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Full text of "Hessische Blaetter Fuer Volkskunde V 9 1910"

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Deffifche Blätter 
für Volkskunde 


(begründet von Adolf Strack) 





herausgegeben im Huftrage der 
beififchen Vereinigung für Volkskunde 


von 


Karl Delm 


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Verlag von B. ©. Teubner 
1910 


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Inbalt. 

Abhandlungen. Seite 

Die Storndorfer Volkslieder. Saal von Lehrer Heinrich a. 
Storndorf ö . 1 
Wunderjeltzame Necept. Bon. Dr. Otto Weinzeid, Heidelberg . 126 
Der Kohl. Bon Hofrat Max Höfler, Bad To . . » 161 

Zur Entftehungsgefchichte der Heffen-Darmftädtiichen ng: en 

das „Eieraufheben” bei Hochzeiten vonn 9. Sept. 1695. Bon Stadt- 
pfarrer D. Dr. Diehl, Darmitadt ae a 100 

Kleine Mitteilungen. 

Ein bewährter Feuerjegen. Bon Dr. DO. Weinreich, Heidelberg 139 
Die Hade unterftellen. Yon Ph. Köhler, M.d.R., Langsdorf . 142 

Drei Soldatenbriefe aus der Zeit Napoleons I. Mitgeteilt von Pfarrer 
9. Behtolsheimer, Gießen . j 142 

Ein Schneeballgebet aus dem ei Ton Warner D. ‚Saulte, 
Großen-Linden. . . ; 146 
Die Treuringe in Oberheffen. Son D. Schulte 147 
Anfrage Bon Baltor Lühl, Weblar 148 

Die Ortsnamen Bramaren und Beuern. Bon Dr. 2, eindenteuth, 
Gießen. : 195 
Zum Kometenglauben. Bon m. Sindenftruth a 198 

Paul Ehrenreichs Methode in der Deutung der algemeinen Dotgotogie | 
Bon Dr. W. van Gennep, Baris u . 199 
Primitive Kunft. Bon Dr. ©. Lehnert, Gießen 207 
Ein Sympathiezauber. Bon ©. Lehnert. ; 207 
Mittelalterliche Geburtsbenediktionen. Von K. Beim 208 
Nr Ei 2 pin erfefau: Se 

9. Eidmann, Seimatnufenm, Schule und doisoibii (B. Kadle, 
| Heidelberg) . . ul a War: 148 

9 Eidmann, Bie Leötunkene” aus Bufjebäderei im Odenwalde 
(B. Kable). . » 149 
Aigremont, Fuß- und Schub- Symbolit ins Grotif A. Abt, Offenbach). 149 
A. van Gennep, Religions, Moeurs et Le&gendes II (X. Abt) 150 


wur 2A Mel 





. Sälchfe, Latein.-roman. Fremdwörterbuch der ichlefifchen Mundart 

U Abt)...» 

E Küd und 9. Cobrizen, Sefte er Spiele de3 deutfchen Sandvoltes 
(DO. Schulte) . 2 

Duellen und Sorichungen zur deutfhen Voltsfunde vI ©. Shulte) . 

VWolfslieder aus der ER brög. von Heeger und _. Bd. I 
(DO. Schulte) u BE 

2.5. Werner, Aus einer Decaehenen Ede (©. Syulte). an 

U. Srenybe, Das deutiche Haus und feine Sitte (Pfarrer Fr. Ehmals, 
Beuern) 

Kinder- und Sausmärden, selammelt Huch die Brüder Grimm. 
Subiläumsausgabe, Bd. III (CH. Rauch, Gießen). i 

F. Ll. Griffith and H.Thomson, The Demotical magical Panszus of 
London and Leiden, Bd. I—III (Dr. Frhr. von Ball, Gießen . 

A. van Gennep, La formation des l&gendes (Dr. Hans Lindau, 
Berlin-Charlottenburg) . . -» 

J. Francais, L’eglise et la oreällarie, (Brofeffor A. a, München) 
Nollstümlihe Kunft aus Echwaben. Bon BP. Shmohl und © 
Gradmann (Ehr. Rauch, Gießen) . . - Bea 
Vieilles chansons et rondes pour les petits enfante (W. Ki ler, Gießen) 
C. G. Seligmann, The Melanesians of British New Guinea (Dr. %. 

Graebner, Köln) . . . 
Sagen und Echmänte aus dem Erigebirge. Bon g. Endt Gem ö 
Blaue, Gießen) . . . 
UN. Afanafiiem, Ruffiiche Boltsmärchen (9. Glau “ : 
D. Dahnhardt, Heimatflänge aus deutichen Bauen, 38.1? (H. © au e) 
D. Dahııhardt, Deutiches Märchenbuch 2. Aufl. (6. Blaue) . 


Eingegangene Bücher. . . . «» 


Eingänge für das Archiv der Beintaunnn- a re se a Be, 109, 


Bejchäftlide Mitteilungen . 


Hof: und Univerjitätd-Druderet Otto Kindt, Biehen. 


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Seite 
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Deffifcbe Blätter für Volkskunde 
Band IX 1910 Deft 1/2 








Die Storndorfer Volkslieder. 
Der Liederfchatz eines Vogeloberger Dorfes. 


Gejammelt in den SJahren 1907—1909. 
Bon Heinrid) Weber, Lehrer in Storndorf, Kr. Alsfeld. 


Borbemerfung. 


Gegen Publikation Heiner Teilfammlungen von Volf3liedern 
läßt fi), namentlich heute, mo eine große wiffenfchaftliche Gefamt- 
publifation der deutjchen WBolfSlieder in langjamer Vorbereitung 
ift, vielerlei einmenden, und es miüljjen befondere Umftände vor- 
liegen, weldje jie rechtfertigen. Die nadjftehende Sammlung darf 
einen derartigen Umftand mohl für fi) in Anfprudy nehmen. Die 
gegenmwärtig vorhandenen Volfsliederfammlungen umfaffen meift 
größere oder Kleinere landichaftlid gejchlojfene Gebiete; fie fünnen 
Bollitändigfeit des Liederfhates Diefer Gebiete meift nicht verbürgen, 
um fo weniger, je größer der gewählte Sammelbezirk ift. An Samm- 
lungen, weldje den Liederjchaß eines einzelnen Dorfes volljtändig 
vorlegen, ift uns nur W. Bender, Oberfchefflenzer Volkslieder und 
volfstümlide Gefänge, Karlsruhe 1901, befannt. Dort find Die 
Lieder von drei Generationen des einen Dorfes zufammengetragen. 
Eine ähnlide Sammlung für ein einziges hHejjifches Dorf gab es 
bisher nicht, jo daß die nadjitehend abgedrudte Sammlung eine 
wirflide Lüde ausfült.e Da der Sammler felbit ein Storndorfer 
Rind iit, feit langen Kahren nun dort wirft und mit der Bevöl- 
ferung aufs engjte verfnüpft ift, fann er Bollitändigfeit innerhalb 
der von ihm unten angegebenen Grenzen verbürgen. ES foll nun 
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nicht angeregt werden, für Dubende von Dörfern diejelbe Publi- 
fation zu veranjtalten; das hätte feinen Sinn. E83 wird danfens- 
wert fein, wenn jemweilß für ein Dorf eines größeren land- 
Thaftlien Bezirkes, wie hier für Heljen, jo vielleiht für Naffau, 
Thüringen u. |. mw. ein folhes Synventar gedrudt wird, die Samme- 
[ungen aus den anderen Dörfern, die jelbitverftändlich als Bor- 
arbeiten größerer Sammelmerfe nötig find, mögen in den Archiven 
der vollsfundlidden Vereine aufbewahrt werden. 

Bei den Literaturangaben jind bejtimmte Grenzen eingehalten 
worden. Zitiert jind in erfter Linie die uns landichaftlid nahe- 
ftehenden Sammlungen aus Heljen, Nafjau und der Pfalz, aljo im 
mwejentlihen des Nheinfräntichen Sprachgebietes, außerdem jene 
Stellen, an weldden die weitere Literatur zu den betreffenden LViedern 
zu finden tft, endlich einige wenige neue Heitjchriftenpublifationen, 
die in den leßten Sammlungen nod nicht berüdlichtigt werden 
 Tonnten. Die Zitate jelbit find möglidhft Inapp gehalten, die Zahlen 
nad den Namen bedeuten, wenn nichts anderes angegeben ijt, die 
Nummer (nicht Seitenzahl). Bermendet find folgende Abfürzungen : 

Bender = die auf ©. 1 genannte Sammlung. 

Böcdel = Deutiche Volkslieder aus Oberhejfen. Gef. und brög. von 
D. Bödel, Marburg 1885. 

Böcdel-Handbuh = D, Bödel, Handbuch des deutichen BVolf3s 
liedes (4. Aufl. von Bilmars Handbüchlein für Freunde des deutichen Volfs- 
liedes), Marburg 1908. 

Erf = Erf und Böhme, Deuticher Liederhort, Bd. 1—3, Leipzig 1893. 

Heeger-Wüjft = Volfslieder aus der Rheinpfalz. Hrsg. v. ©. Heeger 
u... Wüft, Bd. I, II (mehr bisher nicht erjchienen). Kailerslautern 1909. 

Sohn = €. John, Volkslieder und volfstümliche Lieder aus dem 
lachfiichen Erzgebirge. Annaberg 1909. 

Krapp = Ddenmälder Spinnjtube. 300 Volkslieder aus dem DOden- 
wald, gej. von 9. Krapp, Darmftadt 1904. 

Lewalter = Deutjche Bolfslieder. Zn Niederheflen gefammelt von 
%. 2., Kaflel, 1890-94. 

Marriage = Bollslieder aus der badischen Pfalz, gefammelt von 
M. E Marriage, Halle 1902, 9 

Meier = John Meier, Kunftlieder im Vollsmunde, Materialien und 
Unterfuchungen, Halle 1906. 

Wolfram = Nafjauifche Volkslieder, herausgegeben von €, 9. Wolf- 
ram, Berlin 1894. 


Die bier veröffentlichten Lieder ftammen, wie gefagt, alle aus 
Storndorf und bilden den ganzen Schag an Bolfsliedern, der 


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3.8. in diefem Dorfe lebt. Ausgefchloffen find nur einige anjtößige 
Lieder und überall befannte Soldatenlieder fomwie foldhe Runitlieder, 
die erjt fo Zurze Zeit im Bolt Aufnahme gefunden haben, daß fie 
no nicht als Volkslieder gelten können. Andere Kunftlieder, Die 
in der Sammlung enthalten jind, leben jchon länger im Munde 
des Bolfes umd haben unter der an Tert und Melodie eigenmädtig 
ändernden Hand der Sänger allmählih ganz vollstümliches 
Gepräge angenommen, jo daß man fie heute als Bolfslieder an- 
jehen muß. So merden fogar urjprüngliche Kouplets, wie das 
KRoloniallied (‚Negerliebhen‘‘) No. 171, dur den Mund des Volkes 
geadelt; aus ihm ift ein richtiges Volkslied geworden, das ganz 
auf den Ton eines fehnfüchtigen Liebesliedes gejtimmt if. Ebenfo 
wird Jid) nod) manches Lied nachmweijen lafjen, das einft unter dem 
ficheren Geleite des Namens feines Autors Hinauszog und nun 
bei dem mwandernden, eltern- und heimatlofen Schwarm der Volf3- 
Yieder angetroffen wird. Damit fol nicht gejagt fein, daß Diefe 
Lieder aud) anderswo fon DBollSlieder geworden find: mande 
von den ins Wolf gedrungenen Liedern werden anderortS noch in 
Gejangpvereinen gejungen, während fi hier im GebirgSdorfe Die 
Jangesluftige Jugend fehon längft ihrer bemädhtigt und fie nach ihrem 
Geihmade umgewandelt hat. Aus diefen Erwägungen heraus ift 
von einer urjprünglich geplanten Zufammenftellung derartiger „ins 
Bolf gedrungener Kunftlieder” abgefehen worden, fie find wie 
andere Bolfslieder behandelt worden. 

Einige der in der Sammlung enthaltenen Lieder wurden 
oder werden noch bei beitimmten Gelegenheiten gefungen, bei der 
Brait (Berlobungsfeier), beim Schäferdingen, beim „Schürzen“ 
(Dienftbotenwedhfel) u.f.w.; dies ift bei dem betreffenden Xied 
jedesmal angemerft. " 

Eine in mufitalifher Hinfiht bemerfensmerte Liedergattung 
jind die „Zriller”, die am Ende in No. 9 zufammenzuftellen find. 

Einige auf den Takt des Volfsliedes bezügliche Bemerkungen 
mögen noch angefügt fein: die meijten der Lieder (mit Ausnahme 
vielleiht der marjhmäßigen Lieder) werden in feinem beitimmiten 
Takt gefungen, oder befjer: daS Volk richtet fi nit nad) dem 
beitimmten Gleihmaß des Taltes. ES folgt bei feinem Singen 
eigenen Eingebungen, die fi jehr wenig um das fi fortlaufend 
gleich bleibende Maß des Taftes fümmern. Eine Folge hiervon 
ift der in vielen Liedern zu beobadjtende Taktwechjel innerhalb 
eines Melodienjages. Die Betonung und die ganze Art-des Singens 

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in ihrer anfdheinenden Regellofigfeit madt auf den mufilaliid) ge- 
fhulten DMenjchen häufig einen merkwürdigen Eindrud, daß man 
fagen muß, der Voltsgefang bafiert auf anderen Grundprinzipien 
als auf denen des Taltes. Die zwingende Norm des Taftes ift dem 
Volke etwas fremdes. Aber wenn feine Gingart dem Murfikver- 
ftändigen aud) xegellos erfcheint, dem Wolfe felbft ift fie nichts 
mweniger als regello8 : es fingt fie, jo oft man will, in derfjelben 
Betonung, bemfelben Rhythmus. Nach welhem Prinzip fingt denn 
nun wohl daS Volk, wenn e3 von Takt nichts weiß! Das Volfs- 
lied ift ein Chorlied, daS heißt, feine ganze Struktur, feine ganze 
Art verdankt es nidht einem Einzelnen, fondern einem Chor, der 
es im Winter in den Spinnftuben zu irgend einer Beichäftigung 
(Spinnen) fang oder im Sommer bei den gemeinfamen Gängen 
auf der Straße. Hat num diefe Art des Singens zu einer Beldäf- 
tigung oder Bewegung den Liedern ihren eigentümlihen Rhythmus 
gegeben, oder ift nod) etwas anderes im Spiele? Einige Lieder 
(„Kriegers Tod“ u. |. w.) jind genau vollsgefangsmäßig metrono- 
miliert und dort wird nod) einmal genauer auf diefes Thema ein- 
gegangen (f. dafelbit.) | 

Die Lieder find alle, Terte wie Melodien, aus mündlichen 
Quellen gefhöpft. Yhre Lebensdauer umfabt etwa einen Zeitraum von 
dreißig Jahren. Die Sänger, die jie innerhalb diefer Zeitgefungenhaben, 
übernahmen wohl einen großen Teil der Lieder aus den älteren 
Dorfipinnftuben; aber viele neue Lieder find in diefer Zeit hinzus 
gefommen, viele, die fih das fingende Volk erjt zu fchönen Bolfs- 
liedern zurecdhtgefungen hat, andere, welche fremde Gtriderinnen, 
die im Winter einige Tage zu Bejuch fommen, oder fremde Mäp- 
hen, die im Dorfe dienen, oder Soldaten mitgebradht haben. Yeder 
Winter bringt neue Ernten für die fingende Jugend. Auch alte, 
längit vergefjene Lieder tauchen plöglid, wie dur) ein Wunder 
aufgemwedt, wieder auf. — Syn wenigen Syahren wird fih das Bild 
des Volfsliederfchages hier ehr geändert haben. Die Sänger und 
Sängerinnen, melde diefe Lieder fangen, Jind dann aus der 
AYugend des Dorfes ausgefchieden, und die neue Generation wird 
bei ihrer angeborenen Sangesluft Jiceh neue Lieder zu bejchaffeu 
mwilfen. Und das ift ficher, und jeder, der die Neichhaltigkeit und 
Mannigfaltigfeit diefes Liederfhages eines Dorfes bewundert, 
wird dem zuftimmen, daß, folange das Volk dieje feine Sanges- 
freudigfeit befißt und folange feine fernhafte, bodenjtändige Natur 
nit angeftedt wird von dem furzlebigen, haftenden Zeitgeijte 


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unferer großjtädtifchen Kultur, daß folange der Vollsgejang und 
mit ihm das echte Volkslied blühen werden. Die Sänger — alte 
und junge, — melde diefe Lieder auffagten und vorfangen, 
haben noch wenig Neigung gezeigt, ihr altes ureigenftes Gut, ihr 
Lied, aufzugeben oder dur) „Moderne3” zu erjegen. 





I. Diftorifche Lieder. 
1. Spottlich anf Yayoleon I. 





ba = ben einsansber fo Iieb, und wir beistern ein san = der das 
| 1. | 2. | 


: == 


er 
Le = ben, ah wenn e8 bo im= mer {fo blieb. blieb. 


1. Und mir figen fo fröhlich beifammen, 
Und mir haben einander fo lieb, 

Und mir heitern einander das Leben, 
Ach wenn es nur immer fo blieb. 


2. Und es fanıı 2 nicht immer fo bleiben, 
Hier unter dem Wechiel deg Monds, 
Und der Krieg muß den Frieden vertreiben, 
Und im Kriege wird feiner verjchont. 


3. Und Napoleon, du Schuftergefelle, 

Und du fißeft ja fo feit auf deinem un 
Und in Deutichland da wareft du jo Itrenge, 
Und in Rußland befamft du deinen Lohn. 


4. Ach hätteft du nicht an da8 Rußland gedacht, 
Und hHätteft den Frieden mit Deutichland gemacht, 
So mwäreft du Kaifer geblieben 

Und Hätteft den allerichönften Thron. 


b. Ei da famen die ftolzen Yranzojen daher, 

Und wir Deutichen, wir fürchten uns nicht fo jehr, 
Wir fteheu ja jo feit al3 wie die Mauern 

Und weichen feiu’n Fingerbreit zurüd. 


| Krapp 81 und 263; Wolfram 470 (zu Str. 4 auch 382 u. 485. »): 
Marxrriage 138; Ert II 353; Bender 107; Meier 89. 


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2. Die Iiranzofen Braden ein. 





la = gern, fie bau = ten friid auf, fie fchoj= fen fon drauf. 


1. Die Frangzofen brachen ein | 3. Der franzöfilche General 
Bei Mannheim übern Rhein. Den Trompetern befahl, 

Sie wollten e3 wagen, Spradhh: „Wollt ihr euch nicht ergeben, 
Diele Feitung zu belagern, So fojt’3 euch euer Leben, 
Sie bauten ef auf, Mit Feuer und Flamm 

Sie Ichoffen Ichon drauf. Schießen mir euch zujamm.” 
2. Der Adjutant war mohlgemut: 4. Liebe Brüder, finget al 
Mir befürchten fein Blut, Bivat hoch dem General! 
Bis die Stadt liegt in der AWiche Der Großherzog foll leben, 
Und das Pulver brennt inder Tafche, Seine Soldaten auch daneben 
So laffen wir nicht Und alle feine Dffizier, — 
Die Feltung im Stich. Heffen-Darımftädter fein mir. 


5. Wie ein Blitfeuer jchlug e3 ein, 
Wie ein Donnermetter übern Rhein, 
Und fingen fie an zu laufen, 

Der ganze franzöfiiche Haufen! 

Sie begehren auf Ehr’ 

Diefe TFeftung nicht mehr. 


Krapp 262; Wolfram 465a,; Erf II 342. Das Lied wurde ur- 
Iprünglich auf die Belagerung der Bhilippsburg durch die Franzofen 1799 gefungen. 


3. Jeipzig. 






Bei Leipzig, wo ihr al=Te mwißt, da war’3 fein Kin=der - jpiel. 
Die Ku=gel Hat mih fo besgrüßt, da lag ih im Ge = wühl. 





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Sie 30 = gen ihm die Klei=der aus und fdid-ten ihn nad) 





Haus. Bei Leipzig, wo ihr al= le wißt, da war’3 ein Kin=ber = fpiel. 


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Sr Leipzig, wo ihr alle wißt, 
zu war’3 fein Kinderjpiel, 
Die Kugel hat mid) jo begrüßt, 
Da lag ih im Gemühl. 
Gie zogen ihm die Kleider aus 
Und nidten ihn nad Hauß. 
Bei Leipzig, wo ihr alle mißt, 
Da war’3 fein Kinderjpiel, 


4. Waterloo 1815. 





id ge = ra=ftt Hab’; ei, was Hört man un = ter dem Ges 





1, Bei Waterloo ftand eine Eiche, 2. Auf einmal fiel ein dDider Nebel, 
Rorunter ich geraftet hab’; Und der Tag verjhwamm fi) in die Nadıt, 
Ei, wa3 hört man unter dem Gefträuhe? | E3 blist in foviel taufend Geelen, 

Ein munderbares riegägefchrei. Hat manchen Deutjchen umgebradt. 


3. Der Bater weint um feinen Sohn 
Und die Mutter um ihr geliebtes Kind, 
Ei fo fchent una Gott den ftillen Frieden, 
Daß wir in unjre Heimat zieh’n. 


. KRrapp 5; Wolfram 484; Ert II 358d. 5 Strophen. Strophe 2 
findet fih auch al3 4. Strophe in dem Liede Nr. 355: Die Schlacht bei Leipzig. 
Sn 2,3 „Seelen“ jtammt nachweisbar aus „Säbeln‘; deshalb die Zeile früher: 
„E3 bliten foviel taujend Säbel”, und jett nad) allmählicher Veränderung: 
„E3 bliten fopiel taujfend Seelen“, und „es blist in foviel taufend Geelen“, 


5. Die lehten Sieben. 





In Böhsmen liegt ein Städtchen, dag Tennt faft je - dersmann und 





al die jchön» sten Mäd- chen trifft man dar» ine nen an. 


1. Sn Böhmen Tiegt ein Städtchen, das Iennt faft jedermann, 
Und all’ die jchönften Mädchen trifft man darinnen an. 


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2. Und bdiefes3 jchöne Städtchen hat eine Garnifon, 
Bon Hübfchen fchmuden Sägern ein ganzes Bataillon. 


3. Und jeder von den Sägern liebt dort fein Mädchen fein, 
Denn jedes jchmude Mädchen möcht einen Säger frein. 


4. Für Vater und für Mutter war das fehr große Ehr, 
Kam fo ein fchmuder Säger mit feiner blanten Wehr. 


5. So Iebten in dem Städtchen die guten Leute fort, 
Denn jeder von den ägern, fie hielten treulich Wort. 


6. Sm Maimond neunundfünfzig, da ging der Jammer [oS, 
Da jammerten die Mädchen, da meinte Klein und Groß. 


7. Zum Abmarjch ward geblasen heraus in IaLBEN Krieg, 
Bu ftreiten für den Kaifer, zu kämpfen um den Gieg. 


8. Bom Ubmarjch laßt uns jchweigen, von diefem Trauertag, 
Trog feiner Kränz’ und Bänder nicht dran ich denken mag. 


9. Bei jedem Hänbedrüden, beim lebten Scheibeblid 
Auft jeder: Lebet glüdlih! Wir tommen bald zurüd! 





10. Sie fommen nimmer wieder, fie bleiben ewig fort, 
Da Hilft auch Fein VBerlefen und fein Kommandomotrt. 


11. Am Tag von Montebello grub man ein tiefe® Grab, 
Da fentte man die Braven, bie Tapfern all hinab, 


12, Dort liegen fie beifammen mwohl taufend an der Zahl 
Und fchlafen, bi3 erjchalfet einft der PBofaunenfchall. 


13. Dann blafen die Horniften, die dort geblieben aud), 
Dann Heißt e3, aufmarjdieret, nach dem Goldatenbraud). 


14. Noch fieben find am Leben, bie fehren jeßt zurüd 
In die verlajf’ne Heimat, mit mwehmutsvollem Blid. 


15. Noch zwei Hornijten drunter, die blafen hell und laut, 
Da freut fi jede Mutter, da freut fi) jede Braut. 


16. Sie laufen bi3 zum Tore, fie drängen fi) Hinaus, 
Denn jede bofft zu finden den Langerjehnten drauf. 


17. Doh blaß vor Todesjchreden fie Händeringend fteh'n, 
AB fie da3 Heine Häuflein al3 Anvaliden jeh'n. 


18. &3 flattert feine Fahne, e3 dringt zu ihm fein Ohr, 
Und Iingt aud) fein Kommando wie Manten vom Major. 


19. Nur zwei Horniften blajen in diefem Trauerton: 
„Wir find die fieben legten vom ganzen Bataillon.” 


Wolfram, Nr.491, doch fehlen dort unfere Strophen 9. 10. 13. 18, 
dagegen it nach Strophe 5 eine meitere zu Iefen: Sie holten fi) den Segen 
im väterliden Haus, nachdem fie treu gedienet, und ihre Zeit war aud; — 
Krapp 169 (zwölf Strophen, e3 fehlen. 8. 9. 10. 13. 15—18, nad 5 Iteht 
die aud) in Nafjau gejungene Strophe). Vgl. Sohn 19. 


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Rn) r es - 





mehr! DO du ein» zig fhö-nes Mädschen, wir fehn ung nicht mehr. 


1. Bir reifen nad) Sütland, und es fällt mir gar fo jchwer, 
:,: D du einzig Ichönes Mädchen, wir jehn uns nicht mehr. :,: 


2. Sehn wir und nicht wieder, ei jo wünjch ich dir viel Glüd, 
:,: D du einzig jchönes Mädchen, dente oftmals zurück! :,: 


3. Des Sonntags früh am Morgen tritt der Hauptmann vor die Tür: 
:,: „Suten Morgen, ihr Soldaten, heute reifen wir.” :,: 


4. „&i warum denn grad heute, warum denn grad heut, 
:,: &3 ift doch heut Sonntag für uns alle junge Leut.“ :,: 


5. Der Hauptmann fprad) leife: „Dazu hab ich feine Schuld, 
:,: Der Brinz Karl, der alles führet, der hat keine Geduld.” :,: 


6. Einft ftand ih am Ufer, fchaut Hinab ins tiefe Tal, 
:,: Ei da fchwang mein lieber Heinrich noch dreimal feinen Hut. :,: 


Krapp 47; — BVolfram 490a (drei Strophen mehr), 490b (um- 


geändert: Die Reife nah Frankreich ufw., im ganzen jieben Strophen); Mar- 
riage 117; Erf III 1429. 


7. Deutfdes Heldftverfrauen 1870/71. 





En » ge = land, da8 fh = me, läht ung fei = ne Ruh’, wir 


nn —— ee ee] _ = a 
Ars Pe... A 17: r 
UNSD ereep ee, 1.0, 

müf » fen mar = fhiee = ven nad Brant = reid) zu. 


*, Eine bei Volfamelodien fehr Häufig vorkommende Tonfolge, die dieje 
zweite Wortjilbe dann zu einem jehr betonten Zaftteile macht. 


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=. 6, 


:,: D Heimatland, o ‚Heimatland, ie muß ich dich verlajjen, :,: 


1. 
Engeland, das jchöne, läßt und feine Ru 
Wir müfjen marjchieren nad Frankreich zu. 


2 D Franfreih, 0 Frankreich, wie wird e3 dir ergehen, 
Wenn du ung, wenn du uns, bad Baterland mwillit nehmen. 
Kaiferd Musketiere Haben frohen Deut, 

DO meh, o meh, o meh, o weh Franzofenbrut. 


3. Mein Vater, mein Vater, ber tft fchon Längit erichojien, 
Eine Kugel, eine Kugel, Hat ihn in? Herz getroffen. 
Ei fo gab’3 der Iiebe, liebe, liebe Gott, 
Gei’3 heute oder morgen, marjchieren wir fort. 


Krapp 127 (fünf Strophen). 


8. 1870/71 Spottfied. 





Vo - Hin Na = po = le=- on mo millt du 


da du Go auf = mar=fdierft, Haft mas im Ginn. 





fuf nur nid gar zu wet und bleib ge = 


1. Wohin, Napoleon, wo mwillft du hin? 
Daß du jo aufmarfdierit, Haft was im Ginn. 
Dir ift nicht wohl zu traun, mwillft Deutfchland mal bejchau’n. 
Lauf nur nicht gar fo weit und bleib geicheid. 


2. „Was fagft du, guter Preuß’, wa3 fagit du mir? 
SH denk, im Deutichen Reich gibt’3 gut Quartier. 
Mein’n Adler Tennit du fchon, wer wird fi wagen dran? 
Ber mir meinen Adler raubt, den greif ich an.“ 


3. Breußifcher Aöler, wir ziehn übern Nhein, 
Kommen wir nah Frankreich, jo fehren wir ein. 
Da fuh ih mein Quartier; vielleicht begegnen mir 
Louid Napoleon, den greif ih an. 


4. Wdler, jegt greif ih an, zeig deutihen Mut; 
Sranzöfifher Adler, e3 geht dir nicht gut. 
Nur duch dein Näuberfchwert ftürzt du dich felbjt zur Erd, 
Tängit faum zu Tämpfen an und Jäufit davon. 


5. „Breußifcher Adler, du macht mir’3 zu graug, 
Du rupfit meinem Adler die Schwanzfedern auß. 
Wer Hat denn das gedadt, daß Frankreich große Macht 
&leich bei der eriten Schlacht fort wird gejagt.” 


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1 


cheid. 


Sr: 


6. Und ihr Franzojen, was fällt euch ein, 
Das ganze Frankreid) wird bald unfer fein. 
Die deutiche Einigkeit wird gelobt weit und breit, 
Bayern fteht auch babei, zum Kampf bereit. 


7. Bayrifche Säger, ihr Halt’ tapfer aus, 
Blaft den Zuaven das Lebenslicht aus; 
Seder greift jeine Büchs fo fchnell ald wie der Blig, 
Beigt den Franzofen ein bayriih Geihüß. 


8. Preußijcher *önig, wir folgen dir gern, 
Denn und erleuchtet dein glänzender Stern. 
Seder mit KRampfesluft, deutjches Blut in der Bruft, 
 Biehn wir zum Kampf und Tod auf dein Gebot. 


9. Da3 deutfhe Militär ift bei der Hand, 
Wenn e3 zum Kampfe geht für Vaterland. 
Seder ftellt feinen Mann, geht mutig drauf und dran, 
Kämpft für fein Vaterland, das ift befannt. 


10. Die ftarle Feitung Meb, die ift befannt, 
Daß fi Paris drauf ftügt wie aud) das Land. 
Daß ihr euch wehren tat’, hat uns nicht viel gejchad’, 
Wir Deutjchen fahen all’, Meb, deinen Fall. 


11. Du ftolze Stadt Paris, mit dir ift’8 aus; 
Wir Deutjchen ftehn davor, lachen dich auß. 
Unfer Kanonenfchall tönt überall, 

Deutiche8 Bombardbement madt ihr ein End’. 


12, Die jchöne Stadt Lyon ift und gewiß, 
Sie fällt in unfre Händ’ famt dem Geichüß. 
sch Ichmör’3 bei meiner Ehr, dad ganze Militär 
Samt Garibaldi fällt in unfre Händ. 


9. BBeikendurg. 





= ft, mwo8 deut » fche 
fümpfs»te, 1mo® deut - de 





eer den Gieg er = rang, j 
ut in Strö-men a Das mar dem Yürft von Bay=ernd 





Thron fein zehn = te8 SA = ger = ba = tail = Ion, da8 war dem 





Fürst von Bayserns Thron fein zehn =te8 SJü = ger = ba » tail = Ion. 


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ee 49: 





1, Bei Weißenburg, der ftolzen “elite, 2. Wer bort fi) mutig durchgeichlagen, 
%0’3 deutjche Heer den Sieg errang, Wer dort ein Fühner Jäger war, 
o’3 deutjche Heer jo mutig kämpfte, Der freut ji nody in jpätern Jahren, 
Wo’3 deutihe Blut in Strömen rann: | Der freut fi) noch im GSilberhaar. 
Das war dem Fürft von Bayern? Thron | Das war dem Fürjt von Bayerns Thron 
Sein zehntes Sägerbataillon. Gein zehntes Sägerbataillon. 


3. Was foll das Kreuz am Friedhof deuten, 
Geihmüdt mit einem Aägerhut? 
Da3 erinnert und an frühre Zeiten 
Und an vergojj’ned Jägerblut: 
Da3 war dem Fürft von Bayerns Thron 
Gein zehntes Sägerbataillon. 


Krapp 26 (die 3. Strophe fehlt, dagegen fteht nad; Strophe 1 eine 
hier fehlende). 


10. WBeikendurg. 





ee} 
e38 jcjliesfen vie = le SKrie = ger im Wei= Ben» bur=ger Held. 

1. Die Sonne fant im Weften, 3. Nimm diefen Ring vom Finger, 
Die Schladht, die war zu End’; Wenn ich gejtorben bin, 
E3 fchliefen viele Krieger Und alle meine Briefe, 
Im Weibenburger Feld. Die im ZTornifter fin! 

2 Und mitten unter allen 4. Sag ihr, ih wär gefallen 
Tag iterbend ein Soldat, Sn der Weißenburger Schlacht, 
E3 Tniet an feiner Geite Hätt’ in den legten Zügen 
Gein treuer Kamerad. An ihre Treu gedadt! 


5. Und Sonn und Mond, fie fcheinen 
Mit ihrem GSilberlidht, 
Sie fcheinen dem Soldaten 
S$n3 bleihe Angejict. 


Wolfram 504; Krapp 48 (jeh8 Strophen); Marriage 23; 
Ert III 1385; Köhler-Meier 307; Zeitichr. d. Ver. f. Bolkst. 4, 90. 


11. SHedan. 





Zu Baden ein Städtchen, ein ftil-Ies Haus; der Va=ter, der z0g in den 
Etwas langjamer. 


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| dt ja em Web und drei mun » te = re Rlei= nen. 





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1. Zu Baden ein Städtchen, ein ftille® Haus; 
Der Bater, der zog in den Krieg hinaus. 
Der Abfjchieb fiel fchwer von ihm und den Seinen, 
Denn er hat ja ein Weib und drei muntere Kleinen, 


2. Die Sonne ging ganz blutrot auf, 
Und bies bebeutet den SKriegeslauf. 
Er nahm da3 Gewehr mit Zittern und Lagen, 
Aber fort muß er wieder in3 blutige Jagen. 


3. Sie fielen vor ihm auf die Sniee: 
„Ab Bater, willit bu von uns sichn r 
E3 fchrieen die Kinder in ihren Sorgen: 

„er jorgt jeßt für und am frühelten Morgen?” 


4, Bei Sebdan lag ber Bater im Blut, 
Rein Menid, der ıhn verbinden tut. 
Er fchrie nach feinem Weib, er jchrie nad) feinen Kindern, 
Über raih kam der Tod, ihm die Schmerzen zu lindern. 


5. Und als ber Krieg zu Ende mar, 
Der Bater nit nah) Haufe kam, 
Da fchrieen die Kinder: „Er muß doch bald kommen, 
Denn fchon Längft hat der Krieg ein Ende genommen!” 


Krapp 168 (fechs Strophen). 





bei ftil= lem U-bend-we = ben ein Bay = er auf der Wadit. 


1. Bei Seban wohl auf den Höhen, 3. Hord, was wimmert bort im Bufche, 
Da ftand nach blutger Schladht Hord), was Hagt dort widre Not, 
Bei Tühler Abendftunde Ei fo gib mir, heilge Mutter, 
Ein Bayer auf der Wacht. Einen ftillen fanften Tod. 

2. Die Wollen ziehn nah Dften, 4. „Gib mir Waffer, deutfcher Kamerad, 
Und die Häufer ftehn in Brand, Denn bie Kugel traf mid gut. 
Sie beleuchten Wald und Fluren Dort in jenem Wiejengrunbe, 
Und den grünen Wiefengrund. Da floß zuerit mein Blut. 


5. Gib mir Wafler, deutfcher Ramerad, 
Und grüß mir Weib und Sind, 
Denn id) Heiß Andreas Förfter 
Und bin aus Saargemünd.” 


Krapp 24 (zwölf Strophen); — Wolfram 505; Erf III 1386; 
Moarriage 22; Yohn 18. 


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IL. Kriegs- und Soldatenlieder. 


13. Yayoleon II. 


BER 
A eg 


14°. — 








CO fe) NN Ne fee ehe 


a ee Te OT 


bin, zu jehn Die 


wun = der= |hö- ne Stadt Ber= lin. 





Da wollt’ er 





1. Dem Franzojentaifer fiel e3 ein, 
Er rüdte fiegeötrunfen übern Rhein, 
Da gab er fich der Siegeshoffnung Hin, 
Bu eh die mwunderjchöne Stadt Berlin. 
Da wollt’ er rudern, da wollt’ er fiegen, 
Da wollt’ er füffen, da wollt’ er holderialo, 
Holderialialo. 


2. Deutjchland konnte einig fein, 
Da fiel’3 Napoleon garnicht ein; 


Denn er hatte feinen Turlo3 anvertraut, 


Die Deutichen zu freffen mitjamt der Haut. 
Dann wollt’ er rubern ıc. 


3. Bei Weißenburg und aud).bei Wörth 
Ging’3 dem Franzofenlaifer gar verkehrt, 
‘a eibft der große Feldherr Mac-Mahon 
Floh mit den Seinen im Galopp davon. 
Aus war fein Rudern, au war fein Siegen, 
Aus war fein Küffen, au8 war fein holderialo, 
Holderialialo. 


4. Und ber Napoleon ward in der Schlacht 
Gefangen und nad) Wilhelm3höh' gebracht; 
Auch) die Gefangnen führt’ man all’ binmeg, 
Da ging es dem Franzofenkaifer fchlecht 
Mit feinem Rudern, mit feinem Siegen, 
Mit feinem Küffen 2c. 


5. Zwar die Gefangenfchaft fiel ihm nicht jchwer, 
Denn e3 kam gar bald von ungefähr 
Wohl auf das fchöne Schloß der Wilhelmöhöh' 
Gein fchönfter Schag Eugeni-e. 
Set Tonnt er rudern, jeßt konnt er fiegen, 


est Tonnt er füfjen 2c. 


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14. Soldaten-Adfdied. 













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Pe en ea u ge 
ne lt I I We |, 


DA" 
—— te 
wort, ver=lafsfen meine Ba=terd Haus, muß in die wei=te Welt hin- 





aus. X - de, a=- de, a = de, a = be, meinteusres Liebschen, a = dei 

1. Die Trommel ruft, und ich muß fort, 3. So nimm denn hin den Scheidegruß 
Muß folgen dem Kommandowort, Und meinen legten Abjchiedstuß ! 
Berlafjfen meines Vater Haus, Behalte immer frohben Mut 
Muß in die weite Welt hinaus. Und bleibe mir im Herzen gut! 

Ade, ade, ade, ade, Ade ıc. 
Mein teures Liebehen, abe! 

2. 3 ilt ja ded Soldaten Pflicht, 4. Und ift bie Rennen nun borbei 
Drum trautes Liebehen meine nicht! Und du, mein Liebehen, bleibjt mir treu, 
Muß ich auch ferne von dir fein, Dann führ ich dich gewiß und wahr 
Sch bleibe doh auf ewig bein. Al3 meine Braut zum Traualtar. 
Ade, ade ıc. Abe ıc. 


5. Und treffe eine Kugel mid) 
Und jterbe auf dem ?yelde ich, 
Dann Soll, du trautes Liebchen mein, 
ig legte8 Wort dein Name fein. 
ec. 


Krapp 49 (vier Strophen); — Ert III 1409. 


15. Jus Manöver! 





ind Quartier. Udh was wird fie wei=nen, wenn wir miüjf- 






fen fdei-den, ah waß mird fie mei = nen, wenn wir miüj- 





fen jchet-den und wird trau=rig fein, und wird trau = rig fein. 


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— 16 — 


: Morgen marjchieren mir 3. :,: Rannit du nicht fchlafen ein, 
Zu br Bauernmädden in? Quartier. :,: | Nimm nur einen Sclaftrunf ein! :,: 


Ah was wird fie weinen, wenn wir ;,: Zrint ein Schälhen Thee, Buder 


müffen jcheiden, . mit Kaffee, :,: 
Ah mad wird fie meinen, wenn wir : Trint ein Gläschen Wein, fannft du 

müjjen jcheiden, fhlafen ein. :,: 
Und wird traurig fein, 
Und wird traurig fein. : Mädchen glaub ficherlich, 

36 Beirat feine andre nit! :,: 
: Mädchen, geh du, nur heim, : Warte noch drei Jahr, dann wirft 

” ei bald 10 Uhr fchon fein! :,: duw’3 gewahr, :,: 


: Seh und leg dich nieder und fteh" :,: Daß ich Dich Heirat! :,: 
morgen3 wieder :,: | 
:,: Zrüh bei Zeiten auf! :,: 


: Mädchen, glaub fiherlid), 
5) heivat feine andre nicht. : 
: Wenn wir Hochzeit madıen, wolfn wir 
freundlich laden, :,: 
:,: Wollen froh fein! :,: 


6. :,: Wer fich ein u nimmt, 
der Bleibt felten ohne, ohne Kind; :,: 
: Der hat Sommer und Heiner Das 
Gefchrei der Kinder: :,: 
:,: Bapa gib mir Brot. :,: 


I En oljram 287 (fünf Strophen); Krapp 195 (vier Strophen); Eri 
I 


16. Im Manöver. 





Bar einjt = ma = lig in, Rom im &ub = jtal bei der 


o————-. 


Bär = bel, einft- ma - lg in Rom im Kuh = ftal bei der 


— —— 


„ w 
Bär = bel, bid = di » wom=va=-lom, Bid = di = wom=-va=lom, im 





Kuh = ftal bei der Bär - bel, bid - di > wom = va = lom. 


1. War einftmalig in Rom im Aubftall bei der Bärbel, 
Biddi-smom-va-lom, biddiswomsva-lom, 
Sm Kubjtall bei der Bärbel, 
Biddismom-dvaslom. 


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=, 47: ze 


2. Sehstaufend Mann, die zogen ind Manöver, 
Biddi-mom-va-lom ıc. 


3, Bei einem Bauer, da lam ich ind Quartiere, 

„Sag Bauer du, haft du ein jchönes Mädchen ?“ 

„Sag Reiter du, wie groß ilt dein Vermögen ?“ 

„Mein Bermögen it: Zwei Schimmel und zwei Sporen.“ 
„Sag Reiter du, wer ilt benn nun dein Vater?“ 

„Mein Bater ift der König von Stalien.” 

„Wenn das fo ift, follit bu die Tochter haben.” 


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17. Arlegslied. 


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1, . 
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 Schlagt ihr nur tape fer drein, id will eur Füherer fein. 


1. Sri auf, Soldatenblut, faßt euch ein’ frifchen Mut, 
Und laßt euch nicht erjchreden, wenn euch Kanonen meden! 
Schlagt ihr nur tapfer drein, ih will eu’r Führer fein. 


2. Wie mande junge Braut, fie meinet ja fo laut: 
Den ich fo treu geliebet, ift in ber Schlacht geblieben; 
Hier Liegt ein Fuß, ein Arm; ad), daß fi Gott erbarm! 
3. Wie mande Mutter Spricht: Ach Gott, verlag mich nicht! 


Die Tochter fpricht zur Mutter: Ad) Gott, wo ift mein Bruder? 
Ro it mein Kamerad? fpriht mancher junge Soldat. 


Krapp 118; Wolfram 343; Bödel 26; Erf III 1354; Kohn 187; 
Zeitichr. f. öft. Vollst. 13, 157. — Das Lied ift ftark verfürzt und entitellt. 


18. Die Hegiments- Harte. 





fannt; mein Ba=ter ftarb fchon früh im Teld, ih fteh’ al=lein auf die-fer Welt. 
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— 18 — 


1. © Negiment, mein Heimatland, 3. Wenn’3 Regiment früh ausmarfciert, 
Meine Mutter hab ich nie gekannt; Der Tambour jeine Trommel rührt, 
Mein Vater ftarb Schon früh im Feld, Zaufch ich mit feinem Fürften nicht, 
ch jteh allein auf diefer Welt. Fürs Regiment, da fterbe ich! 

2. Marie, Marie, fo heißt mein Nam’, 4. Ein’ Offizier, den mag ich nicht, 
Den ih vom Regiment befam. Weil er den Mädchen viel verjpridt. 
Mein ganzes Leben Iafje ich, Ein Musfetier, der foll eö fein, 

Yürd Negiment, da fterbe id). Zür den jchlägt nur mein Herz allein. 


Krapp 203 (jech3 Strophen); Erf II 1389; Marriage 151; vgl. 
Meier, Kunftlieder im VBollamund, 509. 


19. Auf, auf zum Kampf! 





wir ge= 50 = ren, dem Kaisfer Wil-helm rei-chen wir die Hand. 


1. Auf, auf zum Kampf fürs Vaterland ins Feld, 
Fürs Vaterland, fürs Teld fein mir geboren, 
Dem Kaijer Wilhelm reichen wir die Sand. 


2. Wir fürchten nicht den Donner der Kanonen, 
Diemweil jie und jo fürdhterlic) bedrohn. 
Wir alle woll’n und nochmal wiederholen (= verdoppeln), 
Der Tod im Friege ift der fchönfte Tod. 


3. Der Bater weint um ben geliebten Sohn, 
Dieweil er ihn zum lettenmal gejehn. 
Reicht ihm die Hand, gibt ihm den Trojt und Gegen, 
Mein Sohn, wer weiß, ob mir ung wiederjehn. 


Krapp 19 (fünf Strophen). . 


20. Manöverliebe. 





Tier und en De +» gt = ment Dra » 90 = e ner. 


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1. €3 zogen drei Negimenter wohl über den Rhein: 
Ein Regiment zu Fuß, ein Regiment zu Pferd 
Und ein Regiment Dragoner. 


2. Bei einer Frau Wirtin, da fehrten fie ein, 
Da fehrten fie ein, da fehrten fie ein, 
Ein jhmwarzbraunes Mägdelein jchlief ganz allein. 


3. Und al3 das jchwarzbraune Mägdelein vom Schlafe erwacht, 
Und al3 da3 fchwarzbraune Mägdelein vom Schlafe erwadjt, 
Da fing fie an zu meinen. 


4. Schönfte Mamfell, warum meinejt du fo jehr? 
„Ein jchöner Offizier, ein feiner Grenadier, 
Hat mir mein’ Ehr genommen.” 


Krapp 114 (zwölf Strophen); Wolfram 60; Marriage 11; Erf 
.® El 


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I 132 


21. Holdatenfied. 






E33 Hat fih ein Fähnrich in en Mädchen ver = liebt; 





Hau = mannd -mam = jel, ei = ne Haug = mann? = mam = fell. 


1. &3 Hat fih ein Fähnrih in ein Mädchen verliebt; 
Eine Hübfche, eine eine, — eine Hübfche, eine Feine, — 
Eine Hübfche, eine Feine, — eine Hausmanndntamfell, 
Eine Hausmannamamfell. 


2. Habe Poiten gejtanden, hab’3 Gemwehr präjentiert; 
Hab fo manches Schöne Mädchen, — hab fo manches fchöne Mädchen, — 
Hab fo mandes fhöne Mädchen — ind Schilderhaus geführt, 
Sn3 Schilderhaus geführt. 


3. Der König von Preußen Hat e3 jelber gejagt, 
Daß wir alle jungen Burjchen, — 
Müflen werden Soldat. 


4. Der König von Preußen fucht fich feine Leut aus; 
Aus den Budligen, aus den Lahmen, — 
Macht er Plattfüß’ daraus, fchidt fie wieder nad) Hau2. 


Bol. Marriage 142, 1. Ein ergögliches Beifpiel von gedankenlofer 
Berballhornung der Terte des Vollsgefanges ift Str. 4. 


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— 2% — 


22. Der dentfde Holdat. 





der fein Weib, fein Kind ver-lä-ja-läßt, fteht ge-wißim Ka-ja-Stamp-fe feit. 


1. Redli) it der deutihe Mann, 3. Deutjchland darf nicht unterliegen, 
Der für Freiheit ftreiten Tann. Mit dem Frantrei) muß e3 fiegen. 
Der fein Weib, fein Kind verläßt, %a bis auf den lesten Tropfen Blut. 
Steht gewiß im Kampfe feit. Sa wir Deutichen haben Mut. 

2. Deutichland Hat die größte Macht, 4. Wenn Granaten und Haubigen 
Schwarz Weiß-Rot ift feine Pracht, Auf und Deutfchen niederbligen, 
Deutichland muß ftet3 einig fein, Ei, fo ziehn wir mutig ins Gefecht; 
Sonit it Franfreid) bald am Rhein. ‚Sa pir Deutichen haben Red. 


5. Wenn wir unfre grauen Mäntel 
Um ein deutjches Mädchen hängen, 
So empfind’ fie feinen Schmerz: 
Kiebreich it da3 ganze deutiche Herz. 


Krapp 205 (jeh3 Strophen); Erf II 1350; zu Strophe 5 fiehe auch 
Marriage 137, 2, 


III. Ständelieder. 
23. Schäferlied”). 





ob ic wechd-Ie mei = nen Sinn? Freu’micdh,daß ih ein Schäfer bin. 


1. Ob ich gleich ein Schäfer bin, hab ich doch ein’ frohen Sinn. 
Hab ih doch ein freie Leben, ift mit Yauter Luft umgeben; 
Ob ich mwecjj’le meinen Sinn? 

Treu mid, daß ih ein Schäfer bin. 


* Alljährlih im Winter findet die Erneuerung des Vertrages zwischen 
den Eigentümern der Herde, den Bauern, und dem Schäfer ftatt. Diejes „Schäfer- 
Dingen‘ bedeutet für beide Teile ein großes Yeit, da gemöhnlich zwei Tage in 
Antprud) nimmt. Der Schäfer fingt das Lied vor, und die Bauern fingen e3 dann 
jedesmal im Chor nad). 


Bu 
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2. Des Morgens, wenn id) früh aufiteh und den Tau im Graje feh, 
Treib ich mit vergnügtem Schalle meine Schäflein aus dem Gtalle. 
Auf die grüne Wieje Hin’ — 

Zreu mid), daß ich ein Schäfer bin. 


3. Und mein’ Hund, das treue Tier, hab ich allezeit bei mir, 
Er tut weiden mir die Schafe, wenn ich ruh im füßen Schlafe. 
DO mie ruht fich3 da fo gut, 
Weil ich Hab ein’ frohen Mut. 


4. Wenn ich hungrig und durjtig bin, fahr ich nach der Duelle Hin, 
Greif in meine Hirtentafche, trin! den Schnaps aus meiner lajche, 
Hol mir Brot und KRäs herfür, 

DO wie füße fchmedt das mir. 


5. Wenn id) nun ermüdet bin, leg ich) mich ins Kühle bin, 
Leg mich unter eine grüne Dede, oder bei mein! Schippeniteden 
Auf die grüne Wieje hin, — 

Treu mid, daß ich ein Schäfer bin. 


6. Des Abends, wenn der Tag jich neigt und der Abendjtern fich zeigt, 
Führ ich mit vergnügtem Sinn meine Schaf’ zum Stalle Hin, 
Träume füß Die ganze Nadıt, 

Weil mein Tagmwerk ift vollbradit. 


Berfafler: ECelander (1714); — Wolfram 361; Erf II 1487; Meier 


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24. Der Bauernfland. 


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op r ] AUER Tu?” TEHERAN 07 DiEDen TEEREEE DV’ TEEN 09 BEEREEEEEN 89 ERSGHERERIEN 97 He 
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ehrt, weil er uns viel be=fcert. ER Zin = ge = lin = ge» ling, Ge 





Tin =ge » lin = ge= ling, zum Zin = ge = lin = ge= ling, Korn, Ha=ber und auh Stroh. 


1. Belannt, befannt it ja der Bauernitand; 
Man ihn deshalb auch ehrt, 

Weil er ung viel bejchert. — 

Zum Tingelingeling, Gemüje, 

Und Heu von feiner Wiefe, 

Zum Tingelingeling, Korn, Haber und auch Stroh. 


2. Doc) nie, doch nie verdrießt ihn Plag und Miüh, 
Er eilt Hinaug ins Feld, 
Sich) gern zur Wrbeit ftellt. 
Zum Tingelingeling, mais frieren, 
Er weiß den Pflug zu führen 
Zum Tingelingeling, Gelbit Hiße Lie ihn nicht. . 


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Fe ee Zr BEER?” EEE 0ER HE U KEREERYY TEE — ar ® 


wenn ich an meisnem Af-ferfteh’ und die vielen taujend Äh-ren jeh’. 


— 2 — 


3. Und dann, und dann, fommt er vom Felde an, 
Spt er jein Abendbrot, 
Legt fi) dann frifch und rot 
Zum Tingelingeling nun nieder, 
Ruht ji) die müden Glieder, 
Bum Tingelingeling, bi3 daß der Hahn dann Träht. 
4. Das Feld, das Feld, ift e8 nun ganz beitellt, 
Geht e3 and Drejcdhen dann 
Und Flein und Gro% faßt an, 
Zum Tingelingeling, nad) Stepel 
Schlägt dann mit dem Drejchilegel, 
Bum Tingelingeling, drei und ein viertel Talt. 


5. Sa aud, ja aud) ift es ein alter Braud: 
Nach Teierabend dann | 
Kommen Spufgethichten bran. 
Bum Tingelingeling, die Kinder, 
Die rennen weit gejchiwinder 
Zum Tingelingeling, hinter die Hölle dann. 
6. Doch oft, doch oft fommt’3 abend3 unverhofft 
Auf einer Leiter dann 
So’n Sput und Hlopfet an — 
Bum Tingelingeling, and Feniter, 
Doh folhe Art Gefpenfter, 
Zum Tingelingeling, jehn alle Mädchen gern. 
7. Galant, galant, dad Spinnrad in der Hand, 
Geht e3 mit frohbem Ginn 
Nah der Spinnituben hin. 
Zum Tingelingeling die Mädchen, 
Gei’3 Trina, Hanna, Käthchen, 
Zum Tingelingeling, fie find da all vereint. 
8 Wie fchön, wie jhön ift eg mit anzufehn, 
Wenn fie im reife dann 
2 fpinnen fangen an. 
um Zingelingeling jie fingen, 
Das hell die Släfer Klingen; 
Zum Tingelingeling, da laujcht jo manches Ohr. 
9. Gottlieb, Gottlieb und Fri, der Herzensdieb, 
Die jchälern gerne dann, 
Selbjt Michel jchließt fih an. 
Zum Tingelingeling, die Miene, 
Die Trude, Kette, Kine, 
Zum Tingelingeling, die haben e3 fo gern. 


10. Und dann, und dann fommt erft der Sonntag ran, 


Gißt’3 in den Füßen jchon, 

Schallt faum der erite Ton. 

Zum Tingelingeling geht’3 Schweben 

Schon los! Das Bauernleben, 

Zum Tingelingeling, ijt einfach doc vergnügt. 


25. Job des Bauernflandes. 








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1. Wir find da3 ganze Yahr vergnügt: 
Am Frühjahr wird das Feld gepflügt. 
Wenn ih an meinem Ader fich 
Und die vielen taufend Nehren jeh. 


2. Seh id) im Herbit die Bäume an, 
Sind Aepfel, Birnen und BZmetichen dran, 
Und find fie reif, fo jchüttl? ich fie, 

Ei fo lohnt Gott des Bauern Miüh. 


3. Seßt kommt die ruhige Winteräzeit, 
Und mein Schaß ijt überjchneit, 
Die Yelder, die fein Treibemeiß, 
Und mein Weiher ijt bededt mit €Ei2. 


4. Seht kommt der Liebe Sonntag heran, 
ld ich mein Schal-auf-Wanger an, 

eh in bie Kirch’, feß mich zur Ruh 
Und hör des Pfarrerd Predigt zu. 


5. Und bridt der liebe Abend herein, 
Seh ih und trint ein Gläschen Wein, 
Und der Herr Schullehrer Lieft mir 
Etwas Neues aus der Zeitung für. 


6. Komm ih nad) Haus, mein Köpfchen mar, 
Ih nehm mein liebes Weib in’n Arm, 
Leg mich ins Bettchen und fchlaf ein: 
Ei, wie Tann der Menfch vergnügter jein. 


Anm.: 4,2 Schalraufs-Wangerd (oder Wamers) —= Shanl-Wams, oder 
= Ghaml über? Wams (alte Tradıt). 


