epidemien und iibler Verfolgung stiirben. Die folgenden Ausfiihrun- 
gen konzentrieren sich besonders auf die Geldsammel-Kampagnen 
im Ersten Weltkrieg. Diese ausgewahlten Kampagnen durch groBere 
jiidische Lobbygruppen haben historische Bedeutung sowohl fiir sich 



The Activities of the Joint Distribution Committee (J.D.C.), A Summary Report, 
Submitted to the Council of the American Jewish Joint Distribution Committee 
von Joseph C. Hyman, Sekretdr, 22. Marz 1931. 

Felix M. Warburg, A Biographical Sketch, New York: The American Jewish 
Committee, 1938, S. 14. 

39 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

als auch in Bezug auf die Holocaust-Industrie nach dem Zweiten 
Weltkrieg. 

Holocaust ist ein Wort aus dem Ersten Weltkrieg. Der Begriff Ho- 
locaust wurde wahrend des Ersten Weltkrieges und danach verwen- 
det, urn zu beschreiben, was in Europa vor sich ging bzw. was den 
Juden Europas wahrend dieses Krieges und danach angeblich wider- 
fuhr. Wahrend die Geschichten, die man heute als "der Holocaust" 
bezeichnet, zur Zeit des Zweiten Weltkrieges und sogar noch jahr- 
zehntelang danach nicht so bezeichnet wurden, wurde das Wort Ho- 
locaust schon wahrend des Ersten Weltkrieges und danach verwen- 
det. Man sprach vom Holocaust, von der groBten Tragodie, die die 
Welt je gekannt hatte, und von der groBten Not, welche die Welt je 
erfahren hat. 

Bis 1917 forderte der Anftihrer der jtidischen Gemeinschaft in 
New York, Jacob Schiff, wiederholt ein Ende »dieses Holocaust«.^^ 
1919 gebrauchte das American Hebrew Magazin das Wort Holocaust 
zur Beschreibung des Schicksals des europaischen Judentums in ei- 
nem Artikel, der unter dem Namen eines ehemaligen Gouverneurs 
des Staates New York geschrieben wurde.^^ Jehuda Bauer schrieb in 
My Brother s Keeper {Der Hiiter meines Bruders), einer autorisierten 
Geschichte des Joint Distribution Committee of Jewish War Sufferers 
(Gemeinsames Komitee der jtidischen Kriegsopfer), daB^^ 

»die Vernichtung des Judentums wahrend des Zweiten Weltkrie- 
ges die Erinnerung an den ersten Holocaust des 20. Jahrhunderts im 
Gefolge des Ersten Weltkrieges ausgeloscht hat.« 
Als »Holocaust an der Humamtdt« wurde der Erste Weltkrieg in 
The Great Betrayal {Der grofie Betrug) beschrieben, einem Buch, 
das zusammen mit Rabbi Stephen S. Wise verfaBt und 1930 verof- 
fentlicht wurde. The Great Betrayal ging davon aus, daB die Briten 
von den Versprechen abgeriickt seien, die sie der jtidischen Fiihrung 
im Ersten Weltkrieg in Bezug auf Palastina gemacht hatten. Dieses 
Buch beinhaltete ein Kapitel iiber Winston Churchills Meinung:^^ 



N. Cohen, aaO. (Anm. 40), S. 191. 

Martin H. Glynn, »The Crucifixion of Jews Must Stopl«, The American Hebrew, 
31. Oktober 1919, S. 582f. vgl. Anhang, S. 165. 

Yehuda Bauer, My Brother s Keeper. A History of the American Joint Distribu- 
tion Committee 1929-1939, Philadelphia: The Jewish Publication Society of 
America, 1974. 
Jacob de Haas, Stephen S. Wise, The Great Betrayal, New York: Brentano's Pub- 



40 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

»In der ganzen Welt war die zionistische Bewegung aktiv aufder 
Seite der Alliierten und in einem speziellen Sinne pro-britisch. Nir- 
gends war diese Bewegung bemerkbarer ah in den Vereinigten Staa- 
ten, und ein grofier Teil unserer Hoffnungen beruhte auf der aktiven 
Teilnahme der Vereinigten Staaten an dem drohenden blutigen 
Kampf. Die fdhigen AnfUhrer der zionistischen Bewegung und ihrer 
weitverzweigten Glieder ilbten einen merklichen Einflufi auf die 
amerikanische Meinung aus und dieser Einflufi — wie der jUdische 
Einflufi im allgemeinen — wirkte stdndig zu unseren Gunsten. Juden 
(sowohl Zionisten wie auch Nichtzionisten) sympathisierten mit den 
Alliierten und arbeiteten fiir den Erfolg Grofibritanniens undfiir die 
enge Zusammenarbeit der Vereinigten Staaten mit Grofibritannien. 

Die Balfour-Erkldrung darf deshalb nicht als ein Versprechen 
angesehen werden, das aus sentimentalen Motiven abgegeben wur- 
de. Sie war eine pragmatische Mafinahme, die im Interesse einer 
gemeinsamen Sache in einem Moment getroffen wurde, in dem diese 
Sache keinen Faktor materieller oder moralischer Hilfe aufier Acht 
lassen konnte. « 

The Price of Liberty (Der Preis der Freiheit) ist eine autorisierte 
Geschichte des American Jewish Committee, die 1948 veroffentlicht 
wurde, nachdem der Zweite Weltkrieg vorbei war. Es enthalt ein Ka- 
pitel liber den Ersten Weltkrieg mit dem Titel »Der Holocaust des 
Krieges«. Dieses Kapitel erwahnt einige der Bemtihungen, im Ersten 
Weltkrieg und danach Geldspenden zu sammeln und enthalt das fol- 
gende Zitat:'^" 

»Als die Armeen in einem verzweifelten Konflikt ilber die Gren- 
zen von Polen, Galizien und Ostpreufien vor- und zuriickrollten, 
Uberzog Terror, Verlassenheit und Tod die Zivilbevolkerung im all- 
gemeinen, am meisten aber die sieben Millionen Juden. Die christli- 
chen Polen, Ukrainer und Deutschen erlitten die unvermeidbaren 
Hdrten, die jede KriegfUhrung mit sich bringt; aber die Juden, die 
schon von den Russen und Polen verdammt worden waren, begegne- 
ten einer konzentrierten Orgie von Hafi, Blutdurst und Rache, die sie 
in einem grofien Holocaust auszuloschen drohte.« 
Weniger als einen Monat nach den ersten Kriegserklarungen in 
Europa wurden Plane in Angriff genommen, um Hilfe fiir die Juden 
zu organisieren, die in den vom Krieg betroffenen Gebieten lebten. 



Ushers, 1930,8.287. 

Nathan Schachner, Th 

Committee, New York: T\ie American Jewish Committee, 1948, S. 60, 287. 



Nathan Schachner, The Price of Liberty. A History of The American Jewish 



41 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Am 4. Oktober 1914 wurde das Central Committee for the Relief of 
Jews Suffering Through the War (Zentralkomitee jtidischer Kriegsge- 
schadigter) gegriindet, wobei Morris Engelman zum Schatzmeister 
gewahlt wurde. Prasident Woodrow Wilson rief aus diesem AnlaB ei- 
nen Tag des Gebets aus. Am 14. Oktober 1914 berief Louis Marshall, 
Prasident des American Jewish Committee, eine Versammlung ein, 
deren Ergebnis die Griindung des American Jewish Relief Committee 
war, mit Louis Marshall als Vorsitzendem und Felix Warburg als 
Schatzmeister. Am 27. November 1914 organisierten das American 
Jewish Relief Committee und das Central Relief Committee das Joint 
Distribution Committee, wobei sie Felix M. Warburg zum Vorsitzen- 
den emannten.*' 

Das American Jewish Joint Distribution Committee for Jewish 
War Sufferers, das seine Forderer liebevoll als "das Joint" bezeichne- 
ten, wurde ebenfalls 1914 durch die Anfiihrer des American Jewish 
Committee gegriindet, und zwar als Reaktion auf: 

»alarmierende Nachrichten, die die USA bezuglich 85.000 Juden 

in Paldstina erreichten.« 

Damals lebten in Palastina viele Juden, die von britischen Juden 
subventioniert wurden, deren Unterstiitzung allerdings unterbrochen 
wurde durch den Krieg zwischen GroBbritannien und der Tiirkei, die 
damals Palastina kontrollierte. 

Felix Marshall, der langjahrige Prasident des American Jewish 
Committee, wurde der erste "Joint"-Prasident. Jacob Schiff machte 
seinen Schwiegersohn Felix Warburg zum ersten "Joint"- Schatz- 
meister. Am Neujahrstag 1915 organisierte Felix Warburg, Vorsit- 
zender des Joint Distribution Committee, ein Zahlungs- oder Kredit- 
biiro, das durch seine Sekretarin Harriet Lowenstein iiberwacht wur- 
de. Im Marz jenes Jahres traf das Central Relief Committee mit Hen- 
ry Morgenthau, Woodrow Wilsons Botschafter in der Tiirkei, Vorbe- 
reitungen, um Finanzmittel an Einrichtungen in Palastina zu iibermit- 
teln. Bald danach wurde Hilfe fiir Palastina, Griechenland, Agypten 
und Syrien iiber den US -Botschafter in der Tiirkei geleitet. 1915 
klagte Louis Marshall bei einer Zusammenkunft in New York im 
Namen des American Jewish Relief Committee zusammen mit Jacob 
Schiff und dem KongreBabgeordneten Meyer London iiber die Apa- 



Morris Engelman, Fifteen Years ofEjfort on Behalf of World Jewry, New York: 
Ference Press, 1929. 

42 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

thie gegeniiber dem Leiden der Glaubensgenossen, wobei er erklarte, 
daB Millionen in schwerer Not seien, und an die Reichen appellierte 
zu spenden. Marshall sagte, es gabe etwa 13 Millionen Juden in der 
Welt, von denen sich tiber 6 Millionen in Osteuropa befanden, wo 
der Krieg ausgefochten wurde. Marshall verlas auch einen Brief von 
Schiff, wonach man »private Berichte« erhalten habe, die die Ver- 
haltnisse in RuBland, Palastina, Polen und Galizien zeigten, »deren 
schreckliche Natur man sich nicht ausmalen kdnne.« Herr London 
sagte, dies sei die schlimmste Zeit in der jiidischen Geschichte, und 
Millionen Juden hingen von der GroBziigigkeit wohlhabenderer Ju- 
den in den Vereinigten Staaten ab.*^ 

Im Mai 1915 wurden Zertifikate mit den Faksimile-Unterschriften 
der Vorstande beider Komitees im Wert zwischen einem und fiinf 
Dollar ausgegeben. Im September wurde der Esras Torah-Fond ge- 
griindet, um den armen Rabbis und Zadikim ("Gerechten") in Europa 
und Palastina zu helfen. Im Oktober erhielt die Hebrew Immigrant 
Aid Society (Hias) die Genehmigung von Deutschland und anderen 
Landern in Mitteleuropa sowie die Zustimmung der Regierung der 
Vereinigten Staaten, um Vorkehrungen zu treffen, so daB die Verbin- 
dung zwischen Einwohnern der Vereinigten Staaten und ihren Ver- 
wandten in Osteuropa wieder aufgenommen werden konnte, wobei 
alle Briefe tiber Hias versandt wurden, die als Internationales Post- 
amt fungierte. 

Am 21. Dezember 1915 wurden vom American Jewish Relief 
Committee in einer Versammlung in der Carnegie Hall in New York 
City 700.000 Dollar gesammelt. Am 28. Dezember wurde die Busi- 
ness Men s League mit Jacob Wertheim als Vorsitzenden gegriindet, 
um die Zusammenarbeit von Geschaftsleuten in den gesamten Verei- 
nigten Staaten zu gewahrleisten. Am 6. Januar verabschiedete der 
Senat der Vereinigten Staaten einstimmig cine Resolution, die von 
Senator Martine von New Jersey vorgeschlagen worden war und ei- 
nen speziellen jiidischen Hilfstag ausrief. Am 12. Januar wurde von 
President Wilson eine Resolution unterzeichnet, durch die der 27. Ja- 
nuar 1916 als Hilfstag der jiidischen Notleidenden ausgerufen wurde, 
und zwar »aufgrund des Drdngens von Freunden des jiidischen Vol- 



»Jews Indifference to War Aid Rebuked«, New York Times, 14. Januar 1915, S. 3. 
Der vollstandige Text wird im Anhang auf S. 1 1 8 wiedergegeben. 

43 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

kes im Senat der Vereinigten Staaten.« Er wurde im ganzen Land 
beachtet, was zu Geldsammlungen von iiber 2 Millionen Dollar fiihr- 
te. Am 17. Februar besuchten Vertreter des Central Committee for 
the Relief of Jews Suffering Through the War und des Women 's 
Proclamation Committee das WeiBe Haus und wurden von President 
Wilson empfangen, der eine Tafel annahm, die an den jiidischen 
Hilfstag erinnerte.*"* 

Eine Bewegung wurde initiiert, die im Jahre 1916 zehn Millionen 
Dollar sammeln woUte, wobei Zeitungsleute ihre Mitwirkung zusag- 
ten. Engelman bemerkte in seiner chronologischen Zusammenfas- 
sung der ersten 15 Jahre des Joint Distribution Committee, die 1929 
veroffentlicht wurde: 

»Die Grofizilgigkeit der Offentlichkeit wurde durch die herzliche 
Hilfe der gesamten amerikanischen und jiidischen Presse erheblich 
stimuliert. « 

Wahrend der gesamten friihen Holocaust-Geldsammelaktionen 
fehlten jegliche Kritik oder Nachforschungen durch die Medien. Die 
Presse wurde zu einer Art Jubelchor reduziert, nicht viel anders als 
die heutige eilfertige Freudigkeit der vierten Macht iiber die Aktio- 
nen Israels und der Holocaust-Industrie seit dem Zweiten Weltkrieg. 

Ein Artikel der A^ew York Times vom 22. Mai 1916 berichtete, daB 
an der Ostkriegsfront 700.000 Juden in Not seien:^^ 

»Von der reguldren Gesamtzahl von 2.450.000 Juden in Polen, 
Litauen und Kurland sind 1.770.000 iibriggeblieben, und davon be- 
finden sich etwa 700. 000 in dringlicher und bestdndiger Not. Etwa 
455.000 hiervon sind in Polen und 50.000 hiervon sind Personen 
ohne Unterkunft, die sich in besonders schwieriger Lage befinden.« 
Ein weiteres Projekt aus dem Jahre 1916 war ein Buch mit dem 
Titel The Jews in the Eastern War Zone (Die Juden in der ostlichen 
Kriegszone). Von diesem vom American Jewish Committee verof- 
fentlichten Buch wurden 25.000 Exemplare an die geistigen Fiihrer 
Amerikas und an die Meinungsmacher versandt, einschlieBlich Pre- 
sident Wilson, Mitglieder des Regierungskabinetts und des Kongres- 
ses, die Presse und Zeitschriften, einfluBreiche Manner und Frauen 



" Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. 8. 



^ M. Engelman, aaO. (Anm. 61), S. 9. 
» 700, 000 Jews in Need on the East B- 
S. 1 1 . Der voUstandige Artikel wird im Anhang auf S. 120 wiedergegeben. 



»7 00, 000 Jews in Need on the East War Front«, New York Times, 22. Mai 1916, 



44 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

iiberall.*^ Das Buch behauptete, daB RuBland ein Gebiet gleichsam 
zu einer Strafsiedlung gemacht habe, wo sechs Millionen Menschen, 
deren Schuld lediglich in der Zugehorigkeit zum jtidischen Glauben 
bestehe, dazu gezwungen seien, ihr Leben im Schmutz und Elend zu 
fristen, unter standigem Schrecken vor Massakern, den Launen von 
Polizeibeamten und einer korrupten Verwaltung ausgeliefert - kurz, 
ohne Rechte und gesellschaftlichem Rang:*^ 

»Eine Art Gefdngnis mit sechs Millionen Gefangenen, die von ei- 
ner Armee korrupter und brutaler Aufseher bewacht wird.« 
The Jews in the Eastern War Zone ist ein wichtiges Buch jener 
Zeit, weil die Worte dieses Buches ausgiebig von anderen Quellen 
genutzt wurden wie etwa der New York Times. Es ist auch heute 
wichtig, weil es zeigt, was das amerikanisch-jiidische Establishment 
den Menschen erzahlte, bevor die Vereinigten Staaten in den Ersten 
Weltkrieg eintraten, wie die Lekttire der Einleitung sowie die Einlei- 
tung des Abschnitts iiber RuBland zeigt/** Das Konzept dieses Bu- 
ches beinhaltete das Thema, daB die Juden in Osteuropa ein einzigar- 
tiges Leiden durchmachten, daB dieses Leid bis zu einem gewissen 
Grade von niemand anderem durchlitten wurde, daB ihnen elementa- 
re Rechte vorenthalten wurden, die keinem anderen Volk vorenthal- 
ten wurden, und daB sie die Opfer von Verfolgungen waren, die von 
der Regierung unterstiitzt wurden. Es enthalt sogar die Schlagworte 
»sechs Millionen« und »Vernichtung«. 

Das Buch beschreibt auch, warum das amerikanisch-jiidische 
Establishment dachte, daB die kurz zuvor erfolgte Beseitigung des 
Pale nur voriibergehend sei und widerwillig durch die Ftihrung RuB- 
lands unter Auflage argerlicher Beschrankungen gewahrt wurde, in 
der Hoffnung, leichter an auslandische Kredite zu gelangen.*' 

Im Juli 1916 fiihrten Felix und Paul Warburgs jtingerer Bruder 
Fritz Warburg, der wahrend des Ersten Weltkrieges Vorsitzender des 
Hamburger Metallhandels war, geheime inoffizielle Friedensver- 
handlungen in Stockholm mit Alexander Protopopow, dem Vizepra- 
sidenten der russischen Duma. Fritz erorterte einen Separatfrieden 
zwischen Deutschland und RuBland, wobei RuBland Telle des von 



'■'* Nathan Schachner, aaO. (Anm. 60), S. 63. 

The American Jewish Committee, The Jews in the Eastern War Zones, New York: 

T^^ American Jewish Committee, 1916, S. 19f. 

Ein langerer Auszug aus diesem Buch befmdet sich im Anhang, S. 122. 
*' Ebenda, S. 21. 

45 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Deutschland besetzten Polen erhalten wiirde.™ Es gab 1916 mehrere 
erfolglose Friedensversuche zwischen Deutschland und RuBland. Im 
Oktober 1916 trat Felix Warburg, der zugleich Vorsitzender des Joint 
Jewish Distribution Committee als auch Schatzmeister war, als 
Schatzmeister zuriick und wurde durch Herbert Lehman ersetzt. 
Lehman ist bekannt als demokratischer Gouverneur von New York 
zwischen 1933 und 1942. Franklin Roosevelt bekleidete vor ihm die- 
ses Amt von 1929 bis 1933. Obwohl Lehman noch nicht einmal ein 
Jahr als Schatzmeister wirkte, behielt er engen Kontakt zum "Joint" 
und fuhrte die Relief and Rehabilitation Administration der Vereinten 
Nationen (UNRRA), die 1943 errichtet wurde und bis zur ihrer Er- 
setzung durch die Internationale Fliichtlingsorganisation im Jahr 
1947 existierte.^' 

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges war fiir Amerikaner, die in 
Deutschland geboren worden waren, eine schwere Zeit. Die meisten 
woUten nicht, daB die Vereinigten Staaten in diesen europaischen 
Krieg hineingezogen wtirden, von dem sie glaubten, daB er ftir ihre 
neue Heimat kein Gewinn sein wiirde, sowie aus Gefiihlsgriinden. 
Am Anfang des Krieges erwog Jacob Schiff, daB Deutschland ge- 
winnen wiirde und daB ein deutscher Sieg, der auch das Zarentum 
beenden wiirde, mit Abstand der wiinschenswertere Ausgang sei. 
Schiffs Schwager bei der Firma Warburg in Hamburg unterstiitzten 
die deutschen Kriegsanstrengungen aktiv.^^ Obwohl die russische In- 
vasion in Deutschland durch die deutsche Armee gestoppt wurde, in- 
dem Truppen von der Westfront verlegt worden waren, bewirkte dies 
eine Pattsituation im Westen. Als die Hoffnungen auf einen schnellen 
Sieg verflogen war und der Krieg sich in die Lange zog, nahmen die 
Angste der Deutsch- Amerikaner noch zu. 

Die Loyalitat der Deutsch-Amerikaner wurde im allgemeinen 
vom pro-britischen US-Establishment wahrend der Zeit des Ersten 
Weltkrieges angezweifelt. Schiff wurde wahrend der ersten beiden 
Jahre des Ersten Weltkrieges vorgeworfen, er sei fiir die Deutschen, 
well er nicht wollte, daB Amerika in einem Krieg als AUiierter des 
Zaren kampfte. Nach dem Sturz des Zaren Anfang 1917 unterstiitzte 
Schiff die Menschewiken fmanziell und war fiir eine US-Interven- 
tion. Einen Monat nach der Revolution vom Marz 1917, die den Za- 



™ R. Chernow, aaO. (Anm. 36), S. 178f. 
" Oscar Handlin, aaO. (Anm. 37), S. 93. 



46 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

ren in RuBland entmachtet hatte, erklarten die Vereinigten Staaten 
Deutschland den Krieg und traten in den Ersten Weltkrieg ein. 

Wahrend Amerika noch neutral war/^ tiberwies das "Joint" 19 
Millionen Mark, um polnischen Juden durch die M.M. Warburg Pri- 
vatbank in Hamburg zu helfen/^ Nach MaBgabe von Reports Recei- 
ved by the Joint^^ einer Veroffentlichung des Joint Distribution 
Committee von 1916, sandten sie Geld an das Jewish Colonization 
Committee in Petersburg, das durch ortliche Komitees in 142 Zentren 
in RuBland arbeitete, von Alitir, Baku, Bessarabien, Irkutsk und 
Odessa bis Jaroslawl/^ Es gehorte zur allgemeinen Politik des "Jo- 
int", innerhalb existierender jiidischer Organisationsstrukturen zu ar- 
beiten, die in Europa bereits etabliert waren. 

Nachdem Amerika in den Krieg eingetreten war, tiberwies das 
"Joint" iiber das neutrale Holland Geld in deutsch besetzte Gebiete. 
Ein Komitee wurde eingerichtet, das nahezu 2 Millionen Dollar aus 
den Vereinigten Staaten an niederlandische diplomatische Vertretun- 
gen transferierte, die es anhand von Richtlinien verteilten, die sie von 
New York tiber Holland erhalten batten. Im Mai 1917 interviewten 
Oscar Strauss, Henry Morgenthau Sr., Louis Marshall, Fulton R. 
Brylawski und Albert Lucas, Sekretar des Joint Distribution Commit- 
tee, den AuBenminister, und man arrangierte, daB Hilfsmittel in die 
deutsch besetzten Gebiete in Polen und Litauen tiber ein Komitee 
niederlandischer Juden entsandt wurden, anstatt tiber das deutsche 
Hilfskomitee. 

Kurz bevor Amerika in den Ersten Weltkrieg eintrat, hatte die an- 
tideutsche HaBpropaganda in den Vereinigten Staaten in einem Aus- 
maB zugenommen, das viel schlimmer war als zu jeder anderen Zeit, 
einschlieBlich des Zweiten Weltkrieges. In vielen Orten war das 
Spielen der Musik Beethovens und anderer deutscher Komponisten 
verboten, ebenso der Deutschunterricht an offentlichen Schulen. Es 
wird heute gern vergessen, wie Kaiser Wilhelm verleumdet und kari- 
kiert wurde. Falsehood in Wartime, ein Buch, das ein Mitglied des 



R. Chernow, aaO. (Anm. 36), Kapitel 13: »Iron Cross«, S. 171-179. 

Ebenda, S. 173. 

Reports Received by the Joint Distribution Committee of Funds for Jewish War 

Sufferers, Felix M. Warburg, Vorsitzender; Albert Lucas, Sekretar. New York 

Public Library 746677 Astor, Lenox and Tylden foundations, 1916. 

Ebenda, S. 9. 

M. Engelman, aaO. (Anm. 61), S. 16. 

47 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

britischen Parlaments geschrieben hatte, gibt einige der gehassigen 
Geschichten wieder, die iiber die deutsche Kultur veroffentlicht wor- 
den waren. Es fiihrt aus, daB Filme produziert wurden, die versuch- 
ten, Amerika in den Krieg hineinzuziehen, und daB in einem von ih- 
nen zum Beispiel eine fremde Armee gezeigt wurde, die Dorfer nie- 
derbrannte, Frauen verschleppte, und ein scheuBlicher, deutsch aus- 
sehender Bosewicht wurde gezeigt, wie er Plane schmiedete und 
durchtrieben wie ein Mephisto die Augen verdrehte. Luthers Einefe- 
ste Burg ist unser Gott wurde mit »Hindenburg ist unser Gott« falsch 
iibersetzt und Wagner wurde abschatzig mit Sousa verglichen/^ 

Rudyard Kipling verglich Deutsche in einem Artikel der New York 
Times, der im folgenden abgedruckt wird/^ mit Bazillen, und fiihrte 
aus, daB der »Pestis Teutonicus« iiberall die Zivilisation gefahrde: 

»Eine Sache, die wir in unsere Dickschddel reinbekommen miis- 
sen, ist: wann immer der Deutsche — Mann oder Frau — eine geeig- 
nete Kultur bekommt, worin er gedeiht, dann bedeutet er oder sie 
Tod und Verlust filr zivilisierte Menschen, genauso wie Bakterien ir- 
gendeiner Krankheit, die man sich vermehren Idfit, Tod oder Verlust 
filr die Menschheit bedeuten. Diese Auffassung beinhaltet nicht mehr 
Hafi, Zorn oder Aufregung, als wenn man eine Spiile ausspillt oder 
01 auf Wasser giefit, um Stechmiicken an der Vermehrung zu hin- 
dern. Fiir uns ist der Deutsche wie Typhus oder Pest — Testis Teuto- 
nicus, wenn Sie so wollen. Aber bis wir diese grundlegende Tatsache 
in Friedenszeiten erfassen, werden wir immer Ausbriichen der Anti- 
zivilisation ausgesetzt sein. Machen Sie sich dies mit alien in ihren 
Moglichkeiten liegenden Krdften klar. [...] Wir miissen die Arbeit im 
Dienste der ganzen Menschheit und zur Rettung unserer Seelen zu 
Ende bringen. Wie ich sehe, hat Australien begonnen, den deutschen 
Handel einzuschrdnken. Das ist richtig. Wo ein Packen oder eine Ki- 
ste deutscher Ware in ein zivilisiertes Land kommt, besteht immer 
das Risiko, die Menschheit frilher oder spdter einer Gefahr auszu- 
setzen. Dies wurde vor den Augen der gesamten Menschheit in alien 
Ecken der Welt belegt. [ . . . ] Wenn ich ein Deutscher ware, wiirde ich 
mir iiber die Blindheit des Rests der Welt wirklich Sorgen machen, 
und nach ihren Zeitungen zu urteilen, sind sie in Massen besorgt. 
Aber ich vermute, es ist fUr sie und fUr uns noch immer ein longer 



Arthur Ponsonby, M.P., Falsehood In Wartime-Propaganda: Lies of the First 
World War, New York: E.P. Dutton, 1929; dt: ders., Absichtliche Liigen in Kriegs- 
zeiten, Seeheim: Buchkreis fiir Gesinnung und Aufbau, 1967. 
»Sees Germans as Germs«, New York Times, 14. Mai 1916. 

48 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

Weg. Sie miissen fur ein weiteres Jahr Siege erringen, wenn ihre 
Manner und ihr Geld dazu ausreichen. Sie werden wahrscheinlich 
mit einem tollen Sieg abschliefien und dann werden diese "verbiin- 
deten Narren " ihre Linien neu formieren und die Scherben auflesen 
und sich anschicken, erneut geschlagen zu werden — sehr wahr- 
scheinlich nicht weit davon, wo jetzt die Fronten verlaufen. Dann 
wird die Show mit einem bis zum Schlufi siegreichen Deutschland 
enden und die Alliierten werden es methodisch in schone harmlose 
Stilckchen aufteilen. Vielleicht irre ich mich, aber so sehe ich es. 
Deutschland erringt all die Siege und die Alliierten gewinnen den 
Krieg.« 

Nachdem Amerika in den Krieg eintrat, wurden in Hollywood 
»echte Kriegsfilme« (sic) gedreht und verbreitet, und das Komitee fiir 
offentliche Information beschaftigte ein immenses Heer von Spre- 
chern und Pamphlet-Schreibem. Liigen wurden erfolgreich in Um- 
lauf gebraucht, einschlieBlich der iiber vergiftete Bonbons, die von 
deutschen Flugzeugen fur Kinder abgeworfen wurden, und tiber 
deutsche Soldaten, die Kindern vergiftete StiBigkeiten und Handgra- 
naten gaben. Eine ganz besonders abscheuliche Ltige iiber deutsche 
Soldaten, die ein junges Madchen kreuzigten, lag einem Kriegspro- 
pagandadrama »Duty to Civilization« (Pflicht gegentiber der Zivilisa- 
tion) zugrunde, das den Segen von President Wilson hatte/' 

Gerade zu dieser Zeit brachte das Provisional Zionist Committee, 
dessen Vorsitzender Stephen S. Wise war, einen Zeitungsbericht mit 
dem Titel »Deutsche lassen Juden sterben. Frauen und Kinder in 
Warschau verhungern zu Tode«. Darin wurde ausgefiihrt, daB »judi- 
sche Mutter, Matter mit Erbarmen, froh sind, ihre sdugenden Babys 
sterben zu sehen, well dann zumindest deren Leid ein Ende hat.« 

Dieser Bericht ignoriert die Tatsachen, daB tiber Hamburg Hilfe 
nach Warschau gesendet worden war, wahrend Amerika immer noch 
neutral war, und daB erst einen Monat vorher, im Mai 1917, "Joint"- 
Vertreter sowohl durch den US-AuBenminister als auch durch deut- 
sche Behorden Vorkehrungen trafen, um iiber ein Komitee niederlan- 
discher Juden Hilfsgelder an die deutsch besetzten Gebiete Polens 
und Litauens zu entsenden, wie bereits in diesem Kapitel angefiihrt 



''" A. Ponsonby, aaO. (Anm. 77), S. 183-185. 

»Germans Let Jews Die. Women and Children in Warsaw Starving to Death«, 
New York Times, 10. August 1917. Der vollstandige Text wird im Anhang auf S. 
121 wiedergegeben. 

49 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

wurde. Die Niederlande schafften es, wahrend des ganzen Krieges 
neutral zu bleiben, und gewahrten Kaiser Wilhelm II Asyl von seiner 
Abdankung an bis zu seinem Tode 1 94 1 . 

Die Balfour- Erklarung tragt das Datum vom 2. November 1917, 
obwohl an den Formulierungen in der Deklaration schon iiber Jahre 
hinweg gearbeitet worden war. Z.B. wurden die Worte »nationale 
HeimstatUi anstatt »Nation« gewahlt, um die Befiirchtungen zu zer- 
streuen, daB die arabischen Moslems und die Christen, die dort be- 
reits lebten, vertrieben wtirden. Lord Balfour vom britischen Auswar- 
tigen Amt unterzeichnete und versandte an Lord Rothschild einen 
Brief mit den Worten: 

»Ich habe grofie Freude, Ihnen seitens der Regierung Ihrer Maje- 
stdt folgende Sympathie-Bekundung gegenuber den zionistisch- 
jildischen Bestrebungen ubermitteln zu konnen, die dem Kabinett 
vorgelegt und von diesem gebilligt wurde: "Die Regierung Ihrer Ma- 
jestdt sieht die Errichtung einer nationalen Heimstatt filr das jiidi- 
sche Volk in Paldstina mit Wohlwollen und wird ihr Bestes tun, um 
die Erreichung dieses Zieles zu erleichtern, wobei klar verstanden 
wird, dafi nichts getan werden soil, was die Bilrgerrechte und die re- 
ligiosen Rechte bestehender nicht-jiidischer Gemeinschaften in Pa- 
ldstina oder die Rechte und den Status, den Juden in irgendeinem 
anderen Land geniefien, beeintrdchtigen konnte. " Ich ware Ihnen 
dankbar, wenn Sie diese Erklarung der Zionistischen Foderation zur 
Kenntnis bringen wiirden.« 

Einen Monat nach der Balfour-Erklarung im Dezember 1917 be- 
setzte die britische Armee Jerusalem. 

1918 fiihrte Louis Marshall eine Kampagne an, um 20 Millionen 
Dollar fur, wie sie sagten, die Millionen von hungernden Juden in 
den Kriegsgebieten zu sammeln.^' Obwohl sie als »nicht glaubens- 
gebunden« bezeichnet wurde, erklarte Felix Warburg, der Vorsitzen- 
de der Kampagne von 1918:^^ 

»Diese Kampagne ist ausschliefilich filr die jiidische Zivilbevol- 
kerung in Europa, Paldstina und Kleinasien.« 



»No Sectarianism In Jewish Driven, New York Times, 15. September 1918. 
Broschiire mit dem Titel »A Message from Felix M. Warburg, Chairman, Jewish 
War Relief 1918 Campaign, New York City, Conducted by the American Jewish 
Relief Committee - Louis Marshall, Chairman; Central Relief Committee — Leon 
Kamaiky, Chairman; People's Relief Committee — Alexander Kahn, Chairman«, 
29. Sept. 1919. 



50 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

Ebenfalls 1918 wurde Aer American Jewish Congress mit den ur- 
spriinglichen Zielen gegrtindet, »humanitdre Hilfe fur europdische 
Juden zu gewdhren, die unter dem Blutbad des Krieges gelitten ha- 
ben, sowie den Staat Israel in Paldstina wiederherzustellen.« Der 
American Jewish Congress betrachtete sich selbst als die Stimme der 
osteuropaischen Juden, mehr als das American Jewish Committee, 
dessen Mitglieder hauptsachlich deutsche Juden waren. 

Rabbi Stephen S. Wise war die Hauptfigur des American Jewish 
Congress wahrend seiner Griindungszeit.^^ Er war in Ungarn geboren 
worden, Sohn eines Rabbi und einer Porzellanerbin und Enkel von 
Joseph Hirsch Weisz, einem GroBrabbi von Ungarn. Er wurde von 
seinen Eltem als kleines Kind 1875 nach New York gebracht, als sein 
Vater Rabbi einer Gemeinde in Brooklyn, New York, wurde. Wise 
junior wurde von seinem Vater und dem Prediger Dr. Gustav Gotheil 
im Talmudrecht unterwiesen. Er besuchte das College der Stadt New 
York und voUendete angeblich seine Studien im Ausland. Nachdem 
er in die Vereinigten Staaten zuriickgekehrt war, wurde er im Alter 
von 20 Jahren zum Rabbi der Gemeinde B'nai Jeshurun in New York 
gewahlt, wo er iiber fiinf Jahre blieb. Kurz nach dem Juni des Jahres 
1 900 ging er nach Portland, Oregon, um cine Kongregation anzufiih- 
ren, und kehrte dann nach New York zuriick, wo er 1906 die Freie 
Synagoge griindete. Schon friih war Dr. Wise fur seine progressiven 
Ideen zu allgemeinen Themen bekannt sowie als Exponent des Zio- 
nismus, einer Bewegung, die sich damals iiber die Wiederherstellung 
der jiidischen Nation Gedanken machte.^"* 

Es ist iiberliefert, daB Wise bereits im Jahr 1900 einer zionisti- 
schen Versammlung mitteilte, daB »es 6.000.000 lebende, blutende, 
leidende Argumente zugunsten des Zionismus« gebe, wie in einem 
Artikel der New York Times berichtet wird.^^ 

1906 hatte Dr. Wise die Freie Synagoge gegrtindet, eine unabhan- 
gige reformierte Synagoge in der West 8 1 . Street in New York City, 
tjber seine Predigten wurde gelegentlich in der New York Times be- 
richtet. Im Jahr 1908 war der Neujahrsgottesdienst so uberfiillt, daB 
fiir die tiberzahlige Menge eine Ansprache von Eugene Lehman von 
der Yale Universitat, dem Prasidenten der benachbarten Religions- 

**' G. Ivers, aaO. (Anm. 45), S. 5 1. 

^'^ »Dr. Wise To Go To Portland«, New York Times, 3. August 1898, S. 1. 

»Rabbi Wise s Address«, New York Times, 1 1 . Juni 1 900, S. 7. Fur den ganzen Ar- 
tikel vgl. Anhang, S. 117. 

51 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

schule, gehalten wurde.^*' Sein Ton war haufig ausgesprochen populi- 
stisch. In einer Predigt beschuldigte Wise die Standard Oil Company 
des Landesverrats und des moralischen Bankrotts.^^ Von der Carne- 
gie Hall aus predigte er, daB gewisse Kritik ignoriert werden mtisse, 
aber daB es eine Pflicht sei, »jedem Angriff auf Ehre, Rechtschaffen- 
heit und Gerechtigkeit zu begegnen, uns unter den Menschen zu K6- 
nigen und zu ritterlichen Verwaltern der Gerechtigkeit gegeniiber der 
Menschheit im Ganzen zu machen.« In einer weiteren Predigt 
wandte er sich gegen 13 Richter des Staates New York, well sie an 
einem Bankett zu Ehren eines friiheren Anfuhrers der Tammany 
(Fiihrungskreis in der Demokratischen Partei) teilgenommen batten. 
Er predigte gegen Eben zwiscben Juden und Cbristen.**^ Er spracb in 
einer Seventh Avenue Methodisten-Kirche unter dem Patronat der 
Friedensgesellscbaft, deren President Andrew Carnegie war, wobei er 
den »Schmieren-Journalismus, der unser Land in den Krieg filhren 
wiirde«, angriff. Ein ausgezeicbnetes Tbema, sogar fiir die beutige 
Zeit! Wise engagierte sicb aucb zugunsten einer Gesetzesvorlage, die 
in der New Yorker Gesetzgebung anstand und Friedbofe zugunsten 
des Allgemeinwobls besteuem und "auf Profif untersucben wollte.^" 

Eine Gescbicbte, die er gewQbnlicb erzablte, war, daB ibn im Jabr 
1914 der Btirgermeister von New York City anrief und am Telefon 
fragte: 

»Dr. Wise, hier ist John Mitchell. Wo zum Teufel liegt Armenien? 

[...] Einige Vertreter von Armenien kommen in wenigen Minuten in 

dieses Biiro und ich weifi nicht, wo Armenien liegt und was diese 

Leute wollen.« 

Wise sagte, er scblug vor, daB Mitcbell einen guten Stenograpben 
ans Telefon bracbte und diktierte eine kurze Willkommens- und Gra- 
tulationsbotscbaft an die Gentlemen aus Armenien.^' 

Im November 1918 wurde Wise zum Vorsitzenden einer Delega- 
tion gemacbt, die fur die Zionist Organization of America nacb Lou- 



se 

87 
88 
89 
90 
91 

52 



»Throng at Free Synagogue«, New York Times, 27. September 1908, S. 7. 

»Holds Oil Trust Guilty of Treasons, New York Times, 12. Oktober 1908. 

y>Dr Wise On Attacks^, New York Times, 12. Marz 1912. 

»Dr. Wise Against Intermarriage«, New York Tmes, 4. Oktober 1909. 

»Would Tax Cemeteries«, New York Times, 9. Marz 1913. 

Stephen S. Wise, Challenging Years. The Autobiography of Stephen Wise, New 

York: Putnam's Sons, 1949, S. 15. 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

don soUte.'^ Nachdem Wise mit Lord Balfour, dem britischen Au- 
Benminister, konferiert hatte, war er im Januar 1919 in Paris, wo er 
mit Oberst House eine Unterredung fuhrte und den Orden der Ehren- 
legion als Anerkennung ftir seine herausragenden Dienste fur die 
franzosische Sache erhielt. Als er gefragt wurde, ob es irgendeine 
Wahrscheinlichkeit fur Grenzschwierigkeiten im Nahen Osten geben 
wtirde, sagte Dr. Wise: 

»Nicht wenn Frankreich und Grofibritannien in einem Geist han- 
deln, wie man es von Freunden und Verbilndeten erwartet - und 
wenn sie wdhrend der ganzen Konferenz nicht unangebrachte Re- 
geln und fragwurdige Tatsachen, sondern diesen Geist berilcksichti- 
gen.« 

Nach seiner Riickkehr in die Vereinigten Staaten traf sich Dr. Wi- 
se 1919 mit Prasident Wilson, der ein jiidisches Commonwealth in 
Palastina unter britischer Herrschaft billigte. Wise wurde am 13. 
Marz 1919 auf Seite eins der New York Times mit den Worten zi- 
tiert: 

»Der Wiederaufbau Zions wird die Wiedergutmachung des gan- 
zen Christentums filr das an den Juden begangene Unrecht sein.« 
AnlaB war ein Treffen zionistischer Ftihrer, das von Wise und 
Prasident Wilson im WeiBen Haus geleitet wurde, auf dem man Men- 
schenrechtsgarantien fiir Juden in der ganzen Welt einschlieBlich 
Osteuropa und Palastina diskutierte. Danach sprachen Wise und an- 
dere Ftihrer vor einer groBen Zuhorerschaft in Washington D.C. tiber 
seine jiingsten Erfahrungen in Paris und deren Bezug zur Pariser 
Friedenskonferenz. Er sagte voraus, daB GroBbritannien durch den 
Volkerbund ein Mandat tiber Palastina akzeptieren werde und daB 
die Juden an ihren rechtmaBigen Platz in der Welt zuriickkehren 
wiirden. 

Diese Artikel zeigen, daB die jiidische Lobby 1919 international, 
zielgerichtet und machtig geworden war. Sie hatte freundschaftliche 
Beziehungen zu den Fiihrern der siegreichen alliierten Regierungen 
und eine starke Stimme bei der Pariser Friedenskonferenz. Wise war 
eine wichtige Figur an der Spitze der Zionist Organization of Ameri- 
ca und spater die treibende Kraft hinter dem American Jewish Con- 
gress. Wise traf sich mit Weltfiihrern und erschien in deren Termin- 



'^ »Send Zionist Mission«, New York Times, 29. November 1918. 

^President Gives Hope to Zionistsa, New York Times, 3. Marz 1919, S. 1. Der 
vollstandige Artikel im Anhang, S. 129. 

53 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

kalendern, wobei er die jiidische Fiihrung hinsichtlich der Palastina- 
Frage reprasentierte. Chaim Weizmann, Vorsitzender des British Zio- 
nist Committee und zentrale Figur dieser Organisation bei der Pariser 
Friedenskonferenz, deutete an, daB die AUiierten und vor allem die 
Briten gegeniiber der zionistischen Sache wolilwollend eingestellt 
waren. Wahrend er Vertrauen und Zuversicht dartiber zur Schau trug, 
daB sich das Mandat Palastinas durch den Volkerbund auf nattirliche 
Weise in ein jiidisches Commonwealth entwickeln wiirde, sagte 
Weizmann: 

»Der Volkerbund hat es moglich gemacht, einem jahrhunderteal- 
ten Wunsch der jildischen Rasse Ausdruck zu verleihen.« 
Weizmann wird die beriihmte Vorhersage aus den fruhen 1920er 
Jahren zugeschrieben, daB Palastina »so judisch wie England eng- 
lisch« werden wtirde.^"^ 

Ein Nachrichtenartikel zum Geldsammeln aus der Friihzeit des 
American Jewish Congress vom 20. Mai 1920 beinhaltete diese Bot- 
schaft: 

»Der Fends fur jiidische Kriegsopfer in Mittel- und Osteuropa, 
wo sechs Millionen entsetzlichen Bedingungen des Hungers, der 
Krankheit und des Todes ins Auge blicken.« 
Im zweiten Abschnitt sagt Dr. Wise: 

»Wenn amerikanische Juden jetzt nicht denjenigen helfen, die 
ohne eigenes Verschulden leiden, wird die Verantwortung auf ihren 
Schultern ruhen, falls sie elend zugrunde gehen. Sicher wird kein 
amerikanischer Jude mil Selbstrespekt wilnschen oder auch nur tole- 
rieren, dafi cine grofie Zahl jiidischer Menschen vernichtet wird.« 
Der Artikel listet viele groBe Beitragszahler auf, einschlieBlich ei- 
ner 10.000-Dollar-Spende von Adolf Ochs, der damals Eigentiimer 
der New York Times war. 

Wir konzentrieren uns nun auf Stephen S. Wise aufgrund seiner 
Rolle, den Vernichtungsberichten des Zweiten Weltkrieges bei den 
amerikanischen Massenmedien iiber die New York Times zum Durch- 
bruch zu verhelfen. Ein Artikel der New York Times vom 25. Novem- 
ber 1942, verfaBt unter dem Namen James MacDonald, wird im US 
Memorial Museum in Washington D.C. ausgestellt. Er hat den Titel: 



'"* S.S. Wise, aaO. (Anm. 91), S. 109. 



'' »Jewish War aid Gets $100,000 Gift«, New York Times 7. Mai 1920, S. 11, vgl. 
Anhang, S. 154. 

54 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

»Himmler-Programm totet polnische Juden. [...] Polnische Be- 
horden veroffentlichen Daten - Dr. Wise erhdlt hier vom Aufienmini- 
sterium eine Bestdtigung. « 

Der erste Teil des Artikels basierte auf einem Bericht, den die 
polnische Exil-Regierung in London am 24. November herausgege- 
ben hatte, obwohl angeblich Details des Berichts vorher in unge- 
nannten palastinensischen Zeitungen gedruckt worden waren. Er be- 
sagte, daB Himmler im Juni 1942 Warschau besucht und befohlen 
habe, daB bis zum Ende des Jahres die Halfte der Juden in Polen ge- 
totet werden sollte und daB dies derzeit in ganz Polen geschehe, vor 
allem in Treblinka, Belzec und Sobibor. Auschwitz wird nicht er- 
wahnt.^'' Stephen S. Wise, noch immer Prasident des American Je- 
wish Congress wie auch Vorsitzender des World Jewish Congress, ist 
die Quelle der zweiten Halfte des Artikels » Wise erhdlt Bestdtigung - 
priift mit dem Aufienministerium beziiglich der Vernichtungskampa- 
gne der Nazis.« Wise sagte, daB er durch ungenannte, vom AuBen- 
ministerium bestatigte Quellen erfahren habe, »dafi etwa die Hdlfte 
der vermutlich 4. 000. 000 Juden im von den Nazis besetzten Europa 
in einer Vernichtungskampagne getotet worden seien«, und daB »der 
Plan von Herman Backe, Staatssekretdr im Wirtschaftsministerium, 
entworfen und von Hitler bis zum Spdtsommer umgesetzt wurde.« 
Wise prasentierte ein detailliertes Memorandum tiber Gewalttaten, 
die in von deutschen, rumanischen, ungarischen und slowakischen 
Truppen besetzten Gebieten begangen worden seien, und faBte die 
zahlenmaBigen Auswirkungen der Kampagne auf die Juden, die in 
jedem Land lebten, zusammen. Ein Beispiel: 

»Die Gesamtzahl der Juden in Polen sollte nach Abzug von etwa 
500.000 FlUchtlingen in Rufiland etwa 2.800.000 betragen.« 
Ich mochte nicht sagen, daB die von Wise in dem Artikel ange- 
fiihrten Zahlen falsch waren, denn wenn jemand iiber die jtidische 
Bevolkerung im von Deutschland besetzten Europa des Jahres 1942 
informiert war, dann sollte man annehmen, daB dies der Vorsitzende 
des World Jewish Congress gewesen sein mtiBte. Er wtirde eher die 
Zahlen aufblahen, was hier der Fall gewesen sein mag. Ein Beispiel 
ist die angebliche Anzahl von Juden in Polen. Da es vor 1918 keinen 



Nach Arthur Butz, Der Jahrhundert-Betrug, aaO. (Anm. 9), S. 81, erschien Au- 
schwitz in der alliierten Kriegspropaganda erst mit der VerSffentlichung einer 
Broschiire durch das War Refugee Board im November 1944. Es ist daher ver- 
standlich, dafi Auschwitz in diesem Bericht von 1942 nicht erwahnt wird. 

55 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

polnischen Staat gab, waren die Juden zuvor auch als Burger anderer 
Lander, hauptsachlich RuBlands, gezahlt worden. 1939, als Stalin in 
Ostpolen einfiel, geschah dies unter dem Vorwand, die Minderheiten 
in dem Gebiet zu schtitzen, das zwei jahrzehntelang Polen gewesen 
war. Die Sowjetunion betrachtete die Juden unter ihrer Herrschaft als 
sowjetische Burger, da sie vor 1918 russische Burger gewesen waren. 
Ferner zogen viele sogenannte polnische Juden nach Ungam, ein 
Land, das Wise aus seiner statistischen Analyse heraushielt. Dieser 
Artikel enthalt mehrere Unstimmigkeiten und ist historisch nur be- 
deutsam wegen seines Zeitpunkts, nicht aber wegen seiner Genauig- 
keit. 

Es gibt noch viele andere Artikel. Zum Beispiel befmdet sich auf 
Seite 1 der New York Times vom 22. Juli 1942 ein Artikel, der die 
Texte der GruBbotschaften von Prasident Franklin Roosevelt und 
Premierminister Churchill an Dr. Wise enthalt, die vage Aussagen 
iiber Gewalttaten machten.'^ Es gibt weitere solcher Beispiele. Ent- 
scheidend ist, daB Wise ein wichtiger Faktor war, urn der Holocaust- 
Story des Zweiten Weltkrieges in den Massenmedien iiber die New 
York Times zum Durchbruch zu verhelfen, daB er damals auf cine 
iiber 40 Jahre lange aktive Beziehung zur Times zuriickschauen 
konnte, und daB er zudem eine lange Vorgeschichte von Vernich- 
tungsbehauptungen aufzuweisen hat, die bis vor den Ersten Welt- 
krieg zuriickreicht. Dies macht Wises Aktivitaten wahrend der Holo- 
caust-Spendenaktionen der Ara des Ersten Weltkrieges um so bedeu- 
tender. 

Einige andere Beispiele. In einer Predigt in der Carnegie Hall er- 
klarte Wise, daB die Juden nicht an »den Christus des Dogmas« 
glauben konnten, »um gerettet oder sicher zu sein.« Beziiglich Jesus 
Christus sagte Dr. Wise 1938:''^ 

» Wir haben ihn nie abgelehnt. Er start wie Millionen von Juden 

heute sterben.« 

Es gibt mehrere Artikel iiber Wises Ansichten iiber Jesus. Einer 
beschwor die Juden, die historische Realitat Jesu und die Natur sei- 
ner Handlungen anzuerkennen.^^ In einem anderen woUte Dr. Wise, 



Ebenda, S. 93; Butz erSrtert eine groBe Anzahl Zitate aus der New York Times, 

ebenda,S. 90-113. 

»Totalitarianism is Scored - Dr. Wise Declares Jews Cannot Believe in "Christ of 

Dogma"«, New York Times 18. April 1938, S. 15. 

»Jesiis As A Reality - Rabbi Wise Thinks Jews Should Agree as to His Activities«, 



56 



Kapitel 2: Aktivitaten wdhrend des Ersten Weltkriegs 

daB die Christen aufhorten, die Juden zu missionieren, und daB 
christliche Geschichtsbiicher nicht lehrten, daB die Juden versucht 
hatten, Jesus zu to ten: 

»Der christliche Lehrer sollte riickwdrts lesen und versuchen, 
dem christlichen Kind klarzumachen, dafi das alles vor longer Zeit 
geschah, dafi wir nicht wissen, wo die Verantwortung liegt. Einige 
Juden gingen mit ihm, einige wandten sich gegen ihn. Aber seine 
Mutter war eine jildische Frau. « 
Wise schrieb in seiner Autobiographie Challenging Years:^^^ 

»Ich habe es als meine heilige Pflicht angesehen, wenn ich 
christliche Gruppen und Komi tees ansprach, sie daran zu erinnern: 
Selbst wenn bewiesen werden konnte, was natUrlich nicht der Fall ist 
[so Wise], dafi Juden - und nur Juden -fiir die Kreuzigung verant- 
wortlich waren, dafi diejenigen, die sich seine Nachfolger nennen, es 
nicht wagen sollten, Jesu letzte Bitte beziiglich seiner Verfolger zu 
Ubersehen oder zu ignorieren.« 

Wise dachte, daB Christen das Leben und die Lehren des Juden 
Jesus durch die Betonung seiner Auferstehung vernachlassigten und 
daB viele Juden Jesus den Juden nicht abgelehnt haben. Wise hielt es 
ftir unbestreitbar, daB y>Jesus ein Jude war, nicht ein Christ.« Wenn 
wir freilich dieser Logik bis zu ihrer letzten Absurditat folgen, dann 
sollte betont werden, daB Buddha als Hindu geboren wurde, daB Lu- 
ther als Katholik geboren wurde und daB John Wesley als Anglikaner 
geboren und sogar in seinen anglikanischen Talaren begraben wurde. 
George Washington wurde als Englander geboren und die Englander 
haben den Englander Washington nie abgelehnt. El Libertador Simon 
Bolivar wurde als Spanier geboren, u.s.w. 

Wise sagte abermals in seiner 1949 veroffentlichten Biogra- 
phie:'"> 

»Es wird glaubwUrdig und sogar nachpriifbar berichtet, dafi sich 
in alien Verhandlungen iXber neutrale Machte im letzten Kriegsjahr 
seitens der Vertreter des Nazi-Regimes 1944 die erste Forderung 
Hitlers nicht auf Gebiete oder Reparationen bezog, sondern auf die 
Auslieferung von Juden aus Ldndern wie England und den Vereinig- 
ten Staaten an ihn.« 



New York Times, 25. April 1 925; »Jesus Lived, Dr. Wise Tells Jews«, ebd., 2 1 . 

Dezember 1925. 
""' S.S. Wise, aaO. (Anm. 91), S. 282. 
"" Ebenda, S. 235f. 

57 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Man kommt nicht umhin, sich zu fragen, wieviel er von dem, was 
er sagte, tatsachlich glaubte, aber es ist moglich, daB er alles glaubte, 
was er sagte. 

Fassen wir dieses Kapitel zusammen: am Beginn des Ersten 
Weltkrieges etablierte die Fiihrung des American Jewish Committee 
das American Jewish Joint Distribution Committee for Jewish War 
Sufferers, angeblich, um Juden zu helfen, die in Palastina lebten. Es 
transferierte tiber jtidische Wohlfahrtsorganisationen in Deutschland 
Hilfe an Juden, die in Osteuropa lebten, bis Amerika dem Krieg bei- 
trat, wonach weiterhin Hilfe durch die neutralen Niederlande tiber- 
mittelt wurde mit Erlaubnis der deutschen und der amerikanischen 
Regierungen. Das Leiden jiidischer Zivilisten, die in Osteuropa leb- 
ten, wurde buchstablich als Holocaust beschrieben, als ein einzigarti- 
ges Leiden, und regelmaBige Geldsammelaktionen wurden wahrend 
des ganzen Krieges durchgefiihrt, um diesen Menschen zu helfen. 
Der 27. Januar 1916 wurde durch Prasident Wilson als Jewish Suffe- 
rers Relief Day (Hilfstag fiir jiidische Leidtragende) markiert, und 
ebenfalls im Jahr 1916 wurde ein einfluBreiches Buch seitens des 
American Jewish Committee mit dem Titel The Jews in the Eastern 
War Zones (Die Juden in den ostlichen Kriegsgebieten) veroffent- 
licht, das berichtete, daB den Juden Rechte vorenthalten wtirden, die 
man keinem anderen Volk vorenthalte, und welches die Worte "sechs 
Millionen" und "Vernichtung" gebrauchte, um ihre Verfolgung unter 
dem Zaren zu beschreiben. Die antideutsche Kriegspropaganda, die 
sich sowohl an Juden als auch an Nichtjuden in den Vereinigten Staa- 
ten wandte, erreichte einen Hochststand zur Zeit des Eintritts der 
USA in den Ersten Weltkrieg. Die Balfour-Erklarung wurde einen 
Monat vor dem Einmarsch der britischen Armee in Jerusalem ver- 
kiindet. Der American Jewish Congress wurde gegriindet und sowohl 
das American Jewish Committee als auch der American Jewish Con- 
gress entsandten Delegierte zur Pariser Friedenskonferenz, die Pala- 
stina unter britisches Mandat brachte. 



58 



Kapitel 3: 
Nachkriegskampagnen 



»Die Juden hatten im Krieg am meisten zu leiden. "Die aufein- 
anderfolgenden Schldge streitender Armeen haben dem europdi- 
schen Judentum fast das Ruckgrat gebrochen und sturzten etwa 
6.000.000 Seelen oder die Hdlfte der judischen Weltbevolkerung in 
unglaublich tragische Armut, Hunger und Krankheit. "« 

— Aus einer Erklarung von Felix Warburg, 
Vorsitzender des Joint Distribution Committee, November 1919.'"^ 

»In Europa gibt es heute mehr als 5. 000. 000 Juden, die hungern 
oder kurz vor dem Verhungern sind, und viele sind im Griff einer vi- 
rulenten Fleckfieber-Epidemie.« 

Am 26. Oktober 1919 sprach Felix Warburg von Paris aus tiber 
Plane, die Aktivitaten des Joint Distribution Committee von der Not- 
bzw. allgemeinen Hilfe auf Wiederaufbauhilfe umzustellen:'"'' 

»Die 30 Millionen Dollar, die seit dem Krieg von Amerika als 
Hilfe fur jUdische Opfer der Kriegsprogramme gegeben wurde, sind 
gut verwendet worden und dienten dem Zweck, Leib und Seele von 
Millionen Ungliicklicher zusammenzuhalten, die andernfalls gestor- 
ben wdren. 

Warburg erkldrte: "der grojie Bedarf an dringenden Nahrungs- 
hilfen, Bekleidung und Obdach besteht noch immer, aber wenn sich 
Europa erholt, wird der Bedarf an Geld fiir diesen Zweck nachlas- 
sen. Er Idfit schon jetzt nach. Wir hoffen, dafi wir 20 Millionen Dol- 
lar in einer amerikanischen Aktion bekommen, und wir verwenden 
vielleicht die Hdlfte davonfur sofortige Hilfen. 

Die andere Hdlfte wird als Kapital fur eine Bank verwendet. Was 
die Juden und jeder andere in Europa brauchen, sind Rohstoffe, um 
wieder an die Arbeit gehen zu konnen. [...] Wir verhandelten mit 
Bankiers vor Ort im ganzen betroffenen Gebiet und sagten: 'Wir ge- 



'°^ »Tells Sad Plight ofJews«, New York Times, 12. November 1919, s. 7. Vgl. An- 



hang, S. 156. 

Leitartikel, New Yoric Times, 21. April 1920, S. 8. 

Leitartikel, New Yoric Times, 27. Oktober 1919, S. 3. 

59 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

ben euch eine bestimmte Menge Geld, wenn ihr eine gleiche Menge 
als Darlehen ausgebt, um die Menschen wieder in ihren gewohnten 
Berufen zu etablieren. ' 

Wir wollen die Juden so weit wie moglich zu Handwerk und 
Landwirtschaft ermuntern und vom reinen Handel weghalten. Wir 
glauben, dafi wir auf diese Weise viel tun konnen, um Rassenvorur- 
teile zu beseitigen. Dieser Plan, Geld zu geringem Zins zu verleihen, 
kann ein grofier Schritt in diese Richtung sein. 

Ich sehe keinen Grund zur Annahme, dafi die grofie Masse der 
Darlehen, die wir vergeben wollen, keinen Profit abwerfen. Selbst- 
verstdndlich sind wir primdr an den Juden interessiert, aber soweit 
wie moglich hoffen wir, Geschdfte zu machen - darum handelt es 
sich — undzwar auch mit Nichtjuden. "« 

Nachdem er von seiner Paris-Reise nach New York zuriickgekehrt 
war, berichtete Felix der New York Times in einem Artikel, daB die 
Juden die groBten Leidtragenden des Krieges waren, »und etwa 
6. 000. 000 Seelen, oder die Hdlfte der jiidischen Weltbevolkerung, 
sturzten in unglaublich tragische Armut, Hunger und Krankheit.« 
Zur selben Zeit reprasentierte einer von Felix' alteren Briidern, Max 
Warburg, Deutschland in ihrem Finanzkomitee bei der Friedenskon- 
ferenz von Versailles. Max fuhrte die Warburg-Bank in Hamburg und 
spielte bei jeder groBeren Reparationskonferenz 14 Jahre lang eine 
bedeutende RoUe, was ihm groBen, wenn auch inoffiziellen EinfluB 
verschaffte. Wahrend der Weimarer Republik war Max Warburg im 
Zentralrat der Reichsbank und im Aufsichtsrat von 27 deutschen 
Firmen, einschlieBlich der I.G. Farben. 

Vertreter des amerikanischen Roten Kreuzes und des American 
Jewish Committee arbeiteten in einem abgelegenen Gebiet Polens, 
nach einem weiteren Artikel von 1919:'"^ 

»Der Krieg hat 5.000.000 elende und hart getroffene Juden in 
Osteuropa hinterlassen. [. . .] Ihre Zahl wirdjeden Tag weniger durch 
eine Serie der schrecklichsten Epidemien, die jemals Uber irgendein 
Gebiet der Welt hinwegfegte.« 



Felix M. Warburg Tells Sad Plight ofJews«, New York Times, 29. September 



1919, S. 7. Fiir den voUstandigen Artikel vgl. Anhang, S. 129. 
»Five Million Face Famine in Polandu, New York Time 
24. Fiir den voUstandigen Artikel vgl. Anhang, S. 141. 



»Five Million Face Famine in Poland«, New York Times, 3. Dezember 1919, S. 

60 



Kapitel 3: Nachkriegskampagnen 

Er schrieb dies einer ungliicklichen geographischen Lage zu, die 
bewirke, daB die Juden »mehr als jeder andere Bevolkerungsteil an 
den Folgen des Kriegs« litt. 

Felix Warburg hatte eine Sekretarin, Harriet Lowenstein, die im 
Joint Distribution Committee aktiv war. Sie ging ftir dieses nach Eu- 
ropa und kaufte der US-Armee massenhaft Waren ab. Als die Solda- 
ten fragten, was sie mit den iiber 100.000 Kerzen tun woUe, die sie 
kaufte, sagte sie ihnen, daB die Kerzen die Ratten von den Toten in 
den schrecklichen Kellern femhalten soUten, in denen so viele der 
elenden Juden in Polen lebten. Dies war, nach Lowenstein, absolut 
wahr.'"^ 

Dieser Artikel wurde offenbar Monate nach den Ereignissen ge- 
schrieben, vermutlich in New York, nachdem Fraulein Lowenstein 
von Europa zuriickgekehrt war. Man konnte dariiber spekulieren, wie 
diese Geschichte entstehen konnte. Womoglich wurde sie geschrie- 
ben, um Geriichte unter den amerikanischen Soldaten zu erklaren, 
daB es eine jtidische Frau mit vielen machtigen Freunden gab, die je- 
den kreuz und quer durch Frankreich scheuchte und ganze Armee- 
vorrate und -ausriistungen zu Spottpreisen hamsterte. Es ist aber auch 
moglich, daB diese Geschichte lediglich geschrieben wurde, um Mit- 
leid zu erheischen und um den Forderem des "Joint" zu demonstrie- 
ren, daB sie fiir ihr Geld einen angemessenen Wert erhielten. Das al- 
les wiirde freilich die schlagfertige Antwort mit den Kerzen gegen- 
iiber den amerikanischen Soldaten nicht erklaren. Nattirlich war da- 
mals nur ein kleiner Prozentsatz der vielen Bedtirftigen in der Welt 
jiidisch, genauso wie heute, obwohl der Staat Israel den Lowenanteil 
der gesamten US-Auslandshilfe erhalt. Manche Dinge andern sich 
eben nie. 

Hier eine weitere beachtenswerte Meldung aus dem Jahre 1919. 
Der friihere US-Botschafter in der Tiirkei, Henry Morgenthau Sr., 
Vater von Henry Morgenthau Jr., berichtete nach seiner Riickkehr 
von einer offiziellen Mission in Polen, daB fiinf bis zehn Millionen 
Menschen im kommenden Winter in Europa und dem Nahen Osten 
dem Hungertod entgegensahen. DaB es zu jener Zeit in Europa mas- 



"" -^Spends $2,000,000 in one Bargain Hunt«, New York Times, 26. Oktober 1919, 
Sektion 2, Seite 1. Fiir den vollstandigen Artikel vgl. Anhang, S. 136. 

61 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

siven Hunger gab, ist sicher wahr. Aber sein eigentliches Ziel war 
nicht einfach, liber die "hungemden Millionen" zu sprechen.'"** 

Die zentrale Aussage dieses Artikels ist ein Thema, das wir seither 
unzahlige Male an unzahligen Stellen und auf so viele Weisen betont 
gesehen haben. Morgenthau verwendet ein jtidisches Massaker als 
universelles Symbol fiir alles Leid der Menschen, die Ungerechtig- 
keit erleben. Morgenthau nannte das jtidische Massaker bei Pinsk 
»ein vollstdndiger Ausdruck des Elends und des Unrechts, welches 
heute in so grofien Teilen der Welt vorherrscht.« Spater bezeichnet er 
das Massaker als »Angstschrei einer schrecklich verfolgten Rasse; 
nach meinem Verstdndnis driickte es das Elend von Jahrhunderten 
aus, das Elend nicht nur der Juden, sondern auch der zahlreichen 
anderen Volker, die sett Jahrhunderten Gerechtigkeit gesucht und 
nicht gefunden haben.« Dies ist ein friiheres Beispiel fur den Ver- 
such, sich der christliche Botschaft zu bedienen, einen Versuch, den 
wir in der heutigen popularen Kultur immer ofter wiederfinden. 

Scholem Asch, ein bekannter Schriftsteller des Jiddischen, diente 
wahrend des Ersten Weltkrieges dem Joint Distribution Committee. 
Als das "Joint" 1919 nach Litauen kam, ging er in dessen Auftrag 
dorthin.'"^ Asch diente spater dem prosowjetischen American Com- 
mittee of Jewish Writers and Scientists (Amerikanisches Komitee jti- 
discher Schriftsteller und Wissenschaftler).'"* Drei Jahre vor dem 
Beginn des Zweiten Weltkrieges schrieb Asch tiber polnische Ju- 
den:'" 

»Die Menschen machten den Eindruck, als seien sie lehend be- 

graben warden. Jeder zweite war untererndhrt, Skelette aus Haul 

und Knochen, verkrilppelt, Kandidaten filr das Grab.« 

»In the Valley of Death« war ein fiktiver Artikel, den das New 

York Times Magazin 1 943 veroffentlichte und den Asch geschrieben 

hatte, worin er von 



»Say.s Ten Million.s Face Hunger Death«, New York Times, 3. Dezember 1919, S. 

19. VoUstandiger Artikel im Anhang, S. 139. 
"" Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. 11. 
"" Arkady Vaksberg, Stalin Against the Jews, New York: Alfred A. Knopf, 1 994, S. 

118. 

^ 
62 



'" Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. \i 



Kapitel 3: Nachkriegskampagnen 

»Gaskammern und Blutvergiftungsstationen« schrieb, »die auf 
dem Lande eingerichtet sind, wo Dampfschaufeln Gemeinschafts- 
graberfur die Opfer ausheben.« 

Am Ende des Ersten Weltkrieges gab es sicher hungemde Men- 
schen in Europa. Es gab Millionen von hungernden Deutschen, Polen 
und Russen. Ferner starben 1918-1919 mehr Menschen an einer 
weltweiten Grippeepidemie als im Ersten Weltkrieg umkamen. Am 
Weihnachtstag 1919 erbat das American Relief Committee for Ger- 
man Children, zu dem Jacob Schiff und Paul Warburg gehorten, 
Spenden fur hungemde deutsche Kinder durch die Society of 
Friends. 

1920 erfolgte ein nicht gruppenbezogener Spendenaufruf mit dem 
Slogan: »Dieses Mai ist die Last zu gigantisch, um von Juden alleine 
getragen zu werden« vom Greater New York Appeal for Jewish War 
Sufferers. An diesem Spendenaufruf beteiligten sich viele prominen- 
te protestantische und katholische Geistliche, die spezielle Muster- 
predigten vorbereitet hatten, die am Sonntag bei alien Konfessionen 
in der Kirche gehalten werden sollten. Das New York City Board of 
Education kooperierte, so daB die Kinder in den offentlichen Schulen 
die Geschichte vom Leid der Kinder in anderen Landern horen konn- 
ten. Erneut konzentrierte sich der Appell auf Polen, und 10.000 akti- 
ve Freiwillige halfen in der New Yorker Kampagne. Dr. Boris B. Bo- 
gen, der vom Joint Distribution Committee nach Warschau entsandt 
worden war, lieferte diesen Bericht:"^ 

»Hunger, kalte Lumpen, Verlassenheit, Krankheit, Tod - Seeks 
Millionen Mensehen ohne Nahrung, Obdaeh, Kleidung oder medizi- 
nische Behandlung. Zu keiner Zeit wdhrend des Krieges gab es in ir- 
gendeinem Land, nieht einmal in Belgien oder in Nordfrankreieh, ei- 
ne kritisehere Situation, einen grofieren Bedarf ein dringlicheres 
Verlangen nach Opfergaben, als jetzt in Ost- und Mitteleuropa. So- 
wohl die gegenwdrtige als auch die kilnftige Existenz eines ganzen 
Volkes steht auf dem Spiel. « 

Dieser Spendenaufruf des Jahres 1920 wurde durch mindestens 
zwei redaktionelle Artikel der New York Times unterstiitzt und ge- 
rechtfertigt. Einer mit dem Titel »A Work Of Mercya behauptete, daB 
die Juden, die mutig fiir die alliierte Sache gekampft hatten, keine 



"^ Sholem Asch, >>/« the Valley ofDeath«, New York Times, 7. Februar 1943 S. 16. 
»Jews Ask Public to Aid War Victims«, A 
den ganzen Artikel vgl. Anhang S. 143. 



'" »Jews Ask Public to Aid War Victims^, New York Times, 2. Mai 1920, S. I. Ftir 



63 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Heimat hatten und immer noch litten, obwohl der Krieg beendet war. 

Er besagte:""* 

»Es gibt heute in Europa mehr ah 5. 000. 000 Juden, die hungern 
oder am verhungern sind, und viele befinden sich in den Klauen ei- 
ner virulenten Fleckfieber-Epidemie. Bin Appell wurde an die ganze 
Welt gerichtet.« 

Ein anderer Times Kommentar mit der Uberschrift »The Jewish 
War Sufferers« berichtete:''^ 

»In Rufiland und in den benachbarten Ldndern sind die Juden ei- 
ner besonders ilblen Verfolgung ausgesetzt, die mit dem Krieg nicht 
geendet hat. Ohne irgendeine eigene nationale Organisation haben 
sie keine zentrale Einrichtung, an die sie sich wenden konnen. Da 
sie in abgesonderten und im allgemeinen verarmten Gemeinden le- 
ben, ist ihr Elend von einem Ausmafi, wie es andere Opfer nicht ken- 
nen. Es wird geschdtzt, dafi mehr als fiinf Millionen gegenwdrtig 
hungern oder vor dem Verhungern sind, und eine virulente Fleckfie- 
berepidemie wiltet unter ihnen und breitet sich bereits unter der be- 
nachbarten Bevolkerung aus. « 

Obwohl offensichtlich nicht wahr oder zumindest stark iibertrie- 
ben, wurden diese heute vollig vergessenen Berichte zu der Zeit, als 
sie verfaBt wurden, durchaus ernst genommen. Bitte bedenken Sie, 
daB die Presse im Jahr 1 920 tiber viel mehr Glaubwiirdigkeit verfug- 
te als heute. 

Am 10. September 1920 driickte President Woodrow Wilson in 
einem Brief an Stephen S. Wise, der damals ausfiihrender Vorsitzen- 
der des Committee on Jewish Status in Osteuropa war, Sympathie fiir 
die leidenden Juden in Osteuropa aus. Prasident Wilson erklarte:'"^ 

»Ich bin tief bewegt durch die von Ihnen ilbersandten Berichte 
iiber die Prilfungen und Leiden, die von Ihren Mitjuden in Osteuropa 
erduldet werden. Kein Amerikaner, ganz gleich welcher rassischen 
Abstammung oder religiosen Uberzeugung, kann umhin, die tiefste 
Anteilnahme gegeniiber den Juden Osteuropas zu empfinden, die 
nicht nur weiterhin die Last des Krieges tragen, sondern auch die 
Leiden, die unaufgekldrte und ungerechte Behandlung durch Regie- 
rungen und Volker mit sich bringt. [...] Ich hoffe, dafi diese Natio- 



New York Times, I'i. April 1920, S. 8. Fur den ganzen Artikel vgl. Anhang, S. 
141, wiedergegeben auf S. 154. 
"^ »The Jewish War Sufferers«, New York Times, 3. Mai 1920, S. 12. Fiir den ganzen 



116 



Artikel vgl. Anhang, S. 147, wiedergegeben auf S. 149. 

»President Urges Justice for Jews«, New York Times, 12. September 1 920. 



64 



Kapitel 3: Nachkriegskampagnen 

nen, mit denen unser eigenes Land politischen Austausch pflegt, al- 
les in ihrer Macht stehende tun zur Beendigung nicht nur der Recht- 
losigkeit ihrer judischen Bevolkerung, wie es die Minderheitenklau- 
seln des Friedensvertrags vorsehen, sondern auch aller Ungerech- 
tigkeiten und Ubel, die ihnen zugemutet werden. « 
Der Friedensvertrag, auf den sich Prasident Wilson bezog, war 
natiirlich der Versailler Vertrag und die Pariser Friedenskonferenz, 
die den Ersten Weltkrieg beendete. 

Zu dieser Zeit wurde das American Jewish Joint Distribution 
Committee als der »unbestrittene Kolofi der Uberseehilfe« bezeich- 
net.''^ Das Exekutivkomitee der Gruppe traf sich in Felix' Btiro bei 
Kuhn & Loeb oder im Rembrandt-Zimmer seines Anwesens, das 
nach den dort ausgestellten Rembrandt-Bildern benannt ist. 

Bis 1921 waren Gesellschaften fiir zinslose Darlehen und andere 
Finanzinstitutionen eingerichtet und mit Mitteln von Fiirsorgespen- 
den versehen worden. Anstatt daB Einlagen nebst Zinsen zuriickge- 
zahlt werden muBten, brauchte man niemandem etwas zurtickzahlen, 
wenn das Geld als Spende gegeben worden war. Man mochte mei- 
nen, es waren keine Zinsen verlangt worden. Aber wie ihre eigenen 
Unterlagen zeigen, berechnete das "Joint" erhebliche Zinsen, wie 
dieser Wortwechsel auf der Chicago Conference of the American Je- 
wish Relief Committee von 1921 beweist: 

»Mr. Adolf Kraus: "Ich mochte dem Sprecher cine Frage stellen. 
Ich habe Sie dahingehend verstanden, dafi diese Banken, die das 
Geld als Darlehen auszahlen werden, anfangs nicht mehr Zinsen in 
Rechnung stellen werden, als wenn wirfiir die Betriebskosten dieser 
Banken aufkommen wilrden. Habe ich Sie richtig verstanden. " 
Oberst Lehman: "Ja. " 

Mr. Kraus: "Wenn sich die anfdnglichen Kosten aufzehn Prozent 
belaufen, werden diesen Leuten dann zehn Prozent berechnet? " 

Oberst Lehman: "Ich habe gesagt, dafi wir nicht zulassen wer- 
den, dafi ihnen eine grofiere Summe in Rechnung gestellt wird, als 
notig. " 

Mr. Kraus: "Sie beantworten meine Frage nicht. " 
Oberst Lehman: "Ja, ich werde sie beantworten. Ich habe gesagt, 
dafi wir nicht erlauben werden, ihnen mehr in Rechnung zu stellen. 



"^ R. Chemow, aaO. (Anm. 36), S. 246. 



Aufzeichnungen der Chicago Conference of the American Jewish Relief Com- 
mittee, die vom 24-25 September 1921 stattfand. 

65 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Ich mochte nicht den Eindruck erwecken, dafi wir ihnen nicht erlau- 
ben werden, so viel zu berechnen, wie notig ist, um die Verwaltungs- 
ausgaben zu bestreiten. Mit anderen Worten, ich glaube, dafi etwa 
10 Prozent notig sein werden, um die Verwaltungsausgaben zu dek- 
ken. " 

Mr. Kraus: "Ich protestiere dagegen, diesen Leuten zehn Prozent 
Zinsen zu berechnen. " 

Oberst Lehman: "Ich mochte die Tatsache betonen, dafi das Wie- 
deraufbaukomitee, das Joint Distribution Committee, aufkeinen Fall 
zehn Prozent oder in dieser Grofienordnung berechnen wird. Das 
Wiederaufbaukomitee in Rumdnien belastet den Verbund der Koope- 
rative, was diese Darlehen auf zweieinhalb Prozent bringt. Man 
kann nicht erwarten, dafi die Leute, denen wir das Geld geben, die 
ganzen Verwaltungskosten ubemehmen. Sic sind bereit, ein Ver- 
lustrisiko wegen der Verwaltung zu ilbernehmen, aber wo die Ver- 
waltungskosten sagen wir sechs bis acht Prozent betragen, kann man 
schwerlich erwarten, dafi sic das selbst tragen. Ich sollte sagen, dafi 
in Polen die Verwaltungskosten in diesem Bereich liegen, wohinge- 
gen das Joint Distribution Committee lediglich drei oder vier Pro- 
zent erhalten wird. " 

Mr. Kraus: "Welchen Unterschied macht es filr den Mann, der 
den Zins bezahlt, ob die Bank in Rumdnien den Zins erhdlt oder in 
Polen oder das Joint Distribution Committee? Nach meiner Mei- 
nung sollten die Zinsen, wenn uberhaupt Zinsen berechnet werden, 
begrenzt sein, so dafi die Betroffenen nicht mehr als filnf Prozent 
zahlen. Wenn wir Wohltdtigkeit mit einer Zinsrate von 10 Prozent 
und mehr iXben, dann sollten wir aufhoren. Das ist uberhaupt keine 
Wohltdtigkeit. " 

Oberst Lehman: "Ich glaube nicht, dafi Sic die wirtschaftlichen 
Gesetzmdfiigkeiten im Hinblick auf die Verwendung von einer Mil- 
lion Dollar dndern konnen. Man kann sie bis zu einem gewissen 
Grade dndern. Ich denke Dr. Bogan wird mir bestdtigen, wenn ich 
sage, dafi die Zinsrate in Polen viel hoher als das ist. " 

Dr. Bogen: "In Polen werden die Gelder, die von Amerika kom- 
men, fur Wiederaufbauarbeit verwendet und dazu, dem polnischen 
Juden so zu helfen, dafi er in der Lage ist, sich selbst zu helfen. In 
Polen ist die iibliche Zinsrate 1 Prozent pro Woche oder 52 Prozent 
im Jahr. Die Juden in Polen mochten kein Geld ohne Zins ausleihen. 
Als ich ihnen sagte, dafi wir ihnen Hilfe gewdhren wurden, sagten 



66 



Kapitel 3: Nachkriegskampagnen 

sie mir, dafi sie Ihnen eine Anerkennung fur all das senden wollten, 
was an Hilfe geleistet wurde. " 

Der Vorsitzende: "Vorbehaltlich der Zustimmung der Konferenz, 
mochte der Vorstand anregen, dafi Fragen, die den Mitgliedern der 
Konferenz durch den Kopf gehen mogen, niedergeschrieben werden, 
und der Vorstand schldgt vor, dafi die fur eine Beantwortung der 
Fragen notige Zeit anberaumt wird"« 

Spater hatte man die Ausrede, daB die Zinsraten in Polen auf- 
grund des gefallenen Wechselkurses (Inflation) in Polen hoch seien, 
aber da das Geld in Dollar gespendet worden war, der seinen Wert 
behielt, dtirften die Wechselkursschwankungen keinen EinfluB ha- 
ben. 

Dann erorterte ein Dr. Rosenblatt von der Konferenz Pogrome 
und Kinder."^ Dr. Rosenblatt sagte: 

»Pogrome passieren tdglich. Sie entstehen sporadisch und unsy- 
stematisch, in einer Woche an dem einen Ort und in der ndchsten 
Woche an einem anderen Ort, und es gibt keine Macht auf Gottes 
Erde, die mit der Pogromsituation fertig wird. Ich mochte nicht, dafi 
Sie mich falsch verstehen. Die russische Regierung versucht das 
Moglichste, um mit der Situation fertig zu werden, aber sie ist 
machtlos, weil diese Pogrome, diese Pogrom-Bewegung, diese kri- 
minellen Machenschaften, um die Juden zu toten, eine gegen die so- 
wjetische Regierung gerichtete Bewegung ist. Ein Pogrom durchzu- 
fiihren ist fur sie gleichbedeutend mit der Bekdmpfung der Sowjetre- 
gierung, und deshalb ist das unlosbare Problem heute, wie man mit 
der Pogromsituation fertig wird. [. . .] 

Ich habe Szenen von spielenden Kindern gesehen. Was ist das 
Spiel der Kinder? Sie spielen Pogrome, eine Gruppe von 25 Kindern 
auf einer Seite und eine Gruppe von 25 Kindern auf der anderen Sei- 
te. Eine Gruppe organisiert das Pogrom und die andere Gruppe be- 
steht aus Juden, die sich selbst retten mussen, und die Psychologic 
dieser Kinder, die geistige Verfassung dieser Kinder ist das Schreck- 
lichste, was man sich denken kann. « 

Ein Herr Billikopf, der fiir drei Monate Kommissar des Joint Dis- 
tribution Committee in Galizien, Litauen, und Polen war, drangte auf 
eine neue Spendenkampagne:'^" 

»Ich befilrworte eine neue und sofortige Spendenaktion als das 
erste und dringendste Ziel, das vor uns liegt. Ich weifi, dafi die Worte 



'"Ebenda, S. 40f. 
™ Ebenda, S. 56. 



67 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

"Aktion " und "Kampagne " abstofiend geworden sind — dafi wir er- 
schaudern, wenn wir an sie denken, aher oh sie abstofiend sind oder 
nicht, es gibt 60.000 judische Waisen, die ohne uns sterben werden!« 
Dr. Nathan Krass sprach tiber einige der negativen Geriichte, die 
zur Zeit der Konferenz umgelaufen sein mtissen. Dr. Krass bezeug- 

»Ich habe oft den Ozean im Interesse des Joint Distribution Com- 
mittee Uberquert. Ich bin durch ganz Amerika gereist und bin daher 
geiibt, beide Seiten des Problems zu sehen. Ich sehe es aus der Sicht 
Europas; ich sehe es aus Amerikas Sicht. Ich sehe es durch Ihre Au- 
gen; ich sah es durch die Augen unserer Brilder dort. Ich bin froh, 
dafi ich dieses Jahr in Europa war, weil so viele unserer reichen Ju- 
den Amerikas dieses Jahr Touristen waren. Ich trafsie in Karlsbad, 
ich traf sie in Marienbad; sie waren ilberall, und iiberall beschwer- 
ten sie sich, weil sie in so vielen dieser Kurorte die Juden Europas in 
Hotels leben und ihr Leben geniefien sahen. Und weil diese wenigen 
Juden — die tausend, die sie in Karlsbad sahen, und die 800, die sie 
in Marienbad sahen, und die 500 in Wiesbaden — ihre Lei und ihre 
Lire aufgrund des Niedergangs des deutschen Wechselkurses in gro- 
fie Geldsummen in der Tschechoslowakei und in Deutschland umtau- 
schen konnten, kamen diese amerikanisch-judischen Touristen zu der 
schnellen Schlufifolgerung, dafi alle Juden in Europa reich und 
wohlhabend geworden seien und dafi wir ihnen daher nicht Idnger 
helfen miifiten, sondern wir sollten sie helfen lassen, sollten sie die 
Last von unseren Schultern nehmen lassen. « 

Er fiihrte weiter aus, daB er wahrend seines Aufenthalts in Europa 
auch Waisenhauser und Elend sah sowie hart arbeitende Mitarbeiter 
des "Joint". Unter anderem sprachen ebenfalls Felix Warburg und 
Henry Morgenthau auf dieser Konferenz. 

Die Sammelaktionen wurden auf mehr oder weniger jahrlicher 
Basis fortgesetzt. 1922 verurteilte ein Rabbi Joseph H. Hertz, Ober- 
rabbi des britischen Empire, die Stille der Pogrome, die ihm zufolge 
in der Ukraine durchgefiihrt wurden. Er erklarte:'^^ 

»[...] 1. 000. 000 Menschen wurden in drei Jahren abgeschlachtet. 
3.000.000 Menschen in der Ukraine wurden dazu gezwungen, 
"durch den Horror der Holle zu gehen. " [...] Er sagte, obwohl die 
Pogrome in der Ukraine geendet hdtten, gdbe es in der Ukraine etwa 



'^'Ebenda, S. 61. 

»British Chief Rabbi Condemns Silence on Pogroms Carried Out in Ulcraine«, 
New York Times, 9. Januar 1922, S. 19. Der gesamte Artikel im Anhang, S. 148. 

68 



Kapitel 3: Nachkriegskampagnen 

600.000 Kinder ohne Elternhaus, 150.000 Waisen, und 35.000 Voll- 
waisen, die an Kdlte, Hunger und Krankheit sterben wilrden, es sei 
denn, jiidische Herzen blieben menschlich und eilten zur Rettung. « 
Ein kurzer Nachrichtenartikel von 1 922 »Juden ubernehmen Not- 
hilfe« berichtete, daB das jiidische Joint Distribution Committee die 
Arbeit der American Relief Administration iibernehme, um den Hun- 
ger in sieben Bezirken der Ukraine zu iiberwinden.'^^ 

1923 berichtete das Jewish Relief Committee des Joint Distribu- 
tion Committee von 1.165.290 umherstreunenden Kindern, die durch 
die Ukraine zogen. Sic stellten die weitere erstaunliche Behauptung 
auf, daB diese 1.165.290 umherstreunenden Kinder durch die Ukrai- 
ne zogen, well 3 Millionen zugesagte Dollar nicht gezahlt worden 
seien. Die New York Times berichtete, daB das Komitee behauptete:'^"^ 
»Es besteht immer noch die Moglichkeit, diese 1.165.290 heimat- 
losen Kinder einzusammeln und sie vom Schicksal der Verwilderung 
zu bewahren. Es ist noch Zeit, sie vor den ersten Wintereinbriichen 
in Rufiland, die soeben fiber die Hiigel kriechen, wieder zu schnap- 
pen, aber dies wirdjeden Dollar des Bargelds erfordern, das fur das 
Hilfsprogramm zugesagt wurde und nun zuriickgehalten wird. Es 
wirdzu spat sein, es sei denn, das Geld ist sofort verfugbar.« 
Manche Menschen sind geneigt zu glauben, daB auch Feuer sein 
muB, wo Rauch ist. Sogar dann, wenn der Rauch von Trockeneis 
stammt. Diese Menschen meinen, es miisse an haufig und gut genug 
erzahlten Geschichten schon etwas dran sein, unabhangig davon, ob 
sich diese Berichte iiberpriifen lassen oder nicht. Aufgrund meiner 
Einstellung neige ich zum anderen Extrem. Zeige mir, daB jemand 
offensichtlich Itigt, und ich werde mich wahrscheinlich daran erin- 
nem, auch wenn derjenige versucht, die Wahrheit zu erzahlen. Viel 
von dem bei diesen Sammelaktionen gesammelten Geld wurde dazu 
verwendet, vielen Menschen zu helfen, und man kann argumentieren, 
daB weniger Geld gesammelt worden ware, wenn die Organisatoren 
die Situation nicht dramatisiert batten, mit der Folge, daB weniger 
Menschen geholfen worden ware. Auf der anderen Seite haben die 
eher zweifelhaften Berichte die Integritat dieser endlosen Aufrufe fur 



»Jews Take Over Relief. Will Carry on Work of American Body in Ukraine«, New 
York Times, 2. Mi 1922. 

»J, 165, 290 In Ukraine Verge On Savagery — Jewish Relief Committee Here Ap- 
peals for $3,000,000 to Aid Homeless Children«, New York Times, 3. September 
1923. 

69 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

karitative Spenden kompromittiert. Das nachste Kapitel behandelt 
die Sammelaktion von 1926, bei der Berichte von 5.000.000 hun- 
gemden europaischen Juden verbreitet wurden, um Banken in Polen 
sowie kibbutzartige Landwirtschaftskolonien in der Sowjetunion zu 
fmanzieren. Dies war vielleicht der Hochststand der Geldsammel- 
Liigen, zumindest was die Jahre um 1920 anbelangt. 



70 



Kapitel 4: 
Die Kampagnen von 1926 



»Es gibt Millionen von osteuropdischen Juden in Polen und eine 
gleiche Anzahl in anderen Ldndern, die dahinsterben, und alle von 
ihnen werden verschwinden, es sei denn, wir stellen uns der Notlage, 
vergessen alles andere und eilen zur Rettung. « 

— Louis Marshall, Prasident, American Jewish Committee. ^^^ 

»Es gibt 5. 000. 000 Juden in Mittel- und Osteuropa, die vor dem 
Hunger stehen. [...] Filnf Millionen Juden sind heute in schreckli- 
cher Not - 2.225.000 in Rufiland, 2.225.000 in Polen, und 500.000 
in Bessarabien, Litauen und in den umliegenden Ldndern. « 

— The American Christian Fund, 6. Dezember 1926 

Nach dem Ersten Weltkrieg leistete die amerikanische Offentlich- 
keit groBziigig Beitrage zu europaischen Hilfsbemtihungen. Aber 
1926 fand sich das "Joint" mit y>einer jiidisch-amerikanischen Ge- 
meinschaft konfrontiert, die gegen Ungliicksaufrufe immer gleichgiil- 
tiger wurde.« 

Die Unterlagen des American Jewish Joint Distribution Commit- 
tee zeigen einen Spendenriickgang von 1920 bis 1925, gefolgt von 
einem starken Anstieg im Jahr 1926. 1926 war auch das Jahr, in dem 
die unerhortesten Geschichten iiber jiidisches Leiden der Jahre nach 
1920 erdichtet wurden, Geschichten von fiinf Millionen hungernden 
osteuropaischen Juden. 

Am 26. April 1926 verktindete ein New York Times -Nachrichten- 
artikel auf Seite eins die Eroffnung dieser Geldsammelaktion bei drei 
gleichzeitigen Abendgesellschaften in New York City am vorherigen 
Abend, bei denen 2.200 Personen anwesend waren. Es wurde mitge- 
teilt, daB die groBte Spende 400.000 Dollar betrug und von Felix 



'^^ »Gifts of $3,700,000 Open Jewish Driven, New York Times, 26. April 26 1926, S. 

1. 

y>Cathedral Is Scene of Rally of Faiths for Jewish Reliefs, New York Times, 6. 

Dezember 1926, S. 1, 18; der erste Teil ist wiedergegeben auf S. 156. 
'" Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. 18. 

71 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Warburg stammte. Sprecher malten fur die Gaste an den Tischen so- 
wie fur die groBere Zuhorerschaft am Radio mit bewegten Worten 
Bilder'^^ 

»von den mitleiderregenden Bedingungen, unter denen Millionen 
von Juden in Polen, Bessarabien, Rufiland und Rumdnien als Folge 
der Nachkriegsdepression von Industrie und Wirtschaft leben, die 
noch die Not vergrofiern, die der Krieg selbst hinterlassen hat. [...] 
Die Sprecher appellierten an Amerika, diese Hdlfte des Weltjuden- 
tums zu retten. Sie sagten, dafi all das Leid und all die Verfolgung, 
der Juden in der Vergangenheit in der ganzen Welt ausgesetzt waren, 
nichts seien, verglichen mit dem Elend der Juden in Osteuropa heu- 
te, [...und daB] Tausende gestorben seien aufgrund von Hunger und 
hunger bedingten Krankheiten wie Fleckfieber und Tuberkulose, und 
Hunderte Selbstmord begangen haben, weil sie ihr Schicksal fur 
hoffnungslos hielten. 

Wenn Amerika nicht zur Rettung eile, so wurde verkundet, wtir- 
den 1.000.000 Juden in Polen und weitere 1. 000. 000 Juden in ande- 
ren betroffenen Ldndern durch Hunger und Pest ausgeloscht und 
einfach vom Angesicht der Erde verschwinden.« 
Louis Marshall, Anfuhrer des American Jewish Committee, fiihrte 

129 

aus: 

»Genau in diesem Moment gibt es buchstdblich Millionen von 
Mdnnern, Frauen und Kindern, die stets ein makelloses Leben ge- 
filhrt haben und fleifiig, emsig, verantwortungsbewufit, abstinent 
(zuriickhaltend beim Essen und Trinken), sparsam sind und die ohne 
eigene Schuld an den Rand der Vernichtung gelangt sind, die der 
blanke Hunger heimsucht, die von Vorurteilen und Intoleranz be- 
droht und verfolgt werden und die aufgrund einer abscheulichen Ge- 
setzgebung und bosartiger Anfeindung der Moglichkeit beraubt wer- 
den, sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Szene der jiidi- 
schen Tragodie entfaltet sich in Polen und seinen Verwaltungsbezir- 
ken einschliefilich Galizien, in Litauen, Lettland, Estland, Rumdnien 
und Rufiland. Die Opfer sind die Juden dieser Lander, die mehr als 
7.000.000 Seelen ausmachen. Sie sind aufgrund von Hunger und 
Krankheit und Sorge korperlich heruntergekommen, ausgelaugt, 
verbraucht, geschwdcht. Ihre Augen sind niedergeschlagen. Es gibt 
kaum einen Schimmer der Hoffnung in ihren Herzen. Sie stehen am 
Rande der Verzweiflung, und viele von ihnen haben sich in sie erge- 



'^'^ »Gifts...«, aaO. (Anm. 125), S. 1. 
'^'Ebenda, S. 10. 