26. Bigennerlied (Tanzlied-GSchleifer). 


LI I —8- Te 3) 


Zu = ftig ft Bi- zgeusner> le = ben, hol = de -a, bol=dri = bo. 
Brau-cden fei = neSteu’rzu ge = ben, hol-dri= a, Hol=-dri= . h 





N 
I 0 Be | 

Ah | N NE Betty, 

ee — Se eg ee re + 4 





Shla:fen in dem aan Wald, wo man den Bi = geu - ner ar 


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N a ee e eh re 
An  _ RB: BB Bi N , _ , eo ® ® Mi | HL 
eVO3 € U OT FE EER ER Be - 
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holsdri=a, hol-dri=sa, hol: drisa, Ho, hol=zdri=sa, Hol=zdri=za, bo. 


1. Luftig ift Zigeunerleben, holdria, holdria, bo. 
Brauchen Teine Steuer zu geben, Holdria, Holdria, ho. 
Schlafen in dem grünen Wald, 

Bo man den Zigeuner fand, 
Holdria, Holdria, Holdria, Ho; Holdria, Holdria, Ho. 


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_ 4 — 


2. Mädchen, willit du mit mir gehen, holdria, Holdria, Ho, 
Meinen Haushalt zu verjehen, Holdria, holdria, ho. 
Meine Wirtichaft it nicht groß, 
Aber fie ijt tadellos, 
Holdria rc. 


3. Mädchen, millit du Pfeife rauchen, holdria, holdria, Ho. 
Brauchft dir feine Pfeif zu Taufen, holdria, boldria, Ho. 
Greif in meinen Rod hinein, M 
Da wird Pfeil’ und Tabak fein. 


Holdria 2c. 


4. Mädchen, millft du Kaffee trinfen, holdria, holdria, Ho, 
Braucht dir feine Taff’ zu Faufen, N nt holdria, Ho. 
Greif in meinen Schant (= Scrant) hinein, 

Da wird fchon eine Taffe fein. | 
Holdria ec. 1 


Erf II 1586; vgl. au Marriage 178. 


27. Bergmannslied. 





Glüd auf, Glüd auf, der Bergmann fommt! Und er bat fein 





Licht bei der Nacht fhon an » ge = zü—ja-zünd't,fhon an» ge = zünd't. 


1. Süd auf, Glüd auf, der Bergmann kommt! we 
Und er Hat fein helles Licht — bei der Nacht fchon angezüind'. 


2. Schon angezünd’! Das mirft feinen Gchein, 
Und damit nun fahren wir — bei der Nacht ind Bergwerk hinein. 


3. Yn3 Bergwerk Hinein, wo die Bergleute fein, 
Die da graben das Silber und da3 Gold — bei der Naht — aus Felögeitein. 


4. Der eine gräbt das Gilber, der andre gräbt das Gold, 
Doc den fchwarzbraunen Mägdelein — bei der Naht — dem fein fie hold. 


5. Abe, nun We! SHerzliebjte mein! | 
Und da drunten im tiefen, finftern Schacht, — bei der Nacht — da denk ich dein. 


6. Und Fehr ich heim zum Liebchen mein, 
Dann erfchallet de3 Bergmanns Gruß — bei der Naht — Glüd auf! Glüd auf! 


Rrapp 116 (vier Strophen); Erf II 15127. 


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ou 


235 ° — 


28. Manrerlied. 





un«jer Geld ftet3 in Ge= fahr; dar= um auf=gesihaut, ein feit Ges 
er Teer 
[eg a Zn es en ge ee ee se Be __ ii 01} 
Li 232 u =D 4 er SEE NEE 35 0 
Sy | ER per ey Bere 


rüft ge - baut, und 


1. Seh8 Maurerleute (Zimmerleute) 


find wir zwar, 
Verdienen unfer Geld hets in Gefahr. 


Darum aufgefchaut, ein feft Gerüft gebaut, 


Und auf Gott den Herrn vertraut. 
2 Yallt einer vom Gerüft herab, 


©o findet er wohl in der Fremd fein Grab. 


Darum aufgejchaut 2c. 


auf Gott den 





Herrn ver = traut. 


3. Gedh3 a trag’n ihn zur 


ud, 
Die andern deden ihn mit Erde zu. 
Darum aufgeihaut ıc. 


4. Das arme Mädchen meint jo ehr, 
Kegt hat fie feinen Maurer mehr. 
Darum aufgeihaut ze. 


29. WBie maden’s deun die Hänuelder. 





fies; 


und wie, und wie, und wie ma=cdjen fie? Hier ein Qäppschen, 





1. Wie macden’3 denn bie Schneider, 
und wie madjen jie’3? 
Hier ein Läppchen, da ein Läppdhen, 
Sibt jo mandyes Rinderjädhen! fit, fo 
maden fie’3. 


2. Wie macjen’3 denn die Schulter? 
Sie maden die Schuh aus Schotenjtroh 
Der Kuhbdred it da8 Pech) dazu. 


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fo, fit fo, fit fo ma=chen fies! 


3. Wie macjen’3 denn die Leinemweber ? 
Gie beten da3 Baterunfer, 
Das beite Garn tit unfer. 

4. Wie macjen’3 denn die Maurer? 
Sie werfen die Steine hin und her 
Und freien alle Schüjleln Ieer. 

5. Wie macdjen’s denn die Bauern ? 
Sie jtellen ji hinter die Mauern 
Und tun den Taglöhnern lauern. 


— %% — 


6. Wie macjen’3 denn die Wirtäleut ? 7. Wie machen’3 denn die Müller? 


Sie nehmen die Kreide in die Hand Die Mühle die madt Hipp und Hlapp, 
Und jchreiben’3 doppelt an die Wand. Das beite Mehl in meinen Sad. 


8 Wie macjen’3 denn die Spielleut’ ? 
Sie legen ich bejoffen nieder, 
Stehen auf und faufen wieder. 


Vgl. Wolfram 367 (fünf Strophen: Schneider, oo aeehger, Wirte, 
Schieber, Ert II 1714; f. auh Marriage, Anhang ©. 384 


30. Prefhmafdinerfied. 
es (nur vor der 1. Strophe). 


Ei IN] Be a] B 

2a u er a? ee Er Eee) 

GG 1 9 Ur TO 3 DT eh 
U U 14 4 | = 





Ya da8 Ma-jchi=ner » le= ben ” ein Iu=jtig Le=ben,—unsgeht’31vohl. 
Lied. 


: w 
1. Mor=gens, wenn es vier Uhr fchlägt, fünf Uhr fchlägt, wir zum Kaf:fee- 





—% —e —Is_ I I —e N EEE ee 
ww. 4 
Ka — I BOSEREREEEI" HEINHEREERERE?" GEHEN SENEEN /EERREE % 
—I _ Z|= nn 
trin =» fen fein be = wegt; dann trin = fen wir nad un = jern 





Ma = Ben, eins, zwei, Drei, vier, fünf, feh8 Zaj= fen, und „Jen 
En ee Be N 
FZ et 17" Eu TEE En 


FRS 6 Z Fi A m 
U ep# 2, 2 


Buf-ter audb da = bei: fo mup8 bei den Ma-jhi- nern fein. 


1. Morgens, wenn e3 vier Uhr jchlägt, fünf Uhr jchlägt, 
Bir zum Safjeetrinfen jein bemegt; 
Dann trinten wir nach unfern Maßen, 
1, 2, 3, 4, 5, 6 Tafien, 
Und der Zuder auch (an der Naj’ vorbei) dabei, 
So muß’3 bei den Mafchinern fein. 


2. Wenn da Glödlein acht Uhr jchlägt, neun Uhr jchlägt, 
Wir zum Frühftüd fein bemegt. 
Dann kommen die Bauern, tun una bitten: 
Kommt Mafchiner, ihre follt frühjtüden ! 
Daß der Meifter nur anmeilt, 
Alles, mad Mafchiner Heißt. 


3. Des Mittags, wenn e3 zwölf Uhr Ichlägt, ein Uhr jchlägt, 
Bir zum Mittagejjen fein bewegt; 
Dann greifen wir nad) ne und Gabel, 
Tangen fräftig an zu fchnabeln; 
Da wird dem Bauern angit und bang, 
Hei, die Mafchiner ejfen lang. 





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=> 97. a 


4. Wenn da3 Glödlein drei Uhr jchlägt, vier Uhr jchlägt, 
Wir zum Kaffeetrinten fein bemegt; 
Dann trinfen wir nad) unjfern Maßen, 
1, 2, 3, 4, 5, 6 Taffen, 
Und den Zuder aud) dabei (an der Naf’ vorbei), 
So muß’3 bei den Mafchinern fein. 


5. Wenn ba3 Glödlein fieben Uhr fchlägt, at Uhr jchlägt, 
Wir zum eierabend fein bemegt. 
Dann kommt der Meijter, tut uns fragen: 
Wieviel Yuder Habt ihr heut geichlagen ? 
Fünfunddreißig an der Zahl, 
Weil jo did gebunden mar. 


6. Wenn da Glöclein zehn Uhr fchlägt, elf Uhr jchlägt, 
Bir zum WAusgehn fein bemegt. Ä 
Dann gehn wir auf der Straß’ Tpazieren, 
Schöne Mädchen zu Tareflieren, 
Bi3 zur halben Mitternacht, 9 
Bi3 dad Wafjer im Scornitein Todt. 


31. Der Wilderer. 





Stich auf, friid auf,zum Ja - gen auf, wenn’s auf die Alın 'nauf geht! 
Berzforgt euch nur mitPulv’rund Blei aufs Hirfchlein und aufs 


[. 





Wild - pret muß da8 Geld er = ge » ben, dad3 Sa = gen, 





dad it mei» ne, mei» ne Zreud’, drum jag’ ih alz=Te= zeit. 
1. Frifch auf, frifch auf, zum Jagen auf, 3. Und al3 wir nun ind Wirtshaus kamen, 


Wenn’3 auf die Alm 'nauf geht! Kam gleich die Kellnerin ber. 

Berforgt euch nur mit Pulver und Blei | Was ejjet oder was trinfet ihr, 

Aufs Hirfchlein und auf3 Reh! Oder mwa3 ilt denn euer Begehr? 

Sa, da3 Zagen it ein Iuftig Leben, Schenken Sie nur ein Bier oder Branntemwein, 
Das Wildpret muß da3 Geld ergeben; Eine friihe Flafh Rot» ja Rotwein, 

Das Hagen, das ilt meine Freud, Und mad und einen Spedfalat 

Drum jag ich alle Zeit. Für mid und meinen Scap. 

2. Und al3 wir nun die Alm ’nauf famen, | 4. Und als wir gegejjen und getrunfen hatten, 
Sept’ ih meinen grün’n Hut auf, Führt’ ic) mein’ Scha nad) Haus. 
Berkleid’ mich al3 ein SJägerömann, Sch legt’ mich in mein Feder», Yederbett 
Sest Bufh und Feder drauf. Und jchlaf ganz ruhig aus. ' 


Rahm Schids und Büch3 an meine Seit’ Bleib nur liegen, bi3 der Kudud jchreit, 
Und feh jo einem Schneidertreiber glei, | Denn ber helle, helle Tag ift nicht mehr meit! 
Mein’ Stuten und mein Geitengemwehr Drum Schag, ach Schag, jebt Iebe, Iebe wohl, 
Und zieh ganz ftolz einher. ‘est geht’3 ind Land Tirol. 


Marriage 157; (nur im Anfang ftimmt dazu Wolfram 325a.b; 
Meier 26). D* 


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Fi 


_ 8 — 


32. Des Zägers Farbe. 





Hol-desBrün, wie lieb’ ich dich, Shönjter Au- genstrojt für mich; denn du 






I 





bist, jo wahr id; Weid-mann bin, alsler Fa n = Kö = . 


1. Holde3 Grün, wie lieb ich dich, 
Scönjter Augentroft für mid); 
Denn du bift, jo wahr ich Weidmann bin, 
Aller Farben Königin. 


2. Mohammed war ein Patron, 
Echte Schönheit kannt er jchon; 
Doch bei aller Farbenpradit 
Shm das Grün nur Freude madt. 





3. Hätte ic) ein Königreid), 
Tät ic’3 der Natur zugleich: 
Alle Mädchen, jung und jchön, 
Müpten Grün gekleidet gehn. 


Krapp 133 (fünf Strophen); Erf III 179. 


IV. Balladenartige Lieder. 


33. Die Südin. 


E3 war mal ei= ne Sü = din, ein munzsder= fchd - nes Weib, die 


hatt ei=ne jhö = ne Tohe=ter, ihr Haar war fchön ge - floch = ten, 


zum Tan= ze moll! fie gehn, zum Tanzze wollt! fie gehn. 


1. €3 war mal eine Südin, ein munderjchönes Weib, 
Die hatt’ eine jchöne Tochter, ihr Haar war jchön geflochten, 
Zum Tanze wollt’ fie gehn. 


2. „Ach Tochter, liebe Tochter, da8 Tann und darf nicht fein, 
Das gibt uns eine Schande für ganze jüdische Lande, 
Da3 Tann und darf nicht fein.“ 


3. Die Mutter lehrt den Rüden, da fprang fie jchnell davon, 
Sie fprang in eine Gaffe, wo Herrn und Schreiber jagen, 
Dem Schreiber jprang fie nad). 


4. „Ad Schreiber, Liebiter Schreiber, fchreib meiner Mutter ein’ Brief, 
Schreib mid) und Dich zujammen, zujammen in einen Namen, 
Daß ih eine Chriftin wär.” 


Krapp 92 (acht Strophen); Bödel 64; Wolfram 20; Marriage 
1; Bender *7,; Heeger um Wiüft I, 34a,b; Ertl 98 ad; vgl. aud) 
Beitfchr. T. öfterr. Boltst. 13, 155. 








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34. Die Heimkeßr. 


| ME NN an Zn 
Mü- de ehrt ein Wan-derd- mann da = her, fein Herz jchlägt 





tim fo ganz ge = wal= tig jhwer; er will jegt ziehn im’ 






nr 
hei=- mat-li- den Ort, fünf Zahriwar er vun Ef=ternshau= fe fort. 


1. Müde kehrt ein Wanderömann daher, 
Sein Herz fchlägt ihm fo ganz gewaltig jchmwer. 
Er will jegt ziehn in’n heimatlihen Ort, 

Yünf Fahr war er vom Elternhauje fort. 


2. Er mill jich holen feine Holde Braut, 
Darauf er all fein ganzes Leben baut. 
Bor einem Heinen Häuschen bleibt er jtehn 
Blei und. erftaunt, mag mußt er darin jehn. 


3. Sie fit am er bleih und abgezehrt, 
Bon weitem man fon Kinder fchreien hört. 
Er tritt berzu und fpricht ganz leif’ zu ihr: 
„Sib, gib mir Pla, mich Hungert und mich friert!“ 


4. „Segt euch hernieder, fpricht fie zart und fein, 
Erlaben Tann ich euch nicht, beiter Freund, 
Mein Mann ift Iranl, er ringet mit dem Tod, 
sch und die Kinder leiden felber Not. 


5. Doc Gottes Strafe bleibet nimmer aug, 
Mein Schat, der zog einft in die ‘yremd hinaus, 
‘ch aber brach den Ring und auch den Schwur, 
Ad wollte Gott, er fäm’ nie mehr retur.” 


Heeger-Wüft 160a (jeh8 Strophen). 


35. Drei gornige Mittter. 











Drei zorsniege Ritster aus frän=ki-jchem Heer 
z0g’n einsfam ge - rü=ftet zum Kamp-fe da = her. 


Sie 30 gen, ums 





gürstet mit Panzer und Schwert, zumStampfe gesrü-ftet das mutige Pferd. 


1. Drei zornige Ritter aus fräntifchem Heer 

ogen einjam gerüjtet zum SKampfe daher. 

ie zogen, umgürtet mit Panzer und Schwert, 
Zum Kampfe gerüftet da3 mutige Pferd. 


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=>, 90: 





2. Und al3 nun der Ritter zum Lager Hinkam, 
Gieh, da fam ihm entgegen ein Bote und |prad: 
„Herr Ritter, feid ftandhaft und fürchtet euch nicht, 
Gieh, id) bring euch entgegen eine jeltjiame Pflicht! 


3. Euer hübfches, euer feines, euer Töchterlein im Schloß 
Trägt heimlich) verborgen ein Knäblein im Schooß.“ 
Und ald nun der Nitter die Nede vernahm, 
Da verließ er das Lager, da3 Lager am Sand. 


4. Er eilte jchnell wieder zum ftätlihen Schloß 
Und ftürzte mit Wut auf fein Töchterlein Io. 
Er flug fie mit Peitjchen, mit Ketten und Schwert, 
Daß fjtromlos da3 Blut it geflofjen zur Erd. 


I. -  -  - - 0-0 
Ah Pater, ach Vater, ad) Vater verzeih, 
Der Himmel jei mir und aud) deiner getreu! 


Nad) einer Ballade von Franz Ratfhiy 1779; vgl. Heeger-Wiüft 
I, 58b; Marriage 31; Bender *207. 


36. Der Mörder. 





lieb - te einft ein Mäd- hen, wie je = der Süng-ling tut, ich 





wol = te fie ver füh - ren, da = zu Hat fie Feinn Mut. 


1. Ich Tiebte einft ein Mädchen, mwie’3 jeder Süngling tut, 
Sch wollte fie verführen, dazu ‚hat fie fein’ Mut. 
2. Ich ward: von ihr geriffen zwei Jahr fürd Laterland. 
Sie fchwor beim Abfchiedsfüffen mir Treue in die Yand. 


3. Ich kam einftmals auf Urlaub mohl in das Elternhaus, 
Sie aber ftellt fich blöde und eilt zur Tür hinaus. 


4. Das hat mich fehr verdroffen, ich faßte den Entichluß, 
hr Leben foll fie Laien, e8 Loft’ ja nur ein’n Schuß. 

5. Ich traf mit ihr zufammen; wohl auf dem Wilhelmöplag, 
Ah wollte mit ihr reden, fie murbe bleich und blaß. 


6. Ich lud mir den Revolver und fchoß ihr, durch Die Bruft, 
€3 Zoft’ ja nur ihr Leben, e3 Toft’ ja nur ein'n Schuß. 








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- s— 1. u.— - en 


| 
E; 


3l 


———— 


7. 3 ftellte mich dem Nichter, ward in derjelben Nacht 
Sn Ketten abgeführet und in Arreft gebradit. 


8. Hier legt man mid) in Ketten an einem eifern’n Stab, 


Hier follte i 


Krapp 
I, 14; vgl. Kuh Rahle, 
tum3funde d. Zreiburg 21, 


> 


gejtehen die fchauderhafte Tat. 


150a,b (zehn Zune), Marriage 39; Heeger-Wült 
% . Gefellich. f. Beförd. d. Geichichts- und Alter- 


87. Mariehen faß weinend im Garten. 





Ma- riechen jaß weisnend im Carsten, 


im Gra=fe, da jhlummert ihr 





Kind; durd 


ih = re jhwarzbrausnen Lof-Ten 


z0g lei= je der A-bend- 





wind. Sie fah Jo fin-nend, fo 


trau » rig, jo 





bleidh, 


1. Mariedhen jaß mweinend im Garten, 
Sm Grafe, da fchlummert ihr Kind; 
Durch ihre Ichwarzbraunen Loden 
Bog leife der Abendwind. 

Sie jaß jo finnend, fo traurig, 
So einjam ge ; 

Und dunkle Wolfen zogen, . 
Und Wellen jchlug der Teich. 


1. Der Geier zog über bie Berge, 
Die Möve zieht ftolz einher, 
Und hoch in der Xuft fingt die Lerche, — 
Mariehen mwirb’3 Herze fo fchmer. 
Schwer über Mariechens Wangen 
en leije Tränen hin, 

ie hielt in ihren Armen 
hr einziges, fchlummerndes Rind. 


Berf.: 3%. Chr. 
Heeger-Mült 251; Meier 310. 


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und dunkle Wol-ten 30 = gen 


Zeblig, 1832; 


und Wel-Ien flug der Teich. 


3. „Der Bater Hat dich verlafien, 
Dih und die Mutter dein, 
So find wir beide Waifen 
Auf diefer Welt allein. 
Dann jtürzen wir uns beide 
‚sn einen tiefen Gee, 
Dann find wir mohl geborgen 
Bor Kummer, Ad) und Weh.” — 


4. Da öffnet das Kind feine Augen, 
Schaut an die Mutter und lacht, 
Gie drüdt e8 an ihr Herze 
Und jpridt aus voller Mad: 
„Rein, nein, wir mwollen leben, 
Wir beide, du und ich, 
Deinem Bater jei alles vergeben, 
Wie glüdlid madhjt du mid). 


— Rrapp 186; Marriage 8; 


Eis, NO Sm 


38. Die Magd. 





E83 Haag ein Graf bei fei= ner Magb bi8 an den Hel= len 





da fing fie an zu mei- nen, da fing fie an zu mei=nen. 


1. &3 lag ein Graf bei feiner Magd biß an den hellen Morgen, 
Und als der helle Tag anbrad, da Thu jie an zu meinen. 

2. „Ad meine nicht, mein liebes Kind, ich will dir’3 gleich bezahlen, 
Sch geb dir meinen Neiteröfnecht, dazu jechstaujend Taler.“ 


3. „Den Neiteräfnecht, den mag ich nicht, ich will den Herren jelber.“ 
„Den Herren jelber Triegijt du nicht, geh heim zu deiner Mutter!‘ 


4. „Ad Mutter, liebe Mutter mein, gebt mir eine ftille Kammer, 
Darin ich fingen und beten kann und ftillen meinen Sammer.“ 


5. Der Graf zu feinem Neitfnecht Sprahh: „Sattle mir und dir zwei Pferde, 
Wir mwoll’n einmal jpazieren reiten und ung die Welt anjchauen !“ 


6. Und al3 man vor dad Stadttor fam, da trug man eine Leiche. 
„Ach Träger, liebe Träger mein, mas ift da3 für eine Leiche?“ 


7. „E33 ift ein cofenroter Mund, ein Kind von acjtzehn Sahren, 
E3 hat bei einem Graf gedient und auch bei ihm gejchlafen!“ 


Krapp 86 (zwölf Strophen); Bödel 6; Rewalter 2, 2; Wolfram 
Heeger-RVüft 37a; Marriage 12. 


89. Das Böfe Gewiffen. 





Heinsridh fchlief bei feisner Neu = ver = mählsten, ei = ner rei den 





1. Heinrich fchlief bei feiner Neuvermählten, 
Einer reichen Gräfin von dem Nhein. 
Schlangenbifje, die den TFalichen quälten, 
Liegen ihn nicht ruhig fjchlafen ein. 


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au. OR 


2. Bmölfe fchlug’3, da, drang durdh die Gardine 
Eine Falt fchneeweiße Hand. 
Wen erblidt er? Seine Wilhelmine, 
Die im Gterbefleide vor ihm jtand. 


3. „Bebe nicht!” jprach fie mit leijer Stimme, 
„Eh’mal3 mein Geliebter, bebe nicht! 
‘Sch ericheine nicht vor dir im Grimme, 
Deiner zweiten Liebe Fluch) ich nicht! 


4. Weine nicht, denn eine Welt mie Ddiefe, 
Int die Thräne, Die du meinft, nicht wert. 
Lebe froh und glüdlich mit Elife, 

Die du dir zur Gattin Haft erwählt. 


5. Warum traut’ ich deinen fchmachen Schwüren, 
Baute feit auf deine Lieb und Treu? 
Warum ließ ih mich durd deine Worte rühren, 
Die du gabit au3 layter Schmeichelei? 


6. Lebe froh und glüdlih Hier auf Erden, 
Bis du einit vor Gottes NRichterjtuhl ' wirft Itehn. 
Wo du ftrenger mwirjt gerichtet werden 
Für die Liebe, die du Haft verjchmäht. 


7. Bmwar der Kummer Hat mein jungfrifch Leben, 
Liebiter Heinrich, plöglich abgekürzt; 
Doc) der Himmel hat mir Kraft gegeben, 
Daß ih nicht zur Hölle bin gejtürzt. 
8. Schäbe Haft bu, Heinrich, ac) bediene 
Gie zu deiner und meiner Geelenrup. 
Schaffe NRuhe deiner Wilhelmine, 
Deren einzge Seligfeit marft du. 


9. Gute Werke, Heilger Männer Bitten 
Lindern oftmals diejen fchweren Bann, 
Doch du weißt &3, daß in jener Hütten 
Meine Mutter nicht viel opfern Tann.” — 


10. „Opfern foll ih? — Nun, jo Opfer, blute”, 
Brüllte Heinrich, „noch in diefer Nacht!” 

Sprang vom Lager, und in der Minute 
War, o Greul, der GSelbitmord jchon vollbradit! 


11. Gnade fand fie; ach, ihr Ungetreuer 
War verloren ohne Wiederkehr. 
Al ein Teufel, al3 ein Ungeheuer 
Srrt fein Geilt um Mitternacht einher. 


Berf.: 3. Fr. U. Razner 1779; vgl. a 64; Krapp 
128; Marriage 36; John 8; Meier 1 31. 


40. Das Schloß in Öflerreid. 





Sm Oftsreich Yiegt- ein fchö=nes Shlof, ein mwun=Dder = lid be 





Q 


bäu = de; von 


il=ber und von E= del-itein, von Marmor aus» ge = hausen. 
3 


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1. Sn Deftreich Liegt ein [hönes Schloß 
Ein munderlid Gebäude; 
Bon Silber und von Edelitein, 

Von Marmor ausgehauen. 


2. Darinnen lag ein fchöner SKnab 
Von zmweiundzwanzig sahren, 
Seh3 Klafter tief wohl in der Erd’ 
Bei Schlangen und bei Kröten. 


3. Die Mutter gin zum Richter Hin: 
„Schentt meinem ob fein Leben! 
GSehstaufend Taler geb ich euch), 
Schentt meinem Sohn fein Leben!” 


4. „nSechstaufend Taler ijt fein Geld, 
Euer m ber muß jebt jterben! 
Euer Sohn, der trägt eine goldne Kett’, 
Die bringt ihn um das Leben.‘ 


Ertl 61; Heeger-Wüft I 


34 — 


5. „Und trägt mein Sohn eine goldne ett, 


So ijt fie nicht geitohlen; 
Sein Liebehen hat fie ihm verehrt . 
Und Treu dabei gejchworen.” 


6. Und als man ihn zum Nichtplag führt 


Mit zugebundnen Augen: 
„Ad, bindet mir meine Augen auf, 
Daß ich die Welt beichaue!” 


7. Und als er nun zur Nechten fah, 
Sah er feinen Vater Stehen. 
„Ad Sohn, ad) Sohn, geliebter Sohn, 
Muß ich dich fterben fehen!“ 


8. Und ald er nun zur Linken jah, 
Sah er fein Liebchen ftehen. 
Er reicht ihr die fchneeweiße Hand: 
„Sm Himmel fehn wir und wieder!” 


18; Bödel 28 und Handbuh ©. 135f. 


41. Die Aänberdraut. | 





Nicht weit von bier in 





Da wohnt ein Mäd 
Sie war fo fchön, fo 


So fprid: 


Marriage 33. 


*, An einem Wafjerfalle = in einer Mühle. 


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ei= nem tiesfen Ta = Te, 


da twohnt' ein 


Thon wie Milh und Blut, fie war von Herzen einem NRäu-ber gut. 


1. Nicht weit von hier in einem tiefen Tale, 
en an einem Wafjerfalle *); 
hön wie Milh und Blut, 


Gie war von Herzen einem Räuber gut. 


2. „Geliebtes Kind, du dauerit meine Geele, 
Sch aber muß zurüd in meine Höhle. 
Bet dir Tann ich nicht länger glüdlich fein, 
Sh muß ja fort in’n tiefen Wald Hinein. 


3. Nimm diefen Ring, und jollt’ did) jemand fragen, 
Ein Räuber, ein Räuber hat ihn getragen, 
Der dich geliebt bei Tag und bei Nacht, 
Und aud fo mandes Mädchen umgebradit. 


4. Geliebtes Kind, und werd ich einmal jterben, 
So follft du alles, ja alle8 von mir erben, 
Sch fchreib did in mein Teitament hinein, 
Und du allein follft meine Erbin fein.‘ 








_— 1. wu wor 








=; 





42, Die einzige Liebe. 





L$£ DD 3 | 
IH — Be 2] 
ne 





Sn der Haupt > ftadt 


Ko = pen 


= ha = gen leb = te einft ein 





Gut geswann,derduch Fleiß undfrohes Lesben fich viel Geld und Gut gewann. 


1. Sn der Hauptitadt Kopenhagen 
Rebte einft ein Handeldmann, 
Der duch Fleiß und frohes Leben 
Sid viel Geld und Gut gewann. 


2. Bon jechs Kindern blieb am Leben 
Rur ein einzig Töchterlein. 
3,: E3 war de3 Bater3 einzig Streben, 
Ei dem Finde ganz zu mweihn. :,: 


Zum Gefpielen ward erforen 
oil eine3 Gärtner3 Sohn, 

: Der die Mutter früh verloren, 

Und der Bater dient um Lohn. :,: 


4. E3 waren kaum drei $ahr verflofjen, 
Kehrt ind Dorf ein fchmuder Mann, 


3,: Der voll jehnenden Berlangens 


Hielt um jie beim Bater an. :,: 


5. Doc diefen Tonnte fie nicht Lieben, 


Dieweil ihr Herz für Adolf fchlug. 
: Da ward jchnell ein Brief gefchrieben, 


Der die Botichaft zu ihm trug. :,: 


Bol. FZohn 22. 


6. ‚Adolf, Adolf, Derzgeliebter, 
Zeuret Adolf, rette mich! 

: Der will mir dad Herze rauben, 
Dad allein nur fchlägt für di!“ :,: 


7. 43 er diefen Brief gelejen, 
Griff er fchnell zum Wanderitab, 
Neifte noch zur felben Stunde 
Sehnfuchtsvolt nad) Bremen ab. :,: 


8. Al3 er fam zur Kichhofamauer, 
diel er vor’'m Wltare hin 
: Als fie Adolf da erblidte ”) 
Fiel fie tot zur Erde Hin. :,: 


9. Alles ftaunte, alles meinte, 
Alles Fagte ringsumbher; 
:,: Und der greije Vater meinte 
Um fein früh verlornes Find. :,: 


10. Drum, ihr Eltern, follt nicht murrer 
Wider eures Kindes Herz! 
:,: Raßt fie nehmen, wen fie mwollen, 
Wenn ihnen Gott bejchert ein Herz! :,: 


43. Eine Heldin woßlerzogen. 


1. Eine Heldin mwohlerzogen 
Mit Namen Elijabeth, 
Sie fhoß mit Pfeil und Bogen 
Sp gut al3 wie ein Held. 


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Kr 


Ei=ne Hel=din wohl =er = 30 = gen 


fie jhoß mit Bfeillund Bo=gen fo gut 


2. Ein Kitter jung von Sahren, 
Mit Namen Eduard, 
Bei einem Nitterfpiele 
Sid) in fie verliebet Hat. 





mit Namen E = li = fa=beth, 





als wie ein Held. 


*, Während der Trauung mit dem Fremden. 


3+ 


u 


3. Er Tauft ihr Papageien, 6. „Das Roß foll deiner warten,‘ 
Den fchönften Nitterjtrauß, Eilt fie dem Walde zu, — 
Aber nichts brach ihren Willen, Da erblidt fie Eduarden, 
Sie flug ihm alles au2. Sn Bärenhaut verhüllt. 

4. Einft ritt fie eine Strede 7. Sie Hagt, fie weint, fie jammert, 
Als SZägrin in das Holz, Rauft fich die Haare aus, 
Da erblidt fie in einer Ede Segt fid) aufs Roß und Jagel 
Einen Bären, und der mar jtolz. Halb tot, halb bleich nach Yau2. 
"5. Schnell wie vom Blik getroffen, 8. E3 waren faum vier Wochen, 
Wagt e3 das Fühne Weib; Da dies gejchehen mar, 
Sie fhoß mit Pfeil und Bogen Da begrub man ihre Knochen 
Dem Untier in den Leib. Beim Staube Eduardä. 


Rrapp 60 (fieben Strophen); Wolfram 46; Lemwalter 5, 65; 
Ert II 1470. Nah einem Gedicht von Pfeffel, vgl. John 5a.b. 


44; Es wollte ein Mädhen in der Früh anfflehn. 





grüsnenWald, wollt’ in den grü=nen Wald jpa = zie = ren gehn. gehn. 
1. € wollte ein Mädchen in ber Frühe aufitehn, 

:,: Wollt in den grünen Wald :,: Spazieren gehn. 
2. Und ald das Mädchen in den Wald hinein Tam, 

:,: Sieh da fand fie einen :,: Qerwundten Knab. 


3. Und diefer Süngling und der war vom Blut jo rot, 
:,: Und als fie ihn verband :,: War er jchon tot. 


4. Ei mo frieg’ ich nun zwei junge Leidfräulein, 
:,: Die mir mein junges Lieb :,: Bu Grabe mein’n. 
5. Ah Schäblein, wie lange foll ich trauern um dich? 
:,.: Bi3 daß alle Wäfferlein :,: Beifammen fein. 


6. Und alle Wäfferlein fommen nie zufammen, 
:,: Ei fo nimmt da3 Trauern :,: Kein End nicht mehr. 


Krapp 108, Bödel 33; Wolfram 29; Marriage 2; Bender 
169; Heeger-Wüft I 33; Ertl I 96 b—h. 


45. Abfıhied für immer. 


N 
Y ee er ee N 
4 I O5 | I Be 39 N 3 Te a 


AS _ IT Tea een 
Bene er ee Se rn 





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1. &3 jchliefen zwei verborgen 
Sn einem ederbett, 
Bom Abend bi3 zum Morgen, 
Bis daß der Tag fie mwedt. 


2. Am andern Tag frühmorgens 
Zieht der Süngling in den Srieg. 
„Wann Tommjt du mieder nad) Yaufe, 
Wann fommjt du wieder zu mir.“ 


3. „Heut überd Jahr im Sommer, 
Benn NRofen und Nelten blühn, 
Dann fomm ich wieder nad) Haufe, 
Dann komm id) wieder zu Dir.“ 


Br 


4. Das andre Kahr im Sommer 
Klopft der Jüngling an die Tür: 
„80 ijt denn meine Anna, 

Wo ijt die Anna Hin?“ 


5. „Deine Anna ijt gejtorben, 
E3 ijt heut der dritte Tag; 
Das Weinen, ja da3 Weinen, 
Hat fie ind Grab gebradht.” 


6. „So laßt und auf den Friedhof gehn, 
Wollen juchen, wollen rufen, 
Wollen fuhen Annas Grab,“ 
Bis daß fie Antwort gab: 


7. Holder Jüngling, bleib du draußen, 
E3 ift Hier eine finftre Nadıt. 
Kein Glödlein Hört man läuten, 
Hier fcheint weder Sonn’ noh Mond. 


Krapp 37 (adht Strophen); Marriage 14; Heeger-Wüjt I, 62a. 


46, Die Angfüklihe. 





fa = ge Gott mein Her = ze = leid. leid. 


1. Steh ih an eijernem Gegitter 
syn. der Stillen Einfamteit, 
Klage laut und weine bitter, 
Klage Gott mein SHerzeleid. 


2. Ad, wa3 bin ich fo verlafien 
Auf der Welt von jedermann, 
Yreund und Feinde tun mich hafjen, 
Keiner nimmt fich meiner an. 


3. Einen Vater, den ich Hatte, 
Den ich Vater Hab genannt, 
Eine Mutter, die ich liebte, 
Die hat mir der Tod entwandt. 


4. Beide find für mich verloren, 
Diejes Opfer ift nun hin. 
Uch, wär ich doch nie geboren, 
Weil ich jo unglüdlich bin! 


5. Schönfter Jüngling, nimm zum Pfande 
Diefes blondgelodte Haar 
Mit dem rojajeidnen Bande, 
Das an meinem Bufen war! 


6. Schönjter SZüngling, mein Verlangen, 
Höre, was dein Mädchen fpricht! 
Laß mich füjjen Deine Dangen, 
Sag ja nur, ich liebe dich! 


7. Sollt ich aber unterdejjen 
Sn meinem erfer Schlafen ein, 
D fo pflanz auf meinem Grabe 
Rofen und PVergißnichtmein ! 


Krapp 231 (zehn Rande) Bödel 22; ROLE 403; Mar- 


riage 100; Heeger-Wüft I 


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206; Erf IL 727 





4.98. u 


47. Der Irene Sufar. 





jechg, fie-ben Kahr und noch viel mehr, die Lieb’, die nahm fein End’ nicht mehr. 


1. €3 war einmal ein treuer SHufar, 3. Drauf gab er ihr die rechte Hand, 
Der liebt fein’n Schaß jedhg, fieben Sahr; | Sie war jchon Falt und nicht mehr warm. 
:,: Gech3, fieben Jahr und noch viel mehr, | :,: Gefchwind, gejchmwind, bringt mir ein Licht, 
Die Lieb, die nahm Fein Ende mehr. :,: | Sonft jtirbt mein Schaß, und id) feh es nicht. : ,: 


2. Und al3 man ihm die Botichaft bracht, 4. Wo Triegen wir jedh& Träger her? 
Daß fein Teinzliebhen am Sterben lag, | Sech3 Bauernknedht fein allzujchlecht! 
2,: Da verließ er all fein Hab, fein Gut | :,: Sech8 Unteroffizier’ fein Hübjch und fein, 
Und eilt nad feinem Feinsliebchen zu. :,: | Sie follen tragen mein jehön Schäßelein. :,: 


5. cd Hab getragen einen roten Nod, 
Sept muß ich tragen einen fchwarzen Rod, 
Einen [hwarzen Rod jechg, fieben Sahr, 
Bi3 daß er ganz zerrilfen mar. 

‚ Sedh3, fieben Zahr und noch viel mehr, 
Die Lieb, fie nahm kein End’ nicht mehr. 


Krapp 9; Lemwalter 2, 40; ®olfram 27; Marriage 17; 
Ert I %d. 


48. Die Beiden Grenadiere. 










. ki 7 9, — AÄ—h 


deut= he Quarztier, da Tie= Ben die Köpfe fie Hanzgen. 








1. €3 waren einft zwei Grenabier, 2. Der eine fprad: „Mir ift nicht wohl, 
Die waren in Rußland gefangen; Am liebiten, da möchte ich jterben; 
Und als jie famen ins deutjche Quartier, | Doch Hab ich ein Weib und drei Kinder zu Haus, 
Da ließen die Köpfe fie hangen. Die ohne mich verderben.” 


3. Der andre fprah: „Wa3 Tümmert dich 
Dein Weib und deine drei muntere Kleinen! 
Laß meinen, laß betteln, wenn hungrig fie find, — 
Mein König in Rußland gefangen!’ — — 


Nach dem bekannten Gedicht von 9. Heine. 


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39 


49. Die SHeldfimörderin. 





1%, Pu 
AR? DI 7 rer 
Br a |; Ga Fe ET a ET FR 
Kennt ihr der Jungsfrau Schref- end - fun = de und mie fich’3 
Pa NN BB: Ä 
m Be a 2 = _ 
II —! bg [EB > re 
zu» trug in der Stadt? Co nehmt eud dies zu Herzens: 





Und wie jich’3 zutrug in der Stadt? 


:,: So nehmt eud) dies zu Herzensgrunde, | :, 


Was falihe Lieb für Folgen Hat. :,: 


2. Ein Mädchen, jung von adhtzehn Jahren, 


Verführt duch Männerichmeichelei, 
:,: Sie mußte jhon zu jrüh erfahren, 
Daf fie jchon eine Mutter jei. :,: 


3. Den ganzen Tag rang jie die Hände 
Und Ihrie: „Ach Gott, verlag mid) nicht!“ 


: Weil ihre eigne Schuld jie plagte, 
&ie fuhte Ruh und fand fie nicht. :,: 


- jche 


1. Kennt ihr der Jungirau Schredensfunde 


Nieb’ 


für 


| 4. Vom Mutterherzen ganz verlafjjen, 
Ging jie des Sonntags Mittag aus, 
: Sie hatte jich jo feit entichloifen, 
Nie wieder zu fehr'n ins Elternhaus. :,: 


Hol = gen 


5. Sie ging von Hamburg bis nad) Bremen, 
sn Bremen ging jie an die Bahn, 
: Gie legt ihr Haupt wohl auf die Schienen, 
Bis daß der Zug von Hamburg fam. :,: 


6. Die Bremjer Hatten’3 jchon gejehen, 
Sie bremiten mit gemwalt’ger Hand; 
: Sedoch der Zug, der blieb nicht Erden 
| hr Haupt rann blutig in den Sand. 


50. Die unglüklide Anna. 


lan » ge 





fie = ber 


lie = bet mich viel 


1. „Schiffer, ich erwarte einen Mann, 
Seh nur zu, jolange er noch Fan; 
Denn ich habe einen Vater, und der fiebet mid) 
Viel Tieber al3 die ganze Welt.“ 


2. Und al3 der Vater angefommen mar 
Und jeine Tochter traurig jigen jah: 
„Ah Vater, verjege deinen jchiwarzen Rod, 
Und Id—ja—löje mich Heraus!“ 


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er noch fan; denn 





eis nen Va=ster und der 


De 


ih ba= be 


al3 Die Welt. 


3. „Mein’n jchmwarzen Nod ee ich 
n 


gan = ze Belt. 


ja nıdt, 
Dein jungfriich Leben rette ich ja nicht! 
Denn da3 Scifflein muß verlinken, 
Und die wunderjchöne Anna muß ertrinfen.” 


4. „Schiffer, ich erwarte einen Mann, 
Seh nur zu, folange er nod) Tann; 
Denn ich habe eine Mutter, und die liebet mich 
Viel lieber. .al3 die ganze Welt.‘ 


5. Und ald die Mutter angelommen war, 
Une ihre Tochter traurig figen fah: 
„Ah Mutter, verjege dein grünes Kleid, 
Und L—ja—Iöfe mich heraus!“ 


6. „Mein grünes Kleid verjege ich ja nicht, 
Dein jungfriih Leben rette ih ja nicht! |- 
Denn da3 GScdhifflein muß verlinken, 

Und die wunderichöne Anna muß ertrinten.” 


7. „Schiffer, ich erwarte einen Mann, 
Geh nur zu, folange er noch Tann; 
Denn ih Önbe einen Bruder, und ber Tliebet 


| m 
Viel lieber al3 die ganze Welt.” 


8. Und al3 der Bruder angelommen war, 
Und feine Schwefter traurig fiten fah: 
„Ad Bruder, verjege deine goldne Fett’ 
Und K—ja—löje mich heraus!” 


40 





9. „Meine goldne Kett’ verfege ich ja 
nicht 


pt, 
Dein jungfriich Leben rette ich ja nicht; 
Denn da3 Ghifflein muß verfinten, 
‚Und die wunderfhöne Anna muß ertrinten.” 


10. „Schiffer, ich erwarte einen Man, 
Geh nur zu, folange er noch Tann; 
Denn ich Habe eine Schweiter, und die liebet mid 
Viel lieber al3 die ganze Welt.‘ 


11. Und al? die Schmweiter angelommteen war, 
Und ihre Schmweiter traurig fiben fah: 
„Ach Schwefter, verjege dein weißes Kleid, 
Und Ids—ja—löfe mid) heraus!” 


12. „Mein weißes Kleid verjeße ich ja nid, 
Dein jungfriich Leben rette ich ja nicht!” — 
— Und das Sdifflein fuhr an’n Strande, 
Und die wunderjhöne Anna fam and Lande. 


KRrapp 213; Heeger-Wüft L 25; Ert 178, 
51. Händeruntat. 





Ein junger Grafaus Fran-kensland durdherei=fte damals Bo =Ien, 
Mit Weib und Kind aus die = fem Land ein’'n 





Krie= ge war, als 


Blef - fier = ter Sahr 


mehr’ » re 





War-fhau war 

1. Ein junger Graf aus Frankenland 
Durchreifte damal3 Wolen, 

Mit Weib und Kind aus diefem Land 
Ein’n Bruder abzuholen, 

Der mit im ruffiichen Kriege war, 
As ein Blefjierter mehr’re &ahr 
Sn Warfhhau war geblieben; 

Dort fanden ihn die Lieben: 

2. Mit Freuden kehrten fie nun heim, 
Vergangnen Schmerz nidht3 achtend; 
Gie stehn vergnügt in Bofen ein, 

Um dort zu übernaditen. 
Drauf jeßten fie die Reife fort 
Von einem Wald bi3 an den Ott, 


Wo diefe Räuberhorden | 
Shr Handwerk trieb’n im Morden. 


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ge = blie= ben, dort fan= den ihn die Lie = beu. 


3. Da3 Raubgejindel war verftedt 
Wohl Hinter einem Hügel 
Und fiel, ala ed den Raub entdedt, 
Den Pferden in die Zügel. 
Man Ihoß und hieb, ed mwehrten fich 
Die Neifenden ganz fürchterlich, 
Ein Diener ward, voll Wunden, 
Un einen Baum gebunden. 


4. Die junge Gräfin fchleppt man fort 
Bi3 zu der Näuberhöhle, 
Daß man an diefem Schredensort 
-Mit böfer Luft fie quäle. 
Der junge Graf verteidigt fie, 
hr Kind fällt bittend auf die Knie; 
Sie werden unter den Streichen 
Der Mörder beide Leichen. 





5. Der Kutiher war in der Gefahr 
Den Räubern fchnell entgangen. 
Sie festen noch — allein er war — 
Shm nad, um ihn zu fangen. 
Er aber eilte von dem Drt 
Nah Bojen, wo er gleich jofort 
Erzählte dem Gerichte 
Die jchredliche Gefchichte. 


41 


6. Durchfucht ward nun der ganze Wald 
Bon Bauern und Soldaten, 
Man fand die Räuberhöhle bald 
Und fah die Gräueltaten. 
Die Räuber wurden arreitiert 
Und glei nad) Pojen transportiert, 
Wo a. nad) wenig Tagen 
Der Kopf ward abgeichlagen. 


7. Gefchieht eine Tat bei Tag und Nacht, 
Sp wird fie do ana Licht gebradt; 
Das Lafter Iann auf Erden 
Und dort nicht glüdlich werden. 


Am Hintergrund diefes Liebes fteht der Feldzug nad NRukland 1812. Das 


Lied ift ganz auf den Ton der „Moritaten“, wie fie früher auf Jahrmärkten zum 
Vortrag kamen (mit begleitenden Bildern, bie einzelne Szenen barftellten), ge 
ftimmt. Auch „die Moral aus der Geichicht”“ (Str. 7) fehlt nicht. 


52. Der Hänber. 





E3 mol! ein Dann in ft = ne et = mat 
Er muß = te ei = net gro = Ben  durd= 





——n 


i= fen, er fehn=te fi zu feienem Weib und Sind. 
rei = jen, wo plög=lih ihn ein NRäusber ü = ber = fiel. 


1. €3 wollt! ein Mann in feine Heimat reifen, 
Er fehnte jich zu feinem Weib und Kind. 
Er mußte einen großen Wald burchreifen, 
Ro plöglid ihn ein Räuber überfiel. 


2. Der Näuber jchrie: „Halt, bleibe vor mir jtehen, 
Gib mir dein Geld; denn ich weiß, du Haft fehr viel.“ 
Der Mann, der fprad: ‚Sch hab nichts ala mein Leben, 
Wenn du mir’3 nimmit, fo haft bu auch nicht viel.” 


3. Der Räuber jhhrie: „Laß mich nicht lange warten,” 
Und jeßt’ den Dolh dem Mann auf feine Bruft. 
Der Mann, ber öffnet feine Bruft mit Freuden: 
„Stoß du nur zu den Dold in meine Bruft!“ 


4. Der Räuber fchrie und Hagte mit Entfeßen: 
„Ras trägit du Hier auf deiner blanfen Bruft ?” 
„&3 it da3 Bild der Lieben Mutter meine, 
Das ift doch Hier faft jedermann bewußt.” 


5. Der Räuber fchrie und Iniete vor ihm nieder, 
„Ach großer Gott, mein Bruder fteht vor mir.“ 
Er Tüßte ihn, dann füßten fie fich beide; 
„Wohlan, wir wollen Brüder, Brüder fein!” 


Dei diefem Liebe fcheint Ieider ein Melodienfa zu fehlen; Die zmeite 
Strophenhälfte wird auf diefelbe Weife gejungen wie die erite. 


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ITET 





der Süngling,der ihr unetreu war, wollt’ fie einjt-mal8 ent= füh.ren. 


1. &3 ging mal ein verliebte Paar 3. „Wa wird ba3 für eine reude fein, 
Wohl in den Wald fpazieren; Die ih im Wald foll haben! 
Der Süngling, der ihr untreu mar, ' Das wird fürwahr die lebte fein, 
Wollt’ jie einjtmal3 entführen. | Daß ih im Wald foll jterben.” 

2. Er nahm fie bei der rechten Hand 4. Er 308g fein fcharfe8 Mefjer heraus 
Und führt’ fie in3 Gejträuche Und ftah ihr in das Herze, 
Und jprad): „‚SDerzallerliebite mein, Gie idhrie: „OD Re—0—Zefu mein, 
sh mweiß dir eine Freude.‘ ‘cd jterb vor Angit und Schmerze.” 


Krapp 78; Marriage 33; Sohn 10; Erf I 52; vgl. aud: 
Mitt. d. Schlef. Gel. f. Volkzt. 20, 98; Zeitichr. f. öfterr. Volfsf. 13, 1515.; 
Y; nn. : a eine modernen Bolfzliedes, Schweiz. Ar. f. Volkskunde 


54. Ariegers Tod. 


Zu dem in ben Vorbemerkungen über „Taltmechjel” Gejagten muß an diejer 
Stelle gelegentlich de3 nachfolgenden Liedes noch einiges Hinzugefügt merden. ch, 
habe außer diefem Liede noch einige andere Lieder genau in der Art taftmäßig 
eingeteilt, wie jie vom Wolfe gejungen werden.. Dabei habe ich die Beobadjtung 
gemacht, daß bei diefer Art der Metronomifierung die Lieder nicht unter eine 
einheitliche, für da3 Ganze geltende Taftvorzeichnung au bringen find. Der Takt 
mwechlelt vielmehr fortgejegt; doch ift auch bei diefem Wechjel eine gemwijje Negel- 
mäßigfeit zu bemerfen, wmwenigiten3, wenn man die einzelnen Melodienjfühe Des 
nadyitehenden Liedes vergleicht. Eine weitere interefjante Beobadhtung it an 
diefem Liede zu machen: Während des Singens des Liedes tritt Melodien- 
wechjel ein, doch Hat fich die zweite Melodie in ihrem zmeiten Teile 
bereit3 ganz der eriten Weile angeglichen. Die in dein Liede vereinigten 
m Melodien legen den Schluß nahe, daß aucd) zwei verjchiedene Terte hier in 
erbindung gebradht worden find. Die „erfte Melodie” fcheint fi am beiten 
erhalten zu haben, während die „zweite Melodie” (die mahrjcheinlich diejelbe ift 
wie bei dem Schürzliede: Schäglein, reich mir deine Hand) nicht mehr ganz er- 
halten ift. Der Wechjel der Melodien tritt meiftenz in der 2. Strophe ein; doch 
ift der Uebergang nicht feitliegend. 


Erite Melodie. 





Vögslein fin=gen fro» he Lie=der, die Son=ne fant nad) Wesften zu. 





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u, Ag ei, 
Zweite Melodie (vollögefangsmäßig). 
Po na 5 ee Eee 
Und fie gingen in die Kam=mer, hu=ben auf dag Lei = den=tudh,— 
2 REN j N 
NG, | IN Er R Rei 0 U 5) _ 0,0 0 0 1] 
hr rer 


ei= nen Schrei und fie fiel nie- der, und man grub für zwei ein Grab. 
Beide Melodien haben 3/, Takt. Die erjte Melodie fängt jedoch mit un 


betontem Taftteil, alfo mit Auftakt an, während die zweite mit vollem (betontem) 


Takte anfängt. Der Einfluß der 2. Melodie hat nun bewirkt, daß beim 
Singen de3 Liedes durc da Volk auch der Auftalt der 1. Melodie zu einem be- 
tonten Taftteile wird; die nicht „Itilijierte” Melodie fieht dann folgendermaßen auz: 






 Keisfe tö = nen AU=bend = glof= fen, die Na 
ee Be 0 BD N] 
em ze 


tur jenft ih zur Ruh’, Bög-lein fin=gen fro = he 





ie » der, Die Son = ne fant nad Me = jten zu. 


Welches Bild würde ji) nun ergeben, wenn bie beiden Lieder, die da mit- 
einander verbunden twurden, ame Melodien mit en Tafte (die 
eine mit %/,, die andere vielleicht mit 3/, Taft)) hatten? **) Und im Volfäliede fommıt 
eö’ jehr häufig vor, daß Strophen eines Liedes in ein anderes Lied wandern; 
fie nehmen dabei ihre altde Meelodie mit und beeinfluffen dadurd; mehr oder 
weniger die dortige Melodie,, was jid) fajt immer in den Schwantungen be3 
Taftes, manchmal aber aud). darin zeigt, daß das neue Lied in zwei oder nod) 


mehr Melodien gejungen werden Tann. (Bgl. au Nr. 55.) 


Kriegers Tod. 


1. Leife tönen Abendgloden, 4. KReije Hopft e3 an die Türe, 
Die Natur jenkt fi) zur Rub; Tritt herein ein Mütterlein: | 
Böglein fingen Abendlieder, „Liegt mein Sohn hier nicht verwundet ? 
Die Sonne fanf nad) Weiten zu. Sch möcht’ gern feine Pfleg'rin fein.“ 

2. Xeije geht e3 durch das Klofter; 5. „Zeure Mutter,” |prad) die Nonne, 
Eine Nonn’ im jchwarzen Kleid „Euer Sohn, der lebt nicht mehr; 
DBetet für den armen Krieger, Eben erit ift er verfchieden, 
Der zum Gterben ijt bereit. Seine Leiden mwaren jchmwer.” 

3. Beine find ihm abgejchojien 6. Und fie gingen in die Kammer, 
Und dazu die rechte Hand, Huben auf dag Leichentudh: — 
Dafür Hat er treu gelitten Einen Schrei — und fie fiel nieder, 
Für jein teures Vaterland. Und man grub für zwei ein Grab. 


-—. 7 mn. 
ı a 


*, Die Heinen Noten deuten die vermutliche frühere Form der Melodie an. 
++, Bei Kohn find für diefes Lied ebenfalls zwei Melodien verzeichnet, 
davon eine im #/,, eine im ?/, Takt. 


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Rei = e 





Bög-lein fin = gen fro = be 
1. Zeije (tönen) EN die DROGEN, 
Alles neiget jich zur Ruh; 


Böglein fingen frohe Lieder, 
Sonne janf nad) Weiten zu. 


2. Xeije geht e3 dur) das Klojter 
Eine Nonn’ in jchwarzer Tracht, 
Gie betet für den armen Sirieger, 
Der verwundet in der Schlad)t. 


3. Beide Beine abgejchojjen 
Und dazu die (der) rechte Hand (Arm), 
Weil er jo tapfer Hat gefochten 


sn Meiches, 3/, Stund von Storndorf, Hat das Lied folgende Form: 


tö=s nen = bend= glof-fen, 


Lie=der, Son=ne fank nad) We-jten zu. 







44 °— 








al»Ie8 nei=get jih zur Ruh’; 


4. Reife pocht e8 an der Pforte, 
Und die Mutter jteht dafür, 
Sie Sprit: „Mein Sohn ift Ichwer verwundet, 
Sch möcht’ gern feine Pileg’rin jein.‘ 


5. „Arme Mutter!” jprad) die Nonne, 
„Euer Sohn, der lebt nicht mehr, 
Eben Hat er auögelitten, 
Seine Leiden waren jchwer.‘ 


6. Leije trat jie an da3 Bette, 
An das Leichentuch heran, — 
Einen Schrei, — und fie janf nieder, 


Für fein Vaterland jo warm. Der Gräber grub für zwei ein Grab. — 


Sohn 183. 
55. Benannt: Pas Meihefer Lied. « 
I. en Form, wie das Lied vor etwa 30 Jahren gejungen wurde: 


. 
IT ee AN a a A 
BE Er IT a m FF 
IE 2 EL 2 ge ep ER Be Fe a De I u —J: 
a A Hu nn I 


hin; fie lieb=ten jih fo insnig=lid, das Schidfjal führt fie wunder ic. 
Genauer Tert von alten Leuten nicht mehr zu erlangen, doch jcheint er 
in der Hauptjache mit dem untenjtehenden Tert übereinzujtimmen. 


I. Heutige Form (der die oben abgedrudte erjte Strophe fehlt): 








Ein Si wollt’ auf ae Lieben blieb ganz trausrig ftehn. 


— I G vn en te E 7 ss: 4 
Gr a „I a ET AP ty E 4 
nr Be) 7 er TEN EL en 


Weine nicht, weine nicht, mein liebes Kind, du weinft dir deisne Nuglein blind. 


1. Ein Füngling wollt auf Reifen gehn, 
Sein Liebehen blieb ganz traurig jtehn; 
„Weine nicht, weine nicht, mein liebes Kind, 
Du weinft dir deine Weuglein blind.‘ 


2. „Ad Mutter, da3 Weinen hat feine Not, 
Sch münjcht’” mir lieber den bittern Tod; 
Denn für mich gibt’3 Teine reude mehr. 
Wenn ich doch nie geboren wär.” 


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bu. 


2 Ay u 


3. Die Mutter merkte fi mohl a Wort 
Und jchrieb’3 dem SJüngling an jeinen Ort. 
Der wußte nicht, wie ihm gejchah, 

Als er jein Tranfes Liebehen jah. 


4. Die roten Wangen, fie waren bleic, 
Die zarten Lippen jo alt wie Ei3. 
Gie Ki füftert ihm ganz leife zu: 
„Schaß, trage mid) ın Grabes Ruh!” 


Bar.: 1,2: Sein Mädchen blieb; 1,3—4: Bleibe nicht zu Tang, Tehr bald 
zurüd, fonft fomm ih um mein größtes Glüd. Das Lied wird fehr langjam 
und ruhig gefungen. 


II. An diefes Lied wird folgende Strophe angehängt: 


%h hab getrag’n einen roten Rod, 
u muß ich trag’n einen jchwarzen Rod, 
Einen jchwarzen Rod fechd, fieben Kahır, 
Bis daß er ganz zerrijien war. 
Sechs, fieben Kahr und noch viel mehr, 
Die Lieb, fie nahm fein End 2 mei 


Diefe Strophe ift au dem Liede ‚„„E3 wat einmal ein treuer Yujar” (Mr. 47) 
entnommen. Gie hat ihre alte Melodie beibehalten, ja da3 ganze Lied wird jeht 
(wie ich in Meiches jelbit beobachtete) auc) nad) diefer Melodie gejungen: 





® 
Ein Züngling wollt’ auffeifen gehn, fein Lieben blieb ganz traurig ftehn. Weisne 


N 

H-b Me 4 a — Be } 
r Be] 

Ar EI fo, ht 
Ve je | 


nicht, wei= ne nn lie = be3 Kind, du weinftdir dei = ne ugslein blind. 


Rrapp 83 (fieben a): Wolfram 26; Remwalter 4, 23; 
Heeger-Wüft [1T32; Erf I9 


V, Liebeslieder. 


56. Drei Uofen im Garten. 





mein Cha ift mir un=treu, mein Herz tut mir weh. ieh. 


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1. Drei: Rofen im Garten, 4. Und fommit du in Gefellichaft, 
Ein Schiff auf der See, — So nimm did) in adıt, 
Mein Schag ijt mir untreu, Daß du ja das SJamort 
Mein Herz tut mir meh. Keinem andern zujagit. 


2. Sch Stand an der Donau 5. &3 flogen zwei Tauben 
Und du an dem Rhein, Wohl über ein Haus, 
Sch mollte viel lieber, Mein Schaß, der mir bejtimmt ift, 
Du Lönnt’ft bei mir fein. Der bleibt mir nicht aus. 


3. Eh’ der Baum blühet, 6. Se höher der Kirchturm, 
Schlägt er erit aug, Deito jchöner das Geläut, 
SL der Baum Früchte trägt, Und je weiter mein Liebchen, 

Sjt’3 mit unfrer Lieb au2. Defto größer die Freud. 


Bu Strophe 6: Wolfram 457, 19; Marriage 69, 4; Bender 
228, 39 und unten Wr. 77, 


57. Die Amfel. 


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Anh [ı De ag re RB | 
IV I Er Ne Sen Nr — 
UNIV I | dd a I 


Ge-jtern WU = bend in der, ftil- len Ru’ fhlih id 





mid) im Wal) der Am = fel zu, eins, zwei. Sa, fie fang fo 





Bödel 5le; Wolfram 86; Yemwalter 3, 52; ERENE 72; 
Bender 13; Heeger- Wüft I 9a; Meier 115; Ent II 522 a—d. 


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E; 
NV 
- | —— Da 
Fr | mn En 
BR BERNER 
lei? » ne, nur al = lein fol mein Ber=-gnü = gen fein. 

1. Geftern Wbend in der ftillen Ruh 2. Soviel Laub an Bufch und Bäumen, 
Shih ih mid im Wald der Amfel zu. | Soviel Mal hab ich mein’ Schab gefüßt. 
2,: 3a, fie fang jo Ichön, : Und id) muß geitehn, 

Daß mein Beritand blieb ftehn: :,: & hat fein Menjch gejehn. :,: 
on nur alleine, nur allein Freiheit nur alleine, nur allein 

oll mein Vergnügen fein. Soll mein Bergnügen fein. 

3. Ei, du Heuchler, ei, du Schmeidjler, | 
Wer hat dir meinen Aufenthalt entdedt? 
:,: $a Hier draußen in dem Wald, 
Da ift mein Aufenthalt. :,: 
a nur alleing, nur allein Ä 
Soll mein Vergnügen fein. 







» 
Wie fcheint der Mond fo fhön bei bie=fer Naht. Zu meisnem Schäp- 





hen, da will ih ge = hen, vor ih=rem Fen = fter Schildiwvadh ftehn. 


1. :,: Wie jcheint der Mond fo jchön bei diejer Nadıt. : ,: 
Bu meinem Schäschen, da will ich gehen, 
Bor ihrem Fenfter Schilöwadh’ ftehn. 
2. „Wer ijt denn draußen, wer Hopft an, 
Der mid) fo IeiS aufweden Tann?‘ 
„Es it der Derzallerliebite dein, 
Schat mad’ auf dein YFeniterlein ! 
3. „Ad, Iieber Schaß, das Tann id) nicht, 
Denn meine Eltern, fie fchlafen nicht, 
Gie hören’3 gewißlih durd) die Wände, — 
Und unfere Liebihaft die Hat ein Gnde.” 
4. :,: „Du mirjt noch traurig fein bei diefer Nadıt! :,: 
Du wirft noch denten: Mein lieber Heinrich, 
Schat, ah Schat, ah Hätt’ ih dich!“ 
Krapp 248; Marriage 61; Heeger-Wüjt II 362. 


59. Sdeiden. 





ne 


jonft hätt’ er die leg=te GStun=de iu der Tie= be zu = ge - bradit. 


1. Wer da3 Scheiben hat erfunden, 3. Geh nun Hin zu einer Wndern, 
20 ana Lieben nicht gedadıt, Die dich herzlich Tiebt und Tüßt. 

onjt hätt’ er Die legte Stunde Sag ja nicht3 von meiner Liebe, 
‚sn ber Liebe zugebradht. Sag ja nur, du fennft mid) nit! 


2. Meine Yugen ftehn voll Wafier, 4. Soltt’ fich einft das Schidjal wenden, 
Und mein Herz, dad jhmwimmt in Blut. | Daß wir und nicht wiederfehn, 
Deiner Tan ich nie vergeffen, Ei, jo will ih dein gedenken 
Denn du warit mir viel zu gut. Auf dein eh’re8 Wohlergehn. 


5. Droben am Himmel ftehn nun Sterne, 
Die leuchten heller ala der Mond, 

Und an denen follit du jehen, 

Wie das faliche Lieben tut. 


Anm.: 5, 4 falide — vergeblidhe. 4, 4 eh’res Wohlergehen foll heißen: fie 


will beten, daß e3 ihm daum eher (bejier, leichter) mohlergehen Joll. 
Krapp 255; Marriage 103; Heeger-Wüjt II 329. 


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=. 48 


60. Alle Berg und Hügel. 





EP “ 
Al = le Berg’ und Hü = gel fal-e len üz= ber mi, \ 
bin de Le=bend mü = de, Gott ver- shar-zre mid, 





wo id Rushe fn = e mw ih fin - de Ruf. 


1. Alle Berg und Hügel fallen über mid), 
Bin des Leben müde, Gott, verfcharre mid). 
Gott verjdharre mich unter die Erd’, 

Wo ich ruhig fchlafen werd’, 
Wo ih ARuhe finde, 
Wo ih finde Ruh. 


2. Du geliebte8 Mädchen, ändre deinen Ginn, 
Weißt, wie jehr ich dich Liebe, weißt, wie gut ich dir bin. 
Will dich Lieben bi3 an mein Grab, ' 

Meil ich’3 dir verfprochen Hab, 
Darum, darum fterbe ich, 
Darum jterb ich gerne. 


Wolfram 238; Meier 346. 


61. Wetrogene Liebe. 








1. Ah Schönjter, Mllerjchönfter, 
Was führeft du im Sinn? 

:,: Eine Andre tuft du lieben, mich judhit du zu betrüben 
Und gibft mir einen Kuß, weil ich abjcheiden muß. :,: 


2. Ein Ruß von deinem Munde, 
Da3 Ichadet mir ja nicht. 
:,: Ein Rüjfelein in Ehren ift jedermann erlaubt, 
Und feiner ift auf Erden, der mir das Küffen raubt. :,: 


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wo." 
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4 


=. AG) 


3. hr Mädchen, nehmt euch wohl in act, 
Dieweil ihr Zungfrau’n feid! | 
:,: Sonft werbet ihr betrogen, fie marjchieren euch davon 
Und laffen euch das Heine, Heine Kind, das heißt Soldatenlohn. :,: 


4. Ah hätt! mid) meine Mutter 
An einem Baum erhängt. | 
:,: Ein’n Stein am Haus gebunden, ins tieffte Meer verfjentt, 
So hätt’ ich nicht erfahren, wie falfche Liebe Tränlt. :,: 


KRrapp 5; Bödel 31; Heeger-WüftI 146; Marriage 54; vgl. Ertl 


14a, 


62. Der Hilger. | 





En ar» mr Bi=- her bin ih zwar, ver - bien’ mein 








| nn Tg 


ruht, dann geht da His jhen no ein = mal fo gut. 
IL Melodie in vollgefangsmäßiger Metronomifterung: 











s fer ud, dann gebt dad 2 Hi=fhen noch ein » mal fo gut. 


1. Ein armer Fifcher bin ich zwar, :2. Wir fahren au3 zur See hinaus 
Berdien mein Geld ftet3 in Gefahr; Und werfen unjre Rebe aus, 
Doch wenn Teinsliebehen am Ufer rubt, | Da kommen Filche groß und Hein, 
Da geht dad Filchen noch einmal jo gut.| Ein jedes will einmal gefangen jein. 


3. Sie hat einen rojenroten Mund, 
Zwei Brüfte, die fein FTugelrund, 
Shre Füße, die fein hübfhy und fein, 
Shre Zähne weiß mie Elfenbein. 


 Berf.: %. Biürlli (1781); — Rrapp 59; Marriage 166; Kohn 41; 
Meier 69. 





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4 


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Auf der Welt ift mir nichts lie= ber, al® das Stüb=dhen, wo id 
Schneller. 





denn e3 wohnt mir ge=gen=-ü«-ber ei= ne fhö=-ne Nad:ba=rin. 


1. :,: Auf der Welt it mir nicht3 lieber, 3. :,:.3ch fteh auf und leg mich nieder, 


WS das Stübchen, wo ich bin, : ,: Sie erihien im Traum mir wieder. :,: 
Denn e3 wohnt mir gegenüber Mit Entzüden faßt ich fie, 
Eine jhhöne Nachbarin. Aber ’3 war nur Phantafie. 

2. :,: Sie ilt jchön und ftrahlt von ferne 4. :,: Ad, warum fchwebft du mir immer, 
Wie am Tirmament die Steme, :,: Schönfte Nachbarin, im Sinn? :,: 
Und nicdht3 andrea ift mein Sinn, Denn nicht? anders ift mein Sinn, 


As die fchöne Nachbarin. As du, fhöne Nachbarin! 





Denn fie wer = den Did = zie » ren, bei=- ne Chr’ wird 





du ver = lie= ren, glaub’ e8 fi = cher » lid). fi - der= lid. 


1. Kathrindhen, trau nur nicht, trau Fein’'m Soldaten nicht! 
Denn fie werden dich firieren, deine Ehr wirft du verlieren, 
Glaub es ficherlich! 


2. Soldaten Hab ich Lieb, drum ift mein Herz betrübt. 
u Weil fie fo Hübfch und fein und allzeit Iuftig fein, 
a Drum lieb ich fie. 


3. Wo ift denn der — ja — der Soldat, ber dich geliebet har? 
Der ift fchon Tängit marfcieret, ijt in Frankfurt einguartteret, 
Der it nicht mehr bier. 


Krapp 174; Lcwalter 3, 15; Wolfram 101; Erf II 148, 


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=, 81, 


65. Ih liebte eink ein Mädden. 





mehr, dad frän=fet mic mein Le = ben, mein Le=ben gar zu fehr. 
1. $ch Liebte einft ein Mädchen, jebt lieb ich fie nicht mehr, 
Das Fränfet mich mein Leben, mein Leben gar zu fehr. 


2. Sie war wie eine Rebe, fie jchaut mich freundlich an, 
Da war mir’3 gleih zu Mute wie einem Edelmann. 

3. Ad, Hab Geduld mein Liebchen, die Zeit, die fommt heran, 
Wirit du mein liebes Weibchen und ich dein lieber Mann. 


66. Hord, was Kommt von draußen ’rein. 





Hoch, was fommt von drausfen ’rein, Hol=la Hi, di Hol-la Ho? 
Wird wohl mein Feind=liebshen fein, 





bol=la Ho, mwird’S wohl niht ge = mesjen fein, hol=Ia, hi= a = bo. 


1. Hordh, was fommt von draußen ’rein? holla Hi, di Holla bo, 
Wird wohl mein Feinsliebchen jein, holla hi-a-ho. 
Geht vorüber und fchaut nicht rein, holla Hi, di holla ho, 
Wird’3 wohl nicht gemwejen jein, holla hi-a-ho. 


2. Leute haben’3 oft gejagt, holla Hi, di Holla Ho, 
Daß ich ein Feinsliebehen hab, holla Hi-a-ho. 
Laß fie reden, jchweige till, holla hi, di holla ho, 
Kann ja lieben, wen ich will, holla Hi-a-ho. 


3. Wenn mein Liebchen Hochzeit hat, ıc. 
Hab ih einen Trauertag, 
Geh dann in mein KHämmerlein, 
Trag’ dort meinen Schmerz allein. 


4. Leute, jagt mir’3 doc) gewiß, 
Was das für ein Lieben ilt: 
Die man liebt, die friegt man nicht, 
Und ’ne Andre mag id) nidt. 


4* 


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.% Tr . 


5. Wenn ich einit geftorben bin, 
Trägt man mich zum tsriedhof hin; 
Sest mir einen Leichenitein, 
anzt mir Rojen und Bergißnichtmein. 
Marriage 48; Bender 241, Nr. 11; Heeger-Wüjt II 250 b; 
Sohn 78; Meier 483, 








Mädchen mit ben blausen Wusgen, fomm zu mir! 
Lab mih dei = ne Schönheit fchanzen, glaub’ e8 mir, denn 














viele jhö- ne Frausen = zim=mer, fhö-ner, fchö = ner, fchö-ner nod) als du. 


1. Mädchen mit den blauen Augen, fomm zu mir! 
Lab mich deine Schönheit fchauen, glaub e3 mir! 
Denn deine Schönheit Dauert ja nicht immer, 

Und e3 gibt ja noch fo viele jchöne Yrauenzimmer, 
Schöner, jchöner, jchöner noch als du. 


2. Mädchen, Haft du Luft zum Zrogen, troge nur! 
Denn e3 wird dir ja nicht3 nuben, glaub e3 nur! 
Denn beine Eltern werden dich begleiten, 
Verden dir fo ein mwunderjchönes Bettchen bereiten, 
©, fo fjanft und füß! 


BVolfram 162; Heeger-Wüft I 152a; Erf Il 644c; Meier 498, 


68. Des Schmiedes Töhterlein. 









Zu = ftig er-leuh»tet den U= bend bel»-Ier eu = er = fchein, 
Ei = le dahin, ah fo ger= ne, nad dem Schmie=de = haus, 






Pfei-fen und Häm- mern er= 
je = bet, e8 kommt ja mein 


u len friih und froh dar = ein. } 
iebschen grü - Bend fchnell her = au$. 


zit im Dorf in der Schmie-de, da wohnt mein Glüd und mein 






$ 


tie = de: Schmieden? Töcj-ter=lein, Schönzsitre® Lieb» chen mein. 


Google —_ 


— 53 


1. Luftig erleuchtet den Abend 
eller TFeuerjchein, 
eifen und Hämmern erfchallen 
Srifh und froh darein. 
Eile dahin, ach jo gerne, 
Nah) dem Schmiedehaus, 
Sehet, e3 fTommt ja mein Liebchen 
Grüßend jchnell heraus. 
8 ift im Dorf in der Schmiede, 
Da wohnt mein Glüd und mein Friebe: 
miedend Töchterlein, 
Schönftres Liebchen mein. 


2. Liebchen, kannft bu dich erinnern, 
Als e3 Frühling war; 
Ws ich mein Herz dir vertraute, 
eute vor einem Sabhr. 
toben war’3 im Walde, 
Wo das Böglein fang, 
As ich dir liebend geitanden, 
Bas mein Herz durchdrang. 
Es ift im Dorf in der Schmiede, 
Da wohnt mein Glüd und mein Friebe; 
Schmiedens Töchterlein, 
Scönftres Lieben mein. 


3. Lange mwird’3 ja nimmer dauern, 


Schönftre® Liebchen mein, 


gi ih) al3 junger Meijter 


n die Schmiede ein. 


Bift dann mein rn Weiberl, 


Schaffit im eignen 
SE 


an deiner Seite 


’ 


Rufe ae aus: 
E3 ift im Dorf in der Schmiede, 
Da wohnt ıc. 


Bermutlich ein junges Kunftlied. 


69. Das iraurige Mädken. 


Erfte Melsdie. 


Alm, mein Schag, denn bu weißt «8 





ja, denn id 





En > 


1. „Mariechen, warum bift du fo traurig und marım weineit du? 
ch feh'3 an deinen Weuglein, daß, du geweinet haft. 


2. „Warum foll ich nicht weinen und aud) nicht traurig fein, 
SH trag unter meinem Herzen ein MHeined Kindelein!” 


3. „Darüber brauchft du nicht zu weinen und auch nicht traurig zu fein, 
Ah will div’3 helfen ernähren und auch) fein Water fein.” 


4. Was Hilft mid) dein Ernähren, wenn ich Teine Ehr’ mehr hab, 
ch wollte, ich wäre geftorben und läge im fühlen Grab.“ 


5. „Und Bann du, du mwärft geftorben und lägft im fühlen Grab, 
So müßte dein Leib verwejen zu lauter Ajche und Staub! —” 


vol. außerdem Krapp 123; Wolfram 1385; Marriage eeger- 


Marriage 51; Bender 61; — zu der belannten ann 1,2 
üft 179; und Goethes „Troft in Tränen” (dHempell, ©. 66) 


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70. 3m Sommer, da Blügen die Mofen. 
Erfte Melodie. 













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Se Te eg a ed Fe [| 
DZ E33 Do ET ale 





Sm Sommer, da blü- ben die No = fen, fie ftehn in 





vol = ler Bra— ja— Pradt, fie ftehn in vol = ler Pradt. 


Zweite Melodie. 1 


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__ 2. 0 1 MM BB moi | 05 





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ET NN O3 RT PT] 
ee er ze See rn 


fie ftehn in vol»-Ier PBra— ja-Pradit, fie ftehn in voller Bradt. 


1. Im Sommer, ba blühen die NRofen, | 3. &3 madıt fich fein Bauer Tein’ Kummer, 
©ie Ken in voller Pra—ja— Pradit, Sl immer Iuft- und freubenvoll, 
Gie jtehn in voller Pradit. immer freudenvoll. 


2. € blühet aud) gar nicht8 vergebeng, | 4. Was nüßt uns bie Zeit und das Teben, 
Kein Blümlein auf dem Feld—ja— Feld, | Denn einemal lebt man nu—ja—nur, 
Kein Blümlein auf bem Teld. Denn einemal lebt man nur. 


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a EB en 


71. SHente ift der fhönfle Tag. 


und ich mach’ mir gar nicht8 draus, dreh’ mich her = um und lad’ fie auß. 
1. Heute ift der jchönfte Tag, 2. Sie Tann ftriden, fie fann nähen, 
Da mein Schägel Hochzeit ma t, — Und Tann fein durchs Tsenfter jeher. 
: Und ich mach mir gar nichts brauß, :,: Dazu ift fie eingericht’, 
Sieh mich herum und lach fie aus. :,: | Aber zum Seiraten nit. :,: 
3. Einftmals fpielt ich an der Harfe , 
shr ein’ Ichönen Walzer vor: 
: Da bewegt’ fi all mein Blut, 
t Wenn mein Liebehen tanzen tut. :,: 


72. Das Müllerskind. 
*) 





EN 
a pert im=-mer 


4 
Am Bach fteht eine Mübh- zu. 
s äßt mir Flei-ne Ruf. 


Das Mäd-chen, da® ih lie 





lip-pert, bie Hap-pert, die Elip-pert, die Hlap-pert, die Müh-le am Bad. 


*) Bariation: — 


Müh » le, Die 

1. Am Bach jteht eine Mühle, 2. Steh ih am . und Horde, 
Die Happert immerzu; Da raujcht es für und für. 
Da Mädchen, das ich liebe, Da3 Nädlein dreht fi munter 
Das läßt mir Feine Ruh. senn vor deiner Tür. 
Es ift da8 echte Müllerzkind, a3 hat e8 nur für einen Sinn, 
ze wohl an der Schwalm hier find’; — | Daß es fich dreht fo immerhin? 

ac jteht eine Mühle, Steh ih am Bad) und Horche, 

die Happert immer zu. Da raufcht e3 für und für. 

:,. Die en die Happert, :,: : Die Hippert, die Fappert, :,: 
Die Mühle am Bad. | Die Mühle am Bad). 


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— 56 — 





3. €3 dreht an unfrer Liebe, 4. Der Müller figt und Ihlummert, 
&3 brebt fie feit und treu; Er hört die Mühle nicht; 
Drum jei, mein Müllergmädchen, Die Mühle Flippert und ‚HUappert, 
Yuh nicht jo fpröd und jcheu! Doc munter wird er nidt. 
30 bring dir auch, wern’3 Bfingiten ift, | Er hört aud) nicht, wie Hinterm Nad. 
en fchönften Strauß auf deinen Tiih. — | Mein Miüllerslind mic Tüffen tat. — 
E3 dreht an unfrer Liebe, Der Müller figt und jchlummert, 
&3 brebt fie feit und treu. Er Hört die Mühle nicht. 
:,: Die Tlippert, die Happert, :,: :,: Die Hippert, Die Happert, :,: 
Die Mühle am Bad). | Die Mühle am Bad). 


73. Grün iR die Sauße. 





wä = re doh mein Lieb - den nod do ne- mal bei mir. 


1. Grün it die Laube, alleine fiß ich Bier, 
Ad märe docdy mein Liebchen noch einenal bei mir. 
Zum traleralera, zum traleralexa, 
Ad wäre doch mein Lieben noch einemal bei mir. 
2. Sie ift fehon längft verfchwunden, fie ift ja nicht mehr da; 
E3 dämmert ja fchon wieder der Abend fo nah. 
Zum traleralera, zum traleralera, m 
E3 dämmert ja fon wieder der Abend fo nah. 
3. Schönes Jungfer Lieschen, verzage du nur nicht, 
Sch tät dich gerne lieben, die Mutter leid’ e3 nicht. 
um traleralera, zum traleralera, 
&h tät dich gerne lieben, die Mäıtter leid’ e3 nicht. 
4. Wir fein die tapfern Teutichen, jagt jeder, der uns Eennt, 
Wir waren jtet3 die Borberiten im ganzen Regiment. 
Zum traleralera, zum traleralera, 
Wir maren ftet3 die DBorderjten im ganzen Regiment. . 
5. Und mo mas audzufechten, da war ich ftet3 dabei, 
: Am allerliebften war mir jo eine SKeilerei: en 
Zum traleralera, zum traleralera, 
Am allerliebften war mir fo eine Seilerei. 
Bar.: 3,2: Xch tät dich gern Heiraten, 
4,1: Wir fein die tapfern ‚Helden, 
Wir waren auch ftet3 dabei, 
Wir fein ja jtet3 die Borderiten 
Bei jeder Rauferei. 2 


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Ein äh =-ter auf bem Türmslein fah, die zmwmöl= fe wollt’ er 





1. Ein Wädter auf dem Türmlein faß, die zwölfe wollt’ er blafen: 
er heut bei feinem Schäplein Ieit, der made auf, denn es ift ‚Ichon Zeit, 


Der Tag bridt an mit Strahlen, ja Strahlen. 

: Bleib nur ruhig, bleib nur ruhig, mein Herztaufiger Schaf, 
a e8 ift fürwahr noch lang bid Tag, :,: 
Der Wächter hat uns belogen, betrogen. 


en Strophen); vor Strophe 2 ift bei uns der Anfang 
ER On hatt defien werben die beiden erften Zeilen wiederholt. 


: 75. Steßesverdruß. 





tom = men ber - ein, das wird für=- wahr dein Ürs=ger fein. 


1. Ich weiß fchon Tängft, mas bich ver- 3. Und kommt du in ein andres 
Drofien, Städtchen, 
Weil die Tür war ugeichloffen, So nimmft du dir ein .andre Mädchen, 


Und du nidt Tannft kommen herein, 
Das wird fürwahr bein Werger fein. 


2. Schag, wärelt du allein gelommen, 
„Dass fiher di aufgenommen. 
wei oder drei, da8 ift zuviel, 
u allein, du warft mein Biel. 


Ih münjce bir viel Glüd bad 
Bis in des Grabes ftille Ruh. 


4. Die Tränen, bie id Hab getrodnet, 
Sie find ja über mein Gejicht geronnen. 


3 trodne fie ja nicht mehr ab, 


ch nehme fie mit ins fühle Srab. 


Rrapp 236; Bödel 39 u. 97c; Wolfram 208; Heeger-Wäüf 
11085 u. b; Ert'Il, 674 u. 718 (Das Lieb beginnt meif mit ber Strophe: 


„Ih bin fo mandjen Weg gegangen.“) 


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ftod » fin =» fter 





drau = Ben 








ift 





drau = Ben ftod=fin = fter und leuch » tet Fein Stern. 


1. Ad ade liebed Unnchen, leih mir beine Latern; 
:,: €3 ift draußen jo ftodfinfter und leuchtet fein Stern. :,: 
Weiterer Tert mußte megbleiben. 


77. Gin war it fo glüdfid. 





Einft war ih fo glüd= lich, einft war ih fo froh, ei, da 





fahb ih mein Liebshen in der Hüt=te von Strof. Hüt-te von Stroh. 


1. Einft war ih jo glüdlih, einft war ich jo froh, 
Ei, da fah ich mein Liebhen in der Hütte von Stroh. 


2. Hier wohnte mein Liebchen, hier blühte mein Glüd, 
D du einzig jchöne® Mädchen, dente oftmald zurüd. 


3. Und je höher der Kirchturm, defto fchöner das Geläut, 
Und je meiter mein Schäschen, deito größer die Freud. 


4. &3 flogen zwei Tauben mwohl über ein Haus, 
Und mein Scha, der mir beitimmt ift, der bleibt mir nicht auß. 


‚AA. __ e 


5. Und mein Schaß, der ift ein Reiter, ein Neiter muß er fein, 
Und dba3 NRoß gehört dem Saifer, der Neiter, ber it mein. 


6. Und mein Scha, ber ift ein Schreiber, ein Schreiber foll er fein, 
Und er fchreibt mir alle Tage, jein Herzchen fei mein. j | 


7. Und mein Schag, ber ift ein Gärtner, und ein Gärtner foll er fein, 
Und er pflanzt mir alle Tage ein fchön’ Bergißnichtmein. 


Zu den erften Strophen: Krapp 69; Wolfram 225; Marriage 
69; Bender *93 u. 228,39; Heeger-Wüft UI 215; Erkll, 737; Meier 
400. — Strophe 6 kommt au fonft vor: vgl. Heeger-Wüft zu II 217a, 


=. 2a 2 


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Zur BG; JE 
78. Es (Awingt fi eine Ente. 


Be re ee ae 





BEERERERRRER 
gg FE ee 2] 


did = de - Jam = dei, hlei » be mir ge s treu! 
1. &3 Nötningt ji eine Ente 2. Mein Bater will’3 nicht Teiden, 
Rohl auf die Wilhelmshöh. Daß ih dich Tieben foll, 
Bie tut mir doch mein Herze, — Und mein Vater will’3 nicht leiden — 
eitre biddelambei, Heitre bdibdelambei, 
leibe mir getreu! Bleibe mir getreu! 


3. Meine Mutter will’3 nicht leiden, 
Daß ich dich Lieben foll! — 
Ei fo bitt ih um PVerzeihung. 

eitre Diddelambei, 

leibe mir getreu! 


79. Shas, zeife nit fo weit. 


ER — y — jr, tn 
CA nl re > BE ee SI 1 BB 






will i6 deis ner war=ten, im grünen Stlee, im wei = Ben Schnee. 


1. Schag, ah Schag, reife nicht jo weit von hier; 
Sm roj’gen Garten will ich deiner warten, 
Im grünen Klee, im weißen Schnee. 


2. Meiner ge erwarten, da braudelt du ja nidt, 
Geh zu ben Neichen, zu beinesgleichen, 
:,: 3 ift mir eben redt. :,: 


3. ch Heirat’ nicht nad) Geld und nicht nad Gut; 
Eine liebe treue Seele tu ich mir ermählen; 
:,: er’3 glauben tut? :,: 


4. Wer’3 glauben tut, ber ift fo weit von bier, 
Er ift in Schleswig, er ift in Holitein, 
Er iit Soldat und bleibt Soldat. 


5. Soldat zu fein, da3 braudelt du ja nicht! 


Benn alle Leute fchlafen, dann müjjen wir machen, 
Müffen Schilöwadht ftehn, Patrouillen gehn. 


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=.) = 


6. Schhlöwadt ftehn, PBatrouillen gehn, das braucdheit du ja nicht, 
Wenn dich die. Leute fragen, jo follit du jagen: 
Schat, ich bin dein, und bu bilt mein! 
Bar.: 1,1: Sa wenn du reifen mwilfft, reife nicht 2c. 
3,1: ab, wenn bu heiraten willft, heirat nit nad zc. 
4,2: Er it in Gießen, er it in Darmitadt. 
5,1: Soldat zu fein, und da heißt Iuftig fein. 
Ertl, 766; Krapp 218; Böcdel 97a; Bemwalter 18; Wolfram 
138; Marriage 185; Bender 50; Heeger-Wüft II 308b; vgl. Ntieder- 
fachien I, 341f.; Zeilichr. d. B. f. Voltsk. 18, 197. 


80. Hiels in Trauer. 





Huld’t? Daß mir mein Schaf tft unstreu morsden, muß ih tra=gen in Geduld. 
1. Stet3 in Trauer muß ich Leben, 4. Waren einft zwei Turteltauben, 


a woran hab ich’3 verjchuld’t? Saßen auf einem grünen HYiveig. 
Dap mir mein Herz ift untreu worden, | Wo fich zwei Derliebte jcheiden, 
Muß ich tragen in Geduld. Da vermeltet Laub und Gras. 
2. Bater und Mutter mollen’3 nicht 
j haben, 5. Rosmarin foll verwelten, 
Daß ich zu dir kommen foll, Aber unsre Liebe nicht. 
So mußt du die Stund’ mir fagen, Du lommit. mir au8 meinen Augen, 


Bann ich zu dir fommen foll. Aber aus meinem Herzen nicht. 
3. Beit und Stunde kann ich dir nicht 
jagen, 6. Rosmarin und Lorbeerblätter 
Schönfter Schag, das weißt du wohl. Wünfch ich meinem Scag ein’ Strauß. 
So mußt du den Wächter fragen, 1 Das foll fein das Icot Gefchente, 
Der weiß jeden Glodenichlag. Das Soll fein ein Abfchiedsitrauß. 
Ert II 722 (566. 782); Krapp 2; Wolfram 211 (nur Strophe 1); 


Lemwalter 2,11; Heeger-Wüft U 203a—d. 





Ah, das Hätt? ih nit ge=dadit, da mein 





madt, Ur» beit madt! Lie » ber auf Dorn’ und Di = fteln 












gehn, al bei ei=- nem fal= jhen Bur= fen Ktehn. Kteßn. 
*) Hier fehlt ein Takt. nn 


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EEE = 


= 6 


Ah, das hätt! ich micht gebadit, 
Dh mein Schab fo Arbeit opt, Arbeit madt! 
Lieber auf Dorn’ und Difteln gehn, 
Als bei einem falfhen Burfchen ehr. 


2. Dornen und Difteln ftechen fehr, 

alfche Liebe noch viel mehr, nody) viel mehr. 
rum, ihr Weibzleut’, merlet'3 euch: 
Mannsleut, das ift faljches Luberzeug. 


82, Das Sieb des Raktwällers. 





wad der Naht-wäh=ter blie, daS blieg er in fein ei. 


1. €3 blies einmal, e3 blied einmal Drei Lilien, drei Lilien 
Ein NRahtwädter in fein Horn langt id) auf Liebhend Grab, 
Und alles, was ber Nachtrwächter blied, | Ei da fam ein flolger Reiterämann 
Das blies er in fein Horn. Und brad bie Lilien 


ab. 
ivallerallera, ae juchheirafjafjaflajla; | Jupivallerallera, un juchheiraffaffaflalie; 
alles, wa3 der Nachtwächter blies, | Ei da Tam ein ftolzer Reiterämann 
Da blies er in fein Horn. Und brady die Lilien ab. 


3. Ad NReiterömann, ad) Reitersmann, 
Laß doch die Lilien ftehn! 
Denn = Fi fie gepflanzt auf an Grab, 
Drum brih fie mir nicht ab 
S$upivallerallera ıc. 


Gewöhnlich befannt als Lied „von ben brei Lilien”; vgl.Ert II 470; 
Bolfram 243, Heeger-Wüft II 217a. Strophe 1 ift "eine Umdichtung 
nach dem Lied: E3 blieg ein Säger wohl in fein Horn, und alles, wa8 er blieg, 
ba3 verlorn; vgl. Bödel 65d; Erf l, 1%. 





li GOOgLE 


7 


9 — 





83. 3n der Müßfe, 





Da drun- ten im Ta = le, da fließt, ein Waf- fer da8 





Mühl- rad be = gießt; der Mül-Ier Hat en Mäd- hen, fo 





Ihön, Ihön Ro = fe - lein war fie ge = nannt,-bei der Nadit. 
1. Da drunten im Tale, da fließt, 2. Und al? e3 nun Tan bei der Bade 
t. 


Ein Baffer da3 Mühlrad begießt; Schlih fi) ein Soldat von der Wa 
Der Müller Hat ein Mädchen, Ka leife in der Stille 
So rund al3 wie ein Rädchen, Shlih er fih Hin zur Mühle 


Bar au jo munberfchön, Ans Fenjter, ana Feniter: 
Schön Röfelein war fie gemamnı = bei Schön Röfelein mad) mir auf 2“ ber 
es | at! 


rt Radıt 


3. Schön Nöfelein ftand auf einmal: | 
„Sein Sie benn der Herr KRorporal? 
Sch bitte, Sie möchten verzeihen, 
Sie bürfen nicht immer fo fchreien, 
Die Mutter, die Mutter, | 
Die hört das jedesmal — bei der Nadıt. 


Er? II 285, 6 Strophen; Str. 1 fehlt Bier: 
Ein Dörfchen, nicht weit ift’3 von hier, 
Da lagen wir jüngft im Quartier, 
Ein Trupp jchöner NReiter; 
Wa8 geichehen ijt meiter, 
:,: Das erzähl ich euch hier. :,: 


Das Banze ilt aljo ein Manövererlebnis. 





blüht für mid, ba3 








1. Droben auf grüner Au 2. Wenn ich geftorben bin, 
Stehen zwei Blümlein blau, Tragt mild zum riedbof Hin, 
Das eine blüht für mid, Legt mich ins fühle Grab’ 
Das andre nidt. So tief hinab! 
Nur fie alleine war meine Freude, Nur fie alleine war meine Tyreude, 


Nur fie allein, allein, fie war mein Glüd.| Nur fie allein, allein, fie war mein Glüd. 


3. Heiraten darf ich nid, 
Sn3 Klofter mag ich nicht, 
Bin Er fo jung, fo jung, 
Bin nod fo jung. 

Nur fie alleine ac. 


Krapp 152; Heeger-WüjftIl181(befonder3 b u. c); Erf II, 705. 


85. Die Yerlodten. 





hab’ deisne See=le ge =» prü=fet, mein Liebhen, was willit dr noch mehr. 


1. $ch hab dir geichaut in die Augen, 3. €3 tönen die feitlichen Gloden, 

Hab dir geichaut in das Herz; Sie tönen jo fern und fo nah, 

bh Hab deine Geele geprüfet, — Sie laden zwei glüdliche Herzen 
Mein Liebehen, was mwillit du noch mehr. | Zu Gotte8 Traualtar. 


2. Sch fuchte nicht Reichtum noch Ehre, 4. Wir fhauten und treu in die Augen, 
% fuchte nicht Glanz nod) Schein, So tief ing ei, hinein. 
fudhte ein Herz voller Liebe, Mir ift eg, nnten im Simmel 
Das fand ich bei dir nur allein. Die Engel nicht glüdlicher fein. 


Krapp 142; Marriage 79, ». 4 John 82, Heeger-Wüft II 268. 
um Schluß von Str. 1 und 2 vgl. 9. Heine: „Du bar Diamanten und 
erlen”; vgl. Meier 441, 


86. DBeun ib gleih Rein’. Sans mehr aß’. 





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=: 





1. Wenn id) gleich fein Scha—ja—Schag mehr hab, 
Et au fein’n finden 

nd id ging 5 ur Gäßchen a—ja—auf und ab : 
Big en die Linden 


2. As ih an bie Li—ja— Linde lam, 
Stand mein Schat baneben, 

: Und ich grüße nn berztau—ja—taufiger Scdat, : 
FR bift du gemwejen? 


Vo ih geme—ja—weien bin, 
Dur, > bir mohl jagen; 
nd ich bin gemwefen in fre—ja—frembem Land, 
Hab ei viel erfahren. 


4. Va3 ich erfah—ja—fahren Hab, 
Darf id) dir wohl fagen. 
ch Hab are: daß ju—ja—junge Leut :,: 
Sich einanber Tieben 


5. BZwifchen Berg und tie—ja—tiefem Tal 
Sapen einft zwei Hafen, 
Und fie Faber a ab dad grü—ja—grüne Grad :,: 
%a bi3 auf den Rafen. 


Die Melodie Diefed Liedes, da zur Zeit in Stormbdorf faft nicht a 
gelungen wird, macht einen sehr SeeIanpenen Eindrud. Ob ed daran liegt, 
aß Diefes3 Lied lange nicht gejungen imor ift, oder ob e8 durch den Einfluß 


anderer Lieder gelommen ift, weiß ich nicht zu jagen. Bei einer Notierung be3 
Liedes hatte ich jogar Wechjel der Tonart aus &-Bur in YeDur zu verzei 


I (vollögejfangsmäßig). 





ging da8 Bäh-dhen auf und ab, b8 an die Linden. 


Ertl, 5il; Rrapp 251; Bödel 78; Wolfram 108; Marriage 
48; Bender +71: Heeger-Wüft185; Sohn 80 


87. Yom Shueiden. 





wo fich zwei Ber-lieb- te jcheisden, da ver= wel = Tet Laub und Gras. 


656 — 


1. Saßen einft zwei Zurteltauben, 2. Gras und Laub, dad mag vermwelten, 
Saß’n auf einem grünen Alt, — Aber unfre Liebe nicht. 
Wo ich zwei Berliebte fcheiden, Du kommit mir aud meinen Augen, 
Da vermwellet Laub und Gras. | Aber aus bem Herzen nidt. 
Nur im Anfang verwandt ift Krapp 70; Marriage 52; Heeger- 
Wiüft I 180 4, b. Be | " 


88. Die falfden Zungen. 


er ee 
TA EEE 5 





Ro-fe 0o= ber Neil, bei= ne Blümlein wersden al = le» zeit fhon welk. 
1. Schönfter Gärtner, braucht dich gar nicht zu bemühen, 
Deine Blümlein werden allezeit verblühen. 
Bleibt fich gleich, jei'3 NRoje oder Nell, — 
Deine Blümlein werben allezeit fchon mell. 
2. Schönjter Gärtner, zu dir darf ich nicht mehr kommen, 
Denn die Leute haben alle böfe Zungen. 
Sie abfchneiden alle meine Ehr, 
Schöniter Gärtner, zu bir lomm ich nimmermehr. 
3. Laß bir beine Ehre nicht abfchneiben, 
Trage alle8 mit gebuldgem Leiden; 
Trage alle deine Leiden mit Gebuld, 
Tenn es ift ja nur die Liebe, Liebe fchuld. 


4. Trage alles mit gebuldgem Herzen, 
Denn die Liebe macdet uns jo viele Schmerzen. 
Sa, die Lieb, fie ift bald hier, bald bort, 
Aber niemals ganz beftimmt an einem Drt. 
Die Melodie jchwantt am Anfang und am Schluß zwilhen E-Dur unb 
vn Uehnlihe Schwankungen zeigt das Lied No. 86; No. 88 und 89 meilen 
faft gleiche Strophen auf, aud; die Melodien tragen gemeinfame Züge, fo ba 
2 annehme, daß beide LXieder unter bem Einfluß ber Strophenverjchiebung ihre 
elodien veränderten, woburh die Schwankung in ber Tonart fi erklären 
läßt. Vielleicht fing eine die (die obige) mit bem Grunbton, bie andere mit 


ber Quinte an. 
89. Kießeskummer. 





E38 ver = wel: ft fei= me Rosfe ob=ne Dornen, e8 ver- 





lieb = te wolslen fein, muß daß ei= ne ba=vonjtetß be=tro=gen fein. 
| 5 


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=. 66-2 


1. &3 vermweltet feine Rofe ohne Dornen, 
E3 vergehet feine Liebe ohne Sorgen; 
Denn mo zwei Verliebte wollen fein, 

Muß das eine davon ftet3 betrogen fein. 


2. Und der Gärtner braucht ji gar nicht zu bemühen, 
Denn da3 Unkraut mwächlt ihm alle Zeit zu frühe. 
Gei’'n e3 NRojen, Beilchen oder Nellen, 
Seine Blumen mollen alle wieder mellen. 

3. Schönfter Jüngling, zu dir darf ich nicht mehr Tommen; 
Denn die Menfchen haben alle faliche Zungen. 
Sie abichneiden alle meine Ehr, 
Scöniter Süngling, zu dir fomm ich nimmermehr. 

4. Meine Ehr, die laß ich mir ja nicht abjchneiden; 
3, trage alle mit gebuldgen Leiden. 
Sch trage alles mit Geduld, 
Denn daran ilt bloß bie Liebe fchuld. 


90. 3m genz. 





Seh = und fängt da3 Yrüh-jahr an, und alele8 fängt zu 





grü= nen on, und ‚al = Ies fingt zu fir = gen am. 

1. Sebund fängt da8 Frühjahr an, 4. Und ala ich auf die Heide kam, 
Und alles fängt zu grünen an, Ei, da flog ein Lerchlein in die Höh, 
Und alles fängt zu Mass an. Weil ich zu meinem Schäglein geb. 


2. &3 blühen Blümlein auf dem %eld, . ’ 
Sie len me, Ma 2t und sehe | 9 Dei Znber Ta 
Weil mir mein Schab nicht mehr gefällt. Da gebadht ich gleich, es ift vorbei. 
3. 3 ging mal über Berg und Tal, 
Ei, da Hört’ ich eine Nachtigall, 6. Haft mir oftmals die Tür aufgemacht, 
Die jang jo Hell, die fang jo fein, Haft mir mein Herz fo jchwer gemadht, 
Die fang von meinem fchön Schägelein.| Das foll mir nicht vergejfen. 
Mit der Variation „Zegund fängt das Neujahr an’ wird bad Lieb von 
den Burfchen in der Neujahrsnacht gejungen. | 
Bödel, Handbud, ©. 212; Wolfram 137; Marriage 161; 
Bender *29; Erf II 686; verwandt Bödel 87; — Strophe lau Heeger- 


Wüft II 218a. 
91. Die Ingend. 


0. nr Mn; 
ae ee re u I ee Pe ee Ur Re 
ee u] 


r » 
ET Fr ET I TE 772 d 





wie = dev ber, fchön it die Su=gend, fie kommt nicht mehr. 


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=; BT 


1. Bergangne Zeiten Tehrn niemal3 wieder, 
Schön it die Jugend, fie fommt nicht mehr. 
Sie fommt nicht meh—ja— mehr, 

Kommt auch nicht wieder ber, 
Schön ilt die Jugend, fie fommt nicht mehr. 


2. 3ch hatt’ ein’n Nofenjtod und der trug Rofen, 
Und aus den Rojen weht edler Duft. 
Drum fag ich’3 noch einmal: 
Schön fein die Jugendjahr'n, 
Schön ift die Jugend, jie fommt nicht mehr. 

3. Sch Hatt’ ein’n Weinftod, und der trug Reben, 
Und aus den Neben floß edler Wein. 
Drum fag ih’3 noch einmal ac. 

4. Shön ift bie Jugend bei frohen Zeiten, 
Schön iit die Jugend, fe fommt nicht mehr. 
Gie fommt nit meh—ja—mehr ıc. (wie bei 1.) 

Krapp 214; Volfram 212; Marriage 106; Bender *185; 
Heeger-Wüfjil 1109a; Erf II 548, 


92. Die Sääferin. 





Dort wo bie Has ren Bäch=lein rin- nn, fa ib von 
Da wohnt von als Ien Schäsfe - rin- nen bie Schönsite, 





fern ein Hütt-Tein ftehn. 
ee Fo} und Böt man mir viel gold- ne 





Hütts-hen möcht’ ih mwoh=nen bei die»fer hol-:den Schä=fe » rin. 
1. Dort, wo die Haren Bächlein rinnen, 2. Des Morgens hell bei age! immer 


Sah ih von fern ein Hüttchen ftehn. Treibt fie bie Lämmlein auf die Weid’. 
Da mohnt von allen Schäferinnen Go bentt mein treues Kerze immer: 
Die Schönjte, die ich je gejehn. Uh könnt ich doch ihr Schäfer fein. 


Und böt man mir viel goldne Kronen, ' Da nähm id) ung meine Flöte, 
So dädt’ ich doch in meinem Sinn: Folgt’ hinter ihren Schritten her, 
Sn diefem Hüttchen möcht’ ich wohnen | Und wenn man mir den Himmel böte, 
Bei diefer Holden Scäferin. Nah Haufe ging ic) nimmermehr. 
3. Des Nadhts, wenn alle Sterne jchimmern 

Und alles in dem Haine ruht, 

So läßt fie ihren Schleier finfen 

Und babdet in der Taren Flut. 

Wie gerne möcht ich fie belaufchen, 

Aber nein, ich mwag’3 nicht, Hinzugehn; 

E3 könnt vielleiht ein Blättchen raufhen, — 

Und nie dürft ich fie mwiederjehn. 

Ertlll 149; KRrapp 52; Wolfram 87; Lewalter V15; MWar- 

riage 163; Bender *19. 


b* 


SR GO gle 


=», 68: so 





93. Yon der Mällerstodter. 





hat ei=ne Tochter und die war reich, val=le = ras le = rt, juch= be. 
1. &3 wohnt ein Müller an jenem Teich, 
90, bo, bo, 
“Der hat eine Tochter, und die war reich, 
Balleraleri, valleralero ; 
Der hat eine Tochter, und die war reich, 
Balleraleri, juchhe. 


2. Nicht weit davon ein Edelmann wohnt, 


90, bo, bo, | 
Der wollt des Müllers Tochter ha’n, 
Balleraleri 2c. 

3. Der Edelmann hat einen Knecht, 
Und mwa3 der tat, dad war ihm redt!! 

4. Er jtedt jein’n Herrn in’n Haferfad 
Und trug ihn zu der Mühl hinab. 

d. „Suten Tag, guten Tag, Frau Müllerin, 
Vo tell ich meinen Haferfad hin?” 

6. „Stell ihn doch dort in jene Ed, 
Nicht weit von meines Tochterd Bett.‘ 

7. €E3 war wohl um die Mitternadt, 
Der Haferfad fi Iuftig madit. 

8. Ad, Tochter, hätt’ft du ftill gefchtwiegen, * 
Ein’n Edelmann hätt’ft du gekriegt! 

9. Einen Edelmann, den mag ich nicht, 
Biel Tieber ift mir der Müllerknect! 


 &Ertl,146; Ktapp 106; Wolfram 57, Lewalter 4,3;,,Mar- 
ziage,200; %0,5n,2. 


94. Zufiderung. 





E3 moll= te fih ein = fhleishen ein füh = leg Lüf-te= lein; 
fer" du zu Ddei= ne8s gleischen, bu follit mein ei = gen fein; 





bricht; treu und be-jtän=dig follft du fein, du follft mein ei = gen fein. 


Google 


1. &3 mollte jich einfchleichen 
Ein fühles Lüftelein; | 
„Kehr du zu deinesgleichen!” — 
„Du jollft mein eigen jein! 
Verlafjfen tu ich dich nicht, 

Wenn gleich das Herze mir bricht.“ 
„Zreu und beitändig follit du jein, 
Du jollft mein eigen fein.‘ 


69 ° — 


2. Ich hör ein Böglein pfeifen, 
Das pfeift die ganze Nacht, 
Bom Abend bi3 zum Morgen, 
Bis daß der Tag anbrad. — 
Schließe du das Herz wohl in da3 mein’, 
Scließe eins in3 andere hinein; 
Daraus foll wachjen ein Blümelein, 
Das heißt PVergißnichtmein. 


Krapp 113; Heeger-Wüft I 74; vgl. Memannia NR.F. 7, ©. 73, 


95. Der vorwigige Zöurfde. 





lab ich zwei Rö=jeslein fteh - ja-ftehn, die wa=ren jo bübjhund jo jchön. 


1. Einjt fah ich zwei Röjelein jtehn, 
Die waren jo hübjch. und jo jchön. 

2. „sch möchte gern bei dir gefjein!“ 
,,99 jteige zum enfter herein!“ 

3. Und al3 er zum eniter rein jtieg, 
Da Hopfte die Mutter fchon an. 


4. „Ad Mutter, was Elopfejt du mir, 
Ih habe ja niemand bei mir!“ 


5. „Und haft du auch niemand bei dir, 
So made gleich offen die Tür!“ 


6. Und al3 ih macht offen die Tür, 
Zum Feniter, da jprang er hinab. 

7. Da ftolpert er über ein’n Gtein 
Und brach gleich Hal3 und Bein. 

8. So muß e3 den Bürfchelein gehn, 
Die auf die Liebjchaft gehn! 

9. Gute Nacht, mein herztaufender Schag! 
Komm wieder die folgende Nacht! 
Triller: 

10. Bei der Nacht i3 mei’ Schäßel fo rund, 
Bei Tag ift’3 ein budliger Hund. 


11. Bei der Nacht i3 mei’ Schägßel fo jchön, 
Bei Tag mag’3 fein Teufel anjehn. 
Bolfram 103; zu Strophe 3—6 auh Marriage 59. 


96. Dre weiße Bfümlein. 


F) 
NZ, 1 


Anh En a 
Laer | 
BAG 3 


Drei wei = Be Blümelein Hab’ id) 


ge = fun = den, 


id Hab’ fie 





ab = ge= pflüdt, fie 


fein ver=fhwun=den. Schag, du weiht eg gar zu 


an 





wohl, daR ih Did e 


= wig, € = wig lie= ben fol. 


1. Drei weiße Blümlein hab ich gefunden, 
%h Hab fie abgepflüdt, fie fein verjchwunden. 
Schab, du mweißt e8 gar zu mohl, 

Daß ich dich ewig, eiwig Lieben joll. 


L Bi Google 





a, 70): 





2. Bor der Hochzeit, da warn wir Brautleut’, 
Und nad der Hochzeit, da mwar'n wir Ehleut’. 
Denn du weißt ed gar zu mohl, 
Daß ich dich ewig, ewig lieben foll. 


3. or der Hochzeit, da gab e3 Küjfe, 
Und nad) ber Hochzeit, da gab e3 Schmifje! 
Denn du meißt e3 ıc. 


4. Nur du alleine bift meine ‘sreude, 
Nur du — ja — bu allein, du bilt mein Glüd. 
Denn du weißt e3 ıc. 


Ert1l638; Marriage 2362 (und Bemerkungen zu Str. 1. 5. 6); 
Heeger-Wüft I 150; zum Refrain: Heeger-Wüft I 149b. 


97. Ah, was mn man mandimal laden. 





Ah was mußmanmandmalla=- hen ü= berleut’, die när=riich fein, 





die fih fo Gesdansten machen, die doh all ver=geb-lidh fein. 
1. Ah, was muß man manchmal lahen| 2. Wenn fie müßten, wie da3 Lieben 


Ueber Leut, die närrifch fein, Mir fo angenehmer: ift, 
Die fi jo Gedanken machen, Sparten fie fo viele Mühe, 
Die doch all vergeblich fein. Seber fehrte vor feiner Tür. 


3. Vor meiner Tür, da ift gut Tehren, 
Bor meiner Tür ift’3 filberrein. 
Holdes Bürichchen, wadres Mädchen, — 
Sunge, laß da3 Lieben fein! 


98. Erinnerung. 








Us ih di zum er-ften=- mal er= blid = te, Ddiesfen Yu= gen- 





blidE ver= geb id nie und al8 mid deisne Ge= gen = wart ent- 


, Variation: 





als mi dei » ne Gegenwart ent = züd = te, da warb es mir, ich 
1. W8 ich dich zum erftenmal erblicte, 
Diejen Augenblid vergeß ich nie; 
Und ald mid deine Gegenwart entzüdte, 
Da ward ed mir, ich weiß ja gar nicht wie. 


Google 


7 ee ;. An { ee u - g - vr i 
“ ‚ ie 5 ” - 


EEE > inte 


2. Einen Ruß von deinem roj’gen Munde, 
Einen Drud von deiner zarten Hand, 
Erinnert mid) an jene frohen Zeiten, 

Da, wo mein Herz zum erjtenmal dich fand. 


3. Und du biit jo edel und jo milde, 
Deine Seele it jo engelrein. 
Getreues Mädchen, Iiebjt du mich noch immer, 
Denn ohne dich fann ich nicht glüdlich fein. 


4. Mädchen, Hör nicht auf, mich treu zu lieben, 
Rofen bricht man ohne Dornen nicht. 
Und follt’ uns je ein Wörtlein gar betrüben, 
So folgt darauf auch) wieder Sonnenlicht. 


Bolfram 480; Heeger-Wüjft I 229; Meier 349. 





99. 3 shneid nicht gern Aurz Gerfte. 





lie= ber bei mein’'mSchägel, ja Scätszel, das ijt der Welt Ge-braudj; 





„»* u 
tri = al= le= ra, tri-al= les ra, tri=al = le= ra, Hop >» ja = ja, 


v 
tt = l=- le- va ti = al-le- ro ti al = le = va. 


1. Sch jchneid nicht gern Ffurz Gerjte, fteh auch nicht gern früh ar 
Schlaf lieber bei mei'm Schätel, ja Schäßel, das ıjt der Welt Gebrau 
Triallera, triallera, triallera, hopjajia, 

Triallera, triallera, tria—lera. 


2. Wer Rojen will abbrechen, ber fcheu die Dornen nicht, 
zn jie auch Heftig jtechen, fo genießt man dod) die Früdt. 
riallera ıc. 


3. Die ih am liebiten Hätte, die ift mir nicht befchert, 
Ein andrer fitt am Brette, hat mir die Lieb vermehrt. 


4. Denn muß ein jeder mwifjfen, wa8 du und id) getan? 
Wenn mir und beide füffen, was geht’3 die andern an? 


5. Wir beide, wir fein verfprochen in aller Liebe und Treu, 
Slüdjelig Heißt die Stunde, dba wir beieinander jein. 








100. Die Seiätfertige, 


N 

I, a a Aa — a — N 

Am 3 TO EN Sg N ea EA En 
ee N N ee Er 2 2er SN2 

ae ee er eo Be oe Be 0 er 





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ee IS He 99T 0 N De 33 3 N a er ee 
Die ne N m a a 
ee ee ee el er I 


jehr; wenn id wüßt, od er me Und =» re hätt’, danı 





Fräntt ih mich nicht mehr; wenn ich fänt” id mid nicht mehr. 