72 



Kapitel 4: Die Kampagnen von 1926 

ben, so dafi man auf alien Seiten den Selbstmord der Verzweiflung 
wahrnimmt. [...] All dies ist nach dem Ende des Krieges eingetreten, 
nachdem sie Hungersnote durchstanden haben, nachdem sie zu 
Flilchtlingen waren, nachdem sie oftmals als Folge des Krieges den 
Versorger verloren haben, nachdem in einigen dieser Lander Po- 
grome stattfanden und Menschen kaltblutig ermordet wurden, nach- 
dem ihr ganzer Besitz verschwunden ist, nachdem ihnen ihr Vermo- 
gen weggenommen wurde, und all das ist noch nicht genug, sondern 
setzt sich, wie ich gerade beschrieben habe, wetter fort. Dies ge- 
schieht zu dieser Stunde, in diesem Moment, wdhrend ich spreche. Es 
gibt Millionen von osteuropdischen Juden in Polen und eine gleiche 
Anzahl in anderen Ldndern, die dahinsterben, und sie alle werden 
vergehen, wenn wir nicht der Notlage entsprechend handeln, alles 
andere vergessen undzur Rettung eilen.« 

David A. Brown aus Detroit, Michigan, der nationale Vorstand 
dieser Aktion von 1926, sagte, daB'^^ 

»allein in Polen 900. 000 Juden am Rande des Verhungerns wa- 
ren und dafi dies nahezu ein Drittel der gesamten jUdischen Bevolke- 
rung in Polen war. Es hat unter den Juden allein in Polen mehr 
Selbstmorde gegeben, als dort jemals in fiinf Jahrhunderten vorge- 
kommen sind. [...] Die Wolken iiber Rufiland haben sichjedoch auf- 
gelockert, da die russische Regierung erkannt hat, dafi die Grundla- 
ge ihrer wirtschaftlichen Existenz von der Landwirtschaft abhdngt. 
Es hat Hunderte von Millionen fruchtbarer Acker. Rufiland hat dem 
privaten Landbesitz ein Ende bereitet, aber es erkennt das Recht ei- 
nes jeden an, der auf dem Lande arbeiten will, sich mit landwirt- 
schaftlicher Arbeit zu befassen, und es unterscheidet in dieser Hin- 
sicht nicht zwischen Juden und Nichtjuden.« 

Browns Botschaft, die bei den Zusammenktinften verlesen wurde, 
begann folgendermaBen: 

»Noch nie in der Geschichte des judischen Volkes, die Jahrhun- 
derte zurilckreicht, hat es eine Situation wie diese gegeben, und noch 
nie zuvor in der Geschichte des judischen Volkes hat es eine Notlage 
dieses Ausmafies gegeben. « 

Die New York Times zitierte Mr. Brown in einem Kommentar, der 
die Sammelaktion unterstiitzte, mit der Aussage, daB »der Lebens- 
standard der russischen Juden niedriger als derjenige der Menschen 
in Indien, China, Japan und Korea ist.«'^'' Dieser Kommentar nannte 
die Aktion 

"" »Arrives With Plea For Starving Jews - Miss May Relief Worker, Says 1, 000, 000 

73 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

»das letzte Kapitel in der Geschichte der amerikanischen Hilfe 
fur die betroffenen Bevolkerungsgruppen Europas, die mil Herbert 
Hoovers Werk in Belgien begann und die Form grofier Summen an- 
genommen hat, die filr Kriegshilfe, Hungerhilfe und Wiederaufbau 
ausgegeben werden.« 

Die Sammelaktion des amerikanischen Hilfsfonds fiir die Juden 
Osteuropas von 1926 benutzte eine Korrespondentin namens Irma 
May, die Funktelegramme von Warschau nach Washington sandte. 
Eines dieser Telegramme verktindete:'^' 

»In Lodz [...] zeigen Berichte eine bedrohliche Zunahme von Hy- 
sterie, Wahnsinn und Selbstmord innerhalb der letzten Monate. 
Schulen berichten ilber 65 Prozent Tuberkulose. 60 Prozent der Kin- 
der Uberleben mit Tee und Brat, das von Schulen verteilt wird, denen 
die Schliefiung droht. Ausbrilche von Fleckfieber und anderen Hun- 
gerepidemien [werden] erwartet und keine Mittel [sind] dagegen 
verfUgbar. Etwa 230.000 Juden [sind] dem Untergang geweiht, wenn 
nicht sofort Hilfe verfUgbar [gemacht wird].^^ 
Eine weitere Funknachrichten von Ms. May beschrieb Verhaltnis- 
se in Rovno, Polen: »Verkauf des letzten Mobelsttlckes, um dem Ge- 
fdngnis wegen nicht erfolgter Steuerzahlung zu entgehen.« Etwa 
500.000 Menschen wohnten einer Kundgebung in New York City bei 
und untersttitzten diese Sammelaktion von 1926, und Sprecher »ver- 
breiteten die Botschaft des Leids von Millionen Juden im Aus- 
land.« Das Joint Distribution Committee kabelte, daB 

»das jUdische Waisenhaus gezwungen sein wird zu schliefien, 
wenn nicht erhebliche Hilfe schnell kommt. [...] Tausende von Kin- 
dern wtirden auf die Strafie gesetzt und ziellos, hoffnungslos, blind 
umherirren. « 

Am 26. November betrieb in Washington D.C. eine Bewegung, 
die seltsamerweise als Nahost-Hilfsbewegung bezeichnete wurde, die 
Werbung von 50.000 christlichen Geistlichen fiir eine Organisation 
zur Rettung von 5.000.000 hungernde Juden in Ost- und Mitteleuro- 



in Poland Alone Need Speedy Help«, New York Times, 8. April 1926. 
Dem vorher zitierten Artikel zufolge fertigte Frau May eine Studie uber die Be- 
dingungen in jenen Landern auf Anweisung von David A. Brown an, dem natio- 
nalen Vorsitzender der United Jewish Campaign. 

»Jews of Poland Again Face Period of Wantv., New York Times Sunday Maga- 
zine, 2&. Mai 1926, S. ^. 
'" Leitartikel, New York Times, 3. Mai 1926 S. 6. 

74 



Kapitel 4: Die Kampagnen von 1926 

pa. Sie behauptete, daB ein Drittel der jiidischen Bevolkerung in Not 

sei:'^^ 

»In einigen Teilen Europas liegt die Sterberate jildischer Sdug- 
linge beifast 100 Prozent. [. . .] 

Tausende Juden sterben geradejetzt aufgrund von Mangel. Hun- 
derttausende werden von dem qualvollsten Tod bedroht - dem Hun- 
ger. Wenn keine Hilfe erfolgt, werden 5.000.000 Juden verhungern. 
Das bedeutet nicht, dafi sie sofort sterben, sondern allmdhlich, auf- 
grund Mangel an ausreichender Nahrung, und einige werden ndch- 
ste Woche sterben, einige ndchsten Monat und jeden darauffolgen- 
den Monat, wenn nicht auf dem einen oder anderen Wege Hilfe 
kommt.« 

Am 6. Dezember 1926 gab es einen weiteren Artikel auf der er- 
sten Seite der New York Times iiber eine Sammelaktion fiir die fiinf 
Millionen hungemden Juden in Osteuropa. Die Titelzeile lautete: 
»Kathedrale ist Schauplatz einer Versammlung der Religionen fiir 
jiidische Hilfe. « 1.500 Menschen wohnten der Massenversammlung 
bei und lauschten dem Oberkommandierenden der US-Streitkrafte im 
Ersten Weltkrieg, General John J. Pershing, der groBziigige Spenden 
anmahnte, wie auch protestantischen und katholischen Wortfuhrern 
sowie Louis Marshall, Anfuhrer des American Jewish Committee. 
Der New Yorker Gouverneur und spatere Prasidentschaftskandidat 
Alfred Smith sowie der Richter des Obersten Gerichtshofes Arthur S. 
Tompkins sandten Untersttitzungstelegramme. Eines der Themen, 
das von verschiedenen Sprechem betont wurde, war, daB die fman- 
zielle Unterstiitzung der Juden Europas Rassismus, HaB und Vorein- 
genommenheit in der ganzen Welt bekampfen wtirde. 
General Pershing sagte: 

»Es fdllt uns in unserem wohlhabenden Land schwer, uns vorzu- 
stellen, welches Leid diese armen Menschen in Ubersee durchma- 
chen. Dies ist eine Gelegenheit fur alle Amerikaner, ob Christen 
oder was auch immer, unseren jiidischen Freunden zu zeigen, dafi 
wir karitative Gefilhle haben, und dafi es in diesem grofien Land kei- 
ne Rassenvorurteil gibt. Meiner Meinung nach ist dies eine der gro- 
fien Lektionen, die wir den Volkern Europas erteilen konnen, indem 
wir fiir diesen Fonds spenden.« 



»Win Aid Starving Jews— Protestant and Catholic Clergy to Back Near East Re- 
lief Movements, New York Times, 27. November 1926. 

75 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Bischof Manning, der das Prasidium innehatte, wird wie folgt zi- 
tiert: 

»Das Leben von 5.000.000 jildischen Mdnnern, Frauen und Kin- 
dern steht auf dem Spiel. Unsere jildischen amerikanischen Lands- 
leute senden ihren betroffenen Briidern nobel ihre Hilfe. Aber die 
amerikanischen Juden konnen das nicht alles schaffen. Das Elend ist 
zu grofi, als dafi sie es allein beheben konnen. Und wir konnen nicht 
zulassen, dafi sie alles alleine tun. Die Christen Amerikas milssen 
Anteil an diesem grofien Werk des Mitleids nehmen. Der Ruf, der von 
diesen leidenden MUttern und hungernden Sduglingen kommt, ist der 
Rufunsererganzen Menschheit.« 

Louis Marshall, der schlaue Anfuhrer des American Jewish Com- 
mittee, sagte: 

»Wir freuen uns, dafi sich die christliche Gemeinschaft dazu ent- 

schlossen hat, uns dabei zu helfen, den Fonds zu vervollstdndigen. 

Das Telegramm, das wir erhielten und das diese Entscheidung be- 

kannt gab, kam zu uns wie Manna in der Wildnis, wie der Tau des 

Himmels auf die ausgetrocknete Erde, nachdem die Juden in Ameri- 

ka zwolf Jahre lang allein darum gerungen haben, ihre Brilder in 

Polen, Rumdnien, Bessarabien und Rufiland am Leben zu erhalten, 

wo Pest, Krieg, Hunger und Massaker ihre tdgliche Erfahrung war. « 

Der New Yorker Gouverneur Alfred Smith, der zwei Jahre spater 

Prasidentschaftskandidat der Demokratischen Partei werden soUte, 

iibersandte eine groBziigige Spende und das folgende Telegramm, 

das den Zuhorern vorgelesen wurde: 

»Dem American Christian Fund und dem Fonds filr die gemein- 

same jUdische Kampagne zur Hilfe fiir leidenden Juden in Osteuropa 

zu spenden, zeigt den wahren christlichen und amerikanischen Geist. 

Leiden verbindet uns in gemeinsamer Bruderschaft. Solche Taten 

fordern den guten Willen und verbessern Verstdndnis und Toleranz. 

Moge ihre Zusammenkunft zu greifbaren Ergebnissen fuhren.« 

Es wurde auch berichtet, daB der American Christian Fund einen 

Brief an 150.000 christliche Ftihrungskrafte im ganzen Land ver- 

sandt hatte, der sie dariiber informierte, daB 5.000.000 Juden in Mit- 

tel- und Osteuropa einer Hungersnot entgegen sahen. 

» Wir milssen uns dariiber im klaren sein, dafi die amerikanischen 
Juden sie nicht alle retten konnen. Wenn die Christen nicht helfen, 
werden viele sterben. Amerikanische Christen haben das Leid der 
Juden Mittel- und Osteuropas nie bemerkt und begriffen. Filnf Mil- 
lionen Juden sind heute in verzweifelter Not — 2.225.000 in Rufiland, 

76 



Kapitel 4: Die Kampagnen von 1926 

2.225.000 in Polen, und 500.000 in Bessarabien, Litauen und den 

angrenzenden Ldndern. Manner, Frauen und kleine Kinder leiden 

und sind dem Elend ausgesetzt - sie sind stdndig hungrig. 

Seit 1914 ritten "die vier Apokalyptischen Reiter" grimmig iiher 

die halbe jUdische Weltbevolkerung — Kriegspest, Hunger und stets 

der Tod.« 

Ein redaktioneller Artikel der New York Times, der diese Sam- 
melaktion unterstiitzte, berichtete, daB 62 Millionen Dollar gesam- 
melt worden waren und daB man nun dabei sei, weitere 25 Millionen 
zu sammeln.'^^ 

1st es nicht entlarvend, daB im Jahr 1926 auf Seite eins der New 
York Times berichtet wird, daB fiinf Millionen Juden hungem, im 
Gegensatz zum Zweiten Weltkrieg, wo praktisch bis zu dessen Ende 
eine solche Berichterstattung nicht existent oder auf die hinteren Sei- 
ten und die Rubrik Religion verbannt war? 1926 haben wir funf- 
zehnhundert Menschen, die fur die flinf Millionen hungemden Juden 
eine Lawine lostreten, Sammelaktionen im ganzen Land, Untersttit- 
zung durch bekannte Personlichkeiten, einschlieBlich des Gouver- 
neurs von New York, 500.000 Menschen, die Veranstaltungen in 
New York City besuchen, um diese Sammelaktion von 1926 zu un- 
terstiitzen.'^* Man kann sich nur iiber die IMT-Anklager und deren 
Mitarbeiter wundem, die in der Gegend von New York oder sonstwo 
aufwuchsen und diese friiheren Kampagnen erlebt haben. Will man 
uns wirklich glauben machen, daB ein Untergang der Juden in Mittel- 
und Osteuropa in den Jahren nach 1920 durch enorme Geldsam- 
melaktionen und eine Flut offentlicher Anteilnahme und Untersttit- 
zung verhindert wurde und daB 20 Jahre spater die gleichen Men- 
schen in Ost- und Mitteleuropa getotet wurden, well niemand ihr 
Schicksal kannte oder sich darum kiimmerte? Man kann bestimmt 
nicht behaupten, daB damals niemand vom "Holocaust" des Jahres 
1 926 wuBte, well er mindestens zweimal auf der Titelseite der New 
York Times erwahnt wurde. 

Entwickelten sich die Holocaust-Berichte von 1926 aus friiheren 
Geldsammelaktionen und Verpflichtungen? War dies lediglich Teil 
einer karitativen Tradition? Wurden diese emotionalen Appelle, die 
mit der Furcht oder vielleicht dem religiosen Gefuhl der Menschen 
spielten, erfunden, um viel Geld zu sammeln? Wir wissen, daB diese 

»Cathedral Is Scene«, New York Times, 6. Dezember 1926, S. 1. 
"''TVew York Times, 3. Mai 1926, S. 6. 

77 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

karitativen Sammelaktionen von intemationalen Bankiers organisiert 
wurden, die auch Kriege, Revolutionen und Eisenbahnen finanziert 
batten. Was sie nach eigenen Angaben tatsachlicb mit diesem Geld 
taten, ist das Thema des nachsten Kapitels. 

Doch zuerst noch einige weitere Nacbricbten iiber Millionen lei- 
dender Juden. 1937 berief Samuel Untermeyer eine Konferenz im 
New Yorker Waldorf-Astoria Hotel ein, um zu bericbten, daB minde- 
stens 2.000.000 der etwas mehr als 3.000.000 Juden in Polen regel- 
recht am verbungern seien.'^^ 

»Eine ganze Nation von mehr als drei Millionen Seelen ist von 
der Ausloschung bedroht.« 

1938 wurde y>ein deprimierendes Bild der 6.000.000 Juden in 
Mitteleuropa, die des Schutzes oder wirtschaftlicher Moglichkeiten 
beraubt sind, die langsam Hungers sterben, ohne jede Hoffnung« 
durcb Jacob Tarsbis prasentiert, der bei seinen Radiozuborern als der 
Lampenanztinder bekannt war und das American Joint Distribution 
Committee reprasentierte:'^** 

»"Die jildische Tragodie hegann, als Hitler 1933 an die Macht 
kam, " erkldrte Herr Tarshis. "Jetzt hat sich der Antisemitismus auf 
13 europdische Nationen ausgedehnt und bedroht die Existenz von 
Millionen Juden. "« 

1940 sagte Dr. Nabum Goldman, Vorsitzender des Verwaltungs- 
komitees des World Jewish Congress, in einem Interview im Hotel 
Astor:'^^ 

»Sechs Millionen Juden sind in Europa der Vernichtung preisge- 
geben, wenn der Sieg der Nazis endgiiltig sein sollte. [. . .] Die Chan- 
cen filr eine Massenauswanderung und Wiederansiedlung des euro- 
pdischen Judentums scheinen gering zu sein, und europdische Juden 
sind der Gefahr physischer Vernichtung ausgesetzt. Sogar die 
4.000.000 Juden unter sowjetischer Herrschaft sind im Falle eines 
endgUltigen Nazi-Sieges nicht sicher, obwohl sie dort keiner rassi- 
schen Diskriminierung ausgesetzt sind. « 

Man erkennt bier ein Muster emotionaler Appelle, die mit den 
Angsten der Menscben spielen, um viel Geld zu sammeln. Und sie 



» Untermeyer Aslcs Aid For Jews In Poland - He Reports at an Emergency Meet- 
ing That 2,000,000 Are Virtually Starving to Deaths, New York Times, 6. Dezem- 
ber 1937. 

»Jewish Teachers Chided By Isaacsa, New York Times, 23. Februar 1938. 
»Nazi Publicity Here Held Smoke Screena, New York Times, 25. Juni 1940, S. 4. 

78 



Kapitel 4: Die Kampagnen von 1926 

benotigten eine augenfallige Krise, um die Spender von der Notwen- 
digkeit zu iiberzeugen, solch groBe Geldsummen zu spenden. Waren 
die Anfuhrer, die diese Appelle machten, hinreichend berechnend 
und skrupellos, um Tatsachen zu erfinden? Konnten im Laufe der 
Zeit und mit geniigend Ubung Wunder fabriziert werden, die eta- 
blierten Quellen glaubwiirdig erscheinen wiirden? Konnte die 
Glaubwiirdigkeit dieser erfundenen Tatsachen unangreifbar werden, 
wenn diese Tag fur Tag, generationenlang immer und immer wieder 
in diesen etablierten Quellen wiederholt und erweitert wiirden? Ich 
glaube, daB diese friihen Holocaust-Geldsammelaktionen einen wich- 
tigen Schliissel liefem, um das revisionistische Ratsel zu losen. 



79 



Kapitel 5: 
Auf der Spur des Geldes 



Dieses Kapitel skizziert die sehr verwirrende Geschichte, wo in 
RuBland das Geld landete, das in diesen Spendenaktionen gesammelt 
wurde, zumindest laut den veroffentlichten Quellen. Wir werden 
auch einige wichtige Punkte des historischen Hintergrunds behan- 
deln und auf die politische Situation in der Sowjetunion Anfang des 
20. Jahrhunderts eingehen, eine Zeit, die heute weitgehend vergessen 
ist Oder miBverstanden wird. Die jahrliche Ausgaben-Statistik des 
American Jewish Joint Distribution Committee zeigt die Betrage, die 
nach eigenen Angaben des "Joint" zwischen 1914 und 1934 fiir Not- 
hilfe ausgegeben wurden. Es gab zwei Kategorien von Hilfen: Not- 
oder allgemeine Hilfe, die Suppenktichen, Kleidung, medizinische 
Notversorgung beinhaltete, sowie Forderungs- oder Wiederaufbau- 
hilfe, die im Wesentlichen darin bestand, Fachschulen, Banken und 
landwirtschaftliche Betriebe zu errichten und zu betreiben. Am Ende 
des Ersten Weltkrieges spendeten die Menschen groBziigig, aber in 
den Jahren nach 1 920 ging das Spendenaufkommen Jahr ftir Jahr zu- 
ruck. Wie im letzten Kapitel dargelegt, wurden die Spendensammler 
1926 wirklich erfmderisch und vergroBerten erfolgreich das Spen- 
denaufkommen. Die wahrend des Krieges und in der unmittelbaren 
Zeit danach gesammelten Hilfsmittel wurden in die Nothilfe geleitet, 
die man auch als allgemeine Hilfe bezeichnete. Spater wurde das 
meiste Geld fur den Wiederaufbau oder die Forderhilfe ausgegeben. 
Bis zum Jahr 1926 wurden laut ihren eigenen Zahlen 81% des Gel- 
des fiir Wiederaufbau ausgegeben, und 1927 sogar 86%. 

Nach Angaben des Vorsitzenden David A. Brown gingen 1927 
weniger als 20% der nach Polen entsandten Mittel tatsachlich in die 
Nothilfe. Der Rest ging an "Aufbau-Unternehmungen", wie die Er- 
richtung genossenschaftlicher Banken in Polen, die Finanzierung von 
Kaufleuten und Kiinstlern, sowie der Forderung jtidischer Landwirt- 
schaftssiedlungen.''**' Ebenfalls 1927 behauptete ein Max Steuer, der 



Leitartikel, TVew York Times, 12. September 1927. 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

nach Europa gegangen war, um die Hilfsprogramme zu untersuchen, 
daB 40% des gesammelten Geldes »bei den Geldwechsel-Manipula- 
tionen der Bankiers verschwanden.« 

Herr Steuer zitierte einen Dr. Greenebaum, ein Mitglied des pol- 
nischen Parlaments, der sagte, daB bis vor kurzem, »nachdem das 
Geld ilberwiesen warden war, die Wechselkurse aufder anderen Seite 
so manipuliert wurden, dafi mindestens 40"/o des Geldes verbraucht 
waren, bevor auch nur ein Dollar an den Empfdnger, filr den er be- 
stimmt war, ausgeteilt wurde.« 

Steuer erhob nocli andere Vorwiirfe, aber er stellte aucli klar, daB 
er polnisclie Bankiers und nicht amerikanische Bankiers meinte.'"" 

Wie zu erwarten war, bekam Steuer in der Presse einen scharfen 
Rtiffel dafiir, daB er die Aktionen des "Joint" in Frage stellte. Am 
Montag, den 12. September 1927, publizierte die New York Times 
den Kommentar:'"*^ 

»Herr David A. Brown zitierte Zahlen, die darauf hindeuten, dafi 
in Polen weniger ah 20% der Mittel der Nothilfe zugute kamen. Der 
Rest wurde "konstruktiven " Unternehmungen gewidmet. In einer vor 
kurzem erfolgten offentlichen Stellungnahme vertrat Herr Henry 
Moskowitz die Auffassung, dafi eine Untersuchung der Konten des 
Joint Distribution Committee belegen wUrde, dafi in Polen der Grofi- 
teil der Hilfsgelder in die Errichtung genossenschaftlicher Banken 
und anderer Agenturen flofi, um kleine Kaufleute und Kiins tier zuji- 
nanzieren. Dies konnte sich iibrigens auf das beziehen, was Herr 
Steuer vage — sehr vage — meinte, als er seine Uberraschenden Vor- 
wiirfe erhob, insbesondere sein Hinweis auf die Manipulation von 
Wechselkursen. Wenn amerikanische Dollar in polnische Zloty kon- 
vertiert wurden, um Bankkapital zu schaffen, ist es denkbar, dafi auf- 
grund der Fluktuation des polnischen Wechselkurses einige Verluste 
eintraten.« 

Die Jewish Daily News war direkter. Sie vertrat die Meinung, daB 
Herr Steuer schlicht sich selbst seiner RoUe als judischer Gemein- 
schaftsanfiihrer enthoben habe.'"*^ 

Die Vorgehensweise des Komitees wurden sowohl von Louis 
Marshall als auch von Felix Warburg verteidigt. Warburg bedauerte 
die groBe offentliche Aufmerksamkeit und beharrte darauf, daB Steu- 



'"*' »Steuer Puts Blame on Polish Bankers«, New York Times, 7. September 1927. 
'LQit&rt\kQ\, New York Times, 12. September 1927. 
»Warburg Assails Steuer 's Charges«, New York Times, 9. September 1927 

82 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

er sich zu sehr auf Geriichte verlassen habe und sein Anliegen durch 
die Zeitungen verfolge. Warburg fuhrte weiter aus, daB Steuers Aus- 
sagen keinem guten Zweck gedient batten und daB das Problem be- 
hoben worden sei. 

Als Sprecher bei der Constructive Relief Conference im Oktober 
1927 antwortete Felix Warburg, daB die Politik des Joint Distribution 
Committee auf einem tiefen Respekt vor dem Judentum der Alten 
Welt basiere und daB die europaischen Juden lange vor dem Krieg 
viele beachtliche nationale und Internationale philanthropische Ge- 
sellschaften ins Leben gerufen batten. Er sagte, daB die Ftihrerschaft 
des europaischen Judentums nie in Frage gestellt wurde und daB es 
die generelle Politik des "Joint" sei, seine Tatigkeit iiber die beste- 
henden jtidischen Organisationsstrukturen in Europa laufen zu las- 
sen. '"*"* Es wird nicht berichtet, daB Warburg irgend etwas iiber die 
Hungerstatistiken sagte, die wahrend der Geldsammelaktionen des 
Vorjahres genannt worden waren. Aber er vertrat die Meinung, daB 
1919 und 1920 die schwarzesten Jahre in der modemen jiidischen 
Geschichte gewesen seien. Nach Angaben von Warburg fiihrten in 
diesen beiden Jahren 

»weitverbreitete Massaker und Pogrome zur Ermordung mehre- 
rer hunderttausend Juden. Auf der anderen Seite sei es zu einem 
phdnomenalen Wiederaufleben jildischer Aktivitdten gekommen, be- 
gleitet von intensiven sozialen Bestrebungen, sowie einer Renais- 
sance von Kultur- und Wirtschaftstheorien, die mit allseitigen Bewe- 
gungenfUr nationale Selbstbestimmung und Anerkennung der Rech- 
te rassischer Minderheiten einhergingen.« 

Warburg behauptete auch, daB es ukrainische Pogrome gegeben 
habe, bei denen nahezu 200.000 jtidische Manner, Frauen und Kinder 
durch Feuer und Schwert umgekommen seien, was eine der schwar- 
zesten Seiten der Geschichte darstelle.'"^^ 

Die Offentlichkeit vergaB Steuers Kritik schnell. 1932 wurde Fe- 
lix Warburg gleich nach dem Obersten Bundesrichter Louis Brandeis 
als zweiter in eine Ehrenliste der zehn fiihrenden Juden der Vereinig- 
ten Staaten gewahlt. Weiter gehorten zu diesen "Top 10" der Oberste 
Bundesrichter Justice Benjamin Cardozo und der Juraprofessor von 



''*'' Bericht uber die Aktivitaten des Joint Distribution Committee, Constructive Re- 
lief Conference, Chicago, IL, 22. - 23. Oktober 1927, S. 4. 



"^Ebenda, S. 9-11. 



83 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Harvard, Felix Frankfurter, sowie New York Times Publizist Adolf 
Ochs und Rabbi Stephen Wise.'"*" 

Was fur eine Art Mensch war Felix Warburg? Man beschrieb ihn 
als humorvoU, ein Mensch, der es verstand, mit vielen verschiedenen 
Arten von Menschen umzugehen. Obwohl er als Fiihrungsperson 
vom New Yorker Establishment hoch respektiert und aufrichtig ge- 
schatzt wurde, war er kein Intellektueller. Ein Macher, kein Denker. 
Obwohl mit einer reichen Erbin verheiratet, hatte er offen zahlreiche 
Freundinnen. Er war eine Person, der nie etwas peinlich war, ausge- 
stattet mit eisernem Mut sowie offentlich glaubwtirdig, unabhangig 
davon, ob er besonders wahrheitsgetreu war oder nicht. Der Haken 
bei Felix war, daB er das Leichtgewicht der Familie war und nicht in- 
telligent genug fiir die Hamburger Bank.'"*^ 

Ftir die Lekttire des nachsten Abschnitts ist es nur recht und billig, 
zunachst das Offensichtliche hervorzuheben, daB Felix Warburg fur 
die meisten Menschen in der Offentlichkeit ein auBerordentlich 
wohlhabender republikanischer Bankier war. Wir nehmen an, daB er 
zunachst nichts mit SowjetruBland zu tun haben wollte. Ftir mich ist 
die Behauptung, Juden seien damals vom Kommunismus angezogen 
worden, etwa so fair wie die Behauptung, daB die Deutschen in den 
dreiBiger Jahren des 20. Jahrhunderts vom Nationalsozialismus an- 
gezogen wurden. Es ist zudem eine Tatsache, daB die private karita- 
tive Organisation, die Warburg anfiihrte, landwirtschaftliche Koloni- 
en in der Sowjetunion unter der Behauptung fmanzierte, daB Millio- 
nen von Juden Jahr fiir Jahr in der Sowjetunion hungerten. 

Schon unter der Herrschaft des Zaren hatte man in RuBland ver- 
sucht, jtidische Landwirtschaftskolonien zu errichten. Vor der kom- 
munistischen Revolution arbeiteten Chibbat Zion-Anhanger in ganz 
RuBland. Diese sozialistische Bauernbewegung wurde fmanziell von 
Baron Edmund de Rothschild untersttitzt, der sie »meine Kolomen« 
nannte und BevoUmachtigte einsetzte, um sie zu beaufsichtigen. Dies 
bedeutete nicht, daB Baron Rothschild den Zaren mehr akzeptierte 
als Warburg vom Kommunismus angezogen wurde. Es ist moglich, 
daB sowohl Rothschild als auch Warburg meinten, sie konnten einen 
positiven und maBigenden EinfluB auf diese jeweiligen Regime aus- 
iiben, indem sie mit ihnen eine Geschaftsbeziehung unterhielten. 



New York Times, 31. Dezember 1932. 
"" R. Chemow, aaO. (Anm. 36), S. 289. 



84 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

Oder sie konnten aus anderen Griinden engagiert gewesen sein, etwa 
um die Auswanderung aus RuBland zu erleichtern oder um temporare 
Siedlungen fiir Leute zu errichten, die spater nach Palastina geschickt 
werden konnten. 

Nattirlich gibt es die offensichtlichen humanitaren Griinde. Bei 
ruckblickender Betrachtung erscheint jede Sympathie mit der marxi- 
stischen Ideologic unlogisch und unglaubwiirdig. Aber wir mtissen 
kurz einige der Schriftsteller und Denker erwahnen, deren Werke in 
dieser Zeit einfluBreich waren und deren Ideen Personlichkeiten und 
Meinungsmacher wie Rothschild und Warburg wic auch den niedrig- 
sten Kommissar und GULag-Aufschcr motiviert habcn konnten. Sie 
sind heute weitgehend vergessen, wahrscheinlich aus dem guten 
Grund, daB sie vom Lauf der Geschichte nicht bestatigt wurden. 

Ein hebraischer Romancier ermunterte seine Leser dazu, aufzuho- 
ren, Juden in einem theoretisch-religiosen Sinn zu sein, und zu Juden 
einer lebenden und sich entwickelnden Nation zu werden. Nachman 
Syrkin sagte voraus, daB die Juden die Welt erlosen wurden, die sie 
gekreuzigt habe, und daB ihre Rolle in der Menschheitsgeschichte ei- 
ne einzigartig auserwahlte sei, die in der Zukunft durch Vermittlung 
des Zionismus das sozialistische Jahrtausend herbeifiihren wtirde.''*^ 
Syrkin sagte 1918, daB das jiidische Volk nicht aus Not dem Sozia- 
lismus anhange, sondern well die Revolution auf dem Berg Sinai 
verktindet worden sei.'"^^ Ein fiihrender Rabbi aus Palastina, Ab- 
raham Kook, schrieb, daB cine konsequente Anwendung aller Gebote 
der Torah in sozialen und wirtschaftlichen Angelegenhcitcn nicht mit 
dem kapitalistischen System vereinbar sei. Moses Mendelssohn, der 
Begriinder des jiidischen Rationalismus, behauptete:'^" 

»Der Fortschritt der modernen Zivilisation wird inzwischen als 

eine Art "Messias "fur die Endlosung des jiidischen Problems ange- 

sehen. « 

Dov Ber Borochow war ein fiihrender Exponent des marxisti- 
schen Zionismus. 1905 schrieb er Die nationale Frage und der Klas- 
senkampf, das von Juden, die damals in RuBland lebten, viel gelesen 



David J. Goldberg, To the Promised Land - A History of Zionist Thought, Lon- 



don/New Yorli: Penguin Boolfs, 1996, S. 117. 
Enzo Traverse, Th 
Press, 1994,8.51 
' Nahum Sokolow, 1 
Longmans, Green and Co., 1919, S. xvii. 



Enzo Traverso, The Marxists and the Jewish Question, New Jersey: Humanities 
] 
^^° Nahum Sokolow, History of Zionism 1600-1918, Bd. 1, London/New York: 



85 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

wurde. Borochow, der im wissenschaftlichen, jargongefiillten, klobi- 
gen Stil der marxistischen Analyse schrieb,'^' behauptete, so wie der 
Klassenkampf um die materiellen Produktionsmittel gefuhrt werde, 
so gebe es auch einen nationalen Kampf um »geistige« (Sprache, 
Gewohnheiten, Sitten) und territoriale Produktionsbedingungen. Bo- 
rochow stellte die Hypothese auf, daB sich die normalerweise anta- 
gonistischen Klassen innerhalb einer eroberten oder unterdriickten 
Nationalitat zusammenschlossen, um sich mit dem unterdriickten 
Proletariat zu identifizieren. Nach Borochow denken und handeln 
sogar die Oberklassen einer unterdriickten Nation wie ein unter- 
driicktes Proletariat, well die Geschichte der ganzen Nation unter- 
driickt worden ist. Durch diese Verdrehung von marxistischem Kau- 
derwelsch wurde der jiidische Nationalismus in cine progressive Be- 
wegung zur nationalen Befreiung transformiert, indem der Klassen- 
kampf in den Zionismus interpoliert wurde. 

Die New Standard Jewish Encyclopedia erklarte Borochows 
Theorie folgendermaBen:'^^ 

»Borochows ideologischer Hauptbeitrag war seine marxistische 
Analyse der Wirtschaftsstruktur und der sozialen Lage des judischen 
Volkes, indem er auf die tatsdchliche Unvermeidbarkeit der Land- 
konzentration in Paldstina als ein Mittel der beruflichen Umvertei- 
lung und Normalisierung hinwies.« 

Sokolows Geschichte des Zionismus, zuerst 1919 veroffentlicht, 
verzeichnet, daB wahrend der kommunistischen Revolution von 1917 
in Odessa, einem Hafen am Schwarzen Meer, ganze Bataillone zioni- 
stischer Soldaten hinter blauen und weiBen Fahnen durch die Stadt 
marschierten, wobei sic ausriefen: »Freiheit in Rufiland, Land und 
Freiheit in Paldstinaa. Hundertfiinfzigtausend Manner folgten diesen 
Fahnen, und der Militargouverneur von Odessa bestand darauf, ihnen 
offentlich Reverenz zu erweisen.'^^ Im Verlauf des russischen Biir- 
gerkriegs zwischen den Roten und den WeiBen stand die jiidische 
Bevolkerung massiv hinter der Roten Armee und ihre Intelligenzija 
wurde in den sowjetischen Staatsapparat rekrutiert.'^"* Leon Trotzki 
akzeptierte als Anfiihrer der Roten Armee im Jahr 1919 den Vor- 
schlag von Paole Zion, daB man jiidische »nationale Bataillone« auf- 



''' D. Goldberg, aaO. (Anm. 148), S. 126. 

"^ The New Standard Jewish Encyclopedia, siebte Ausgabe, 1992. 

'" N. Sokolow, aaO. (Anm. 150), Bd. 2, S. 38. 

'^^ E. Traverse, aaO. (Anm. 149), S. 7. 

86 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

stelle, um die Verteidigung der jiidischen Bevolkerung zu organisie- 
ren und sie fur das neue bolschewistische Regime zu gewinnen.'^^ 
1922 wurde berichtet, daB eine starke jtidische Armee, die zum 
Selbstschutz organisiert worden war, gut mit Gewehren, Munition 
und Maschinenpistolen ausgeriistet sei und 500.000 Mann umfasse. 
In einer Stadt namens Spalla fiihrte die gut bewaffnete jtidische 
Freiwilligenarmee einen Guerillakrieg gegen eine Bande von einigen 
hundert Banditen, der damit endete, daB die Juden die Stadt einnali- 
men. Die Ordnung wurde sofort liergestellt und melirere tausend 
eliemalige Stadtbewoliner, die zwei oder drei Jahre vorher einer Serie 
von Massakern entkommen waren, begannen, aus alien Teilen RuB- 
lands und Rumaniens herbeizustromen. Die jtidische Armee wurde 
von jungen zionistischen Gruppen gegriindet und hatte daher sowohl 
religiose als auch rassische Bedeutung.'^'' 

Ab 1924 wurden jtidische Kolonien mit einer Gesamtflache von 
6.070.500 Quadratkilometem auf der Krim, in den Distrikten 
Saporoschje, Cherson und Odessa, im Kaukasus und in WeiBruBland 
gegriindet. Ebenfalls 1 924 wurde bei einem Mittagessen bei Kuhn & 
Loeb in New York ein Programm ausgearbeitet, um das Joint Distri- 
bution Committee in einige dieser Projekte einzubeziehen. Das Joint 
Distribution Committee begann, sowjetische jtidische Landwirt- 
schaftssiedlungen in der Ukraine und auf der Krim mit einer Mi- 
schung aus gespendetem Geld, geliehenem Geld und sowjetischer 
Untersttitzung zu fmanzieren. Diese Siedlungen wurden eine bizarre 
Kreuzung aus karitativem Engagement durch die Park Avenue und 
marxistischer Landwirtschaft. Einige der von Agro-Joint gegriindeten 
jiidischen Siedlungen waren zionistische Kolonien, die von Men- 
schen besiedelt wurden, welche die Krim als Sprungbrett auf dem 
Weg nach Palastina benutzten. Dreizehn der Kolonien batten hebrai- 
sche Namen. Nach Statistiken aus Jehuda Bauers Buch My Brother s 
Keeper, das durch ein groBztigiges Stipendium des Joint Distribution 
Committee fmanziert worden war, gab es im Jahr 1928 aufder Krim 
112 Agro-Joint Kolonien.'^^ Die sowjetische Regierung stellte jedes 



Zitiert von Joseph Nedava, Trotsky and the Jews, Philadelphia: Jewish Publica- 



tion Society of America, 1972, S. 114. 
»South Russian Jews Raise Strong Am 
Said to Number Now 500,000 Soldiersn, New York Times, 20. Dezember 1922. 

87 



»South Russian Jews Raise Strong Army — Organized for Self-Protection, It is 
'" Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. 60. 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Jahr 500.000 Rubel als Budget ftir die Agro-Joint-Siedlungen zur 
Verfiigung.'^^ 

Die neue sowjetische Regierung betrachtete die Juden als ehemals 
unterdriickte Nationalitat, die Anspruch auf ihre eigenen Gebiete ba- 
be. Im Einklang mit dem sowjetischen Prinzip der nationalen Auto- 
nomie wurden diese Gebiete als autonome jtidische Bezirke verwal- 
tet. Schulen, Hochschulen, Gerichte, Polizeikrafte und der gesamte 
Regierungsapparat wurden auf Jiddisch gefuhrt. Es gab ferner Thea- 
ter, Publikationen, Filme, Radio und Vorlesungen. Jtidische Arbeiter 
wurden ftir die neuen Fabriken in ganz RuBland rekrutiert. In Asien 
wurde nahe der Grenze zur Mandschurei das Gebiet von Biro- 
Bidschan, das so groB ist wie New Jersey, alsbald als Gebiet fur aus- 
schlieBlich jtidische Siedler erklart. Nach 1920 und in der ersten 
Halfte der 30er Jahre sowie vielleicht noch lange danach war es in 
der Sowjetunion ein Privileg, Jude zu sein. Es war eine Zeit staatli- 
cher Protektion ftir russische Juden. Man stufte sic als treue AUiierte 
der Sowjetmacht ein und betraute sie daher mit den Ftihrungspositio- 
nen in der Politik. Die sowjetische Regierung gab dem Jtidischen 
Theater ein erstklassiges Gebaude mitten in Moskau und groBe staat- 
liche Zuschtisse fur seine Arbeit, und seine schaffenden Ktinstler er- 
hielten groBztigig Titel und Medaillen, die ihnen Privilegien und ma- 
teriellen Komfort innerhalb des Sowjetsystems garantierten.'^' 

Im Frtihling 1927 ging Felix Warburg in die Sowjetunion und rei- 
ste von Wladiwostok nach Moskau, wobei er behauptete, er habe 40 
der Agro-Joint-Kolonien auf der Krim und in der Ukraine besichtigt. 
Warburgs Gruppe reiste im privaten Eisenbahnwaggon und besich- 
tigte abgelegenere Gegenden mit zwei Limousinen mit Chauffeur. 
Felix legte den Grundstein ftir ein Felix- Warburg-Gymnasium und 
besuchte eine Siedlung mit dem Namen Felix Warburg Nr. 4 und 
5."'° Bei seiner Rtickkehr berichtete er einer Versammlung bei einer 
Geldsammelaktion in Chicago:'''' 



'^'* Ebenda, S. 65. 

'^'' E. Traverse, aaO. (Anm. 149), S. 155; Arkady Vaksberg, aaO. (Anm. 110), S. 52- 
63. 

"'" R. Chernow, aaO. (Anm. 36), S. 289-304. 

»After Three Years, The Progress of the Jewish Farm Colonies in Russian, 
Berichte von Dn Joseph A. Rosen, Felix M. Warburg, und James H. Becker, Vor- 
getragen auf der Constructive Relief Conference des Joint Distribution Commit- 
tee und der United Jewish Campaign, Chicago, 22-23. October 1927. 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

»Ich wunschte, Sie wdren mit uns auf unserer Reise durch Rut- 
land gewesen. Gute Freunde hatten uns gewarnt, diese Reise nicht 
zu unternehmen, dafi sie gefdhrlich sei, dafi wir in ein Land gingen, 
wo alles Uberwacht wUrde und wir im Hinblick auf die Dinge, die 
wir sehen wollten, vorgekautes Essen hekommen wiirden. Nichts 
Derartiges ist passiert. In keinem Land, das wir besuchten, waren 
wir so frei von Formalitdten und wurde uns so viel Freiheit einge- 
rdumt wie in Rufiland. [...] Die Arbeit in Rufiland war ein grofier 
Erfolg, nicht nur in gefUhlsmdfiiger Hinsicht, sondern auch infinan- 
zieller Hinsicht. Es ist kaum zu glauben, dafi ungeschulte Juden aus 
den Stddten zu diesen Bauernhofen gebracht wurden und im dritten 
Jahr ernstlich anfangen, die Kredite zurilckzuzahlen, gewaltige Kre- 
dite, aber das ist die Wahrheit. Alles, was sie erhalten, wird von ih- 
nen in einem Buch notiert. Wann immer sie in das Buch sehen, wis- 
sen sie, was sie der genossenschaftlichen Kreditgesellschaft schul- 
den, und sie wissen, was sie den Juden Amerikas verdanken.« 
Julius Rosenwald, der Eigentiimer von Sears, war ein GroBspen- 
der an die American Jewish Joint Agricultural Corporation, und cine 
Siedlung wurde nach ihm benannt. 

Fiir die Kommunisten bestimmte das Blut und nicht die Religion 
das Judentum. In der Sowjetunion wurde Antisemitismus als ein Ver- 
brechen gegen die jtidische Nationalitat geahndet. Es war ein rassisti- 
sches Verbrechen. Die Kommunisten forderten, was sie als die »gei- 
stigen« Aspekte eines Volkes bezeichneten. Diese geistigen Eigenhei- 
ten waren Mythen, Volksgebrauche, Traditionen u.s.w., die nicht mit 
Religion verwechselt werden sollten, welche von den Kommunisten 
abgelehnt wurde. Wahrend das Christentum, der Islam und der Ju- 
daismus als Religionen im kommunistischen System verfolgt wur- 
den, bevorzugte man die Juden als cine in der Geschichte unter- 
driickte Nationalitat, vergleichbar etwa den Georgiern oder Armeni- 
ern. 

1928 ernannte das Zentralkomitee der kommunistischen Partei in 
Moskau ein Sonderkomitee, um den Antisemitismus zu bekampfen. 
Das Programm des Sonderkomitees sah cine systematische Kampa- 
gne durch geschultes Personal vor und begann mit seiner Arbeit in 
der kommunistischen Partei und in Schulen, einschlicBlich Hoch- 
schulen. Die Kampagne gegen Antisemitismus wurde in Schulbticher 
eingebracht, in Filmvorfuhrungen, in die Presse und die Literatur. 
Offentliche Diskussionen iiber Antisemitismus wurden veranstaltet 

89 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

und Ausfluge zu den judischen Kolonien organisiert. Eine Aktion 
gegen Antisemitismus wurde auch in der Roten Armee durchgefiihrt 
sowie in den Gewerkschaften. Antisemitismus wurde ein Staatsver- 
brechen. Das Programm sah die hochsten Disziplinarstrafen vor und 
empfahl diese gegentiber alien, die antisemitischer Handlungen fur 
schuldig befunden wurden, und insbesondere fur diejenigen, die die 
jiidische Kolonisierungsarbeit ablehnten.'^^ 

Der Chef des Moskauer Staatstheaters und sieben weitere Beamte 
des Staatstheaters wurden wegen ihrer antisemitischen Vorgehens- 
weise entlassen.'*^ Eine Moskauer Meldung an The Jewish Telegraph 
Agency berichtete, daB vier »Pogromisten« zum Tode verurteilt wor- 
den seien und neun zu Gefangnisstrafen zwischen einem und zehn 
Jahren.'^"* Wahrend einer Konferenz zur Bekampfung von Antisemi- 
tismus, die im AUrussischen Kommunistischen Klub stattfand, er- 
klarte ein Moskauer Bezirksrichter, daB wahrend der ersten zehn 
Monate des Jahres 1928 siebzig Personen in Moskau Disziplinarstra- 
fen wegen antisemitischer Propaganda erhalten batten. '^^ 

Der Kampf gegen Antisemitismus wurde in WeiBruBland ein 
Wahlkampfthema.'"" 

»Kommunisten, kcimpft gegen Ignoranz, Alkoholismus und Anti- 
semitismus, lautete ein in den Strafien aufgehdngtes Plakat.« 
In einem zweiten Bericht wurden zwei Bandenfiihrer zum Tode 
verurteilt, die eines Angriffs auf die jiidische Kolonie Nr. 3 fur 
schuldig befunden wurden. Zwei weitere Mitglieder der Bande wur- 
den zu Gefangnisstrafen mit nachfolgender Verbannung verurteilt. 
Der Polizeiprasident und sein Assistent erhielten Gefangnisstrafen 
von 18 Monaten und der Vorsitzende des ortlichen Sowjet wurde zu 
einem Jahr Gefangnis verurteilt. '^^ 

Die kommunistische Presse berichtete, der Hauptgrund fur Anti- 
semitismus in den Industriegebieten sei auf den EinfluB der »Kula- 
kem< (wohlhabendere Bauern) auf ehemalige Landarbeiter zuriickzu- 
fiihren, die jetzt in Fabriken arbeiteten. Ein Reporter von The Jewish 



»Commumst Body Acts«, New York Times, 20. Mai 1928. 

»Russian Communists War on Anti-Semitism«, New York Times, 13. Mai 1928. 

»Death Decreed for Pogromists«, New York Times, 8. Juli 1928. 

yiMoscow Anti-Semites Disciplined«, New York Times, 14. Oktober 1928. 

y>War on Anti-Semitism Feature in Soviet Election Campaigns, New York Times, 

6. Januar 1929. 

»Two to Die for Pogrom«, New York Times, 3. September 1929. 