1. Mein Schab, der ift in frembem Land, | 3. Mein Schaß, der ilt in Magdeburg, 


Da3 Tränfet mich fo fehr; 


Vielleicht ift er am Rhein, 


Wenn ich müßt, daß er me andre hätt’, Vielleicht jißt er beim Liebchen 
Dann Tränft’ich mich nicht mehr. Und trinft ein Gläschen Wein. 


2. Warum jollt’ id mich Eränfen, 


4. Mein Scha, der ijt mit Mus bejchmiert 


Wenn er eine andre liebt, Und Sieht ganz fehmierig aus, 


Sr 


muß doch immer benfen, Wenn ich müßt’, daß er fo immer blieb, 
hab ihn erit geliebt. Dann jchmiß ich ihn Hinaus. 


5. Bald fing ich eins, bald pfeif ich einz, 
Bald werd ich felten frod, 
%h mad) mit allen Burjchen Spaß, 
Drum mein’ ich es nicht fo. 


101. Schön ift mein Schäßel. 





Naht Schlaf ih bei dr, Hl-dee ti - a» li=-a»- Io 
1. Schön is mei’ Schäßel, aber rei) i3 e3 net, 
Und mas nügt mid) denn or Reichtum, 
Beim Geld, da Schlaf ih n 
Holderialialia, heute Nacht. fat ich bei dir, 
Holderialialo. 
2. Und ih will fie dir mal leihen, Aber nimm jie mir in acht, 
Daß jie mitten in der Kirmes | 
Keinen Hoppjamwalzer macht. Holderia ıc. 


Google 


— 793 —. 


3. Umd die Heden, die fein grün, und die Naben, die fein fchwarg, 
Bon den Storndorfer Mädchen 
Sit feine mehr mein Schab. Holderia ıc. 


102. Des Zägers Lieb. 





Tag; wollete ge=ben in den grünen Wald, ju, ja, grünen Wald, 





iu, ja, grü=- nen Wald, woll = te Brom = beer = fu = hen gehn. 


1. € mollt’ ein Mädchen in der Yrüh aufitehn, 
Dreiviertel Stund’ vor Tag; 
Wollte gehen in den grünen Wald, 
Yu, ja, grünen Wald, 
Su, ja, grünen Wald, 
Wollte Brombeer juchen gehn. 


2. Und al das Mädchen in den Wald bineinfam, 
Da ne ihm des Xägers Knedt: 
„Ah Mädchen, jcher’ dich aus dem Wald, 
Su, ja, au8 dem Wald, mein Herr, der fieht’3 nicht gern.” 


3. Und als das Mädchen immer weiter, weiter ging, 
Da begegnet ihm des SJägerd Sohn: 

„Ah Mädchen, feß dich nieder, i 

Su, ja, nieder, pflüd dir dein Körbchen voll.“.‘ 


4. „Mein Körbehen voll, dad braudy ich nicht, 
Eine Handvoll ift genug. 
Sn "meined Vater3 Garten, 
Su, ja, Garten, find Brombeerjträuh genug.“ 


5. &3 waren flaum dreiviertel Kahr, 
Da waren die Brombeern reif, 
Da befam das jchwarzbraune Mädchen, 
Su, ja, Mädchen, einen Heinen Aägersfohn. 


6. Sie jchaut’ das Kind barmherzig an: 
Ah Gott, was ilt denn da3? 
Sind da3 die jchwarzbraunen Beeren, 
Zu, ja, Beeren, die ich gebroden Hab? — 


Bar.: 1,6: mollte Brombeer’ breden ab. Krapp 109; Bödel 56a; 


Lemwalter2,18;Wolfrtamd54; Marriage6; Bender99; Heeger- 
Wüft 145; ErfI 121. 


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ei, Ay en 
108. In der Iremde. 





» 
er der Süngling willft du zie= ben, willit nicht bleisben mehr bei mir? 
n die Jrem-de mwillit du zie= ben, jag’ war=um!mwas tat ich bir? 





Die Ge - fän = ge der Mastro= fen, fie ver-wun-den mirmein Herz. Herz. 
1. Holder Füngling, willft die ziehen, 3. Oder barrt im fremden Lande 


Billft nicht bleiben mehr bei mir? Eine Sungfrau Hold auf di? 
x bie Sremde millft du ziehen? Die in fchnöder Viebesbande 
ag warum! was tat ich dir? Treu zu dir hält, das bin ic. 
Hörft du nicht der Wellen Toben, Deine Sklavin mill ich merden, 
hr Sebrauje madht mir Schmerz. Wit Dir bleiben treu und Hold, 
Die Gefänge der Matrojen, Dich verlaffen nicht auf Erden, 
Gie verwunden mir mein Herz. Solang dad Rad der Liebe zollt. 
2. Denkit du noch an jene Stunde, 4. Als die Sonn’ am andern Morgen 
Wo wir und zuerit gejehn, Durh des Tales Hügel drang, 
Liebe floß aus deinem Munde, Fuhr der SYüngling, frei von Sorgen, 
Und du wart jo Hold und jchön. In fein ferne Heimatland. 
Damals warjt du froh und heiter, In bes Meeres tiefe Woge 
Damal3 warft du nie betrübt, Riß der Sturm ihn mit hinab, 
Aber heute mwillft Du weiter, Yort von der, bie ihn betrogen; 
Tort von der, die dich geliebt. Sn den Wellen war fein Grab. 


Ann.: 8,8 „Inöber” tft widerfinnig, foll wohl heißen „in vergeblicher, 
zmwedlojer ieberbanfer, ; oder it der Ber in folg euer Yalfung zu geben: 
„oder harıt im fremden 
Eine Sungfrau Hold auf bi, 
Die in jchnöder Liebeöbanbe 
Treuer zu bir hält al ich.“ 
Heeger-Wüft 11327 (Str. 3, ,.,: Dann zerreiße ihre Bande, Dir nur 
dienen, dad will ih); Meier 432. 


104. Erfie Siebe. 





Un ei= nem fchö » nen Som: mer -» a= bud fah id vor 


WE 


meis ner Elstern Zür; da fam ein Süng=ling, immer weiß, wie 





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ihön er war; er war ein Süngsling von adit = 


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=, ne 


1. An einem jchönen Sommerabend 3. Er jchlich jich heimlich an meine Seite, 


Saß ic vor meiner Eltern Tür; Daß ihn der Vater nicht bemerft; 
Da Tam ein Süngling, 2 doch die Mutter, 
er weiß, wie jchön er war, Sie Hatt’3 gefehen, 


E3 war ein Züngling von achtzehn Yahr’.| Sie weiß, mies raljhe Lieben tut. 


2. Er wollt’ mid füffen, ich mwollt’3| 4. Am andern Morgen Korn Die 
nicht leiden, Mutt 
Weil ich noch jung von Jahren war; | Man darf nicht Füfjen, es it Sind a 
Man muß aber lieben, „Ad liebe Mutter, 
Muß lieben, leiden, E3 war jo fchöne, 
Benn man auch) jung von Zahren ift. | Sch weiß e8 jegt, wa3 Tieben heißt.” 


Heeger-Wüft II 226a. 


105. Bet Hiller Nähten SHaine. 


Fr 


Bei ftil= ler Nähten Hai = ne, de8 Nachts bei Hel =» lem 








Mo— ja—Mon= den = {hei ne fab ih von fern ein Mäd » den 


zu 
sy a Te 1 Wr —— nr Pe Dr >] a 
ar SE re ep 





Hehn. Gie war fo jhön wie ei» ne Ne = be, fie war bei 





Gott, jo wahr ih le = be, die Scönzfte, die ih je gesjehn. 


1. Bei ftilleer Nächten Haine, 
Des Nachts bei hellem Mondenjdeine, 
Sah ih von fen ein Mädchen jtehn. 
Sie war fo jhön wie eine Rebe, 
Cie war, bei Gott, jo wahr ich Iebe, 
Die Schönite, die ich je gejehn. 


Als ich fie jah, da wollte . entfliehen, 
Doc frudhtlog, dag war ja ihr Bemühen. 
Sh Tabte fie am Kleid und fprad: 
Mein Liebehen, mwillit du mich verlafjen, 
Willit du mich lieben ober hajjen? 
Die Antwort war ein leifes „Ja“. 


Wir fegten uns ind Grüne nieder, 
5 füßte fie, und fie mich mieber, 
ir Iannten unfre > vor) Liebe Taum. 
Und jo verfhwand fie unter Küffen, 
Wollt’ ihr e& noch meiter mwiljen? 
3h machte auf, e8 war ein Traum. 


Verfafier ? 





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106. Ein Zägerlied. 





Ein Bü =- ger in dem grü=nen Wald wollt’ ju= chen fei=nen 





Auf = ent = Balt; er ging im Wald wohl Bin und ber, ob 


„An 
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auch nichts, ob aud nichts, ob au nihts an = zu=tref = fen wär”. 


1. Ein Säger in dem grünen Wald 2. &3 rief mir eine Stimme zu, 
Wollt’ fuchen feinen Aufenthalt, Und ich meiß nicht, wo fie i—ja—ift. 
Er ging im Wald mohl hin und ber, | Bleibe du bei mir al3 Syägerin, 

Ob Eu nichts, ob auch nichts, Du jtrahllofes Mädchen, 
Db auch nichts anzutreffen wär”. Bleibe du bei mir ald Sägerin! 


3. Mein Hündelein, das treue Tier, 
Das Hab ich alle Zeit bei mir. 
Mein Hündelein jagt, mein Herz das Klagt, 
Meine Augen, meine Augen, 
Meine Augen leuchten wie zwei Stern. 


ss Krapp 38; Bödel 25; Wolfram 49; Marriage 154; Bender 


107. Das Jägermädden. 





Blu=- men mwun=der= [hö=- ne, fie ge=dadht da= bei in ih= rem 


Be ee 















4 __ ii 1 0 0.107 st 

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MO | | a a a a eo 
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daht da= bei in ih=rem Sinn: ad, wär ih ei- ne Jäü=ge» rin! 


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1. Ein FZägermädcdhen ging in3 Grüne, 
Bu fuchen lumen, wunderjchöne. Da wohnen meine Eltern beide; 
Sie gedadht dabei in ihrem Sinn: Da drunten in dem tiefen Tal, 
Ah wär ich eine Sägerin! Da wohnen meine Brüder all.“ 
Holdiriam, riam, riam, holdira, 


Yolla, Holle, Holbira! 5. Sie gingen auf die grüne Seide 
2. Raum war der Sinn aus ihr gegangen, | Zu ih—ja—ihren Eltern beiden. 

Da Fam ein Säger aus den Schranfen. Die mwünfchten dem verlobten Baar, 

Er jprad: „Mein Kind, ich Liebe dich; Zu leben viele frohe Zahr!. 

Mein Kind, Tennit du die NRoje nicht? 


4. „Da droben auf ber a Heide, 





3. Sie feßten fi ind Grüne nieber, 6. &3 fiel ein großer Rat vom Himmel, 
Er füßte Ye Al ihn wieder. Der führte fie ind Weltgetümmel, 
Er fragt fie Hin, er fragt fie her, Der führte fie zum Traualtar, 
Wo ihrer Eltern Wohnung wär. %o beide fagen mußten „Sa“. 


108. &s fiaud eine Lind. 





breit und un = ten jcdhmal, wo» run.ter zwei Seins lieb = den 






I 
fa= Ben, vor lau s» te Lieb” ihr Leid ver » ga = en. 


1. &3 Stand eine Lind im tiefen Tal, 
Bar oben breit und unten fchmal, 
Worunter zwei Teinsliebehen faßen, 
Bor lauter Lieb ihr Leid vergaßen. 


2. Er mußte aber fieben Sahre fort, 
Und weiß noch nicht, an melden Drt. 
„Und mußt du aud) noch fieben Sahre wandern, 
So Heirat ich doch feinen andern.” 


3. Und als die fieben Jahr um warn, 
Da Tam ein Reiter geritten bald; 
Sie ging wohl in den Garten, 
hr Teinzlieb zu erwarten. 


4. Sie ging wohl in das grüne Holz, 
Da am Ei Reiter geritten Holz: e 
„Gott grüß dich, du Hübfche und Feine, 
WBa3 tuft du Hier alleine? 


5. Sit dir dein Vater oder Mutter gram, 
Dder Haft du heimlich einen Dann?” 
„Mein Vater und Mutter find mir nicht gram, 
Und ich Hab aud heimlich Leinen Mann. 


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an, 78 


6. Heut find’ fehs Wochen und Sieben Jahr, 
Da mein Teinsliebden Abichied nahm.“ 
„Ih bin geritten durch eine Stadt 
Da Hat bein Feinsliebehen Hochzeit gemadit. 


7. Wa3 tuft du ihm denn mwünjchen an, 
Daß er feine Treu’ gebrochen hat?“ 
„Ish mwünjd’ ihm jo viel Glüd und Segen, 
Al Tropfen von dem Himmel regnen. 


8 &h mwünidh ihm foviel fchöne Zeit, 
As Schnee im weiten Walde Ieit.‘ 
Wa3 309 er von jeinem ingerlein ? 

Ein feines goldned Ningelein. 


9. Was z0g er aus feiner Tafchen? 
Ein Tud, Hneeweih gewaschen. 

Er warf dad NRinglein in ihren Schoß, 
Sie meinte, daß dad Ninglein floß. 


10. „Zrodne ab, trodne ab die Weugelein, 
Du jollit fürwahr mein eigen fein. 
Sch tät dich ja nur verfuchen, 
Ob du würdeft fchwören oder fluchen.“ 


Krapp gl: Böcdel, Handbudh, ©. 146-150; Wolfram 22; Mar- 
riage 4; Bender 4; Heeger-Wüjft I, 20; Erf 1,67, %ohn T; Zeit- 
Ichr. f. öfterr. Voltst, 13, ©. 157. 


109. Die Blume. 





Da unsten im Ta = le, mo Dft=-mwind weh - te, ba ftand Lu= 





ts fe am Blu=smen = bee-'te; da ftand ne Blu=me, fo weiß wie 





“ Schnee, ja Schnee; ff ei- ne Blum Hab’ ih no nie ge = fehn. 


1. Da unten im Tale, wo ODftwind mehte, 
Da ftand Luife am Blumtenbeete; 
Da Stand 'ne Blume, fo weiß mie Schnee, 
So eine Blum’ hab ich noch nie gefehn. 


2. Sch wollt’ fie pflüden zu meiner Luft, 
Und wollt’ fie fteden an meine Bruft. 
Da fprah die Blume: PBerjchone mid), 
Sch biühe morgen viel fchöner noch für Dich. 


3. Des andern Morgen3 vor Tageögrauen 
Ging ih in Garten, die Blum zu fchauen. 
Da ftand eine Blume, fo bfätterleer; 

So eine Blum’ Hab ich noch nie gefeh'n. 


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4. Sch Hab geliebet, Hab Treu gejchworen, 
Sie fein verjchwunden, die Abichiedsitunden. 
Kann nicht mehr Lieben, nicht luftig fein, 

Die einz’ge Blume, fie heißt Vergißnichtmein. 


Rrapp 51. 


110. Adfied. 


LI 0  dJ T dd OO  — 





Di 





Her=ze jo jchwer; TFeins-liebschen, die Ausgen von Träsnen voll, fie 


Kieb-hen, a = de, a = de, a= de, auf Wierdersfehn, Lieben, a = de! 


1. Wie wird mir fo bang, daß ich jcheiden muß, 
Wie wird mir’3 ums Serze n Ichwer; 
ein3liebchen, die Augen von Tränen voll, 
ie drüben am fyeniterlein fteht. 
Sie fchwenft ihr Tüchlein, fie winkt und nidt, 
Hat taufend Grüße mir zugejchidt. 
Auf Wiederfehn, Liebchen, ade! 
Ade, ade, auf Wiederfehn, Liebehen, abe! 


2. Du Scdifflein du, an der Garonne Strand, - 
Du eilft in die MWogen der Gee 
Und läßt mir mein Liebchen in fernem Land, 
Mein Liebehen, fo Hold und fo jchön. 
Leb mohl, du Mägdlein mit holdem Blid, 
E3 jchaut ein Treuer nach dir zurüd, 
Auf Wiederfehn, Liebehen, ade! 
Ade, ade, auf Wiederfehn, Liebchen, abe! 


3. Behüt dich der Himmel, du Herzige Maid, 
Gedent in der Ferne auch mein, 
Und wär’ ich auch viel taufend Meilen meit, 
Mein Herz bleibt dir immer jtet3 treu. 
Beim Mondenfchein und bei des Tages Grau’n 
Möcht ich dein Tiebliche8 Bild nur jchaun. 
Auf Wiederjehn, Liebchen, ade! 
Ade, ade, auf Wiederjehn, Liebehen, abe! 


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Pr 5 


— 80 — 


111. £iedesweb. 





fif, da fam ja bei, dem Ab=jchied fein Lieb- chen da - her. 


1. Der Süngling wollt’ reifen, 4. Die Wolle bringt Regen, 
Der Abfchied fiel jchmwer, Die Sonne das Licht, 
:,: Sieh, da fam ja bei dem Abjchied :,: Und der Himmel die Sterne, 
Gein Liebchen daher. :,: Wenn ber Abend anbridht. :,: 

2. Kein Feuer, feine Kohle 5. Ein’n Aft braucht der Vogel, 
Kann brennen jo “heiß, Sein Nejtchen zu baun, 
:,.: ®ie heimliche Liebe, :,: Und der Süngling ein Herz, 
Bon der niemand was weiß. :,: Dem er jeins fann vertraun. :,: 

3. Die Rojen, die Nellen, 6. Und Hältit du einen Spiegel 
Die blühen jo jchön, Sr mein Herze hinein, 
:,: Wie wenn zwei verliebte Herzen :,: Und darin Tannft du fehen, 
Bei einander tun ftehn. :,: Wie treu ich eg mein. :,: 


Er£ll 507. 508a, vgl. 557b; Wolfram 148; Heeger-Wuü tl 83. 


112. Abfhied au der Donau. 





tft ja nit mehrda, e& dämsmert ja fchon wieder ber Usbend fo nah. 


1. Einft ging id am Ufer der Donau entlang, 
Um zu jehen, ob mein einziger Wilhelm da jtand. 
Er ift ja längft verjchwunden, er ift ja nicht. mehr da, 
E3 lebet in der Yerne die Holde Naditigall. 


2. Da droben auf jenem Berge, da fchwenkt er feinen Hut, 
Ude, mein liebes Mädchen, dir war ich einit fo gut. 
Dir hab ich Treu gefchworen und bredje fie auch nicht, 
. Dich will ich ewig lieben, bi8 mir das SHerze bridtt. 


3. Gedankenvoll verjunten, fie wird e3 faum gemwahr, 
Als halb in ihrer Nähe, ein Süngling bei ihr mar. 
„Ah Rofa, ah) Rofa, ach weine nicht fo fehr, 

Gedenf an deinen Wilhelm, ald3 wenn er bei dir wär.” 


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==, BI ze 


| 4. €3 dämmert in der Laube, alleine fiß ich Hier, 
Ach wäre doch mein Wilhelm noch einemal bei mir. 
Er ift ja längft verfchwunden, er ijt ja nicht mehr da, 
E3 dämmert ja fchon wieder der Abend jo nah. 
Ert II 708a; Krapp 67 u. 71; Wolfram 23; Marriage 120; 
Heeger-Wüft II 184; Meier 399. 


113. &t da Rommt ja mein Sieden. 





Ei da kommt ja mein Lieb- hen von fer= ne ba = Ber, ' 
und? dba mirdb mir umd Her=-3e jo Heiß und fo fchmwer. 


Schneller. 





wird mir jo heiß mein Blut, Bei daS tut gut. 
1. €i, da fommt ja mein Liebehen von ferne daher, 
Und da wird mir’3 um Serze fo heiß und fo fchmer. 
Wenn’3 mit dem Finger winkt und mit den Weuglein blinkt, 
Wird mir fo Heiß mein Blut, hei, das tut gut. 


2. Draußen tt alles ftodfinfter und Nacht, 
Und da hat ja mein Liebehen jo oftmal3 gefagt: 
„Steig übern Blank hinein, daß wir beifammen fein!“ 
Wenn wir ung füljen tun, hei das jchmedt gut. 


3. $ch Hab’3 ja meiner Mutter jo oftmal3 gejagt, 
Daß mid nur die Liebe jo mweit hat gebracht. 
Gie jagt: Zhr follt eu) Han, Heirat euch bald zujamm’, — 
Da3 tun wir auch bald gewiß, mein Scha und id). 


4. ©o fein wir auf einmal zwei junge Chleut, 
Da Hüpft mir vor Freude das Herzel im Leib.. 
Wenn wir ung recht verfitehn, einig miteinander gehn, 
Führn wir ung Hand in Hand dur) den Ehitand. 


114. And nidis verfäweigen Runnter. 





au 
ee ’ 
E38 wa = ren drei Ge=fel = Ien 


ten fi be = ftel fie Biel=- ten al- le 





dreise eisnen dHei= me = li=- hen Rat, wer un=ter ih=nen 





al = len den be=ften Rat-ichhlag tat, den be= ten Nat=fdhlag tat. 
6 


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a BI 


1. €3 waren drei Gefellen, die täten jich beitellen, 
Gie hielten alle dreie einen heimelichen Rat, 
Wer unter ihnen allen :,: den beiten Natjchlag tat. 


2. &3 mar auch einer drunter, der nicht? berjchweigen Tunter, 
„Ed hat mir geitern Abend ein Mädel zugejagt, 
Sch follte bei ıhr fchlafen :,: die Liebe lange acht. ae 


3. Und als ich bei ihr fchlief, ei da kam ein Reiter geritten, 
Der Hopfte fo Ieife an mit feinem Siegelring: 
„Schab jchläfit du oder madjit du, :,: mad) nr geliebtes Kind.” : 


4. „Sch ichlafe nicht, ich mache, und ich tu dir nicht aufmachen, 
Reit du nur immer An! Ivo du herfommen bilt; 
Sch Tann alleine fchlafen, :,: ob du fchon bei mir bift.” :,: 


5. :,:,,%o foll ich denn hingehen, :,: 
€3 fchlafen alle Leut und alle Bauersfind, 
E3 regnet und e3 fchneit, :,: und e3 weht ein kühler Wind.” :,: 


1771 im Eljaß von a a ee (N. 11), Herder? Nacdlaf I 
©. 174. Krapp 73; m 55; Erf II 1305; Kohn 
181; Zeitichr. f. öfterr. Borfat. 2 "156. | 


115. And als der SHnfar. 





Und ald® der Hu= far aus dem FKrie- ge Tam, Hur» ra; 





war ganz zer = rii = fen und noch viel mehr; ab Tie = ber Hus 





far, wo tommit du ber? Bur = va, Hur = ra, Hur = ral 


1. Und als der Hufar aus dem Kriege Tam, Hurra, 
War ganz zerrijjen und noch viel mehr; 
Ach, Lieber Hufar, wo fommit du Her? Hurra, Hurra, Hurra! 


2. Bei einer Zrau Wirtin, da Tehrten fie ein, Hurra, 
Gie fin en zu fingen, zu jaufen an, 


Yrau Wirtin, die fing zu meinen an, hurra, Hurra, Hurra! 


3. Frau MWirtin, warum weineft du, Hurra, 
Oder meinft du mohl um diefeg lag Bier, 
Gelt, du meinjt, du befämft fein Geld dafür, Hurra zc. 


4. Um diefes Gla3 Bier, da weine ich nicht Hurra; 
sh Habe meinn Mann im Krieg vermißt, 
Und ich glaube fürwahr, Sie jein’3 gewiß, hurra ac. 


5. Frau Wirtin, wo fommen die Rinder her, Hurra? 
Den ältejten Sohn, den gab ich Dir, 
Seßt aber find e3 drei bi3 vier, Hurra ac. 


Krapp 134; Bödel 50; Wolfram 70a; Heeger-Wäüft I 59; 


Ert I 191a. b; Kahle, Zeitfer. Beförd. d. © Alt öl. v 
Yreiburg 21, B4f. ’ 3 fi d. Del u u. ertum on 


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Sh weiß mir ei=- ne Frau Mül-le = rin, ein wur = ber- 





len, da3 Geld, da8 mil fie jpa = ven, will jelbft der 













Mühl-Mmedt fein, 
1. 3 mei mir eine Frau Müllerin,| 3. „Sch fteh nicht auf, la dich nicht "rein, 


will felbft der Mühl- net fein. — 





Ein munderfchönes Weib. Und mad) dir auch fein Feuer. 
Gie tut fich jelber mahlen, Denn ih muhl am ganzen Tage 
Das Geld, das will fie fparen, Und mag bi nicht mehr Haben, 


:,: ill jelbit der Mühlfnecht fein. :,: | :,: Einen andern fhäß ich mehr.” :,: 
2. Und ala der Müller vom Felde fam, | 4. „Stehit bu nicht auf, läßt mich nicht ’reim, 


Bom Regen war er naß. So weiß ich mir zu helfen: 

„rau Müllerin, du Stolze, ‘ch tu die Mühl verkaufen, 

Mach Teuer von deinem SHolze, Dus Geld tu ich verjaufen 

:,: Bom Regen bin ih naß.” :,: :,: Sn lauter Bier und Wein.” :,: 


Die Melodie ift ein im Volk jehr befannter Walzer. Krapp 9; Wol- 
ram 67; Marriage 169; Bender 168; Heeger-Rüft I 51; Ert 


117. Der Bauer und fein Selb. 







lieb - lishe8 Mädchen, ein jung friih Blut er = for fih ein 
fie war ei= nem Sol = da s ten gut und bat ih= ren 







Land-mann zur Frau; 


A = ten einft ichlau: er fol» te bo fah= ren ins Ken, er 


Sa mu 





fol = te doh fahs ren tn® Heu, juch = bei, juch = hei, juch = hei, juch- 





hei =» de= lam=dei, er jol = te doh fahb=- ren ind Heu. 


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=, 09. 2 


1. Ein liebliche8 Mädchen, ein jung friich Blut, 
Erlor fih ein Landmann zur Frau; 
Do fie war einem Soldaten gut 
Und bat ihren Alten einft fchlau, 
:,: Er folle doch fahren in3 Heu. :,: 
Suchhei delamdei. 
2. Da dachte der Bauer in feinem Sinn: 
Die hat da was hinter dem Ohr; 
%ch jattle den feurigen Rappen zum Schein 
Und ftelle ihn Hinter das Tor, 
:,: Und tue, ala führ ich in3 Heu. :,: 
Suchhei delamdei. 
3. Da lam von dem Dorfe ein Reiter Daher, 
So jtolz wie ein DHoflavalier. 
Das Weibchen am zeniter ein Zeichen ihm gab 
Und öffnet ihm leije die Tür. 
‚. „Mein Mann ift gefahren inz, Heu.” :,: 
Suchei delambdei. 
4. Sie drüdte den blühenden Knaben and Herz 
Und gab ihm mand) feurigen Kuß. 
Dem Bauer am Gudlod) Darb’a fhmwül bei dem Scherz, 
Er prengte die Tür mit dem Fuß. 
: Sch bin nicht gefahren in? Heu.” :,: 
Suchhei delamdei. 
5. Der NReiter, der machte fich wie ein Dieb 
Durchs Fenfter gejchwind auf die Flucht; 
.. Männden, a Männchen, Tieb Männden vergib, 
Er hat mid in Ehren bejudht. 
Sch dachte, bu wärejt ind Heu.’ :,: 
Suchhei delamdei. 
6. „Und wär’ ic) I vier Meilen weit 
Gefahren in Heu oder Gras, 
So  verbitt’ id) mir doc, En Henter ‚bereit, 
Mal foldhen vermwetterten 
: &ch bin nicht gefahren in Heu EEE 
Suchbei delamdei. 


Dol. Schauenbergd Kommersbudh 699; Zemwalter 2, 27. 


118. Das Käfderfied. 





E83 hatt! ein Bauer ein Kalb ge=z0=gen, dad ft wahr und 





hat zwei Kum=me Snie=e, did-de-lam=dei und e = fo muß’S fet. 


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85 


(In diefe Melodie wird während des Singens in Nachahmung der Kälber- 
ftimme mit rauhem Ton „bäh“ Hineingerufen.) 


1. €3 hatt’ ein Bauer ein Kalb gezogen, 
Da3 it wahr und nicht gelogen, 
Diddelamdei und efo muß'3 fein! 

E3 hat zwei frumme fniee, 
Wenn doch nur bald ein Mebger Täm’, 
€3 hat zwei frumme niee, 


Diddelamdei und efo muß’3 fein! 


2. Und als die Frau gewahre warb, 
Daß ein Mebger ind Dorf hinein kam, 
Diddelambei ıc. 

Un eniter tat fie Laufen: 
„Komm herein, mein lieber Mepgersmann, 
Das Kalb mwoll’n wir verkaufen.“ 


. Diddelamdei ıc. 


k... 


3. Und al3 der Mebger in die Stub Hin- 
ein lam, 

Da faß die Frau beim Ofen und fpann. 
Diddelamdei ıc. 
Ganz freundli tät fie Tachen: 
„Komm ber, mein lieber Mebgerämann, 
Der Handel wird fi” machen.“ 
Diddelamdei 2c. 


4. Sie dedt ihm auf den ION ADeIDEN 


ud, 
Und trug ihm auf gebratnen Yıld. 
Diddelamdei 2c. 
Und eine Kanne Weine: | 
„Seß iB, mein lieber Mebgerömann, 
Wir beide find alleine.‘ 
Diddelamdei ıc. 


5. Und als fie gehalten nun ihr Mahl, 
Da gingen fie in den Kälberitall, 
Diddelamdei ıc. 

Das Kälbchen zu beichauen, 

Den eriten Blid, den der Mebger tat, 
Den tat er nach der Frauen, 
Diddelamdei ıc. 


6. Und als der Bauer vom Felde fam, 
Fand er die beiden in dem Gtall, 
Diddelambei  ıc. 

Und er erwifchte einen Strang; 

Der Mepger fprang zum Teniter Hinaus, 
Die Geldla’ ließ er hängen, 
Diddelamdei ıc. 


7. Und al3 der Bauer die Geldfaß’ fah, 
Da war bei ihm die Freude da, 


Diddelamdei ıc. 


„Ah Mepger, fomm bald wieder, 
Zu Taufen, in den Kälberftall, 
Dann freue ich mich wieder!“ 


Diddelamdei  ıc. 


Wolfram 69. 


119. Auf diefer Welt. 





Shab und der ift meit; 


der 





weit, 


fo weit 





über Berg und Tal-ja-Tal, daß ih ihn nicht mehr fe = den kann. 


1. Auf diefer Welt Hab ich Feine Freud, 
Denn ich Hab einen Schab und ber ift weit; 
Der ift fo weit, fo weit, jo meit, 
Ueber Berg und Tal—ja— Tal, 
Daß ich ihn nicht mehr fehen Tann. 


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x 


— 36 


2. Und ald ih kam über Berg und Tal, 
Da fang fo jhön die Nachtigall; 
Sie jang jo fhön, jo jhön, jie ang fo fein, jo fein, 
Gie fang für meinen Schag allein 


3. Und ala id fam zum Gtadttor hinein, 
Da ftand mein Scha fon Schildwadht drein; 
Mir tut mein Herz jo weh, jo weh, jo ee 
Dieweil mein Shat muß Scildwadjt jtehn. 


4. Und als ih Tam zur Goldfchmied’ hinein, 
Schmied’ mir mein Schab en Ningelein 
An die redhte Ha—ja— Han 
Den nehm’ ih mit nad) Sernfenfanb. 


5. Nah) Sadjfenland, da mag ih nicht, 
Keine kurzen Nöde trag ich nicht. 
Reine lurzen Rö—ja—NRöd, 
Keine hölzern Schuh ja Schuh, 
Die fommen feiner Hausfrau zu. 


[6. Nad) Schliterland, da mag ich nicht, 
Keine langen NRöde trag ih n ich, 

Feine langen Rö—ja— Rod, feine fpigen Schuh, ja Schuh, 
Die fommen Teiner Dienjtmagd zu.) 


Krapp 21; Bödel 10; Wolfram 130a; Marriage 5; Heeger- 
Wüft I 128; Erf I 569; die erite Strophe au) Heeger-Wült II 365. 


120. Yon der Wauderfhaft zurü. 





der nah lan=gen Sah=ren Lehrt”? zu dem BHeismat=li=- chen Herd. 


1. Bon der Wanderfchaft zurüd 4. Bittet all die Blümlein fchön, 
Yührt den Süngling das Geichid, Daß jie mit ihm fuchen gehn, 
Der nad langen „Sahren Tehrt Suden gehn auf grünen Au’n, — 
Zu dem heimatlichen Herb. Doc fein Liebehen war zu jchau’n. 


2. Doch eh er geht vor8 Liebchend Haus, 5. Und des Nachts beim Mondenjchein 
Kauft er für fie den jchönften Blumenftrauß | Kehrt er in den Friedhof ein, 


Geht mit jehnjuchtsvollem Sinn Da fieht er bei feinem Glanz 
Nah) des Liebehend Wohnhaus Hin. Einen frifhen Totenfranz. 
3. As er fie im Haus nicht fieht, 6. Zwifchen Rojen und Rosmarin 
a ihm bange um3 Gemüt, Stand des Liebehend? Name drin; 
t die Bäume in dem Wald Sept erit ward’3 dem Süngling lar, 
va des Liebchend Aufenthalt. Wo die Braut zu finden war. 


7. Dazu rot die Sonne fintt, 
Und das Glödlein Teig ae 
Ausgelitten Haft nun Du, 
Sclafe wohl in füßer Ruh! 


Berf.: U. Frhr. v. nenn Marriage28;Heeger- 
8 ii ft I 162; Meier 291; en 


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u OT 


121. Des Hörfters Töchterlein. 
SH hab’ Ihon drei Som= mer fo ein » fam ver = nom=men, 


und id Hab’ fhon drei Somsmer mein Schäßschen nit ge= jehn. 


1. X Hab fchon drei Sommer jo einfam vernommen, 
Und ich Hab fchon drei Sommer mein Schägchen nicht gejehn. 


2. Sm Tannenwalb drinnen, da fteht ein hohes Haug, 
Da jhaut mein fchönes Schägchen zum Feniter heraus. 


3. Grüß dich Gott, mein Schönes Schägchen, fomm und reich mir deine Hand, 
Denn ich will dich erlöfen vom ledigen Stand. 


4. Was will ich dir bringen? Einen Ring an deinen yinger. 
Wa will ich dir bringen? Einen rofenroten Kranz. 


Ert II 634; Krapp 145; Heeger-Wüjt I 148. 


122. Droßden auf Boßem BSerge. 





mor = gen drei jun = ge, fhö = ne Da =» men ber - auß. 

1. Droben auf hohigem Berge, 3. In meines Baterd Luftgarten, 
Da fteht ein hohiges aus: Da ftehen zwei Bäumelein. 
Da jhauen ja alle Yrühmorgen Da eine trägt Mustaten, 
Drei junge jchöne Damen heraus. Das andre Braunsnägelein. 

2. Die erite, die hieße Sufanne, 4. Musfaten, die fchmeden jo füße, 
Die zweite Sufannemarie, Braunsnägelein riechen fo gut, 
Die dritte, die, darf ich nicht nennen, Die verehr’ ich meinem Herzallerliebften, 
Die follte mein Eigentum fein. Der mir e8 gedenfen tut. — 


5. Lieben, das herrliche Lieben, 
Ver I doch das Lieben erbadht ? 

Das haben zwei fchöne junge Leute 
Aus Enngelland mitgebradit. 


Bolfram 183; Heeger-Wüft I 76b; Ert II 419a—e; — zu 
Strophe 3. 4 vgl. Bödel 16. 


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viel Be= fchwer= den, jah 


wich = te 


s . 
die Kö-din im Hostel, mie. 
man=dyen Gtie = fel blank und 





mein zufz=fer = fii- Reg Zur=tel - täub-chen, duf=tu = rul, duf=stu= rul. 


1. Einjt war ich Hausburfch Hier auf Erden, 


Dad madt der Liebe viel Beichwerben; 
Sah ih die Köchin im Hotel, 

Bie Ihlug mir da mein Herz fo fchnell. 
Sch mwichjte manchen Stiefel blanf 

Und jang dabei oft ftundenlang: 

Ah mwärit du doch mein Tiebes Weibchen, 
Dulturul, dulkturul, 

Mein zuderjüßes Turteltäubchen, 
Dukturul, dulturul. 


2. Und tat fie mich mal nicht anhören, 
So tat ih ihr auf3 neue fchwören: 
„Sb liebe di, und das ift wahr, 
Und führ dih au zum Traualtar.“ 
PDrauf reicht fie ihm die zarte Hand, 
Geichloffen ift das fchönite Band. 
„Set wirft du doch mein liebes Weibchen, 
Dulturul, dukturul, 

Mein zuderjüßes QTurteltäubchen, 
Dukturul, dufturul. - 


3. Und nad) jech8 Wochen lonnt man hauen, 


Da ließen fie fi KHirchlich trauen; 
„sn einer Stund mwar’3 abgemacdht, 
sh führt fie in mein Schlafgemad. 
%ch glaubte gar, ein Zürft zu fein, 
sch Ichlief bei ihr fo ganz allein. 

Sebt bit Du doch mein liebes Weibchen ıc. 


4. Und als ein, $ahr verjlojfen mar, : 
Da bradıt der Stord ein Zmillingspaar: 
Bmwei Zurteltäubchen, da hab ich geladit. 
Nun mußt ich wiegen Tag und Nadit, 
Und Windeln mwajchen obendrein, 
sch glaubte fait, ein Narr zu fein. 
Das tat id) nur fürs liebe Weibchen ıc. 


5. Und madjt id) Montags einen Blauen, 
©o tat die Alte mich verhauen 
Mit dem Befenitiel, fo fchlägt fie dann - 
Biel fchöner ald die Nachtigall. 
Und fing ih dann zu meinen an, 
Co fing die Alte gleih mit an; — 
Set Ichlägt dich Doch dein Tiebes Weibchen zc. 


6. Und endlich tat die Alte fterben, 
Seh3 Zunge tat id) von ihr erben, 
Gedh3 Turteltäubchen, und da3 ift wahr, 
Sch führte fie bi8 an das Grab. 

Und al3 id) dann nad) Haufe Fam, 
Da jtimmte ich den Gefang nur an: 
Sebt ift dahin mein Tiebes Weibchen, 


Dufturul, dukturul, 


Mein zuderjühßes Turteltäubchen, 


Dukturul, dulturul. 


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ER Ne eo 
Sr th nn —u = 


Hol=de8 Ma-rie=chen, wo gehft du jekt hin? dh geh’ ing Städ=te=lein, 





wo die Sol-da=ten fein, ei, ei, et, juf, juf, juf, hol-de Ma = rie. 


1. Holdes Mariechen, wo gehit du jet Hin? 
sh geh ins GStädtelein, wo die Soldaten jein, 
Ei, ei, ei, juf, juf, juf, holde Marie. 


2. Holdes Mariechen, was tujt du in der Stadt? 
Sch fhau mi um—die—dum, ob ich fein Mann befomm, 
Ei, ei, ei, juf, juf, juf, holde Marie. 


Ert II 621; Heeger-Wüft I 144. 


125. Yom Freien. 





Wenn man frei = en will, fragt man in der Still’: Sit das Mäb- 


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ben reih, be=-fommt’3 das Geld aud gleih? Sit e8 a = ber arm, 


BET SE ENEBEEE BEER >. MEEEEENGENOEEFSERRREESEEN VERTRETERIN ERREETETETETEEEERET SEEEEN, 
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daß fi Gott er-barm’: Niemand {haut e8 an, befommt auch fei= nen Dann. 


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Und zum trii=-am, tri=-am, trii=-am, bHol-di=-ra, und zum tris 





da3 re= giert die Welt, Geld re= giert die gan=ze mei-te Welt. 


1. Wenn man freien will, fragt man in der Still: 
Sit dad Mädchen reich, befommt’3 da8 Geld auch gleih? 
Sit e3 aber arm, daß fich Gott erbarm: 

Niemand haut e8 an, belommt aud) feinen Mann, 
:,: Und zum triam, triam, triam, holdira, :,: 
Denn fie Hat fein Geld, und da3 regiert die Welt, 
Geld regiert die ganze weite Welt. 


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Tem EN STE ER Deere een a 


= U. 


2. Zottchen Hör mir zu, jei mein Weibchen du, 
Du bilt ja nn ab auch häßlich von Geitalt, 
Aber du Haft Geld, und ba3 regiert die Welt, 
Geld regiert die ER weite Welt. 

:,: Und zum triam, triam, triam, holdira, :,: 
Aber du haft Geld ıc. 


3. Sit das nit 'ne Freud’, wenn Die Sonn’ aufgeht, 
Und der Mann im Bettchen Liegt und braucht nicht, aufzuitehn, 
Kommt da3 Weibchen her und bringt ihm Kaffee ’rein, 

Q dad muß 'ne wahre Yreude fein. 

: Und zum triam, triam, triam, Hholdira, :,: 
Ami da3 Weibchen Her und bringt ihm Kaffee ’rein, 
D das muß 'ne wahre Freude fein. 


126. Am Stenfler. 





1. 36 gin ge= ftern a = bend am en = fter vor » bei md 
2. Ich Heß" ge-wiß nidt auf und laf= fe did ber = ein, bie 


1. fchli mid) ein wenig um die Lä - den: „SchönScäglein ft” auf u 
2. Tü= ren fein a = = al ver= fhloj-fen. Du bift ge=ftern a=bend bei 








1. laß mid her = ein, ih Tann ja nicht län=ger mehr war = 
2. ande=sren ge = weit, da8 Hat mih jo fehr ver = drof = jen. 


1. Ich ging gejtern abend am Yenjter vorbei 
Und jchlih mi ein wenig um die Läden: 
„Schön Schäßelein fteh auf und laß mic) herein, 
Sch Fann ja nicht länger mehr warten.” 


2. „SH fteh gewiß nicht auf und lajje dich herein, 
Die Türen fein all verichlojjen; 
Du bilt gejtern Abend bei ’ner Andern gemeit, 
Da3 Hat mich fo jehr berdrojjen. 4 


3. „OD Lina, glaub e3 mir, die Zeute, die fein ichlimm, 
Die führen faljhe Reden. 
Wenn einer dem andern fein Schäglein verführt, 
Der muß fich felber fchämen. 


4. Hier haft du einen Ring vom allerjeinften Gold, 
Darinnen jtehn zwei Namen. 
Und wenn e3 von Gott jo verordnet ift, 
(Und in der Lieb feine Faljchheit it) 
Sp fommen wir beide zujammen. 


5. Ad, Öott, du frommer Gott, der in dem Himmel wohnt, 
Der alles jo herrlich regieret. 
Der Himmel und Erde gelöaffen ‚bat, 
Der wird und zufammıen führen.“ 


Bar.: 5,3: Der mid) un dich erfchaffen Hat, der führt und „ud ujammen. 
ee 273, Volfrtam 110; Marriage 57; Bender *74; Heeger- 
Wüft I 369 a: Ert II 560b und 821. 


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Und e3 muß gejchieden fein; 
Traurig ziehn wir unsre, unjre Straße, 





mehr, id mün = he mei= nem Schap reit vie = Id Glüd. 
1. Wie bitter fchmedt ba3 grüne raut, 
h Hab meinem Schaß jchon viel vertraut; 
Schon viel vertraut und noch viel mehr, 
%h münfde meinem CScha redjt vieles Blüd. 
2. Recht viele8 Glüd und nod) viel mehr, 
Sch mwünid, daß id) beim Liebchen wär! 
Doch bei ihm jein kann ich aber nicht, 
Die A—ja—Allerliebe, jie roftet nicht. 
3. Wenn did) die Burfchen lachen an, 
Glaub nur nidht, fie wollten dich fchon Haben! 
Denn fie jein voll Faljchheit und Lit, 
Sie geben gute Worte und meinen’3 nicht! 
4. Mädchen, Heirat nicht jo früh, 
Begeb did nicht in Sorg und Mübh; 
Heirat nur nad) der Gelegenheit, 
Gedenfe an die fchöne Genoßbarfeit! 


Anm.: 4,4 Genoßbarleit —= Glüd, Vergnügen. 


128. Morgen mülfen wir verreifen. 


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Mor = gen müf » fen mir ver = rei = fin, und e3 
X EEE I Be ; | 
fe eg ee er 
BZ _ [2 ee 


muß ge = jdie den fein; trau= rig ziehn wir unf » ve, 





unjsre Stra=Be, Te» be wohl, Herz:lieb- hen mein, les be wohl. 


1. Morgen müjjen mir verreifen, 2. Sit der Winter nun vorüber, 

Und der Frühling zieht ins ‘eld, 

Will ich werden wie—ja— wie ein Vöglein, 

Lebe mohl, Herzliebchen mein, lebe wohl. | Fliegen durch die ganze Welt, durch Die Welt. 
3. it es nun zur Beit der Pfingiten, 

Pflanz’ ih Maien dir and Haus, 

Bring ich Dir au8 meiter, weiter Yerne 

Einen jchönen Blumenftrauß, — lebe wohl! 


Nac Hoffmann von TFallersieben. Strophenverluft ! 





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— 92 — 


129. Das fhöne ZBeidden. 





Nacht bei mir, und da8 ge=fällt, und das ge-fällt, = dag ge= fällt mir gut. 


1. Zu Haus hab ich ein Weibchen, [2. Sie jagt, ich follt’ fie nehmen, 
Das ilt wie Mil und Blut; Noch eh’ der Sommer Tan. 
Da3 ibt mit mir und trinkt mit mir Der Sommer ift gefommen, 
Und bleibt die liebe lange Nacht bei mir, JG hab jie nicht genommen, 
Und da3 gefällt, und das gefällt, :,: Scher’ dich weg von mir, :,: 
Und das gefällt mir gut. Scher' dich weg von meiner Tür’! 


3. Warum ich fie nicht ae 
Das weiß ich gar zu mwohl 
Sie ijt nicht Kdön ı von Angeficht, 
Sie hat eine budlige Nas im Gelidt, 
Und da3 gefällt, und das gefällt, 
Und das gefällt mir nicht.] 
Wolfram FRrBErSUNe 190; Bender *84; Heeger-Bült 
I 113; vgl. Erf II 551 





Auf der El = be bin ih ge=fah- ven am fünfszehn-ten Mai, 





Ihö-ner Mäd-chen hab’ ih ge = lies bet auf ein= mal zwei, Drei. 
1. Auf der Elbe bin ich gefahren am fünfzehnten Mai, 
Schöner Mädchen hab ich geliebet auf einmal zwei, drei. 


2. Bei dem Tanze und bei dem Spiele wird mand) Mädchen verführt, 
Drum bleib ich auf der Elbe jtet3 heiter und vergnügt. 


3. Die Eine, die wollt’ jo gerne mal mit mir gehn, 
Und Sie fonnt’- ja vor lauter Weinen den Weg nicht mehr fehn. 


4. „Bleibe, du getreues Mädchen, denn der Weg ift noch gar weit, 
Und der Tag fängt fhon an zu grauen, und wa3 jagen deine Leut!” 


5. „Laß fie fagen, mas fie wollen, denn e3 geht ja niemand an, 
Und ein junges, noch reines Mädchen jucht ich früh fchon einen Mann.” 


6. „Wenn du mir ein Brieflein fchreibeit, fo verfiegle’3 mit lauter Blei! 
Denn ein Schifflein fährt auf dem Rheine, und mein Name it Matro3.” 


Krapp 20; Bödel 58; Kemalter 2, 12; Wolfram 123; Mar- 
riage 119; Ert II, 1431; — der Anfang des Liedes lautet meilt: Auf Der 
Eijenbahn bin ich gefahren. 


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.—. —.—- — _ 





— 


93 


131. Steh iG au meinem Penfterlein. 





1. Steh ih an meinem Tenfterlein, 
Schau in bie ftille Nacht Hinein; 
Den ich gejehen Hab fo gern, 
Er meilt fo fern. 


2. Er meilt fo fern, ben ich geliebt, 
Der mir Freud und Leiden gibt. 
Leiden gab er mir fo viel, 

Doch mein Herz jchwieg immer fill. 


3. Schweig nur ftill, du armes Herz, 
Zrag geduldig deinen Schmerz! 
Denn im Grabe findft du Ruh 
Und den Frieden dazu. 


v 
ein; den th ge = fe = ben bab’ jo gern, er meilt Io 


4. Ruh, Ruh, Ruh bringt mir der Tod, 
Der mir Hilft aus meiner Not; 
Wenn die legte Stund anbridt: 
Schag, Ieb mohl, vergiß mein nicht! 


5. Wilfft du mich noch einmal jehn, 
Steig hinauf auf Bergeshöhn, 
Schau hinab ins tiefe Tal, 
Siehit du mid zum legtenmal. 


6. Willft Du mich nun nicht mehr fehn, 
Ei jo will id von Dir gehn, 
Beinen, bi8 da3 Herz mir bridt: 
Schat, Ieb wohl, vergiß mein nicht! 


Krapp 230; Zemwalter V, 57; Marriage 89; Heeger-Büft 


I 242; Meier 529. 


132. Waldestuft. 






Lebbafter. 


—. 
Wal-dess luft, Wal-des = Luft, 








v 


= 
wie ein=jam fchlägt die Bruft. 





1. Waldezluft, Waldesluft, 
D wie einfam Iölzgt die Bruft! 


Böglein im a aum, 
Stimm beine Lieblein an! 
Stimm an, ftimm an, ftimm an 
Aus voller Bruft. 


2. Waldesluft, Waldesluft, 
D mie einfam fchlägt die Bruft! 
Mädchen, du Holder Stern, 
Bei Dir derweil’ ich gern. 
Bei Dir, bei dir, bei bir 
Berweil’ ich gern. 


3. Waldesluft, Waldegluft, 
D wie einfam fchlägt die Bruft! 
Mädchen, ich Tiebe Dich, 
Weil du fo fchöne bift. 
Weil bu, weil bu, weil bu 
So fdhöne bilt. 


4. Waldesluft, Waldesluft, 
DO mie einfam fchlägt bie Bruft! 
Mädchen, gehit du zur Ruh, 
Scließ beide Aeuglein zu! 
Schlaf mohl, Kchlet wohl, jchlaf wohl 
An füßer Ruh. Ä 


Marriage, ©. 384; Heeger-Wült II 277; Meier 546; Kohn 


105. 


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=, 364: = 


188. An der Saale. 










An der Saa= le füh- lem Stran=de fte= hen Bur=gen ftolz und 





fühn. Sa ih» re DMausern, fie fein zer = fal = Ien, küh= ler 





BWindftreihtdurh ih = re Hallen, Wol-fen zieh-ja-zie= ben drüsber Bin. 


1. An der Saale fühlem Strande 2. An der Saale Tühlem Otrande 
Stehen Burgen jtolz und fühn. Stehen Burgen ftolz und Fühn. 

a ihre Mauern, fie fein zerfallen, Sp mander Süngling fingt Abjchiedglieder, 
Kühler Wind ftreicht durch ihre Hallen, Bieht aus der Heimat, fommt niemal3 wieder. 
Wollen ziehen drüber hin. Gedenfet jeiner wehmutsvolf! 


3. Un der Saale fühlem Strande 
Stehen Burgen ftolz und fühn. 
So mandes Mädchen läßt fich verführen, 
Laßt fih von Anderen fo leicht verführen, 
Keiner will—ja—will der Vater fein. 





Zu Grunde liegt da3 befannte Studentenlied von Franz Kugler; — Le- 
walter V, 55; Marriage 126; Heeger-Wüjft IL, 332; Meier 20. 


134. Mäbhen nnd Lordeerbaum. 





ei, da fah fie auf dem Wege ftehnein’n Lorsbeer-baum fo grü=me. 


1. Ein Mädchen, das zum Tanz wollt’ gehn, 4. „Und it du jüß, und trinfit du Wein, 


Schneeweiß war fie gekleidet. Und bift davon fo fchöne, 
Ei da fah fie auf dem Wege jtehn So nimm dein Kränzlein nur in adıt, 
Ein’n Lorbeerbaum fo grüne. Sonit wirft du e3 verlieren.“ 


(Eine Hafel, die war grüne.) 
5. „Ach Zorbeerbaum, ach Rorbeerbaum, 
en nen Du grünjt mir nimmer wieder, 


i mi Denn meiner Brüder find es drei, 
Ah do Er nn Die hauen dic) darnieder.“ 


3. Ach Mägdelein, ach Mägdelein, 6. „Und wenn fie mich im Herbft abhau'n, 
Wovon bilt du fo fchöne 7“ Grün ih im Frühjahr wieder; — 
„Ei, ih eile jfüß und trinfe Wein, Aber ein Mädchen, das feine Ehr verliert, 
Davon bin ich jo Ichöne.” Befommt fie niemals wieder.“ 


[6 gle 


—- 95 — 





Bödel 22; Wolfram 59; Erf I, 1741, wo darauf Hingemiefen 
wird, daß die Hafel das Symbol der Fruchtbarkeit ift (die Beziehung auf Freyja 
ift natürlich zu ftreichen).. Dazu vergl. man auh Wuttle, Vollsaberglauben 
1425. In Storndorf wie wohl im ganzen Vogelöberg heift e3 deshalb, daß das 
Sabr, in dem es viele Nüfje gibt, auch immer finderreich it. Umgefehrt ift aber 
die Nuß auch Sinnbild des Todes; „er geht in die Nüfje“, Heißt nicht? andrea 
al3 „er ftirbt”. Daß der Nupbaum auch Hauptjädhlich da3 Symbol des verbotenen 
Genujje3 war, geht au3 der Nedendart hervor, welche man anmendet, wenn man 
bon einem unehelichen Kinde redet, aljo von einem finde, da3 feinen legitimen 
Bater Hat; man fagt von ihm, „fein Vater fei im „Weljchnußbaum” (Walnuß- 
baum) erjoffen“. 


VI. Schürz- und Huswandererlieder. 


Schürzlieder. 


Der Tag für den Pienftbotenmwechjel ifk im Vogelöberg der 3. Weihnacdhtstag. 
An diefem Tag jcheiden die Knechte und Mägde, die aus dem Dorf hinausgehen, 
aus der Spinnjtube aus, und e3 findet deshalb eine Abfchiedsfeier an dem lebten 
Spinnjtubenabend vor Weihnaditen ftatt, am Abend ded 23. Dezember. Diefe 
eier nennt man den „Scheideabend”. Er iit eines der höcdhiten Felte im Spinn- 
ftubenjahre. Am 3. Feiertage nun, am „Schürztage‘, verlafien die Dienftboten, welche 
eine neue Gtelle befommen, da3 Haus ihrer alten Herrfchaft: Sie „Ichlirzen”. 
Die Spinnjtube begleitet fie dann in ihr neued Dorf und fingt dabei beitimmte 
Zieder, die man „Schürzlieder” nennt. Xm Haufe der neuen Herrichaft werden jie 
ut bemwirtet, und, wenn fie von der guten Aufnahme ihres Genofjen ich überzeugt 
Baden, treten fie den Nüdtweg an. 


135. Shäslein, reih mir deine Sand. 





te 
Zum Be = fhluß ei= nen Kuß, die= weil id) von dir fcheisden muß. 
1. Schäglein, reich mir deine Hand 3. Auf dem Dade fitt ein Vogel 
er Beichluß für3 Vaterland. Glaub, e3 ift die aan 7 
um Beihluß einen Kuß, :,: NRadtigall, Nachtigall, 

Diemweil ich von dir fcheiden muß. Grüß mein’n Schag vieltaufendmal. :,: 
2. Scheiben ift ein hartes Wort, 4. In dem Teiche fchrwimmt ein Schwan 
2,2 Du bleibjt Hier und ich muß fort, :,7 Schwargbraunes Mädchen, geh nn 

BVeiß no nicht an welchen Ott. :,: Sühr’ und auf die rechte Bahn. :,: 


5. 3 dem Teiche [hwimmt ein Filch, 


:,: Zuftig, wer noch Yedig ift, 
Wer noch unverheirat't if. :,: 


Krapp 207; Zemwalter IV, 6; Bödel 107a, 118c: BVolfram 
187 a; Marriage 95; Bender *21: Heeaer- i i 
II, 771a, b, 772774, RN 


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136. Die ungfühlih Werßeiratete. (Schürzlied). 


ee aa De en ee en ER ee] 

tn a Fo ae nn 
a — pe 05 ee 
ee Se re IP I] ini | 


—- 6 — 













Nun ad = je, jet muß ih reiefen; nun ad=jes, jegt muß ich 


4 er ee 

I 7 5 ai 
ng ge I. n 
Be Zi: 





fort, foll und muß mein Schäglein mei=den, muß e8 af = fen hier im Gtid. 