90 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

Telegraphic Agency recherchierte und berichtete in einer Meldung 
aus Minsk: '"^ 

»Judische und nichtjildische Arbeiter, die vom Korrespondenten 
interviewt wurden, stimmten darin Uberein, dafi die Kulaken ihren 
Einflufi auf die neuen Fabrikarbeiter ausUbten, um antisemitische 
Unruhen zu stiften, um so der sowjetischen Regierung Probleme zu 
bereiten. Die Kulaken sind besonders dariiber erregt, dafi die Regie- 
rung auf ihrem Plan der endgUltigen Sozialisierung der Landwirt- 
schaft besteht.« 

In einem SchauprozeB wurde acht Arbeitern einschlieBlich drei 
Mitgliedem der kommunistischen Partei vorgeworfen, ein jtidisches 
Arbeitermadchen gequalt zu haben. Um die groBtmogliche Publizitat 
zu erreichen, wurde das Gerichtsverfahren in der groBten verfiigba- 
ren Halle abgehalten und in ganz RuBland publik gemacht. Der Pra- 
sident des WeiBrussischen Gerichtshofs hatte den Vorsitz iiber die 
Richter, und der Hauptanklager der WeiBrussischen Republik vertrat 
den Fall personlich fur den Staat. Der President der WeiBrussischen 
Akademie der Wissenschaften und der Dekan der juristischen Fakul- 
tat von Minsk erschienen ebenfalls als »Ankldger im Namen der of- 
fentlichen Meinung«. Um als Wamung fur andere Delinquenten zu 
dienen, waren die StrafmaBe sowjetischer Schauprozesse meist dra- 
konisch. Der Anklage zufolge war das jiidische Madchen zunachst 
grob verspottet und danach miBhandelt worden. Man sagte ihr, sie 
wtirde in einen Ofen geworfen und danach wurde sie mit Wasser 
iibergossen. Dann stolperte sie und fiel auf das Gesicht. SchlieBlich 
wurde ihr mit einem Holzschuh brutal auf das FuBgelenk geschlagen. 
Solches Rowdytum war unter WeiBrussischen Arbeitern in dieser 
Zeit nur zu haufig. Ein fast genau gleicher Fall ereignete sich beinahe 
gleichzeitig in einer nahen Stadt in einer anderen Fabrik mit einem 
nichtjtidischen Madchen als Opfer, aber das fuhrte zu keinen staatli- 
chen MaBnahmen.'*^ 

Warum hatte sich die bolschewistische Partei dazu entschlossen, 
in der WeiBrussischen Hauptstadt Minsk einen Polit-SchauprozeB mit 
allem, was dazugehort, "gegen Antisemitismus" abzuhalten? Ein 
Hauptgrund war, wie in einem Bericht der New York Times liber die- 
sen ProzeB angegeben wurde, daB die Wahlen zum Sowjet gerade 



»Holds Kulaks Responsible — Investigators Blame Wealthier Peasants for Rus- 



sian Anti-Semitism«, New York Times, 30. Dezember 30, 1928. 

Januar 1929. 

91 



»Anti-Semite Show Trial Opens at Minsk«, New York Times, 20. Januar 1929. 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

begannen und die Kommunisten hofften, diese Wahlen nutzen zu 
konnen, um die Macht der Kulaken ein fur allemal zu brechen. In 
WeiBruBland hatte man vor kurzem den Kulaken viel Land wegge- 
nommen. Ein Teil davon wurde dazu verwendet, neue jiidische 
Landkolonien zu schaffen. Als Folge gab es in gewissem Umfang 
Einschiichterungen der neuen jtidischen Kolonisten. Die Kommuni- 
sten schlugen dann mit diesem Slogan zurtick:'^^ 

»Aller Antisemitismus kommt von den Kulaken. « 
Man hatte auch deshalb entschieden, diesen Fall mit der groBt- 
moglichen Publizitat durchzupeitschen, well solche Handlungen in 
dieser Gegend oft vorkamen. Eine Zunahme hatte politisch gefahr- 
lich werden konnen in einer Atmosphare der Unzufriedenheit, die 
durch eine schlechte Ernte, erdriickender Besteuerung der Dorfer 
sowie Warenmangel in den Stadten hervorgerufen worden war. Sogar 
die offizielle »judische Abteilung« des Direktoriums der kommuni- 
stischen Partei in Moskau spielte Antisemitismus herunter, um nicht 
Feinden des Sowjetregimes und der antisozialistischen jiidische Pres- 
se im Ausland Gelegenheiten zu »fantastischer Pogrompropaganda« 
zu geben."'^ 

Die acht Angeklagten wurden der »Konterrevolution« beschul- 
digt, obwohl die zur Last gelegten Tatsachen kaum eine solch 
schreckliche Anklage rechtfertigten. Der sowjetische Hauptanklager 
dieses Prozesses (Krylenko) woUte die Todesstrafe durch ErschieBen 
fur Tater erster Klasse, die der konterrevolutionaren Aktivitaten 
schuldig befunden wurden, sowie Gefangnis auf unbestimmte Zeit 
fur Tater zweiter Klasse. Er sagte:'*'' 

»Auf keinen Fall wird diesen der zweiten Klasse angehorenden 
Kriminellen erlaubt, nach House zuriickzukehren. Nach ihrer Entlas- 
sung aus dem Gefangnis werden sie in die lebenslange Verbannung 
an entfernte Orte geschickt, um keinen Schaden mehr zu stiffen. « 
Der zentrale Punkt des Verfahrens war, ob die Angeklagten einer 
konterrevolutionaren Handlung schuldig waren (Klasse 1). Der Rich- 
ter versuchte, eine Verbindung zwischen den Handlungen der Ange- 
klagten mit dem EinfluB der Kulaken und den NEP-Leuten herzustel- 
len. NEP-Leute waren kleine Geschaftsleute, die sich unter Lenins 
Neuer Wirtschaftspolitik (NEP) nach der Hungerkatastrophe von 
1921-1922 betatigen durften und spater existenzvernichtend besteu- 
ert wurden. Die vier Hauptangeklagten wurden des Antisemitismus 



92 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

fur schuldig befunden sowie der groben Behandlung ihrer KoUegin 
und erhielten Gefangnisstrafen.'™ 

In einem weiteren SchauprozeB vier Monate spater erhielten 24 
andere russische Arbeiter, denen Antisemitismus vorgeworfen wurde, 
Gefangnisstrafen. Das Verfahren rief groBe Aufmerksamkeit hervor. 
Hunderte von Menschen stromten in das Gericht, um die Entschei- 
dung zu horen, die um 5 Uhr morgens verkiindet wurde. Zur gleichen 
Zeit sagte Anatole Lunatscharski, Kommissar fiir Erziehung, wah- 
rend eines Treffens in Moskau, er konne diejenigen verstehen, die 
gegen die sowjetische Regierung opponierten, aber er konne nicht 
verstehen, wie Anhanger des Kommunismus die Behauptung vertre- 
ten konnten, daB »Juden uns regieren«. 

Der sowjetische Krieg gegen Antisemitismus erfolgte in der Zeit 
nach Lenins Tod 1 924, als Josef Stalin um die Macht buhlte. Er war 
ein Mann, der sich ein Leben lang selbst als Internationalist und ent- 
schiedener Gegner des Antisemitismus bezeichnete. Stalins erbittert- 
ster Gegner, Leon Trotzki, nannte Stalin einen kleinen Angestellten, 
einen Ideen-Dieb, angstlich und unintelligent, aber er sagte nirgends, 
daB Stalin von Antisemitismus motiviert gewesen sei. 

Stalin, ein friiherer Herausgeber der Prawda, gelangte erstmals in 
das Licht der Offentlichkeit mit der Veroffentlichung seines Artikels 
»Marxismus und die nationale Frage« in der kommunistischen theo- 
retischen Zeitschrift Erleuchtung im Jahre 1913, ein Jahr vor Aus- 
bruch des Ersten Weltkrieges. Dieser Artikel behandelte die Frage, 
was Marxisten nach der Revolution mit all den nichtrussischen Na- 
tionalitaten tun sollten, die durch die Zaren erobert und zwangsweise 
zu einem Teil RuBlands gemacht worden waren. Stalin beflirwortete 
die Schaffung ortlich autonomer Regionen (Kolonien, Reservate) fiir 
die bis dahin unterdriickten Nationalitatengruppen, wo ihre Sprache, 
Volksgewohnheiten und Traditionen respektiert wiirden. In diesem 
politisch gehaltenen Artikel schrieb Stalin ausftihrlich tiber die jiidi- 
sche Nationalitat, indem er sie nicht als eine Nation beschrieb, son- 
dem als etwas Mystisches, UnfaBbares und AuBerweltliches. Mit die- 
sem Artikel wurde Stalin zur bolschewistischen Autoritat in bezug 
auf die Nationalitatenfrage. Lenin ernannte Stalin zum Kommissar 



»Anti-Semites Sentenced. Several Russians Get Prison Terms for Treating Girl 
Roughly«, New York Times, 22. Januar 1929. 

rk Times, 19. Mai 1929. 

93 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

fur Nationalitatenfragen in der ersten bolschewistischen Regierung. 
Im April 1922 wurde Stalin auf Lenins Forderung in den neu ge- 
schaffenen Posten des Generalsekretars der kommunistischen Partei 
gewahlt."^ 

Weniger als ein Jahr, nachdem er der unangefochtener Diktator 
der Sowjetunion geworden war, wobei seine offentlichen Aussagen 
als nationale Politik eingestuft wurden, machte Stalin seine beriihm- 
teste Erklarung iiber Antisemitismus. Stalin charakterisierte ihn als 
y>das gefdhrlichste Relikt des Kannibalismus«: 

»Nationaler und rassistischer Chauvinismus ist ein Uberbleibsel 
jenes Masses des Menschen auf Gebrduche, der fur die Ara des 
Kannibalismus charakteristisch ist. Antisemitismus ist eine extreme 
Ausdrucksform des rassischen Chauvinismus und ist als solcher das 
gefdhrlichste Relikt des Kannibalismus. Er ist fUr den Ausbeuter 
niltzlich, da er als Blitzableiter dient und es dem Kapitalismus er- 
moglicht, den Schldgen des Arbeiters auszuweichen. 

Er ist eine Gefahr fur die Arbeiter, da er ein falscher Weg ist, der 

sie ins Dickicht und weg von der richtigen Strafie fiihrt. Kommuni- 

sten konnen nur unversohnliche Feinde des Antisemitismus sein. In 

der Sowjetunion wird er streng verfolgt, und gewalttdtige Antisemi- 

ten werden dem Gesetz zufolge mit dem Tode bestraft.« 

Stalins »Kannibalismus«- und »B litzableiter«- Analogien waren 

Richtschnur kommunistischer Orthodoxie. Karl Kautsky, ein Haupt- 

theoretiker der Zweiten Marxistischen Intemationalen, schrieb 1903, 

daB das zaristische Regime die Juden »als einen Blitzableiter wdh- 

rend der Stiirme benutzte, die sich iiber der Autokratie zusammen- 

brauen.n Lenin hatte den Antisemitismus immer in der klarsten und 

unnachgiebigsten Form verurteilt. 1918 unterzeichnete er ein Dekret, 

das ihn als eine »tddliche Gefahr fur die gauze Revolution und als 

Gefahr fUr die Arbeiter und die Bauern« bezeichnete. Engels sah den 

Kampf gegen den Antisemitismus als ein vorrangiges Ziel der inter- 

nationalen Arbeiterbewegung und schrieb in der Arbeiterzeitung, der 

Tageszeitung der osterreichischen Sozialisten, daB »wir den Juden 

viel verdanken. [...] Marx war von reinem judischen Blut, Lassalle 



Albert Resis (Hrsg.), Molotov Remembers, Conversations with Felix Chuev, Chi- 
cago: Ivan R. Dee Inc., 1993, S. 87. 

»Stalin Hits Anti-Semitism — Says It is "Most Dangerous Survival of Cannibal- 
ism"«. New York Times, 15. Januar 1931. Diese Aussage wurde in Moskau am 
Vortag gegeniiber der Jewish Telegraphic Agency abgegeben. 

94 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

war Jude, sehr viele unserer besten Genossen sind Juden.« Und 
Karl Marx sagte: 

»Der stdrkste Gegensatz zwischen Jude und Christ ist religioser 

Art. Wie lost man dieses Problem? Indem man die Religion ab- 

schajft.« 

Marx sagte auch, daB sich der Mensch von der Religion politisch 
emanzipiere, indem er sie vom Bereich des offentlichen Rechts ins 
Privatrecht verweise."^ 

Stalins Anhanger waren in der Regel hingebungsvolle, nicht be- 
sonders intellektuelle Parteigenossen, die nie auBerhalb der Sowjet- 
union gewesen waren. Seine Gruppe verlieh der marxistischen So- 
zialtheorie eine steife, totalitare Engstimigkeit. Wenn sich die Theo- 
rien als nicht praktikabel erwiesen, versteifte man sich nur um so 
dogmatischer, brutaler und sogar morderischer auf ihre Durchfiih- 
rung. Lazar Kaganowitsch war wahrscheinlich der groBte und be- 
stimmt der ausdauemdste Schlachter in der stalinistischen Ara. Gele- 
gentlich gebrauchte er den Decknamen Koscherowitz"* und war der 
ftir die ukrainische Hungersnot 1931-1932 Hauptverantwortliche. Es 
wurde sogar behauptet, daB Kaganowitsch der tatsachliche Herr des 
Kreml sei und Stalin lediglich eine Marionette. '^^ 

Die einzige englischsprachige Biographic tiber diesen Morder von 
mehr als 20 Millionen Menschen wurde von Stuart Kahan geschrie- 
ben, einem amerikanischer Schriftsteller, dessen Tante Rosa Stalins 
dritte Frau war und der daher auch Neffe von Lazar Kaganowitsch 
ist, aber mehr dariiber spater. Kahan arbeitete als Journalist ftir die 
New York Times. In den 1980er Jahren besuchte und interviewte er 
Kaganowitsch, der inzwischen im Ruhestand war und in einem Mos- 
kauer Appartement wohnte. Es ist ein couragiertes Buch, das auf In- 
terviews mit Familienmitgliedern basiert, vermischt mit Familienge- 
schichten und Uberlieferungen, und somit eine faszinierende und 
hochst lesbare Biographic. Aber es schont die Familie und behandelt 



™ E. Traverse, aaO. (Anm. 149), S. 26. 

"^ Morris Stockhammer (Hrsg.), Karl Marx Dictionary, New York: Philosophical 

Library, 1965, S. 121, 214. Beide Zitate stammen aus Marxens Artikel tiber die 

jiidische Frage. 

Strobe Talbott (ed.), Khrushchev Remembers - The Last Testament, Boston: Lit- 



tle, Brown, and Co., 1974, S. 150. 
' Walter I 
S. 251. 



Walter Laqueur, Stalin - The Glasnost Revelations, New York: Scribner's, 1990, 

95 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

sogar Lazar Kaganowitsch relativ freundlich, soweit dies moralisch 
moglich ist. Obwohl die einzige verfugbare Biographie tiber diesen 
groBten Massenmorder des 20. Jahrhunderts weitgehend positiv aus- 
fallt, erstaunt es, daB dieses Bucli iiberhaupt existiert. 

Kahan schrieb, daB Kaganowitsch wahrend des ersten Jahres des 
groBen Terrors die Ermordung von nahezu einer halben Million 
Menschen iiberwachte, als Massensauberungen wie ein ungebandig- 
tes Untier durch das Land rasten.'^^ Wahrend er an der Macht war, 
wurden die Namen von acht Stadten in Kaganowitsch umbenannt, 
zusatzlich zur Moskauer U-Bahn, die anfangs nach ihm benannt war. 
Die Tscheka wurde ihm iibertragen (die spater als GPU, dann als 
NKWD und noch spater als KGB bezeichnet wurde), ein Spionage- 
biiro, das eine politische Polizei des organisierten Terrors wurde. Sta- 
lin iibertrug Kaganowitsch die Aufgabe, seine zweite Frau unter Be- 
obachtung zu halten und tiber ihre Aktivitaten zu berichten. Nachdem 
sic Selbstmord begangen hatte, stellte Kaganowitsch Stalin seiner 
jiingeren Schwester Rosa vor, die Arztin in einer Moskauer Klinik 
war, und innerhalb eines Jahres wurde Rosa Kaganowitsch Stalins 
dritte und letzte Frau. 

Kaganowitschs standiger Begleiter wahrend dieser Zeit war ein 
gewisser Nikita Chruschtschow, der als Schabbes Goi in der Ukraine 
am Sabbat die Sabbatlichter angeziindet und die Ofen fiir die hohen 
jiidischen Politiker angefacht hatte. "^ Chruschtschow schrieb in sei- 
ner Biographie, daB er Kaganowitsch zum ersten Mai 1917 als russi- 
scher Bauer traf und seine friihe Karriere Kaganowitsch verdankte. 
Kaganowitsch war Chruschtschows Vorgesetzter zwischen 1928 und 
1938 und abermals zwischen 1946 und 1948.'^° 

Kahan schrieb, daB es Kaganowitsch groBe Freude machte, 16 
groBere Dorfer der Kosaken nach Sibirien umsiedeln zu lassen, well 
er die Kosaken dafiir verantwortlich machte, die Juden unter den Za- 
ren verfolgt zu haben.'**' Er beteiligte sich am AbriB der Christi- 
Erloser-Kirche in Moskau zugunsten eines neuen Palastes der So- 



Stuart Kahan, The Wolf of the Kremlin, New York: William Morrow and Com- 
pany, Inc., 1987, S. 174. 

'"Ebenda, S. 158. 

'**" Strobe Talbott (ed.), aaO. (Anm. 176), S. 544f. 

'^' S. Kahan, aaO. (Anm. 178), S. 158-165. 

96 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

wjets. Das Heilige-Woche-Kloster wurde in ein Theater fiir Partei- 
mitglieder umfunktioniert.'^^ 

»Die Menschen hatten Angst davor zu lachen. Es war, ah sei eine 

grofie Decke iiber ihren Mund gehdngt warden. « 

Kahan gab einen interessanten Bericht iiber Stalins Tod, der mog- 
licherweise stimmt. Nach Kahan verschrieb Stalins Frau Rosa Stalin 
nach dessen erstem Schlaganfall Tabletten mit dem Namen Dicuma- 
rol, ein Antikoagulationsmittel, das auch in Rattengift verwendet 
wird. GroBe Mengen sind todlich, aber in kleinen Mengen einge- 
nommen verzogert Dicumarol Blutgerinnsel und macht somit einen 
weiteren Schlaganfall weniger wahrscheinlich. Nach seinem ersten 
Schlaganfall nahm Stalin zweimal am Tag Dicumarol. Spater vervier- 
fachte Rosa heimlich die Dosis, was ihn schlieBlich vergiftete. Das 
Problem dieser Geschichte liegt darin, daB Kahan Molotow, Bulga- 
nin und andere aus dem inneren Kreis als Verschworer bei Stalins 
Untergang einbezieht. Es ist nicht sehr wahrscheinlich, daB Stalin in 
seinem eigenen inneren Kreis keine Freunde hatte, aber diese Theo- 
rie schtitzt Rosa und Lazar Kaganowitsch vor der vollen Verantwor- 
tung.'**^ Vielleicht wurde Stalin wirklich durch einen jtidischen Arzt 
getotet, namlich seine Frau. Eine Autopsie konnte uns Klarheit ver- 
schaffen. 

Schwer zu glaubende Geschichten tiber mordende Arzte zirkulier- 
ten schon seit langem in der Sowjetunion. Eine friihere "Arztever- 
schworung" war eine der Entschuldigungen fur den sowjetischen 
groBen Terror der 1930er Jahre. In Ktirze lautet diese friihere Ge- 
schichte und ihre sich daran anschlieBenden Konsequenzen folgen- 
dermaBen: 1934 planten Bucharin, Jagoda und andere "Rechte", die 
mit Trotzki in Verbindung standen, Stalin, Woroschilow, Kirow, 
Menschinsky, Molotow, Kuibyschew, Kaganowitsch, Gorki sowie 
Schdanow umzubringen, also praktisch die ganze Sowjetfiihrung. 
Dies sollte durch Arzte bewerkstelligt werden, die langsam die Ge- 
sundheit dieser Fiihrungskrafte ruinieren soUten. Wie von den Ver- 
schworern angewiesen, gaben die Arzte absichtlich schlechte Rat- 
schliige und leisteten Fehlbehandlungen bei Krankheiten, insbeson- 
dere bei HerzgefaBerkrankungen. Dem Patienten wurden Injektionen 
und Stimulanzien verabreicht, die ihn heimlich toten sollten. Auf die- 



'^^Ebenda, S. 178. 



97 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

se Weise wurde Menschinski umgebracht und Jagoda nahm seine Po- 
sition in der Fiihrung ein. Als sich der international bekannte Schrift- 
steller Gorki eine schwere Grippe zuzog und starb, ging schnell das 
Geriicht um, daB sein Arzt seinen Zustand absichtlich verschlechtert 
und so Gorki getotet habe. Bald sagte man, Trotzki babe befohlen, 
daB »Gorki physisch um jeden Preis ausgeloscht werden mufi« auf- 
grund des Prestiges, das Gorki genoB, und well er personlich Stalin 
sehr ergeben war. Diese und ahnliche erdichtete "Verbrechen" wur- 
den in drei Prozessen vor dem Militartribunal des Obersten Gerichts 
der UdSSR behandelt und zwar im August 1936, Januar 1937 und 
Marz 1938, also auf dem Hohepunkt des groBen Terrors. '**'' Beim 
Verfahren von 1936 wurden Sinowjew und Kamenew aus dem Ge- 
fangnis geholt, wo sie Strafen aus friiheren Verurteilungen absaBen. 
Die Anklage behauptete, daB sich zwischen Leon Trotzki auf der ei- 
nen Seite und Alfred Rosenberg und Rudolf Hess vom nationalsozia- 
listischen Deutschland auf der anderen Seite eine enge Beziehung 
entwickelt habe. Zum Ende des dritten Verfahrens 1938 wurden die 
totenden Arzte und andere Verschworer verurteilt und durch ein 
Exekutionskommando erschossen. 

Wahrend des groBen Terrors von 1936 bis 1938 billigte Stalin ei- 
nen Plan fur die summarische ErschieBung von Zehntausenden von 
Menschen, indem er Richtzahlen fiir ErschieBungen in den Bezirken 
festlegte. Es gab einen sozialistischen Wettstreit zwischen den Abtei- 
lungen des NKWD, die meisten Spione zu fmden. N.l. Jeschow, Sta- 
lins Chef der Geheimpolizei auf dem Hohepunkt des groBen Terrors, 
erzwang brutal wissentlich falsche Gestandnisse von unschuldigen 
Menschen. Stalin unterzeichnete personlich Todesurteile, einschlieB- 
lich eines Dokuments mit 3.167 Hinrichtungen an einem Tag. 
SchlieBlich wurde Jeschow festgenommen, verurteilt und wegen des 
Verbrechens der »linken Uberreaktion« erschossen und durch Berija 
ersetzt."*^ Die Bolschewisten der alien Garde wurden festgenommen 
und erschossen, ein Manover, das durchaus bei manchen aus den Un- 
terklassen popular gewesen sein mag, well das Leid, das die Revolu- 



Albert E. Kahn, Michael Sayers, The Great Conspiracy - The Secret War Against 



Soviet Russia, Boston: Little, Brown, and Co., 1946, S. 262 et al. 
' John Arch Getty, Roberta T. Manning, (eds.), Stalinist Terror. New 
Cambridge/New York: Cambridge University Press, 1993. S. 14, 34, 42. 



Kapitel 5: Aufder Spur des Geldes 

tion dem russischen Volk zugefiigt hatte, so viel Bitterkeit angesam- 
melthatte."^'^ 

SchlieBen wir dieses Kapitel mit einer Bemerkung tiber die so- 
wjetische "Arzteverschworung" der 1950er Jahre. Laut Autor Kahan 
waren sechs der 1 5 angeklagten Arzte Juden, aber die offizielle Mit- 
teilung tiber die Festnahme berichtete nur neun der ftinfzehn Namen, 
einschlieBlich aller sechs Judennamen. Es wurde daher gegeniiber 
der Welt der Eindruck erweckt, als seien die meisten der Festge- 
nommenen Juden gewesen, was typisch fur die falschen Auffassun- 
gen ist, die bis zum heutigen Tage wiederholt werden. Zum Beispiel 
berichtet die online Encarta Encyclopedia: 

»I953 wurden funfzehn Arzte, die meisten davon Juden, festge- 
nommen und beschuldigt, hochrangige sowjetische Beamte auf Ge- 
heifi des Joint Distribution Committee, einer zionistischen Organisa- 
tion, ermordet zu haben. « 
Ein Schelm, wer Schlechtes dabei denkt. 



'**'' Walter Laqueur, aaO. (Anm. 177), S. 273f. 



99 



Kapitel 6: 
Die Spur ftihrt weiter 



Strahlende Berichte tiber die Aktivitaten in den sowjetischen 
Landwirtschaftskolonien des Joint erfolgten weiter bis in die friihen 
dreiBiger Jahre. 1931 berichtete die New York Times'}^^ 

»Die wirtschaftliche Umformung des jildischen Lebens in Rut- 
land grenzt beinahe an ein Wunder. Ungeachtet aller Schdtzungen 
fur die Zukunft, sind die bemerkenswerten Tatsachen nicht zu uber- 
sehen, die bei der Sitzung des Nationalitdtenrats Mitte Januar in 
Moskau herauskamen, dafi zu Beginn dieses Jahres 46, 7 Prozent der 
jildischen Bevolkerung in Sowjetrufiland Lohnempfdnger waren, ein 
Prozentsatz, den bislang keine andere Nationalitdt in Sowjetrufiland 
erreicht hat, aufierdem, dafi 43% dieses neuen jildischen Proletariats 
mit der Schwer Industrie in Zusammenhang standen, dafi sich die 
ehemalige Dominanz im Schneider- und Kiirschnergewerbe zu einem 
Vorherrschen in der Metallurgie gewandelt hat, dafi die Zahl der Ju- 
den, die in der sowjetischen Metallindustrie arbeiten, nun die Zahl 
in alien anderen Gewerben ubersteigt. [...] Die Zahl jUdischer Man- 
ner ohne Rechte, well sie Handel betreiben, wurde auf ein solches 
Minimum reduziert, dafi sie nicht mehr zdhlt. [...] Eine Nation, die 
praktisch nur aus Ladenbesitzern und Hdndlern bestand, wird vor 
unseren Augen in ein Volk von Land- und Industriearbeitern umge- 
wandelt. « 

Jehuda Bauer berichtet in My Brother 's Keeper, daB ein Anfiihrer 
des "Joint" die damalige brutale Vernichtung der Kulaken mit KoUe- 
gen und jildischen Ftihrern in RuBland diskutiert hatte, bemerkt aber, 
daB unter den Kolonisten nur wenig Kulaken waren, und sie das des- 
halb kaum beriihren wiirde.'^^ Agro- Joint reagierte auf die sowjeti- 
sche ZwangskoUektivierungen, indem er bei ortlichen sowjetischen 
Regierungsbeamten und Vertretem der Kommunistischen Partei in- 
tervenierte, um rechtliche Beschrankungen so zu andern, daB die 



'^' William Zukerman, »Status of the Jews in Russia as transformed by the Revolu- 
tions, The New York Times, 3 1 . Mai 1931. 
'^* Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S. 70. 

101 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Agro-Joint-Kolonien die KoUektivierungsmaBnahmen relativ gut 
iiberstanden.'^^ 

Judische Arbeiter und Bauern aufder Krim undin der Ukraine ist 
ein Buch tiber die Aktivitaten der sowjetischen Agro-Joint-Kolonien, 
das von Evelyn Morrissey geschrieben wurde, einer langjahrigen 
Mitarbeiterin des American Jewish Joint Distribution Committee und 
Assistenzschatzmeisterin von Agro-Joint. Es berichtet tiber einen 
einmonatigen Besuch in der Sowjetunion und eine Besichtigungsrei- 
se dieser landwirtschaftlichen Kolonien im Jahr 1935. Das Agro- 
Joint-Projekt in der Sowjetunion machte einige "Joinf'-Angestellte 
zu Sympathisanten (Personen, die sich mit dem Anliegen der Kom- 
munistischen Partei identifizieren, ohne Mitglied zu sein). Morris- 
seys Begleiter wurden wie Konige behandelt und muBten nicht 
Schlange stehen, um den einbalsamierten Leichnam Lenins zu sehen. 
Sie verbrachte den ersten Abend in der Staatsoper, machte dann eine 
Runde durch die Moskauer Museen sowie durch das gerade eroffnete 
prachtige Moskauer Lazar-Kaganowitsch-U-Bahnsystem. Ihr wurde 
erzahlt, daB der Rote Platz nicht von den Kommunisten so benannt 
wurde, sondem wegen der offentlichen Hinrichtungen so bezeichnet 
wurde, die dort in friiheren Zeiten stattfanden. »Waren es Gemetzel 
von Iwan dem Schrecklichen, die ihm seinen Namen gabenl« fragte 
sich Morrissey. Sie sah Kirchen, die noch immer geoffnet waren, und 
Kirchen, die nun Museen oder Arbeiterklubs waren. Sie sah das 
Haus, in dem Stalin lebte. Sie besuchte Leningrad, Odessa und Kiew. 

Dann besuchten Morrissey und ihre Begleiter die Agro-Joint- 
Kolonien. In einer Kolchose wurde ihnen gesagt, 1934 sei fur sie ein 
gutes Jahr fiir Getreide gewesen, aber 1935 wtirde sogar noch besser 
sein.'^" (Man erinnere sich, daB tiber 7 Millionen Ukrainer zwischen 
1933 - 1934 in einer kiinstlich erzeugten Hungersnot gestorben 
sind'^'). Sie berichtete, daB sie Gefangene gesehen habe, die auf den 
Feldern in den Steppen der Krim arbeiteten und unter recht guten 
Bedingungen lebten. Sie schrieb, daB »Unerwiinschte, Konterrevolu- 



'^' Ebenda, S. 74f. 

Evelyn Morrissey, Jewish Workers and Farmers in the Crimea and Ukraine, Pri- 
vately Printed, New York: Self-published, 1937, S. 38. 
Robert Conquest, Harvest of Sorrow. Soviet collectivization and the terror- 
famine, London: Hutchinson, 1986; Robert Conquest u.a., The Man-made famine 
in Ukraine, Washington: American Enterprise Institute for Public Policy Re- 
search, 1984. 

102 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

tionare sowie Klassenfeinde in Rufiland« keine Passe fiirs Inland er- 

hielten, so daB sie, wenn sie flohen, als Verurteilte keine Arbeit be- 

kommen konnten. Diese Passe muBten alle drei bis ftinf Jahre erneu- 

ert werden, erklarte sie, und nur Arbeiter und Menschen, die das So- 

wjetsystem akzeptierten, erhielten Reisepasse. Das Buch fahrt fort:'^^ 

»Dies, so wird erkldrt, gibt eine sorgfdltige Kontrolle iXher den 

Sowjetbilrger. Wir haben viel ilber die Verhdltnisse der Zwangs- und 

Gefdngnisarbeiter und deren Schrecken gelesen, aber hier in diesen 

goldenen Sonnenblumenfeldern konnen wir uns nicht vorstellen, was 

dies bedeutet.« 

Morrissey berichtete auch, daB die »sowjetische Regierung nicht 
nur aktiv bei dem Werk kooperiert, sondern offiziell die Fiihrung 
iibernommen hat, indent sie die Losung der jUdischen Frage als ein 
Staatsproblem anerkennt.« Sie erwahnte die laufende Regierungs- 
kampagne gegen den Antisemitismus, daB die Verbreitung antisemi- 
tischer Propaganda eine Straftat war, die durch Verbannung und Ge- 
fangnis bestraft wurde: 

»Juden, sagte sie, geniefien als Nationalitdt echte und absolute 
Gleichberechtigung mit dem Rest der Bevolkerung bezilglich Btirger- 
rechte, politischer und anderer Rechte. In den Agro-Joint-Kolonien 
geniefien Juden kulturelle Autonomie. Jiddisch wird in den Schulen 
und Gerichten gesprochen, und die Juden geben so jiidische Traditi- 
on an die jilngere Generation weiter durch das jiidische Kommunal- 
leben, das Studium der jUdischen Literatur etc. « 
Eine von Joseph Hyman verfaBte und 1939 veroffentlichte "Jo- 
int"-Publikation'^^ berichtete, daB zu den Agro-Joint-Projekten 
landwirtschaftliche Siedlungen, Industrialisierung und andere Aktivi- 
taten gehorten, sowohl fur auf dem Land als auch fur in der Stadt le- 
bende Juden. '^"^ 

»Ab einer bestimmten Entwicklungsstufe bei alien Agro-Joint- 
Projekten wurde die Arbeit von ortlichen Regierungsstellen in die 
Hand genommen und in die allgemeine Struktur des wirtschaftlichen 
und sozialen Lebens des Landes eingepafit und auf Kosten der Re- 
gierung in grofierem Mafistab fortgefUhrt.« 



"^ E. Morrissey, aaO. (Anm. 190), S. 41. 

"^ Joseph C. Hyman, Twenty Five Years of American Aid To Jews Overseas. A Re- 



cord of tiie Joint Distribution Committee, 'Hqw York, 1939. 

103 



""Ebenda, S. 31. 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Diese Veroffentlichung behauptete, daB das Landsiedlungsprojekt 
250.000 Menschen in der Ukraine und der Krim ansiedelte und daB 

»die Kollektive bis 1937 stark genug geworden waren, um neue 
Mitglieder ohne Hilfe von aufien in die Kolonien aufzunehmen und 
um mehr Mittel fUr allgemeine Verbesserungen zur VerfUgung zu 
stellen, wie die Elektrifizierung von Dorfern, Bewdsserung, Wasser- 
versorgung und andere Projekte. « 

Agro-Joint unterhielt dreihundert Kreditgesellschaften, die von 
der Regierungsbank 1937 ubernommen wurden, »die ihn in die Lage 
versetzte, in einem grofieren Ausmafi weiterzuarbeiten, ah es einer 
sozialen Wohltdtigkeitsorganisation moglich gewesen wdre.« 

Die gleiche "Joint"-Veroffentlichung von 1939 erwahnte auch, 
daB andere Handels- und Landwirtschaftsschulen erfolgreich betrie- 
ben wurden, gelegentlich in Zusammenarbeit mit anderen jiidischen 
Organisationen wie etwa ORT'^^ und der sowjetischen Regierung. 
Sie berichtete von der Schaffung von 63 medizinischen Gesellschaf- 
ten, die erfolgreich gegen »Tuberkulose, Trachom, Pilzflechte und 
andere Krankheiten kdmpften, die unter der verarmten jiidischen Be- 
volkerung grassierten.« Dies belegt die Fahigkeit, wahrend der 
1920er und 1930er Jahre groBe Menschengruppen weit in der So- 
wjetunion umherbewegen zu konnen. Sie berichtete ferner, daB 
Agro-Joint 1937-1938 seine Aktivitaten beendete, »als sich heraus- 
stellte, dafi die russischen Juden nicht mehr die UnterstUtzung aus- 
wdrtiger Organisationen bendtigten.« 

Laut The JDC Story, die 1953 vom American Jewish Joint Distri- 
bution Committee veroffentlicht wurde, gab es bis 1936 215 Agro- 
Joint Kolonien mit 100.000 Menschen, die auf der Krim und in der 
Ukraine operierten:'^^ 

»In weniger als 15 Jahren half die Arbeit von Agro-Joint, einen 
grofien Teil des russischen Judentums von einer niedergeschlagenen, 
fast hilflosen Ghetto-Bevolkerung in zuversichtliche und produktive 
Feld- und Fabrikarbeiter umzuwandeln. [...] Ohne die voile Koope- 
ration der russischen Regierung hdtten diese Ziele nicht verwirklicht 



"^ Organisation zur Forderung handwerklicher und landwirschaftlicher Fahigkeiten 
bei Juden in Rui51and (ORT), eine jiidische Fordergruppe, die 1880 im zaristi- 
sclien RuBland gegriindet wurde. Die Verwaltungsbiiros befinden sich in London, 
England. 

"* J.C. Hyman, aaO. (Anm. 193), S. 27-33. 

'" Moses A. Leavitt, The JDC Story. Highlights of JDC Activities 1914-1952, New 
York: American Jewish Joint Distribution Committee, Inc., 1953, S. 10. 

104 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

werden konnen, nach dieser "Joint" -Quelle von 1953. Aber schliefi- 
lich wurde JDC 1938 gebeten, seine Aktivitdten in Rufiland einzu- 
stellen, da die Regierung nach Angaben der Behorden nun in der 
Lage war, fur ihre Burger zu sorgen, ohne auf auswdrtige Hilfe zu- 
rilckzugreifen. « 

In My Brother s Keeper nannte Jehuda Bauer die Ergebnisse die- 
ser Kolonisierungsbemiihungen »unklar« und sagte, daB die ganze 
Geschichte dariiber, was mit Agro-Joint geschah, erst erzahlt werden 
konne, wenn die Agro-Joint-Unterlagen in RuBland gefunden und der 
Untersuchung durch Forscher zuganglich gemacht wiirden.'^^ 

Aber die sowjetischen Landwirtschaftskolonien wurden stets von 
den Siedlungen in Palastina tiberschattet. SchlieBlich war der "Joint" 
1914 gegriindet worden, urn Kolonisten in Palastina zu helfen. Viele 
Spendensammler, besonders in Wises American Jewish Congress, 
waren der Ansicht, daB die sowjetischen Kolonien bestenfalls eine 
Ablenkung vom zionistischen Ziel seien. Palastina war das bestan- 
digste Anliegen in den Spendenkampagnen des Joint Distribution 
Committee von 1914 bis nach 1920 und 1930, genau wie heute - fur 
Israel. 

Als 1914 die Feindseligkeiten zwischen dem Deutschen Reich, 
Osterreich-Ungarn und den ottomanischen Tiirken auf der einen Sei- 
te und GroBbritannien, Frankreich und dem zaristischen RuBland auf 
der anderen Seite ausbrachen, war das, was damals Palastina genannt 
wurde, ein Teil des ttirkischen ottomanischen Reichs, wie bereits er- 
wahnt. Die Vereinigten Staaten traten 1917 in den Krieg ein. Eben- 
falls 1917 erfolgte der Balfour-Erklarung, und GroBbritannien er- 
oberte Palastina einschlicBlich Jerusalem. Nach der Einstellung der 
Feindseligkeiten erhielt GroBbritannien auf der Pariser Friedenskon- 
ferenz das Mandat iiber Palastina. 

Rabbi Wise erinnerte sich an ein Treffen, das er mit Lord Balfour 
im Dezember 1918 hatte. Wise schrieb:'^^ 

» Wir [Wise und Balfour] trafen uns wieder bei einem Dinner, das 
Lord Rothschild filr Konig Feisal und den weltberilhmten T.E. La- 
wrence gab. Feisal sah von Kopfbis Fufi wie ein ostlicher Machtha- 
ber aus und sprach Arabisch. Lawrence Ubersetzte die Rede in einfa- 



Y. Bauer, aaO. (Anm. 58), S 103f. Bauer bemerkt im Vorwort, daB er ein groBzii- 
giges Stipendium vom Joint Distribution Committee ertiielt, um dieses Buch zu 
sclireiben. 
'" S.S. Wise, aaO. (Anm. 91), S. 195f. 

105 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

ches musikalisches Englisch, eine ziemlich einfache Aufgabe, wenn 
man weifi, dafi er wahrscheinlich die arabische Version fur Seine 
Majestdt geschrieben hatte. « 

Bald nachdem GroBbritannien dieses Mandat des Volkerbunds 
iiber Palastina erhalten hatte, wurde Winston Churchill Minister fur 
Kolonien im Kabinett des britischen Premierministers Lloyd George. 
Er schien zu glauben, daB die Juden, die nach Palastina kamen, fiir 
die Araber, die in Palastina lebten, von Vorteil sein wtirden. Wie be- 
reits in einem friiheren Kapitel erwahnt, erzahlte Churchill einer De- 
legation Moslems in Jerusalem, daB Palastina »eine«, nicht »die« na- 
tionale Heimat der Juden sein wtirde. AnlaBlich einer Rede im briti- 
schen Unterhaus am 4. Juli 1922 fragte Churchill rhetorisch:^"" 

»Werden wir unsere Zusagen, die wir 1917 gegenilber den Zioni- 

sten abgaben, halten? [...] Zusagen und Versprechen wurden wdh- 

rend des Krieges abgegeben, und sie wurden nicht nur aufgrund von 

Verdiensten abgegeben, obwohl ich denke, dafi die Verdienste be- 

achtlich waren. Sie wurden abgegeben, well man glaubte, dafi sie fur 

uns in unserem Ringen, den Krieg zu gewinnen, wertvoll sein wiir- 

den. Man dachte, dafi die UnterstUtzung, die die Juden uns in der 

ganzen Welt geben konnten, vor allem in den Vereinigten Staaten und 

auch in Rufiland, ein echter spiirbarer Vorteil sein wurde.« 

Das WeiBpapier Churchills vom Juli 1922, wahrend er Kolonial- 

minister war, schloB, daB die Befurchtungen, »was die Araber be- 

trifft, teilweise auf ubertriebenen Auslegungen der Bedeutung der 

\^a\foviV-\Erkldrung basierten, die die Errichtung einer jiidischen 

nationalen Heimstdtte in Palastina begriifite. [...]& wurden unauto- 

risierte Aussagen gemacht, denen zufolge das angestrebte Ziel die 

Schaffung eines vollstdndig jiidischen Paldstinas sein wurde. Es 

wurden Formulierungen verwendet, wie etwa, dafi Palastina ebenso 

judisch werden miisse wie England englisch ist.« Vielleicht dachte 

Churchill, daB die Juden, die nach Palastina kamen, gute Palastinen- 

ser wtirden, so wie sie gute Englander, gute Deutsche und gute Fran- 

zosen geworden waren. 

Viele der Fiihrungspersonlichkeiten jener Zeit sahen nicht, daB 
sich Palastina zu einem jiidischen Staat entwickelte. Max Warburg 
betrachtete Palastina als einen moglichen heiligen Ort, um den Geist 



^"^ Robert John, Behind the Balfour Declaration, Costa Mesa, CA: Institute for His- 
torical Review, 1988, S. 85. 
^'" J. de Haas, S.S. Wise, aaO. (Anm. 59), S. 173-176. 

106 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

wiederzubeleben, ein kulturelles Geschenk an die Menschheit.^"^ 
Dementsprechend fmanzierte Felix Warburg groBztigig die Errich- 
tung eines Instituts fiir jtidische Studien an der Hebraischen Univer- 
sitat. Lord Balfour war Prasident bei den Griindungszeremonien zur 
Eroffnung der Hebraischen Universitat am 1. April 1925. Chaim 
Weizmann wurde ihr erster Prasident und Albert Einstein Vorsitzen- 
der des Akademischen Rates?"^ 1925 tat sich Felix Warburg mit 
Louis Marshall zusammen, um die Palestine Economic Corporation 
zu griinden, mit Felix als Ehrenvorsitzenden, um Investitionskapital 
in Handels- und Agrar-Projekte in Palastina zu kanalisieren. Felix' 
Phantastereien iiber eine von menschlichen Schwachen gereinigte 
klassenlose Gesellschaft, aus dort lebenden Landwirten und Ktinst- 
lem, erinnert an die jtidischen Agro-Joint-Kolonien in RuBland.^"'^ 
Diese Idee entstammte natiirlich nicht Warburg, sondern viele dieser 
Ideen fmdet man in Theodor Herzls Schriften, besonders in seinem 
Roman Altneuland. 

Die eingeborenen Palastinenser waren tiber diese Veranderungen 
nicht glticklich, obwohl Briten und Zionisten versuchten, die Weltof- 
fentlichkeit vom Gegenteil zu iiberzeugen. Am 23. August 1929 er- 
folgte ein arabischer Aufstand gegen die jtidische Bevolkerung in Pa- 
lastina. Ftinf Tage nach diesem arabischen Aufstand wurde in Madi- 
son Square Garden in New York City eine Massenversammlung ver- 
anstaltet, bei der zweieinhalb Millionen Dollar gesammelt und ein 
Nothilfe-Fonds fur jtidische Opfer des arabischen Aufstands geschaf- 
fen wurde, dessen Verteilung im September 1929 begann. Man be- 
mtihte die Propaganda, um zu zeigen, wie die jtidische Einwande- 
rung nach Palastina den dort wohnenden Arabern zu Wohlstand ver- 
holfen habe. Eine Umfrage wurde durchgefiihrt, die zeigte, daB jtidi- 
sche Unternehmen sowohl den Wert des arabischen Besitzes vervier- 
facht als auch die Kaufkraft der Araber erhoht batten. Nach dieser 
Umfrage gehorten zu den Klassen, die durch die Juden negativ ein- 
geschatzt wurden, arabische Arbeitgeber, die ihre Mitbtirger durch 
billige Arbeit ausbeuteten, und Landbesitzer, die ihre Pachter aus- 



^"^ R. Chernow, aaO. (Anm. 36), S. 297. 

^"^ Ebenda, S. 252. 

^'"' Ebenda, S. 252 und 448. 

^"^ Theodor Herzl, Old New Land, Princeton, NJ: M. Wiener, 1997; zuerst auf 

Deutsch als Altneuland circa 1900 veroffentlicht; letzte Auflage Wien, Basel, 

Stuttgart: Deutsch, 1962. 

107 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

nutzten?"* Die Umfrage gab die Meinungen der palastinensischen 
Romanfigur Reschid Bey aus Herzls bekanntester Erzahlung Altneu- 
land wieder, der behauptete, daB alle von der judischen Expansion 
profitiert batten, die Landbesitzer von hoheren Landpreisen, die 
Landarbeiter von geordneter Beschaftigung und Sozialftirsorge. 

Herzls popularer utopischer Phantasie-Roman Altneuland wurde 
1899 geschrieben und spielt in der Zukunft (1923). In diesem Roman 
sagt ein Christ:^"^ 

» "Ihr seid eigentlich kurios, ihr Mohammedaner! Seht ihr derm 
diese Juden nicht als Eindringlinge an? " 

"Christ, wie sonderbar ist Ihre jetzige Rede! " antwortete der 
freundliche Reschid. "Wilrden Sie den als einen Rduber betrachten, 
der Ihnen nichts nimmt, sondern etwas bringt? Die Juden haben uns 
bereichert, warum soil ten wir ihnen zUrnen? Sie leben mit uns wie 
Brilder, warum soil ten wir sie nicht lichen? [...] Sie miissen schon 
entschuldigen, aber Duldsamkeit habe ich im Abendlande nicht ge- 
lernt. Wir Mohammedaner haben uns vonjeher besser als ihr Chris- 
ten mit den Juden vertragen. "« 

Dies konnte fur manche Wunschdenken gewesen sein, aber viele 
Juden lieBen die Sorgen der bereits in Palastina lebenden Araber 
schlichtweg kalt. 

Der "Joint" organisierte 1926 die Palestine Economic Corporati- 
on, die durch verschiedene Tochterfirmen wie etwa die Central Bank 
of Cooperative Institutions, die Loan Bank Ltd., die Palestine Mort- 
gage and Credit Bank Landwirten, Kiinstlern, Kleinhandlern und Fa- 
brikanten Kredite gab. Die Palestine Water Company und die Baysi- 
de Land Corporation wurden gegriindet, und der "Joint" investierte 
ebenfalls in Palestine Potash Ltd., Palestine Hotels, Palestine Fo- 
undries und Metal Works, Agricultural Mortgage Company und die 
Palestine Electric Corporation. 