1. Run adjes, jebt muß ich reifen, 3. Ei, ma3 hab ich mir verdient 
Nun adjez, jest muß ich fort, Kei dem Tanzpla für ein’n Lohn, 
Soll und muß mein Schäglein meiden, | Ei, auf daß ich Ihon muß tragen 
Muß e3 lafien hier im Stid). Auf dem Arm ein’n jungen Sohn. 

2. Ei, vor wenig jungen $ahren, 4. Ach, und hätt’? midd meine Mutter 
A3 ic) nod) viel jünger mar, sn ben Ehitand nicht eingefeßt, 

Ei, da ging ich zu dem Tanze ’'3 wär mir befjer, fie hätt’? mid 
Mit line. Ihönem Haar. In da3 Waifer eingeftürgt. 


- 5. Ei, da wär ih ja ertrunfen 
ALZ ein unjchuldiges Blut, 

%ch hätt’ mein Leben nie erfahren, 
Wie das faliche Lieben tut. 


Die erite Strophe wie hier nur noch) bei Wolfram; ir a peye: 
Rrapp 227; Bödel 5lb; Wolfram 177; ,Heeger- 


137. Das wandernde Mädhen. (Schürzlied). 





Bon dir muß ih fchei= den, präh=ti = ge® Ber = Iin, 
al = le mei= ne Treu=den fein fchon längft da= 





Bin. So eb’ denn wohl auf im- mer, dein ver = ge id 


At 
ne mer, 0 dan fhö- ner Or, mor=gen muß id fort. 


1. Son bir muß id cheiben, Peance Berlin, 
Alle meine Yreuden fein fchon längft dahin. 
©o leb denn wohl auf immer, 
Dein vergeß ich nimmer, 
D du fchöner Ort, morgen muß id) fort. 


2. Kam ein Herr gegangen, feßt ji auf mein Schoß, 
Streichelt mir die Wangen, gab mir einen Ruß. 

3h mollt’, daß alle andern 

Durd) das Tal Hin wandern, 

Und du bliebeit hier, o wie wohl wär’ mir. 











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=, /Q7: 


3. Unter einer Linde, wo ber Frühling fehrt, 
Kann man alles finden, mas ba3 Herz begehrt. 
Herzenzluft und GStärfe 
Sein de3 Tages Werke. 

Mein Herz ift voller Luft, 
Mein Schag, e3 gibt Verdruß! 


Das Lied wirdmeiit einem Burfchen in den Mund gelegt; vgl. Krapp 243; 
en 437, Marriage 122; Heeger-Wüft 11316; Meier 544: 
r 


138. Der Heifefuflige. 





Su-gend acht-zehn Jahr da = Hin, mid drüdste Xuft, bes gab mich Hin zum 


u IN! Se 
A Fee erg, ee tr 
DZ I ge 
Stran = de, be ftieg ein Ediff mit Heit= rem fro = hem Ginn. 

1. Einft lebten wir im beutichen Paterlande 
Der goldnen Jugend adtzehn Jahr dahin; . 
Mid drüdte Luft, begab mich hin zum Strande, 
Beitieg ein Schiff mit heitrem, frohem Sinn. 


2. Die3 war von je mein einziges Verlangen, 
Die Welt zu fehn auf einem blauen Meer. 
Aber ad), da Schiff fing a—ja—an zu fchmanten, 
Der Maftbaum brach), wir mußten untergehn. 


3. $ch rettet? mir mein einzig junges Leben, 
Sndem ic) mi in einen Maftbaum hing. 
Den Wellen aber war ich preisgegeben ; 
Da erblidt’ ic) in der ‘Fern’ ein andres Schiff. 


h ihmwamm drauf los, ich wurde aufgenommen, 
36 dankte Gott, daß ic) gerettet war; 
Aber Räuber, ad) wär’ ich Doc nie geboren, 
Berlauften mid) in eine Sflaverei. 


5. ©o lebten wir im fernen SHavenlande 
Der goldnen Jugend ee (mandje3) Yahr dahin. 
Da lam ein Herr aus deutfchem PVaterlande, 
Der faufte mich und nod) jech8 andre frei. 


6. Wir dankten ihm, wir fielen vor ihm nieder, 
Er aber fpradh: „Wir reifen nad) Stettin; 
Dort geb ich euch wohl eure Tsreiheit wieder, 
Und ihr könnt’ wieder in eure Heimat ziehn.” 


7. Nur no einmal in meinem ganzen Leben 
Da möcht ich meine Eltern miederfehn, 
ch täte dafür alles, alles geben, 
Ah könnte dieg nur einmal noch geichehn. 


DBogl. Meter 505, 


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— 98 — 


139. Auswandererlied. 





Sept ift die Beit und Stun= de da, wir rei=sjen nad WU- me = ri 





fa. DerWanen ftehtichon vor der Tür, mit®Weib und Ki-ja-Sindern zieshen wir. 


1. Seßt ift die Zeit und Stunde da, 3. Und al3 wir famen nach Baltimore, 
Wir ziehen nad) Amerika. Da jtredten wir die Hand empor, 
Der Wagen jteht jchon vor der Tür, Und riefen aus: Biltoria! 
Mit Weib und Kindern ziehen mir. Segt fein wir in Amerila! 

2. Und al3 wir kamen in Bremen an, 4. Amerifa, du Freiheitsland, 
Da Heikt’3: Shr Brüder, tret’t heran, | Du bilt in aller Welt befannt; 
Wir fürchten Leinen Wafferfall, Wir trinfen Bier und trinfen Wein 
Der liebe Gott ijt überall. Und lajien Deu—ja— Deutichland fein! 


Berfaller ©. %. Sauter; — Rrapp 160, Bödel 45 (Rünzel, Ge- 
Ihichte von Heljen, ©. 571); Wolfram 438; Marriage 127; Bender 
*147; Heeger-Wüjt II 323; Er! I, 7%; Meier 238. 


140. Auf der Eimbrin. 





30 = gen mit viel an = dern mohl auf der Cim=bri = a. 


1. Bwei Brüder mollten wandern 4. Der Bruder Sprach zum andern: 
Wohl nah Amerika, | „Wenn bu gerettet wirft, 

Gie zogen mit viel andern ©o ziehe in die Heimat 
Wohl auf der Cimbria. Und grüße fie von mir!“ 

2. Der erite Tag mar belle, 5. Der Bruder aber jchiweiget, 
Dann ftieg ein Nebel auf; Sein Mund war fchon verjtummt, 
Die Schiffer fuhren langjam Da zogen die Gemäller 
Den vorgejchriebnen Sant Die beiden in den Grund. 

83. Doc plöglich fah man’3 blinken 6. Nun hat’3 ein End mit Ddiefen, 
Bur G©eit’ ein helles Licht! Die Hier verjunfen find. 

„Ihr Lieben, wir verfinten, Lebe wohl, du mein Feindliebchen, 
Die Eimbria, fie bricht.“ 2ebe wohl, auf Wiederjehn! 


141. Die Auswanderer. 








Ei, wann feshen wir ung wie= der? In Phisla=del-phisa. 


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— 9 — 

1. Heut zum Tegtenmal, ihr Brüder, 2. Seht, da3 Schiff ift jchon gerüftet, 
Sehen wir und'noch einmal. Und der Sciffsmann fteht jchon drauf, 
Ei, wann jehen wir ung’ wieder? Daß wir können überjegeln 
Sn Philadelphia. Nah Philadelphia. 


3. Wem’3 gefällt nad) feinem Verlangen, 
Der nehme id ein jchwarzbraunes Mädchen, 
Drüdt jie zärtlih in die Arme, 

Bis der Tod fie trennt. 


VII. Ebestands- und Klosterlieder. 


Die Cheitands- oder Braitlieder find Lieder, bie von ber älteiten Spinn- 
ftube bei einer Brait (Berlobung = mbd. briute Hochzeitsfeier) gejungen _ 
werden. Burjchen und Mädchen verjammeln fich abends vor dem Haufe der 
Braitleute (der Verlobten) und fingen dieje Lieder. Sie erwarten dann für 
ihren Huldigungsgruß einen Fingenden Lohn. 3 exiftieren im Dorfe zur- 
eit drei jolcher Braitlieder, ich habe noch ein älteres, das wenig mehr ges 
a wird, binzugenommen („Wer den Ehitand‘) 

Dieje Lieder Haben im Gemüte de3 jingenden Burfcdhen etwas SYeiligeg, 
eierlihe8 an jich; fie werden nicht bei jeder Gelegenheit gejungen, und man 
Tann beobadjten, wie die Anderen jedesmal aufhorcdhen, wenn eined der Lieder 
an „ar Ivo angejtimmt wird. Die Melodien und auch die Terte find mohl 
jehr alt. 


142. Ein &heflandslied. 


Sehr feierlich). 





| mag id) nicht, denn ih bin zur Eh’ ver=pflidt'-ja Eh’ ver= pflicht’. 


1. Mir gefällt das Ehjtandgleben 2. Ad, was wird die Mutter jagen, 
Beifer als das Klofterziehn. Wenn ich fie verlafien mill. 
Sn da3 Klofter mag ich nicht, Sie mag jprechen, was fie will, 
Denn id) bin zur Eh’ verpflicht't. %ch mill heiraten in der Still. 


3. Mutter, laß dic) doch erbitten 
Und verihaff mir einen Mann, 
Der mich drüdt an jeine Bruft, 
Den zu Heiraten Hab ich Luft. 
Erf II, 868; — KRrapp 193; Bödel 89; Wolfram 253. 
0. 


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— 10 — 


143. Ehflandsfieb. 





hei-ja—bheit; dennih lie-be die Zu=frie-den = heit:dennih =heit. 


1. Zufriedenheit ift mein Vergnügen, 2. Wenn alle Donnermwetter braujen 
Das andre aber laß ich liegen; Und alle Unglüdsfälle jaufen, 
Denn ic) liebe die Zufriedenheit — :,: Ei, und fo vertrau ich’3 meinem. 
—ja—hei—ja—hei—ja— heit; Gott. :,: 


Denn ich liebe die Zufriedenheit. 
3. Was jcher’ ih mid) um andre Leute, 
Wir waren ftet3 die beiten Freunde. 
:,: Ei, man habe nur ein wenig Geduld. :,: 


Rrapp 271; Wolfram 408; Erf III, 1808. 
‚144. Ehflandsfted (Braitlied.) 


Beierlich. 






Nam 
Dro=ben Steht ein Ho = he Haus, jhaut ein fchiwarzsbrau = nes 


= 


Mägdlein herzaug; fie jchaut wohl ü= ber die GStra= Ben; iva-ren der &e- 






brü » der zmei-e 0= der drei, fie mwa=ren’8 glei = her- ma = Ben. 


1. Droben fteht ein hohes Haug, 3. Hochzeit halten wär’ jchon gut, 
Schaut ein Schwarzbraunes Mägplein heraus, | Wenn wir hätten ein fo großes Gut, 
Sie Schaut wohl über die Straßen: Und dabei ift noch vieles zu bedenken: 
Waren ber Gebrüder zmweie oder drei, Schwarzbraunes Bier oder Brannteweir- 
Sie mwaren’3 gleichermaßen. Recht tapfer einzufchenfen. 

2. Der jüngfte, der darunter war, 4. Und wer die Todter haben will,. 
Bot dem Mädchen einen guten Tag. Muß der Kronentaler haben viel, 
Ganz freundlich tät fie jagen: Und er muß ja erft beichwören, 
Schäglein, wenn du meine wärft, Nimmermehr zum Tanz zu gehn, 
Gleich) Hochzeit täten wir halten. Beim Tanz zu Farefjieren. 


5. Doc eh ich dies beichwören follt, 
Muß die Tochter fein von lauter Gold, 
Mit Silber eingefajjet; 

Eh ich dies beichwören jollt’, 
Biel lieber woll'n wir’3 Iaffen. 


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— 101 — 


145. Eöflandslied. 






| 
| Kie= be er= fhliesfen; denn wo Lie - be und Ein=tradit ftets 





woh— ja — wohnt, wird der Eh-itand mit GSe= gen be = lohnt. 
1. er den Ehitand will fröhlich genießen, 
Der muß fich der Liebe erjchließen;; 
Denn wo Liebe und Eintracht ftet3 mohnt, 
Wird der Ehitand mit Segen belohnt. 


2. Wenn den Mann die Sorgen einft bdrüden, 
Soll die Frau mit heiteren Bliden, 
Shn ftet3 tröften, mit der Liebe erfreun 
Und dem Mann feine Sorgen zeritreun. 


. 3. Auch der Mann foll die Pflicht nicht vergejjen, 
Geine Frau ftet? ehren und fchäßen, 

Denn wo LKiebe und Eintracht ftet3 Hauft, 

Srohe Tage die bleiben nicht auß. 


4. Ohne Reichtum Iebt mancher zufrieden, 
Benn au Armut ihn brüdt hienieden. 
Obne Reichtum lebt mancher vergnügt, 
Wenn auch Armut zu Boden ihn biegt. 

5. Soll die Armut die Liebe nicht ftören, 
So joll niemand die lage anhören, 

Trage jedes fein Leid in Geduld, 
®ebe feines dem andern die Schuld! 


6. Sollt’ der Allmädht'ge da8 Band einft zertrennen, 
Sollten fie fi die Ruhe einjt gönnen, 
Was ihr geichmworen habt am heiligen Altar, 
Das Haltet feit bis zur Todesbahr. 


Sm oberen Vogelöberge jehr verbreitet! 


146. Die Nonne. 


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D BEER > TEE WEHREN 1. BEER 5 Ba 
Morton Iren Iren 
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Schaß Hat mih ver=laf - fen, denn mein Schab Hat mid ver- 





v 
laj » jen, da8 fränz= tet mid jo ehr, daß Frän=Tet mich jo fehr. 


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u. 





— 102 — 


1. 3 melten alle Blätter, 
Gie fallen alle ab; | 
:,: Denn mein Schaß hat mich verlafjen, :,: 
:,: Das Tränfet mich jo jehr. :,: 


2. Ina Klofter will fie ziehen, 
Will werden eine Nonn. 
:,: Ei fo tu ich die Welt durchreifen, :,: 
:,: Bi8 daß ich zu ihr fomm. :,: 


3. Am Klofter angelommen 
Ganz leife Hopft’ ich an. 
:,:.Öebt Heraus bie jüngftre Nonne, :,: 
:,: Die zulegt ind Klojter fam. :,: 


4. €3 ift feine angelommen, 
Wir geben auch feine heraus, 
:,: Denn wa drin it, dad muß drin bleiben : ,: 
:,: m jchönen Nonnenhaus. :,: 


5. Dort ftand fie in einer Ede, 
Schneeweiß war fie gefleid't. 
:,: hr Haar war abgejchnitten, :,: 
:,: Bur Nonn war fie bereit. :,: 

6. Wa3 trug fie unter der Schürze? 
Eine Flaijh Champagneriein. 
:,: Die wollen wir beid’ austrinfen, : 
:,: Das foll der Abfchied jein. :,: 


KRrapp 104 u. 1532; Heeger -WüftI 164e 1; Mitt. d. tchlef. Gel. f. 
nn 18, ©. 42 und 20, ©. 106; Alemannia R. %. 7, 154; Niederfachjen 
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147. 3m Slofter. 


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BI fax; Q | Se —;__ fan | 09 GEBE EEE BERN a LE 
IVO | a NT 777 Zi |/ 5 3 Sen 00 5) 


Sch Stand auf ho = hem Ber=ge, jdaut’ Hin=ab ind tie= fe Tal; 





fied, da kam ein Schiff gejhwommen, mwo=rin drei Grafen war’n. 


1. ch ftand auf hohem Berge, fchaut Hinab in3 tiefe Tal, 
Sieh, da fam ein Schiff gefhgmommen, worin drei Grafen war’n. 


2. Der jüngfte wohl unter den Grafen, der auch in dem Schiffe mar, 
Der gab mir Wein zu trinken, fühlen Wein aus feinem Gla2. 


3. „Warum gibjt du mir Wein zu trinken, fühlen Wein aus deinem Olas ?‘ 
„Ei, da8 tu ich aus lauter Liebe, au8 lauter Liebe und Treu.” 


4. „Sch weiß von Feiner Liebe und weiß von feiner Treu, 
Sn Klofter, da wollen wir ziehen, dem Klofter da bleiben wir treu.” 


5. Sm Klofter angelommen, ganz leije tritt er ein: 
„Gebt heraus die jüngfte Nonne, die Herzallerliebite mein! 


6. Sie Tam daher gejchritten, jchneeweiß war fie gefleid’t, 
hr Haar war abgefchnitten, zur Nonn’ war fie bereit. 


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— 198 — 





7. Bas trug fie unter ber Schürze? Eine Flafch Champagnerwein. 
„Rimm fie hin, mein Serzallerliebiter, e3 foll der Abjchied fein.“ 


Krapp 151; Bödel 120 und Handbud ©. 169; Lemalter II, 4, 


Volfram 17; dv. Ditfurth I, 165; Ert I, 89 Marriage 3; 
Bender 8; Heeger-Wüft 129; John 11; Aemannia N.S. 8, 119. 


VILI. Lieder verfchiedenen Inbalte. 
148. Daßeim. 


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1. 3ch bin jo gern, jo gern daheim, ! 2. Gemwandert bin id) hin und her 
Daheim in meiner jtillen Kaufe: Und mußte oft dem Schmerz mich fügen, 
Wie Hingt e3 doc) dem Herzen wohl, Den Freudenbecher jebt id) an, 

Das Tiebe jüße Wort „zu Haufe“. Sch trank ihn aus mit vollen Zügen. 


Doch (denn) nirgends in der weiten Welt | Doc, immer z0g ed mich zurüd, 

Fühl ich jo frei mid) von Bejchwerde: Zurüd nad) meinem heim’fchen erde. 
Ein braves Weib, ein herzig Kind, Ein braves Weib, ein herzig Kind, 
Das ift mein Himmel auf der Erde. Das ift mein Himmel auf der Erde. 


3. Allabendg, wenn der Tag zur Ruh 
Und ich mich leg zum Schlummer nieder, 
Da bete ich zum Herrn der Welt, 

Eh fchliegen jich die Augenlider; 

%d) falte beide Hände fromm zu dem, 
Der einiten3 jprad) jein Werde: 

D guter Gott, erhalte lang 

Mir meinen Himmel auf der Erde. :,: 


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— 114 — 


149. SHoßenzollernfied. 






Nicht meit von Würtstem = berg und Ba = 
da Het ein Berg, fo Hoh er = Ha = ben, den 







= fan 200 BEE GREREERE BREEEEEER (RAEmEGEN „ AREraREEL BEEEAREGEN „ARE 
erg ge 
don der kmwun= der = hd = nen Schweiz, ö 
man den Ho = ben = zol = lern beißt. Er haut her ab 10 








ftolsz und ihn auf al= Ile, die vor = Ü=bersziehn. Auf Ho» hen- 






w 
z0l=Ierns fteislem Sel-fen, wo unzsver-zagt die Ein-tradt ruht. 
1. Nicht weit von Württemberg und Baden 2. Bon diefem Berg, da geht die Sage, 


Und von der wunderjchönen Schweiz, Die fich auf ganze Land erjtredt; 
Da liegt ein Berg, jo hoch erhaben, Ein jeder Vater hat die Plage, 
Den man den Hohenzollern heißt. Die fih auf feinen Sohn eritredt. 
Er jchaut herab fo ftolz und Fühn Er jchict ihn fort in fremdes Land, 
Auf alle, die vorüber ziehn. Gein Lieben glaubt, er fei verbannt, 
Auf Hohenzollerns fteillem Wellen, Auf Hohenzollerns fteilem eljen, 
Wo unverzagt die Eintracht ruht. Wo unverzagt die Eintracht ruht. 


Krapp 201; Lemwalter 3,34; Marriage 148; Erf II, 1359. 





Sm Frühsling its auf den Al= pen fo Herr=-Licdh, fo fchön, 





wenn die Wie-jen grü- nen und die Blu=-men blü = ben 
und die Schweiszer = mäd-dhen auf die 





Al= men ziehn, ift’8 auf den Al = pen fo Hberr=Iicdh, fo för. 
1. Sm Frühling ift’3 auf den Alpen jo herrlich, fo jchön, 
Wenn die Wiejen grünen, und die Blumen blühen, 


Und die Schmweizermädchen auf die Almen ziehn, 
<it’3 auf den Alpen fo Herrlich, jo Tchön! 


1 
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— 105 — 





2. 3m Sommer ijt’3 auf den Alpen fo herrlich, fo fchön: 
Wenn die Blite zuden und der Donner kracht, 

Und der NRegen, der hat alles nak gemadht, 

$t’3 auf den Alpen fo herrlich, jo Ichön! 


3. Im Herbft ift’3 auf den Alpen fo herrlich, fo jhön: 
Wenn der Gemäbod über Berg und Hügel fpringt 

| Und das Schweizermädchen frohe Lieder fingt, 

$it’3 auf den Alpen jo herrlich, fo fchön! 


4. Zm Winter ift’3 auf den Alpen fo herrlich, fo fchön: 
Hat der Sommer fi) jo fchnell Hinweg gemadit, 

Und der Winter fommt mit feiner weißen Pracht, 

Sit’3 auf den Alpen fo herrlich, fo jchön! 


Lemwalter IV, 38; Heeger-Wüft II 355. 





151. Tief unter der Erb’. 





denn wir al = le fein Brüder, wir al = le fein gleid. 


1. Naht Neihtum madht glüdlih, „Zufrieden“ madt reich; 
Denn wir alle jein Brüder, wir alle fein gleid). 


2. Hat einer viel oder hat einer wenig, da3 hat gleichen Wert, 
Denn der Bettler wie der König, fie müljen unter die Erd’. 


3. Der Menfch foll nicht ftolz fein auf Glüd und auf Geld, 
E3 Ientt fo verfchieden da3 Scidjal die Welt. 


4. Dem Einen hat’3 die Gaben, die goldnen, bejchert, 
Der Andre muß graben tief unter der Erd. 


5. Der Menich foll nicht denken, ein Andrer fei fchlecht, 
"Sm Himmel Hat jeder dad nämlihe Ned. 





6. Der Himmel läßt wandern den Einen hochgeehrt, 
Und führt auch den Andern tief unter die Erd. 


7. Der Menih foll nicht Hajjen, fo Furz ift dies Leben, 
Er foll, wenn er gefränft wird, von Herzen vergeben. 


8 Wie viel hab’n auf Erden den Krieg ji) erflärt 
Und machen erjt Frieden tief unter der Erd. 


KRrapp 43. — Leider it nur eine Melodie für zweizeilige Strophen an« 


zutreffen, obwohl der urfprünglhe Tert (au8 dem Gingfpiel „Tief unter der 
Erde” von E. Elmar) vierzeilige Strophen Tennt. 


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Die Ge = dan= ten find frei, wer will fie er - ra = ten? 
Sie ei = len vor = bei, wie ein nädt=li = cher Schat=ten. 


men ee? 





& 
fg id’8 oh = ne Eden: bie Ge = dan - Ten find frei. 
1. Die Gedanken fein frei; wer mill fie erraten? 
Cie eilen vorbei, wie ein nächtliher Schatten. 
Kein Menich kann fie mwifjen, 
Kein Säger fie jchießen, 
Drum fjag ih’3 ohne Scheu: 
Die Gedanken fein frei. 
2. $ch Hatte ein Mädchen, das liebt ich vor allen, 
Weil jie mir vor Zeiten hat am beiten gefallen. 
sh ig nit gern alleine 
Bei einem Gla3 Weine, 
Ein Mädchen dabei: 
Die Gedanken fein frei. 
3. Und fperrt man midh ein in finiteren Serfer, 
So fein das ja lauter vergeblihe Werke; 
Denn meine Gedanken 
Zerreißen die Schranfen, 
Brechen Mauern entzmwei; 
Die Gedanken fein frei. 
43 KRrapp 121; Wolfram 409; Erf II 1803; vgl. John 27, Meter 


IX. Scherz- und Rätfellieder. 
153. Ein „‚Smldifdes“* Sieb. 


1. Singart. (Eine Parodie.) 
Ehoralınäßig. 










7 
Die Gans mit ih- rem brei=sten Fuß, das Glöd-lein Mling-flang- 
2. Singart. 


. i 
brei=ten Fuß, da8 Glöd-lein Eling-Hlang-ala=ri- us, Bi=-on, Bi - on. 
‚Vielleiht deine Parodie auf ein Tatholifches Kirchenlied und aus bem 
tatholifchen Wulderland herübergemanbdert ! 





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— 107 — 


154. Das „Meihefer Totenlied.‘* 
(Eine Parodie.) 





Zangjam. 





gern, den ww=ten noch viel lie=ber. A = nis jchmedt jüh, wirft und nie= der, 





jtredt die Glie=der auf die Er=den, bi8 mir wie= der nüchtern ker bett 


Wie jchön Teuchtet der Morgenitern, 
Den weißen Kümmel trinf ic) gern, 
Den roten noc) viel lieber. 

Anis, jchmedt jüh, 

Wirft uns nieder, 

Stredt die Glieder 

Auf die Erden, 

Bis wir wieder nüchtern werden. 


Ein Beijpiel, wie auch in dem gut evangeliichen Vogelsberg ji) Einige 
finden, die die Firchlihen Weifen verjpotten. (Hejj. Gejangbuh Nr. 269.) 


155. Scderzlied. 





Er = jtens fam ein GSchneisder da = 
der bradht’ mir ein” Necenung da = 





lim, zim = 
lim, zim = ze 


:= zz »-» [im Ei- nen neu=en Der ber = rod, 





no) da = zu, zim=ze = lim, zim ge = lim, zim = ze = lim. 


1. Erjtens fam ein Schneider daher, zimzelim, zimzelim, zimzelim, 
Der bradt mir eine Rechnung daher, zimzelim, zimzelim, zimzelim: 
Einen neuen Oberrod, traleri, dirallerallera, 

Und zwei Hojen noch dazu, zimzelim, zimzelim, zimzelim. 





on Itizen Di C; CO | | Eh j fi m Pi: 
Google ygiersiron 


— 18 — 





2. Bmeiten3 kam ein Scufter daher, zimzelim ıc. 
Der bradt mir eine Nechnung daher, zimzelim ıc. 
Ein Paar Stiefel und zwei Paar Schuh, traleridi ıc. 
Ein Paar Stiefel und zwei Paar Schuh, zimzelim ıc. 

3. Dritten? fam ein Wirt daher, zimzelim :c. 

Der bradt mir eine Rechnung daher, zimzelim :c. 
Eine Halb Maß Branntemwein, traleri ıc. 
Und zwei Hering noch dabei, zimzelim ıc. 


156. Pr Indd’ von Serie. 
uftig. 


= 
Un - term Dad, juh - de, un = term Dad), ji - be, Hat der 
wenn der N = bend Tommt, wenn der A =» bend kommt, fängt die 


Chor und Solo; fehr belebt. 


J; 2. 
er | = 
a I EP E m 
Sperling feine ZJun=gen; Ge T tr r 
l»te on zu brum= men. Und Die 
Sum, fum, fum ufw. 
ER? EEE eat Eee en a en] 
zen sgezzz 
Et. % T “re ee 
Sau, die bat ’en lan=ge MWRüf fel, das gibt dem 
jum, fum, 
zuAr a ee Er 
Il A — ig s n —H— Be FE N 
Ü E Bi A ae © | | 
Sudd’ fet Hoch-zeits-fchüf - fel. Nir zu Han = be = le? 
jum, jum, 


| ——_ a 
| | | T ı "17T T- 


Nir zu fhasdhe- re? SH bin der Yudd’ von Je=-ri = dio, 
fum, fum, 


— N ——n —— 


nn 


hul-le= ma = dal, 0 maih, o maih, o wath! 


1. Unterm Dach juchhe, unterm Dach juchhe 
Hat der Sperling feine Jungen. 
Wenn der Abend kommt, wenn der Abend Kommt, 
Tängt die Alte an zu brummen: 
Un die Sau, die hat ’en lange Rüfjel, 
Das gibt dem Zudd’ fer’ Hochzeitäfchüffel! 
Nichts zu handele, nir zu fchachere? 
Sch bin der Judd’ von Sericho. 
:,: Schullemadjai, o waih, o waih, o waih! :,: 


Google 


DIT EEE . ; Ga e 
: . m. 172 FEN 


_- 1090 — 


2. Unterm Dad ıc. 
Un die Sau die hat ’en dide Hals, 
Da3 gibt dem Yudd’ fein Hochzeitsfchmalz. 
Kir zu handele ac. 
3. Unterm Dad) ıc. 
Un die Sau, die hat ’en breiten Rüden, 
Da Tann fi der Yudd’ fein’n’Zwirn drauf wideln. 
ie zu handele ıc. 
4. Unterm Dad) ıc. 
Un die Sau, die hat ’en langen Schwanz, 
Das gibt dem Fudd’ fein’ n Hochzeitzfranz. 
Nir zu handele ıc. 


157. Der Direter. 





Brei=er, ein’n Kerl wie fehs Ei=er, bo=bo, ho=bo, fo -» Io. 


1. Sch Hatt!? mal einen Freier, Hoho, :,: 
Ein’n Kerl mie jechd Eier, hoho, hoho, folo. 


2. Einen Kopf hat er wie e Schnigbanf Hoho, :,: 
Einen Hal3 hat er wie e Drehbanf, hoho, hoho, folo! 


3. Am Hemd hat er feinen Fragen, :,: 
Im Leib hat ar feinen Magen, hoho, Hoho, folo. 


4. Am Rod hat er feine Aermel, :,: 
3m Leib hat er feine Därme, hoho, hoho, folo. 


5. Hemder hat er zmwölfdugendmweis, :,: 
Sonntag3 hat er gar feins, hoho, Hoho, folo. 


6. Fleiih frißt er alle Sonntag, :,: 
Schnap3 fäuft er, wenn er Geld hat, hoho, Hoho, folo. 


7. So’n Kerl foll ih mir nehmen? :,: 
Da müßt ich mid) jchämen, hoho, hoho, folo! 


Wolfram 254; Lewalter 826; Erf II, 584. 
158. Drei (uflige Zerüder. 


—N 
=SSSE=5H3E55 
m —Yh a 


Drei lu= fti-ge Brüsder find nie= malö al=lein, e8 ftel=-let fi 


im = mer Ge = jell=- [haft mit ein, fie Hal=ten ein = an = der ein 





ftren=ge8 Ge=bot, fie hel-fen ein-an = der mit Geld auß der Not. 


FE .o (300gle 


Re \ 


— 10 — 


1. Drei Iujtige Brüder jind niemals allein, 
E3 jtellet fi) immer Gefellfchaft mit ein. 
Sie Halten einander ein jtrenge3 Gebot, 
Sie helfen einander mit Geld aus der Rot. 


2. Einjt fpielt’ ich den Solo, den jpielt’ ich nicht gut, 
Da Hab ich verloren mein Geld und mein Gut. 
Ein folhes Theater, das fpiel ich nicht mehr, 
Sonit wird mir am Ende mein Geldbeutel leer. 


159. Sauter fidele Lente. 





Drunsten im Un» ter = (and, bei, da ift’3 jo munsder-/chün, 





da At die Js ges rei, da ift das Schie-Fen frei, 





dort möht’ ih“ Sä=ger, Sä=ger fein, Schießen, das ift mei- ne Es 


1. :,: Drunten im lUnterland, : Kam eine fchöne Jungfrau Daher, 
Hei, da ilt’3 fo wunderihön, :,: He bie war jo munderihön. :,: 
Da ilt die Sägerei, Sie hatt’ ein Hütlein auf, 
Da ilt dad © ießen frei; Bmei munderjchöne Federn drauf, 
Dort möcht! ich Säger fein, Sie fah jo reizend, reizend aus, 
Schießen, da3 it meine Freud. Und id) ging mit ihr nach Haus. 


4. :,: Öeftern ift Sonntag gewejen, 
: Schieß ich ein’n Lorbeerbaum, Heute geht’3 jchon wieder [o3. :,: 
Salie er ober fällt er nicht. : Geht’3 über Berg und Tal, 
Sällt er nicht, fo bleibt er stehn, ‘ft mir fein Weg zu jchmal, 
: Bu meinem Schägel muß id) gehn, :,: | Zu meinem Schägel mu—ja—muß ich gehn 


"Alle Woch’ jechd-, fiebenmal. Alle Woch’ Techd=, jiebenmal. 


5. :,: Zauter fidele Leut fein wir, 
Rauter fidele Leut. :,: 
Wenn mir fidele Leut nicht wär’n, : 
Wer wollt’ das Geld verzehr'n. 
Zauter fidele ıc. 


Rrapp 56. 


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— 11ll — 


160. Ein ätfelfied. 





Ta=teit, dann Hei=rat’ ih dih! Nen-ne mir ein’ Turm wohl oh=ne Knopf, 


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nen= ne mir ein Mädchen wohl ob =» ne ZBZopf! o5 = ne Bopf! 


Antwort: 





Der ba» by = Ion {he Kirhetumm it coh= ne NKnopf, das 






Mäd- hen in der BVie- ge Äift oh = ne Bopf. ob = ne Bopf. 
1. Mädchen, ich will dir ein Nätjel aufgeben; 
Wenn du e3 errateit, dann Heirat ich dich! 
:,: Nenne mir ein’n Turm wohl ohne Knopf, 
Kenne mir ein Mädchen wohl ohne Bopfl :,: 
Meine Herrn, wenn Sie mir die Erlaubnig wollen geben, 
So will ih Shnen jagen den auftreten Grund: 
:,: Der babyloniihe Kirchturm ift ohne Knopf, 


Das Mädchen in der Wiege ift ohne Bopf. :,: 
2. Mädchen, ıc. 
:,: Nenne mir ein Blättchen, bad grüner ift alö See, 
Nenne,mir ein Blümchen, das weißer ift ald Schnee! :,: 
Meine Herrn, 2c. 
:,: Das immergrüne Blättchen ift grüner al3 der Klee, 
Schneeweiße Lilien find meißer ald der Schnee. :,: 
3. Mädchen ac. 
:,. Nenne mir ein Waffer ohne Sand, 
Nenne mir ein’n König ohne Land! :,: 
Meine Herrn, ıc. 
:,: Das Wafjer in den Xeugelein ift ohne Sand, 
Der König auf ber Karte if ohne Land! :,: 


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— 112 — 


4. Mädchen, ıc. 
:,: Nenne mir ein Haus wohl ohne Maus, 
Nenne mir ein’'n Bettelmann mohl ohne Lauß! :,: 
Meine Herrn, ıc. 
:,: Das Haus, worin bie Schnede Hauft, ijt ohne Mau, 
Der abgemalte Bettelmann ift ohne Lauß! :,: 

5. Mädchen, :c. 
:,: Nenne mir ein’n Bogen, gelb, grün und blau, 
Und haft du e3 erraten, fo wirft du meine Frau! :,: 
Meine Herrn, ıc. 
:,: Der Regenbogen am Yimmel ift gelb, grün. und blau, 
Set hab id e3 erraten, jeßt werd’ ich deine Frau! :,: 

Bödel, Handbuh ©. 333 ff. 





161. Stidel. 
ix 


— 


Auf ei- ner Reister, Lei=ter, Lei=ter, da faß ein Schneider, Schneider, 


U — ee ee Ne N Le a or ae] 
u ey pe rt AR A EEE PL ee IND 
Y Be ee En spornd 


w w w „ 
Schneizder, der war fo hei = ter, Hei = ter, hei = ter, fo freuz = fi- 


AS eg 1 >= 


Sr 
del, war fo fi=del, fi= del, fi= del, war fo fi= del, fi= del, fi= bel, 





7 : 
war So fi» del, Ffi= del, fi = del, war fo i = del. 


1. Auf einer Leiter, Leiter, Leiter, 3. Und auf der Latte, 
Da faß ein Schneider, Schneider, Schneider,| Da jaß 'ne Ratte, 

Der war fo heiter, heiter, heiter, Die war fo matte, 
> ler fibef, fibet War fo fidel! ıc. 

ar fo fidel, fidel, fidel, 
War fo fidel, fidel, Fidel, en al Biefe, 
War jo Fidel, fidel, fidel, Hi fo süß ’ 
War jo fidel. ie war jo füße, 

War fo fidel! zc. 

2. Und auf der Mauer, 5. Und in der Ede, 
Da jaß ein Bauer, Da faß 'ne Schnede, 
Der war jo jchlauer, Die war jo Tede, 

War fo fidel! ıc. War fo fidel! zc. 
X. Triller. 


„Zriller”‘*) find kurze Melodienfäße, die im direften Anfchluß an 
manche Lieder gejungen werden. Bei einigen verlangjamt fi da3 Tempo de 
borausgegangenen Liedes, 7. ©. bei dem Liede „Die Himmelsbraut”; meiftend 
aber wird der „Zriller” in bejchleunigterem Tempo gejungen als fein „Führungs 
lied”, und er madt dann den Eindrud eines tollen, überluftigen Schnadahüpferls. 


+) Rrapp ©. 201 „Zraller”. 


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— 193 — 





Die Tonart von Lieb und Triller ift meiften3 diefelbe, doch findet auch oft im 
Anihluß an den Schlußton des Liedes ein MWebergang Statt. Mande Triller 
werben nach jeder Strophe de3 zugehörigen Liedes gefungen, und man Tan 
dann im Zmeifel fein, ob fie nicht Teile des eigentlichen Liedes find, 3. ®. 
„Dom Pfeifchen”, da3 bei Erf, Deuticher Liederhort II, 1388 mit ununter- 
brochener Melodie abgedrudt ift; der Zriller trägt dort den Bermert „Refrain‘; 
ohne denjelben wird das Lied aber aud) gefungen (nad) Erf in Naffau). Ic ftellte 
derartige Nacjäge ebenfall3 zu der Gruppe ber Zriller, mweil vom Xolle hier 
ber Refrain ausdrildlih al „Zrilfer bezeichnet wird. 
Was die Arten ber Zriller angeht, jo unterfcheidet man zwei Triller: 
Den „gebundenen“ und den „freien. Der eritere wird nur zu einem beitimmten 
Liebe, feinem „Führunggliede‘, gefungen, während der andere — wie e3 bie 
Gelegenheit gerade gibt — zu jebem Liede gejungen werden kann. Zu Nr. 2 
en die meiften luftigen Bierzeiler. hr eigentliches Gebiet ift der Tanz» 
eo en, wo die Burfchen im Ueberjhwang der Luft fie oft endlos aneinanderreihen. 
Nachitehend habe ich zuerit eine Anzahl „gebundener Zriller” mit ihren 
übrungsliedern angeführt, auf melde dann auch einige „freie Triller” folgen. 
öge die hier gegebene Anregung dazu dienen, daß auf den BZufammenhang 
ztoifhen Lied und Triller mehr geachtet werde. 


162. Aöln am Wein. 





la] » fen mein’ ber, = al » ler = lieb— ja— lieb = ften, fchön - ften Schap. 


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— ne mn 


*) Variation: F I ar 
Mdein, du {hd - ne 


1. Köln am Rhein, bu fchönes Städtchen, 
Köln am Rhein, du fchöne Stadt. 
:,: Und darinnen muß id) ae 
Mein’n berzallerliebften, fchöniten Schab. :,: 


2. Schat, ah Schab, bu tuft mich Tränken 
Vieltaufendmal in einer Stund. 

:,: Willit du mir die Freiheit fchenfen 

Bei dir zu fein eine halbe Stund? :,: 


3. Dieje reiheit follft du haben, 
Bei mir zu fein eine halbe Stund. 
:,: Wenn du mir bveriprichit, getreu zu bleiben, 
Bi3 auf die allerlegte Stund. :,: 


4. Pulver und Blei, dad muß man haben, 
Wenn man Franzofen fchießen will. 
:,: Schöne junge Mädchen, die muß man lieben, 
Wenn man fie einft heiraten will. :,: 


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= IM = 


5. Droben am Himmel KEm zwei Sterne, 
Die leuchten heller ala der Mond. 


:,: Der eine leucht’t in mein Schlafzimmer, 
Der andre leucht’t mei’'m Schaß nad) Hau3. :,: 
Triller. 





= ia it mi- ne Mtm—ja — Wf, mir wird jo 
en 
® 





—y 
ban = ge, mir wird fo ban=ge das Herz in mei= ner Bruft. 


Sa, in Colonia ijt meine Lina, 

Sa, in Colonia ift meine Lu—ja— Luft, 
Mir wird jo bange, mir wird jo bange 
Das Herz in meiner Bruft. 


Mit demjelben Triller bei Krapp 175b, Ohne Triller bei Erf II 
1600 ; Marriage 55; Lewalter 1,17; Bender *49, Zu einzelnen Strophen 
vgl. Wolfram 201. 


163. Der Wat if gekommen. 





Ro=je, und die Nel=te, dba8 Ber-gii-meinnidt al = lein! 
Heis mat, nady der Hei=mat jchlägt daS Herz in mei=ner Bruft. 





Wir jehn und wie - der, mein fchd - n8 Land Ti- 





rol, wir fen un wie e der, wir fenn’ uns fchon. 


1. Der Mai ift gefommen, die Bäume jchlagen auS. 
Und die Roje und die Nelfe, da3 Vergißmeinnicht allein! 
Sn der Heimat wohnt die Liebe, 
Sn der Heimat wohnt die Luft, 
Nach der Heimat, nad) der Heimat jchlägt bad Herz in meiner Bruft. 
Wir jehn und wieder, mein jchöne3 Land Tirol, 
Wir jehn uns wieder, wir Tenn’n uns jchon. 


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ie 5 a ae - + 2 en = = ou. L, 2 = = 0 oo. - i RETTET TEE 
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‘o we on . 


— 15 — 


2. Da fah ich von ferne ein Häufelein ftehn, 
Ad, wie möchte ich doc) jo gerne meine Eltern wieberfehn. 
Sn der Heimat wohnt die Liebe ıc. 


3. Da jah ich von ferne ein Liebespaar ftehn, 
Ad wie möcht’ ich dod) jo gerne mein Herzliebehen mwiederfehn. 
Sn der Heimat wohnt die Liebe ıc. 


Der Anfang lehnt fi) an das befannte Lied E. Geibeld an. 


164. Drei ofen im Garten. 









mein Shag ift mir unz=treu, mein Herz tut mir weh. weh. 


1. Drei NRojen im Garten, ein Schiff auf der See, 
Mein Schaf ijt mir untreu, mein Herz tut mir meh. 


Weiterer Tert in Abt. V, Nr. 56. 
Triller. 





Zri=a= hol- di -a, tri=a = bol=dri=a, Schap, Scheisden tut 





wehb-ja weh, und die Lie-be, fie tut fchwanfen wie ein Schiff auf der See. 


Zriaholdria, triaholdria, Schaß, jcheiden tut meh — ja meh, 
Und die Liebe, fie tut jchmwanfen wie ein Schiff auf der See. 


165. Ei da Rommf ja mein Siebhen. 





Ei, da kommt ja mein Lieb- hen von fer = ne da - ber. 
Und da mird mirsums Her = ze fo Hei und jo } 





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—; 116 > 


1. Ei da lommt ja mein Liebchen von ferne daher. 
Und da wird mir’3 um3 Herze fo Heiß und fo fehwer. 
Wenn’3 mit bem Finger winkt, 

Und mit den Xeuglein blinft, 
Wird mir fo heiß mein Blut, 
Hei, da3 tut gut! 


Den weiteren Tert fiehe Abt. V, Nr. 113. 
Sriller. „Bon der Vogelhochzeit”. 


a > een Se IN) 
Tu EN ME EBEN TER 
Du I nn __ 

Eu N ee ne Pe Tr 






Der Di = fiel» fint, der Di - ftel- fint, der bringt der Braut den 
Schneller. 





wit » wil= wil, bi= bi- wil-wil-wil. wit» wil = wil = wil - wvik. 


1. Der PDiftelfint, der Diitelfint, 
Der bringt der Braut den goldnen Ring. 
Bon wegen dem bidimilwihwvil, 

bidimitwittwif, 
bidimilwilwil. 


2. Der Auerhahn, der Auerhahn, 
Der wollte auch ein Weibihen ha’n. 


3. Der Rranich, der Kranid) 
Wollt’ Hochzeit halten un kann nidt. 


4. Die Lerche, die Lerche, 
Die führt die Braut zur Kerche. 
Diefe 4 Strophen ftellen nur ein Fragment des (tm ganzen leider alt- 


züglichen) Liedes dar, das vollftändig mit 16 Str. bei Erf I fteht, aber auf 
Dort mit Weglafjung objcöner Strophen. 


166. Schönes Inngfer Lieschen. 





foms men, weizter a=ber, weister az= ber, meister ar ber nidt. 


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nn gr 


— 117 — 


Triller (wird nad) jeder Strophe gefungen). 


Muß bei» fer gehn, muß til = le ftehn, die Welt ift rund, jie muß fich drebn. 


1. „Schönes AYungfer Lieschen, jchmwarzbraunes Mädchen, 
Darf ich denn nicht einmal zu dir fommen, wenn ich) will?” 
„B13 vor die Haustür darfit du mir fommen, 

Meiter aber, weiter aber, weiter aber nicht!“ 
Muß beifer gehn, muß ftille ftehn, 
Die Welt ift rund, fie muß fich drebn. 

2. Schönes Yungfer Lieschen ıc. 


„Bi3 vor die Stubentür darfit du mir kommen, 
Weiter aber, weiter aber, mweiter aber nicht!” 


3. Schöned Yungfer Lieschen ıc. 
„Bi vor die Kammertür darfit du mir fommen, | 
Weiter aber, weiter aber, mweiter aber nicht!“ 


Bum Triller vergleide den Refrain von R. Baumbadhhs Gediht: Merkt 
auf, ich weiß ein neu Gedicht (Schauenburgs Kommersbudh Nr. 732). 


167. Auf der 2Belt. 





Auf der Welt it mirnichtslie= ber als das Stübdhen, wo ih bin; } 
denn e8 wohnt mir gesgen=-ü=-ber ei=- ne jhö-ne Nad)-ba = rin. 





4 
a ei ee el 
ZI HU u Hy - Beh 


v 
lu = tig fer’, fchent ung no) es mol Bay-riih ei’, bay-rifch wol=-Ie mr jet’; 


fi-de=- ri, fisde= vr, fi=de=-ral= la, ral=la, ral=Ia, la, 









y— Se gg BE | 
fhent ung noch e= mol Baysriih ei’, bay=riih mwol-le mr jet. 


1. Auf der Welt ift mir nicht3 lieber 
Als da3 Stübchen, wo ich bin; 
Denn e3 wohnt mir gegenüber 
Eine jhöne Nachbarin. 


Weiteren Tert fiehe Nr. 68. 


am und noch emol Bayrifch ei’, bayrifch wolle mr Iuftig fer’, 
Schent und noch emol Bayrifch ei’, bayrijch wolle mr jei’; 
Fideri, fideri, fideralla, ralla, ralla, la, 

Scent und noch emol Bayrifch ei’, bayriich wolle mr fer. 


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— 118 — 


168. Aus der Fremde. 
a 
Sr » | ® s 
a8 ih, aß ih, aß ih ein SJüngsling war, liebt’ id, 








fein, val = ti= ra, muß in die Welt hin =ein, val= ti = ra. 
Triller (wird nad) jeder Strophe gejungen). 





Schiff - lein, Sciff= lein, Schiff- lin auf Blau = er Ziut, 


H— — 5:4 a 
Ff zn u een Fe 

ee | Bu <a 
2 — —/ y A ee 


ihauft = le, fjchauf = le, jschauf = le der Hei = mat zu. 
1. Ms ich, als ich, als ich ein FJüngling war, 
Liebt ich, Liebt ich ein Mädchen von ahtzehn Jahr. 
Und ich fann nicht bei dir fein, valtira, 
Muß in die Welt hinein, valtira! 
Scifflein, Scifflein, Scifflein auf blauer Flut, 
Schaufle, jchaufle, jchaufle der Heimat zu. 
2. Endlich, endlich, endlich nad) Kummer und Schmerz, 
Drängt jich, drängt jich die Träne des Kummers zum Herz’. 
Und ich Fanın nicht ac. 
3. Werfet, merfet, werfet die Anfer aus, 
Werft fie, werft jie weit, weit zur See hinaus. 
Weit, mweit, zur See hinein, valtira, 
Sch fann bald bei dir fein, valtira. 
4. Endlich, endlich, endlich wohl über ein Jahr 
Stehn wir, ftehn wir gewiß vorm Traualtar. 
Sch Fann jeßt bei dir fein, valtira, 
Brauch nicht in die Welt hinein, valtira. 
Mit dem Triller Marriage 118. 


169. Pie Himmelsdranft. (Eine Legende.) 


Langjam. 





Bar einft ein Kaisjer und König, die führsten ei = nen Frieg wohl 





um die jhönjtre Wil-hel- mi-ne, meil fie die fchönsftre war, wohl 





um die fchönjtre Wil-hel - mi=ne, weil fie die fchön=ftre war. 


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— 119 — 


1. War einft ein Kaifer und König, die führten einen Krieg 
:,: ®ohl um die jchönftre Wilhelmine, mweil fie die jchönftre war. :,: 
Halli, Hallo, jo frei, fo froh 
Beim Becherflang, beim Spiralgejang. 


2. Da fprad) der ftolze Herr Raifer: „Mein Eigen follft du fein!“ 
:,: „Ad nein, mein lieber Herr Kaifer, da3 fann und darf nicht fein!” :,: 


3. Da geriet der ftolze Herr Raifer in einen fo heftigen Born, 
:,: Er nahm die fchöne Wilhelmine und warf fie in einen Turm. :,: 


4, „Darinnen follft du Tiegen fieben Jahr und einen Tag, 
:,: Bi8 dich die wilden Tiere und die Mäuf’ verzehret Hab’n!“ :,: 


5. Und al3 nad) fieben Zahren der Kaifer den Turm auffchloß, 
:,: Da lag die jhöne Wilhelmine und blühte wie eine Ro. :,: 


6. „Wer hat benn bich erhalten, wer hat denn dich ernährt?” 
:,.3 cd hab einen Vater im Himmel, mein Bräutigam forget für mid).” :,: 


Trier. 
Sehr langfam. 





Hal=li, Hal= Io, fofrei, jo froh beim Be-cherflang, beim Spi=ral = ge=fang. 
Unm.: „Spiralgefang” verbildet au „Spiel und Gejang“? 
Zu Grunde liegt die Legende von ber heil. Katharina, deren Namen aud 


in den fonjtigen befannten Faffungen meift beibehalten if. — Ohne Triller 
Krapp 40; Bödel, Handbuh 105F.; Wolfram 9. 


170. In Santerdad. (Tanzlied.) 


es EL et SFR —— | 3 | 


V EREEREEEE Y rn 
Sn KDau= ter = bah Hab’ id mein’ Strump ver - lorn, und 











Ar ZZ ZZ HJ = 


ob= ne Strump geh” ih net Ham, do geh’ ich gleich wie = der nad) 






Rau = ter= bah zu und Hol mr mein’ Strump an mei’ Boa’. 


1. In Lauterbah Hab ich mein’'n Strump verlorn, 
Un ohne Strump geh ich net ham, 
Do geh ich gleich wieder nad) Zauterbad) zu 
Un hol mr mein Strump an mei’ Boa’. 


2. Un alle Tag fann mr net Iuftig gefer’, 
Un alle Tag hott mr fein Geld, 
Un wenn mr mei’ Schägel am beiten gefällt, 
Da is ’3 fo meit in dr Welt. 


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Scheb=-be Boa’, fheb » be Boa’, [heb-be Boa fe’ im- mer nod 





aus=ge-pußtmwär, auß=ge-pugt wär. auß=ge-pußt,aus=ge-puht wär. 


Schebbe Boa’, jchebbe Boa’, jchebbe Boa’ 
Gei’ immer nod) befjer ala Ta’; 
:,: Un du halt ja e fchö’ Hütche, 
BVenn’3 ausgepußt wär’, auögepußt wär’, ausgepußt wär’. :,: 
Ohne Triller Rrapp 299 (das Lied felbft ald Triller bezeichnet); WoLl f- 
ram 175; Marriage 248; Erf II 1009. 


171. Regerliedben. 


Biemlid langjam. 









Ver Tennt in Eu= ro=- pa die Schönen, nah A=-r- ta 





wöh-nen, die Schwar=zen und Brau=snen fein jhön—ja—fhön. 


1. ®er fennt in Europa die Schönen? 
Nad) Afrita möcht ich gern ziehn, 
Und ih will mid) an die Schwarzen ge 
mwöhnen, 
Die Schwarzen und Braunen fein fchön. 


2. Sie fein ja gebräunt von der Sonne, 
Und tragen ein lodiges Haar, 
Ein feuriges Auge voll Wonne, 
Ein Tiebliche3 Fühchen zum Tanz. 


3. Sch Ihmadhte nach feurigen Küfjen, 
Die mir von Schwarzen verehrt. 
Sind gerade jo lodend und füße, 

ALS die man von Weiben erhält. 


4. ch Liebe die Einfalt, die Tugend, 
Sit das nicht ein herrliches Glüd? 
Hinweg mit der fehmachtenden Jugend, 
Tür mich ift das alles dahin. 


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— .1211 — 


5. Ih Site an Baterlandg Haine 
Und denk der Vergangenheit nad), 
Vielleicht ijt mein Liebehen alleine 
Und ruft aus dem Bufcdhe mir nad). 


6. Warum muß da3 Schidjal ung trennen, 
Und Trennung verwundet dad Herz, 
Ei, wo fich zwei Liebende trennen, 
Da ift ja viel Trennung und Schmerz. 


Triller: Komm, meine liebe Laura, 
Geb dich aufs Sofa, 
Komm, meine liebe Laura, 
Laura zu mir. 


Stiller. 
Raider. 





fomm mei » ne HTlie s be Raus ra Lau=ra zu mir. 


172. £uftiges Sofdatenfied. 





va = lee ra, zum fris zum tra = le = ra, Schag, le = be wohl. 


1. Soldaten müjfen die Mädchen Füfjen, 
Soldaten müjjen lujtig fein, 
Zum trie zum tralera, jchöne Weib3leut valera, 
Zum trie zum tralera, Schat, Iebe wohl. 


2. Die Hinkel beißen fich, die Weib3leut fchmeigen fich, 
Mein Schag der will mich net, was fang id) an? 
Zum tris zum tralera :c. 


Das Lied wird gegen Schluß immer jchneller gefungen. Bejonders beliebt 
bei Mufterungen, wo e3 von den Refruten auf dem von grimen Tannenbäum- 
hen umfäumten „Mufterungswagen‘ gejungen wird. 


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— 12 — 


173. Yom Pfeifhen. 





Pfeifhen, wer bat did er = fun=den, mem ver-danlit du dei = nen 








A on N 
a ee er De nn el a Dr 5] 
EG re ee ed I 
EN ES a a a 





Ruhm? (eins, zwei) der Nam’ ift längjt ent=fhwun=den, fag’ mar= 


um, fg mar = um ift da3 ge = fchehn! (eins, zwei). 
Triller (nach jeder Strophe). 


PN ee a a eg Se a EI 
DS N VE EEE 5 

I 00090 U DT =D rn na 

NS a ed ee Ep a ee 





08, fahr” ’mal 108, jet gebt’8 Los! (ganz fa= moß). Der 
ee ee EEE EEE > EEE TE EEE TE EEE TER 


Zu-wal-mwal=wal, Tu=mwal-wal- wat, Tu= wat ift mein Le= ben, der 


ee ee 
Zu = waf = wal= wat, Zu = wal=- wal- wat, Tu= wat mei= ne Ruit. 
1. Pfeifchen, wer hat dich erfunden, wen verdantit du deinen Ruhm? 
Der Nam’ ift längjt entjchwunden, jag warum, jag warum ift das gejchehn! 
Ud) wie Ichön, wie nett, wie fett, wie fugelrund bift du Marie, 
:,: Ei jo Schön Jah ich did nie! :,: 
Ah wie jchön, wie nett, wie fett, wie fugelrund bift du Marie, 
Jahr mal 1os, fahr mal 103, jebt geht’3 1o3. 
Der Tumahvalwal, Tumalmalwafl, Tumal ijt mein Leben, 
Der Tumalwalwat, Tumalmwalmal, Tumaf meine Luft. 
2. Komm ich abends fpät nad) Haus, wenn die Tür verfchlofjen tft, 
Ei jo nehm ic) meine Pfeif und raud), :,: biß die Tür :,: geöffnet wird. 
3. Wenn die Weiber uns verfluchen wegen Tabafrauderei, 
Ei jo wollen wir’3 verjuchen, :,: ob da8 Rauchen :,: fehädlid) Sei. 
4. Ruh ich einit im Schoß der Erde, reicht mir meine Pfeife Her; 
Legt meine Speif’ zur Seite, :,: meine Pfeife :,: fchmedt nicht mehr. 
Ohne Trilleer Krapp 204; Bödel 116; Zewalter 414 Wolf- 
ram 416; mit Triller Erf III, 1388 


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— 123 — 


174. Helle mein Sdaß. 





geh’, gel= le mein Schat, e8 tut dir weh, weil ih nicht mehr fomm’; 





w 
ra, zum tri =al= le=- vi = al= le=- ra, zum Seit= ver = treib, 


1. Gelle, mein Schaß, es tut dir weh, 2. Wolle mal jehe, wen’3 gereut, 
Weil ich nett mehr zu dir geh, Mich oder deine Leut. 
Selle, mein Schaß, es tut dir weh, Wolle mal jehe, wen’3 gereut, 
Weil ich net mehr fomm! Mic oder did. 
Und zu dir bin ich gange, Mich aber reut es nicht, 
Und zu dir hab ich Freud gehabt, | Daß du mein Schäßel biit, 
Und zu dir fomm ich nimmermehr, Mich aber reut es nicht, 
Der Weg it mir zu weit. Daß du es bit. 