Stephen S. Wise sagte 1931 folgendes tiber den Zionismus und 
die Probleme in Palastina:^"' 



»Survey Reveals that Jewish Immigration to Palestine Brings Prosperity to Ar- 

abs«, The New York Times, 15. Juni 1930. 
^"^ Theodor Herzl, Old New Land, aaO. (Anm. 205), S. 124f. Der Text entstammt 

dem deutschen Original. 
^'"* J.C. Hyman, aaO. (Anm. 193), S. 39. 

»Rabbis Urge Faith As Key To Crisis«, The New York Times, 2 1 . September 

1931,8.36. 

108 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

»Nur zwei Arten von Wesen glauben, dafi der Zionismus nach 
Macht und Gewaltanwendung strebt. Zundchst jene nichtswiirdigen 
arabischen Anfilhrer, die sich nicht vorstellen konnen, dafi man wirk- 
lich an die Waffen von Liebe und Frieden glauben kann, und die 
ebenso nichtswiirdigen jUdischen Anfiihrer, die nur das Schlechteste 
iiber ihr eigenes Volk denken, die mit einer Schwdche filr eine ilber- 
holte Philosophie aus dem 19. Jahrhundert und alien ihr eigenen 
Gegebenheiten darauf bestehen, dafi die Wiederkehr jUdischen Le- 
bens in Paldstina Zwang, Gewalt und Krieg bedeute. Als ob Juden, 
die sogar unter ihresgleichen als Idealisten herausragen, dafUr sor- 
gen wilrden, dafi jedes jahrhundertealte judische Ideal abgeschafft 
wurde. « 

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges gab es ein allgemeines 
Gefiihl, daB etwas GroBes passieren wtirde. Viele der Hoffnungen 
und vielleicht das Wunschdenken jener Zeit werden in einem Artikel 
der New York Times vom 28. August 1922 schon zusammengefaBt, 
der auch die Riickkehr Jerusalems anspricht und vorhersagt, daB es 
die Hauptstadt des Weltfriedens werde: 

» Juden DER Welt werden Volkerbund unterstutzen 
Dr. Sokolow berichtet dem Zionistischen Kongrefi, dafi Jerusalem 
Internationale Hauptstadt des Friedens sein wird. 
Arabische Entente vorhergesagt 

Dr. Weizmann uberzeugt, Paldstina kann nicht ohne die Mitwir- 
kung des arabischen Volkes wiederaufgebaut werden. 

Karlsbad, 27. August (Jewish Telegraphic Agency) — "Der Vol- 
kerbund ist eine judische Idee und Jerusalem wird eines Tages die 
Hauptstadt des Weltfriedens, " erkldrte Dr. Nahum Sokolow, Vorsit- 
zender des Zionistischen Exekutivausschusses auf einem Sondertref- 
fen der Zionist Conference heute. 

"Der Volkerbund hat unsere Rechte aufunsere alte Heimat aner- 
kannt, " fuhr Dr. Sokolow fort. "Wir Juden in der ganzen Welt wer- 
den den Kampf des Volkerbundes zu unserem eigenen machen und 
werden nicht ruhen, bis der endgUltige Sieg erreicht ist. " [. . .] 

Man beschlofi auf dem Treffen, Grufibotschaften an Max Nordau, 
einen der ersten Nachfolger Herzls, Earl Balfour sowie Baron Ed- 
mond de Rothschild zu versenden, wobei der Letztgenannte der 
Grilnder der ersten jUdischen Kolonie in Paldstina ist. 

[...] George Halpern, Schatzmeister der Zionistischen Weltorga- 
nisation, behauptete, die Zionisten sollten sich auf die Kolonisierung 



109 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

und Einwanderung konzentrieren, anstatt auf kulturelle Aktivitdten. 

Dr. Sokolow war der Autor der 1919 veroffentlichten Geschichte 
des Zionismus und damals sehr einfluBreich sowohl bei der Bestim- 
mung der Zielsetzung der Bewegung als auch beziiglich ihrer Naivi- 
tat. Theodor Herzl war der Begriinder der zionistischen Bewegung 
und bemerkenswert als religioser Anfuhrer, der selbst nicht religios 
war. Max Nordau wurde von vielen als der geistige Erbe Herzls an- 
gesehen, und Chaim Weizmann war der charismatische ehemalige 
englische Chemieprofessor, der damals tatsachlich die zionistische 
Bewegung anfuhrte. Felix Warburgs Nichte, Lola Hahn Warburg, 
war Weizmanns Geliebte. 

In den 1920em behauptete Theodor Herzls geistiger Erbe Max 
Nordau, daB Juden an der polnisch-russischen Grenze abgeschlachtet 
wtirden und daB 600.000 von Pogromen betroffene Juden sofort mit 
ihrem Besitz nach Palastina transferiert werden sollten. Nordau, so 
wird berichtet, prophezeite, daB ein Drittel dieser Juden verhungern 
wtirde, ein Drittel wtirde auswandern und daB das verbleibende Drit- 
tel schnell und endlich den jiidischen Staat erringen wtirde.^'" 

Laut Nahum Sokolows Geschichte des Zionismus argumentierte 
die antizionistische Mendelssohnsche Schule wie folgt:^'' 

»Der Fortschritt der modernen Zivilisation wurde allmdhlich als 

ein "Messias " fiir die Endlosung des jiidischen Problems angese- 

hen.« 

Diese Geschichte schildert, wie Berichte tiber Massaker an Juden 
in Polen im 15. Jahrhundert und iiber die Inquisition in Spanien, wo 
Juden lebendigen Leibes verbrannt wurden, offentliche Sympathie 
auslosten, die zur Wiederaufnahme der Juden in England fiihrte.^'^ 
Sokolow schreibt folgendes iiber den Ersten Weltkrieg:^'^ 

»Unter all den Schlachtfeldern und Grdhern des Krieges ist kein 

einziges mit dem Schlachtfeld des jiidischen "Ghettos" in Osteuropa 

vergleichbar. Millionen von Juden wateten durch Seen von Blut und 

Trdnen. Stddte und Dorfer sind mit ihrem Blut gefdrbt worden. Die 

Juden haben ihren Handel, ihr Vermogen und sich selbst geopfert. 



Edwin Black, J/ze Transfer Agreement, Washington, D.C.: Dialog Press, 1999, S. 

77. 
^" N. Sokolow, aaO. (Anm. 150), Bd. 1, S. xvii. 
^'^ Ebenda, Bd. 1, S. 32. 
^'^ Ebenda, Bd. 1, S. xxii. 

HO 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

Die Bliite der Manner wurde verloren oder verstummelt. Die Quellen 
des Lebens wurden abgeschnitten, jedes died der Existenzkette ge- 
brochen. « 

Ahnlich schrieb Sokolow iiber Theodor Herzl, den nicht religio- 
sen Begriinder der zionistischen Bewegung:^'"* 

»Herzl hatte sein erstes Pamphlet unter dem Einflufi der Dreyfus- 
Affdre geschrieben. Dieser Aufschrei von vor 20 Jahren gellt vereint 
mit den Schreien von Miittern, Frauen, Waisenkindern von den 
Scheiterhaufen und Ruinen, die in ihrer brutalen Realitdt die 
schlimmsten Schilderungen eines Jeremias weit hinter sich zurilck- 
lassen. Die Toten stehen aus ihren Grdbern auf, mit Blut bedeckt, in 
den Staub getreten mit demfeurigen Namen Gottes, die Shaddae auf 
ihren blassen Stirnen, und sie verlangen, gehort zu werden.« 
Wie wir sehen konnen, ist das Bild einer massiven, grellen Nach- 
ahmung der Kreuzigung seit langem in der Literatur prasent. 

Ein weiteres Buch, das ebenfalls 1919 veroffentlicht wurde, Der 
Jude zahlt. Ein Bericht uber die Folgen des Krieges fiir die Juden 
Osteuropas und uber die Art, in der Amerikaner versuchen, daraufzu 
reagieren, gibt eine spirituelle Erklarung fiir diese karitativen Sam- 
melaktionen:^'^ 

»Die Sprache des alien Israel in all ihren eloquenten und berilh- 
renden Modulationen wurde irgendwie prophetisch fur diese hohe 
Stunde geformt. Der geschulte Organisator, der die jUdische Seele 
kennt, konnte sich an die heiligen Bilcher wenden und darin zahllose 
Texte fiir seine Zwecke finden. Ein Viertel der Bibel herichtet Uber 
jildischen Kampf und jiidisches Leid und strotzt von Perlen der Lite- 
ratur Uber Aufrufe und Appelle an das Mitgefilhl. Die Hdlfte der ju- 
dischen Fastentage und Feste erinnert an Exil und Unterdruckung 
und die drohende nationale Vernichtung. « 



^'^ Ebenda, Bd. 2, S. 13. 

Marcus Eli Ravage, The Jew Pays. A narrative of the consequences of the war to 
the Jews of eastern Europe, and of the manner in which Americans have at- 
tempted to meet them, New York: Alfred A. Knopf, 1919. Der Rest des Zitats lau- 
tet: »Der Passah-Gottesdienst beginnt mit einer Einladung an die Hungrigen und 
Beladenen, zu kommen und am Brot und dem Wohlstand ihrer erfolgreicheren 
Briider teilzuhaben. Das Neujahrsfest und der Versohnungstag sind im wesentli- 
chen Tage der Bufie, und in der jiidischen Tradition beginnt Bufie immer mit Lie- 
be und karitativer Fiirsorge gegeniiber dem Ndchsten. Das Purimfest feiert die 
Erinnerung an einen Mann und an eine Frau, die fiir die Rettung des Volkes Isra- 
el vor der Vernichtung sorgten; und der neunte Abh ist eine Fastenzeit der Trauer 
Uber die Zerstorung des nationalen Lehens.« 

111 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Bevolkerungsstatistiken, die in dieser Zeit veroffentlicht wurden, 
sttitzen die Behauptungen nicht, daB es wahrend des Ersten Welt- 
krieges einen Holocaust an Juden gegeben habe. Ganz im Gegenteil, 
zwischen 1900 und 1920 hat sich nach Standardnachschlagewerken 
die jiidische Bevolkerung weltweit mehr als verdoppelt. Ein Nach- 
schlagewerk, der World Almanac von 1900, gab damals eine jiidische 
Bevolkerung von 7.186.000 an, einschlieBlich 3,4 Millionen in RuB- 
land und 1,7 Millionen in der Habsburger Monarchic. Der World Al- 
manac von 1920 bezifferte die jiidische Bevolkerung auf etwa 15 
Millionen, einschlieBlich 10,9 Millionen in Europa und 3,5 Millio- 
nen in Nord- und Mittelamerika. 

In derselben Periode von 20 Jahren, von 1900 bis 1920, wuchs 
die gesamte Weltbevolkerung urn 25 Prozent von etwa 1,2 Milliarden 
im Jahr 1900 auf etwa 1,6 Milliarden 1920. Die christliche Weltbe- 
volkerung wuchs von 477 Millionen im Jahr 1900 auf 576 Millionen 
und die moslemische Weltbevolkerung wuchs von 1 76 Millionen im 
Jahr 1900 auf 227 Millionen im Jahr 1920.^'" 

Warum geben Statistiken das Wachstum der Weltbevolkerung und 
der Religionen des Rests der Welt von 1900 bis 1920 mit 20 bis 25 
Prozent an, das der jiidischen Weltbevolkerung in den gleichen 20 
Jahren aber mit einem Wachstum von iiber 100 Prozent? In genau 
dieser Zeit fanden laut den Propagandisten der Geldsammelaktionen 
fiir den "Holocausf des Ersten Weltkrieges massive Hungersnote, 
Pogrome und Verfolgungen statt. Das paBt nicht zusammen, um es 
milde auszudriicken. Die gesamte Weltbevolkerung wuchs von 1900 
bis 1920 um 25 Prozent. Wenn die jiidische Weltbevolkerung zwi- 
schen 1900 und 1920 in Wirklichkeit nur um 20 bis 25 Prozent zuge- 
nommen hatte, so wiirde dies die fehlenden fiinfeinhalb Millionen 
am Ende des Zweiten Weltkrieges erklaren. Natiirlich ist die Sache 
nicht so einfach. Der Knackpunkt liegt darin, daB die jiidische Welt- 
bevolkerung nach Angaben der Standardnachschlagewerke, die wah- 
rend dieser Zeit veroffentlicht wurden, im ersten Teil des 20. Jahr- 
hunderts viel schneller wuchs als die sie umgebende Bevolkerung. 

Zudem gab es nach Angaben von Amo Mayer ein beachtenswer- 
tes Wachstum in England in dieser Zeit:^'^ 

The World Almanac and Encyclopedia 1900, New York: The Press Publishing 

Co., 1900; The World Almanac and Encyclopedia 1920, ebenda, 1919. 

Arno J. Mayer, Why Did The Heavens Not Darken?, New York: Pantheon Books, 

1988,8.50. 

112 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

»Mitte der 1880er Jahre hatte England nur 65.000 Juden, von 

denen 46.000 in London lebten. Drei Viertel von ihnen waren im 

Handel, Kommerz und akademischen Berufen beschdftigt, und die 

meisten von ihnen waren gut etabliert und relativ wohlhabend. Aber 

dann, wdhrend der ndchsten 30 Jahre bis 1914, wuchs die judische 

Bevolkerung nahezu aufdas Filnffache und betrug 300. 000. « 

Es wird auch allgemein angenommen, daB etwa ein Drittel aller 

osteuropaischen Juden zwischen 1881 und 1914 ihr Heimatland ver- 

lieB, um in die Vereinigten Staaten zu ziehen.^'^ Der Zensus der Ver- 

einigten Staaten von 1890 verzeichnete eine Bevolkerung von 

130.000 Juden, jedoch belief sich die jiidische Bevolkerung von 

Nord- und Mittelamerika bis 1920 bei etwa 3.530.000.^''' Diese ame- 

rikanischen Zahlen scheinen annahemd mit der Realitat im Einklang 

zu stehen. Es gab wahrend des groBten Teils dieser Zeit keine Re- 

striktionen fur die Einwanderung in die Vereinigten Staaten, und bis 

zu 3 Millionen Juden kamen aus Landern Osteuropas, wo es Krieg 

und politische Instabilitat gab. Schwer zu glauben ist die Behaup- 

tung, daB die Bevolkerung der osteuropaischen judischen Gemeinden 

von 1900 bis 1920 ebenfalls zunahmen, wo sie doch so viele ihrer 

jungen Manner in den Krieg und so viele Familien nach Amerika und 

GroBbritannien geschickt batten. Beim Vergleich der Zahlen muB 

man beachten, daB es vor 1918 kein modernes Polen, keine Tsche- 

choslowakei und kein Jugoslawien gab. 

1885 bezifferte das Bulletin der Geographischen Gesellschaft von 
Marseilles die Gesamtzahl der Juden auf der Welt auf 6.877.602 ein- 
schlieBlich 300.000 in Amerika und 5.407.603 in Europa. Von den 
europaischen Statistiken von 1885 ist die interessanteste Zahl jene 
ftir RuBland, die mit 2.552.145 angegeben wird (weitere 70.000 wur- 
den als im asiatischen RuBland lebend aufgefuhrt und 14.000 in Tur- 
kestan und Afghanistan). Frankreich ist mit 70.000 aufgelistet. 

Nattirlich gab es 1885 kein Polen, well es zwischen dem Habs- 
burgerreich (1.648.708), dem Deutschen Reich (561.512) und RuB- 
land (2.552.145) aufgeteilt war.^^° 



^'* Zum Beispiel vgl. G. Ivers, aaO. (Anm. 45), S. 35. 

^" The World Almanac and Encyclopedia 1920, aaO. (Anm. 216), beziffert die judi- 
sche BevSlkerung von Nord- und Mittelamerika mit 3.530.000. 
^Statistics of the Jews«, The New York Times, 17. Oktober 1885. 

113 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



Conklins praktisches Manual of Useful Information and World's 
Atlas, veroffentlicht 1888, setzte die damalige judische Bevolkerung 
weltweit mit 7 Millionen an.^^' 

Mindestens 6.000.000 war die Schatzung, vom Jewish Young 
Men's Club 1889 in Glasgow, England. Sie besagte ferner:^^^ 

»Es ist schmerzlich, zu horen, dafi sie sich alle in einem Status 
politischer Knechtschaft befinden, abgesehen von einer halben Mil- 
lion. « 

Wir wollen dies alles rekapitulieren und sehen, wie es in das gro- 
Be Bild paBt. Nach dem Ersten Weltkrieg werden durch die Interven- 
tion von Menschen aller Glaubensrichtungen bis zu sechs Millionen 
europaischer Juden vor der Vernichtung gerettet. Dies geschieht nur 
20 Jahre, bevor dieselben Menschen fast alle in einer geheimen 
Kampagne ohne schriftliche Anweisungen und ohne Budget vemich- 
tet werden, weil sich niemand darum kiimmerte. 1920 und 1926 ha- 
ben wir in den ganzen Vereinigten Staaten Veranstaltungen und 
Kampagnen mit Sammelaktionen fiir bis zu sechs Millionen hun- 
gemde europaische Juden, die als die groBten Leidtragenden des, wie 
wir heute sagen, Ersten Weltkrieges und seiner Folgen bezeichnet 
werden. Sie hatten Organisationen mit Btiros und Vertretem in ganz 
Europa, die Geld erhielten, das in den Vereinigten Staaten und an- 
derswo von Organisationen gesammelt wurde, die seit dem Ersten 
Weltkrieg existiert haben und sogar heute noch existieren. 

All diese Geldsammelgruppen haben bis zum heutigen Tag stan- 
dig gewirkt und sind immer noch tatig. Sie haben seit dem Ende des 
Ersten Weltkrieges bestandig Geld gesammelt. Das Joint Distribution 
Committee for the Relief of Jewish War Sufferers erfreut sich immer 
noch besten Wohlergehens. Wahrend dies geschrieben wird, hat es 
cine sehr aktive, gemaBigte, wiirdige Website. AuBerdem wird der 
"Joint" hauptsachlich durch die amerikanischen United Jewish 
Communities (UJC) fmanziert, die durch Kampagnen unterstiitzt 
werden, die von jtidischen Gemeinschaften in den ganzen USA 
durchgefuhrt werden. Nicht viel hat sich dort geandert. Es gibt an- 
geblich in Brooklyn, New York, ein groBes Lagergebaude voller alter 
Unterlagen des Joint Distribution Committee. 



Conklins Universal Handbook for Ready Reference, Chicago: Laird & Lee, 
1888,8.219. 
^^^ The New York Times, 10. Februar 1889. 

114 



Kapitel 6: Die Spurfiihrt weiter 

Die Warburg-Familie besitzt ein Museum in GroBbritannien, das 
Lieblingsprojekt von Aby Warburg, dem altesten Bruder von Felix 
und Max Warburg. Zur Zeit hat es im Internet eine groBangelegte 
Seite. Es gibt dort eine Geschichtswebsite mit dem Namen »The In- 
stitute for Historical Research«. Gehen Sie einfach zu einer Suchma- 
schine wie Google und geben Sie I.H.R. ein. Dann schauen Sie nach 
einer britischen Adresse. 

Der Jtidische WeltkongreB (World Jewish Congress - WTC) wur- 
de 1936 vom American Jewish Congress gegriindet, der laut seiner 
Website ^jtidische Gemeinden in der ganzen Welt vereint«. Der Sitz 
des American Jewish Congress befmdet sich heute beim Stephen Wi- 
se Congress House in der East 48th Street in New York City. An der 
Spitze seiner Mitarbeiter in den USA steht ein Exekutiv-Direktor. Es 
gibt 15 regionale Btiros in den Vereinigten Staaten, einen standigen 
Vertreter in Washington D.C. sowie ein israelisches Btiro in Jerusa- 
lem. President Clinton sprach anlaBlich eines Abendessens des World 
Jewish Congress am 1 1 . September 2000 in New York zu Ehren von 
dessen Prasidenten Edgar M. Bronfman. Bronfman war der Vorsit- 
zende von Seagram's, das vor kurzem von Vivendi Universal ge- 
schluckt wurde, einem franzosischen Unterhaltungs- und Getranke- 
Mischkonzem. Bronfman wurde Medienmogul und ist gegenwartig 
ein Vizeprasident von Vivendi. 

Die amerikanischen Organisationen, die die karitativen Kampa- 
gnen nach dem Ersten Weltkrieg durchfuhrten, waren auch vor und 
im Zweiten Weltkrieg voll aktiv. Aber das ist eine andere Geschichte, 
die ktinftig noch aus revisionistischer Sicht untersucht werden muB. 



115 



Anhang 
1 . Ausgewahlte Buch- und Zeitungsausziige 

Sbt jNIetu Ijork Simejsi 

11. Juni 1900, S. 7 

»Rabbi Wises Ansprache 

Rabbi Wise sagte, auszugsweise: 

"Der Tag wird nie kommen, an dem ich mich weniger um Zion kiimmern 
werde, an dem es jemanden gibt, der sich mehr fur die ruhmreichen Ideale 
des Zionismus einsetzt. 

Zwei grofie Zusammenkilnfte von Juden werden diese Nacht gehalten. In 
Chicago gibt es eine Konferenz karitativer Einrichtungen, die von Mannern 
einberufen wurde, die sich um die Bedilrfrisse der Armen kiimmern. Sie ha- 
ben sich zusammengefunden, um daraufzu achten, dafi Unwiirdigen nicht 
zu viel Ftirsorge gewdhrt wird. Ihre Zielsetzung ist richtig. Aber unsere 
Wohltatigkeit umfafit mehr. Wir haben uns nicht zusammengetan, um darauf 
zu achten, dafi der Jude nicht zu viel erhdlt, sondern, damit jeder Jude das 
Recht erhalt zu leben. 

Es gibt 6.000.000 lebende, blutende, leidende Argumente fiir den Zio- 
nismus. Sie kommen nicht, um zu betteln, sondern bitten um das, was hoher 
steht als alle materiellen Dinge. Sie wollen den unausloschlichen Durst 
nach dem Ideal befriedigt haben. Sie bitten darum, wieder die Boten von 
Recht, Gerechtigkeit und Humanitdt zu werden. 

Ihre christlichen Freunde werden Sie achten, wenn Sie genug Selbstre- 
spekt haben, sich um die eigenen Leute zu kiimmern. Sagen Sie, dafi Sie 
kein Jude sind, und Sie werden nichtsdestotrotz als ein Jude gehafit werden. 
Aber sagen Sie, dafi Sie ein amerikanischer Jude sind und nach den besten 
Grundsdtzen der Rasse streben, dann werden Sie respektiert und der zioni- 
stische Name wird geehrt. 

Eines ist wahr im Hinblick auf Israel und Zion. Sie konnen erobern. 
Gott ist unser AnfUhrer, und mit dem General der himmlischen Machte als 
Anfiihrer, wer wird da sagen, dafi wir nicht dem Siege entgegengehen? 

Bei den Spielen der alien Griechen war der Mann, der das Rennen ge- 
wann, nicht derjenige, der am schnellsten lief, sondern derjenige, der eine 
angezilndete Fackel ins Ziel trug. 

117 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Wir Zionisten nehmen an einem Wettrennen teil mit der Fackel der Frei- 
heit, der Fiirsorge und der Gerechtigkeit in unseren Hdnden. 

Das Rennen wird gewonnen, nicht well wir die Schnellsten sind, son- 
dern weil diese Fackel ein LichtfUr die Welt ist. Sie wird nie ausgeloscht. 

Kommt, Briider, die Fackel ist in euren Hdnden, lauft das Rennen, und 
moge euch GottfUr immer den Sieg geben. "« 



Sbt jNIetu Ijork Simejsi 

14. Januar 1915, S. 3: 

»GLEICHGULTIGKEIT DER JUDEN GEGENUBER 
KRIEGSHILFE GETADELT 

Louis Marshall verurteilt Apathie gegenuber dem Leiden von Glau- 
bensgenossen. 

MLLIONEN IN SCHWERER NOT 

Jacob H. Schijf, Meyer London und Dr. Enelow appellieren an die Rei- 
chen, zu spenden. 

Louis Marshall bedauerte in einer Rede bei einem Treffen im Tempel 
Emanu-El letzte Nacht, was er als das Versdumnis der Juden Amerikas be- 
zeichnete, vor allem der Juden New Yorks, sich die schwere Not vor Augen 
zufuhren, die Millionen von Juden ergriffen hat, deren Heimat im Osten des 
europdischen Kriegsschauplatzes liegt. 

Die Zusammenkunft wurde zugunsten des American Jewish Relief 
Committee abgehalten, dessen Prdsident Mr Marshall ist. Neben Mr. 
Marshall sprachen der gewdhlte Kongrefiabgeordnete Meyer London und 
der Rev. Dr. H. G Enelow vom Tempel Emanu-El. Wie Mr. Marshall bedau- 
erte jeder von ihnen die Tatsache, dafi die Juden Amerikas ihren leidenden 
Glaubensgenossen nicht die notige Hilfe gewdhren. Dieses Thema wurde 
auch in einem Brief von Jacob H. Schijf betont, den Mr. Marshall vorlas. 

"Es ist entmutigend filr diejenigen, die so viel Zeit und Energie fur diese 
Arbeit aufgewendet haben, dafi Juden in New York, einer Stadt, die ein so 
grofies jildisches Zentrum ist, nur so wenig darauf reagieren. Mir scheint, 
dafi die Menschen von der europdischen Katastrophe so benommen sind, 
dafi sie nicht in der Lage sind zu erkennen, dafi es ihre Pflicht ist, denjeni- 
gen zu helfen, die durch diese Not leiden. 

118 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

In der Welt gibt es heute etwa 13.000.000 Juden, von denen mehr als 
6.000.000 im Herzen des Kriegsgebiets leben; Juden, deren Leben auf dem 
Spiel steht und die heute jeder Art Leiden und Elend ausgesetzt sind, und 
die grofie amerikanische judische Gemeinschaft erfullt nicht ihre Pflicht 
gegenilber diesen Notleidenden. In den Vereinigten Staaten gibt es zwischen 
2.000.000 und 3.000.000 Juden, nahezu alle in der Lage, etwas zu tun, und 
dennoch haben wir nach Monaten der Arbeit nicht mehr als 300.000 Dollar 
zusammenbekommen. In New York gibt es mehr als eine Million Juden, 
manche von ihnen Menschen von grofiem Wohlstand, aber viele von ihnen 
scheinen zu denken, sie hdtten ihre Pflicht erfullt, wenn sie ein paar hundert 
Dollar gegeben haben. 

Wir horen von Pogromen in Rufiland, in Polen, in Galizien, und wir sit- 
zen hier teilnahmslos herum. In Paldstina marschiert der Hunger durch das 
Land. Sollen wir uns hier selbstsilchtig wohlfuhlen und sagen, wir wilrden 
gerne helfen, aber wir konnen es wegen der schlechten Zeiten nicht und 
denken, dafi wir unsere Pflicht erfullen? Nein, die Zeit ist fur jeden Mann, 
jede Frau, und jedes Kind gekommen, seine Pflicht zu tun, und wir milssen 
diese Pflicht schnell erfullen, andernfalls kann es in Hunderttausenden von 
Fallen zu spat sein. " 

An dieser Stelle verlas Mr Marshall den Brief von Mr. Schiff Mr. Schiff 
sagte, sein eigenes Interesse an diesem Werk sei enorm und es milsse jeden 
Juden ansprechen. Private Berichte, die er erhalten habe, sagte Mr. Schiff, 
zeigten die Verhdltnisse in Rufiland, Paldstina, Polen und Galizien, deren 
erschreckende Natur nicht beschrieben werden konne. 

Er sagte, die Emanu-El Gemeinde sei die grofite und wohlhabendste in 
den Vereinigten Staaten, und er hoffe, ihre Mitglieder wilrden im Verhdltnis 
zu ihrem Vermogen spenden. Er schlug ferner ein Komitee vor, um bei der 
Gemeinde fiir einen Tempel-Emanu-El-Fond zu werben, und versprach, er 
werde einen Beitrag leisten. Mr. Marshall kleidete den Vorschlag in die 
Form eines Antrags, der einstimmig angenommen wurde. Mr. Marshall 
wird das Komitee bald ernennen. 

Mr. London filhrte aus, dies sei "die schlimmste Zeit in der jiidischen 
Geschichte " und dafi das Schicksal von Millionen judischer Menschen von 
der Grofiziigigkeit wohlhabenderer Juden in den Vereinigten Staaten ab- 
hdnge. Dr. Enelow unterstrich, was Mr. Marshall gesagt hatte, und fiigte 
hinzu, dafi niemals zuvor die Juden dieses Landes vor einer so grofien 
Pflicht gestanden hdtten. « 



119 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

22. Mai 1916, S. 11: 

» 700. 000 Juden an der ostlichen Kriegsfront in Not 

Der Deutsch-Jiidische Hilfsverein, der versucht, ihnen zu helfen, 
braucht mehr Nahrungsmittel. 

Ein Korrespondent von Associated Press aus Berlin sagte, "von der re- 
gularen Gesamtzahl von etwa 2.450.000 Juden in Polen, Litauen und Kur- 
land sind 1.770.000 tibriggeblieben und davon befmden sich etwa 700.000 
in dringender und bestdndiger Not. Etwa 455.000 hiervon leben in Polen, 
und 50.000 von diesen sind Menschen, die keine Unterkunft haben und sich 
in besonders schwierigen Verhdltnissen befmden. Die Zahl der Bedtirftigen 
wdchst von Monat zu Monat. Moglichkeiten, Geld zu verdienen, bestehen 
kaum, und Tausende, die noch von ihren Ersparnissen leben, werden diese 
friiher oder spdter verbraucht haben und von Fiirsorge abhdngig werden. 

Diese Schdtzungen erscheinen im Jahresbericht des Deutsch-JUdischen 
Hilfsvereins (German Hebrew Relief Association), der sich der Hilfe von 
Glaubensgenossen in den besetzten Gebieten an der Kriegsfront in Rufiland 
und Galizien angenommen hat. Die Summe von 500. 000 Mark ist monatlich 
vonnoten, um die Not der Bediirftigsten der 700.000 Notleidenden zu lin- 
dern, und selbst diese Summe, die alles ist, was die Hilfsorganisation fur 
die Arbeit der ndchsten paar Monate zur Verftigung hat, kann kaum mehr 
tun, als sie vor dem Verhungern zu bewahren. 

Mit dieser Summe werden 225 Stddte und Dorfer in den besetzten Ge- 
bieten unterstiltzt. Die Grofiloge der B 'nai B 'rith in Deutschland hatte gro- 
fien Anteil an der Hilfsarbeit, und mehr als eine halbe Million Mark kamen 
bisher aus Amerika. Bis heute wurden nahezu 2.250.000 Mark vom Hebrdi- 
schen Notverein fiir Polen und Litauen ausgezahlt. Die Mittel reichten nicht 
aus, um etwa 10.000 Juden in Kurland Hilfe zu gewdhren, wo die Not nicht 
so grofi ist wie in den anderen Gebieten. 

Diese Aktivitdten waren nur ein Teil der Arbeit des Notvereins. Genauso 
wichtig und sogar noch nachdrticklicher waren ihre Bemiihungen als Ver- 
mittler zwischen den Bewohnern der besetzten Gebiete und der Aufienwelt. 
Auf diesem Gebiet wurden keine Unterschiede in bezug auf die Glaubens- 
zugehorigkeit gemacht, es wurde Juden und Katholiken gleichermafien ge- 
holfen. Am meisten nutzen amerikanische Verwandte und Freunde polni- 
scher Notleidenden dieses Werk. Bis jetzt gingen etwa 8.000.000 Mark aus 
Amerika fiir direkte Zahlungen ein, und der Hilfsverein bearbeitet monat- 
lich 100.000 Briefe nach und von Amerika. 

120 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

Eine geringfiigige Verbesserung der Verhdltnisse konnte sich aus der vor 
kurzem durchgesetzten Erlaubnis zur Auswanderung aus den besetzten Ge- 
bieten ergeben. Viele Familien haben bereits von der Erlaubnis Gebrauch 
gemacht, die meisten benutzen die aus Amerika geschickten Fahrkarten. "« 



10. August 1917 

»Deutsche lassen Juden sterben. 
Frauen und Kinder in Warschau verhungern. 

Das Provisorische Zionistische Komitee verojfentlichte letzte Nacht iiber 
das Nachrichtenbiiro des nationalen Verteidigungskomitees des BUrgermei- 
sters einen Brief, der die Verhdltnisse der Juden in Warschau unter deut- 
scher Herrschaft beschreibt. Der Name des Briefschreibers wird aus ver- 
stdndlichen Griinden nicht bekanntgegeben. Der Wahrheitsgehalt und die 
Authentizitdt des Briefes werden vom Zionist Committee attestiert, dessen 
Vorsitzender Dr. Stephen S. Wise und dessen Ehrenvorsitzender der Richter 
am Obersten Gerichtshof Louis D. Brandeis ist. Der Brief besagt in Auszil- 
gen: "Tod durch Verhungern ist eine reale Tatsache. Man kann es hier 
iiber all in jeder Strafie erleben, bei jedem Schritt, in jedem Haus. Judische 
Mutter, Mutter des Erbarmens, freuen sich, ihre sdugenden Kleinkinder 
sterben zu sehen; well dann zumindest deren Leiden ein Ende hat. 

Unsere wohlhabendsten Leute schneiden ihrer Tochter das Haar ab und 
verkaufen es, um in der Lage zu sein, unverzichtbare Dinge wie Brotfilr ih- 
re sterbenden Kinder kaufen zu konnen. Vier und fiinf Jahre alte Kinder 
sind so schwach geworden, dafi sie wie Sduglinge auf dem Arm getragen 
werden miissen. Wenn Voter ilberhaupt vom Schlachtfeld zurilckkommen, 
sehen sie von ihren fiinf oder sechs Kindern, die sie zum Abschied kiifiten, 
als sie in den Krieg zogen, wahrscheinlich nur noch eines oder zwei oder 
auch mehr. Wie lange noch wird dieses Leiden andauern? Woher wird unse- 
re Hilfe kommen? Eine Kommission wurde in die Schweiz entsandt, um un- 
sere Suppenkiichen zu erhalten; aber ich bezweifle den Erfolg ihrer Missi- 
on. Helft uns, helft uns! Wach auf, Amerika! Dies ist unsere einzige Hoff- 
nung. Sollte uns Amerika nicht helfen, wird alles verloren sein. "« 



121 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Juden in den ostlichen Kriegsgebieten 

WsmffcniXichi vova American Jewish Committee, 1916, S. 7-21 

»Einleitung 

Von all den Menschen, die unter dem gegenwdrtigen Krieg schwer lei- 
den, tragi niemand eine grofiere Last als die Juden — an physischen und 
wirtschaftlichen Verlusten, an moralischen und geistigen Qualen. 

Juden kampfen heute in alien Armeen Europas gegeneinander. Allein 
Rufiiand hat 350.000 jtidische Soidaten, Osterreich hat ilber 50.000; insge- 
samt gibt es eine halbe Million Juden in den Reihen der kdmpfenden Arme- 
en. 

Die Juden tragen die Hauptbilrde der Kriegslasten, nicht nur auf dem 
Kampffeld, wo sie mit dem Rest der Welt leiden, sondern auch in ihren 
Heimen, wo sie durch ihre speziellen geographischen, politischen und wirt- 
schaftlichen Verhdltnisse ftir ein Leiden ausgesucht wurden, das nicht sei- 
nesgleichen hat. 

Als der Krieg ausbrach, safi die Halfte der jtidischen Weltbevolkerung in 
einer Ecke Osteuropas fest, ohne einen Zugang zu neutralen Ldndern oder 
das Meer. Das russische Polen, wo ilber zwei Millionen Juden lebten, ragt 
besonders heraus. Im Siiden davon liegt Galizien, die Grenzprovinz Oster- 
reichs. Hier lebten eine weitere Million Juden. Hinter dem russischen Polen 
liegen die fiinfzehn russischen Provinzen, die zusammen mit Polen den 
Hauptbereich der jtidischen Siedlungen bilden. Hier lebten weitere vier 
Millionen Juden. 

Auf dies e Weise tragen sieben Millionen Juden - eine Bevolkerung, die 
die von Belgien um eine Million tibertrifft - die Hauptlast des Krieges. Hin- 
ter ihnen lag das heilige Rufiiand, das ihnen aufgrund der Maigesetze von 
1881 verschlossen war. Vor ihnen lagen das feindliche Deutschland und 
Osterreich. Im Suden lag das unfreundliche Rumanien. Sie wurden da, wo 
sie standen, uberwdltigt; und uber ihren Leibern begegneten sich immer 
wieder die deutschen Armeen vom Westen, die russischen Armeen vom 
Osten und die osterreichischen Armeen vom Suden. Zugegeben, alle Volker 
dieses Gebietes erlitten durch den Krieg Zerstorungen und Plunderungen, 
aber ihre Leiden waren auf keine Weise vergleichbar mit denen der Juden. 
Die widerstreitenden Armeen fanden es angebracht, es sich bis zu einem 
gewissen Grade nicht mit den Polen, Ukrainern und anderen Volksschichten 
in diesem Gebiet zu verderben. Diese erlitten nur die ublichen und unver- 
meidbaren Hdrten des Krieges. Aber die Juden waren ohne Freunde, ihre 
Religion verboten. In dieser mittelalterlichen Region kam der ganze religio- 
se Fanatismus der Russen und der Chauvinismus der Polen zum Ausbruch, 

111 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

verbunden mit dem Blutdurst, den der Krieg in alien Mannern freigesetzt 
hat - all dieser wilde Hafi vereinigte sich zu einer Sturzflut der Leiden- 
schaft, welche sich titer die Juden ergofi. 

Hunderttausende wurden mit einem Tag Vorwarnung aus ihren Hdusern 
vertrieben, die Glticklicheren in Viehwaggons eingeladen und abtranspor- 
tiert — die Alten, die Kranken und Geistesgestorten, Manner, Frauen und 
Kinder, von einer Provinz in die andere kutschiert, wobei sie tagelang ohne 
Nahrung oder irgendwelche Hilfe auf Abstellgleisen standen — die weniger 
Gliicklichen wurden in die Wdlder und Stimpfe getrieben, wo sie verhunger- 
ten. Judische Stddte wurden geplundert und gebrandschatzt. Hunderte von 
Juden wurden als Geifieln nach Deutschland, Osterreich und Ruflland ver- 
bracht. Orgien der Lust und der Folter fanden offentlich am hellichten Tage 
statt. Es gibt zahlreiche Dorfer, wo nicht eine einzige Frau unversehrt blieb. 
Frauen, alt undjung, wurden die Kleider vom Leib gerissen und an offentli- 
chen Platzen festgebunden. Juden wurden lebendig in Synagogen ver- 
brannt, in denen sie Schutz gesucht hatten. Tausende wurden unter dem ge- 
ringsten Vorw and oder einfach aufgrund sinnloser Grausamkeit exekutiert. 

Diese Juden haben im Gegensatz zu den Belgiern kein England, wohin 
sie fliehen konnten. Sie sind vom Mitgefuhl der Aufienwelt abgeschnitten. 
Sie haben nicht den Trost zu wissen, dafi sie ftir ihren eigenen Herd kdmp- 
fen oder gar fir militdrischen Ruhm oder in der Hoffnung auf Schutz als 
mogliche Belohnung. Der einzige Gedanke, den sie hegen, ist, dafi sie nach 
Abschlufi der Kdmpfe endlich die elementarsten Rechte erringen, die kei- 
nem anderen Volk vorenthalten werden, das Recht zu leben und sich frei im 
Land ihrer Geburt oder ihrer Wahl zu bewegen, ihre Kinder zu erziehen, 
sich den Unterhalt zu verdienen und Gott nach den Anforderungen ihres 
Gewissens zu dienen. 

Rufiland 

Nahezu die Hdlfte der jtidischen Weltbevolkerung lebt in Rufiland, direkt 
im Bereich der Kampfiandlungen, in Stddten zusammengedrdngt, die die 
ersten Angriffsziele darstellen. Die schreckliche Lage der Juden Rufilands 
in normalen Zeiten ist wohlbekannt. Es war ihnen verboten, aufierhalb des 
erweiterten Ghettos zu leben, das als das Siedlungsgebiet bekannt ist. Sie 
wurden mit besonderen Steuern belegt und sogar der geringen Bildungspri- 
vilegien beraubt, die der Rest der Bevolkerung geniefit. Geplagt von einer 
korrupten Polizei sowie einer feindseligen Regierung und einer mifigtinsti- 
gen Bevolkerung — kurz, wirtschaftlich benachteiligt und politisch entrech- 
tet - war ihre Lage dufierstes Elend. Es war die offen gedufierte Politik der 
Reaktiondre, die Rufiland beherrschten, die judische Frage dadurch zu Id- 
sen, dafi man das Land von den Juden befreite. "Ein Drittel wird zur grie- 

123 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

chisch-orthodoxen Kirche ubergehen, ein Drittel wird nach Amerika aus- 
wandern und ein Drittel wird in Rufiland verhungern. " - so hiefi es. Einige 
entsagten tatsachlich ihrem Glauben, Zehntausende verhungerten in Rufi- 
land und Hunderttausende emigrierten nach Amerika. 

Loyalitdt der russischen Juden 

Dann kam der Krieg. Die Juden sahen darin eine Gelegenheit, der 
christlichen Bevolkerung zu zeigen, dafi sie trotz all der Verfolgungen in der 
Vergangenheit bereit waren, das Leben in einem vereinten und wiedergebo- 
renen Rufiland neu zu beginnen. Tausende von jungen jildischen Mdnnern, 
die gezwungen worden waren, Rufiland zu verlassen, um eine Ausbildung zu 
erlangen, die ihnen ihr eigenes Land vorenthielt, kehrten freiwillig zu den 
Fahnen zuriick, obwohl sie wufiten, dafi sie keine Hoffnung auf Amter und 
Beforderung hatten. Auf dem Schlachtfeld zeigten die jildischen Soldaten 
Mut und Verstand, was ihnen den Respekt ihrer Kampfgenossen einbrachte 
wie auch das sehr begehrte St. Georgskreuz, das fur herausragende Lei- 
stungen vor dem Feinde verliehen wurde. Wdhrend dessen eroffneten und 
bemannten die zu Hause Gebliebenen fur verwundete Soldaten Lazarette, 
ohne nach Rasse oder Glauben zu fragen, spendeten grofizUgig fur alle 6f- 
fentlichen Fonds und setzten sich selbst und ihr Vermogen fur die russische 
Sache ein. 

Es schien zundchst, als ob die langersehnte Einheit mit dem russischen 
Volk verwirklicht wurde. Aber bald stellte sich heraus, dafi die Ketten, wel- 
che die Juden Rufilands an ihre Vergangenheit banden, nicht gesprengt 
werden konnten. Krdfte, iiber die sie beim besten Willen nicht Herr werden 
konnten, verurteilten sie zur grofiten Tragodie ihrer Geschichte. Das Sied- 
lungsgebiet, in dem sie lebten, war urspriinglich und von der Bevolkerung 
her polnisch. Polen und Juden waren beide Opfer des russischen Unter- 
driickers, aber anstatt dafi sie das gemeinsame Band des Leidens vereinte, 
trennten sie religiose und rassische Unterschiede und vor allem Meinungs- 
verschiedenheiten, die von den russischen Herrschern absichtlich geschiirt 
wurden, bis sie sich zu unkontrollierbarem Hafi steigerten. 

Russische Greuel 

Direkt vor dem Krieg hatte der Kampf seine bitterste Form angenom- 
men — es wurde ein unbarmherziger Boykott gegen die Juden geftthrt. Als 
der Krieg ausbrach, dnderte sich iiber Nacht der politische Status der Po- 
len. Sowohl die russische als auch die deutsche Armee wollte es sich mit 
der polnischen Bevolkerung nicht verderben. Viele Polen nutzten die Gele- 
genheit, um personliche Animositdten, religiose Bigotterie oder chauvinisti- 

\1A 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

schen Grofienwahn zu befriedigen, indem sie die Juden als Spione und Ver- 
rdter mal gegeniiber der einen Seite, mal gegeniiber der anderen denunzier- 
ten. In Deutschland wurde das Motiv der Angriffe in gewissem Umfang auf- 
gedeckt und die Lugen wurden widerlegt. Aber in Rufiland fanden sie 
fruchtbaren Boden. Der russische Militdrapparat hatte durch die Deut- 
schen eine Niederlage erlitten. Um sich selbst in den Augen des eigenen 
Volkes zu entlasten, benutzte die militdrische Kamarilla eifrig den Vorwand, 
der ihnen von den Polen so bereitwillig geliefert warden war, und luden die 
Last ihres Mifigeschicks auf die Schultern der hiljlosen Juden ab. Manner, 
Frauen, sogar Kinder wurden ohne den Hauch eines Beweises oder die Be- 
riicksichtigung von Formalien exekutiert. Geschichten ilber jildischen Ver- 
rat, welche die Polen erfunden hatten, wurden als wahr akzeptiert und 
durch die russische Presse und Nachrichtenaushange lokaler Verwaltungen 
weit verbreitet; aber wenn offizielle Nachforschungen diese Geschichten in 
jeder Hinsicht als falsch entlarvten, wurde die Veroffentlichung der Wider- 
legung durch die Zensur erschwert. Die Behorden gaben den Truppen freie 
Hand zu plilndern und zu wiiten und ermunterten sie sogar durch die Verof- 
fentlichung von Befehlen, die offiziell alle Juden als Spione und Verrdter 
abstempelten. Das Ergebnis war eine Reihe von Gewalttaten, die sogar fur 
Rufiland einmalig waren. Eine Million Juden wurden in grofiter Armut aus 
ihren Wohnungen vertrieben. 

Protest des liberalen Rufiland 

Alle liberalen Elemente Rufilands protestierten gegen diese Vernich- 
tungskampagne, waren aber angesichts der Militdrregierung machtlos. 
Hunderte von Gebietskorperschaften, Handels- und Berufsorganisationen, 
Schriftsteller, Publizisten und Priester appellierten an die Zivilregierung, 
den Juden Gleichberechtigung zuzugestehen oder zumindest die Politik der 
Verfolgung zu beenden. Diese Gedenkreden geben zusammen mit den Reden 
in der Duma eine Fillle von Beweismaterial aus nicht-jUdischen Quellen, 
die die russische Regierung in den Augen der Welt verurteilen mufi. 

Galizien 

Wdhrend der zehn Monate dauernden russischen Besetzung Galiziens 
litten die Juden dieses Gebiets sogar noch mehr als die Juden, die im russi- 
schen Siedlungsgebiet lebten. Denn hier waren die Juden den Feinden aus- 
geliefert, und es bedurfte keines Vorwands, um sie zu mifihandeln. Die Rut- 
henen und Polen, die das Land besetzten, waren freundlich gegeniiber Rufi- 
land eingestellt, das ihnen Unabhdngigkeit und Macht versprach. Dagegen 
konnte Rufiland nichts von den Juden Galiziens erwarten, da sie bereits 

125 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Rechte und Besitztiimer besaflen, die den Juden Rufilands nicht gewdhrt 
waren, und die Last der russischen Invasion fiel gnadenlos auf sie. Hier 
wurden Tausende russisch-jUdische Soldaten gezwungen, bei dem Versuch 
ihr Leben zu lassen, denfreien Juden Galiziens jene Sklaverei aufzuerlegen, 
der in Rufiland zu entkommen sie selbst bestrebt waren. Sie mufiten die 
Entweihung der Synagogen durch ihre russischen Waffenbrilder erleben 
sowie die Vergewaltigung jUdischer Frauen und das Massaker an unschul- 
digen und hilflosen Zivilisten ihres eigenen Glaubens. 