3 


um trialleriallera, zum trialleriallera, Zum trialleriallera, zum trialleriallera, 


um trialleriallera, zum ' Zeitvertreib. Zum trialleriallera, zum Seitvertreib. _ 


* 
Ber 





175. Meine Fran und deine Fran. 


Fi 

a iS ee a 
ER 29 oe En a een 
AN A 0 ci ' 21. nd 
Be A u eg u 


‚Meisne Frau und dei=- ne Frau, dad find zwei jchö-ne Wei-ber, die 





ei=s ne liebt den Bo = ftil- Ion, die and=re liebt den Schrei=ber. 





Ttrisals lesra, tri=sal=le=-ra, trisal= les ra=Tle- ra = Te die 





ei= ne liebt den Ro = jtil- lon, die and = re liebt den Schrei=ber. 


— 124 — 


1. Meine Frau und deine Frau, 
Das fein zwei jchöne Weiber: 
Die eine Iiebt den Boftillon, 
Die andre liebt den Schreiber. 
Triallera, triallera, triallerallerale, 
Die eine liebt den oftillon, 
Die andre Tiebt den Schreiber. 


2, Wenn alles rar und teuer iS, 
Dann effe mr weiße Käg, 
Wenn Schuh un Strümp zerrilje find, 
Dann fahrn mr in der Schees! 
Triallera ıc. 


3. Heut i3 Kirmes, morn iS Kirmes 
Un die ganze Woche, 
Wann der liebe Sonntag fommt, 
Ho mr naut zu Tode. 
Triallera 2c. 


4. Naut als Klös, naut als KIös, 
Un e bische Suppe, 
Wann doch das mei’ Modder müßt, 
Was tät fie mid) verfloppe. 
Triallera ıc. 


176. Shnadaßäpferf. 





Und da dro=ben auf dem Ber-ge und da geht e8 Tu=ftig 





zum ti =a = li = a=- li= a Heu = te Nachtfchlaf ih bei 
Feet 
i= a= b. 


dir, zum ti = a = 


i = a= lo. 


2.U ide, 

1. Und da droben auf dem Berge, | Un re ne A 
Un da geht e3 Iujtig zu, | Da prügeln fi die Mücden, 
Un da jigt der Vürgermeijter I Un da gibt e8 manden Stoß. 


Zum tria—lia—lia, Un die Raben, die fei 
en ,‚ die fein fchwarz, 
I a bei bir, Bon den Storndorfer Mädchen, 
Da ift feine mehr mein Scaß. 


Bu Str. 3 vgl. Heff. UL. f. Voltst. I, ©. 54. 


Un ber flidt bie alten Schuh. 3, Un die Heden, die fein grün, 


Go: gle 





— 1253 — 


177. SHtorndorf. 






Storm=dorf ift ein fchö= nes Städtchen, (fun), weil e8 an der 





Scwal= me liegt, (fum, fum) und bar = in = nen gibt! fo jchö- ne 





Mädschen, gibt’3 fo hd = ne Müäd-den, a= ber fei=ne, die mid 






liebt, (um, fum), ah e fällt mir doch fo fchwmer aus ber 


Hei= mat zu gehn, wenn die Hoffenung nidt wär auf ein 





fto » heg Wie = der=fjehn. Le = be wohl, leb’ wohl, Ieb” wohl! Le = be 


wohl, Ieb’ wohl, leb’ wohl! Le = be mohl, auf Wie = der = jehn! 


Storndorf ift ein jchönes Städtchen, jum, 
Weil e8 an der Schwalme liegt, fum, jum, 
Und darinnen gibt’3 jo fehöne Mädchen, 
Gibt’3 fo fchöne Mädchen, 

Uber Leine, die mich Itebt, fum, fum, 
Ach, es fällt mir fo fchmwer, 
Aus der Heimat zu gehn, 
Wenn die Hoffnung nicht wär’ 
Auf ein frohes Wiederjehn. 
Rebe wohl, leb mohl, Ieb wohl! 
Lebe wohl, Ieb mohl, Ieb wohl! 
Lebe wohl, auf Wiederjehn! 


Mein verehrter früherer Lehrer, Herr Mufildirektor Friede. Schmidt 
in Sriedberg, hat die Güte gehabt, die Notenkorrekturen einer Ducdhficht zu 
unterziehen, mofür ich auch an diejer Stelle meinen herzlichften Dant ausfpredhe. 

; u 9. Weber. 





— 126 — 


AWunderseltzame Recept. 
Bon Otto Weinreich, Heidelberg. 


Wie die italienifhen Novellilten aus dem naiven Bolfs= 
glauben an die Wunderfraft der Heiligen oder der Reliquien mill- 
fommenen Stoff zu allerlei jcherzhaft wirkenden, parodihen Er- 
zählungen und Erfindungen fhöpften’), fo übernahmen die derberen 
ssacetien- und Schmanfbücher bisweilen ihre Themen dem Gebiet 
des gewöhnlichen Zauberglaubens. Befonders geeignete Stoffe bot 
- der volfstümliche Aberglaube an die Wirkung geheimnispoller Am u= 
lete und Segensfprüde dar. Was auf fol) einem Zettel ftand, 
den man ji) umbhing, waren oft unverjtändliche, finnlofe, eben 
darıım wirkfame Yauberformeln; und in anderen Tyällen, mo etwa ein 
Bibelfpruch auf den Amulet ftand, vermocdte der einfache Mann aus 
dem Volk das Gejchriebene nicht zu lefen. Was lag alfo näher, als daß 
man fi hie und da einen Scherz erlaubte und eine Auffchrift an- 
brachte, Die alles andere eher alS magijche Wirkung erwarten [ieß? 

Gelegentlic” werden derartige Fälle in der zyacetienliteratur 
der Nenailjance erwähnt, häufiger erjcheinen fie in den deutfchen 
Schmwanfjammlungen des 16. und 17. Jahrhunderts, bisweilen auch 
in Predigtbüchern, die gern mit vollstümlidhen Anekdoten erempli- 
figieren und ihrerjeit3S wieder Quelle wurden für Schwant- und 
Anefdotenfammlungen. m Folgenden ftelle ich eine Anzahl von 
DBeifpielen zufanımen, Die, jomweit ich jehe, zum größten Teil nod) 
nicht nacdhgemiefen find und die Zufammenftellungen Defterleys ?) 
ergänzen mögen. . 

1. Boggio berichtet in feinen zuerjt 1470 erfchienen Facetien ?) 
ein Erlebnis, rem dignam risu et confabulationibus nostris, das 
ihm in Tivoli mwiderfuhr. Er Hatte feine Kinder dorthin gefchidt, 


) Es wäre danfenswert, wenn dies einmal im Zufammenhang unter- 
jucht würde, 

:) gu Bauli, Schimpf und Ernft no. 153 (Bibliothek d. Literar. Vereins 
Stuttgart, Bd. 85, 1866, ©. 491). Bon den hier genannten Beilpielen führe 
ih oben an: PBoggio, Bottichalf Hollen, Lyrum larum. Die andern find mir 
ungzugänglih: Gran, Enr. Gran specchio d’essempi. trad. da Astolfi. Venet. 
1613, 10, 16. Brant, Seb., Fabulae, Basil. 1501, fol. 8a. Montanus 740 
{it Boltes Montanusausgabe, Bibl. lit. Ber., Bd. 217, ann ich das Beifpiel 
nicht finden), Wohlgenuth 500 friiche und ergögliche Haupt-Pillen s. 1. 
1669, 5, 75. Luftigmacher, der allzeit fertige s. I. 1762, 76. Mery Tales 
and Quicke Answeres 87, p. 5l. 

®) No. 233 De „Brevi‘ contra pestem ad collum suspendendo (Barijer 
Ausgabe 1878, Bd. 2, ©. 169.). 


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— 127° — 


um fie vor der drohenden Peit zu retten, und hörte da, daß Die 
Bauern vielfad ein Amulet von einem Frater fauften, ein „breve“, 
das am Hals getragen vor der Belt Ihüte. Doch dürfe es vor 
dem 15. Tag nit geöffnet werden, da es jonjt jeine Wirkung ein- 
büße. ALS der PBater eine genügende Anzahl Amulete verfauft 
hatte, verfhwand er. Einige Neugierige öffneten jie und fanden 
folgenden „Zauberfprudh" : 

Donna, se fili, e cadeti lo fuso, 

Quando te fletti, tien lo culo chiuso. 

(Zateinifch: Mulier, si filas, et cadit tibi fusus, 

| Quando te flectis, tene culum clausum.) 

2. Berwandt it eine andere, recht lafzive Geihichte ebenfalls 
bei Boggio (no. 220 II ©. 136): De quodam fratre abbatis- 
sam impraegnante. Per Minoritenbruder hatte feiner Geliebten 
zwar verjprochen quoddam breve, ut appellant, se illi daturum, 
quod si ad collum filo sericeo suspensum ferret, prohiberet 
_ prolem, aber da Amulet wirfte nit: post tres menses mulier 
gravida comperta est. Der Berführer floh und die Getäufchte 
fand in ihrem breve den Spruch: Asca imbarasca (daS flingt wie 
die fonst üblichen Zaubermworte) non facias te supponi, et non im- 
plebis tascam. Boggio hat entfchieden Net, wenn er hinzufügt: 
Optima ad prohibendam fecunditatem incantatio. 

Wie das erfte Beilpiel ein tatfächliches Ereignis berichtete, To 
gehen auch manche der meilt reichlich derben, zum Teil aud) recht 
mwißlofen deutihen Schmwänfe auf tatjädhlide VBorfomnifje zurüd. 

3. Eines der erjten Beifpiele, von Defterley nadhgemiefen, fteht 
bei dem meitfäliihen Auguftiner-Eremiten Gottfhalf Hollen. 
Diejer angejehene Prediger!) der 1481 ftarb, Hat ein feit 1477 oft 
gedrudtes moraliftiihdes Werf Praeceptorium verfaßt, welches aus 
jeinen Predigten erwadjfen war und an Hand der zehn Gebote 
allerlei Berfehlungen gegen diefe beipriht. So Handelt er beim 
erjten Gebot aud) ausführlich über den Gebraud) von Gegen, zauber- 
träftigen Betteln und Amuleten, wobei er erzählt?), er habe ein 
Weib gefannt, das eines Tages in die schola fam und fragte, ob 
ihr nicht irgend ein Scholar einen Zettel gegen ihr Augenleiden 


') Ueber Hollen vergl. man Landmann, Zeitfchr. d. meftfäliichen Alter- 
tum3verein3 54, 1896, ©. 94 ff. ; derjelbe, Predigtweien in Weftfalen 1900, 
S. 31ff. (Borreformationsgefhichtliche Forjcehungen, Heft I); Hanfen, Quellen 
u. Unterfuchhungen 3. Gejchichte d. Hexenwahns, Bonn 1901, ©. 486. 

2) Defterley zitiert die Kölner Ausgabe 1489, fol. 21d; ich benüßte die 
Nürnberger 1503, dort fol. 19a. | 


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—: 128 — 


Ichreiben fünne. ES erbietet fi) einer dazu, fehreibt ihn und bindet 
ihn in ein Tu, mit der Vorfchrift, es nicht zu öffnen. Die Frau 
trägt das Amulet und wird gefund. Nun will fie aud willen, 
mwa3 darin ftand, öffnet es und läßt fi den Synhalt vorlejen.. E8 
ftanden da verba ignota et scandalosa cum caracteribus (Sauber- 
zeichen) et in fine fuit scriptum: „Diabolus eruat tibi oculos et 
reimponet tibi lutum in eos.“ 

3a. Eine andere Verfion fteht in der Schmanffammlung des 
Barfüßermöndhs Johannes Pauli, Schimpf und Ernit (no. 153; 
in Oefterleys Ausgabe S. 110f.). Ein erfahrener Schüler fan in 
das Haus einer Alten, die heftig von Augenfchmerzen geplagt war. 
Für einen Gulden verfprah er ihr „ein brieflein an den halS zu 
henden das ir fein aug me me thet, jo lang vnd fie es an dem 
hal trüg.” Die Frau ging darauf ein, und eS half. Bei der 
Beichte wurde fie gelegentlid) gefragt, „ob Jie fein aberglooben het“, 
morauf fie geitand, fie trage für das Augenmweh „heilige namen an 
dem bals". Der Briefter öffnete den Bettel und begann zu laden; 
denn es jtand darauf: „Der hender ftedh dir die augen vfz, und 
der tüffel jcheiß dir in die lüden".‘) Die Frau zerriß den Zettel, 
jofort aber, jo wird berichtet, begannen die Augenfchmerzen wieder. ”?) 

PBaulis Shimpf und Ernift, feit 1522 oft gedrudt, wurde eines 
der beliebtejten Volfsbücdjer; es ift alfo nicht vermunderli, wenn 
unfer Schwanf des öfteren berichtet wird. Zum Teil gehen die 
Faflungen au) auf andere Quellen zurüd. | 

3b. Der gelehrte Arzt Kohbann Weyer erwähnt ihn in 
feinem 1563 erjchienenen Buch De praestigiis daemonum (6. Aufl. 
Bafel 1583, ©. 570); vernommen bat er ihn a viro Ecclesiastico 
non infimi nominis theologo, doc finde er fi) aud) in libro Ger- 
manico de ludicris et seriis cap. 427. Ob unter Ddiefem 
Titel Paulis Shimpf und Ernft zu verftehen ift, jcheint mir zweifel- 
haft; denn, wie aus HBejterley3 vergleihender Tabelle der ver- 
Tchiedenen Drude ©. 444 hervorgeht, entfpriht no. 153 der erjten 
Ausgabe feiner no. 427 einer folgenden. Offenbar handelt es jich 
um eine der vielen Umarbeitungen jenes Buches, die durch Ein- 
Idhieben von neuen, Umftellen oder Wegnahme von alten Schmänfen 
entitanden find und den Titel „Schimpf und Ernft" tragen. Der 


1) ch notiere im folgenden furz die Varianten diefer „Segensforntel”, 

2) Pauli Schreibt am Schluß: „Lib doctor FKeijersberg Dmeiß darin fin- 
deftu bericht." ch Tann in der Straßburger Ausgabe von 1517 der Emeis 
Beilers von Katjersberg nichts finden, worauf jener Hinweis zielen könnte, 


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— 129 — 


Sprud), den Weyer anführt, ift diefer: „Der Teuffel frae dir die 
augen auß, u. |. d. in d. Löcher.“ | 

3c. Ebenfo lautet er in Heinrih Bullingers Traftätlein 
„Wider die Ihmwarten Künft“ (im Theatrum de veneficiis Sranf- 
furt 1586 ©. 300). ch zmweifle nicht, daß Meyers Werk, das ja 
eine außerordentlihe Wirkung ausübte‘), als Quelle zu betrad)- 
ten ilt. 

3d. Auf eine andersartige Faljung werde ich aufmerkfam durch 
Nöpler, Werztliche Mitteilungen aus und für Baden 1904 no. 3, wo 
auf Meldhior Adams Vitae Germanorum Medicorum, Heidelberg 
1620 fol. 315 vermiejen if. Der 1590 in Heidelberg verjtorbene 
£urpfälzifche Leibarzt Jacobus Theodorus von Bergzabern 
(Tabernaemontanus) pflegte nämlich jeinen Schülern durd Er- 
zählung eben unjerer Gefhichte?) zu zeigen, wie fie den Aberglauben 
furieren jollten; denn er haßte die alten Weiber und all ihre in- 
cantamentorum genera ac superstitiones. Während die Gefchichte 
Hisher nicht Iofalijiert mar, berichtet jie SJalob Theodor aus KRott- 
weil: Rotvilla oppido vetula quaedam diu ex oculis laboravit. 
Auch find Abmeihungen zu verzeichnen: Dieje Alte wurde von 
einer andern Frau, die am gleichen Uebel litt, um ein erprobtes 
Amulet gebeten. Aber die Alte weigerte ji) eS herauszugeben, 
Tondern gejtattete nur, eine Abjchrift davon zu nehmen. Der arıne 
scholasticus puer, der fie für ein paar Pfennige anfertigen jollte, 
fonnte die Zeichen aber nicht recht verjtehen (qui cum aperuisset 
variosque saltem ductus linearum offendisset additis verbis 
quibusdam barbaris, quae adsequi non poterat). Deshalb fehrieb 
er furz entjchlofien „Der ZTeuffel jtech diefer alten Framen die 
Augen aus, u. jh. ihr in d. Lüden”. Die rau hängte nun, in 
der Meinung, fie habe eine wahrhaftige Abjchrift, das Amulet um 
und wurde auch gejund. US die Sache jpäter herausfam — mie, 
wird nicht angegeben — brauchte fie für den Spott nicht zu jorgen?). 

3e. Auf Pauli geht die Verfion in dem „Neuaußgebusßten, 
furgmweiligen Seitvertreiber“ (s. 1. 1685 ©. 146.) zurüd, 


!) Bergl, Binz, Johann Weyer, 2. Aufl. Berlin 1896, ©. 65 ff. 

2) Er hat fie auch in Herbario suo sub titulo „Dens leonis‘ aufgezeichnet ; 
vergl. Melchior Adam a. a. d, | 

») Am Schluß fteht: Nimirum ita diabolus, Deo permittente et hominum 
impietatem puniente, Superstitiones alit et magica remedia confirmat: a quibus 
vere pius Christianus serio abstinebit. Wehnlich bei Hollen a.a,D.: Sed unde 
habuit sanitatem nisia demone? 

9 


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— 130° — 


deflen Verfaffer unbefannt ift. Weil die Vorrede mit „Ch As Mindo“ 
unterzeichnet ift, glaubte man, Simon Dad) fei der Verfafler, aber 
diefe Vermutung ift nit haltbar. Daß die bier vorliegende 
Faflung auf Pauli beruht, geht daraus hervor, daß ebenfalls in 
der Beichte der Betrug entdedt wird. Der Sprud lautet etwas 
anders al3 bei Pauli: „Der Teuffel bade dir die Augen aus u. 
Ih. d. in d. Yöcdher!" und der Schluß ift vergröbert: „worüber das 
Weib, folhes Hörend Iefen, fi) dermaßen entjeget und erfchroden, 
daß Jie wieder Frand und gant blind worden und bald darauff 
gejtorben.“ 


3f. Wieder anders lautet die Fallung an der von DVeiterley 
nadhgemiefenen Stelle in der SchmanffammiInng „Lyrum Larum 
lyrissimum‘“ (s. l. 1708 no. 305 ©. 198f.): „Ein altes rinn- 
äugiges Weib molte dDurhaus von einem ein Arbney wider ihrer 
Augen frandheit haben. Damit nun der gute Kerl ihrer einmal 
[oß mürde, jchrieb er auf einen Zettel: 

„Wer dir deine Augen reijjet aus, 
und fcheift hernach in beyder Haus, 
der macht dem Rinnen das Garaus”. 

Diejen Zettel näht er in ein Tüchlein, es hilft. Nad) ein paar 
Sahren (!) öffnete das Weib das Tu, a3 die „garitigen Worte“ 
und warf den Zettel ins Teuer, worauf fi) daS Augenleiden gleich 
wieder einjtellte.e “Das beitärkte fie natürlih nur in dem Glauben 
an die Wirkffamfeit der Amulete, wo es dod „in Warheit lauter 
Ntarrethey und fettelifche Pojjen" find. 

3g. yn dem unter 3e genannten “Zeitvertreiber findet 
ih eine ganze Reihe von folden Amuleten angeführt, unter der 
Ueberjerift „Wunderfelgame NRecept vor allerhand Schmwadhheiten“ 
(©. 144ff.),. Daraus ift zunädhft eines zu nennen, das fih noch 
der eben behandelten Gruppe anreiht, ein Mittel gegen Zahnmeh. 
Angeblidy ftammt eS von einem Dedjanten, der es feinem lödner 
aufjchrieb: | 

„Daß dir der Teuffel die Zähn ausfhlag, und dir wieder in 
die Yüden Hofir.“ | 

Den Teufel bemüht man überhaupt gern in derartigen Scherzen, 
und Studenten werden oft al3 ihre Urheber genannt. So in einer 
Anzahl von Rezepten gegen SFieber. 


1) Näheres bei Gerhard, Memels Luftige Gefellichaft, Diff. Heidelberg, 
1893, ©, 113. 


Google N UNIVERSITY gu 


u 


4. (Zeitvertreiber ©. 147). Eine alte Bauersfrau erhält 
von einem Studenten ein Amulet, das fie neun Tage am Hals 
tragen und um die gleihe Stunde, wo fie ed umbing, wieder 
abnehmen und ungelefen verbrennen fol. Sie öffnete es aber 


und fand: 
„Die Alte hat das Kalte, 
Hol der Teufel die Alte, 
So vergeht das Kalte.“!) 


4a. Sin der Magiologia Philonis (Augusta Rauracorum 

. 1675, 791, mir unzugänglid)) lautet der Vers, den ih Nochholg, 

Beitichr. f. deutihe Mythol. IV, 1859, ©. 107 (vergl. Frijchbier, Heren- 
Iprud und Bauberbann 1870 ©. 56) entnehme, fo: 


Diefe perjon bat das alte, 
teufel, hol die alte?), 
Sp vergeht der da3 falte. 


4b. Niederdeutfd ift diefe Fallung (Frifchbier, Preußifche 
Sprihmötrter, 2. Aufl. 1865 no. 41; Herenfprud a. a. D.): 


De Ohle hefft dat Kohle 
De Tiemwel hal de Obhle. 


4c. Aus Großen-Linden (Öberhejien) ift eine merkwürdige, 
auf einem MibverjtändniS beruhende Variante belegt. ES wird 
Dort erzählt: 


1) Saft gleichlautend bei J. Chr. Teutscherus, Theses medicae inaugu- 
rales de usu et abusu amuletorum. Xeipz. 1720, ©. 12. 

2) Rochholg und Friichbier verftehen darunter das Herenmweib, durch 
deifen Schadenzauber das Fieber entjteht — ein Mißverftändnis, das durch 
die oben angeführten Analogien berichtigt wird. Lebten Endes meifen diefe 
Sprüde ja allerdings wohl auf mißveritandene SKormeln zurüd, in welchen 
das Fieber auf die „Alte” übertragen und jo gebannt werden fol. Dies ge= 
Ihieht Häufig durch Verpfläden in einen Baum vergl. Wuttfe 488), wobei 
Sprüche, wie fie Wuttfe 227 verzeichnet, gejagt werden. Dafjelbe Verfahren 
fchildert M. A. van Andel, Volksgeneeskunst in Nederland ©. 31lf. Die da- 
dei gejprochenen Berje lauten in Overijsel: 

Olde marolde, 
Ik hebbe de kolde, 
Ik hebbe ze noe, 
Ik geve ze oe, 
Ik bind ze hier neer, (nämlich in den Baum.) 
Ik krijg ze niet meer. 
in Gelderland: Goe morgen olde, 
Ik geef oe de kolde, 
Goe morgen olde. - 


9* 


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m. 


Eine Frau hatte das Falte Fieber, da fommt ein Dtantt 


zu ihr und will fie wieder zurecht bringen. Er bejchreibt ein Zettelchen 
auf jeder Geite, dann faltet er e3 feit zufammen und jagt, fie follten 
ed nur nit aufmadhen. Sonft müfje die Frau fterben. Eines 
von ihnen folle e8 nadht3 beim Vollmond über den Kopf in einen 
fließenden Bad) werfen. Mber da3 Mädchen der Frau, das 
den Zettel in den Bach werfen jollte, madte ihn do auf und es 


Iftand darauf: 
Hat der Teufel die Alte, 
So hat fie auch das Kalte, 
Hat der Teufel die Alte nicht, 
So hat fie auch das Kalte nicht.!) 


Sie zerriffen das Zettelchen, beteten und gebrauditen den Arzt, 
und fo mwurde die Frau aud) ohne die8 Mittelchen gefund und 
ftarb nit. °) 

4d. Ein anderer Student jchrieb (Beitvertreiber ©. 147): 


D du Hur, du Alte, 

Sol dir vergehn das Kalte,. 

So nimm einen Strid und heng dich dran, 
So tömmt dichg nimmermehr nicht an. 


4e. Moderne DBarianten jind ferner Dazu überliefert aus. 


Weitfalen: 
Die Here, die alte 
Die hat das Kalte; 
Nimm einen Stod und Ichlag die Alte, 
So vergeht ihr das Kalte. 
Im Namen ulm. 


(Bergl. Kuhn, Sagen, Gebräude und Märden aus Welt 
falen 2, 204). 
Aus Friedingen verzeichnet E,. Meier, Deutjche Sagen, Sitten 
und Gebräuche aus Schwaben, ©. 519, no. 462 die Fafjung: 
D du mein’ liebe Alte, 
Schüttelt dich das Kalte, 


So fommt Hans Nidel und brenne dich 
So Ichüttelt dich das Kalte nicht. 


Der Sprud) foll aufgefchrieben, und drei Wochen am Leibe 
getragen und dann verbrannt werden. 


!) Verwandt damit ift eine bei Wuttle, „Vollsaberglauben“ 227 mit- 
geteilte Oldenburgilche Verfion. | 

2) Diefen Nachweis, jomwie einige der folgenden, verdanfe ich der Freund- 
lichkeit von Prof. Helm und Dr. Hepding, die auch für die Anmerkungen mert- 
volle Belege beigefteuert haben. 


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— 13 — 


4f. Eine etwas ferner ftehende Variante finde ich bei Abra= 
ham a Santa &lara, der ja außerordentlich viel Anekdoten, 
polfstiimlihen WUberglauben und Schwänte in jeine Predigten und 
Traftate verflodt. Ir der „Abrahamifchen Lauberhütt" (Wien und 
Nürnberg I 1721 ©. 65) teilt er diefe hübjche Gefhichte mit: „E8 
geihiht aber gar offt daß dergleichen Propheten und alte BettIn, 
lügenhaffte Seegenjprecherinnen, gleichwie fie andere betrogen, aljo 
auch wieder rechtihaffen beliftiget werden. Eine gemwijje Alte gieng 
immerdar mit Tjieber Betln herum denen Leuten da3 Tieber zu 
vertreiben, madte ihr auch ein jchönes Stud Geld, einsmahls über- 
fiel fie jelbiten das 4. tägige Tyieber, welches ihre zähe Haut ent- 
fräfftete, Tönte e8 aber nicht abtreiben, ein liftiger Student gienge 
zu ihr, gabe ihr ein verpetichirtes Kleines Zetl jpredhend: Gie jolle 
e3 nur an den Hal3 hangen das Tjieber werde augenblidlid) ver- 
gehn, die Alte thuts, hangete das Zetl an dem Hals und das Fieber 
hörte von Stund an auf, nad) dem triebe fie der VBormwi, was dod) 
darinnen müfje gefchrieben fein, daß es fo gefchminde Genefung 
brachte, eröffnete das Zetl, darinn ftunden folgende Wort: 
Nimm hin von mir die Fieber Eur, 
AS jung, da warft.du eine Hur, 
Seht daß die Jugend ift dahin, 
So bift du eine Kupplerin. 
4g. Gegen die gleiche Krankheit wird im Zeitvertreiber 
©. 147 noch mitgeteilt alS Rezept: 
Ein Pelt, Kamifol und raucher Hut, 
Seynd alle drey fürs falte gut. 
5. Doktor Hemmingius erwähnte einmal, wie im Beitvertreiber 
©. 147 berichtet wird, auf der Kanzel die Berfe 


Fecana, Cageti, Daphenes, Gebare, Sedaeco, 
Gebali stant, sed non stant phebas Gecas et hedas') 


1) MWie diefe Formel, weist unter anderm aud) folgende aus dem Zeit- 
vertreiber ©. 145 Reimflang auf: Hax, Pax, Max, Deus adimax. Die 
gleiche Forinel findet fich auch.bei Weyer V, 8 (S. 531 d. Ausg. von 1583), 
wo erzählt wird, ein Belaunter Weyers habe fie auf einen Apfelichnit ge- 
‚Schrieben und diefen gegefien. Weyer gibt auch eine Erklärung ab über die 
Entitehung der Formel. Sie fei aus dem lateinifchen mißverftanden, habe 
uriprünglich gelautet hoc + po + mo -+ Deux adiuvet + (aljo: mit diefem 
Apfelichnig helfe Gott); der des Lateiniichen Untundige habe die Silben nicht 
und die Kreuze faljch veritanden: er faßte fie alg den Buchitaben x auf. So 
jei obige Formel entftanden. Db Weyer Recht hat? Sedenfalls jo viel fteht 
feft, daß die (verderbte) Form al3 Zauberformel: öfters erjcheint. Weyer führt 
felbft noch folgendes an: Auf Papier oder Brot gejchrieben it man den 


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— 134 — 


und jagte im Scherz, daß diefe Worte, auf Zettel oder Brotjtüce 
geichrieben, eine approbierte Urzenei gegen ?Tyieber abgeben. „Soldjes 
hörte ein Einfältiger, jchrieb es auff, und practifirte es an vielen 
Tsebricanten, die darvon deb Fieber erlöft worden.“ 


6. Gegen Beherung und Verzauberung follte ein Zettel fchüen 
mit den Worten (ebenda ©. 145): 


Einen Schald fand ich dich, 
einen Schald laß ich dich, 
ein Schald bift du, 

ein Schald bleibft du. 


Segen: O rex gloriae Jesu Christe, veni cum pace in nomine Patris + max 
in nomine Filii + max in nomine Spiritus Sancti + prax Caspar Melchior 
Balthasar + prax + max + Deus ymax +. Auf Hoftien jchreibe man: Pax 
+ max + fax +. WUuch einzelne Beftandteile fommen vor: Pater pax + 
adonay + filius vita + sabaoth + Spiritus sanctus + tetragrammaton. 3 = 
ländijche Zauberbücher meilen die Formel mehrfach, zum Teil variiert 
auf, vergl. Davidson, Zeitiehr. d. Ber. f. Voltsk. XIII, 1903, ©. 151: max, 
piax, riax. ©. 274 (auf Käje oder Brot zu fchreiben): pax >< magx << vix 
ax X. Cbenlo ©. 163: pais mais tais, Zauberrmorte, die doch wohl ebenfalls 
Umformungen unjerer Formel’ find. In dem heutzutage bei uns noch ver- 
breiteten Zauberbudh: Albertus Magnus egyptiiche Geheimnifje II, ©. 9 
wird empfohlen: Pax Sax Syrax; ebenda ©. 31: Kex Pax Mox. In einer 
beidelberger 98, (Heilig, Am Urquel N. %. II, 1898, ©. 105) beißt es: 
Pax max rex. Wuch die „heiligen Wort“ Hachus + Maccus + Baccus + 
(Frifchbier, Hexeniprudh S. 127) fcheinen Hierher zu gehören. Eine Etelle 
aus Konrads v. Wittenberg Doctrina Magica (1661) über diefe und 
andere magische Worte, jowie ein Gegen gegen Najenbluten aus 
Blumler® Amuletorum Historia ift von W. G. Black, Folk-Medicine 
(Folk-Lore Society 1883) ©. 167 abgedrudt. Bergl. über rex pax max und 
pnoE, rae pirE auch noch) Pradel, Mitt. d. fchlej. Sei. f. Volfsk. Heft 17 (1907) 
©. 42f. Ueber die fyormeln pax max, max pax, rex pax max, max pax max, 
hax pax max, und haccus maccus baccus vergl, Klapper, Mitt. d. fchlej. Gef. 
f. Bolkst,, Heft 13, ©. 26 und Heft 18 (1907), ©. 29. — Konx onx pax findet 
fih im arab. Märchen vom Doctor und Garfoch, veröff. v. Th. Nöldede, 
Abh. d. Berl. Alad. 1891, ©. 33. Gegen Zahnmeh wird im Allgäu empfohlen: 
man ftochere mit einem jfauberen Hufnagel der fchon einmal in einem Roß- 
huf geftecft hat, um den franfen Zahn herum. Nun gehe man unberufen und 
ungejehen auf eine Kreugzitraße, Iniee dort nieder und frigle mit dem Nagel 
auf den Boden die Worte: 


Rex, mex, Hex, 

Der Zahn joll nimmer hohlen! 
Zu Haufe fchlage man hernach den Nagel in einen Balten mo Sonne und 
Mond nicht hineinjcheinen. Bergl. E. Reijer, Sagen, Gebr. u. Sprichm. des 
Allgäus II; 442, No. 175. 


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— 135 — 


7. Ein Bürgersmann trug, wie der Beitvertreiber ©. 145 jagt, 
feinen „vermeynten Gott und Helffer auch) am Halfe, im einem jeiden 
Tüchlein eingenäht, nemlich ein bejchriebenes Briefflein”, das gegen 
Uebel aller Art fchüßen follte As er nun Unglüd über Unglüd 
hatte, öffnete er das Amulet, das ihm „der loje Kerl zu Erffurt“ 
gefhrieben Hatte und ließ es fi) vom Schulmeifter vorlefen: 

Ach mwünjch wer diejen Zettel trägt, 
Daß er feine gefunde Stunde begt, 


Der diefem elenden Papiere traut, 
At wohl ein Narr in jeiner Haut. - 


8. Ein Bauer wurde gefund durch ein Amulet, das ihm ein 
Student gefchrieben hatte. ES führt uns wieder auf die zu Anfang 
erwähnten Scerze, denn es ijt ein lateinijcher a (ebenda 
©. 146): 


Si vis curari, sed morbo nescio quali, 
Accipias herbam, sed qualem nescio, vel quam, 
Ponas, nescio quo, curabere, nescio quando. 


9. Im Kreis der deutfhen Humanijten findet ji Aehnliches. 
Der Zeitvertreiber ©. 148 teilt ein Epigramm des bedeutenden 
Arztes und Gelehrten Euricius Cordus al3 „amuletum wider 
die Flöh“ mit: 
Nocte nocturni pulices pecudesque fatigent, 
Hunc exorcismum, candide lector habe: | 
Manstula, Correbo, Budiposma, Tarantulo, Calpe, 
Thymmula, Dinari, Golba, Cadura, Trepon. 
Hos novies (!) lectum scansurus concine versus, 
tresque (!) meri Calices ebibe quaque vice’). 
9a und b. Ymei meitere Rezepte gegen das gleiche Hebel führt 
der Beitvertreiber ©. 146 an; daS eine: 


Si mordent, pulices, mordentibus excute dentes. 


das andere: Ä 

Ey beift, ey beift, ihr Ylöh und Läus, 

Und bringt an Galgen eure Speij. 
— ein frommer Wunfd, der in 4c einen Verwandten hat. Dies 
Rezept foll übrigens in einen BE geitekt und dann an den 
9al gehängt werden. 


1) Es wird zitert: Cordus lib. 7. epigr. pag. 193. Das Epigramm, da3 
ich im Original nicht einfehen konnte, gehört einer der vom SYahr 1529 ab in 
neun und mehr Büchern ausgegebenen Epigrammfjamınlungen des Eur. Cor- 
Du3 an; die Ausgaben find verzeichnet bei KR. Kraufe, Latein, Literaturdente 
mäler d. 15, u, 16. Jahrhunderts, Heft 5, ©. 32, 


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— 136 — 


Anbang3meife einiges über Waffenjegen im Anjhluß 
an folgende „Hiftori” aus dem Beitvertreiber, die den Abjchnitt über 
Amulete beichließt (S. 148): „Als Anno 1602 der Herkog von 
Saphoyen die Stadt Genff Hart belägerte, waren alle Soldaten 
frifh und muthig, meil fie von einem SYefuiten hatten Zauber-Zettel 
befommen, durch weldje fie jolten jiher jeyn vor deß TFeindes Waffen; 
und war die Uberfchrifft diefer Zettel diefe: Wer einen diefer Zettel 


bey fi) trägt, fommt durhs Schwert oder Waffen, weder zu Land’ 


oder zu Wajler umb. Diefe Soldaten aber wurden gefangen und 
ihrer Settel beraubet, hernad) aber auffgehendt, und famen alfo 
nit dur) Waffen, fondern durch Stride um ihr Leben.” 

Die hier erwähnten „Zettel" find natürlic) Waffenjegen, Schuß- 
briefe etwa der Art, wie fie bejonders Olbrich in den Mitteilungen 
d. Schlefifchern Gefelih. F. Volkskunde, Bd. X, Heft XIX, 1908, 
©. 45ff. befprochen Hat. Obige Gefhichte aus dem ahre 1602 er- 
ganzt die hiltoriiche Einleitung über Vorkommen. und Erwähnung 
von Waffenfegen, die Olbrich ebenda Bd. II, Heft IV, ©. 88 ff. gab. !) 


ch möchte noch einige Zeugnifje, die mir gerade zur Hand find, über 


da3 Borfommen von Waffenfegen hier anfügen. 

Der Malleus Maleficarum?), daS unbeilvolle Werk der 
Snquilitoren Heinrich) AJuftitoris und Jakob Sprenger, die eS unter: 
nahmen, den Herenglauben fozufagen in einem Syitem zujammen- 
zufafjen, Handelt ausführli über Waffenjegen und fpridt in ganz 
Iholajtifjhen PBiltinktionen über ihre Arten, und ihre Abftufungen 
von Sündhaftigfeit und Strafmaß?). Diejenigen, die per incan- 
tationes et carmina sacrilega arma quaecunque incantare sciunt, 
ut eis nullo modo nocere valeant, zerfallen in zmei Alaffen. Die 


Einen maden fi unverleglid, indem jie jafrilegiihe Hand» 


lungen am Bild des Gefreuzigten vornehmen *); die Anderen find 


!) Bergl.3.B.noch Rochholz, Zeitichr. F.deutiche Mythologie IV, 1859 ©. 125 ff. 


») Man vergl. Banjen, Weftdeutiche Zeitichr. XVII, 1898, ©. 119 
bis 168; derjelbe, Zauberwahn, Inquifition und Herenprozeß im Mittelalter, 
München 1900, ©. 473—-500; derjelbe, Quellen und Unterjuchhungen 3. Geld). 
d, Herenwahns, Bonn 1901, S. 360—407, 

?) Eritausgabe wohl jchon 1487 (1486 wurde er ausgearbeitet); die 


fraglichen Abjchnitte finden fi) in der Nitenberger Ausgabe von 1494 in 


pars II, quaest. II, cap. 16, fol. LXXI c. d.; vergl. die deutiche Ausgabe von 
WB 8. Schmidt, Berlin 1906, Bd. 2, ©. 173ff.; 240; Bd. 3, 213. ; 216. 

*) Um fich 3.8. am Kopf unverleglich zu machen, nehmen fie den Kopf 
des Bildes weg uf. — eine lehrreiche Art des Bildzaubers. Tas Abbild ver- 
tritt bier den Zauberer und feinen Leib, man opfert die beftimmten Glied- 
maßen des Bildes, um die des Menfchen unverjehrt zu erhalten. 


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m — 


— 137 — 


die, qui certa brevia secum deferunt, aliqui verbis interdum 
sacris aut etiam ignotis talia procurant.  ®ie Crjteren find 
ichmwerer zu verurteilen als Ießtere, deren Zauber harmloferer Art 
ift, oder mwenigjten3 jein fann. Denn aud) bei diejen ift wieder zu 
unterfcheiden, ob die „Zeichen” der Beihmwörung unerlaubte oder 
erlaubte find: unerlaubt find die fremden Ntamen und Charaftere, 
gejtattet Worte des Evangeliums und die Kreuzeszeichen. Deshalb 
find die Richter angemwiefen, genau auf den Synhalt der Bejegnungen 
und Schußhriefe zu achten: Incantationes autem quae fiunt super 
arma et aliqua verba aut ubi talia carmina scripta deferantur, 
hoc iudicibus attendendum est, si ibi sunt nomina ignota, item 
caracteres et signaturae aliae praeter signaculum crucis: tunc 
talla sunt omnino refutanda et avertendi sunt homines pie a 
talium crudelitate etc. | 


Der Herenhammer mwurde nidt nur für die Geiftlien und 
die geijtliche Gerichtsbarkeit, fordern auch) für die weltliche eine Art 
Gefegbudh, und feine Anfichten geben, wie fie die vorausgehenden 
theologifchen Zehren über Herenwahn und Yauberglauben zufanunen- 
faffen, jo für viele der folgenden die Grundlage ab. Sm Sinne 
des Herenhammier3 wird des Hfteren über Waffenjegen gejprocden, 
ih verweile 3. 8. auf die berühmten TFajtenpredigten, Die 
Geiler von Kaifersberg im Kahre 1508 in Straßburg hielt, 
und Die 1516 und Später al3 Bud) unter dem Titel „Smeis" er- 
Ihienen. An der Predigt vom Sonntag Laetare äußerte er fi 
über Bejegnungen, an deren Kraft er nicht zweifelt, wie folgt'): 
„Darumb fo felen die, die da brieff bei inen tragen, die für ftechen 
vnd haumen jolfen fein, laß fchon fein, das die brieff fraft haben 
ovnd belffen dar für, jo bilt doch Du des teuffelS der eS bei im 
traget, vnd das erlaubt. Du folt nit Iajjen über dich dan das 
Pater nojter, den glauben und ander dhriftenlic) gebet." Diefe 
Warnungen find zufammen mit anderen Auszügen aus der Gmeis 
aufgenommen in den Anhang zu Weyers Bud De Praestigüs 
daemonum, deutfhe Ausgabe, Frankfurt 1586, ©. 561. 

Augustin ZLerhheimer fommt in feinem „Bedenken von 
Bauberey" (im Theatrum de veneficiis, Frankfurt 1586, ©. 290), 
wo er über „jegner und befchmwerer” redet, auch auf Waffenfegen 
zu jprehen. Der Berfaljer diefes Traftats, den &. Binz mit Bir- 
linger zufammen neu herausgegeben Hat (Straßburg 1888; die 





!) Ausgabe v. Straßburg 1517, fol. XLIX d. 


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— 138 — 


Stelle da ©. 121), war der Heidelberger H. Witefind, der unter 
obigem Pfeudonym zuerjt 1585 (dann 1593; 1597) fein „Bedenden 
von Yauberey” herausgab. 

Eine bemerfensmwerte Nachricht über einen Waffenfegen teilt 
der gelehrte Antiquar Sean Jeagques Boijjfard aus eigenen 
Erinnerungen mit in einem erjt nad) jeinem Tod (1602) gedrudten 
Werfe De Divinatione et magicis praestigiis (Oppenheim 1615 
Rap. VI ©. 56f). Er fannte einen vornehmen deutfchen Grafen, 
der bei Karl V. in Dienjten geftanden Hatte, und der einen an 
gejehenen Reiterführer mit einem Schugbrief ausftattete, als er ihn 
auf einen gefährlichen Streifzug ausfandte. Boiffard, der den Vor: 
gang felbjt mit anfah, berichtet folgendes über den ynhalt Des 
MWaffenjegens und die geheimnisvollen Zeremonien, mit denen der 
Straf ihn dem Offizier umbing: Scriptum in membrana .... erat 
tale: „In nomine Dei Patris omnipotentis, patris maioris circuli, 
qui me defendat ab omni gladio acuto, sagitta venenata, sclopeto 
ignito, verbere Lethali, et mortifero vulnere: Amen, amen amen.“ 
Membrana illa tribus circulis depicta erat, crebra crucis imagine, 
et characteribus incognitis designata, in quam Comes ille insusur- 
rabat arcana quaedam verba, et anhelitu capite in crucem rotato 
muniverat. Hac serico rubro involuta et filo serico puniceo 
adpensa e collo fultus vir ille missus est Metas ad repetendos 
equos ab equitibus raptos. Doc er wurde von feindlichen Reitern 
überfallen, fein Panzer an vielen Stellen durdhlöcdhert, aber die 
Bermundungen waren nur leicht. mmerhin 30g er eS vor, cum parum 
fideret incantationi magicae, lehrt zu maden und zu jeinem Grafen 
zurüdgzueilen, der dann das Mißgefchid allein auf den mangelnden 
Glauben an die Kraft des AmuletS zurüdführtt: Asseverabat . 
Comes id evenisse ex defectu fidei; tantamque in scheda certitudi- 
nem inesse credenti ut ea munitus posset plumbeos globos fragore 
ignito e tormentis emissos ore aperto sine ullo periculo excipere 
et nudum pectus omnibus inimicorum gladiis exponere sine metu. 

- Schließlic macht mid) Herr Dr. Hepding nod) darauf aufmerffam, 
daß des Caroli Magni Waffen-Brief (vergl. Olbri, Schlef. Mitt. X, 
Heft XIX, ©. 55f.) au erwähnt wird von Abrah. Seidel, 
Iveoparoroyia oder furzer Bericht von denen Geiltern (Erffurt 1648), 
Abfchnitt XXI: „... oder indem Sie zauberifche Seegen, Wort 
und Characteres bey fi) führen, wie denn etliche diefelben Babit Leni 
zufchreiben, etliche (mie wohl böß- und fälfchlieh) dem Carolo Magno.” 


3 


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— 139 — 


Rleine Mitteilungen. 


Ein bewährter Henerfegen 
von Otto Weinreich, Heidelberg. 


Sm erjter Band der Helfiichen Blätter für Bolfsfunde ©. 15 ff. hat 
9. Haupt aus den Sammlungen Karl Bernbeds einen in Oberhefjen ver= 
breiteten Feuerjegen veröffentlicht, Der in drei Yallungen (ABC) vorlag. A 
war eine Ablchrift von 1719, B jtammte aus einem Zauberbud) des Yahres 
1793 und C, die Vorlage für Haupts Abdrud, war vertreten durch zwei Quart- 
blätter aus dem 19. Jahrhundert. Haupt hatte Ihon ©. 15 Anın. 2 darauf 
Hingemiejen, daß im Romannsbüchlein eine der Faflung C entiprehende und 
im „Feurigen Drachen” eine A und B vermandte PVerfion des Yeuerjegens 
ftehbt.. Ich füge Hinzu, daß. diefe auch zu finden ift Jamt der Einleitung 
vom Zigeuner (f. Bd. IS. 16) in dem Zauberbud) „Albertus Magnus bewährte 
und approbierte fympathetiiche und natürliche egyptiiche Geheimnilfe für 
Menfchen und Bieh“, I. Teil, Reading, bei Louis Enplin (ohne Jahr) ©.487.; 
ebenfo ift fie mit jener Einleitung befannt aus Rojtnig bei Sprottau, vgl. 
Drechsler, Sitte, Brauch und Pollsglaube in Schleften II 1906 ©. 143 f, 


Eine ermeiterte, manche Beionderheiten aufmeilende Yallung diejes 
Teuerjegens fand ich auf den Innenfeiten eines gut erhaltenen Folioblattes, 
das nach Ausmeis der Subjcriptio von Henrich Möller zu Bebra im Xahre 1830 
nach) einem Kölner Drud von 1733 abgeichrieben wurde, und zwar in jorg- 
fältiger Nachahmung der Drudlettern, 3. T. mit verzierten Sfnitialen. Das 
Blatt befindet fich jet im Befiz von Herrn M, Lies in Rotenburg an der 
Sulda, der mir bereitwillig geftattete eine Abjchrift zu nehmen. Der Wort- 
laut des Textes, deffen Orthographie beibehalten und defjfen Zeilentrennung 
durch Striche gekennzeichnet wird, ift folgender: 

M (Erite Seite) 

„Ein bemwehrter chriftlicher / Feuer-Segen. / Welcher ift begehrt in Yeuers 
Noth und tft /erftlich erfunden worden von einem Heidnijchen. / Wordijchent 
Königen aus Weft-Indigen diejer wird / gejprochen gegen das Feuer / 

HB SsH NS ZH IL 2 IL VP C.xX Vv.VNM NS H 
M. 2 2. AM. EZ 2 P. zZ 


Diß') mir willlommen mein Feuer-daft greif nicht weiter dann du 
gefafjet haft, das zahl ich /dir Feuer zur Buß; im Namen Gottes des Vaters 
der uns gejchaffen hat, im Namen Gottes des / Sohnes der uns erlöffet hat, 
um Namen Gottes des Heiligen Geiftes der ung geheiliget hat. / Feuer ich ge- 
biete bey der Gottes Kraft daß du molleft ftille ftehen, jo war als Chriftus 
ftille ftund /im Jordan da Zohannes taufete den heiligen Nahmen / das zahl 
ich dir Feuer zur Buß ; im Namen / Gottes des Vaters, und im Namen Gottes 
des Sohnes, und im Namen Gottes des Heiligen / Geiftes. Feuer ich gebiete 
dir bey der Kraft Gottes daß du molleft Löfchen diefe Flammen, jo wahr / als 
Maria bat behalten ihre Jungfraufchaft vor allen Nahmen, das zahl ich dir 
Teuer zur Buß;/im Namen Gottes des Vaters, und im Namen Gottes des 
Sohnes / und im Namen Gottes des heiligen Geiftes / 





1) So das Blatt; e3 muß heißen Biß. 


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u HAOr. eu 


Sch gebiete dir Feuer daB du molleit Löjchen deine Glut als Selus 
Chrijtus theures / Blut daß er für mich und alle arme Simders vergofjen zu 
gut, das zahl ich / dir Feuer zur Buß; im Namen des Heiligen Geiftes Amen. / 

(Zmeite Seite.) 

Mein Gott und meine Zunerfiht und Richter Fefus Chriftus der 
diejen / meinen Segen durch feinen Segen fegnen wollte da3 bitte ich durch 
das / bittere Leiden und Sterben Sejus Chriftus Amen. / 

Und mann diefer Brief in einem Hauje liegt jo darf fi Niemand 
fürchten daß in feinem / Haufe Yener angehet oder Brandt entftehet jolange 
er in dem Haufe liegt und wann er bis auf/1. 2.3. Hundert Yahr liegt fo 
darf er fich nicht fürchten daB ihm fein Haus abbrändt, fo darf fich der Mtenich 
nieht fürchten dann Bott der Herr beichüget und bewahret e8 vor allem / Un- 
glüd und Schaden. Und wann eine: jchmangere Frau diefen Brief 9 Tage 
an den Hals / hängt jo darf fie fih nicht fürchten daß das Kind die böße 
Krankheit befommt. / Und wann ein Menfch die böße Krankheit befommen 
jollte jo nehme er auch diejen / Brief und hänge ihn 9 Tage an den Bals, Yo 
vergehet es ihm wieder um die Zeit feines Lebens / nimmer mehr anrühren 
wird; dazu bete er 3 Unfer Bater, und gegrüflet feyft du Maria / 

| Cölln am Rhein gedrudt bey 


Henrich Möll Beh Peter Martenau Ylnıno 1733 
enri öller zu Bebra 


den 10ten May im Jahr 
1830 

Abweichend von den andern Fallungen ift gleich die Angabe über die 
Herkunft des Feuerjegend. Nach C, dem Albertus-Magnus-Büchlein und dem 
Ichlefiichen Feuerjegen (}. oben) hat ein „chriftliger Zigeuner- König aus Egiepten“ 
den Segen erfunden und fich, al3 er in Königsberg zum Tode verurteilt war, 
Dadurch das Leben gerettet, daß er eine gerade ausgebrochene Feuersbrunft 
mit feinem Segen löfhtee A und B geben „einen zigeunerilchen König aus 
Sudea und Egypten” an. Zmei andere Verfionen, die dem gleichen Typus 
angehören, nennen ebenfalls Zigeuner als Erfinder, nämlich der altertümliche 
Teueriegen, den Kade in den „Mitteilungen vom Freiberger Altertumsverein“ 
Heft 24 ©. 73 ff. veröffentlichte („Ein ziegeinischer doch Chriftl. Kemer Seegen, 
welcher offt bewehrt erfunden in femwers nöthen von einem ziegeinischen König 
aus YJuda”), und deffen jüngere und geringere Faffung, von Kuebel ebenda 
Heft 41 ©. 181 |. befannt gemadht (von einem „mwohlerfahrenen Zigeuner mit - 
Namen Yuly Birgulie”)'), In unferer Faffung gilt ein „Heidnilcher” al3 Er=- 
finder, Was übrigens die Worte „Wordiichen (= würdigen) Königen aus 
MWeit-Indigen” bedeuten, ift mir nicht Mar; follte ein Verjehen des Abjchreibers 
vorliegen und zu lelen fein „von einen Heidnifchen, wiirdigen Könige aus 
MWeft-ndigen“ ? ; 


1) Kade bemerkt, daß der Sage nach) die Freiberger Sächsftadt durch 
einen Zigeunerfjegen gegen Brandichaden „veriprochen“ fein fol; fie blieb 
auch merfwürdiger Weile bei den großen Stadtbränden Yreiberg3 meijt ver= 
Ihont. Nach einer hefiiihen Sage bei %. W. Wolff, Heffische Sagen 1853 
©. 128 f. blieb in Bertelden beim großen Brand 1810, wo faft der ganze Ort 
zerftört wurde, das von einer Zigeunerin gefegnete Schäferhäuschen 
erhalten. 


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— 141 — 


Die zmei Reihen von Zauberbuchitaben finden fich in feiner der andern 
VBerfionen; vielleicht bilden fie die Anfangsbuchitaben einer Zauberformel, 
wie 3.8. in Schlefien die Anfangsbuchftaben eines Feuerjegens an den Dach- 
balfen gefchrieben werden, vgl. Drechsler a.a.D.©. 142; oder aber es ift ein- 
facher Buchftabenzauber. Sonft finden fich zumeilen in Feuerfegen Buchftaben, 
die die Formel Sator arepo tenet opera rotas ergeben (Material bei R. KRoehler, 
Kleine Schriften III 564 ff.). 

Der Abfehnitt am Schluß des Segens über feine Verwendung und 
Wirkung auch in Krankheitsnöten findet fi mit fo eingehenden Einzelan- 
gaben in den anderen Faffungen nicht; meift fehlt er ganz (A; Romanus- 
büchlein; Feuriger Drache; Drechsler a. a. D.; Bartich [f. unten]; Kade a. a. D.; 
Knebel a. a. D.; er fehlt auch in dem von Menzif, Zeitfchr. d. Vereins f. Volfs- 
funde VIII 1898 ©. 345 veröffentlichten Feuerfegen, deffen Anfang mit unjerm 
übereinjtimmt), zumeilen findet fi) eine mehr oder minder furze Angabe 
(B; C; jchwarze Rabe [f. unten]; Wlbertus Magnus ; Birlinger [}. unten)). 

Schließlicy noch eine Bemerfung zu den Worten „jo wahr als Maria 
bat behalten ihre Jungfraufchaft vor allen Nahmen” Nicht in allen 
Berfionen findet fich diefe Lesart, „Nahmen”, „Mannen” und „Darınen“ find 
die Varianten, Nahmen ift bezeugt durch A, unfern Text und den altertüm-. 
lichen bei ade, alfo durch Zeugen, die zwar nicht der Zahl aber dem Wert 
nach gewichtig find. „Vor allen Nahmen“ bedeutet jo viel wie vor „allen 
Heiligen, vor allen Berjonen”; wir finden ja oben: Johannes taufete den 
heiligen Nahmen, aljo Jefum. Das entipricht dem gar nicht jeltenen 
Gebrauch, das abjtrafte Wort ‚Name! ftatt der Ffonfreten Perjon zu verwenden. 
Die dri namen find die drei göttlichen Perjonen (Grimm, Wörterbuch unter 
Name ©. 333,5). Jch jee noch einige Belege aus Grimms Wörterbuch her: 
Dubhaft audh) wenig namen (= Perjonen) zu Sarden, die nicht ire 
fleider bejudelt haben (Offenb. 3,4); e3 war aber die |chare der 
namen zu hauffe bei Hundert und zmwenzig (Up. Gefch. 1,15); noch bei 
Schiller heißt es; wer... nennt die Namen, die gaftlich bier zufammen 
famen. | 

Auch in andern Sprachen ift derartiges öfter zu finden, 3. B. im 
Griehiihen, und gerade in Zauberformeln und liturgiichen Sprüchen |pielt 
der Name Gottes, die heiligen Namen, Namen jchlechthin eine große Rolle; 
ich brauche nur auf die Ausführungen von Albrecht Dieterich, Jacob, Heitmüller 
u. a.!) zu verweilen, durch welche die Verbreitung und das Welen des Namen- 
glaubens eine umfaffende Erörterung gefunden hat. 8 ift leicht begreiflich, 
daß mit der Zeit jene Worte „vor allen Nahmen” nicht mehr verftanden 
murden — man beachte, daß unfer forgfamer Schreiber hier und bei Johannis 
SKordantaufe die ältere Form Nahme erhalten hat, in den Formeln aber die 
ihm geläufige im Namen des Vaters, des Sohnes u. |. mw. jet — und daß 
mweniger getreue Abfchreiber ‚Konjekturen’ machten, fich die Stelle nach ihrem 


!) H. Dieterich, Mithrasliturgie (zweite Auflage hrsg. v. R. Wünfch 1910) 
©. 111 ff.; Jacob, Im Namen Gottes (1903), Heitmüller, Im Namen Gottes 
(Soriehungen zur Religion u. Literatur d, Alten u. Neuen Tejtaments, hrsg. 
v. Bouffet u. Gunfel II 1903). Weitere Literatur in diefen Werfen und in 
meinen Antifen Heilungsmundern (1909) ©. 88 Anm. 