Rumdnien 

Obwohl Rumdnien noch nicht Kriegspartei ist, wurden einige Juden die- 
ses Landes durch den Krieg schwer betroffen. Im Juli 1915 erliefi der In- 
nenminister eine allgemeine Anweisung, wonach die Juden aus den Stddten 
an der osterreichisch-ungarischen Grenze in das Landesinnere vertrieben 
wurden. Obwohl spdter behauptet wurde, diese Anweisung sei erlassen 
worden, um jiidische Getreidespekulanten aus der Bukowina an ihren Ge- 
schaften zu hindern, wurden viele Juden, die seit Generationen in den 
Grenzstddten wohnten, summarisch vertrieben. 

Diese Regierungsaktion wurde von der liberalen Presse schwer kritisiert 
wie auch von der Liga ansdssiger Juden, die ein Memorandum an den Kd- 
nig richtete. Die Anweisung wurde schliefilich zurtickgenommen. 

Unabhdngig davon, ob die gegenwdrtige Situation auf dem Balkan zum 
Beitritt Rumdniens zu den kriegfuhrenden Nationen fiihrt oder nicht, besteht 
kein Zweifel, dafi nach Ende der Feindseligkeiten die Frage der Behand- 
lung der Juden durch Rumdnien wieder behandelt werden sollte. 

Palastina 

Beim Ausbruch des Krieges gab es in Palastina nach verldfilichen 
Schdtzungen etwa 100.000 Juden, von denen einige wirtschaftlich unab- 
hdngige Landwirte waren, deren grofie Mehrheit aber betagte Pilger waren, 
die von ihren Verwandten sowie von gutwilligen Spenden ihrer frommen 
Glaubensgenossen in Europa lebten. Der Krieg schnitt sie vollstdndig so- 
wohl von den Mdrkten Europas als auch von ihren Verwandten und Freun- 
den ab. Nahezu die gesamte jiidische Bevolkerung war so der Armut tiber- 
antwortet. Ihre Lage wurde aufierdem verschdrft, als die Tilrkei als Alliier- 
ter der Achsenmdchte in den Krieg eintrat und die Angehorigen feindlicher 
Staaten hart behandelte. Etwa 8.000 Juden, die sich weigerten, tiirkische 
Untertanen zu werden, wurden entweder des Landes verwiesen oder gingen 
freiwillig. 



126 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

Juden in anderen kriegfiihrenden Staaten 

In alien Ldndern, in denen die Juden bisher Freiheit genossen, gab es 
wdhrend dieses Krieges kein spezielles judisches Problem. Die Juden haben 
sich volktdndig mil ihren Geburts- oder Wahlldndern identijiziert und teil- 
ten die Priifungen und Ruhmestaten der Volker, unter die ihr Los gefallen 
war. 

In England stellte die jtidische Bevolkerung nach von Lord Rothschild 
angestellten Schdtzungen mehr als ihren Anteil an Rekruten der britischen 
Armee, wobei ihr Anteil von 17.000 etwa achteinhalb Prozent der gesamten 
jildischen Bevolkerung ausmachte, im Vergleich zu den sechs Prozent der 
nichtjUdischen Bevolkerung. Der Gerichtsprdsident des Obergerichts, Ba- 
ron Reading, ein Jude, mobilisierte die finanziellen Ressourcen des Landes 
und wurde darum gebeten, die englisch-franzosische Kommission anzujuh- 
ren, welche den 500.000.000 Dollarkredit aushandelte, der in den Vereinig- 
ten Staaten erlangt wurde. Lord Rothschild ist Schatzmeister der Rot-Kreuz- 
Organisation. Hon. Herbert Samuels ist Mitglied des Koalitionskabinetts. 
Ein judisches Bataillon, das von paldstinensischen Fliichtlingen organisiert 
wurde, leistete den Alliierten aufierordentliche Dienste auf der Gallipoli- 
Halbinsel. Viele Auszeichnungen, einschliefilich Verleihungen des Viktoria- 
Kreuzes und Beforderungen, werden jede Woche in der englisch-jtidischen 
Presse bekanntgegeben. 

In Deutschland haben die Juden, obwohl sie sozial nicht vollig gleich- 
gestellt waren, ihren vollen Anteil an den Kriegslasten getragen. Herrn 
Ballin, dem Chef der Handelsmarine, wurde die Aufgabe iibertragen, die 
nationale Nahrungsmittelversorgung zu organisieren, und andere Juden 
sind in ftihrender Position in alien Bereichen der industriellen Mobilisie- 
rung des Landes zu finden. In Frankreich und Italien, Osterreich-Ungam 
und der TUrkei findet man Juden in den Regierungskabinetten, als Befehls- 
haber tiber die Truppen im Feld und an herausragender Stelle als Verant- 
wortlichefUr die medizinische Versorgung der Armeen. 

Auf dies e Weise hat der gegenwdrtige Krieg wieder die grofie Wahrheit 
gezeigt, dafi die Juden sowohl in Zeiten des Kampfes als auch in Friedens- 
zeiten von allerhochstem Vorteil fur die Nationen sind, die sie als unab- 
dingbaren Bestandteil ihrer Bevolkerung akzeptieren und ihnen erlauben, 
sich frei zu entfalten. Dagegen wird eine autokratische Regierung, die ihr 
Volk durch den Anblick einer ungeschiitzten Minderheit verdirbt, der alle 
Menschenrechte vorenthalten werden, stets selbst die Reaktion zu spiiren 
bekommen, und die moralische Verfassung der Nation wird darunter lei- 
den. 



Eine Anmerkung zu nicht abgedruckten Informationsquellen behauptet unglaub- 
licherweise, die russische Regierung habe nichts von dem dementiert, was in die- 

127 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Rufiland 

Rufiland bekam den Grofiteil seiner jildischen Bevolkerung durch die 
Teilungen Polens von 1 773 bis 1 795. Rufiland war zujener Zeit sowohl von 
der Einstellung als auch von der Organisation her stark mittelalterlich ge- 
prdgt und behandelte die Juden mit der aufiergewohnlichen Hdrte, die das 
mittelalterliche Prinzip und die mittelalterliche Politik sowohl duldeten als 
auch verlangten. Indem die Juden auf die Provinzen begrenzt wurden, wo 
sie zur Zeit der Teilungen gerade lebten, schuf Rufiland ein Ghetto, das 
grofier war als alle sonst im Mittelalter bekannten, und durch interne Be- 
schrdnkungen des Aufenthaltsrechts und der Freizilgigkeit wurde das Ghet- 
to gleichsam in cine Strafkolonie verwandelt, wo sechs Millionen Men- 
schen, die nur der Zugehorigkeit zum judischen Glauben schuldig waren, 
gezwungen sind, ihr Leben in Schmutz und Elend zu fristen, wobei sie stdn- 
digem Terror durch Massaker ausgesetzt sind sowie der Launen der Polizei 
und einer korrupten Verwaltung - kurz, ohne Rechte und sozialen Status. 

Nur zweimal wdhrend des letzten Jahrhunderts wurden Anstrengungen 
unternommen, die Verhdltnisse der Juden in Rufiland zu verbessern; undje- 
dem Intervall der Erleichterung folgte eine Periode grofierer und grausa- 
merer Repression. Die erste erfolgte unter der Regierung Alexanders IL, 
aber seine Ermordung 1881 fuhrte zur vollstdndigen Beherrschung Rufi- 
lands durch die Elemente der Reaktion, die sofort die Verfolgungspolitik er- 
neuerte. Die "Maigesetze" von Ignajiew (1882), welche die Juden bis zum 
heutigen Tage bedrdngen, waren das unmittelbare Ergebnis dieses Regimes. 
Die zweite Periode, die mit der erfolglosen Revolution von 1904-1905 zu- 
sammenhing, wurde von einer Pogrom-Politik unerhorter Strenge abgelost, 
die bis zum Ausbruch des gegenwdrtigen Krieges anhielt. 

Die Pale-Siedlung 

Zu Beginn des Krieges wurde die Zahl der Juden im Russischen Reich 
auf sechs Millionen oder mehr geschdtzt, was glatt die Hdlfte der judischen 
Weltbevolkerung ausmachte. 95 Prozent dieser sechs Millionen Menschen 
wurden per Gesetz auf ein begrenztes Gebiet Rufi lands beschrdnkt, das Pa- 
le genannt wird und aus den 15 Regierungsbezirken West- und Stidwestrufi- 
lands besteht sowie aus den zehn Regierungsbezirken Polens, wobei ein 
Grofiteil dieses Gebietes nun unter deutscher Besatzung steht. Tatsdchlich 
wurde aber der Aufenthalt im Pale welter in solchem Umfang beschrdnkt, 
dafi die Juden vom Territorium her nur in einem Zweitausendstel des russi- 
schen Reiches leben durften. Kein Jude durfte aus dem Pale heraus, es sei 
denn, er gehorte zu einer der wenigen privilegierten Klassen. Einige halb- 

sem Bericht behauptet wurde. 
128 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

privilegierten Juden konnten vielleicht mit viel Milhe spezielle Reisepdsse 
fiir eine befristete Aufenthaltsdauer aufierhalb des Pale erhalten; aber die 
grofie Mehrheit konnte nie auch nur dieses Privileg erlangen. Eine enorme 
Anzahl von Gesetzen mit besonderen Beschrdnkungen verwandelte das Pale 
in eine Art Gefdngnis von seeks Millionen Insassen, das durch eine Armee 
korrupter und brutaler Aufseher bewacht wurden. 

Die kiirzlich erfolgte Aufgabe des Pale 

Im August 1915 gab der Ministerrat einen Erlafi heraus, der es den Ju- 
den der Kriegsgebiete erlaubte, in das Innere Rufilands zu Ziehen. Das 
wurde in manchen Kreisen gleichsam als Aufgabe des Pale eingestuft, wo- 
bei diese Interpretation hauptsdchlich aufdie breite Publizitdt zurilckzufiih- 
ren ist, die der Mafinahme durch die russische Regierung zuteil wurde. 
Aber die offiziellen und sonstigen Beweise zeigen klar, dafi dies alles andere 
als ein groflziigiger Akt einer liberalen Regierung gegeniiber einem unter- 
druckten Volk ist, sondern in Wahrheit nur eine vorubergehende Anordung, 
die hauptsdchlich durch militdrische Notwendigkeiten diktiert wurde sowie 
teilweise durch die Notwendigkeit einer ausldndischen Anleihe; es ist klar, 
dafi sie nur notgedrungen gewdhrt wurde und mit bitteren Beschrdnkungen, 
die dazu dienten, die unterdriickte Stellung der Juden hervorzuheben, und 
dafi der Erlafi in der Praxis nach Gutdilnken der ortlichen Behorden igno- 
riert oder umgangen wird. Sie wird dazu verwendet - wenn das nicht gar 
der Hauptzweck war — die Weltmeinung in die Irre zu fuhren.« 



Sbt jNIetu Ijork Simejsi 

3. Marz 1919, S. 1 

»PRASIDENT GIBT DEN ZIONISTEN HOFFNUNG 

sagt Delegation; er beftirwortet Plan fir ein jUdisches Commonwealth 
in Paldstina. 

DR. WISE VERTEIDIGT ENGLAND - Sagt auf Massenversammlung, 
Volkerbund bedeutet Gerechtigkeit fir die schwdchsten Volker der Welt. 

Sonderbericht an die New York Times. — Washington, 2. Marz 1919. 

Die Befirwortung der Plane zionistischer Fuhrer, ein nationales jiidi- 
sches Commonwealth in Paldstina zu schaffen, wurde heute abend von Prd- 
sident Wilson gegeniiber einer Delegation reprdsentativer amerikanischer 

129 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

judischer Fuhrer erklart, die im Weifien Haus eine Stunde lang mit dem 
Prdsidenten iiber den internationalen Status der Juden in der Welt konfe- 
rierten. Die Delegation wurde von Rabbi Stephen Samuel Wise aus New 
York angeftihrt. Aufierdem gehorten dazu Richter Julian W. Mack, Chicago, 
Louis Marshall, New York, und Bernard J. Richards, New York, Mitglieder 
der Delegation zur Pariser Friedenskonferenz, die vor kurzem durch den 
American Jewish Congress ernannt wurden. 

Hier das Versprechen, das der Prasident gegeniiber der Delegation gab: 

"Was Ihre Vorstellungen in Bezug auf Paldstina betrifft, habe ich schon 
vorher meine personliche Befiirwortung gegeniiber der Erkldrung der briti- 
schen Regierung zum Ausdruck gebracht im Hinblick auf die Bestrebungen 
und historischen Anspriiche des jUdischen Volkes beztiglich Palastinas. Ich 
bin dariiber hinaus davon ilberzeugt, dafi die alliierten Nationen mit der 
vollen Zustimmung unserer Regierung und unseres Volkes darin Uberein- 
stimmen, dafi in Paldstina die Grundlage filr ein jUdisches Commonwealth 
gelegt werden soil. " 

Die Delegation ilbergab dem Prdsidenten eine Denkschrift, die den ge- 
genwdrtigen Status der Juden in Osteuropa beschrieb sowie die Auswirkun- 
gen, die die Schajfung neuer und grofier Staaten - Polen, die Tschechoslo- 
wakei und Jugoslawien -fiir sie haben. Die Delegation legte femer die vom 
American Jewish Congress im letzten Dezember in Philadelphia verab- 
schiedete Resolution vor, welche die Garantien benennt, die zur Sicherung 
der fundamentalen Menschenrechte der Juden in der ganzen Welt fiir not- 
wendig erachtet werden. 

Nach der Konferenz fUhrten die Delegierten aus, dafi sie den Prdsiden- 
ten immer "wie iiblich empfanden, wohlwollend gegeniiber dem unbestreit- 
baren Prinzip des Rechts des jiidischen Volks, tiberall gleichberechtigt zu 
sein. " 

Versammlung begriifit Wilsons Worte 

Nachdem sie das Weifie Haus verlassen hatten, gingen Rabbi Wise und 
Richter Mack auf eine Massenversammlung im Auditorium der Central 
High School, dem grofiten Versammlungsraum in Washington (D.C.). Drei- 
tausend Menschen drdngten sich darin zusammen, aber viele fanden keinen 
Einlafi. 

Rabbi Wise sprach von den Bestrebungen und Hoffnungen der amerika- 
nischen Juden und der Juden in der ganzen Welt, berichtete von seinem 
kilrzlichen Besuch in Paris und dessen Bezug zur Friedenskonferenz und 
erorterte den Volkerbund. Er sagte voraus, dafi dieser Teil des endgtiltigen 
Friedensvertrags werde. Nachdem er die Einstellung des Prdsidenten zu 
der zionistischen Bewegung bekannt gegeben und unter der grofiten Begei- 
sterung zitiert hatte, was gesagt worden war, rief Rabbi Wise aus: 

130 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

"Ich glaube, England sollte die Mandatsmacht fur den Volkerbund uber 
das zu errichtende judische nationale Commonwealth in Paldstina sein, und 
ich mache hier und jetzt die Voraussage, dafi Groflbritannien das Mandat 
Uber Paldstina annehmen wird. Wer behauptet, dafi England im Hinblick 
auf Paldstina nur seine Dominions ausdehnen mochte, irrt iiber Grofibri- 
tannien und verleumdet es. Ich weifi, wovon ich spreche, wenn ich nach 
meinem letzten Besuch in Paris und London versichere, dafi England nie 
ein Mandat iiber Paldstina akzeptieren wird, es sei denn als Reaktion auf 
ein Mandat des Volkerbunds, und wenn England tatsdchlich so ein Mandat 
akzeptiert, wird das bedeuten, dafi die jildischen Menschen auf der Welt 
wieder ihren rechtmdfiigen Platz in der Welt erlangt haben. 

Die Bildung des Volkerbunds bedeutet zweierlei. Sie bedeutet Gerech- 
tigkeit von den grofiten Nationen her und Gerechtigkeit gegentiber den 
schwdchsten Volkern der Welt. Ich bin vor einigen der gewichtigen Argu- 
mente gegen den Volkerbund beinahe erschrocken, die ich wdhrend der 
letzten paar Tagen gehort habe. Man sagt uns, wenn wir Frieden wollen, 
mtifiten wir uns lediglich aus Europa zurilckziehen und Europa die Sache 
allein ausfechten lassen ohne Grilndung irgendeines Volkerbundes. 

Wir haben das schon einmal versucht. Wir versuchten das seit August 
1914, bis wir im April 1917 in den Krieg eintraten, als wir uns daruber klar 
werden mufiten, dafi auch die Freiheit Amerikas bedroht war, wenn die 
Freiheit der Welt beeintrdchtigt wurde. Wir wtirden morgen unter den glei- 
chen Verhdltnissen wieder in den Krieg eintreten, wenn wir allerdings mor- 
gen die gleichen Verhdltnisse hdtten, so wtirden wir im Lichte der jtingsten 
Geschichte etwas friiher in den Krieg eintreten. 

Die wirkliche Frage ist nun, ob wir einen Volkerbund grtinden werden, 
ob wir da, wo wir sind, bleiben werden und helfen, den Frieden der Welt zu 
erhalten, oder ob wir hierher zurilckkommen und dann zurtickkehren mtis- 
sen, um wieder Krieg zu filhren. Anstatt wieder dorthin zu gehen, um Krieg 
zu filhren, lafit uns dort bleiben und den Frieden erhalten. Ich prophezeie 
hier und jetzt, dafi die Friedenskonferenz nicht vertagt wird, ohne Vorkeh- 
rungenfur einen Volkerbund zu treffen. Ich wage nicht zu sagen, ob wir ein 
Mandat unter dem Volkerbund anstreben sollten. Aber ich bin als Amerika- 
ner nicht bereit zu sagen, dafi wir alle Vorteile, die ein Volkerbund mit sich 
bringt, akzeptieren sollten ohne die Bereitschaft, unseren Verpflichtungen 
durch einen solchen Bund nachzukommen. " 

Amerika und Armenien 

"Wenn sich der Volkerbund an Amerika wenden und auf Armenien zei- 
gen wurde, das verwundet, gebrochen und hilflos ist, und uns bitten wurde, 
Armenien aufzurichten und seine Wunden his zu dem Tag zu pflegen, an 



131 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

dem es in der Lage ist, alleine zu existieren, so glaube ichfest, dafi Amerika 
so ein Mandat annehmen wtirde. " 

Rabbi Wise sagte, die Juden der Welt hatten Amerika und den Alliierten 
fur die Wiedererschaffung des jildischen Commonwealth in Paldstina zu 
danken. Es sei nicht seine Vorstellung, dafi alle Juden nach Paldstina gehen 
konnten oder wtirden. Paldstina, sagte er, habe nicht genilgend Platz fur 
das gesamte weltweite Judentum. 

"Vielleicht, " sagte er "werden wenig mehr als ein Viertel der Juden der 
Welt in der Lage sein, dort hinzugehen. Wenn fiir die Juden eine nationale 
Heimstdtte in Paldstina errichtet ist, wird es eine Heimat fiir die heimatlo- 
sen, benachteiligten und enterbten Juden sein sowie ein strahlendes Zen- 
trum des Lichts und der Inspiration fiir alle Juden der Welt. Der Wiederer- 
richtung Zions wird die Reparationsleistung der gesamten Christenheit 
fiir das an den Juden begangene Unrecht sein. " [Hervorhebung hinzuge- 
fugt] 

Dr. Wise wandte sich gegen die Schlufifolgerung im Zusammenhang mit 
der andauernden Untersuchung, dafi russische Bolschewiken und russische 
Juden synonym seien. 

Der Bolschewismus, sagte er, sei kein jUdisches Phdnomen. Zugegeben, 
eine grofie Zahl von Juden habe bei den Bolschewiken Amter inne. Es miis- 
se aber berticksichtigt werden, dafi zu diesen nach Rufiland zuriickgekehr- 
ten Juden viele der "beinahe gekreuzigten Verbannten " gehorten. Er versi- 
cherte unter Berufung auf Kerenski, dafi 80 bis 95 Prozent der Millionen 
Juden gegen den Bolschewismus seien, wie sic es auch sein sollten. 

"Ich halte es fiir ein grofies Unrecht gegeniiber einem ganzen Volk, vom 
Bolschewismus und den russischen Juden so zu sprechen, als handle es sich 
um austauschbare Begriffe, " fuhr Dr. Wise fort. "Obwohl eine Handvoll der 
bolschewistischen Anfilhrer abtriinnige Verstofiene sein mogen, sind die 
grofien Filhrer der russischen Juden gegen den Bolschewismus. Milssen al- 
le Juden verdammt werden, well einige Juden verdammenswert sind? Ich 
denke nicht, dafi dies der richtige christliche oder amerikanische Weg ist. 
Das russische Judentum und die Hdlfte des Weltjudentums sind fiir eine ge- 
wisse Zeit angeschlagen. Die Verantwortung bleibt beim amerikanischen 
Judentum. " 

Die vier Mitglieder der von Rabbi Wise angefilhrten Delegation, die 
bald nach Paris aufbrechen werden, kamen heute morgen in Washington an 
und verbrachten den grofiten Teil des Pages in einer Besprechung mit Louis 
D. Brandeis, dem Richter am Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staa- 
ten, der die zionistische Bewegung sehr aktiv unterstiitzt hat.« 

»Washington, 2. Mdrz 1919 (Associated Press.) 
132 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

Bei seiner Ansprache in der Washingtoner High School diesen Abend 
erkldrte Dr. Wise mit Bezug aufein unveroffentlichtes Dokument in den Un- 
terlagen des Senatskomitees, das angeblich eine Liste von Juden in Indien, 
Rufiland und anderswo enthalt, die von der deutschen Regierung als Agen- 
ten benutzt wurden, um in diesen Ldndern soziale Unruhen hervorzurufen, 
dafi die Informationen in diesem Dokument unzutreffend seien. Er bezeich- 
nete deren Urheber als "entweder einen Verrilckten oder einen widerlichen 
und verachtlichen Schurken. "« 

»AKTION DER KONFERENZ BEFRIEDIGT ZIONISTEN 

Dr. Weissman [sic] sagt, Paldstina werde die ersten Frtichte des Vol- 
kerbundes sehen. 

Von Walter Duranty. 

Sonderdepesche an THE NEW YORK TIMES. 

Paris, 28. Februar. - "Wir sind sehr zufrieden mit der Aufnahme der 
zionistischen Anspriiche durch die Friedenskonferenz, " sagte Dr. [Chaim] 
Weissman [sic], Vorsitzender des British Zionist Committee, der die Zentral- 
figur der Organisation in Paris war. "Die wichtigsten alliierten Staatsmdn- 
ner haben gegenilber den zionistischen Zielen Sympathie bekundet, und die 
gestrige Anhorung besiegelte die formliche Anerkennung der Konferenz als 
einer Korperschaft. 

Wir haben die voile Anerkennung des historischen Anspruchs des jiidi- 
schen Volkes auf Paldstina erhalten sowie des Rechts der Juden, ihre natio- 
nale Heimstatt dort wiederzuerrichten. Mit nationaler Heimstatt meine ich 
die Schaffung solcher Verhdltnisse, dafi grofie Mengen Juden nach Paldsti- 
na reisen konnen, um sich dort auf Basis einer Selbstversorgung niederzu- 
lassen, sowie ihre eigenen Schulen, Universitdten und andere Institutionen 
zu grilnden — kurz, eine Verwaltung aufzubauen, die unser Programm 
durchfiihrt und schliefilich Paldstina so jiidisch macht, wie Amerika ameri- 
kanisch ist. 

Gegenwdrtig ist das die Grenze der zionistischen Bestrebungen. Es ver- 
steht sich, dafi die sofortige Bildung eines jUdischen Staates oder Com- 
monwealth nicht erwogen wird. Heute und sicher auch fUr einige Jahre in 
der Zukunft werden jiidische Siedler in Paldstina tatsdchlich eine erhebli- 
che Minderheit darstellen im Verhdltnis zu den nichtjiidischen Bewohnern 
des Landes. Es kommt nicht in Frage, dafi diese Minderheit ihren Willen 
der Mehrheit aufzwingt. Unsere Position wird das erste grofie Experiment 
des Mandatssystems des Volkerbundes sein, durch das Menschen, die noch 
nicht reif sind, eine unabhdngige Regierung zu bilden, schrittweise hierzu 
gelangen unter der Anleitung der Grofimdchte. 

Wir haben darum gebeten, dafi die Briten hierzu ernannt werden. Uber 
Jahrhunderte waren die Juden unter den Nationen der Welt verstreut, und 

133 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

wir wissen, wer unsere Freunde sind. An erster Stelle stehen die eng- 
lischsprechenden Volker, die wie die Juden auf der Basis der Bibel erzogen 
wurden. Wir erwdhlten Grofibritannien, teilweise aufgrund von Zweifeln 
dariiber, ob die Vereinigten Staaten bereit wdren, Verpflichtungen im Nahen 
Osten zu ilbernehmen, teilweise angesichts geographischer Uberlegungen 
und wegen der grofien und vielfdltigen Erfahrung Grofibritanniens mit al- 
ien Arten von Rassen und Verfassungen. Unter seiner Leitung wird ganz Pa- 
lastina — von der Provinz Libanon bis zur dgyptischen Grenze und vom 
Meer bis zur Hedschas-Eisenbahn - jiidischen Siedlungen offenstehen, die 
sich automatisch zu einem autonomen jiidischen Commonwealth entwickeln 
werden. 

Auf diese Weise hat es der Volkerbund ermoglicht, dem jahrhunder teal- 
ten Wunsch der jiidischen Rasse Ausdruck zu verleihen. Uberall sind Juden 
ilberzeugte BefUrworter des Volkerbundes und schulden Prasident Wilson 
filr seine Unterstiltzung der Prinzipien, durch die unsere Riickkehr in unsere 
angestammte Heimat herbeigeftihrt wird, viel Dank. 

Wir haben darum gebeten, dafi Grofibritannien Paldstina eine geeignete 
politische Verwaltung und angemessene wirtschaftliche Rahmenbedingun- 
gen gibt, dafi es jildische Einwanderung und Siedlungen auf dem Landfor- 
dert und die Zusammenarbeit mit einem jiidischen Rat sucht, der die Juden 
Paldstinas reprdsentiert. Grofibritannien wird Konzessionen zugunsten Pa- 
Idstinas an diesen Rat vergeben mit der Bestimmung, dafi es dem Rat nicht 
verboten ist, daraus privaten Profit zu schlagen. 

Schliefilich sind wir darin ilbereingekommen, die urspriingliche Forde- 
rung der britischen Regierung wiefolgt zu akzeptieren: 

Es versteht sich von selbst, dafi nichts unternommen wird, was die zivi- 
len und religiosen Rechte vorhandener nichtjildischer Gemeinschaften in 
Paldstina oder die Rechte und den politischen Status von Juden, die in an- 
deren Ldndern leben, beeintrdchtigen konnte. 

Sic sehen, unsere Ziele sind bis jetzt bescheiden und bedacht. Spater 
wird eine unabhdngige Regierung Paldstinas die natiirliche Folge der neu- 
en Bedingungen und Verhaltnisse sein. "« 



134 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

29. September 1919, S. 7 

»FELIXM. WARBURG BERICHTET UBER DAS 
TRA URIGE LOS DER JUDEN. 

Felix M. Warburg sagt, sie waren im Krieg die grofiten Leidtragenden. 

Felix M. Warburg, Vorsitzender des Joint Distribution Committee des 
amerikanischen Fonds fUr jildische Kriegsleidende, der vor einigen Tagen 
von einer Reise nach Europa fur diese Organisation zurilckkehrte, machte 
gestern einige seiner Ergebnisse publik. 

"Die aufeinanderfolgenden Schlage der streitenden Armeen haben dem 
europaischen Judentum das RUckgrat gebrochen, " sagte er, "und sturzten 
etwa 6. 000. 000 Seelen oder die Hdlfte der jildischen Weltbevolkerung in 
unglaublich tragische Armut, Hunger und Krankheit. 

Die jildischen Menschen in ganz Osteuropa haben aufgrund eines rei- 
nen Zufalls der Geographie unter dem Krieg mehr gelitten als irgendeine 
andere Bevolkerungsgruppe. Die potentielle Vitalitdt und die Fdhigkeit zur 
Selbsthilfe, die diesen Menschen nach den letzten fiinf Jahren verbleibt, ist 
fur mich erstaunlich. " 

Die Menschen sind von der Hilfe, die sie von Amerika erhalten, tiefhe- 
wegt, sagte Mr. Warburg, aber es ware fatal, die Nothilfe jetzt zu reduzieren, 
wdhrend Millionen in tragischer Not sind. Die 30.000.000 Dollar, die von 
diesem Komitee ausgegeben wurden, sagte er, haben mehr als eine Million 
Kinder erndhrt und gekleidet, und dies hat die Hoffhung von fUnf Millionen 
Eltern und Alteren erneuert. 

"Mehr als vier Jahre lang, " sagte er, "wurde der Krieg an der Ostfront 
weitgehend in den dichtbevolkerten Zentren der jildischen Bevolkerung 
ausgefochten. Eine gerade Nord-Sild-Linie von Riga im Baltikum bis Salo- 
niki an der Agdis geht durch jede wichtige Kampfzone des ostlichen 
Kriegsgebiets undjedes Zentrum der jildischen Bevolkerung. Nach der ver- 
nichtenden Katastrophe der vergangenen Jahre ist es zu viel, wenn man er- 
wartet, daji diese Juden innerhalb von nur zwolf Monaten Selbstversorger 
werden. " 

Mr. Warburg macht sich Sorgen iiber das bald beginnende Programm 
hinsichtlich der Unterbrechung der Nothilfe. Dieser Plan, sagte er, sieht die 
Griindung einer Wiederaufbau-Gesellschaft mit einem Kapital von 
10.000.000 Dollar vor 



135 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

"Diese Organisation, " sagte er, "wilrde Aufbauhilfe ftir Juden im Aus- 
land in Form von Darlehen und Krediten zu symbolischen Zinssdtzen er- 
moglichen. Der Wert dieser Art von Hilfe als Ersatz ftir reine karitative Hil- 
fe ist offenkundig. " 

Andere Hilfsprojekte, die von Mr. Warburg empfohlen wurden, beinhal- 
ten die Errichtung einer Transportgesellschaft, um Geld und Pakete von 
Juden in diesem Land an Verwandte und Freunde im Ausland zu schicken; 
die Verteilung von Brennmaterial im Wert von 120.000 Dollar in den Teilen 
Polens, wo das Elend am grofiten ist; den Kauf von Stojfen im Wert von 
300. 000 Dollar, durch die arbeitslose Arbeiter Polens Rohmaterial bekom- 
men, sowie einen Plan, die judischen Familien zusammenzufuhren, die Ver- 
wandte in den Vereinigten Staaten haben, undjene, die im Ausland getrennt 
wurden. « 



She JCetu Jlark Sinter 

26. Oktober 1919, Abschnitt 2, Seite 1 

»2 MILLIONEN DOLLAR BEI 
SCHNAPPCHENJA GD A USGEGEBEN 

Miss Lowenstein berichtet von ihren Einkdufen fur 4.000.000 hungernde 
Juden in Osteuropa. 

ARMEE FUHRTIHRE BESTELL UNGENA US 

Kdufe reichen von Schiffszwieback bis zu genagelten Stiefeln - Seife ist 
der erste grofie Bedarf der gedeckt wird. 

Fine dreiwochige Finkaufstour, bei der sie 2.000.000 Dollar fur eine 
"Familie" von 4.000.000 Menschen ausgab, ist der Rekord von Harriet B. 
Lowenstein, einer Vertreterin des Joint Distribution Committee des ameri- 
kanischen Fonds filr judische Kriegsopfer, die kurzlich aus Osteuropa zu- 
rtickkehrte. In einer Frkldrung, die das Komitee gestern herausgab, hiefi es, 
dafi die Kdufe von Miss Lowenstein das Leben der Juden Osteuropas schier 
gerettet haben, die am verhungern waren. 

Miss Lowenstein liefi sich kein Schndppchen entgehen, das vom Auflo- 
sungsbtiro der US-Armee angeboten wurde, von Schiffszwieback bis zu ge- 
nagelten Stiefeln sowie von Seife bis zu Motorlastwagen! Bei ihrer Ankunft 
in Paris traf sie Lewis Strauss, den Sekretdr von Herbert Hoover, und er- 
fuhr von den schrecklichen Lebensbedingungen in den europdischen Ldn- 

136 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

dern. Aus Polen erhielt sie die Bitte, 2.000.000 Dollar filr 4.000.000 im 
Elend vegetierende Juden auszugeben. 

"Ich wufite nicht, was ich besorgen sollte, " sagte Miss Lowenstein, 
"und ich wufite nicht, wo ich es besorgen sollte. Alles, was ich wufite, war, 
dafi es erledigt werden mufite. Zum Glilck waren Louis Marshall, Vorsitzen- 
der der jUdischen Delegation fiir die Friedenskonferenz, und Dr. Cyrus Ad- 
ler immer noch da, als ich nach Paris kam. Sie nahmen mich mit, um Rich- 
ter Parker aus Texas zu trejfen, der im Auflosungsburo der US-Armee war " 

"Hat die Armee etwas zu verkaufen? " fragten wir ihn. 

Nunja, sie hat einige Dinge hier und da, sagte er. 

"Konnten wir das sehen?" fragten wir. "Wir miissen sofort mehrere 
Zugwaggons nach Polen losschicken. " 

Es stellte sich heraus, dafi die Sachen nicht in Paris waren. Um ihre 
Schndppchen zu bekommen, mufite Miss Lowenstein in ganz Frankreich ei- 
ne Serie von Schlufiverkdufen besuchen, wenn man so will. Die Bestandsla- 
ger der US-Armee waren ihre Einkaufsldden. Ihre Einkaufstour konnte sie 
fiir Olivenol nach Bordeaux, wegen Decken nach Tours und wegen Medizin 
nach Toule fiihren - aber was fur Bequemlichkeiten kann ein Schndppchen- 
jager schon erwarten? 

"Das erste, was ich tat, " sagte sie, "war, einen Armeewagen zu leihen 
und nach Gievres zu eilen, das, wie man mir sagte, ein Zentrum ihrer Auflo- 
sungskommission war. In den drei Tagen und drei Ndchten, die ich dort ver- 
brachte, kaufte ich genug Material, um 39 Lastwagen zu fallen, die mir von 
der Armee und der Auflosungskommission aus Gefdlligkeit geliehen wur- 
den. 

Das erste, was ich kaufte, war cine Menge Seife. Keiner hatte mir das 
befohlen, aber wir hatten Berichte iiber den Schmutz und iiber Krankheiten 
in Polen, und es schien mir, dafi Seife ein Luxus war, ohne den wir nicht 
auskommen konnten. Die Manner sagten, sie dachten, ich wurde wohl ganz 
Polen schrubben, als sie meinen Frachtwagen voll mit Seife sahen. 

Es gab Tausende von Fleckfieberfdllen in Polen unter den elenden Ju- 
den, und ich wollte Betten versenden, aber ich wufite, dafi das unmoglich 
war, da wir nur soviel Platz auf den Schiffen bekommen konnten, wie Mr. 
Hoover filr uns bereitstellen konnte. Daher dachte ich, dafi es das Beste wa- 
re, drei Wagenladungen Armeedecken zu senden. 80.000 Leinentticher und 
150.000 Kissenbeztige. Ich schaffte es, 1000 Liegen und 1000 Matratzen 
hineinzupacken, ohne gestoppt zu werden. " 

Miss Lowenstein fand all diese Dinge nicht etwa fiir sie in Gievres be- 
reitgelegt. Sie mufite Frankreich lange danach absuchen. Dann, als ihre 
Sachen in das Boot gepackt waren, horte sie, dafi in Toule Medizin bereit- 
gestellt wiirde, und sie eilte dorthin, um sie zu kaufen. 



137 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

"Medizin war eine Sache, von der ich praktisch uberhaupt nichts wufi- 
te, " sagte sie. "So kaufte ich einfach die Dinge, von denen ich dachte, dafi 
Frauen mit gesundem Menschenverstand sie gebrauchen wiirden, ohne Arz- 
te und Krankenschwestern — Chinin, Abftihrmittel, Fleckfieber-Desinfek- 
tionsmittel, Betdubungsmittel (ich hatte gehort, dafi in Polen stdndig Ope- 
rationen durchgejiihrt wurden ohne irgend etwas Derartiges) und einfache 
Sachen dieser Art. Ich kaufte auch 20 chirurgische Ausriistungen, die Sorte, 
die man auf dem Schlachtfeld benutzte, und eine grofie Menge 95- 
prozentigen reinen Alkohol zu 72 Cent die Gallone - ein weiteres Schndpp- 
chen, wie jeder, der hier gekauft hat, wissen mufi. Dann, weil ich wufite, 
dafi die Kinder an Untererndhrung litten und die jildischen Jugendlichen 
die meisten Fette wegen ihrer Religion nicht essen konnten, kaufte ich all 
das reine Olivenol, das die Armee hatte, zu 1, 75 Dollar die Gallone. " 

Wdhrend der ganzen Zeit half die Armee Miss Lowenstein bei ihren 
Schndppchen, so als seien sie echte Verkdufer und sie eine echte Kduferin 
mit einer grofien Bestellung. Durch ihre Hilfe war Miss Lowenstein in der 
Lage, 400. 000 Pfund Schiffszwieback filr die hungrigste Region der Welt zu 
bekommen, das desolate Gebiet ostlich des Bug, wo Tausende jtidische Kin- 
der am verhungem waren. Das Hilfspersonal sagt, dafi dieses von den In- 
fanteristen verschmdhte Essen das Leben von vielen jungen Menschen dort 
rettete. Zusammen mit diesem Zwieback versandte Miss Lowenstein etwa 
einen Wagen voll Kondensmilch. 

"Ich war mir klar, dafi die jiidischen Menschen dieser Lander kaum ei- 
nen Schimmer Hoffnung mehr hatten, " erkldrte sie. "Ich hatte gehort, dafi 
Voter zusahen, wie ihre Kinder verhungerten, und dafi Matter ihre Sduglin- 
ge tot entlang den Strafien zurucklassen mufiten, die sie als zuriickkehrende 
FlUchtlinge entlang trotteten. Und ich wufite, dafi es den geschlagenen jildi- 
schen Menschen Polens erscheinen mufite, als gdbe es fiir sie nicht einmal 
mehr den Trost der Religion, da sie die Kerzen nicht bekommen konnten, 
die sie ihrem Glauben gemdfi am Sabbat anstecken mufiten, wenn sie ihren 
Segen sprechen. So kaufte ich so viele Kerzen und Streichholzer, wie ich 
konnte — mindestens 100 000 Sttick. "Was machen sie mit so vielen Ker- 
zen?" fragten die Armeeangehorigen, und weil ich ihnen keine sentimentale 
Erkldrung geben wollte, sagte ich ihnen, die Kerzen sollten die Ratten von 
den Toten in den schrecklichen Kellern fernhalten, in denen so viele der 
elenden Juden in Polen leben. Dies war auch absolut zutreffend, aber mein 
Hauptgrund war der andere. 

Miss Lowenstein folgte ihren Schndppchen nach Osteuropa, wo sie die 
Befriedigung hatte zu sehen, wie viel Gutes sie bewirkten. Aber es blieb die 
Unzufriedenheit dariiber zu wissen, dafi noch weitere Hilfsgiiter im Wert 
von Millionen Dollar benotigt wiirden, wenn die jtidische Rasse gerettet 
werden sollte. 

138 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

"Ohne Zweifel werden Hunderttausende Juden in Osteuropa in diesem 
Winter sterben, wenn die Vereinigten Staaten ihnen nicht zu Hilfe eilten, " 
sagte Miss Lowenstein. "Wichtiger als Essen und Medizin ist die Tatsache, 
dafi die American Relief Administration, das Rote Kreuz und die amerikani- 
schen judischen Hilfsorganisationen diesen Menschen einen Hoffnungs- 
schimmer gegeben haben nach der Dunkelheit der fiinf Kriegsjahre und des 
Hungers. Wenn diese Hoffnung siejetzt verlafit, werden sie sterben. "« 



Sbt jNIetu Ijork Simejsi 

3. Dezember 1919, S. 19 



»10 MILLIONEN DROHT DER HUNGERTOD 

Morgenthau drdngt Amerika zu versuchen, sterbende Nationen der Al- 
ten Welt zu retten 

Beschreibt Szenen, die er gesehen hat 

Ex-Botschafter ilberzeugt, nichts als ein Wunder konne grofles Grauen 
abwenden, das der Winter bringt. 

Washington, 2. Dezember - Auf einer Ansprache gestern Abend hier 
sagte Henry Morgenthau, ehemaliger amerikanischer Botschafter in der 
Tiirkei, dafi "nichts auf der Welt aufier einem Wunder den Tod von 
5.000.000 bis 10.000.000 Menschen durch Kdlte und Hunger in Europa 
und dem Nahen Osten in diesem Winter verhindern kann. " 

Viele hochstehende Beamte waren in dem Publikum, das Mr. Morgent- 
hau zuhorte, der vor kurzem in dieses Land von einer offiziellen Mission 
nach Polen zuriickgekehrt war. 

"Ich wiinschte, ich konnte eine Szene passend beschreiben, die ich in 
Pinsk im letzten August sah, " sagte Mr. Morgenthau. "Sie hat mich seitdem 
stdndig verfolgt und veranschaulicht vollstdndig das Elend und das Un- 
recht, das heute einen so grofien Teil der Welt beherrscht. Einige Monate 
vor meiner Ankunft hatte sich ein besonders grausames jiidisches Massaker 
ereignet. 

Ein polnischer Offizier hatte mit Truppen eine Versammlungshalle betre- 
ten, wo die fiihrenden jiidischen Einwohner zusammengekommen waren, 
nahm sie f est und brachte sie eilig auf den offentlichen Platz. Er nahm 35 
Manner, stellte sie an einer Kathedrale im schummrigen Licht eines Auto- 
mobilscheinwerfers auf und erschofi sie kaltbliitig. Eine vage Anklage war 

139 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

erhoben warden, dafi diese Manner Bolschewiken seien, aber sie bekamen 
kein Verfahren, und tatsdchlich stellte sich der Vorwurf nachtraglich als 
unwahr heraus. 

Am ndchsten Morgen kehrten die Truppen zur Szene der Exekution zu- 
riick und fanden, dafi drei der Opfer noch immer atmeten; diese erledigten 
sie mit Schtissen, und alle 35 Leichen wurden in ein Loch in einem alien jil- 
dischen Friedhof geworfen, ohne ein anstandiges Begrabnis, religiose Ze- 
remonien oder eine Kennzeichnung der Grdber zu ermoglichen. 

Ein Geschehen, das einen erschauem Idfit, wahrhaftig, aber kein be- 
sonders schreckliches Ereignis im Vergleich zu den Verbrechen, die in Mit- 
teleuropa, auf dem Balkan und in Kleinasien in den letzten Jilnf Jahren be- 
gangen werden. Das Leben von nur 35 Juden wurde geopfert, aber inner- 
halb von nur wenigen Monaten wurde nahezu eine Million Armenier unter 
erheblich schlimmeren Verhdltnissen vernichtet. Ich mochte Ihnen vor allem 
von einer Szene berichten, die ich wdhrend meines Besuches sah. 

Bis dahin hatte man nicht einem einzigen Juden erlaubt, diesen Friedhof 
zu besuchen. Aber mir wurde erlaubt, den Schauplatz dieses Martyriums zu 
besichtigen, und als ich hineinging, kam auch eine grofie Menge Juden her- 
ein, die mir gefolgt war. Sobald sie die Grabstdtte ihrer Verwandten er- 
reichten, warfen sie sich als eine Masse auf den Boden und begannen eine 
Klage, die immer noch in meinen Ohren gellt. Es war der Angstschrei einer 
schrecklich verfolgten Rasse, filr mich druckte er das Elend von Jahrhun- 
derten aus, und zwar nicht nur das Elend der Juden, sondern auch der 
zahlreichen anderen Menschen, die lange Zeit nach Gerechtigkeit gesucht 
und sie nicht gefunden haben. 

Am gleichen Abend besuchte ich den Gottesdienst in der Synagoge. In 
diesem Gebdude war eine Menge von mehr als 5000 zusammengekommen, 
um ihren Schmerz tiber den Verlust ihrer Anftihrer zum Ausdruck zu brin- 
gen. Diese grofle Anzahl Manner, Frauen und Kinder schrie, bis es schien, 
dafi die Himmel bersten wurden. Ich hatte im Alien Testament von solchen 
Massenbekundungen der Agonie gelesen, aber hier wurde ich zum ersten 
Mai gewahr, wie sich der kollektive Schmerz einer verfolgten Gemeinschaft 
ausdriickt. Fiir mich blieb es eine bewegende Erinnerung und ein Symbol 
fiir den Hilferuf der von einem grofien Teil Europas ausgeht. " 

Abschliefiend sagte Mr. Morgenthau: "Sie konnen tagelang in Osteuro- 
pa reisen und sehen kein Gesicht, das nicht wirklich ausgelaugt ist, und 
keine Augen, die nicht leer und fast ausdruckslos aufgrund des Nahrungs- 
mangels sind. 

In diesem Moment ist das grofite Problem, vor dem das amerikanische 
Volk steht, folgendes: Sollen wir abseits stehen, wdhrend Europa in Agonie 
taumelt und sich auflost, oder sollen wir uns unserer Pflicht stellen und die 
Moglichkeit ergreifen, diese leidenden Volker zu retten? Emerson sagte, 

140 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

dafi 'Amerika Gottes letzten Versuch darstelle, die Menschheit zu retten. ' Es 
sieht wirklich so aus, ah ob die Zeit gekommen ist, in der wir diese Prophe- 
zeiung erftillen. 

Diese Gelegenheit appelliert an die geschichtliche Vorstellung. Die 
Probleme Armeniens sind direkt mil der Entwicklung der Vereinigten Staa- 
ten verbunden. Es war die ttirkische Eroberung Kleinasiens und Konstan- 
tinopels, welche den jahrhundertealten Handelsweg nach Osten absperrte 
und daher zu einer Suche nach der Ostroute fiihrte, die in der Entdeckung 
Amerikas gipfelte. Es ware historisch gesehen nur gerecht, wenn dieses 
neue Land nicht nur das, was von den Armeniern verblieben ist, retten wiir- 
de, sondern auch die anderen hoffnungslosen Volker Ost- und Mitteleuro- 
pas. All die Menschen sind wirklich Briider. 

Der grofie Anstofi mufi von dieser Seite des Atlantiks kommen. Ich habe 
bereits gesagt, dafi Europa heute einer Auflosung entgegengeht, die der dh- 
nelt, als das romische Reich niederging. Aber die Weltsituation heute weist 
einen grofien Unterschied zu der Lage vor fast zweitausend Jahren auf. Das 
romische Reich ging aufgrund seiner eigenen Laster und Niederlagen nie- 
der, esfiel, well es keine Kraft von aufien gab, die zu Hilfe kam. "« 



She JCetu Jlark Sinter 

3. Dezember 1919, S. 24 

»Funf Millionen droht Hunger in Polen 

American Jewish Relief und Rot-Kreuz-Verbande kampfen gegen 
Krankheit und Hunger. 

Viele Kinder verkriippelt. Neue Krankheit macht Kriegsfluchtlinge blind 
— Hohe Zahl an Fleckfieber-Opfern. 

Laut einer Erkldrung, die gestern vom Komitee der Amerikanisch- 
Jiidischen Nothilfe aufgrund von Nachforschungen durch das Amerikani- 
sche Rote Kreuz und Heifer der Amerikanisch-Jiidischen Nothilfe veroffent- 
licht wurde, sind fiinf Millionen Menschen ostlich des Bug im neuen Polen 
am verhungern. Das grofie Gebiet, aus dem es fiinf Jahre lang praktisch 
keine Nachrichten gab, wurde vor kurzem von Vertretern des amerikani- 
schen Roten Kreuzes und des Amerikanisch-Jiidischen Nothilfe-Komitees 
besucht. 

"Der Krieg hat 5. 000. 000 elende und geschlagene Juden in Osteuropa 
hinterlassen, " lautet die Erkldrung, "eine Zahl, die so grofi ist, wie die ge- 

141 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

samte Bevolkerung von New York City, absolut hilflos, oftmals krank, in je- 
dem Fall hungrig und unversorgt. 

Osdich des Bug leben diese Leute in zerstorten Hdusern, in Stdllen alter 
Scheunen, aufftir Fltichtlingsfamilien gebauten Plattformen ohne Dach, ei- 
ne Familie pro Plattform, in alien Frachtwagen, in Lochern im Boden oder 
unter freiem Himmel. Sie sind geschwdcht von vielen Wochen des teilweisen 
Hungerns, well sie ftinf Jahre lang ohne richtige Mahlzeiten gelebt haben. 
Sie sind noch immer vom Schrecken des Krieges geschlagen. Ihre Zahl wird 
jeden Tag durch eine Reihe der schrecklichsten Epidemien dezimiert, die 
jemals iiber irgendein Gebiet der Welt hinwegfegte. 

Fleckfieber, Cholera und Pocken wilten in den Gebieten ostlich des Bug. 
Uber die tatsdchliche Zahl der in Polen mit Fleckfieber Infizierten wurde 
noch keine Schdtzung vorgenommen, aber sie ist wahrscheinlich grofier als 
in Sibirien, wo das amerikanische Rote Kreuz 100.000 Falle feststellte. 
Schmutz und Untererndhrung sind die zwei grofien Ursachen der Krank- 
heitsepidemie. 

In ganz Polen kann man Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren finden, die 
nicht grofier sind als gewohnlich halb so alte Kinder. Zwei von drei Kindern 
iiberleben ihr erstes Lebensjahr nicht. Das durchschnittliche Kind im Ge- 
biet ostlich des Bug hat nie Milch gekostet, nicht einmal Muttermilch. Mit- 
arbeiter des amerikanischen Roten Kreuzes sagen, dafi eine ungewohnlich 
grofie Zahl Kinder wegen der Untererndhrung ihrer Mutter blind geboren 
wird. Ermittler des Amerikanisch-Jiidischen Hilfswerkes entdeckten eine 
neue Augenkrankheit, die Tausende von Kindern befallen hat, mit stdndi- 
gem Blinzeln beginnt und mit volliger Blindheit endet, als Folge langan- 
dauernden Hungers, der die Augenmuskeln beeintrdchtigt. 

In dem Kampf gegen Krankheiten, der ostlich des Bugs stattfindet, setzt 
das amerikanische Rote Kreuz aufier auf Medizin und Arzte vor allem auf 
Bemuhungen, Reinlichkeit einzufiihren. Die Mitarbeiter des Amerikanisch- 
Jiidischen Hilfswerks fiihren ihren Kampf gegen den Hunger mit Suppenku- 
chen und Milchausgabestellen sowie mit Kinderhilfsbilros, die iiberall in 
dem grofien Gebiet eingerichtet wurden. 

Wenn all die Menschen im Gebiet ostlich des Bug sofort richtig erndhrt 
werden konnten, wiirde die Krankheit bald verschwinden, sagen Arzte in 
der betroffenen Region. Wenn sie die Lumpen, die sie seit Kriegsbeginn ge- 
tragen haben, durch frische Kleidung ersetzen konnten, wurden die Epide- 
mien aufhoren, sich auszubreiten. Wenn ihre Lebensbereiche bewohnbar 
und gesdubert werden konnten, wiirde es nicht mehr wie heute das trostlo- 
seste Stack Land der Welt sein. Auf diese Ziele hin arbeiten die zwei grofien 
Organisationen Hand in Hand, die eine von Nichtjuden und die andere von 
Juden geleitet, wobei Glaubensunterschiede angesichts der grofien Not ver- 
gessen sind. "« 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 



7Sti%^ 3v!i%\*r jitiv^i^ nri^t^i^iS 

21. April 1920, Leitartikel, S. 8 

»EIN WERKDER BARMHERZIGKEIT 

Bisher haben die Juden ihre eigenen philanthropischen Werke finan- 
ziert, und zwar mit einer Groflziigigkeit und Geschicklichkeit, die allgemein 
anerkannt wird. Im Interesse ihrer Religionsangehorigen, die immer noch 
in den kriegsgeschiittelten Gebieten Europas leiden, suchen sie nun zum er- 
sten Mai Hilfe von aufien. 

Es war leicht, mit dem Schicksal Belgiens und Serbiens zu sympathisie- 
ren. Das Gebiet einer Nation war iiberfallen warden und ihre Bilrger orga- 
nisierten einen gemeinsamen Widerstand. Die Juden haben kein Vaterland, 
konnen sich nicht filr eine gemeinsame Verteidigung zusammenschliefien. 
Aber von Anfang an kdmpften sie, wo auch immer der Ruf ertonte, und sie 
kdmpften mutigfUr die Sache der Alliierten. Inzwischen lift das Volk in weit 
zerstreuten Gebieten wie vielleicht kein anderes Volk, und in vielen Gebie- 
ten hat ihr Leiden den Krieg iiberdauert. 

In Europa gibt es heute mehr als 5. 000. 000 Juden, die hungern oder im 
Begriff sind, zu verhungem, und viele sind von einer virulenten Fleckfieber- 
Epidemie ergriffen. Ein Appell wurde an die ganze Welt gerichtet. Die Quo- 
te fiir New York City betrdgt 7.500.000 Dollar Die Aktion wird in der Wo- 
che vom 2. bis 9. Mai stattfinden und ganz auf den Prinzipien des Mitge- 
fiihls und menschlicher Gemeinsamkeit basieren.« 



She JCetu Jlark Sinter 

2. Mai 1920, Abschnitt 2, Seite 1 

»JUDEN BITTEN OFFENTLICHKEIT UM HILFE 
FUR KRIEGSOPFER 

Konfessionsubergreifender AufruffiJr 7.500.000 Dollar Spende beginnt 
heute mit Predigten in alien Kirchen. 

143 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

POLENS ELEND ERSCHRECKEND 

Kampagne wird von 10.000 aktiven Mitarbeitern in den funf Bezirken 
vorangetrieben. 

Ein hungerndes Kind auf dem Auktionsblock, eine Mutter im Vorder- 
grund bittet um Hilfe, der Tod lauert mit ausgestreckten Armen in der Ndhe, 
und die Bildunterschrift "Soil der Tod der Meistbietende sein? " 

Mit dieser bildlichen Darstellung der Note geschlagener Volker in den 
kriegsverwiisteten Gebieten Mittel- und Osteuropas werden die New Yorker 
heute iiberall konfrontiert. Hinter dieser Darstellung steht eine Organisati- 
on, die sich jedes Mittel zunutze machen will, um den Menschen dieser 
Stadt die Notwendigkeit klarzumachen, zu den 7.500.000 Dollar beizutra- 
gen, die in dieser Woche vom New Yorker Appell filr jtidische Kriegsopfer 
gesammelt werden. 

Dieser Fond betrdgt nur ein Zehntel des Betrages, der im ganzen Land 
gezeichnet werden mufi, wenn ein Unglilck Jilr ganze Volker abgewendet 
werden soil. Die umfassende Natur der Not, die Manner, Frauen und Kin- 
der erfafit hat, die nicht nur der reinen Lebensnotwendigkeiten beraubt 
sind, sondern auch aller Moglichkeiten, sich wieder selbst ohne dufiere Hil- 
fe auf die Filfie zu bringen, hat fuhrende Juden aus New York und der Na- 
tion dazu veranlafit, sich an die Offentlichkeit um Hilfe zu wenden, unab- 
hdngig von der Glaubenszugehorigkeit. Bisher haben die Juden selbst viele 
Millionen beigesteuert, die vom Joint Distribution Committee durch Hilfs- 
organisationen aller Lander ausgegeben wurden, unabhdngig von der Reli- 
gionszugehorigkeit der in Not Befindlichen. Dieses Mai ist die Last zu gi- 
gantisch, um von den Juden allein getragen zu werden. 

Millionen durch Krieg ruiniert 

Dr. Boris B. Bogen aus dieser Stadt, der jetzt in Warschau als Chef der 
First Relief Unit weilt und vom Joint Distribution Committee ins Ausland 
geschickt wurde, hat an das Spendenkomitee ein Bild der aktuellen Verhdlt- 
nisse Ubermittelt, das typischfilr mehrere Lander ist. Dr. Bogen schreibt: 

"Hunger, kalte Lumpen, Blend, Krankheit, Tod - Sechs Millionen Men- 
schen ohne Nahrung, Unterkunft, Kleidung oder medizinische Versorgung 
in einst fruchtbaren Ldndern, die durch lange Jahre des Krieges oder seiner 
Folgen zerstort wurden und jetzt nur noch Wtisten sind! 

Dies ist in einigen Worten die gegenwdrtige Situation in all den Ldn- 
dern, die wahrend des grofien Konflikts als der ostliche Kriegsschauplatz 
bezeichnet wurden. 

Weder kann mit Worten Ubermittelt werden, noch Idfit sich ein Bild 
zeichnen, das den bequemen, wohlhabenden, glucklichen New Yorkern, die 
inmitten ihrer Familien und Freunde sind und in ihren Autos fahren undje- 

UA 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

den Luxus geniefien, das absolute, erniedrigende, hoffnungslose Elend na- 
hebringen kann, dem sich die Bevolkerung dieser Lander gegenilbersieht, 
eine Bevolkerung, die in etwa der von New York City selbst entspricht. 

Wenn Sie versuchen wollen, sich die Situation vorzustellen, zu verge- 
genwdrtigen, dann stellen Sie sich selbst an die Ecke der 5. Avenue und der 
42. Strafie. 

Die einst geschdftige Alice ist ganzlich leergefegt. Vorbei sind die scho- 
nen Karossen, ihre juwelengeschmtickten Benutzer und livrierten Chaujfeu- 
re. Die Gehwege sind nicht mehr mit einer stromenden Menge adrett ge- 
kleideter Manner und Frauen angefiillt. Die Strafie ist ganz still. Lachen 
und lebhaftes Gerede sind nicht mehr zu horen. 

Statt dessen lehnen sich alte Manner haltsuchend an die Gebdude. Mat- 
ter mit sterbenden Sduglingen, die vergebens an ihren Brusten saugen, sit- 
zen am Gehweg. Die Bltite dessen, was einst junge Manner und junge 
Frauen der Stadt waren, ist nicht mehr zu sehen, denn sie liegen elend zu 
Tausenden und Zehntausenden in den uberftillten Krankenhdusern, nieder- 
gestreckt durch den Hauch einer Pest. " 

Zu schwach, um nach Brot zu rufen 

"Kleine Kinder mit ausgezehrtem und angeschwollenem Korper klam- 
mern sich an die Lumpen ihrer Matter, zu schwach gar, um nach Brot zu ru- 
fen, das man nicht bekommen kann. 

Bin bitterer Wind fegt von Norden durch die Allee. Bin Mann - seine 
Lumpen konnen nicht als Kleidung bezeichnete werden - mit blauem und 
ausgemergelten Gesicht blickt Sie mit erloschenen Augen an. Sie erkennen 
ihn zundchst nicht. Dann ddmmert Ihnen, dafi Sie dieses Gesicht fraher 
schon einmal gesehen haben. Bs ist das Gesicht eines Freundes, eines 
Mannes, der vor nur wenigen kurzen Monaten wohlhabend war, ein Ban- 
kier, ebenso wohlhabend, wohlgendhrt und gutgekleidet, wie Sie es nun 
sind. Br streckt Ihnen die Arme entgegen undfdllt Ihnen zu Fuflen. Sie bak- 
ken sich, um ihn hochzuheben. Br ist tot! Der Hunger hat ihn getotet. 

Die Szene ist nicht iibertrieben, nicht uberzeichnet. Sie hat in genau die- 
sem Moment ihre genaue Bntsprechung in Hunderten von Stddten, Gemein- 
den und Dorfern in ganz Mittel- und Osteuropa. Der Ruf ergeht von einem 
Menschenwesen an den anderen, von denen, die weniger als nichts haben, 
an diejenigen, die viel haben. Bs ist der Ruf der Menschlichkeit. 

"Zu keiner Zeit wdhrend des Krieges gab es in irgendeinem Land, we- 
der in Belgien, noch in Nordfrankreich, eine kritischere Situation, eine gro- 
fiere Not, eine eindringlichere Bitte um Opfer und Hilfe, als jetzt von Mittel- 
und Osteuropa kommt. Sowohl die gegenwdrtige wie auch die zukunftige 
Bxistenz eines ganzen Volkes steht aufdem Spiel. " 



145 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

Die Kampagne erhdlt die aktive Forderung und Unterstiitzung von Erz- 
bischof Patrick J. Hayes von der romisch-katholischen Kirche, Bischof Lu- 
ther B. Burch von der episkopalischen Kirche, Bischof Luther B. Wilson, 
Prdsident der Aufieren Mission der methodistisch-episkopalischen Kirche, 
Miss Evangeline Booth, Kommandant der Heilsarmee. 

Zu den Mitgliedern des Exekutivkomitees gehoren Cleveland H. Dodge, 
Schatzmeister des Komitees fur Hilfe im Nahen Osten, Prdsident Nicholas 
Murray Butler von der Columbia Universitdt, George Gordon Battle, Otto 
T. Bannard, John G. Ager, der Rev. Dr. David J. Burrell, Robert Grier Coo- 
ke, Paul G. Cravath, Francis D. Gallatin, Charles H. Sabin, Prdsident der 
Guaranty Trust company; der ehemalige Generalstaatsanwalt George W. 
Wickersham, Richter Joseph F. Mulqueen, Richter William H. Widhams und 
Alfred E. Marling. 

Der Appell wird den Menschen in New York auf vielfdltige Weise nach- 
drticklich nahegebracht. Heute ist Kirchensonntag, und es wird spezielle 
Predigten in den Kirchen aller Glaubensrichtungen geben. Der Rev. Dr. S. 
Parkes Cadman hat eine Musterpredigt fur protestantische Kirchen vorge- 
fertigt. Generalvikar Joseph F. Mooney hat eine Botschaft an die romisch- 
katholischen Kirchen geschrieben und Dr. Nathan Stern, Rabbi der West 
End Synagoge, hat einen Appell angefertigt, der bei den jildischen Kongre- 
gationen verlesen wird. 

Kinder in den offentlichen Schulen sollen, von der Schulkommission 
veranlafit, die Leidensgeschichte der Kinder in anderen Ldndern horen. In 
Theatern, Kinos. Clubs, Hotels und Restaurants, kurz, wo immer Menschen 
zusammenkommen, werden ihnen die Zustdnde klargemacht, um deren Lin- 
derung sie gebeten werden. 

Es wird geschdtzt, dafi sich nicht weniger als 10.000 aktive Mitarbeiter 
in den fUnf Stadtbezirken der Sache verschrieben haben. Die Durchfilhrung 
der Kampagne ist in drei Telle gegliedert: Die Organisierung von Handel 
und Industrie, so dafi in der Stadt nicht ein einziges Geschdft oder ein ein- 
ziger Berufsstand ilbersehen wurde; die Frauen-Abteilung, die 3.000 Frau- 
enarbeiter umfafit, unter der Filhrung von Mrs. I. Unterberg, Mrs. Samuel 
C Lampert und Mrs. S. S. Prince, welche die Stadt in Distrikte eingeteilt 
hat. Die Frauen organisierten die Schulen und Kirchen und werden einen 
direkten Appell an die Familien und an die Ladenbesitzer der Nachbar- 
schaft richten. Das dritte System umfafit die Stadtbezirke, jeder Stadtbezirk, 
Manhattan, die Bronx, Brooklyn, Queens und Richmond, hat eine eigene 
Organisation.« 



146 



Anhang: 1. Ausgewdhlte Buck- und Zeitungsausziige 

3. Mai 1920, Leitartikel, S. 12 

»DIE JUDISCHEN KRIEGSGESCHADIGTEN 

Der ilberkonfessionelle Charakter der Aktion filr die jiidischen Kriegs- 
geschddigten wurde in dem Appell betont, der gestern ihren formellen Be- 
ginn markierte. Evangeline Booth von der Heilsarmee, Bischof Burch, Erz- 
bischof Hayes und viele andere Reprdsentanten christlicher Kirchen haben 
einen Begleitbrief unterschrieben. Bine Erklarung ilber die Art der Krise 
wurde vom Rev. Dr. S. Parker Cadman verfafit und an jeden protestanti- 
schen Pfarrer in der Stadt gesandt, um als Grundlage fur eine Bekanntma- 
chung von der Kanzel zu dienen. Eine dhnliche Erklarung fir die katholi- 
schen Kirchen wurde von Msgr. Joseph F. Mooney versandt. 

Bisher haben die Juden ihre eigenen Wohltdtigkeitsorganisationen fi- 
nanziert, und zwar mit einer Grofiztigigkeit und einem Geschick, die allge- 
mein anerkannt werden. Die gegenwdrtige Not ilbersteigt die Moglichkeiten 
einer einzelnen Glaubensgemeinschaft und entspringt einer Katastrophe, 
welche die gesamte Welt bedroht. In Rufiland und den Nachbarldndern 
wurden die Juden einer besonders bosartigen Verfolgung ausgesetzt, die 
nicht mit dem Krieg endete. Ohne eine eigene nationale Organisation ha- 
ben sie keine zentrale Stelle, an die sie sich wenden konnten. Da sie in ab- 
gesonderten und im allgemeinen verarmten Gemeinden leben, ilbersteigt 
ihr Elend das Leiden anderer. Man nimmt an, dafi gegenwdrtig mehr als 
finf Millionen hungern oder am verhungem sind, und eine schlimme Fleck- 
fieberepidemie wiitet unter ihnen und breitet sich bereits unter der benach- 
barten Bevolkerung aus. Die Starke wie auch das Ausmafi des gegenwdrti- 
gen Leidens sowie die Bedrohung, die es fir ganz Europa bildet, stellen ei- 
ne Situation dar, die direkt die OJfentlichkeit aller Rassen und Glaubens- 
richtungen angeht. 

New York City soil einen Anteil von 7.500.000 Dollar beschaffen. Beim 
American Joint Distribution Committee sind Professor Harry Fisher von 
Chicago, Professor Israel Friedlander, Max Pine und Maurice Kass. Bei ih- 
rer Arbeit der Verteilung von Lebensmitteln und medizinischer Hilfe ilber 
die Ghettos von Mitteleuropa milssen sie ohne Schutz durch die Regierung 
der Vereinigten Staaten vorgehen, die keine diplomatischen Beziehungen zu 
Sowjetrufiland unterhdlt. Umfangreiche Vorsichtsmafinahmen werden je- 
doch ergriffen, um sicherzustellen, dafi die Mittel fur den vorgesehenen 
Zweck verwendet werden. Es ist eine Arbeit der Barmherzigkeit, die einen 



147 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 

besonderen Appell sowohl an das Herz als auch an die Interessen der ge- 
samten Menschheit richtet.« 



She JCetu Jlark Sinter 

9. Januar 1922, S. 19 

»BRITISCHER OBERRABBINER VERURTEILT SCHWEIGEN 
ZU DEN IN DER UKRAINE ERFOLGTEN POGROMEN 

London, 8. Januar (Associated Press) 

— Bei der zweiten Jahreskonferenz der Vereinigung ukrainischer Juden 
richtete der Rev. Joseph H. Hertz, Oberrabbiner des Britischen Empires, 
die Aufmerksamkeit auf die "erstaunliche Tatsache in der Moralgeschichte 
der heutigen Menschheit, dafi eine der schwdrzesten Seiten in den Annalen 
des Menschen gerade abgeschlossen wurde und dafi die Welt dennoch na- 
hezu nichts iiber den unaussprechlichen Schrecken und die endlosen Ver- 
brechen weifi, die gegen das jiidische Volk begangen wurden. " 

Dr. Hertz erklarte, dafi 1.000.000 Menschen abgeschlachtet wurden und 
dafi 3. 000. 000 Personen in der Ukraine drei Jahre lang gezwungen wurden, 
"den Schrecken der Holle zu durchleben ", und dafi von diesen Tatsachen 
kaum ein Wort in den Zeitungen erschienen sei. 

Dr. Hertz fuhr fort, die jiidische Gemeinschaft habe nicht die Stimme er- 
hoben, wie sie es hdtte tun sollen, und es sei beschamend, die Apathie und 
Hartherzigkeit zu entdecken, mit der bestimmte Telle des Judentums dlesem 
Ungliick begegnet selen. Er beschrteb detailltert etnlge der Verbrechen, die 
begangen warden waren. 

Er sagte, obwohl die Pogrome in der Ukraine aufgehort hdtten, gabe es 
etwa 600.000 Kinder ohne Helm, 150.000 Halbwalsen und 35.000 Vollwai- 
senklnder in der Ukraine, die an Kalte, Hunger oder Krankhett sterben wiir- 
den, wenn nicht jiidische Herzen menschlich blieben undzur Hllfe eilten.« 



148 



2. Dokumente 



Shall Death 

be the 

Highest Bidder? 



What 
Will 

YOU I 
Give ? 




Your ht.'[p is iiLvdcil to savtr the kivcs q\ six 
milHon pcc^pk i[J Eaiiem and Central Eurcip^p 

I'hcy are dtiUtuUo\ food, cloihing, shelter, 
fncdcGinc — of cticrythin^ on v^hicft {iff diptndi, 

Vou have the po^vcr iro pivc them tifc+ 

Thfif fau ii iff your fmnds- 

IVhui vsiii you £ivcF 

Sctui your coiicributunt tii Pnul B^cnv.ild, Ttv-JE- 

GREATER NEW YORK NON^ECTARIAN FUND 

Ourt /\ hituNLy, Oiuirmjii 

Tu br adiPlKliiEcFrJ ti-r iJtr 

'JOLNT BISnuaUTtOK COUMITTEE 

Fdih M. Wflrburg. CtMinn^n 



A/ew Vor/c Times, 3. Mai 1920, S. 11 



149 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



THE APPEAL 



To Save Six miUion Men and 
Women in Eastern Europe from 
Extermination by Hunger and 
Disease. 



THE FACTS 



"1: is prcsptT. foi" mv In ETiy at^K'tLil cn'fsn.'irv TO ccr^' 
tify to xht: hhlii luiil vvonicai nf New ,York ih^T tht- iip- 
palliii;^ (.'ondinons uhidi hitvt- htvn ivhicaj to Ehuni 
;iT>d of U'hioh ihoy (tLtvc formt-d very v;irvii)^ nrjliza- 
iion?i :irf true heiomi tlii; fmwt-r of ivortls En fOiiii'\ 
adt-quiitfly/^ 



THE RESPONSE 



THUS FAR . 

TWO HAVE GIVEN ilOO, 
ONE HAS GIVEN J€0, 
ONE HAS GIVEN 550, 
ONE HAS GIVEN S30, 

THREE HAVE GIVEN JZ5. 



.two— Jm.rjij U-.^lvlnirr JviMl JVliK M. WdiliUir. 
,000— 'ftic Lumiport Cfmiijity. . 
,000— Hitiiy a, Awern, 

.OOO— A(r. pjilL Mnu iivEiikbtliii* jijit( Suitn JL-rr^^Vfn 
IS^Il^ntinn arul Mm. t>lt:[ M. VVnrbunir. 



SEVEN HAVE GIVEN 120,000—^*1 Hfchstl K l>^CTl«r. l^lji Mr.nd.nll. 
M.Misui'l 4iivd llMTYy Kafht^ Lkialutt Saihiwiikf , 
JuL'O'l] Siwrbri', WdnHtcln \Uim^ Uk-. .^>mI 
Jul-iJi IVfrlliciinL ' 



CXME HAS GIVEN tt 5.000- M 
NiNETEE.^- HAVEl GrVEN $10, 



h:[ Mr^ NnlhiLTi J. JHLIIrr. 



,P00— Wi" _ „... 

U»l. iijtd Mr^li. A. Uuhnxlmrrr, Mr. :Lni| M.>. 
0, ar. aryiKtn. Krwucr UnuUicnc K, Lw\h.. 
*'ils Jj Hun. Art>ii.r l.r'linu.n, llprJuTt \ji\t- 
niuLM, Mr. :i.ti.l Mn<L (;:ii^ M. l;H.»l'l^ UjIh^II 
Ttmldcrtw Mf. snil lint A. H Nannan. A. H 
lirrOlTilcln. II. HL Kulim. l^nviK J. Seliutkll. 
Mr, ansi Mra. tfiiiiEj (JL ^^i^A, Mr. »iHt fBr*, 



THE OBLIGATION- 

It is the duty o( every person in New York 
to give [lie. utmost he e;i[i spiire ro relieve 
the Krcatest need the world has ever known. 



.Vr.rf v..f i:tfit ;-. 

Pnul ^erwutel, Trriutir,;r 

JJID l-iFlh Avr. 

GREATER NEW YORK NON^ECTARJAN FUND 

OTTO A. RD^U^^KV, 0«><— '•- 
I'.h ift ,^,lll .rM>-il l\t 

THE JOINT DlSTRmOTtON COMMITTEE 

This :Mlvcr[i'.i.-i.iL'ii[ l^ |ti."l Jit h\ M. LuLVrnMcn. A" Si-it^ 



40 Wtst 2.V({ Nifccr 



New York Times, 5. /Wa/ 7920, S. 9 



150 



Anhang: 2. Dokumente 
















Sc(dg5*5 SSI'S 



151 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



TO THE TEXTILE INDUSTRY 

GREATER NEW YORK NON-SECTARIAN FUN 

i To be adminiitered by the 

r . ■' Joint Distributioiti Committee 

'dr relief of Sufferers from Famine, Disease, iJestitutic 

IN THE WAR RIDDEN. COUNTRIES 

VV.U\ M. WA8UURC; Chaimnti , 

TEXTlftE DIVISION HEADQUARTERS ^ . '. 

274-376 Cburch Street, New York' City. 

Six Million starving, fever-stricken sufferers in war-torn Europe appeal tojieior he 
They are destitute of food, shelter, clothing, medicine— <rf everything on which life < 
■etlds. . . . ( . 



Their fate is in your hands 

You have the power to give them life! 

HOW MUCH WILL YOU GIVE? 



CHAHl.BS L. BERNHRiaEH, 
' Best Ullll> MtK- Co. 
CKASLES COHEN, 
• U. Brnun CorporiUiin, 
E. S, CRUTTENDEM. 

M. C, D, Bordlin & Sona. * 
WILLIAM H, EVANS, 
J LeelLPH Evau* Jt Co. 
Iqboscr EYPPER. 

Deering. MiUik*ii A Co. 
LINCOLN CHANT, 

WrilinBton. S««r« k Co. 
SAM C. LAMPOBT, 

Lwnport Mlrs. Suplilj Co. 



EXECUTIVE COMMITTEE, 

LEON LOWENETEIN. Ctuirmin, 
U. Low«n»tFLii It. £an4. Inc. 

JAUES UcKKNZIE, 
L4vi4itrAUKa ii Co. 

Sijn Franciflca. Cil. 
JEAN MTBICK. 

JACQtBs C. NOBDEMAK, 

C, n. Pope * Co.. Int. 
R. E. BEEVES, 

Hunter Mf E A Comm- Co, 
CLLNTON HEMINCTON. 

C, V. RomJnffton, 
Fall Klver, Mwls. 
A. B. BOTHETEIN. 

A, E. Roth Bteih, Inc. 



Sidney h. scheueb, 

Loulfl Lowiiuoli L Co. 
MAX SCliWABZ, 

GEpBCESEUMJAN, 

2J. Hatoonun A Co. 
BERNARD EEUEL, 
T. W. *OCCM, 

Uluot, HootMr d C«. 
MBVER STERN. 

jAcob S. B«mhuiincr. 
JOSEPH t,. STBINAN, 

J. L, Stetium. Inc, 
HARRY STRAUSS. 
MAX WILNBR. 

K«nrv <^lui ^ Co. 



DETACH sere;- ■ --, " 

, consideration o£ relict lo be (jivs., to the WORLD WAR SUFFERERS, to be administered' by the JOl 
hlSTRIBUTION COMMITTEE. I hereby pledge the sum of ' Dollira (5 ) 

ayablc: Optional entirei amount at once or 60% July 1, 1920, and 60%,™ or beforaJanuary 5, 1921. . 

iQ not write in this spaije. I t 

Simoi! ; ■ <• ■ • 



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Chw^ RccfliTHl with n«d£a |. 



Qtutti RHOiv^ with Flod^t $..^ 

Pleusi mito chmkj P»y>bl< to PAUL BAKRWALD. TrMiurtr. 

GREATTER NEW YORK NON-SECTARIAN FUND 

ISSXTILE DIVISION. 



274 Chmreh Street, New York City. 



) 



New York Times, 5. Mai 1920, S. 19 



152 



Anhang: 2. Dokumente 





"In Heaven's Name, 
Arouse the Jews of America!" 

. This is the cry that comes from the 
Jews of Europe to the Jews of America 

^'Make them tuidentand t!uc we are dying! Make 
^em undenscaiid lEiat a whole people h dying! 
' ' Dymg fw liick of food! 

t^fing for Lick of jntdkal helpi r\ 

Dying for lack o/ ihelttrl .-V 

- '"Mike [hem unjjentand di^t bundreds upon huit' 
dreds are kiiilng tbcnuclve* because cheir stiffening 
And [lie Aufferinf of thxit loved oact hm made [lie 
unbea-rable^ , 

''Malce tbem ucidentand that miiliOEts of Jew* «n 
trapped in Europe and tbere If no bope cgtcept dbt 
L JeM's of America, help* 

■'{ "We solemnly declare tt the Jews of America ibaE 

' ;> never in iHc hiitory of tbe Jewish people, dating back 

for Centuries w>s there asiiuadon likeibif^and never 
before Ixi ihe hlitory of the JewLsb peop^lc vir'^ there 
any emergency as gteat u% diLs. - ' 
' ' : "Hme and again ihc Je w» of Amoica have la ved- m ; 

ffom death* And nown from the depthi of our 
deipair, we plead wi^ you again lo help Ufc quickly 
or we penth." 

ExtnCI fn»t > IctEtr ixttmi from «ce of t^ letii- 
CtkftfmuA, Unltetf Jciriih CimpsJsb i(K %\ ifi&}flOQ. 

Jewi of New York» you have the opportunity and privilege of saving these^ your 

people, by lubvcHl^ing aineverbefore during Che Campaign about to be conducted* 

Every Jew worthy of the name will want to catry hit full fihafe of thii great re* 

tpontlbUtcy* 

Eflery Jew will want to give BOiwer to the cry that comes ftxim Europe, 

■;\ ^ ' ■ 

"In Heaven's Name, Arofuse the Jews ofAmericaV 

New Yttrk's Quota 

$6,000,000 



ApdllScbtoM>T9(b 




Untted Jewish Campaaga of New YoA ■ O ^ 

Hndqmnen; Bitonors HdceI _ " \ 



DAVID A BRCfVLX 

1 NpH. CWiirmjm 

R>NAHj.raLDSTEIN i DAVID H. Btl£H4.Ut 

ir.. r»..: U-.- f^..^^.^ 



KEItBfllT 11. LtlUtAtJ 



f 410- L'lCltWALO 

crrro a. viMUiia 



T^P 



New York Times, 21. April 1926 



153 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



JEWISH WAR AID 
GET S $100,00 GIFT 

Nathan Straus Tol[s Sympathy 

for Cordligbnjftts in 

,- EuroptJ ' 



DAY'S TOTAL IS $41 6,000 



derminfc Committee t* 
Hfflp Drive* 



Tha fujid tor Jf wtnh »»r %^ttmt*rn In 
central nM liiaicm F:urap** wh#r(? «Sx 
millions fiici- horrifying contlUtbni flf 
fdmln*!^ dlnriitp "nd rl^hOi. warn *rn'leh*d 
yeptpfday bj" n wantribiitlffn ot IldO.OOO 
from N'AtliBA SlmuBi, Jtubbl Slijjhfn !S, 
Wl»e ajinovinctd the clft kI y^nttrPJay 
bflermmn'ii Ifatherinc In tht H0t*l Hill- 
morf* et- woric«r« He-vklnT to ™i»r S*-w 
TorJt'j 57,500*000 fniota of th* paiifKM)^- 
WKt rouflH Ihrovichout ll>« nation. TJifl 
annountfmi-nl brought Ih*- mm an J 
women l}»4jr*r chttrlne Ifl (Itrir frot. 

".If American Jewa rw)*f ftU le h«lp 
tho«« who *uffi*r ihrouEh no fiiuU flf 
tbelr own, Mr. Stratu Ita* «iW to mf," 
Jjp, Wlac told Uti; niotilnr, " the Wame 
will r«il urwR TJn^lr ovn 'hfladi *hoiiIJ 
t-hey ffllB(fably jwHjh. Surely no r^M" 
rcipccUne Amtrirun Jfw m-Ul wlih, or 
*tv<jn wm iuffi^r tb* e*ilrictJon of larjjf 
numbers of J««.'l«h ittopU to *;omfr lo 

^[r. f^Lramt', ffr^Doniilnc to tlie ai^plnus^?. 
Bald tbat hr had beqn unabti; lo vlvii 
Ht-nlGfi( iM-HtitiMi of ih* *uff*rin5* of 
hli coivtiElDniBtj In E;iirot>? afiil that 
J«Np)lr lil(t CynlrttniTlufm lo hM Ibffm lie 
fpU 0«ii li< >i6d n&i Jonw bl* duty. 

Other lkrc«- conlrlbijU'unfl ahnounc**! 
yeincrdny. (h* lotjit for Tl^fl rfuy b*lnc 
Mitt,WP^ rtfT'- 



" YOBK / TIMEB, WBDBTESDAY. APRIL 



from lli'Jll<lf«d pi^pdbUo of Intarfftt-^ 
enfot toind tlislr owu '¥ualD«afl and 
l#t thv frtvii In Inland taind thftlra 
and uttlB It. If m«y can BBttl« It, to 
tbeir hoarU' dulro. 



A WORS OF HERCV. 

l[Ltlifrrto thn Jeirt httv# flnancoi^ 
[bfttr o,wn t>hl]anthropl«SH 4uid with d 
tlbflrbllty and iVcUl which had twan unl- 
Vtrs^lly reco-FlllxAd. la bcb-olf of 
Lhoan Of lUdr rtlktl^tL who itro aUll 
aiTftriiiff tn tba var^tAiJdftn dlirtrictB of 
£:uratp« they *ro now for th* first Umfl 
Bccktni: outalde Aid. 

Wltb the f*U at DBlBlum iild ^tr^- 
bt^ It wig eiuy tfi FyRtp»thli«. A Ja- 
tloTi'a terrHory was Invaded »^d its 
cllltcna werfl fliiJdnff a uiill4d itand. 
ThQ Jeu'A havA no fjLtherland. no 
mbflju of urltlniT tn thft com men do^ 
renee. Yal frofri tha outHcl, wh*r*vcr 
rht call came, thty foufhi, and lou£ht 
hravaly, for tba aJ]l«d caiiae, Mcftft- 
tlma. In widely scattered lands the 
folli at hoiti* suff*r*d oji p«iliaj>B ihostj 
of no oth«r paopk. md ihelr euffarintr 
haa In many locatltlca Ions oHUai^-d 
th« war, 

la, EMrop« there m.ra today morfr th»n 
C,00Q,QOO Jawa who axp aiairlnir or on 
th« verffo of ^tiirviLUoii, juid mmy are 
In the grip of a %"lrulent typliua «Ej 
dcmtc. An k^EfKl has hetn liwutd 
throughout th». worW- Th* ^uota f^f 
New Ycrk City 1b $T.M0,0W. T)i« 
drive will occupy the waaH of May S-tln 
uid wtH ba buad wholly upon tho 
tHndpLo of Dympathv ii*A a comEnOn 
humanity r ^ 



nomloatJon, Ur, IIoovkh. Ho 1o also 
OKpected to carry lodloaa and Illinois, 
or at l«aat to hir« e larce voto from 
(bOH BUtU- Ke la running ■■ a 
B^Ajich su^p^rtcl of the Adml niat ra- 
tion, but hta o'vm ptr^onaJlty ojid hln 
e^CalleAt record Lb tiovcrtior I^ut blcn 
ahead of aomo bther cuididatea who 
are doloir th« so^e Ihlnif' 

blncd Cox ia ajaurfrd of Ohio'ft voI«h 
Additional emphwlft la ^ven lo the fuel 
that tho new Indutttrlal voters are not 
of tha radical Ifpe. for CoX a« Chjv. 
traar ehowAd nft favor tQ riot or oni 
Borl of dtresie r^loallBnir Nntlc^^^ 
ht» ocaln, for'thfi same raa^eu. Is tha 
wiiTjn recaption trl^^o lo^ C*eait:riii 
Wood by the worltlnpirten'B audlencta 
Itr whom ha hba tpokeHn tor in that re- 
apect be ctanfla whftre Govarnor Cp-^ 
doaa. There la this difference, thiit 
lo thB rcetuhlicnn Parly Geneici^ 
WCfOa slandB for opposition lo the 
Eto^tB mathlnf, which Is iMLcklnc B^n- 
alor Hardimi'j, trnd ariU- machine aentl- 
mftnt may have much lo do wllh hlw 
rcoeptlonr in othtr wortla, he inav 
hbe reaplnir Just th* anma kind of aup- 
port which oulaldfl of Detroit went to 
Sanator JoHwaos in ^[ichlican, John. 
BD=f'B auppOi-t In Dolrult waa rftdtcal, 
but up-Stalo the antl-machlut iio 
cul*a cousldemhto fleurn. 



TOPICS OF THE TIMES. 

In de{>lar]tir unaccei>U) 
fteJecMd bic— tti" which wai luaant 
■ A-U the * unwflrtJpy of toftsJdora* 
p-^ft„.l- lion-sverjr Ono ef- tho 
Kl-Oposaw iinjr.ifti'tn praiKHftia fw 
a war memorUl that <:une (rtm the Ba.b- 



7. Mai 1920, S. 11 



New York Times 
21. April 1920, S. 



154 



Anhang: 2. Dokumente 



. ;'H^4la..:l,1M AanriLh Av.. auv lUlh Ul. 

Bndk.x........ p;IJ4 TMrd Xnnu* 

wni^tntfftn JiMvbi* ...Ji.au utb>dtT«r 

H*WJVU.H-...r» ^>i.,44l l^|ltOa Hlitm\ 

■Ud*0 [M|«n« U Hlajrv. 1"^ , >^iw Ur^iHian 

Q rt ai n n tiT rkiltcn litPtai, Jftji^ftlo*, U ]. 

KtUibMb :t^ iiiittia A%»riU4 

H«b«kiD, ......,.,,, ,, at Hicond HiTiwE 

JsrvCr <ntr, ...iU Monlcvin^rr HiTML 

HftMjrt ^^„. hJU llfund b1f«ll 

'ftUiiDn.,..,,..,.., .1^ i'KrJi A.vtMI* 

Wl«kllJ«ai«t|....,,,.. niKi BMlil4lnit 

CUlMh»...r.v..-.-)«9'9»t Tntju'i* Uuiaoing 

DKTWt ^/HS. Yvr± UuiJdim; 

All' TtiVl^L1K4 143 K^rkiiL dtrrvl 

IJiKtat,. la kalLkhlf^ U4o»r*. L. U. 

L'lUA Au UbUb. 4 [louLav^d rc]«WJlltlt F< 

nvo CltNTV trt (.r^ikitr N*w Tork. Ttr** 
C«nia vKUn VM piiiiti t'^^mr ii«nik ■[»>- 

tt**4«tt iJJututfifl MLnr. Qm HlX Uitt 

nAji^i' 1 iiu.vAay tii.n hk4* 4t.i» 

PAIl.V onir t,» *.» .« 

flL'tJpAV uti]^ «.[pfl (.« .*« 

■Ltfd 1 1 ri4r yc&r far dall/ ^r 4&Uj Kid 

1>A][.V k EU.vriAV. .|<4-« P13-K |t.« 

IMU-V typ\t Jl.«a •-« l-W 

UlNPAT frily Ma tt.ll -■• 

JtLnJ.*r.J'liCLur«Hi4:1]6n,|t M^, M'l&lLita.^l "ifu. 
/HE ANNAlJfnr (Hcnd^/l), per >"r, *fl. 

lJlnd«r int M iiflwij ion* vol I. ll.a. 
TIM^ thrf'K hKVIEW (Wwkll'). par )«Af» 

ILt CftithdiL, %\ T,'i. uihHr cou.rilr(««. (3. 
TJiifcM UcbV^KKK JN(,T\>I[|AL (TliiT*- 

irt^B. f-U-fAt IJlriJcr for '.'i l.flttM, fJ.^ 
THt HtW YimK TEHtrt L'UHHENT 

«i> yur, |l (riir*]«n. 40)- Pv^ cApy. Ua- 

,T1J|: HtW VOHK tm^Jl JNDt>L- *Ju»r- 

TKC NLW VOttK tlWEa «Ah vOUUMli!!-- 
2* vblumc* in (In* ■•i-lllu*lj:*Hil"i-lainH 

tTO' []i^«*-^u«4iir lt«tTi*r. VA, Full ir^i^rd 
I »— « Hr> cJopfdIt: lil>»Ewry ti)rqp«>ti Vi'af. 

Tb* AatKlftLtd lYHa !• 4u:iwBl*il]^ tniltltd 
Id EtiB u^* Eer l-»t]ubtlCftUan 4J' lit (ibWb dU- 
p*t4;fii» fr«dLUJ lu 14 at nul olhvmrlav ttvJ' 

wftt\ila.ntaom prlfLn pubJIahTd JiBt^-lli. 



le iDhi our aomtnifl muhiton ^Lnnvr 
tH truiMl Av4rt from t>i4 votld «itu- 
Atloa. In ui *CAn,om1c san*a ve Ara 
marrltd tft " nbrowl " fcr b«U«r 'of 
won*, wittiout tiot>B or aiv^fcv. It tJ 
k p(ty that tbft F'^'diraJ H(»«rv« lAcki 

WjJ[>i^fu>. uid tb« ttrnptatiim td 4Uf- 
f<«t bl4 i^tura Id tr»At. jLnd y»t 
itiBx-* La im embu-rA4«nippt In c^Dold- 
*rinr IntfutUai: &ur homa rinajic* to 
«ny on* of ror«lirn «iir«ciloa. in prt^- 
porUOD V-K ba wu k man of Idr. 
Wjkiuiio'i fl[i« qunJliUa* ilifra would 
bd A idLngrfr ttui th* tatr of b«Lnt 
Diciurbt |>r«judlced by trfcntatl&aUo 
afftllMUoaa mlffbE Influenc* bU d?- 
cl^cns raLh«r ajpaJait tham, tbrousti 
nxQtaA ct prtcautlob k4^n«t pre]u^li<:* 

Ln their t%vitr. Th* BriUah AiuEmU- 
udor proiKle^ him sal f iijEAlniii ilila 
wusplcLoD by c^captln^ hlb own coun- 
try frocn blB rdmarXji. Jf Mr- 
WARtuno la of tut tuut opinion, tha 
a.ira«menl ia no proof tbat fdrtlfa 
aympaihitv prcJu(Bc« thcrn both, but 
tbht ta iruth ivortd tcoDC»mic4 ar« tq- 
tll visible paj-la of fc aln^ls wholt. 



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MR. PEPTBOSE NOWINAT'tS, 
SanatOr PKNAdiiK, Jl Ja ^crad ta ae«, 
lu3 mor« ihafi rr^^ovtrci] lila btA^th. 
tin w(La nevar In balLar form or aplrltB. 
Ha buhtflflj wUh f^rbve humoE^. tlA 
Vtita bin Words wLlh a riJaaa ' candor. 
Kia cArDar f^kvorila, ^nator Hahpind, 
haA ^Lu^pointeii «xpMt«tioa9 pcrhapa 
navar loo 9«rloua. Sanator JOHMHE^irf. 
dclJolou^ty duicrlbfd by Mr QUAt^ 
clavnrcai pupil aa *' from aoma polnla. 
4f view A rLd>tcaJ/' has ahawn aJto- 
iraihcr too much cLp^^blllt/ of lurnlne' 
An eQCOUrBj;«d' alda'BhDw Into &zi ua-; 
ptymatEtedi miUn tent. 11 wax time to' 
make iJiotbar faint of dJvdfilon, to 
lie lit «oma morp fbLaa flrtB. 

fsi en the 4ay tha Knnic p«ica re«o-> 
luttcn la rtportfrd fftvdratlly fron^ tba' 
ttennio F'^rei^n AffiUra CominlttM, 
Mr^ VBHROa* iiTieiLlEB.' V' The primaries 
** Ao not Bc^m to havp (leve1op«d anyj 
*' parnmoutit h candid Mes. If tta ATtt 
" Aaked to ta){« up a p^dldate of.^tha 
*■ type of the:Ooyemc|r of lUlnolt, wq 



TBE JEWISH WAS ^[TFrSREnS. 

THo non-aBclarlati cba aclar of tha 
drlva in behalf ei tha Jawlab war 
■ uffarara wai amphaalH t In th« ap- 
pe^ which markad It^ ] arm*! bacib^ 
t,ir\s ytatarday. An i DCompanylbr 

ii>Lter waa ^IfTtftd br EVAHoHLIHC 
Booth of tb» e#]va(jon j .tmy, Bkahop 
Ui?jiCH^ Archbltbop Hill :■ and many 
mhcr rcpr«aftntativea if Chrlallab 
thuivbvf. A aiaiAtnvnt i I th« n^tora 
of tha ut^als wai prepared by tbaVlav. 
Dr. S. l^ARKva CjiCiHJiH and aant to 
every f'rcleatant mlnlater Lb tb« city 
to 4erv« aa a bnala for an annooace* 
mont from Ihe iiulpil. A almilar atate- 
ment for tb« Catholic dmreboa wan 
aont oul by M^r. JoarfH F. Mduf^tt. 

littherLo Llia Jrivd have fliiaactd 
their own ctiajrlllcj!. f^^^ wlfh a ilberaJ- 
iLy ajitl dktil ibht have ^ed univer- 
aaJly tccofniztd. The liraHnt neod 
trttnacends Ibv m«iibB bf any alngle 
•Kt ant) ctnLre* In a cataatropha 
whLcb threatens ihe cnlkra world. In 
RMaaia and ilifr ne]|£hi»rlni[ countrifq 
iba JewM havq t)«an subject to a par^ 
ticuiariy maJiirnnnt peraccuilon wblch 
biui not en<le4 wiLb tha war. Without 
ntiy nmlunAl orfanixuLiDn of iheir 
own, they htive no central orcranlxjition 
to bii;ii!)U LD, Uvlnt: In be^reifatcd and 
fab of ally Impovcrldhed commbnltlaa. 
Lheir miatry ia ciimulnlLve to an ai- 
tanl unknown jimontf ollirr aufferara. 
it 1* uathnalfrJ th4»t more than fiva 
mliiton* aru ociuaiiy atar\inE or on 
tha vocxa of atarvatlon.'itfid « virulent 
typhua uplilemlc La raglns amonir ihcm 
and In alreaOy epreadinr aitiong; tha 
nalehborlnf populatlone. ■ Both in ilia 
Intenalty and iho exterA °^ present 
BUfrarln^ and In tha mt nncTe Jt holdl 
out for all Eliropa. tht . ailuation la 
one v^hicb dir«oUy nncer [to tlw public- 
aplrltBfl bt nil rooea luid Creeua. 