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— 142 — 


Sinn zurechtlegten. So bildeten fich zwei Klafjen von Varianten, die zurück 
gehen auf die Anderung von Namen in 1) Manmen oder 2) Tamen. 
Mir find folgende Lesarten befannt: 

I vor allen Mannen (B; PDrud im Romanusbüchlein und Feurigen 
Drachen; bei Albertus Magnus und in dem tzeuerjegen Menzifs 
fehlen die Worte, um die es fich bier handelt). 

vor und nad ihrem Manne (Dredislera.a.O.; preußiicher Zauber- 
\pruch bei yriichbier, Herenipruch und Zauberbann 1870 ©. 109). 
vor allen Junggefellen und Männern (Knebel a.a. DO.) 

II vor allen Damen (C; Feuerjegen aus Ellwangen, mit den obigen 
ftarf übereinftimmend, bei Birlinger, VBolfsthümliches aus Schwaben 
I (1861) ©. 201; Feuerjegen im Zauberbuch „Der Schwarze Rabe, oder 
das enthüllte Wunderbuch der mwichtigiten Geheimnifje, Baltimore 
bei Yranz Lippe, ohne Jahr, ©. 24). 

vor allen Frauen (Bartih, Sagen, Märchen und Gebräuche aus 
Mectenburg II 1880 ©. 357 no. 1678). 
Sch glaube, es ift einleuchtend, daß alle dieje Varianten nichts anderes 
find als mehr oder minder grotesfe Schlinmmbefjerungen der alten Yormel 
„vor allen Nahmen”. 


Die Sale nnterfiellen. 


Diefe Redensart, deren in Bd. 8, Heft 3, S.193 Erwähnung geichieht, 
icheint wirklich der Bergeffenheit anheimzufallen. Mic jelber, der ich jegt 
fünfzig Jahre alt bin, ift fie noch mohlbefannt, dagegen behauptet meine jieben- 
undvierzigjährige, aus Bettenhaufen gebürtige FZrau, fie niemals gehört zu 
haben. Ebenjo mein neunzehnjähriger Sohn. Belannt ift fie einem zweiund- 
fünfzigjährigen Knechte, der von Niederbefjingen ftammt und fie felber jehr 
gerne praftiih nußt, unbefannt einem fünfzehnjährigen Knecht aus LaıngS- 
dorf; aber in ihrem Wortlaut befannt und bei einigem Nachdenken ihrer Be- 
deutung nach Mar einem Dienjtmädchen, das in Eicheljachlen gebürtig ift. — 
Melden Sinn Hat diele Nedensart? Als man noch, anitelle vierrädriger 
Wagen, zweirädrige Karren fuhr, war es Gebrauch, beim Anbalten, um den 
Tieren die Laft abzunehmen, unter die Deichjel oder die Scheere die bei jedem 
Karren befindliche Rodhade zu ftügen, Dies gejchah bei jeglichem Anhalten, 
am liebjten aber, wenn fich die Zuhrleute ins Wirtshaus begaben und draußen 
ihr Zuhrmwerf warten ließen. Darum fagte man in humorvoller Weile: „mir 
wollen einmal die Hade unterftellen”“, auch wenn es weder Pferd noch Fuhr- 
wer? zu verjorgen galt und nun fchöner Flingend zum Gang zum „Einen fich 
genehmigen“ aufzufordern war. Aljo, ein Stüd Bolfshumor. 

Köhler-Langsdorf, 


Drei Holdatendriefe aus der Zeit Napoleons I. 
Mitgeteilt von Heinricdy Bechtolsheimer (Gießen). 

Die Briefe, die ich bier mitteile, fand ich in den Akten der Präfektur 
des ehemaligen Departements Donnersberg, die in dem Großherzoglichen Haus- 
und Staatsarchiv zu Darmitadt aufbewahrt werden. Xeider find dieje Akten, 
die uns ein genaues Bild über die Zeit der Franzojenherrichaft in dem heutigen 


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— 193 — 


Rheinhefien geben könnten, nicht volljtändig erhalten. Als die franzöftiche 
Herrihaft am Iinfen Rheinufer im Anfang des Jahres 1814 zu Ende war, 
wurde ein Teil der Alten mit nach Frankreich genommen, ein Teil blieb zurüd, 
lag aber viele Jahrzehnte zu Mainz in völliger Unordnung in einem — Pferde- 
ftalle, bi8 in den 70er Jahren ein Beamter de3 Haus- und Staatsarchivs 
darauf aufmerffam murde und feinen wertvollen Fund nach Darmitadt 
brachte. 

Tie Alten, die ich durchgeiehen habe, bezogen fich ausjchließlich auf die 
Konfkfription und find faft durchweg in franzöfiicher Sprache abgefaßt. &3 
ift befannt, daß die Bervohner des linfen ARheinufers dem franzöfiichen Negi- 
mente mit unverhohlener Sympathie zugetan waren. Nationales Empfinden 
gab es im 18. Jahrhundert, in der Zeit der deutfchen Kleinftaaterei, in Deutjch- 
land nicht. Das Bemwußtjein, al Bürger einem großen, wohlgeordneten Staate 
in dem alle vor dem Gejege gleich waren, anzugehören, die unleugbaren VBer=- 
dienste, die fi) Napoleon durch die Befreiung des Bauernftandes aus un= 
würdigen Zuftänden, durch die Schaffung einheitlicher Rechtsnormen und durch 
die Förderung der öffentlichen Sicherheit erwarb, bejonder3 aber die jammer- 
volle Mißregierung der zahlreichen früheren PVotentaten namentlich der Kur- 
fürften von der Pfalz, brachten dem neuen Negimente viel Beifall ein. Aber 
die Härte, mit der die Konjkription durchgeführt wurde, beionder3 die Ver- 
ihleppung der Söhne des Landes nach weit entlegenen Kriegsichaupläßen, er- 
zeugten Zorn und Unmillen. 3 geht aus den Alten hervor, mit melcher 
Strenge da3 franzöfifche KRonffriptionsgejeg durchgeführt wurde. Die hier mit- 
geteilten Briefe waren vonden Familien, an die fie gerichtet waren, der Regierung 
als Nachweis vorgelegt worden, daß ihre Söhne ihre militärischen Pflichten 
erfüllt hatten, 


Zum Berftändnis de3 erjten der hier veröffentlichten Briefe fei Yolgen=- 
des bemerkt: Sm Januar 1804 Hatte Napoleon die Aufftellung von zmei 
Belitenkforps (urjprünglich leichte Infanterie) defretiert. ES war dies eine Mufter- 
truppe, die zur Hälfte aus Ausgehobenen, zur Hälfte aus Freiwilligen beitand. 
. Das Mindeftinaß war 1 m 67, für die eine Hälfte der Mannjchaft fogar 1m 73. 
Für jeden, der eintrat, wurde das Zeugnis feiner Heimatbehörde gefordert, 
daß er einem guten Ruf bejaß. Zn der Ausführungsverordnung vom 30, Ni- 
voje XII (19, Januar 1804) hieß es: „Die tüchtigen Veliten fönnen zur Garde 
der Regierung, ohne das erforderliche Lebens- und PDienftalter erreicht zu 
haben, oder für die Linie al3 Fouriere, Korporäle, Brigadiers!) und zur Spe- 
zial-Kriegsichule zugelaffen werden. Die anderen erhalten nach erfüllter Tienft- 
pflicht ihren Abjchied.” Jeder, der freiwillig eintrat, hatte an die Kaffe des 
Korps jährlich 200 Fr. zu zahlen. Es handelt fich alfo bier um ein Inititut, 
das mit unjerem Einjährig-Freimilligen-Snftitut große Ahnlichkeit hatte, &3 
meldeten fich zum Belitenforps zumeift die Söhne mohlhabender Fantilien. 
&3 mag fie dabei die Abficht geleitet haben, im Heere bald befördert zu werden, 
um dem Pienft al3 gemeine Soldaten zu entgehen. Sndeffen liefen — man 
war damals am linfen Rheinufer auf die Offizierslaufbahn nicht allzu jehr 
erpiht — nur wenige Meldungen ein, und mit der Bezahlung der angefor- 
derten Summe fcheint e3 jehr gehapert zu haben. 


') Korporale bei der Kavallerie, auch Gendarmeriemachtmeifter. 


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ar AR, 





sn diefes Korps trat 1806 Anton Weyer aus Zahlbach bei Mainz ein. 
Am 12, April 1809 wurde er Soußlieutenant in einem Pragonerregimente. 
Seine Eltern jandten ihm das Geld zur Equipiernng. Anton Weyer fchreibt 
am 26. April 1809 aus Baris: 


„Bil gelibfte Eltern 

‚hren Brief vom 19ten April habe ich er halten und darin erjehen 
da3 fie fich noch alle recht wohl befinden welches mir ein fehr Grofes ver- 
gnügen machte, 

Die 25 luitor habe ich richtig am 24 ten diefes Monats erhalten; dennoch 
tonte ich nicht mit diefem gelt mir alle meine megliche jachen kaufe, Jch hab 
Hern Bretel gebeten das er mir die 5 Quitor gelajen hat, wo ich von ihm 
befomen habe als ich hir her fam. Er hatte mir noch vir mein Kafge (cas- 
quet) und jebel gut geiprochen und es bezahlen mil fo Bald fie das gelt Ichidlen, 
Mein Kaige koft 140 Liber jebel und was dazu gehert 92 liber und die 5 luitor 
das macht 352 Liber wo fie an Herrn Bretel zu fchiclen haben. ch gehe den 
28ten mit der Dilefchans hir weg nad) ftraßpurg jo balt ich bey rechement bin 
jo werde ich ihnen fchreiben, in diefer Zeit Wenn Merere Luitor zufammen 
\pahren vir mein Perd und reitgefchir zu faufen. 

Sch Habe mir geftern und heite jchon mie gegeben um den grenadier 
zu finden, wo fie mir gejchriben haben, Ych fonnte ihn aber nicht aus PVintig 
machen. 

fie derfen ja nur an ihn fchreiben es kann fein, daß er jchon in ftraß- 
burg ift er ift von der Tten Kombani da zu mahl gemefen 

ch Hoff daß fie das gelt dem Herrn Bretell jo balt es meglich ift im 
Ichidlen werde. 

Weiter weis ich feine neuigfeiten zu fchreiben Libjte Eltern Als ich ver- 
bleibe Ihre getreuer 

john und ich grüße fie alle herzlich 
Antoine Weyer. 

Diefer Brief war von dem Bater dem Präfelten Seanbon St.-Andre 
vorgelegt worden, um nachzumeilen, daß er für feinen Sohn fchon fo viel auf- 
gewendet habe, daß er für ihn die angeforderte Summe nicht mehr zahlen 
tönne, zumal er bei der Belagerung von Mainz viele Verlufte gehabt habe, 
An dem Briefe fällt vor allem auf, daß der Souslieutenant über eine jehr 
geringe Echulbildung verfügt. DOrthographie, Saybau und Snterpunktion find 
in gleicher Weije mangelhaft. Noch mehr überrajcht uns, daß er von der da= 
maligen politifchen Zage feine Ahnung bat. Er gebraucht die in den Briefen 
Ungebildeter häufig wiederkehrende Wendung: meiter weiß ich feine neuigfeiten 
zu fchreiben, und dabei fteht er im Begriffe, nach dem Striegsichauplage an 
der Donau abzugeben. Schon am 29. Mai fchreibt er in einem jonft unin- 
terefjanten Briefe aus Augsburg: „mas mich an belangt, jo befinde ich mich 
nicht zum allerbeiten, ich babe auf meiner reife einen armjchu3 befommen.” 
Doch fcheint es fich nur um eine leichte VBermundung gehandelt zu haben ; 
denn am 15. Juni teilt er mit: „wir marjchieren zu Zeiten Tag und Nacht.“ 
Eins jcheint Anton Weyer fehr verftanden zu haben, nämlich die Kunjt, das 
Geld feines Vater? an den Mann zu bringen. 

Ahnliche Züge mweift ein zweiter Brief auf: Bitte um Geld, Unkenntnis 
der Lage und die Wendung: Neuigkeiten weiß ich feine zu jchreiben, Der 


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— 145 — 


Schreiber ift ein Soldat mit Namen Georg Wiejenthauer aus Birtenhördt bei 
Annmeiler. Sein Brief fam deshalb in die Akten, meil feine Eltern durch ihn 
den Nachweis erbrachten, daß ein älterer Sohn fjchon im Heere ftand, um 
dadurch die Befreiung eines jüngeren zu ermirlen. Das Schreiben lautet: 


„Machtenburg, 239 te Merz 1812. 


Liebe Eltern Jh muß Eich doch zu mwielen tun das ich den 28ten bin 
auf Machtenburg angefommen und den 30ten wieder ab Nach Berlin mare 
Ichieren werden. Sm Sold bin ich eingefchrieben worden. Zahlung befommen 
wir aber in 5 bis 6 Monat fein Geld. mir haben noch 230 ftund zu mar- 
jchieren bis nach Banfig da ftet die armee Rufiich und franzhößige. man 
jagt es foll nad) der derfei gehen und nach Enland. neiigfeiten weiß ich Euch 
feine zu jchreiben, fchreiben fönnt ihr mier auch nicht biß ich Euch meiter 
fchreiben. Sch mwünfche mein fchreiben werde euch in guter gefundheit antrefen, 
ich bin die ganze Zeit nicht regt gefund. meiter weiß ich eich nicht zu jchreiben. 
ch grüße Euch fühl Mal alle. Grüßen mir die Efe Elifabethe Möllein und 
ihre Eltern | 

Georg Wiejenthauer. 


Die Adrejfe, die auf der Rüdieite des Briefes fteht, lautet: „Herrn An- 
dreas Wißendauer in Birkenhördt debardemend Donnersberg Kanton Ann- 
mweiler a Zrangfurt bei Caßdel iber den rein & Maiand zu Bergzabern ab- 
zugeben.” Darüber fteht der Stempel: „No. 22 Armee d’ Allemagne.“ 


Db der in den Feldzug nad) Rußland ziehende Soldat die Eva Elija- 
betda Möllein wohl wiedergelehen hat? j 
Den dritten Brief, der aus einer Ähnlichen Beranlaffung in die AMften 
fam, fann man nicht ohne Rührung lefen. .E3 heißt da: 


„Sevilla, d. 2. May 1811. 
Lieben Eltern und gejchmifter 

Aus hber&licher Liebe gegen Sie fann ich nicht mehr Länger verweilen 
die Yeder zu ergreifen um einen Brief an euch zu geben, wie wohl ich |chon 
oft und viel mal an euch gefchrieben habe und noch nicht mer al eine Ant- 
wort erhalten ich feufze Tag und Nacht nach einem Brief. Dielen Brief 
fchreibe ich Euch mit weinenden Augen die weil ich grad denten muß ich hätte 
feine Eltern und Gefchwiitern jo will ich fie bitten zum Lebten mal um eine 
baltige Antwort, Neues weiß ich Euch weiter nichts als es ift immer beym 
alten Elent, und gelt Mangel Sählt uns nicht wie wohl es mir ehr notwendig 
tut und mwollten fie täten gelt jchiden denn ich habe 15 %. gelent bei den Kam- 
raden und ich fann es nicht mer bezahlen. Bon des Hefeners Landers Wil 
helm und des ejelborns Karl Bhilipp weiß ich euch nichts zu jchreiben denn 
ich war jhon Lang nicht mehr bey ihnen. wie ich erfahren hab fo ift Peter 
Machor zu Haufe. Bon Weitersmeiler den Kaufholt grüßet mir daß fein Sohn 
tot ift und Chriftofel Diefenbacdh ift noch recht gefund, 

ich befinde mich beim 103 Regiment, 1te bat. 3te Compagnie, 5te cord 
arme (?) .2te difision 

Sch grüße Sie lieben Eltern und gejchmiiter 
grüßet mir auch allen Freunden 
Sohannes Strebel.” 
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— 146 — 


ssohannes Strebel war aus Göllheim am Donnersberge. Er gehörte 
zu den unglüclichen jungen Leuten aus der Pfalz, die Napoleon nad) Spanien 
dirigiert hatte, um den Aufftand der fich mutig wehrenden Landeseinmwohner 
niederzufchlagen. Zmar auch er bittet nach echter Soldatenmanier die Eltern 
um Geld, aber aus feinem fchlichten Worten geht hervor, daß er vom Heimmeh 
verzehrt wird. Vielleicht war fein 2o8 dasjelbe wie das eines feiner Kame- 
raden und Qandsleute, über den ein Auszug aus dem Sterbeprotofoll des Militär» 
hofpital3 zu PBampelona Folgendes ausfagt: 

„Du registre des d&c&s du dit hopital a &t& extrait ce qui suit: Le sieur 
Fischer Christophe, fusilier de la 1re Comp. du 2eme Bataillon du 117eme Regnt 
de ligne, natif de Rontergen (joll heißen Rheindürfheim) Departement du Mont 
Tonnerre est entr& en dit hopital, le trois du mois de janvier l’an 1809 et y 
est deced& le trente du mois de janvier }'an 1809 par suite de fievre.“ 


Ein „Schneedal‘‘gedet aus dem Bogelsderge. 


Himmelsbriefe und Gefahne find heute im Allgemeinen abjterbende 
Ericheinungen. Man meint zumeilen, daß auch die Vorftellung des Volkes, 
die fie trägt, daß nämlich das Herjfagen oder bloße Aufbewahren frommer, 
heiliger Worte vor Gefahr fchüße, der Arbeit Segen oder jonjt Lohn und irdiich 
Gut herbeiziehe, im Sterben jei. Mag fein, daß die Formen, in denen fich diejer 
Slauben bisher dargeftellt hat, al3 Himmelsbriefe, Sejahn, jelbit Hinfallen. 
Aber daß der alte Glaube damit noch nicht ftirbt, daß er nach neuen Formen 
fucht, fann uns die folgende Abjichrift der Rücdfeite einer Poftfarte zeigen, 
die aus dem Boftbezirte Drtenberg am 14. Sanuar 1910 an eine Perlon 
Großen-Lindens von unbelannter Hand gejandt worden if. Man lieft da: 


„Gebet! D Herr Sefu, hab Erbarmen und behüte uns durch dein folt- 
„bares Blut und lehre durch dich lehren (sie.) Amen, Dies Gebet wurde 
„mir mit der Bitte zu geland, es wieder weiter zu verbreiten. Ic) 
„bitte, dasfelbige zu tun, und von dem Tage an, wo Gie e3 erhalten, täg- 
„lich einmal meiter zu Ichiden (bi8 9 Karten) an Xhre Yreunde. Geben 
„Sie acht, was am Yten Tage geichieht; es ift gefagt, daß demjenigen eine 
„große Freude zu Teil wird. Während des Schreibens mwünfchen Sie fid) 
„das Tiebfte auf der Welt und es wird fich erfüllen, Diefes darf nicht 
„unterichrieben werden. Brechen Gie die Kette nicht ab! 

Der alte Vollsglaube hat fich Hier folche neuen Gedanken, wie fie der 
befannten Schneeballfolleften zu Grunde liegen, nubbar gemacht. Die 
Wendung der Karte „es ift gelagt etc.” ftammt m. E, von chriüftlichen Kreilen 
her, die die alte Beiftesgabe der Prophetie wieder erwect glauben. Gollten 
diefe enthufiaftich angeregten Kreife nicht noch mehr Berührungspunfte mit 
dem alten Vollsglauben haben ? 

Großen-Linden. DO. Schulte. 


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— 14171 — 


Die „Trenringe‘‘ in Dberdeffen. 


&3 ift ein in unferm oberheifischen Landoolke immer mehr aufflommender 
DBraud), daß Brautleute fich gegenjeitig alsbald nach der Verlobung beim 
Goldwarenhändler in der Stadt goldene Ringe faufen. Ohne Zmeifel 
fommt Diefer Brauch) aus der Stadt. Trauringe nennen oft gebildete 
Heffen fäljchlichermeile diefe Ringe, obgleich fie nicht mit der Trauung zu 
tun haben. Unjer Landvolf Heißt fie richtig Treuringe, Woher diefer Name? 

Auch bevor der genannte Brauch) auflam, Fannte man in manchen 
Orten Oberhefjfens Ringe, die man „Treuringe” nannte. Noch heute werden 
in alteingejeffenen Yamilien des Hüttenberg jolche aufbewahrt. E38 find dicke, 
 filberne Fingerringe, die oft fein verziext find. Auf der Butbacher Aus- 
ftellung, die |. 3. mit dem erften oberhefjiichen Trachtenfefte verbunden mar, 
hatte ich eine Sammlung jolcder Ringe ausgeftellt. Noch vor 30, 40 Jahren 
wurde ein Joldher Ring von der Braut am Hochzeitätage getragen. Der 
Bräutigam hatte ihn alsbald nach) der Verlobung, dem Handfchlage zu fchenken, 
wogegen fie ihm ein Hemd und ein Baar Schuhe gab. Dieje nur von der 
Braut getragenen Ringe hieß man alfo früher Treuringe. Woher fie diefen 
Namen haben, fann uns ein Blid in ein Formular dartun, deifen fich der 
Geiftliche in Klein- Linden bei Sponfal-Copulationen, d.h. bei Verlöbniffen 
mit Ticchlicher Feier, in der eriten Hälfte des 18, Jahrhunderts bediente. &3 
it uns in der Klein-Lindner Kirchenbibel erhalten, die „1727 pro Ecelesia 
Microlindana Festo Pentecost. comparata” if. Sn Ddiejfe hat der damalige 
Pfarrer als praftiicher Mann alle Gebete und Formeln, deren er bei firch- 
lichen Handlungen benötigte, auf eingeheftete Blätter eingefchrieben, In dem 
bejagten Yormular nun fragt der Pfarrer nacheinander jedes der Ber- 
lobten, ob e3 die (den) gegenmwärtigeln) N. N. zum ehelichen Gemahl haben 
und behalten wolle, au) Willens jet, die Ehverjprechung der chriftlichen und 
Kirchenordnung gemäß zu vollziehen. Nach dem Ja Spricht er dann weiter: 
„So gebet dann einander etwas auf die Treue!" Und fährt, nachdem dies 
gejchehen ift, fort: „Gebet euch einander beyde Hände zur Verficherung der 
Treue” | 

&3 it leider nun in dem Formulare nicht mitgeteilt, was die Braut- 
leute fich gegenfeitig auf die Treue gegeben haben. Aber es ift wohl 
feine zu fühne Vermutung, wenn man aus der Sitte, wie fie vor 40, 50 Jahren 
in der Pfarrei Großen-Linden beitanden hat, jchließt, daß dies von Seiten 
der Braut Hemd und Schuhe, von Seiten des Bräutigams der befchriebene 
„Zreu”ring war, | 

E3 tft nun fehr mwahrjcheinlich, daB von diefem Brautring aus fich der 
Name „Treuring” auf die heutigen Verlobungsringe übertragen hat. &3 bat 
dabei da8 Empfinden des Volles, das jegliche Verlobung ob heimliche oder 
öffentliche als das VBeriprechen der Treue auffaßt, fiher den Ausfchlag ge= 
geben. Um Sferlohn nannte man noch um 1860 das Geld, das der Bräutigam 
der Braut bei der Verlobung gab, „Trügge” di. Treue!). Und das Bolfs- 
lied fingt: „Sie hat die Treu gebrochen, das NRinglein brach entzmwei“, 

Großen-Linden. DO, Schulte. 


) Meyer, Deutjche Volfsfunde 1898, ©. 170. 


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Anfrage. 

Ein Mann war an Blutvergiftung erfrantt. Nach feinem Tode wurde 
feine Witwe von einer anderen Frau gefragt, ob er nicht noch einmal das 
Abendmahl gemwünjcht hätte. Darauf antwortete die Witwe: „er war ja dod) 
an Vergiftung erkrankt, da geht der Keldy ja vorüber”. Ta ich die Außerung 
jelbft nicht gehört Habe und auch nicht gerne danad) forichen möchte, fo ift 
mir der Sinn etwas dunkel. €3 kann fein, daß bier eine ganz majffive Bor- 
ftelung vom Abendmahl vorliegt, injofern al3 die Segnungen durch die Ber- 
giftungen gehemmt oder aufgehoben werden. Auch ift vielleicht mit der An- 
Ihauung zu rechnen, daß in joldhem Falle „Die Kirche” (d. h. ihr Beiftlicher 
al8 Verwalter des Salramentes) fich zu einer Spendung, nicht bereit er- 
Härte. Sch wäre für die Deutung der Ausjage oder YUngabe analoger 
Tale dankbar. Baftor Lühl, Weblar. 


> 


Bücherfchau. 


SHeinrih Eldmann, HSeimatmujeum, Schule und Bolfsbildung. 
Mit zwei Tafeln. Leipzig, Quelle u. Meyer 1909. 47 ©, 8°. [Die Volf3- 
fultur, BVeröffentlihdungen zur Förderung der außerjichulmäßigen BildungS= 
bejtrebungen, hrsg. v. Georg Bolf, No. 11.] 

Sn weiten Kreifen hat man erkannt, wie notwendig es ift, der geiftigen 
Verarmung auf dem Lande entgegenzutreten, wie man dahin ftreben muß. 
das geiltige Leben meiter zu geftalten, zu vertiefen, edle Unterhaltungsmög-. 
lichkeiten zu bieten, die nur zu oft öde Gefelligfeit der Vereine zu einer wahren 
Duelle geiftigen Genufjes zu machen. Bon diefer Erkenntnis ausgehend hat 
auch der Verf. die vorliegende Peine Schrift mit [chöner Begeisterung gejchrieben. 
„Heimatbildung”, wie er e3 nennt, ift ihm die Grundlage der rechten BVolld- 
mwohlfahrtspflege. Liebe zur Heimat und zur heimatfrohen Arbeit foll gemedt 
werden. edes Dorf hat feine Eigenart, und die joN den Dorfbemohnern zur 
Erkenntnis gebracht werden. Das beite Mittel dafür ift die Gründung von 
Heimatmufeen. Der Berf. ift mit gutem Beifpiel hier porangegangen und 
bat felbft ein vortreffliches Lleine® Mufeum, das dem Nefer. befannt ill, 
in Niedernhaufen im Odenmald gegründet. Er gibt auch einen Plan von dem, 
was da3 Mufeum enthalten fol. Außer naturmifjenichaftlichen Sammlungen, 
die die Beichaffenheit der engeren Heimat lehren follen, den ortSgefchichtlichen, 
nehmen dann fjolche zur Volfstunde und folche, die die Erzeugniffe der Dorf 
funft zuc Anfchauung bringen, einen breiten Raum ein. Mit Recht tritt E. 
warm ein für die Dezentralijation des Mujeumsmerfes: Gemwiß, einzigartige 
Stüde jollen den Provinzial-, den Landesmufeen vorbehalten bleiben, aber e3 
muß Raum bleiben auch für Dorfmufeen. Auch Wandermufeen Ffönnten ein- 
aerichtet werden. Den Dorfbemwohnern foll wieder Achtung beigebracht werden 
vor ihrer heimilchen Art, fie müffen ihre Scholle wieder lieb gewinnen lernen. 
Sp Sollen fih an die Mufeen vollstümliche Vortragsabende anjchlieken; 
auch für diefe entwirft Verf. einen Plan, und auch hier findet die Volkskunde 
meitgehende Berüdfichtigung. 


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"be 
et 


— 149 — 


Mit Freude werden die Pfleger der Bolksfunde die Beftrebungen des 
Berf. begrüßen und wünjchen, daß feine Anregung auf guten Boden falle. 
Er jelbft hat in Niedernhaufen jchöne Erfolge erzielt und |childert, mie es ihm 
gelungen ilt, da3 Snterefje der Bevölkerung des Dorfes an jeinem Unter- 
nehmen zu wecen. Uber es tft nicht zu verfennen, miel viel hier von der Per- 
fönlichfeit abhängt. Jedenfalls ericheint es al3 Pflicht der Bereine für Volks. 
funde, innerhalb ihres Gebietes Fräftig für die Errichtung folder Heimat- 
mufeen zu mirfen. 

Heidelberg. 3. Rahle. 


SH. Eldmann. Die Lebluhen- und Zuderbäderei im Dden- 
walde [Übdrud aus: Die Heimarbeit im rhein-mainischen Wirtfchaftsgebiet. 
Monographien im Auftrage des wirtichaftlichen Ausfchuffes der Heimarbeit» 
ausftellung Frankfurt a. M. 1908 von Prof. Dr. Paul Arndt, I. B0.). Senna, 
Buftav Filcher, 1909, 19 ©., 8°. 

Der Hauptfih der Rebkuchen- und Zuderbäder im Odenwald ift da® 
Gebiet der Geriprenz, der Mümling und deren Zuflüffe €. unterrichtet uns 
über die Art des Betriebes (ob ftändiger Betrieb oder Saifonbetrieb), die 
Technif des Arbeitsverfahrengs, die mwirtichaftlichen und fozialen Verhältniffe 
(oft unvernünftige Ausnügung der Kinder, die Wohnungsverhältniffe ziemlich 
günftig, Ernährung im allgemeinen nicht jchlecht, Arbeitsräume vielfach über- 
heizt und jchlecht gelüftet, die Reinlichkeit läßt viel zu münjchen übrig). Der 
Nberlieferung nach ift diefe Lebfuchen- und Zuderbäderei als Heimarbeit dem 
Odenwälder von den während des fiebenjährigen Krieges im Ddenmwald ein- 
quartierten Franzofen gelehrt worden. 

Bon fpeziellerem Sntereffe für die VBollsfunde find die, zum Teil Humo- 
riftiihen, Reime auf den Lebfuchen, von denen leider nur eine geringe Anzahl 
angeführt werden. Auch ift zu bedauern, daß Berf. uns nicht genauer über 
die Formen der Lebkuchen unterrichtet. Die Formen der Feltgebäde find nach 
mancher Richtung hin, jo 3. B. auch für die Koftümtunde, von großer Wich- 
tigfeit. Man vergleiche 3. B. die zahlreichen Arbeiten Höfler3 über Gebild- 
brote. Doch ift zu berüdfichtigen, daß Berf. ja bei Abfafjung feiner Studie 
feine volfsfundlichen Zmede im Auge hatte. ES wäre aber danfensmwert, 
wenn er, vielleicht in erneuter Behandlung, einmal dieje in den Vordergrund 
jtellte und in einer Reihe von Abbildungen uns die Haupttypen diefer Bad- 
waren vorführte. 

Heidelberg. DB. Kahle. 


Aigremont, Zuß- und Schub-Symbolif und Erotik, Leipzig, 
Deutiche Berlags Altien-Gejellichaft 1909, 2.25 M. 

Tas Heft geht mit einem ©eleitfchreiben von %. S. Krauß und einem 
reichlich ruhmredigen Brofpelt des Berlag3 in die Welt; beide eröffnen ung 
die Ausficht auf durchaus neue Gefichtspuntte und Ergebniffe. So jchlimm 
ift die Sache aber gar nicht; Gedanken, wie fie neben anderen ©, Raibel, 9. 
v. Prott und Q. Dieterich angebahnt oder nahegelegt haben, find ermeitert, 
Iyftematifiert und belegt mit einem Material, das Fritiiche Sichtung zum Teil 
wohl vertragen hätte. Die Nachprüfung aber ift jehr erjchwert durch die 
eigenartige Praxis des Zitterens, die neben wifjenichaftlich forrekten Angaben 


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vielfach durchaus ungenügende bietet, wie etwa: „Plin. Plut.” (&. 12), „Bol= 
detti ©. 419“ (©. 5), „jene Bronze im Cabinet des antiquit6s” (S. 19) und für 
die Yrage nach der benußten gedructen Literatur jo gut wie ganz im Stiche 
läßt. Man ift zunächlt verfucht, diefen Mangel au3 einem populären Charaf- 
ter der Schrift zu erklären, hat doch der Verlag, „um jedermann die Arnı= 
Ihaffung zu ermöglichen”, den Preis auf 2.25 M. geftellt, weil der Gegen- 
ftand „des Anterejfes der meitelten Kreife von vornherein ficher“ jet. Nun, 
ich denke, der Berfaffer nimmt dieje Phraje des Profpeftes jelber nicht ernft, 
denn in einem wirklich für die Allgemeinheit beftimmten Buch hätte der Takt 
des Verfaljers Beichreibungen und Hinmeife wie die auf ©. 25, 29, 32, 41 
oder den zotigen Saffenhauer in den jonft recht Inappen Anmerkungen un- 
bedingt vermeiden müflen. Aber auch für den, der „realiftiiche Bilder chine- 
ftifher Eoitusizenen“ zu wiffenichaftlicher Arbeit braucht oder fich über die 
Zahl rulfiiher Hoffußkiglerinnen orientieren will, hätte die Angabe der Bücher- 
titel genügt; jo, mo alle dieje Dinge in recht breiter Nacherzählung figurieren, 
muß man fragen: cui bono? Kurz, ein Buch, aus dem ich troß gegenteiliger 
Berficherung des Profpefts als Pädagoge nichts gelernt habe, defjen Benugung 
und Deutung griehifch-römilcher Sage die Mythologie meift etmas weitgehend 
nennen wird und das wohl niemand, der es gelejen hat, „geiftig Hochitehen- 
den Frauen zur Lektüre in die Hand“ gibt. Db es für Arzte und Auriften 
einen Wert hat, mögen andere entjcheiden. 
Dffenbadh a. M. A. Abt. 


— 10 — 


A. van Gennep. Religions, Moeurs et L&egendes. Deuxiöme Serie 
Paris, Mercure de France 1909. 316. S. 3 fr. 50. 

Wie der erite Band (vergl. Helf. BI. VIII ©. 143), jo enthält auch diejer 
im wefentlichen NRezenfionen, die alle anregend geichrieben und zum Teif 
wegen ihrer jcharfen Definitionen vager Begriffe wie Totemismus (Iöre par- 
tie. 1, 2), Zabu (I. 2), Chamanismus (I, 3), zum andern wegen ihrer Litera=- 
turzujammenftellungen (I. 2 zum Totemismus; III. zur Frage der „Standes- 
Iprachen”) jehr nüglich find. Die vom Verfaffer gefällten Urteile find durch- 
aus bejonnen, jo etwa feine ablehnende Stellungnahme gegen Siede und 
Studen (I. 7), etwas zu weitgehend fcheint nur Pid&e de l!’&volution dans 
les lögendes des demi-civilises (I. 8), wo hinter den Erzählungen von 
tteriichen Vorfahren oder geftaltlofen erjten Lebeweien doch wohl zuviel ge- 
judht wird, Mit der Entftehung von Schrift und Sprache befichäftigen fich 
Yorigine des runes et des alphabeths (II. 5), une nouvelle &cri- 
ture negre (II. 6) und der jehr beachtensmwerte essai d’une th&oriedes 
langues sp6ciales (III. WU Grundlage der Alphabethe fieht G. ein- 
heimijche Eigentumsmarlen an, auch für die Runen, die nad) ihm von einem 
maitre des runes ohne fremde Vorlagen geichaffen find. Die Standesiprachen 
wie auch die Dialekte faßt er al Erzeugnifje religiöjer, politiicher oder fo- 
zialer Gemeinjchaften, die durch Iprachliche „tabus” fich von anderen Genoffen- 
Ichaften jonderten, Schließlich jei noch darauf hingemwiefen, daß II. 4 Sagen 
und Lieder aus Hochjavoyen mitteilt und II. 2 von der valeur historigue 
du folk-lore handelt. 

Dffenbadh a. WM. AH. Abt. 


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— 151 — 


6. Zäfhke, LZateinijch-vomanifches Yremdrörterbuch der jchlej. Mund- 
art. (Wort und Brauch, Volkstundliche Arbeiten, herausg. v. Siebs und 
Dippe, Heft 2). Breslau 1908. XVI u. 160 ©. 5.60 M. 

Ein auf Grund ausgedehnten Materials im ganzen forgfältig und mit 
Slück durchgeführter Verjuch, ein Teilgebiet des vollstümlichen Sprachichages 
in Wörterbuchform darzuftellen. Der Schwierigkeit des Unternehmens, die 
Hauptfähliy in der Ausfcheidung der wirklich vollstümlichen Worte ihrer 
phonetifchen Schreibung (die oft im Widerjpruch zu den darin natürlich recht 
frupellofen Quellen erfolgen muß) und damit der Einordnung in das Wörter- 
buch beftehen, ift fich der Berfaffer vollitändig bemußt, es märe unbillig, bei 
dDiejer Sachlage mit ihm über Einzelheiten rechten zu wollen, Ein prinzipieller 
Einwand wäre der, ob es geraten ift, fozujagen als. Normalform den Dialelt 
der BVorjtädte einer Gropftadt (Breslau) anzujegen, dort pflegt fich eine aus 
Zeitungsdeutich, Schriftiprache, gebildeter Umgangsipradhe und mirkflicdem 
Dialeft beftehende neue Einheit zu bilden, die zum Fremdwort unter Umftän- 
den ganz anders fteht al3 der, wenn man fo jagen darf, Bauerndialelt. Der 
Unterjchied ift jedenfalls prozentual gering und wird eher vom Germaniften 
und Spradjtatiftifer, al3 von der Bollstunde al3 Mangel empfunden werden, 
Hier interejfiert un3 neben der Frage der Bolfsetymologie vor allem die, 
welche Bedeutungsgruppen Hauptjächlicd) durch Fremdmörter vertreten find 
und aus welchen Sprachen fie jtammen. Fäjchte gibt S. 11, 17, 156 darüber 
brauchbare Zujammenitellungen. Da ein großer Teil der Fremdwörter in 
allen oder den meiften Dialeften gleich ift (von den Unterfchieden der lautlichen 
Entmwidlung abgefehen), jo it diefe in eriter Linie für Schlefien berechnete 
Arbeit doch auch in anderen Begenden des Reiches zur Kontrolle wohl ver=- 
mwendbar. Ref. hat bei der Nachprüfung der Buchftaben AD nur einen 
gefunden (H), mo der Prozentjag der Wörter, die ihm aus dem rheinhelliich- 
pfälziichen Dialekt nicht geläufig waren, 50°%0 überftieg, im ganzen waren e3 
in jenen NRubrifen 167 von 584 Wörtern, die im rheinheffifchen Gebiet nach 
des Ref. Wiffen nicht gebräuchlich find, während für die gleichen Buchitaben 
Lennigs PDialektdichtungen 34 wirklich vollstümliche Worte aufmeijen, die 
Sälchfe nicht verzeichnet. 

Dffenbach a. M. | U. Abt. 


€. Hük und S. Soßuey. Yeite und Spiele de3 Ddeutjchen 
Bandvolf3, Berlin deutiche Landbuchhandlung 1909. 

Alles was Sohnrey jchreibt und fagt, will von dem einen Gejicht3- 
punfte aus beurteilt fein, der das ganze Leben diejfes unermüdlichen waderen 
Borlämpfers fir Erhaltung der ländlichen Eigenart beherricht. So auch das 
vorliegende Buch, das er in Bemeinfchaft mit Gymnafialoberlehrer Dr. €. Küd 
geichrieben. In einer Zeit, in der die Feite und Spiele des Deutjchen Land- 
volfes in Gefahr ftehen, von ftädtiicher Art zu feiern und zu fpielen ver- 
drängt und erdrüdt zu werden, will er dem deutjchen Landbewohner die 
Quft und Freude an dem von den Alten Ererbten weden und ftärfen. Das 
Buch ftellt die Feiern und Epiele, die den Verfaffern aus den verjchiedenften Teilen 
Deutichlands befannt geworden find, zufammen, beipricht ihre Herkunft, jchildert 
. ihren Berlauf und das Alles fo anziehend, daß man unmillfürlich auf Sohnrey's 
Seite gezogen wird. Eine erjtaunliche Fülle tut fich dabei dem Lejer auf und 


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— 152 — 


Mancher fieht mit Bewunderung, wie viel Berichiedenartiges gerade auf 
diejem Gebiete, auf dem fich der Gebildete im Allgemeinen noch fo wenig 
heimijch weiß, in Blüte fteht. Auch der Folklorift wird manchen Nuten aus 
ihm ziehen können, da bie und da Bräuche verzeichnet find, die man fonft 
nicht findet. 

Großen-Linden. D. Schulte. 


Quellen und Horfhungen zur deutfden Volkskunde. Herausgegeben von 
ER. Blümml. Band VI. Beiträge zur deutichen Bolsdichtung, 

Sn diefem neuen Bande der befanıten Sammlung finden wir Bei- 
träge verjchiedener Yorjcher und Sammler vereint, die faft fämmtlic) aus 
Defterreich und Süddeutichland herfommen. An größeren Abhandlungen be- 
gegnet uns ein Auflag „Die deutjche Vollsdichtung“, mit Beilpielen aus dem 
Böhmermwalde, von GBuftan Yungbauer, der fo beachtensmwerte Beiträge zur 
Entitehung des Vollsliedes geliefert hat. Er will in der Volfsdichtung die er 
von der Naturdichtung ftreng getrennt haben mill, zwei große Gruppen unter- 
Ihieden Haben, die nicht gefungene VBolfsdichtung und den Bolfsgelang. 
Die erfte, die bisher allerdings weniger beachtet wurde, umfaßt die Volfs- 
bücher, die Bolksichaufpiele, die Sagen, die Märchen, die Schmänfe und 
Anekdoten, die Spignamen von Ortjchaften, die Nachbarvereine, DOrt3|prüche, 
Marteriprüche und Grabichriften, die Ortsdichtungen, die Oftereierreime, die 
Tenfterl-, die Hochzeitsiprüche, die Zugichlägelreime, Sprichwörter, Neden3- 
arten, Wetteregeln, Sprüche an Felttagen und bei feftlichen Gelegenheiten und 
die Rätjel. Bei der zweiten Gruppe unterjcheidet er 1. volfentitandene 2. volf- 
entitandene und volfläufige (die er al3 die eigenlichen Volkslieder bezeichnet) 
und 3, bloß volfläufige Lieder. Wie mir fcheint, ift aber die Bezeichnung der 
eriten Art irreführend. AJungbauer will unter volktentftandenen Liedern 
jolche veritanden miflen, die im Bolfe entftehen, aber feine Verbreitung er= 
langen. Auf diefes Legtere nimmt aber der erjte Name feinen Bezug. Der 
Derfaffer wird fich hier aljo wohl zu einer präzijeren Zafjung des Ausdrudes 
entichließen müffen. Bei den volkentftandenen und volfläufigen Liedern hält 
er fich an die bisher übliche Zmweiteilung in geiftlihe und weltliche Lieder, 
welch’ leßtere er dann in verichiedene befannten Unterarten: Balladen, 
Schelmenlieder, Wunfchlieder zc. teilt. Zmilchen dieje beiden Gruppen ftellt er 
die Kinderdichtung mit ihren verjchiedenen Teilen: Kindergebeten, Ammen- 
icherzen ujm. Zahlreiche Beilpiele aus dem Böhmerwalde illuftrieren die 
Einteilung, die jedenfalls jehr inftruftiv ift und auch bejonders die Aufmerf- 
lamfeit derer verdient, die ein Archiv einzurichten haben, 

Die zweite größere Abhandlung ift von E, K. Bliimml. Gie ift betitelt: 
„die deutiche Vollsdichtung im Jahre 1907" und gibt eine Weberficht über die 
in diefem Jahre eingebraddte Ernte auf diefem Gebiet. Sie tft um jo 
danfenswerter, al3 die Ernte überreich ausgefallen ift. Wenn es jährlich in 
dem bisherigen Wachstum meitergeht, muß man bald mit Entjegen an diejen 
Reichtum denken, der fich faum nod) überbliden läßt. Mit bejondrer Genug- 
tuung lefen mir in ihr die Zeilen, die unfrer Zeitjchriftenfchau gelten. Quömig 
Dietrich hat in der Tat hier Großes geleiftet. Aber die Anerkennung. diejes 
Werkes allein, mit der Blümmtl allerdings den Wunfch nach beitimmter Be= 


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— 198 — 


Ichränftung verbindet, tröftet uns nicht über die Tatjache, daß ein Fortbeftehen 
des Unternehmens noch immer nicht gefichert if. Wir hoffen, daß der Ber- 
band der Vereine für deutiche Volkskunde, der jet das enticheidende Wort zu 
Jagen bat, bald Zujage geben fann. 

Bon den andern Arbeiten verdienen die Sammlungen der Märchen 
und Schwänte aus Dfterreic) und Ungarn (%. Latenhofer) wie die Schwäne 
und Sagen aus dem mittleren Böhmermalde (. Blau) noch bejondre Erwähnung. 

Großen-Linden. D. Schulte, 


 . Bofßsfteder aus der Ahelnpfalz. Im Auftrage des Bereins für bayrifche 
Bolfsfunde herausgegeben von Dr. Heeger und Wuülft. Band I. Kaifers- 
lautern 1909. : 

Die Sammlung der Rheinpfälzer Volkslieder, deren erfter Band uns 
bier zur Beiprechung vorliegt, hat für uns Heffen ein befonderes Antereffe. 
Die Rheinpfalz ift das Nachbarland unferer Provinz Rheinheffen, und beide 
find durch feine Stammesgrenzen von einander geichieden. Dan fanıı von 
vornherein annehmen, daß viele Lieder gemeinfam find in Weile und Text. 
Hoffentlich trägt die Sanınlung fo dazu bei, in Aheinheffen die Luft nach 
einer gleichen Sammlung zu mweden, daß man auch das Eigne finde. Bon 
vollstundlichem Antereffe irgend welcher Art ift ja dort noch nicht Jehr viel zu 
Jpüren. 

Die vorliegende Sammlung tft aber vorzüglih zu Jolcher Aufgabe ge- 
eignet. Schon die Ausftattung ift geradezu vorbildlich. Auf einer feiten Ein- 
banddede ein farbiges, hübfches Bild mit zwei fingenden Rheinpfälzern, einem 
Schnitter und feinem Mädchen, feites Papier mit Hlarem Drude, mwohei an 
Raum nicht geipart ift — man nimmt ein alfo ausgejtattetes Buch fchon 
gleich mit freundlicheren Augen in die Hand. Auch das gefällt, daß Hinter 
der Melodie mit der eriten Strophe dieje legtere noch einmal wiederholt 
it und mit den übrigen ein leicht überjehbares Ganze bildet. E83 zeugt 
ferner für eine gute, forgfältige Ausgabe, daß unter jedem Liede die Orte, 
an denen e3 gefunden murde, genannt, hierauf die Varianten mitgeteilt 
werden (an die mitunter Heine Bemerkungen fich jchließen) und daß fich 
am Scdluffe die Literaturangaben finden. 

Die RhHeinpfälzer haben fehr fleißig gefammelt und verfügen über ein 
jehr umfangreiches Material. Dem vorliegenden erjten Bande, der die er- 
zählenden Lieder und Die Liebeslieder umfaßt und 304 Seiten zählt, 
jollen noch vier andre Bände folgen. Wenn man dabei die vielen Lieder fieht, 
die Erf-Böhme noch nicht fennt, dann wird wieder lebendig, was jchon oft auS- 
geiprochen murde, daß eben der Liederhort Erf-Böhmes nur einen Anfang 
der Sammlung deuticher Volkslieder daritellt, aber nichts mehr. Und das 
nicht nur in den Terten jondern auch in den Melodien. Die Zahl der Weilen 
wählt. Zu manchem Lied bringt die Sammlung vier, fünf Melodien, 

E3 gereicht den BVerfafjern zur Ehre, daß man überall den Eindrud 
eines jorgfältigen, jorgfamen Arbeitens befommt. So unter Anderm auch 
bet der Aufzeichnung der Melodien. Wer jelbjt einmal längere Zeit bei der 
Sammlung VBoltsliederweilen aufzeichnen mußte, der weiß, mie recht der 
mufifalifche Redaktor mit feiner Bemerkung hat: „Große Schwierigkeiten ver- 
urfachte bei der Aufzeichnung der Weile die Behandlung des Taltes“. Der 


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— 154 — 


Samnıler gebt faft ausnahınlog3 auch von der Annahme aus, daß jedes Volfs- 
lied durchaus in einen beftunnten Talt, */a oder ®/a oder ®/s oder wie er fonft 
jet, zu bringen fei. Aber es geht oft gar nicht, das gefundene Lied einer 
diefer Ordnungen einzufügen. ES ift dabei noch verhältnismäßig einfach, 
wenn die Außerlich erkennbaren Teile verichiedenen Rythmus aufmeifen, aber 
wie fchmwierig ift es, wenn mitten in der Zeile der Rythmus fich ändert. „So 
wechjelt in dem wunderbar fchönen Liede: „ES wollte fich einfchleichen‘ nach 
der Rheinpfälzer Notierung der Takt 15 mal!” Und der mufilaliiche Redaltor, 
der jorgfältig ein der Wirklichfeit entfprechendes Tonbild wiedergeben mollte, 
fand feine andere Stilifierung. Ein anderes, einfacheres Beijpiel finden mir 
bei dem Liede „Wenn alle Wäfferlein (Brinnlein) fließen”, mo der Taft Amal 
fich ändert. 

Mandhe Eammler legen auf dieje PVerjchiedenheiten allerdings Fein 
großes Gewicht. Sie fagen: das Lied fei zerfungen, und fie wollen das Lied 
ftilifieren, in feine „frühere Ordnung bringen”. Ich weiß nicht, ob das ftets 
richtig ift. Mir jcheint immer, als ob der Takt in unjerm Volfsliede nicht die 
dominierende Stellung habe, wie in der Runftmufif, und daß die Betonung 
der Wörter oft fich an ihm vergreife und ihn ummodle. Yedenfalls ift es doch 
merfivürdig, daß ich 3.3. das Lied „ES mollte fich einfchleichen” genau in 
der Rheinpfälzer Taktierung bei Großen-Linden habe fingen hören. Ein 
abichließendes Urteil in diefer unerforichten Sache traue ich mir aber nicht zu. 

Großen=Linden. D. Schulte. 


Eudw. Friedr. Werner. Wus einer vergejjienen Ede. Langen- 
Jalza, Hermann Beyer und Söhne. 

Ein Arzt, der offenbar lange in einer von dem Berfehr abgeichloffenen 
Gegend „zwiichen Thüringen und Weftermald“ gelebt hat, auch mwohl in ihr 
geboren ift, jchildert deren Land und Leute. Verjchiedene Male begegnet man 
dem Namen Waerohld, als dem Namen des Ortes, in dem er wohnte Ein- 
mal wird auch ein Fluß, Lufda, genannt. Die Namen find ficher fingiert, 
aber, wie es jceheint, Durch Umjeten der Buchitaben und eine geringe Anderung 
leicht zu erraten. Dem vollstundigen Yoricher zeigt fich auch ohne dies, daß 
die Gegend nicht fehr weit von dem nördlichen Oberheffen entfernt fein fann. 
Die ganze Art des Lebens, die Bräuche und Sitten, die berührt werden, find 
den oberhejliichern ungemein ähnlid. Zmar zeigt der Dialekt einige VBer- 
\hiedenheiten, aber dafiir findet man faft alle angeführten Redensarten, jehr 
viele Echnurren und Geichicehten auch bei uns auf dein Lande wieder. 

E3 ift fein wiffenjchaftlides Buch. Charakterzeichnungen einzelner 
Perjonen, Echilderungen vergangener Zeiten aus dem Munde der Leute, Be- 
Ichreibungen der Fefte, der Verhältniffe der Menjchen zu einander, Schnurrem, 
Anekdoten und anderes füllen e8 aus, Und trogdem es aljo in die unter- 
baltende Lektüre zu rechnen ift und zwar, dank der Gabe des Berfaflers, in 
die recht unterhaltiame, }o hat es doch auch für die Volksfunde Wert, denn 
es ilt das Werk eines Mannes, der fich nicht. bloß damit begnügt hat, die 
Leute und ihre Art zu jchildern, wie fie dent Gebildeten vor Augen treten, 
jondern der auch darauf ausgegangen ift, die Menjchen in ihren Gedanten- 
gängen, in ihren Einrichtungen, Bräuchen und Sitten zu verftehen. Sehr oft 
werden dann charafteriftiiche Außerungen, ja ganze Erzählungen genau fo 


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— 159 — 


wiedergegeben, wie die Leute fie mitgeteilt haben, in Yorm und Redensarten, 
Bon jelbft wird der Verfaffer Jo zum beredten, tüchtigen Anwalt und Ber- 
teidiger ihrer Art, Was er liber den Hausbau, über die Vereine, über die 
Bernachläffigung der Walddörfer durch den Staat und vieles Andere jagt, das 
trifft den Nagel auf den Kopf. Dagegen möchte ich bezweifeln, ob das alte 
Bolkstum und der zuverläflige Menjchenichlag der „vergejjenen Ecke” fich da- 
Durch erhalten ließen, daß die Taglöhner und die Holzhauer, die einen großen 
Teil der Gemeinde neben den Bauern bilden und die gern nach Weftfalen 
ausmandern, beffer bezahlt und gleichzeitig Straßen und Brüden jchneller ge- 
baut würden. Meiner Meinung nad) ift das, was mit dem Bolfstum der 
alten Zeit jo fchredlich aufräumt, der ganze Zeitgeift, und die Bildung und 
Aufllärung nicht am menigiten. 
Großen-Linden. DO. Schulte, 


a Breyde. Das deutihe Haus und jeine Sitte. 2. Aufl. Güters- 
(oh Bertelsmann, geb. 6 M. | 

Der Berf., ein Schüler NRiehls, an den auch zumeilen die Sprache er- 
innert, jehtldert in 7 Abfchnitten die Herd und Haus gründende und bauende, 
die befennende und heiligende, die gejellig verbindende und mitteilende, die 
locende und erziehende, die Ichirmende und mwarnende, die ordnende und 
I\chmüdende, die trauernde und tröftende Sitte des deutjchen Haufes der Ver- 
gangenheit und ftellt mit ftarfer Einfeitigfeit dieje Vergangenheit der dieje 
Sitte auflöjenden Gegenwart gegenüber. 