Tliie ooola «t New Tork City tf 
ST.r>00,OOQ. On tha AcitricM Joint 
DLoLflbuilon CommlLtFA krt ^fewwr 
Makkj FTeHX\ of Cklcafo, Frofeasor 

MAunm Kaha. An t* Iji work of dla- 
trlhidtlnr food and medJoi I ald.thronfh 
the jffhcttod of Central Eurt pa they 
nra oblLr^d to proceed wll bout tba pro- 
tacltin of the Govern -writ, of tha 
Unltjed'Statea. wMcb Ion ro dlplo- 
mAt(c relatlnna with, a >yiet Rujula^ 
Ampla pftco^mlona wUl b utak^n, how- 
avtJ, to mnke sure ^hai file auppllu 
wllUba UjHHl tor the- piifr] c^ei in b&nd. 
It 1| m. work, of ttiBrcy ^bt btWea a 
peculiar apreal lo.Wh tfio h^Ahta pn^ 



A DtlTY P£RFQItM£D. 
Tbtra can nev«r ba a mora placid 
and aofw '" May Uay '; no attempt 
on the Hfti of any proaaCUlOr.of JudyF. 
or IcclylaLor, or capltallat^ not even a 
fcaalure of vlolauca by amls»ary or 
u^ant of a forditn or American radU 
cal ojTfiLntialton. but It may WalL be 
j that nothing happanod becau*« the 
i police power bad thven forewarned and 
I wan ready to the loat man. Did At- 
I tornay OaoeroL l^diLUSK and the Sacrat 
' Service take tha thraata and exhoru- 
tlopa and propaganda Of the Intema- 
tlonaJlkla too odrlouily and ralaa an 
unuecBuary alarm? The aufttclent an- 
ewer la ihat last June, when attempta 
were m«de by the " Reda "" tO bSow 
up the hjouae of the Attorney General 
bimaelf I in Wajhlogton and . Jud^ 
I NoTT'a kouaejin this city waa aetu- 
[aliy abaUerBd 'ijy a bomb— there were 
UxploHione designed to kJll otficiale in 
^ other cltlea— thv Secret Service vaa 
.not OB tbe *leri* had ii dlocoverod 
. notbln^. anticipated Ao cobErerted ciit^ 
'break, fjnd'the police vrere not pror 
pared tq protecL elthef h^« or prop- 
arty. Thaj mliKreonta, fanatics anfl 
i craokbraan»; who da autih Ihlnvs can-' 
not bq U^^n too »rioua]:|'. AfioJnat 
thenf the authorities ahould always ibe 
on suard« aiid it no lima nior* wale's^' 
fully, th^n art. May Day, wban the inad 
do^ of " Intematlonailam '^ frothifat 



New York Times, 3. Mai 1920, Leitartikel, S. 12 



155 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



J 



t-he back <tt 



TELLS SA D PLIGHT OF JEWS. 

Fdix M. Warburg Says They Were 
the Wont Sufftrera In War. 

F«IIjt M. Warburg. Chalnn«n of lh« 
JeLnt IXttrjbutlon Commltt** ot Amer- 
Icui fcmdi for Jewish W»r Kufrercrs. 
who returned severitl days at" rroni « 
trip to Europe (or thai eirtiinltn[l<>n, 
made public yenlerda)' aum^ot hi a fliul 
lota. 

" Tht succeaet^'n blow» 
armlei have nil but broki 
European Jewry." he Knitl. 
rtduccd to traelcilly iinbellrvable po^. 
erty. atxrvaUon and dlitratc nboui fl.Omi.- 
000 huIb. or haU tho Jewish populaUon 
«t the earth. 

" The Jewish people lhrou»hout Eaat- 
•m Europe, by ohter accident of eeoffK- 

Sy, have luffered mora from the war 
►n any other element of the popula- 
tion. The poletitlsl vitality ajid the oa- 
padty for aeif-hflp that remain* to thi-a.. 
paopio after the Lam five years Is aimu- 
Ifur to me." 

The people are deeply mov*4 by the 
h«lp liven them hy America, Mr. War- 
eurt aald. but U would be fatal to leitien 
the emersency aid now while mllllnrs 
are In tragic need. The MO.OOO.OfXI upent 
by his committee, he aald, has fed anil 
Dlothed more than a mllUt^ii children 
4nd hai renewed the hope ot five mUlhjii 
|>artnta and elders. 

'* Fqt more than four yesrs." he ssM. 

the war on the Kaalern front wan 
(oufht lar«Bly In the tonjeated centres 
of Jewish population. A atraifht north 
and south fine from Rita, on the Baltic, 
to BatonOea, on the Ae«ean Sea, will 
touch every Important battle area of the 
Uastarn war lone and every centre of 
Jjwlsh population. Altar the cataclyam 
of the last few years It Is too much to 
•xpecl this Jewry to baoDma aelt.sua- 
tainln* In a (ihort twalvw-roonth." 

Mr. Warburg Jg oonc^med over the 
proaram toon to be started for the dis- 
continuance ot emergency relief. This 
plan, he said, tiallii for the fonnatlon of 
a $10. 000,000 reconstruction corporation. 

" Thla orcantiaUon," he aald. ■' would 
alTord facllltlea for constructive aid to 
Jaws abroad In the way ot loans and 
cradlt at nominal Interest rates. The 
value of thla sort of sssfstajice as a 
•ubstitute for pure charity Is rfVparent. ' 

OlJier relief projects recommeniied by 
Mr. Warburg inctude the establishment 
of an eapreaa company to forward 
money and packages from Jews In IhU 
tpuatry to relatives and (rlenda abroad; 
.th* distribution of JIM.OOO worth of fuel 
la sections of Poland where deetltutlon 
1> y reateat; the purchase ot liciO.OOO 
*Orlh of cloth In the btflt whereby un- 
•dployed workmen of Poland may get 
J*w tnalertaJ. and a plan te reunite 
thaae Jewish families that have rela- 
tlv«a (n Uh United States and those who 
uva b«com« separated abroad. 



VI 



m 




YOFFAimS 




Service at St John's, First of 
Its Kind, Brings Pleas of 
"eood-Will; No Bigotry." 



1,500 ATTEND IN THE STORM, j 



Hear Qen. Penhing Urge That 

There Should Be "No Race 

Prejudicp in This Country." 



\ 



GOV. SMITH SENDS MESSAGE 



AdvoeatM "BBttsr UnderttandlnB 

and TeI»ranM"->-Ce1leetron Taksil, 

%vX ToUl N9t Afinotincsd. 



IT ' 



8p«BUnff at a Joi^t |pntt«itaiiM%Qi< 
ollB^Jeiwlsh mast meetltiK in the Prot- 
estant E)plfl<M>pal' C&Uiedtal ot' St. 
Jolui' tha Blvins for tb* beaellt ot 
mllUoiu ot daetftiiite ^ewa In Eaatero 
Burope, Gea«Fftl jolia 3, Persblng m- 
eerted laiit night |tbat wl^t Ameiicii 
newlB Is "ft,8plili of good viU" and 
urged generoua contributions to the 
Jewish rdtet ftmd to show Europe, 



New York Times 



12. November 1919, S. 7. 



6. Dezember 1926, S. 1. 



156 



Anhang: 2. Dokumente 



From T7ieIJ<tiaisDigalforDea!mUt-4,'1926 ''. 



In Mearcy 
"Draw Out Thy Soul to the Hungry" 



FROW TJIE WRltCKAOK OF AN OLD STrtBLft 'IiTSfl little iliil4r*tl 
•un gin J[ cht lrvertl(»tw. Tbi*lr .mill IwdlM -" p»rtJ^ «FV*«d 
i*i[h rji«i. tlvrif tlK Ie<1 «M In tli< mud. TTi* eiia\ ifflH ye*™ till* 
IJQIUI, and r™m irwidfl Ih* wift ':™i" ■ Vrtinurt. iJt* p.hl*Ibr dri In nn- 
9h4 li roint, W* t<»l™ sl^- "*•" ^*" ^' ^"«»'^ **'" P*'" "** iMPllr. , 
It II nwihw. F*|h*r will .6W r«urii rwft hl» viln i^Atth tw wflrii an>4 
ffl«l— It li llwiys ifr-ird ^U 1« lor §■ while mi th* irilri Hv)w vf thr (tltilfl. . 
wHIt [iH[li*r indthE t}vf<«1t(i]c iirw» *iU !iLi[l[ile'Mi;Mh*r «i flit "iKtl" * 
Aup^ lU-'w *nii pajii ** EHlni jnekiLthsK liJ»gUun£ elM Inthla "hMrie" 
tilT a cniJt ]i!l3* m>™ wil^ "wi " l^l''" W»?k poti, bII frnpt/. Sttrairtn*! 
Till lK*n waldni; It will roE WHIch l(maer w»it 

FIVE MILLIONS ABE LIKE THIS! Fiv* tmWmn m«i.-««i»n. krwl 
tlllWrcfl In RuMit, Pol"idr BtHinbia, LitlnunI* mi nufW emmtriK 
■TE l»dr.( rti* Imff «i[Sl«r ttiit If hSrt^dv uixin (h^ffl, dCitLtutE, rtirvilil, 
with n« ideqiHtf rtl^ft in. liiht. 

Almwt tiM p«ml*!lfln "l Crt4«r Nf* York, JrtU will "y. Vilf but 
thl» mithl^ tilE oE dsHlintion ia not \M qI H*w y«li, itl* TMrt tfttd of ■ 
Americi. He« therfl miy 1h tW^e^ty. ^ikriw— but ncrt ol Uw kind Ihit 
indl In TtimElAn,. 4ui|li- 

In UiEtE A*yt of i*«lil«Jiinc<i of viit ritum> wi h«vc Lumcid (e 

rtiink in TuiNbrtl, Fut flw* inillinin itairine l?4tiptB — I», llut l4 nBihlFilf 
«Ult, Tr7 tDLmiiinuit. ir^ucml ThelKHrt brti^lKtonrtlK Hftt PinH 
af Iht Till pkl-iiTt rtBchEi -ui, T^Ot ■li'c audtcr ar'the '"ChrivLnnr^rAlj" 
not th* P«T who wrt[» rf tiK *"nE qiMlHy Af flfiefcy, «rtjld v-MV* upon 
tht iMm (rf ttiEir reflilH HlKb prglMiiid Eplci rf h Uini n tbIm ty a< ttiiM4 

thit rttth «« In thi* wusomirii Baien (rf ChriHmii rwn th? itifcbn Jmt* 

iJ Ruiiii *nd PaliiViL F«t. itsili unmLtliittd f m. ft lonwtImM htjitr t* 

rWHUTt, dJ n«» dfi'mitlE lrn»R. 'H'-in thE 

mEEUIl EeiE iiin thcwtt^rlEf lOf ■' 

tniitt ehrnnirj- 

■ For tw*lv( y«ri it hu tont on, until haU llw JtW «( th« -mirfd, 

miLtuni^thEpE*[lltnc**ridi famine iTiit hivE twii Oifir ponlon ever tincc 
' thiC nnEnKir4tf1« doaniHli]' ^ wtr in 1714. hnvr t«i(1ted ihi v&rr limiU ^r 
, lium*n ijriErlnx. fiti*0«l oE it tCJt^t te us in tliE TEporti itwn that who 

LTV Erylnc tn unuit thi* a^n^ of * mighity n 



.^ "WhiMDliiUL lliEi t^t\i't t6#J iJid K*(h hii bnrtlirrh*vt nBcd, and 
■TiuHtth up hti bor/iU. -oJ comppuion Crtini hini"~*K. IHJI thI* dot* no! 
nwtrt fdn, ^Tfiur hurt it warm ^kh CHntMuSwi lid you-r bind ^Hl t* 
vp*fl irid* wllh hnlp in7)r (b^^(htt4 fflilllont el hunVTV "^ ifriktld pt*l>lo 
iA BtAttm EunHr whw* homn m £4inn, whoa* llT«1iN44d hii tK'^^' tlktn 
*w»y. xrtd.wh0t« ffttl>» of Hit Kit (IUmI with ttmrf. > 



^ And «l you hfJtr thtk cry md 
elenc bltuHvr* In tht word* of T«ai: 



EipDnd with eensrovi <ilt*; the m- 
h, ITE ratiEwrd fw >WJ; 



ciE ^ttttk of tha l^ut^ 
hrvAlitJI. Om thowA bsfiiTe tho Itntlli^ 



C fmnn vriiOK ll**rl. bf 



ii rwnenihrted, elione fifth Iht Svn rf ChriittinicK. 

Can pnjrfllinw wfnun in thlllsni *f ubinwla.™:* read oF tueh Hiiatntai 
ind tlKn rul wlthpul chokinlfL unlfl* hu or ittc hai iftirrf 10 ih* urmoit rnF X.^ 
•billtyf C*n in]^ f*lh*r or mother eithEr a hi,iWrh UltthlnB family «- 
I4|lltT around [ht hptnetDblt irtd lortet Th<^ TrEEirlnr, K&Tvinc niijltl. 
tiHtw etvipWini throuiti (lie, i[t>im*rtpt eiiwr»try*W*» tJ Eurapo in Mtrch 
for r*?d m huddllna amWir the rapt aiid nr»w oE « roHins *l*iWE? 

In God"i ntme. rl'? '^lE little tWldren, InnntMit oE anir wfonj, hclpltaa 
bsEon iht irtit iriy»l*f¥ ■of *tnr™(irjrv snd. d«uht Thfl/ »r* at nweh tn' 
titlfd i«il»llr EoAd tnd lendtr caro 4t Ihc «hiltdf in 9( viir cwn hfAnm, But 
thiy ira ilwiyi hunnTj *nd raiiid. arMJ lor^owfol *TvdtfriM, 

Mi yilV tho mOthir*^ who with hoe*lir'H|MU' W*rjni it thiJf lietrt* 
muit HI llMir llttl* c<ftf » lOO" " 'li«i" with thi launt *|rt» o( ■IXTFatiUfi. 
«hd ln*r !h*ir pilifu) ^ppt^i^ EM food. wLtlt nothLii^ to xivfl tH*IP. [» 
' HOth^nE rofnEMt jn ilie p^ln aind terror oE (h* lons ity* >nd night*, 
' QuIelt^wmpAHLon iincodcd: delay mEBu;] dEnthfof leom o[ i 
who ml^ht te MiMftd.' SflfiKthliif Ixt-iaie In BiYina ii ftwdtd, (flmtlhiBI 
|mp*ltEil br Ow iplrlt ol 4 Idve that koowj nO ttrxlM nj rait *f f*ed, but 
ii itlfrid by human auEf-rriril md ia flid !o clvt life ^d ioy in pfw* of 
dealh Bfld bllttnmi' 

HlTI. In tbiit aAulInc lind i^l rumfort, whcro r^ur bOTH [■ 1^4. Vl'l 

yeu^ loved on? » dwat1 En ihi qiid^L if\ ^L«My. (}l« ino«n* ol ancullh fwi 

hl]p1e«l wwitn andthlliriB *jmi to pw icroaa the.*** •n^ull LO *U 

. ,fl«(l*tierofc'andiene««*Pi.r«ifhM«. ■ \ ^ 



"If thou di^aw oiL^ thy ([ml lo the huncryi and MtUfy ihe afflicted 
««V1: |li«i abill the L^ri luldt ML^t .MnttniuUy. and aatiiEy Ihy b«uI In 
BrLMifht, and make' Elt thy in^f. *nd chmj ahall bt like a iHHitertd (ar- 
ipB,'»r»4 lllte 1 iprinf of wafer, whiee wattra fail IWt." 

Knw rpaendidljr yau havr t"'"!^ '0 Mliily the huncry in filltff yfur^l 
And now ymir hrarta Wi*t rtijkmd apaiTi. What afe * f*w T"1'iT milti 
OE dLu4[KdE They «»n not up4r«te you fHfftt chltl famine-iUicken land. 
Ttiiy cjn not ihui out frMn vo^'' virion ihaui biinfer-^FVched Eiee* ^nd 
41It1U'elelied handa. IE fAu wllhh«Ed yAUr riftt no^. tbouvandi oE thrK 
tM^a wt1l fiu'*!^ dit. Out oE the bE^Jnty CaJ h4l C^«n y^" Ie* a ten- ^ 
HSHji portion Ik UertiboOi trn yu *nd 10 then netJy onti by ■Uim Lt 
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U»t tw*iM re»r| thlam**>Ein* hH iopealtd KPfaiedlJ f«f heip En bth^H 
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Eflnorout from-tbE Ji^i ^^T Arti^ie*, U wa» tA when, in tht eiTly daya oE 
Iht HIT THE LITERARY DIGEST «lled upon Ameri^ni tA ivo (he 
B*]El>Tlt From »tarv*tlon. afli hundreJi oE th8ll*anda t,l dollar,' |?AiaKd m 
from aJ>Krlbefa *nd .rfain when iltalkJl for relLoE Eor <he ttarn-ne and 
tertLfiri Annentuna.wJlh l^njl-r ftwU*. AfaEn It wa, .A when THE 
■LITEftARY PIGEST, in October. 19!0; flWrt*led in brtulf oE three tini 
t. ti«1f raiUlAn thitdien who were aiarvsntt in Hu«pe. and II 1 TWull th* 
ChS|d.Pe*dlrt| Fund ot S3 J.9MMKI "hi ruiied. Prom t»0 [sTie eune * in[Ji» 
t*n*«u» r«*«i** than from the J4>m,.' ™ilwlth.t*ndLnr th# Jmmenw 
buTdan of H*aritabli relief thay wtre evin thiB earryllir ln WjalE Al thO 
deatLtutI Ol thair own ttti. So il i. Out in Ihil polfnant eftlLl, 1Blo 
whleh Uw Jaw oE BP"i* end Palini MI^ »dlat*Bt wuntriH h«l twin 
fATMd thrtrtjfh W f»illl oE hEi mm. the une 10 Imlp readuallt ** > aplWl^ 
<Ud AtfP«tynlty not only to EdlowAh* wjfrneH [naUrttti of ^t tWWTOfl 
humanily, Iwt to pay M w*]l a d.b> o I iratitlKtt TO » iraat [*« thM lUI 
pOayri 10 iplfndSd I pirt in >1L thf fiTi«« aet1*it3a, oE Ayf eMUiatl^O, 

THE LITBJIAEV DIGEST never appeals I* It* readart lO T*!1Bnd » 
vw ^11 untM* Et hti *trtidy f<*hEed llvAwp duty ta live, md IhtraEofl. 
ba[[>ra yon r«d thi* Vt*< "^ -ubK nation lor iiJXt, h** faoen dJiveT-l 
(o (he Commltte* tra-rtJltf of then (EeitLtuta JlWI-Jn Eaatim Europe. In 
the paal Wl h*va S«**d thi I*nero»lTy oE OUr nadort— *n4 to-Uy. 4p- 
»^nE U*in to *t««'i" a «u« ^^ i» "^*«* '°"' *'^" ^f ^^ ''**'' "*' 
hellen th* reiponw wiEl be a> glad, ap«it*nw«» and pfietktl. ■* anfr OE- ■ 
ri4L«L Cottmitll- -ar* wOfVlns En ihJr rr»i>*»Sr* *W** thfOt^^Wtl Ih* 
Tfl(i?jna**lt^toi:at*them., CrmtrLbvilfth^&Ulh lb*ni, ^Od dc 
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New York Times, 4. Dezember 1926 



157 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



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Anhang: 2. Dokumente 




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Morris Engelman, Fifteen Years of Effort on Behalf of World Jewry, 
New York: Ference Press, 1929, S. 7 



159 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



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Morris Engelman, Fifteen Years of Effort on Behalf of World Jewry, 
New York: Ference Press, 1929, S. 9 



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Anhang: 2. Dokumente 














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Morris Engelman, Fifteen Years of Effort on Behalf of World Jewry, 
A/ew Vor/c; Ference Press, 1929, S. 23 



161 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 




162 



Anhang: 2. Dokumente 




Photo taken at opening of SI 0.000.000 drive in 1916, when pledge of co-operation of 
newspaper men was given. Generosity of the public was greatly stimulated 
. by the whole-hearted helpfulness of the entire American and Jewish press. 
Arthur L. Malkenson. by publishing contributions daily in the Jewish 
Morning Journal, and the late Chayem Maittj. the most able Jewish writer 
of his time, greatly facilitated the work of the committee. 

Morris Engelman, Fifteen Years of Effort on Behalf of World Jewry, 
New York: Ference Press, 1929, S. 10 



163 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 




Morris Engelman, Fifteen Years of Effort on Behalf of World Jewry, 

New York: Ference Press, 1929, S. 39 

Von rechts nach links: Felix Warburg von Kuhn & Loeb, New York, und zu- 

gleich Vorsitzender des Joint Distribution Committee; Max Warburg von der 

Warburg-Bank in Hamburg; Dr Cyrus Adier, Mitglied des Exekutivausschus- 

ses des Joint Distribution Committee; Rev. H. Pereira Mendes; Morris Engel- 

man, Mitglied des Exekutivausschusses des JDC. 



164 



Anhang: 2. Dokumente 



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TEB AMERICAN HEBREW 



OiUAxT 31, Wi 



The Crucifixion of Jews Must Stop! 

By MARTIN H. GLYNN 



(Former OaiJ'rHQr gf fAt Stalt of if. y.> 



rivm msT^u. LHa trm- nix inltltEro iqati 
■d4 IrdSirQ ait to mm Titt fa«^1p, ftsd tl(l)t 
faundnd tHauviDA ilttta f&iidnii «t for 
br#4d. 

firv Cnir fcllbVr-DKELbcT* af tbn bliAlo 
fliinllr> irlth lb4 Umq c1»Ibi Od IKh ■£ 
wt, Ib^ U4i>*«uK»pllbt|ltj to lt> wtaifr'* 
ttAd. lh« Unit p^rO'pffliK? to d»ili b^fart 
the fuji of budter. "WJihla tben irc*Jd« 
Cb« M^l£i»lubJ« pfiulb^t]^!!^ ror tha aA> 

irauia ml^ tn tlr millliM buiDio b*(liJC>i^ 
We indir PEor (< rAf'r kitprrM tml mtt 

Id llta fac* cf dulb. fn Uif thn*t 4r 
aUcvatloq tb*n la no pla^ for ni(iita) 
dUtinelEOBt at CTHd, AC p3kM for tb/tlCal 
dlffertDUtUona ot nca. In Lbia CKtav 
tr«pbt ivtifn «t]t biMlea buniha ^tlnr* 
tj-e hlor vblfM i4vard ib4 mTe I7 a 
CTUe] ma.i nl«nt}»U Ut*, oal? tba laait 
tdullKle pr^npttDja ct Hkicibs steun 
■baqTd iw4r Lba b»arl ajid laovfr tfi« 
band. 

JStf ailUioD men and *OUth ttr drEoc 
rram licit Of tba smfwri^t of lift: tlKHtl 
faubdrM ItOvLnad cfalldiY-O CTf for br«a4- 
And 1fa]> ftU ]» up«a Ibrm Lbrousb qd 
lAUlL of Ibair ovD, UirouKb DO IriDama- 
aloD at (He Itira of Oe4 4V Dlkbl bul 
tbr^ufU tbv tvful tTTUDT oE war ^ad * 
blcoud liial for Jew lib tildwl. 

Jn Ut9 llir«atcacd holoc^U^t of buDED 
lift, foTgoUn ftr« lba Dlcatlfil Of pblloio^ 
tblcul ^itiDciioA, foLifiott^i *» ibo dir 
ItrtnKa Df biatori^i jnttrprctAUaa: bod 
Ibl deUnalaaUoq hi ^|p Ui btlpkUi, lo 
abflttr UiC bot»cIru» la clolba tfa« aqIccJ 
ODd lo tt*i t^o buDETT b«»ai«i m. nUf\cta 
bt «]i<H4 aJUf rocB at wcnr ra» aia 
woE^blp aad womeA of evirjr crf«4 can 
kO'Ttlr Id Ibta calaoiMr Ibo tusportH' 
1t« cif m«o'a raKblonlbKi fall hwv before 
lb* tlamal viTlU«a Of !■>. P^j ^tq hirAkaD 
la tfa4 fact ibat from tba bi«d« of 00* 
Cod w» mil coma uid twfojo (be IrlbuoH 
ot OboOod ^t all miitt B[*Dd OD 12h day 
it flnai rccboninr. And, wit«n ittK rf uk^ 
4b]a[ unoea nara prorwloii ot Up« will 
sat V4ifii ftp«aflywal|bi; hue dt«U. pi^r* 
iDUBfthEa AniM^ d«edi Uut drr tb« ttxr 
ot Xtrrow aad aL|ay m p«lD o[ lafuLab^ 
tftt^ia tbtc «<iib tb« »pinL of ibo 0«oa 
Suurtti-s A4tir oU and vJa* la voiu&da 
ULd find auitcDlDC* iDd ahalLcr tor tb« 
inDortDB ond Iba alrlck^s, will out*v]|b 
»U tbo ata.rt Jo tb« bnveoi^ *dl Lb* wltera 
Iq, Ifao a«ta. lU flaa nftia kod mvUl* Jn ■■} 
tlLa EtIntJan ilobc* tb^t rtrolTti tb tba 

Kko* Tt * laatTer ot anld^nl; crwd. 
puUr * malier of ItibtHtUUt, P^Ttlf * 

■i*tt4f or •DTiroudeDi, tu ur od*** ni*ti^ 
44 of i^tiKinaticb; Wi omr ptraiMi 
T^UabdoarpQr**lu*d|tf«iiDBitAt*d 




ta aVi of u« b]r Ibe tLasd vt Got. lad iti* 
mwt or woioKD who can, »bd ^tu nor, 
htir Ibc try *f tba itartLnfi nbo UOb 
KTid nILL D*{, lak* bttd of thm wall dF th* 
dylni: iii.-^ ^4a. tnd n^'lll ttcnt, attvich 
(or^ta ,L bHr^of bind lo lbo» vntio »lhlc 
^DUlb th* waT*a ot adi'^FBllJ' ]» ajv oa^ 
i>iaJA of Dniura'c flcttt iDiIlnclP, a tn4l0r 
lo lb* Kmut* 9t Ihe ^D^1a^ fdnvOy 4T14 »n 
a^Jtir*r of Ebo DAfural /tw wrHim u>4n 
tho tablCita 4f ncrj huD}an bear! bj Ibft 
nn(ffr ot God btHMJf. 

jlUr^ ao 10 Xht aflrtt fDmt fund Ut 
poor wlJoWa VGllira olfFrlPi of eopEier In- 
14 *llT*r» aurd ltd iLlrcr tnlO gold «htfi 
p1u»d u^«a Ood't aLtar, il^r p«ptc of tbla 
CDUDirr mt* vl](d upoD lo aaDttifr lt«1r 
kDOoey br sivint f3G,0O[r,cid{t Id lb* Auao 
dS tb* boKwaltr of uaan to i^T niUion 
fnm^iTitd ntn aiid woiorD. 

sit ■DhltOD nta luid vrgrnvD ara d/lai 
— 4t|tat beodrtd thouaand lltria chlldna 
nro cnrlnf far brvd- 

ADd wbr? 

Bccaun* «t » var to ^r AdtfiCn^T Id 
Ibf doal Ul^ f^w DaDoc:rBCT lba U«tlf4 
of ibo JuiIh 

Abd ID t^t war for dBbiOaraE/ IO0,i(Kn 
Jtwlab Jadi r»m U34 Ubilvd DUtM 

tooiht b«D«AUt tbt 4i«» Md Itrift^ la 



IhB 77lh pIvkjAD ajone thpT* wcra 14;DDfi 
of th(a. and In Arc*an* Fbntal lbl« divl' 
BJen FArlurFd S4 CcEVaa jfuD*. tV* 
ibowa Ibat 91 ArgOlUiF tht JcwUb bar* 
frOftL ih» Unl[{4 diatfJi tou^t for dtivo*' 
■ Acy na Jo>bua foutfat actlnil lba Amala- 
kilfM on Ihr plalD* ot A^nbADIr Ek bA 
RddrHi Db Ibo ito-C4-1l«d "hott ^Italtoo.'* 
Ivd bf Colobi^^ n'biiiltBcr of PHuflald, 
UiJoT-Omeral Alra*.ndrr abOW* Ifib adbt" 
iF>ir aiuff tbpH jEwjtb boyjt wor« mud* <>t 
In bOEQ* liajH cr a,B4itbar WlmUcaiu'a 
^ODUDaod iraa auTTO^ndML Hcj ValB 
tttQH of ratJODBr Tbrr Irltd to (al vord 
back to (b« ?#*r t*l|tQ( ot th«lr tl'tht. 
Tbtj- Irttd aiiJ thej ^J-ladt bat tbalr tafn 
n^Tfr iCOt IbTCUfhn Paralrtla and <tDp^ 
taclloQ and dt^btlr VtT* lb lb* titr AAd 
wbffl th^tiQur mb dbikcit u,dAUH4mtdi 
lut. a amldlEr thd Itvpftd fomrd, Utd 
■aid LO Col. WbltUtatr; 1 vUL tJT to 
tct Ibrovrb." K4 Irlcd, &a waa Vdnndvd, 
^4 bad to crttt^ lAd nawl, bbt b* i« 
UrouEti. To^dar h* W««tp lb* PLiUa^ 
rilabrd SrrrfC* Cnaa aod bla nan* la 
ABRAHAM KnOr09HlW3ICT, 
B«caua« of Ibli w*t Iwt DBao^rur Ml 
ALUloD Jtwl*b utb lAd vomto uii ftarr- 



»Aus Ubersee rufen sechs Millionen Manner und Frauen urn Hilfe [...] sechs 

Millionen Menschen. [...] Sechs Millionen Manner und Frauen sterben [...] im 

drohenden Holocaust des menschlichen Lebens [...] sechs Millionen ausgehun- 

gerte Manner und Frauen. Sechs Millionen Manner und Frauen sterben [...]« 

The American Hebrew, 31. Oktober 1919, S. 582f. 

Martin H. Glynn war zwischen dem 17. Oktober 1913 und dem 31. Dezember 

1914 zeitweise Gouverneur des Staates New York. , ^^ 

165 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



ATnocrr[Fs in skriua. 



7nO,00<l VMfTlMa 



, FROM OtlP fiWM CDRRESPCINCieNT, 

KOMK, Mnrr^InT (fl <ft p m.), 

hiT# tm^n f^ntllv uF hnrrflpb cntiiot rn f^rbift. 

th&n ihfp** p.»rrw»t»'atwl K>y TiirVcv in Armenm 

\hm ifnK\tn^nj nf |wo Iin'mn prisonf'r* who 
piH»pM fiv>m Au«trii ihmiij^ti SorbJA^ *nH tonk 
rifuf^p rn R'kuninniJi. T^TiftL tHnei' twr> priAnm>m 
■Jiv Hrd Ifarnrfv). hfi»rvnf^ ra^ hnthin^ «im- 
irmJ •■th iJi^ i»Titlrnfe FtiTpplprd bj thr R«*r 
*n* th«ni<ff«*tr(^, Jirtrl <^nnnMMic;iiirH() bj M 
Ttoit^h tfl the TutIIbp fiitv'^rnfnrTit ^ml to thr 



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*""Hmi of tSr AnttriBTj* jind Hulj^ftrivnt «ix. 
CT-Mrd ron (i(iO Wh.iM tISiitrirta. with 1awi» 

nv^vt. \lj»E£n rliJifWii. nnd old m^n Vflr# 
Hhttt np in Htfi pSki i-Mp(i hv th'> AustrijuiA, uxl 

I'T m«in* of .lA^vh^'ikiAtinf g4«« In ww rhqrrh 
in n»l|;ri<ti' ,1,fiOO •nmrtt, childrm, tni oM 
own ir«rf thiiA lufTc^t'it'd 

5S«rhijin rrfuRi-m, not on oath, fcj»* Atatjid 
thlt thl>T mtrr prnirnl nt t rliii4 rAiirtmn nl 
bnitiha *mJ mmchtn**^ fnr pmdn/'irTg ftuphjlfptv 
irn cu tn thp Hulcaniinii hj the (J^rttun. luiil 
AnvtrioiM, ^hn InAtrnrt^l th* fnrnwr ho« to 
otihM thiTie iiwtnimfntji tn •itorminitii Ih* 
Berbiin popiilntion Thf Biil^ariini uard this 
nrtthnd at N"iih, Pirot. PHnrrttd. orwi Npftotin, 
t)i» iBh«bil*nM of whirh plitraa di»fl of totlttn. 
tioa, KhnilAr mnnn> rntv ^mp^nyivl b| thfl 
I iu*[r<mD)inHpT#ral purtJi n( Mont(tirK">k 



»VerlaR)lichen Informationen zufolge wurden mehrals 700.000 Menschen Opfer 

der Osterreicher und Bulgaren. [...] Frauen, Kinder und alte Manner wurden 

von den Osterreichern in den Kirclien eingesperrt und entweder mit dem Bajo- 

nett erstoclien oder durch Atemgiftgase erstickt.« 

The Daily Telegraph, March 22, 1916, p. 7 



GERMANS MURDEIl 700,000 
JEWS IN POLAND 

TJIAVELLING GAS ("HAMlriKRS 

DAin thi.kc.hafu RhfoKint 

More than 700 .(KX) rcilisli .\vah liavi- been 
slaughtert'rl by Ihfl Ccrnians in tlu' greatest, 
maesacre in tht world's hint my. In additinfr. ;i 
SVStem of BturvaLion is beinpciirrii'ii out in which 
the number nf deaths, on the admisaion nf the 
Oermans thrniwclviu hids fair lo he iiIiniiMt ;is 
large. 

The most giucsiimi; dclait;^ nf maiis liillirtK. nven in 
thft UEC o[ poj^oti jju^, are ^cv<^alcd In n rt^ijutl m-ili :iL'<:]-rlty 
toMr. S.Zi'Ki*l^H)iTTn, Jfwish roprc5fntntiVf tin nic T^j|i>.li 
Natlnnsl Coiintfil \l^ lit^niionpbv^n ji('Ti\'4; f'T'i»up in f^^ihiiifl 
II is fitrunRly fr\i lhnl Mc-tion shnuM hp- f.-Hn^ u^ pii'viNiV 
Hitler from [■.'^wvum t>ut hib Uil'caL il;jbt V]\T iminjlr^- 



f tFmJlftlttiritplBitfttrtfhtitUWwrihtiiHt i 



m 5JEWISH PRESS 



WAR NEWS! 



IRAQIS HAVE 
G AS CHAMBER S 

FOR ALL JEWS 



Zin Mtrr mnrtfw t 



IRAQ HEARING TOTAL DISASTER 




The Daily Telegraph, 25. Juni 25 1943, S. 5 



The Jewish Press, 
21. February 1991 



166 



Anhang: 2. Dokumente 



jL RESPONSE 

T I ^ _■ - - — i^-is--. ^ - 




»Deutsche stellen Zyklon B im Irak her [...] 

(Iraks von Deutschen gebaute Gaskannmer)« 

Response, 12. Jg., Nr. 1, Fruhling 1991 



167 



Bibliographie 



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1919 



170 



Namensverzeichnis 



Es wurden nur Namen nattirlicher Personen aufgenommen. Eintrage 
aus FuBnoten sind kursiv gesetzt. 



Adler, Cyrus: 137, 164 
Ager, John G.: 146 
Asch, Sholem: 62, 63 
Auerbach, Berthold: 22 

— B — 

Backe, Herman: 55 
Balfour, Arthur James: 

41,50,53,58, 105, 

106, 107, 109 
Ballin: 127 

Bamberger, Simon: 28 
Bannard, Otto T.: 146 
Battle, George Gordon: 

146 
Bauer, Jehuda: 40, 44, 

62, 71, 87, 101, 105 
Becker, James H.: 88 
Benfey: 22 
Benz, Wolfgang: 7, 8 
Berendsohn, Walter A.: 

77 
Berija: 98 
Bernary: 22 
Bey, Reschid: 108 
Billikopf 67 
Black, Edwin: 770 
Boerne: 22 
Bogen, Boris B.: 63, 66, 

144 
Bolivar, Simon: 57 
Booth, Evangeline: 146, 

147 
Borochow, Dov Ber: 85, 

86 
Brandeis, Louis D.: 83, 



121, 132 
Bronfman, Edgar M.: 

115 
Broszat, Martin: 7 
Brown, David A.: 73, 

81,82 
Brylawski, Fulton R.: 47 
Bucharin, Nikolai: 97 
Buddha: 57 
Bulganin: 97 
Burch, Luther B.: 146, 

147 
Burrell, David L: 146 
Butler, Nicholas 

Murray: 146 
Butz, Arthur R.: 9, 11, 

55,56 

— c — 

Cadman, S. Parker: 146, 

147 
Cardozo, Benjamin: 83 
Carnegie, Andrew: 52 
Chemow, Ron: 27, 28, 

33, 46, 47, 65, 84, 88, 

107 
Chruschtschow, Nikita: 

95,96 
Churchill, Winston S.: 

40, 56, 106 
Clark, Champ: 34 
Clinton, William J.B.: 

115 
Cohen, Naomi W.:2S, 

40 
Conquest, Robert: 702 
Cooke, Robert Grier: 



146 
Cravath, PaulG: 146 
Czillac: 23 

— D — 

Demberg: 22 

Dessoir: 23 

Dodge, Cleveland H.: 

146 
Dreyfus, Alfred: 111 
Duranty, Walter: 133 



Ehrenburg, Ilja: 8 
Einstein, Albert: 107 
Enelow, H.G.: 118, 119 
Engelman, Morris: 42, 

44,47, 159, 160, 161, 

162, 163, 164 
Engels, Friedrich: 94 
Ense: 22 
Ernst: 23 



Feisal, Konig: 105 
Fisher, Harry: 147 
Frank, Leo M.: 35, 36 
Frankfurter, Felix: 84 
Friedlander, Israel: 147 
Frisch, Ephraim: 26 



Gallatin, Francis D.: 146 
Gans: 22 

Gelfman, Gesia: 32 
George, Lloyd: 106 
Getty, John Arch: 98 

171 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



Giuglini: 23 

Glynn, Martin H.: 40, 

165 
Goldberg, David J: 85, 

86 
Goldberg, Jonathan 

Jeremy: 20 
Goldman, Nahum: 78 
Goldstein, Judith: 30, 

31,32, 55, i^ 
Gorki: 97, 98 
Gotheil, Gustav: 51 
Greenebaum: 82 
Grisi: 23 

— H — 

Haas, Jacob de: 40, 106 
Hahn Warburg, Lola: 

110 
Hahn, Michael: 27 
Halevy: 23 
Halpem, George: 109 
Handlin, Oscar: 27, 46 
Hayes, Patrick J.: 146, 

147 
Hearst, William 

Randolph: 21,34 
Heddesheimer, Don: 1 1 , 

12, 13, 16, 19 
Heine, Heinrich: 22 
Hertz, Henrik: 22 
Hertz, Joseph H.: 10,68, 

148 
Herz: 22 
Herzl, Theodor: 26, 107, 

108, 109, 110, HI 
Hess, Rudolf: 98 
Himmler, Heinrich: 55 
Hirsch, Baron de: 27 
Hitler, Adolf: 10, 13, 14, 

55, 57, 78 
Hoffmann, Joachim: 8 
HohenzoUem, Wilhelm 

II. von: 47, 50 
Hoover, Herbert: 74, 

136, 137 



House, Edward 

Mandell: 53 
Hyman, Joseph C: 39, 

103, 104, 108 

— I — 

Ignajiew: 128 
Irving, David: 9, 169 
Ivers, Gregg: 31, 36, 51, 

113 
Iwan der Schreckliche: 

102 



Jagoda, Genrich: 97, 98 
Janin, Jules: 23 
Jeremia: 111 
Jeschow, N.I.: 98 
Jesus: 56, 57 
Joachim: 23 
John, Robert: 106 

— K — 

Kaganowitsch Stalin, 

Rosa: 95, 96, 97 
Kaganowitsch, Lazar: 

95,96,97, 102 
Kahan, Stuart: 95, 96, 

97,99 
Kahn, Albert E.: 98 
Kahn, Alexander: 50 
Kamaiky, Leon: 50 
Kamenew: 98 
Kass, Maurice: 147 
Kautsky, Karl: 94 
Kennan, George: 30 
Kerenski: 132 
Kipling, Rudyard: 48 
Kirow: 97 
Knox, US- 

AuBenminister: 34 
Kook, Abraham: 85 
Koscherowitz: 95, siehe 

Kaganowitsch, Lazar 
Krass, Nathan: 68 
Kraus, Adolf 65, 66 



Krylenko, sowjetischer 
Chefanklager: 92 

Kuhn, Abraham: 28, 30, 
65, 87, 164 

Kuibyschew: 97 

— L — 

Lampert, Samuel C: 

146 
Lasker: 24 

Lassalle, Friedrich: 94 
Lawrence, Thomas E.: 

105 
Lazarus: 22 
Leavitt, Moses A.: 104 
Lehman, Eugene: 51 
Lehman, Herbert: 46, 

65,66 
Lenin, Wladimir I.: 92, 

93, 94, 102 
Levy: 24 
Loeb, Solomon: 28, 30, 

65, 87, 164 
Loeb, Theresa: 28 
London, Meyer: 42, 43, 

118, 119 
Lowenstein, Harriet: 42, 

61, 136, 137, 138, 

139 
Lucas, Albert: 47 
Lunatscharski, Anatole: 

93 
Luther, Martin: 48, 57 

— M — 

MacDonald, James: 54 
Mack, Julian W.: 130 
Maimonides: 26 
Mann, Thomas: 11 
Manning, Bishop: 76 
Manning, Roberta T.: 98 
Marling, Alfred E.: 146 
Marshall, Felix: 42 
Marshall, Louis: 33, 36, 

42,43,47,50,71,72, 
75,76,82, 107, 118, 



172 



Namensindex 



119, 130, 137 
Marline, Senator; 43 
Marx, Karl: 94, 95 
May, Irma: 73, lA 
Mayer, Arno: 112 
Meier, Julius: 28 
Mendelssohn, Moses: 

85, 110 
Mendelssohn-Bartholdy: 

23 
Mendes, H. Pereira: 164 
Menschinsky: 97 
Meyer-Beer: 23 
Mitchell, John: 52 
Molotow, Wiatscheslaw: 

94,91 
Mooney, Joseph R: 146, 

147 
Morgenthau, Henry, Jr : 

11,61 
Morgenthau, Henry, Sr : 

42,47,61,62,68, 

139, 140 
Morrissey, Evelyn: 102, 

103 
Morton, Oliver: 20 
Moscheles: 23 
Moses, Alexander: 28 
Moses, Franklin J.: 28 
Moskowitz, Henry: 82 
Mulqueen, Joseph F. : 

146 

— N — 
Napoleon: 34 
Neander, Johann August 

Wilhelm: 22 
Nedava, Joseph: 87 
Nordau, Max: 109, 110 

— o — 

Ochs,Adolf:31,36, 54, 
84 



Parker, Richter: 137 



Pershing, John J.: 75 
Phagan, Mary: 35, 36, 

37 
Pine, Max: 147 
Pollard, Jonathan: 37 
Ponsonby, Arthur: 48, 

49 
Prince, S.S.: 146 
Protopopow, Alexander: 

45 

— R — 

Rachel: 23 

Ravage, Marcus Eli: 111 
Reading, Baron: 127 
Resis, Albert: 94 
Richards, Bernard J.: 

130 
Roosevelt, Franklin D.: 

46,56 
Roosevelt, Theodore: 

29, 30, 33 
Root, Elihu: 34 
Rosen, Joseph A.: 88 
Rosenberg, Alfred: 98 
Rosenblatt: 67 
Rosenwald, Julius: 89, 

158 
Rothschild, Baron 

Edmund de: 50, 84, 

85, 105, 109, 127 
Rothschild, Familie: 28 
Rott: 23 
Rubinstein: 23 
Rudolf, Germar: 7, 8 



Sabin, Charles H.: 146 
Samuels, Herbert: 127 
Sanning, Walter N.: 8 
Saul, Norman E.: 33 
Sayers, Michael: 98 
Schachner, Nathan: 41, 

45 
Schdanow: 97 
Schiff, Familie: 33 



Schiff, Jacob: 28, 29, 

30, 32, 34, 40, 42, 43, 

46,63, 118, 119 
Seligman, Arthur: 28 
Shavit, Ari: 19 
Sinowjew: 98 
Slaton, John: 36 
Smith, Alfred: 75, 76 
Sniegoski, Stephen J.: 

19 
Sokolow, Nahum: 85, 

86, 109, 110, HI 
Solomon, Edward S.: 27 
Sousa, John Philip: 48 
Stahl: 22 
Stalin, Josef 8,75, 16, 

56, 62, 93, 94, 95, 96, 

97, 98, 102 
Stem, Nathan: 146 
Steuer, Max: 81,82,83 
Stocker: 23 
Stockhammer, Morris: 

95 
Strauss, Lewis: 136 
Strauss, Oscar: 47 
Sumner, Charles: 20 
Syrkin, Nachman: 85 



Taft, William Howard: 

33,34 
Talbott, Strobe: 95, 96 
Tarshis, Jacob: 78 
Tenenbaum, Joseph: 14 
Tompkins, Arthur S.: 75 
Traverso, Enzo: 85, 86, 

88,95 
Treitschke, Heinrich 

von: 23 
Trotzki, Leon: 86, 87, 

93, 97, 98 

— U — 
Unterberg, I.: 146 
Untermeyer, Samuel: 78 



173 



Don Heddesheimer, Der Erste Holocaust 



— V — 

Vaksberg, Arkady: 62, 

88 
Valentin: 22 

— W — 

Wagner, Richard: 48 
Walter Laqueur: 95, 99 
Warburg, Aby: 115 
Warburg, Familie: 27, 

33,115 

Warburg, Felix: 28, 39, 
42, 45, 46, 47, 50, 59, 
60, 61, 68, 72, 82, 83, 
84,85,88, 107, 110, 
115, 135, 136, 158, 
164 

Warburg, Fritz: 45 



Warburg, Max: 29, 60, 

106, 115, 164 
Warburg, Paul: 28, 29, 

45,63 
Washington, George: 57 
Weil: 22 
Weisz, Joseph Hirsch: 

51 
Weizmann, Chaim: 11, 

54, 107, 109, 110, 

133 
Wertheim, Jacob: 43 
Wesley, John: 57 
Wickersham, George 

W.: 146 
Widhams, William H.: 

146 
Wilson, Luther B.: 146 



Wilson, Woodrow: 29, 
33,34,35,42,43,44, 
49, 53, 58, 64, 65, 
129, 130, 134 

Wise, Stephen S.: 40, 
49,51,52,53,54,55, 
56, 57, 64, 84, 105, 
106, 108, 115, 117, 
121, 130, 132, 133 

Wolf, Simon: 20 

Woroschilow, Kliment 
J.: 97 



Zukerman, William: 101 
Zunz, Leopold: 23 



174