Mit jtarfer Einfeitigkeit: So [pricht er beijpielsmeile von den in vielen 
heutigen Städten al3 Arbeitermohnungen dienenden Löchern und ellern, in 
deren „Unheimlichkeit” eine heimifche Sitte nicht gedeihen könne. Aber er vergißt, 
daß nicht einmal die Wohnteller eine Erfindung der Neuzeit find. IYm Schoß- 
regifter der Stadt Roftod von Jahr 1382 fteht mindeftens bei jedem zmanzigiten 
SchoB-BZahler oder -Nichtzahler der Zufaß „in cellario“ und in den mittelalterlichen 
Stadtrevolutionen Ipielen die Zeute „aus den Buden und Kellern“ eine Hauptrolle. 
Noch heute fanıı man in Fleinen meclenburgiiehen Landftädtchen wie vogel3- 
berger Dörfern zum Teil jet nicht mehr benugte Wohnungen fehen, die in 
ihrer SJämmerlichkeit nicht ein Erzeugnis der Neuzeit, fondern Zeugen des 
MWohnungselends der Vergangenheit find. Soviel Richtiges Fr. über die 
Mode jagt, jo einjeitig ift fein Lob der Vollstrachten. US ob nicht auch dieje 
oft Scharf genug den fozialen Gegenjag trennend hervorhöben, und als ob 
nicht auch fie oft genug alles andere wären als „auf den Leib gefchnitten”“ 
und darum jchön und gejund! Bon den Heiratsgefuchen in den Zeitungen 
erflärt er mit einem Worte Riehls: „Selbft in der liederlichiten Zeit des 
vorigen Sahrhundert3 wäre ein folcher Hochverrat an der Majeftät der Familie 
undenfbar gemejen.” Uber ficher ebenjo häufig wie heutzutage die „auf diefem 
nieht mehr ungewöhnlichen Wege“ zu Stande gefommenen Ehen waren feiner 
Zeit in allen Kreilen die Fälle, mo ein junger Mann eine alternde Witwe 
oder ältere Suntgfer heiratete, um auf diefe Weile fein „Eheglüd” zu machen, 
Man darf fragen, ob das nicht ein ebenjo jchlimmer Hochverrat an der 
Majeftät der Zamilie war, und „mwonnige Heime” find es gewiß nicht immer 
gewefen, die fo entitanden. Selbit das Bettlerwejen der Vergangenheit findet 
bei Sr. feine Verklärung, während die Neuzeit in diefer Frage nach ihm faft 


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nichts anderes zu tun fcheint, al3 das Schild mit „Verein gegen Hausbettelei” ar 
ihren Türen anzubringen. Das find wenige Beifpiele. E3 ift aber über- 
haupt verfehlt, die Sitten (in Freybes Sinn, mit Ausfchluß der „Unfitten“) 
der guten alten Zeit zu fehildern und zu jagen: Seht, jo war die Zeit. So 
war fie nicht! Diefe Sitten bezeichnen nur das deal, daB im Volfe lebte, 
nicht die wirkliche Geftalt feines Lebens. Die war zweifellos viel herzlojer und 
zuchtlojer, al$ e8 danach fcheinen fönnte. 

Fr. verrät auch faum, daß er Berftändnis dafür hat, daß die Entmwid- 
lung des mirtjchaftlichen und geiftigen Lebens, die das Schwinden mancher 
alten guten Sitte verurjacht, doch vielfach eine innerlich notwendige ift. Das 
Berichwinden der befennenden und heiligenden Sitte 3. B., auf die er mit ver- 
ftändlicher Sehnfucht zurücblict, al3 Volkzfitte, ift doch damit gegeben, daß 
einmal die felbftverftändliche äußere Chriftlichfeit jedes Vollsgenoffen immer 
mehr ihr Ende hat und es immer mehr Tat und Entjcheidung des Einzelnen 
wird, ob er am Chriftentum fefthält, und daß mir andererfeit3 die naive Un- 
empfindlichleit gegenüber dem Wideripruch eines undhriftlichen Lebens zu dem 
Feithalten an chriftlicher Sitte verloren haben. Wir führen heutzutage nicht 
mehr ein Luderleben und find dabei jo gottesfürchtig, daß wir morgens und 
abends, ob voll, ob nüchtern, fleißig beten, wie Ihro Gnaden von Liegniß. 
Wir lafjen entweder das Eine oder das Andere. Dieje Entwiclung des geiftigen 
Lebens ift aber doch wohl in beiden Beziehungen eine notwendige und be- 
deutet gar nicht einmal ein wirkliches Schmächerwerden des chriftlichen Ein- 
fluffes auf das Volfsleben. 

Tiefe grundfäglichen Ausftellungen jollen dem Buche jeinen Wert nicht 
nehmen, den es nicht nur hat, weil der Verf., der auf diefem Gebiet |hon mit 
einer Reihe von Veröffentlichungen hervorgetreten ift, doch eben eine um- 
faffende Zufammenftellung der Sitten des deutjchen Haufes bietet. In feiner 
Kritit der gegenwärtigen Kultur ftect zweifellos jehr viel Richtiges und Be 
berzigenswertes und in den beiden Punkten, die ihm vor allem am Herzen 
liegen, darauf hinzumeifen, daß gerade für unjer Volk in einem häuslichen 
Leben, das wirklich diefen Namen verdient, eine unerjegliche Quelle feiner 
Kraft und Gejundheit liegt, und dab gegenüber der Neigung, die Maßitäbe 
unjerer Lebensführung lediglich in den Bedürfniffen, Nöten und Anfprüchen 
des Einzelnen zu juchen, der Wert und die Notwendigkeit der Sitte wieder 
nahhdrüdlich betont werden muß, kämpft Fr. um fehr ernfte Dinge und für 
jehr hohe Güter. 

Beuern. 3. Schmalß. 


Kinder und Sausmärden gejammelt durch die Brüder Grimm. AJubi- 
läumsausgabe. Zeichnungen von Otto Ubbelohde. Turm- Verlag Leipzig 
Band III. 

Jeßt, da der dritte Band von lbbelohdes Märchenzeichnungen vor- 
liegt, und diefe gewaltige künftlerifche Urbeitsleiftung abgefchloffen ift, dürfen 
wir Diejen unjern heffifchen Griffelfünftler getrojt den Großen des 19. 
„Jahrhunderts dem Dramatiker Rethel, dem Lyriker Ludwig Richter an die 
Seite jtellen. Denn er verbindet das, was Dürer „imendig voller Figur fein“ 
nennt, mit einer geradezu zur Vollendung entmwictelten ZTechnit der TFeder- 
zeichnung. Tas legtere unterfcheidet ihn von den meiften Zeichnern des 19. 


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— 157 0 — 


Sahrhunderts: jo 3. B. auch von Schwind, deflen Schöpfungen, bei aller Ge- 
mütstiefe und perjönlichem Reiz, faft alle die Mängel einer von den fchwädhlichen 
Ttazarenern abgeleiteten Runjtmeije zeigen. Das fann nur den nicht ftören, der 
an Werke der bildenden Kunft literarifche, alfo fremde und falfche Kritif 
anlegt. Ubbelohde vermag mit den Symbolen diefer im Klingerfchem Sinne 
(dargetan in jeinem Buche Malerei und Zeichnung) illufionsftärfften 
Griffeltunft fünftlerifeh alle die Wirkungen zu geben, die die moderne Malerei 
am Ausgange des 19, Jahrhunderts der Kunft wiedererobert hat. Auf diefen 
Zeichnungen ift hellflares Sonnenlicht und fein Refler auf den Dingen ebenfo 
pirtuos dargeftellt, wie der Ichwache Sternenjchein des Nachthimmels, Frei- 
licht jo gut, wie das Licht des natürlich oder Fünftlich beleuchteten Snnen= 
raumes, 

Dazu tft überall die fünftlerifche Diftanz gewahrt, die jolche Jlluftrationen 
baben müfjen, wenn fie nicht aufdringlich wirken follen, ein Moment, das fich 
eigentlich nur fühlen, fchwer mit Worten umjchreiben laßt. Dieje Diftanz be= 
ruht einmal in der, wie bei allen bedeutenden Künftlern, ftarf perjönlichen 
Stiliftierung der fünftlerifchen Darftellung, dann aud) in etwas inhaltlichen, 
in dem Verhältnis der Aluftration zum Text. Die SMujtration fann ja 
immer nur einen ausgewählten Moment der fortlaufenden Handlung daritellen. 
Aber welcher Moment gewählt und wie er dargejtellt ift, Darauf kommt e3 
an, und welche Stimmung er auslöft; diefe Stimmung muß die Begleitung, 
den Altord zur Melodie des Tertes geben, Ein Beilpiel: das Bild zu dem 
Märchen „Die Boten des Todes." Das Märchen enthält eine Reihe bewegter 
Momente; wie der Riejfe den Tod niederichlägt, wie der Yüngling den Tod 
findet und aufrichtet und andere mehr. Ubbelohde wählt feinen folchen 
Borwurf, jondern den, wie der Tod zujamımengebrochen von dem Schlage der 
Rielenfauft an dem Malitein liegt, auf der Landitraße, an der fturmbemegte 
PBappeln ftehen; am Himmel ziehen die Wolfen und fliegen die Raben. Durch 
faum etwas anderes hätte die melancholifche Stimmung des Märchen3 wahrer 
zum Ausdrud fommen fönnen. 

Auf anderen Bildern wieder, der Stimmung ihrer Märchen entiprechend, 
ein fröhlicher Humor; aber das Todesbild hat mir doch den tiefften Eindrud 
gemacht. Und vielleicht drängt fich jedem, der unfere mittelrheinijche Kunit- 
geihichte Fennt der Bergleich auf mit einem Kupferjtiche von dem großen 
Ptamenlofen des 15. Jahrhunderts am Mittelchein, dem Hausbuchmeifter: 
„rote der Tod den Yüngling antritt.“*) Ein Bild ganz ähnlicher tieftrauriger 
Stimmung, das geradezu, und zwar auch in Fünftleriicher Diftanz, da es 
den Ruhepunft unmittelbar vor der Bewegung daritellt, den Schluß unjeres 
Märcchens, in dem der Tod den Yüngling mit fich fortführt, illuftrieren 
fönnte, 

Gießen. Chriftian Raud). 


I 


*), Abbildung bei Zebra, der Meifter de3 Umiterdamer Kabinets, 
Tafel 58. 


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Eingegangene Bücher. 


(Abgeichloffen am 1. AYulti 1910.) 

(Die mit * bezeichneten Bücher find fchon zur Beiprechung vergeben. 
Bücher, über welche bereits in diefem Hefte referiert wird, find bier nicht mehr 
aufgeführt.) 

"A. N. Afanassjew, NRuffiihe Voll3märchen, neue Folge. Deutih von 

U. Meyer. Wien, R. Ludwig, 1910. 3 Mt. 

AYlt-Zranffurt II, 1. 1910. 
"AUndree-Eyjn, Marie, Volkstundliches aus dem bayı. ä Alpengebiet. 

Braunfchmweig, %. VBiemweg, 1910, 14 ME. 

Bäahnifch, A, Die deutichen Perjonennamen. Teubner 1910. 1 ME. 
*Beauquier, Ch., Faune et Flore populaires de la Franche-Comte. 2 Bde. 

Paris, E. Leroux, 1910. 10 Frcs. 

Blümml, ©. 8, Zmei Leipziger Liederhandfchriften des 17. Jahrhunderts 

Leipzig 1910. 

Däahnhardt, D., Naturfagen. 3d. III, Teubner 1910, 15 ME. 
"Dähnhardt, D., Heimatllänge aus deutjchen Gauen. I. 2. Aufl, Teubner, 

2,60 Mt. 

"Dähnhardt,D,., Deutiches Märchenbuch. I. 2. Aufl., Teubner, 1910. 2,20 ME. 

"Dieb, R., Heimatkunde des NReg.-Bez. Wiesbaden. 7. Aufl. 0,25 ME. 

*Chrenreich, P., Die allgemeine Mythologie und ihre ethnographiichen Grund- 
lagen. Leipzig, Hinrichs, 1910. 10 ME. 

"Francois, J., L’&glise et la sorcellerie. Paris, E. Nourry 1910. 3,50 Frecs. 

"Sreybe, U, Das alte deutiche Leichenmahl, Gütersloh, Bertelsmann 1909. 

1,20 ME. 

“Gennep, A. van, La formation des l&gendes. Paris, E. Flammarion 1910. 

3,50 Frcs. | | 
van de Graft, Cath., Palmpaasch. Dortrecht, E. Merts, 1910. 

*F, Griffith, The demotical Magical Papyrus of London and Leiden. Vol. 

I—III. London, H. Grevel u. Co., 1910, 

"Kohn, © 9. H., Bollslieder aus dem fädh]. Erzgebirge. Annaberg 1909. 

4,80 ME. 

*"Kürgens, Martinslieder. Breslau 1910. 5,60 Mt. 

"Lohmeyer, 8, Bearbeitung von Birkenfelder Kirchenbüchern, I 
*Seligmann, The Melanesians of British New-Guinea. Cambridge 1910. 
*Stodmapyeı, ©, Mber das Naturgefühl in Deutichland im 10. und 11. 

Sahrhundert. Teubner 1910. 2,40 ME. 

Schön, %, Kinderlieder und Kinderipiele des Saarbrüder Landes. 1909. 
TaylorStewart, C., The origin of the werewolf superstition. Missourri 1909. 
*jiberlieferungen, volfstümliche, Schlefiens. III: Schlef. Sagen 1, hrsg. 

v.R. Kühnau 1910, 9 Mt. 

VBoltsbücher, Helfiiche, Hrsg. v. W. Diehl. 1—d. Darmitadt 908—1910. 

Mollslieder aus dem Santon Solothurn. Gel. v. ©. Btolimund 
Bafel 1910: 

"Metfe, D., Unfere Mundarten. Teubner 1909. 2,80 ME. 

de Wyl, RK, Rübezahl-Foriehdungen. Breslau 1909. 5,60 ME, 


I 


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— 159 — 


Eingänge für das Hrchiv der Vereinigung. 


Für unfer Archiv fandten ein: 

Dberlehrer Kopp-Reinheim: Wörterverzeichnis d. Reinheimer Mund- 
art, Zauberiprüche, Himmelsbrief, Schalldeutungen aus Reinheim; Prof. 
Lenhbart-Bensheim: einen Himmelsbrief und Kleinere Mitteilungen; Lic. 
Blaue-GBießen: drei Heilfegen; Dr. Lindenftruth-DBeuern: Bolfslieder 
und Bräuche aus Beuern; cand. theol. Lindenftruth- Gießen: Zlurnamen 
aus Efpenrod; stud. med. vet. Heigenröder-Nieder-MooS: Gemannnamen 
von Nieder-Moos; Lehrer H. Maas-Beuern: ein Bolfslied aus Wiejed; 
Elifabethb Bfalgzgraf-Homberg a. d. Ohm: ein befchriebenes Dfterei aus 
Erfurtshaufen, Kr. Kirchhain; Abgeordneter Köhler-Langsdorf: Zur Sage 
vom milden Jäger; Kaplan Dr. Beit- Mainz: Mundartliches aus Mainz; 
Schulrat Geiger- Bensheim: Bellenlied; Fräulein %. Albrecht- Gießen: 
Kinderlieder. Dr. Lewalter, Wiesbaden, ©.-A. feiner Auffäge über %. 
Erk; Hofrat Höfler, Tölz, SA. feines Aufjages über das „Eichlagl" (Pro- 
pyläen 1909 Nr. 10); Paftor LühHl, Weblar: Gebräuche aus dem Kreis 
Weblar; Frl. Friederide Betfer, Darmitadt: Hochzeitsbräuche aus Udent- 
beim; Schulanmntsafpirant 9. Dtto, Obbornhofen: Melodien zu zmei geiftlichen 
Volfsliedern. 

Allen Einjendern herzlichen Dan! 


Gefchäftliche Mitteilungen. 


Die ordentliche Mitgliederverfammlung der Heffiichen Vereinigung 
für VBollsfunde für das Zahr 1909 fand erit jpät, am 11. Dezember 1909, zu 
Yranffurt a. M. im Hotel Deutfcher Kaiferhof ftatt. Den Borfig führte Herr 
Provinzialdireftor Geheimerat Breidert. 

Herr Pfarrer Schulte erjtattete den Geichäftsbericht und legte in Ver- 
tretung de3 am Erjcheinen verhinderten Rechners die Rechnung des SYahres 
1908 vor. Dieje wurde für richtig befunden und dem Rechner wurde Ent- 
laftung erteilt. 

Der Borftand der Vereinigung wurde in feiner feitherigen Zujfammen- 
‚ jegung duch Alklamation wiedergewählt. Er beiteht aljo aus den folgenden 
Herren: Pfarrer D. Schulte, Großen-Linden, Vorfigender; 

Geheimer Hofrat Pireltor Dr. Haupt, Gießen, ftellv. Borfigender; 
Dr. phil. ®. Lindenftruth, Beuern, Schriftführer (Herr L. war im 
"Sabre 1908 an Stelle des vom Schriftführeramt zurüctretenden 
Herrn Oberlehrer® Schmoll in den VBorftand kooptiert worden); 
Profeffor Dr. K&. Helm, ftellvertretender Schriftführer; 
Banfdireftor A. Heichelheim, Gießen, Rechner. 

An die Mitgliederverfammlung fchloß fich eine Beiprechung mit den 

Vertretern der heffiichen Gefchichtsvereine über die Sammlung der Flurnamen 


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— 160 — 


im Großherzogtum Helfen. In Bertretung des durch Krankheit verhinderten 
Staat3arcdhivars Dr. Dieterich entwicelte Pfarrer Hot, Tiegenbadh, die Grund- 
äße, nach) denen er die vorgelegte Sammlung der Schliger Flur- und Ge- 
marlungsnanmen durchgeführt hat, Nachdem dann Pfarrer Schulte das Imterejffe 
der DVereinigung an dem geplanten Werfe begründet hatte, erklären die 
hiftorifchen Vereine von Gießen, Darmftadt, Friedberg, Mainz, Worms, Alsfeld, 
Büdingen, Nieder-Ingelheim und Bugbadh!) ihre Bereitmilligfeit mitzumirfen. 
E&3 murde dann eine Kommilfion, beftehend aus den Herren Geheimerat 
Behaghel, Gießen, Staatsardivar Dieterih, Tarmftadt und Profelfor 
Dr. Alle3, Yriedberg, gewählt, welche bis Dftern 1910 beftimmte Grundjäße 
aufftellen jollen, nach denen die Sammlung vorzunehmen fei. 


Um 13. März fand, wiederum im Hotel Kailerhof Frankfurt a. M., 
eine zweite Bejprechung mit den Bertretern der genannten Vereine jtatt. 
Ctaatsarckhivar Dr. Dieterich |prach über die Organifation des Unternehmen: 
eine möglichjt große Zahl von Sammlern, am beiten in jedem Dorfe einer, 
\ole das Material zufammentragen. Für fleinere oder größere Bezirke jeien 
Bertrauensmänner anzuftellen, welche die Arbeit der Samnnler in verjchiedener 
Richtung ergänzen können, namentlich auch durch Feititellung der Hiftorischen 
(urkundlichen) Namen. Die Leitung des Unternehmens foll möglichft einfach fein 
und fich aus Vertretern der Geichichtsmwiffenichaft, Volkstunde und Germaniftit 
zujammenfeßgen, die den drei Provinzen angehören. Gemählt werden al3 
Leiter die Herren Staat3ardhivar Dr. Dieterich, Darmftadt, Geheimrat 
Prof. Dr. Behaghel, Gießen, Prof. Dr. Alles, Friedberg, Prof. Reis, 
Mainz, und Pfarrer Schulte, Großen-Linden, mit dem Rechte der Koop- 
tation. Sedes Jahr hat die Leitung auf der ordentlichen Mitgliederverfamm- 
lung der Heff. Vereinigung für Bollsfunde Bericht über ihre Tätigkeit zu 
eritatten. 

Einjtweilen ift ein Werbeheft gedrudt worden. &8 enthält eine au3- 
führlide Darlegung über den Wert der Sammlung für die Wilfenichaft und 
Heimatkunde, gibt Anmeilung über da3 Verfahren, das beim Sammeln der 
Namen zu beobachten ift, und über die Grundfäge für die Schreibung mund- 
artlicher Formen. Außerdem enthält das Heft eine Probefammlung aus dem 
Schligerland, Unfere Mitglieder erhalten je ein Exemplar des Heftes fojten- 
[03 zugeftellt. 

Sammler und Bertrauensmänner haben fich bereits jett in großer Zahl 
gemeldet, aber noch find meitere Mitarbeiter nötig, Wer mithelfen will, 
wird gebeten, fich mit einem der Leiter des Unternehmens in Verbindung zu 
legen. 


ı) Nachträglich erflärte noch der hiftoriiche Verein zu Bingen jeine 
Mitwirkung. 


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Deffifche Blätter für Volkskunde 
Band IX 1910 Deft 3 


Der RKohbl. 
Bon Mar Höfler, Bad Tölz. 
I. 

Wir dürfen al3 befannt vorausfegen, daß der Kohl ein aus 
Italien nad) Deutichland gebracdhtes Gemüfefraut ift‘). Hoop8 
(MWaldbäume und Kulturpflanzen im germanifchen Altertum 
1905,: ©. 330, 647) gibt an, daß Kohljamen-Funde bisher aus 
feiner prähiftoriihen Niederlaffung auf germanifhem Boden be- 
fannt geworden find und daß der Kohl in der altnordifchen geit 
den Standinaviern von den britilhen Snfeln ber (alfo aus einem 
pon römiicher Kultur beeinflußten Lande) zugefommen war, dort 
aber nicht die gleiche Rolle jpielte, wie die fchon lange vorher Ful- 
tivierten Hirfe, Bohnen und Erbfen; im 12. SYahrh. wird er im 
Jorwegiihen und Schwedilhen erwähnt, und erft im 14. Nahrh. 
ift dort von Kohlgärten (käl-garar) öfters die Rede; im 13. Yahrh. 
wird er im Dänifchen als italienifcher grüner Kohl (ithelikz gren 
kaal) bezeichnet. Im Lübed foll bis zum ahre 1870 das Sauer: 
fraut nicht volfsüblich gemefen fein. 

Auf dem Grundriffe des Klofters St. Gallen aus dem “Yahre 
830 ijt ein Sräuter und Gemüfegarten in Verbindung mit der 
Gärtnermwohnung aufgezeichnet; das Gartenbeet für den Kohl 
- (caulas) ift nicht größer eingetragen al3 die Beete für Zwiebel, 
Porry, Koriander, Mohn, Laud, Mangold 2c. (Heyne, Deutfche 
Hausaltertümer 2, 88); der Kohl murde alfo Hier bereit nur al8 


2) abd. köl, chölo, chöla; mhd. kel, köl; im 6.—7. SYahrh. aus lat. cölis 
übernommen (Kluge); agl. cäwl; an. käl; frz. chou; gr. xaudos (= Kohlitrunf, 
Stengel; priapus, Celsus VI, 18, 2); er beißt auch Caulis imperialis, capitatus 
albus, crispys, olus, ‘crambe. 

11 


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. den . 
. 
« 


Gartengemähs angefehen, nicht als Heilfraut, dejjen Gärten ge- 
trennt waren. Sn der etwas früheren Landgüterordnung Kaijer 
Karl d. Gr. (um 812; Capitulare de villis 70) heißt es: „volu- 
mus quod in horto omnes (73) herbas habeant id est ....... 
caulos .. .“; nad) Heyne (2, 88) fol diefes Capitulare bauptjäd)- 
fih auf Iothringifche oder elfäflifehe Verhältnifje zielen; bier wuchjen 
alfo noh Nußfräuter neben Heilkräutern in den Eaijerlihen Hof: 
gärten. Der nährende Nuten madte ja überhaupt die Pflanzen 
mwertgejhäßt und opfermürdig. 

Wir dürfen es ferner als gefichert anjehen, daß der römijche 
oder italienifche Kohl erft durch die Klofterwirtichaften der ahd. Beit- 
periode eine ausgedehntere Verbreitung auf deutfhem Boden er- 
fuhr. Dies erhellt auch aus der in Oberdeutjchland weit häufigeren 
und ehemals mehr vollsühlihen Nebenbezeihnung für Kohl kum- 
post (= compositum, compost, compöt). 

„Die Kunft, Kohl und Kraut für den Wintergebraud) durd) 
ein befonderes erhaltendes Verfahren aufzuheben, ijt wieder feine ein- 
heimijche, wie der Namen für das betreffende Erzeugnis bemeilt; 
da3 Schon Spätahd. bezeugte, mhd. gewöhnlihe kumpost gebt auf 
das lat. compositus zurüd, mit mweldhem die Einlage von Oliven 
in eine Salzlafe fomwohl bei Columella (De re rust. 60 n. Chr.) als 
bei Palladius (De re rust. 4. Syahrh. n. Chr.) bezeichnet wird. Das 
Verfahren wird, mie Wehnliches zunädft in Klofterhaushaltungen 
auf das (bereits) heimifdhe (Kohl-JRraut übertragen und von Dort 
aus ins Bolf gedrungen fein; feit dem 11. Yahrh. ijt es mit jenem 
eingedeutjchten Namen für das Eingelegte (Eingemadite) in Ober- 
und Niederdeutjchland verbreitet. Der kumpost wird bereitet, in- 
dem man die Sfrautlöpfe fein zerfehneidet, fie fo einfalzt oder ein- 
fiedet und in Holzfälfer einjchlägt, die im Kühltaum oder falten 
Keller (= frigidarium!)) jeder Haushaltung froftfrei aufbewahrt 
werden. Der Name sürkrüt fommt erft fehr jpät (1470 acalen- 
tum sawer craut kompest bei Diefenbad, Glofiar 1, 6) auf“ 
(Heyne 2, 327). 

Almählih beichränkt fi der Name “Kraut bloß auf diefes . 
Sauerfraut, bezw. auf den Kohl, der als Hauptgemüfe das ältere 
Hafermus erfeßte und in dem Krautgarten nad) dem Vorbilde Der 
Kloftergärtner gepflanzt murde. ?) 

') Diefenbadh, Glofjar 1, 247. 


» NHD. kolgarte, köllgarten, krütgarte, krüthof, kappisgarte; ndd. kolhof;; 
au compost gehört auch kabezkrüt, kabbaskrut, gabbazkrut, kappysz, kabysz, kabes 


— 12 — 


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— 198 — 


| II. 

Wir milfen nun, daß wir den Kohl und dejjen Konjerve 
(Sauerfohl, Sauerkraut) aus dem antifen römifchen Garten und 
Haufe übernommen haben. Mit dem wandernden OÖbjefte 
wanderten aud dDdeifen Berwendungen Wir müflen 
uns demnad an die alten Naturmwiljenichaftler wenden, wenn mir 
etwas über die frühere Verwendung de3 Kohlfrautes erfahren 
wollen. 

1. Plinius (Hist. nat. 19, 41) jchreibt: ‘Olus caulesque, 
quibus nunc principatus hortorum, apud Graecos in honore 
fuisse non reperio (jiehe nadjfolg.); sed Cato brassicae miras 
canit laudes, quas in medendi loco reddemus; genera eius 
facit: extentis foliis caule magno (= gehäuptelter Kohl), alteram 
crispo folio, quam apiacam vocant (Rrausfohl) ‘tertiam minutus 
caulibus, lenem, teneram minimeque probat;’ brassica toto anno 
seritur, quoniam et toto secatur utilissime tamen ab aequinoc- 
tio autumni (Herbfttag- und Nadhtgleihe = 23. Septemb.), trans- 
ferturque cum V (VII?) foliorum est. cymam (= Rohliprößlein, 
Herz, Brofoli, xunpa Dioskur. 2, 146) a prima satione praestat 
proximo vere hic est quidam ipsorum caulium delicatior tenerior- 
que cauliculus. Apici luxuriae et per eum Druso Caesari fasti- 
ditus non sine castigatione Tiberi patris’. Ym ganzen zählt 
Plinius jehs Kohlarten auf und jagt, Daß zu feiner Zeit der 
GStengelfohl jo groß gezogen werde, Daß er für den Mittelftand, 
weil für dejjen Tifh zu groß, nicht mehr brauchbar fei. 

Sr Bud 20, 78 gibt Pliniu8 an: “Brassicae laudes lon- 
gum est exsequi, cum et Chrysippus medicus (4. S$abrh. v. Chr.‘)) 
privatum volumen ei dedicaverit et Dieuches (unmittelbar nad 
Hippofrate3?)), ante omnes autem Pythagoras (} 507 v. Chr.) et 
Cato (} 149 vo. Chr.) non parcius celebrarint’; ferner (20, 93): 


(kappost, kampest, Cappess, Cabs), Benennungen, die fih an mlat. capu- 
tium (Mönchsfapuze) anlehnen (vergl. Schrader, Realleriton der indogerm; 
Wltertumstunde ©. 441), poln. kapusta; bei Wirfung (Urkneybud) 1605): 
Kappepköl, bey den Apotedern und dem gemeinen Vold Caputium’ = Weiß- 
fraut, Krautlopf, Rotkohl, Blaufraut, Lattichfohl, füßer Kohl, Kräufelkohl, 
tleiner Kohl, 

) U. Suche, Gejch. der Heiltunde bei den Griechen (in Bufchmanns 
Handbuch d. Geich. d. Med..1, 272). Eines feiner verloren gegangenen Werke 
handelte von den Gemüfen (rept Aayavwv). 

2) Ebd. ©. 278, 


11* 


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‚srl 
ne 
» IL, 


— 164 — 


‘"Silvestrem brassicam inflationibus mederi, melancholicis quoque 
ac vulneribus recentibuss cum melle ita ne solvantur ante 
diem septimum Chrysippus auctor est’; fowie (20, 89): Epichar- 
mus’) (cc. 575—480 v. Chr.) testium et genitalium malis brassi- 
cam utilissime imponi asserit’. 

2. Der von Plinius fo fehr al$ Lobredner des Kohls bezeich- 
nete Sato empfahl den Kohl zum Außerlihen Umjchlag: ‘volnera 
et recentia et vetera etiam carcinomata, quae nullis aliis medi- 
camentis sanari possint, foveri prius calida aqua iubet (Cato). 
ac bis die tritam (brassicam) imponi.’ ‘De folio brassicae scribit 
M. Cato, quod vertici capitis impositum uvulam ex defluxu 
pendulam (= Angina suppurativa) vel aliter affectam sursum 
rapit’ (Mizald Cent. 1, c. 89). “Verum morbum articularum 
nulla res tamen purgat quam brassica cruda’ (Cato, De agri- 
cultura c. 157). ‘Brassica erratica maximam vim habet, si quem 
purgare velis, pridie ne cenet ... sorbitione liquida hoc per: 
dies septem dato’ (&ato de re rust.157, 12). Dieje Berordnungen. 
entnimmt der fonft jo griedhenfeindliche YLandwirt Cato der pythago- 
räifchen Rehrfchule, wie auch (ebd. 157,1): ‘Adsalutem temperat com- 
mutatque sese semper cum.calore, arida simul et umida et dulcis et: 
amara et acris. Sed quae vocatur septem bona in commix- 
turam natura omnia haec habet brassica.. Piejes nach Rojcher- 
(Bebdomadenlehre ©. 41) aus altgriehifher Quelle ftammende Lob. 
der ‘brassica Pythagorea’, wie fie fogar bei Cato genannt wird, 
mweilt auf die Zahlenlehre der Pythagoräer hin. “Die Anfiht von 
den septem bona der brassica jtammt direft aus der (Jamijchen) 
Heimat des Pythagoras, und zwar aus dem dortigen Apollofulte,. 
und die bei Blinius 20, 78 überlieferte Notiz, daß Pythagoras daS. 
Lob des Kohles gefungen habe, verdient in der Tat allen Glauben’ 
(Rofher ©. 42). | 

Menn die Juden und Griechen ebenfalls der GSiebenzahl und. 
der Heilkraft des Kohls (6 Dinge heilen den Kranken von feiner: 
Krankheit und ihre Heilkraft ift eine nachhaltige: ‘Kohl, Mangold. 
Chamille, Rabmagen, Uterus, Reber’ Berachot. 57 b nad) Preuß, Beitfchr. 
f. Hin. Med., 45, Heft 5 u. 6) eine hervorragende Bedeutung zu= 
maßen, fo ift diefe auffallende Hebereinjtimmung, die die [päteren rift= 
lichen Schriftiteller als eine Entlehnung des heidniihen Pythagoras 


1) Ebd. ©. 173. Rocher erklärt diefen Arzt für einen Pythagoräer, 
Fuchs für einen Eflektifer. 


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PT — 165 — 


aus dem SSudentume binftellen wollten, doch nur durd) eine gemein= 
fame weit ältere Quelle erflärlich; Jie liegt in der fultifchen Bedeu- 
tung, die der Kohl als eBbare Opfergabe und die Siebenzahl als 
mpthifche heilige Zahl bei den alten Griechen und Sfuden hatte; die In- 
nahme des Urfprungs aud) diefer älteren Quelle aus dem Oriente liegt 
nahe. Daß aber bei den Griechen der Kohl, xpapßn !) eine Opfergabe 
war, lehrt uns ein Fragment des in jogenannten Hint-Jamben dichten- 
den Griedhen Hipponar aus Ephefus (um 542 v. Chr.): einer näm- 
ih der außsgeglitten war und ich dabei befcyädigt hatte, gelobte: 


‘mv xpanPnv, mv entapuAkov, % Büeoxe Ilavdupn 
Bapynkloroı Eryutov TPO Yapgraxou.' 


{M. Nilffon, Griehifche TFeite 1906, ©. 107; Rofcher, Hebdomaden- 
lehre, ©. 7, 41). Aus diefem Fragment ergibt fi, daß ein Weib 
mit Namen Bandora an den Thargelien, einem Appollofefte in der 
Zeit der Vorernte Mai, Juni, anjtatt eine3 (reinigenden) leben- 
digen Sühnemittel3 einen Gußfuhen aus Kohlbrei zu opfern 
pflegte. . 
Sm Rultus und Mythus des Apollon fommen fiebenfadhe 
Tier und Kuchenopfer, fiebenblättrige Xorbeerzmweige, Reinigungen 
in jieben Quellen 2c. vor, und der fiebenblättrige Kohl (xpapßn 
ertapuAAos) des Hipponar, der am fiebenten Tage des jontfchen Monats 
Thargelion dem Upollon Thargelios geopfert wurde und die oben 
Ihon erwähnten fiebentägigen Friften bei der Verwendung des Rohls 
Iprehen für den inneren Bujfammenbang der Lehren des Pytha- 
goras mit dem Apollofult; die Verwendung des Kohl bei den 
‘* ®&riehen al3 Opfergabe ftammt dann aus Samos im ionifchen 
Kleinafien, au dem dortigen Appollofult (Rojcher, Hebdomaden- 
lehre, ©. 7, 41), bei dem in der Beit von Mai— uni die Erxftlinge 
der Früchte bei einem Früherntefejte dargebraht wurden (Dtann- 
Hardt, Wald- und Teldlulte 2, 215, 228, 236). Nah Welder 
{Kleine Schriften 1, 217, 3, 198) und Athenaeus (IX, 370, 73) war 
der Kohl ein herba pollens der Griehen; deren Opferung 
und Mitgenuß mar aud) eine Reinigung der Kranken, 
weshalb jie befonders von Wöchnerinnen und Tranfen Frauei ver- 
wendet wurde, wie eine Art blutreinigende Maifur'. Wie man beim 


') Zur Etymologie von xpaußn vgl. Prellmwig, Etymolog. Wörterbuch 
der grieh, Sprade?, ©. 241. Ym Deuteronomion 11, 10, 3 Könige 21, 2, 
4 Könige 19, 26 ift Jaraq = olus, Kraut, vermutlich Kohl. 


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— 16 — 





Haupte des Opfereberö oder bei den Hoden des Opferbodes fchmor, 
fo fhmuren aud) die Griechen: pa mv xpanßrv d. h. beim (Opfer) 
Kohl! (Nilffon, S. 107) Wir dürfen ferner, aud) ohne daß es 
quellenmäßig belegt werden fönnte, annehmen, daß der geopferte 
Kohl im Opferfeuer der Griehen zu Afche verbrannt morden 
war. Dieje Opferafche diente dannı ebenfalls als reinigendes Heil- 
mittel und als Apotropaeon; jhon der Rauch des Opfers mußte 
heilfam gelten. Der Opferritus fehuf dann auch weitere VBermen- 
dDungsarten des KRobls, der für die VBolfsmedizin die gleichen Kräfte, 
in Wurzel und Blättern, im Stengel, im Gafte oder Brei, im 
Kohlluchen oder in der Sauerfrautfhüfjel hat!). 

3. Ungemein zahlrei jind die bei Hippofrates (F 370 v. 
Chr.) vorlommenden Verordnungen des Kohls, aber nahezu aus- 
Ichließlich dient dabei der Kohl, der in den verfchiedenften Sormen 
einverleibt wird, zur Reinigung der Frauen; oft in Verbindung 
mit anderen gynäfologijhen Mitteln aus der Pflanzenwelt, 3. 2. 
Zeinfamen, Bingelfraut, Gartenraute, PBorry, Granatäpfel, Zuder: 
mwurz; Kohl wird bei Hippofrates aud) al3 Räucherung, als Spiü- 
lung (= Roblmaffer), als Tamponade (Kohlftengel, der eingefettet 
in die Scheide eingetrieben wird), als innerlides Mittel (Rohlfaft, 
Kohlabfud, Schlürftranf) zc. verwendet (Fuchs, Hippofrates 3, 332. 
345. 347. 348. 361. 369. 370. 380. 388. 428. 434. 446. 463. 476. 
481. 482. 492. 510. 551. 556. 571. 578; 1, 48. 329); aber niemals 
ilt bei Hippofrates die Verwendung des Kohls mit Salz verordnet. 
Der Ritus der Reinigung (xadapaıs durch ein Sühneopfer, pappaxös, 
xadappc) wurde jhon vor Hippofrates von den Priefterärzten auf 
das eigentlid” medizinifche Gebiet übertragen ; und fo fehr war 
die Kathartif und Luftration mit der ärztlichen Therapie verbunden, 
Daß Yappaxos und Yappaxov zujfammenfielen; noch der Augenarzt 
Petrus Hilpanus (1274) ließ eine jolde allgemeine ärztliche 
Rathartit dur PBurgantien, Brechmittel 2c. der Iofalen und jpe 
ziellen Augentherapie vorausgehen: ‘et nota, quod nullum collirium 
debet poni in oculo nisi praecedat purgatio capitis et stomachi'; 
die medizinische PBurgation befchränkte ih nit auf den Mitgenuß 
an der heiligen Opferfpeife, fondern wurde empirisch auf Wafchungen, 
Räucderung, Gefchlehtsgenuß-Abftinengz (Eultifche Gefchlehtsreinheit), 

1) Marcellus Emp. VIII, 128, der chriftliche Arzt aus Bordeaur (5. Jahrb. 
n. Chr.) verwendet jogar das Kohlblatt mit Käferlot als Augenmittel und 


Kohlraupen gegen Zahnichmerzen (II 64): Bestiola, quae brassicae innasecitur, 
dens vitiosus saepuis conferatus intra dies paucos eicitur.“ 


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Abführmittel, Diuretifa, Niesträuter, Brechmittel, Aderlaß 2c. aus 
gedehnt; die Purgation oder Katharfis wurde zur fogenannten Blut- 
reinigung dur) die Pflanzen, dewv yeipac des Erafiftratos. Der 
Gebraud) von DOpferteilen und der von pharmazeutifchen Purgan- 
tien floß in der priejterärztlihen Therapie ineinander; allmählid) 
traten die Opfermittel als Heilmittel zurüd, die reinigenden pdppaxa 
_ immermehr vor. 

Ehe wir aber das griechifche Gebiet verlaffen, ijt es noch nötig, 
die Siebenblättrigfeit des Thargelien-Kohls zu deuten oder Doc} 
mwenigjtens einen Verfuch) dazu zu maden. Zum Ritus des dem 
Heilgotte AUpollon Thargelios gemwidmeten Tyeites gehörte ein aus 
den erjten Früchten hergeftelltes, düpynAos benanntes Brot, das die 
PBanjpermie Ioymbolifieren follte; dann können als xpapßn 7 entapul- 
Aos doc) nur die erjten Kohlfprößlinge (xuynate, cyma), die gleidh- 
jfam nur aus den 7 eriten fleifhigen Blätterfprößlingen beitehen, 
al3 die fogenannten Bröccoli!) gedeutet werden. Dieje feinften 
Kohlihößlinge waren ficher aud) eine würdige ErftlingSopfergabe: 
Ev de tois Bapynkloıs TAGS KRapyds TWV YarvonEvav Torbvrar xal TEPLXORI- 
Sovc: (Heiych.). Die Zahl 7°) war dabei als eine für das Myfterium 
des Apollofultes typifhe von den Pythagoraern gewählt worden; 
ion bei den vorpythagoräifhen Naturphilofophen und Werzten 
hatte 3. B. der 7. Tag eine für den Kranfheitsverlauf Fritifche Be- 
deutung; ‘eine Anfhauung die Höchftwahrfcheinlich aus der uralten 
urjprünglih mit der Religion eng zufammenhängenden Bolf8- 
medizin jtammt, in der die Fritifche Siebenzahl?) nad) allem, was 
wir darüber mwilfen, mit beinahe fouveräner Gewalt geherricht haben 
muß’ (Rofcher, Hebdomadenlehre, S. 219). Wir fügen diefen Sa 
Des in Diefer Frage der griehifchen Hebdomadenlehre kompetenten Ge- 
lehrten bier wörtlid) an, weil wir daraus aud) den Zufammenhang 
des jiebenblättrigen Kohls mit der uralten BollSmedizin der 
Griechen, die vermutlich) auch darin vom Orient (Babylon) beeinflußt 
war, entnehmen fünnen. 

Neben der durch den Kult des Heilgottes Apollon gegebenen 
priejterärztlihen Verordnung des Kohls als Frühjahrs-FHathartik 


1!) Brassica oleracea botrytis L. Botrytis cymosa, Spargelfohl, Broccoli, 

2) Bei Plinius (|. oben) werden nur 5 Blätter erwähnt. 

”) Außer der erichöpfenden Arbeit von Rocher im 24. Bd. d. Abhand- 
lung der Kgl. Sach). Gefellichaft d. Wiffenichaften, 1906 ift noch zu vermeijen 
auf Pradel 319, Wundt, Völferpfychologie, 2, 3, 550 und des Verf. Kranl- 
heit3-Namenbuch, 646 ff. 


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— 168 — 


ging ficher längft Ihon auch eine grobempirifche Verwendung de3- 
felben, namentlich die feiner Fühlenden fleifchigen Blätter (vergl. 
aud) die Verwendung der Blätter des Wegerich!) einher, über die 
wir natürlich Teine literarifchen Belege haben, die wir aber aus der 
übrigen Vollsmedizin und aus den Büchern des Diosfurides 
und dejjen Abjchreiber rüdjchließend entnehmen können. 


III. 

Diefer le&tere war römischer Militärarzt aus Anazarba im 
Heinafiatifhen Kilifien; er jchrieb alS Beitgenofje des Plinius um 
77 n. Chr. feine Arzneimittellehre in 5 Büchern in griedhifcher 
Sprade. PliniusS und Piosfurides hatten feine Kenntnis von 
ihren gegenfeitigen Arbeiten; beide aber hatten aus den gleichen 
Quellen gejchöpft, nämlid aus den Werfen griehijcher Kräuter- 
Tundiger, namentlich) aber Diosfurides aus denen des Diofles von 
Karyitos, der als Arzt Turz nad) Hippofrates in Athen gelebt hatte 
(Berendes). Ueber des Dioskurides Werk geht alfo die Verbindung 
von Hippofrates zum Mittelalter; denn ‘die Arzneimittellehre des 
Diosfurides behauptete in der Medizin des Mittelalters bis in Die 
Neuzeit eine fundamentale und führende Stelle und noch heute Hat 
fie bei den Türfen diefelbe hohe Bedeutung wie die Schriften Galenus 
bei den Berfern’ (Berendes) ?). | 

1. Sm 2. Bud, c. 146, rzept xpapßns fchreibt nun Dioskurides 
iiber den uns hier allein intereffierenden Gartenfohl (Brassica ole- 
racea): “Der gebaute Kohl ift gut für den Bauch, wenn er nur 
eben aufgefocht genoffen wird. GStarf gekocht ftellt er den Durdh- 
fall und mehr noch, wenn er zweimal gekocht und in LYauge gekocht 
wird. Der einfahe Kohlaufguß, der jchon ein Hippofratijches 
Reinigungsmittel war, follte aljo den Stuhlgang befördern, der oft 
aufgefodte KRohl, der ganz fprihmörtlic) wurde ?), dagegen den= 
felben verftopfen. Auch der Laienarzt Aulus Cornelius Celjus 
(43 n. Chr.) fehrieb in feiner Arzneimittellehre 2, 29, daß nur ein- 
mal und nur halbgargefochter Kohl abführend wirkt, die Xeibesöffnung 
befördert, Daß dagegen (2, 30) zweimal abgefocdhter Kohl ftopft. 
Belanntlih empfehlen Zahmann (F 1907) und feine Schule, den 


2) Höfler, Vollsmedizinifche Botanik der Germanen: (Quellen und %or= 
Schungen zur deutlichen Volsfunde von Blümmel 5, 1908) ©. 11ff. 

3) Wir benüten Berendes’ deutiche Ueberfegung der Arzneimittellehre 
des Diosfurides (1902) bier al3 Hauptquelle für das römilche Altertum. 

®) Occidit miseros crambe repetita magistros (Juvenal 7, 154), Ats xpaußn 
Davaros. ; 


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-- 169 — 


Kohl nit exit, wie e8 meilt gemadt wird, einige Minuten in 
fochenden: Wafjer liegen zu lafjen‘), dann das Waller abfließen zu 
lafien und nun zu kochen, fondern fie lajjen, den Kohl nur einmal 
fochen, dadurch jchmedt er gemwürziger, regt aber gleichzeitig Die 
Tätigkeit des Magendarmfanals an, was bei einer Anzahl von 
Menfdhen fi bis zu Durchfall fteigert. Schon Cato (234—149 v. 
Chr.) benüßte den (nur) einmal gefocdhten Kohl al3 DPrajtilum 
(rrieboes, Aulus Corn. Celjus lleber die Arzneimifjenichaft 2, 1906, 
©. 627). Für den Gegner der griedhifchen Schulärzte Marcus 
Porcius Cato, der aber faft nur aus der von der Religion und 
Empirie beeinflußten VBolfsmedizin chöpfte, war der pythagoräijche 
Kohl eine Univerfalmedizin. Die Schola Salernitana?) Eleidete im 
11—12. Sahrh. diefe abführende oder jtopfende Wirkung des Kohls 
in die Verje: Ius caulis solvit, cuius substantia stringit. ®er 
von Diejer Salernitanerfchule wieder beeinflußte dänische Kanonikus 
Harpeftraeng (13. Yahrh.) nimmt die Stellen des Diosfurides auf: 
‘oc ger mat i magh& at sm&ltae worthzr hun myk&t sothzen, 
la binder hun buk; zr hun lit sothen tha dughzr hun til 
tesn.’ Der feinerzeit bemwunderte Dr. Yoh. Schroeder (Medic. Hym. 
Apothefe 1683) Iehnt jich ebenfalls an den eben erwähnten Galer- 
nitaner Sprud) an: ‘Welches foviel heifjet, alS daß die Köhlbrüh 
solviere, der Röhl felbjten adstringire,’ d. h. al3 ein länger ge- 
fochter Rohlbrei verjtopfend mwirfe. — Die Kohlbrühe als Purgans 
erwähnt auch) 1605 Wirfung (Rräuterbud). ©. 155, 184); ‘ein trund 
KRölbrühe deß erften Sudt3’; fie blieb befonders in Frankreich volfs- 
üblih; mie daS Bluten der Goldader daS Arzthonorar erjparen 
jollte, jo aud) die Kohlbrühe al3 jogenannte Blutreinigung; daher 
das franzöfifhe Sprichwort: ‘La soupe aux choux Au medicin 
öte cinq sous’ Rolland, Flore populaire 2, 22. 

2. Dioskurides und Plinius unterfcheiden Sommer- und Winter- 
fohl; erjterer meint, daB der Sommerfohl fchlecht für den Magen 
und Schärfer fei. hm folgt der gothilche Arzt (511 n. Chr.) An: 
thimus (De observ. cib. 50): “De oleribus malva beta porrus 
congrua sunt semper et aestivo et hiberno, caules vero hiemis 
tempore ; nam aestivis diebus melancholici sunt.’ m deutjchen 
Klima gab es nur Sommerfohl; daher wurde diefer Sat des Dios- 
furide8 von den nordifhen und deutfchen Kräuterfundigen nicht 

1) «Der erite Sud’, die 'erite Brühe’. 

2) Eine höhere Latienfchule nicht geiftlichen Charakters in Salerno, aus 
deren Vorbild fich die fpäteren Univerfitäten herausbildeten. 


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verwertet; dagegen jagen die Südfranzojen, Sarden, DBenetianer 
und Spanier: ‘Juin, juillet, äout, Ni femme ni chou.’ “Iuny, juliol 
y agost, Ni donas, ni col, ni most.. ‘Dopo quaresima predica- 
tori e broccoli, Non vale un par di zoccoli.’ ‘Brocoli, zocoli et 
predicatori, Dopo pasqua no i xe piu boni.’ ‘Broculus, preiga- 
dores e zocculos Passadu pascha non sunt plus bonos’ Rolland, 
Flore populaire 2, 23). Der zu reichlide Genuß von Sauerfohl, 
oft veranlaßt dur einen ronifchen Magentatarrh, ift nad) des 
jüddeutichen Volles Meinung aud) die Urfahe zu Hautausichlägen 
(Alne 3. B.), die es als “Unreinigfeit’ oder ‘Schärfe erklärt, was 
man aud) als fchmwarze Galle (melas chole) oder Melandjolie (Kon 
ftitutiong-Anomalie) ehemals bezeichnete. 

3. Dioskurides (1. c.) fährt fort: ‘Gegeflen Hilft er denen, Die 
an Stumpflichtigfeit und Zittern leiden.’ — Hier ftehen die Meinungen 
der jpäteren Werzte im Widerfprudh. Harpestreng meint: hwa 
sum »zt&r greon kalithzlic, thet sk&rer hans eghen af myrk, 
d. bh. der Genuß des grünen italienischen Kohls nimmt die DBer- 
dunfelung der Augen meg; dagegen Petrus Hifpanus (Liber de 
oculo 8 44) jtellt (1274) den Kohl unter die ‘Nocentia oculis: hec 
nocent oculis... caules. Wirfung (Ar&neybud) 1605 c. 7, ©. 39) 
erwähnt noch) den Kohl als Augenmittel: “Alfo dienet aud) das 
Aug mit gejottener Kölbrühe gedämpft und die Blätter mit Ca- 
millen in gutem Wein gefotten als ein Pflafter übergejchlagen.’ 
m franzöfiihen Volfsglauben Iebt der Glaube an die Wirk- 
jamleit des Kohls bei KRurzfichtigfeit nod) fort: ‘II faut, que ceux, 
qui ont la vue courte, mangent des choux le plus souvent, 
qu’ils pourront’ (Rolland, Flore populaire 2, 32). Dan Jieht wie 
bartnädig die science d’autrefois andauern fan. 

4. ‘Der Kohl bejeitigt hinterher genofjen das von einem Raufce 
oder vom Wein herrührende fchlechte Befinden’ (Diosfur. 1. c.) Daß 
der Kohl ein Katenjammermittel fei und gegen die Trunfenheit 
helfen joll, diefer Glaube hat fich bis auf die Gegenwart erhalten, 
mwenigjten3 beim Sauerfohl. Der Ie&te Alerandriner Paulos von 
Wegina (II, c. 4; Janus 1910, 23) empfahl ‘den Auszug von 
(Epheu oder) Kohl, aud) die Kohlblätter jelbit, in mwargnem Wafler 
aufgemweicht, um den Kopf gelegt und fejtgebunden; fie wirfen groß= 
artig gegen Trunfenheit; fie müfjen aber au gefochten Kohl efjen’, 
eine Methode, die wieder an die Kathartit der Antike erinnert. — 
Mizald (Arcana 1592, 1, 14), der viel aus antifen Büchern ohne 
Quellenangabe abfchrieb, teilt mit, daß die Brassica md die Vitis 


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vinifera in gegenjeitiger Feindichaft feien und deshalb: “brassica 
naturali facultate ebrietati resistit’ (ebd. 1, 47). — Der Kohl 
liebe nafle Sahrgänge!), der Wein heiße; jo wollte man diefen 
Segenjaß erklären. Ein arabifcher Autor (Ibn al Assam) zitiert 
einen Autor Kuftos, defjen. griehifche Werke in Verlujt gerieten; 
diejer behauptete, daß gar feine Pflanze dem Weinjtode gefähr- 
licher jei als der Kohl (Bergl. Rolland 2, 30, der aud) auf die 
Ephemerides naturae curiosorum 1688, p. 113—114 vermeilt). 
An die antialfoholiihde Wirkung des rohen Kohle glaubte aud) 
der altdänifhe Kanonifer Harpeftraeng, der Jid) ehr ltarf an 
den Macer Floridus des Otto von Meudon (um 1100) anlehnte in 
feinem SKräuterbuche (13. S$ahrh.): ‘Hwa sum ztzr ra kal, han 
‚worth&r trest drukkoen’ ($ 34); aud) Schröder (1683) nahm nod 
an, daß KRohlblätter die Trunfenheit vermehren’ (©. 846); kurz, 
Diejer Aberglaube aus der Antife friftete fein Leben bis ins 19. 
Sahıh.; denn aud) der niederländifche Kräutermann Dodonaeus 
Hatte denfelben. (De Eod, ©. 174). Kräutermann (Wunder: und 
Kräuterdoftor, 1730, ©. 61) nimmt ftatt des (urfprünglicheren) rohen 
Kohls den ‘rothen Kohl’ als bejtes Mittel, um die Trunfenheit zu 
bemältigen, ‘wenn man aus defjelben Stengeln den Safft mit den 
Zähnen herausprefjet und ihn einfchludet oder denfelben gekocht 
unter die erjte Gerichte zum Efjen auffeßet.”. Das Kräuterbucd Xoni- 
cerus (1564) fchreibt: Wer 2 und 3 Kölblätter roh mit Ejjig vor 
und nad) dem mbiß ißet, ijt fiher, daB ihm der Wein nicht jchadet, 
ob er jhon zu viel getrunken hätte’, ‘Sauerfraut des Morgens aus 
Ehig und Salz nüchtern genofjen verhütet die Trunfenheit’. Wirjung 
(Arsneybud) 1604, c. 18, ©. 63; c. 12, ©. 62) fügt an: ‘Man 
jagt aud) roh Gapppfraut mit Ejjig und Del in Salaten geffen, 
Deßgleichen aud) das gekocht, oder zum menigjten fein Samen ge- 
feet, jollen dergleihen verrichten. Kölfafft oder das Mard von 
(Rohl)-Stengeln geilen, lajt die Dämpfe nit in das Hirn auff- 
fteigen’ d. 5. fichert es vor Trunfenbeit). Noch) 1860 gibt Müller ' 


) Kohljahr = nafles Jahr; Guter Kohl = Schlechtes Heu, Quand le chou 
passe la soy, Le Vigneron meurt de soif’ (frangöfilche3 Sprichwort aus dem 
15. Jahrhundert). Nach einer altgriechifchen VBolksjage entjtand der Kohl aus 
den Tränen des Lyfurgus, eines thrafiichen Fürften, welchen der thrafiiche 
Vollsgott Dionyfos an einem Weinftoc gebunden hatte, um ihn für die Ver- 
nichtung der Weinberge zu ftrafen, eine Volksfage, die den volfSiwirtichaftlichen 
Kampf zwilchen Brotnot und Weinlurus wiedergeben dürfte. (De Gubernatis, 
La Myth. des Plantes II, p. 39). 


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— 172 — 


(Kräuterbud, ©. 321) aud an: Wer 2—3 rohe Kohlblätter mit 
Salz und Efjig genießt, ehe er Wein trinkt, nadher auch wieder 
das Bleiche tut, wird nidyt leicht beraufcht werden oder üble Folgen 
davon empfinden.’ Syn Steiermark werden nad) TFoßel (Vollsmedizin 
1885, ©. 85) Kohlblätter in Ejfig erweicht auf den Kopf gelegt bei 
Kopfihmerz. Auch im franzöfifchen Poitou heißt es: ‘Si l’on a le 
mal de tete, on applique sur le front une feuille de chou rouge 
‚et on est soulage,’ eine Kohlverwendung, die ficher aus der Therapie 
des alfoholifhen KRopfmehs fich ableitet, da an anderen Orten der 
Kohl gegen anbere Kopfweharten nicht benußt wird. 

5. Während Hippofrates, wie fhon erwähnt, den Kohl nie- 
mal3 in Verbindung mit Salz empfiehlt vder verbietet, äußert Tich 
Dioskurides (l. c.): ‘Eingefalzen befoınmt der Kohl dem Wagen 
Ihleht und bringt den Baud) fehr in Unordnung.’ Hier haben mir 
alfo die erjte Erwähnung des Salz:Krautes!), an daS fich heute die 
ganze Kulturmenfchheit gewöhnt bat. Wahrfcheinlid” wurden da= 
mals nod) die ganzen Kohlblätter in Salzlafe gelegt (compositus, 
Kumpoft) und fo eingemadt, erft fpäter fam dann das feiner ge= 
Ihnittene Kraut eingejalzen in die jogenannten Krautprinten oder 
-PBrenten (aus Holz oder Stein), melde das Krautgehädjel Dur 
Drud (primere, preindre, to print) unter der GSalzlafenoberfläche 
erhielten. Der Augenarzt Petrus Hifpanus (1274) führt nod) fol- 
gende Reinigung der Augen, bei Ausjag, Sforbut, Achfelgerud) und 
Mundfäule durd) Kohl mit Salz an: Nimm 1 Pfund Steinfa, 
binde es in Kohblblätter (ligans in foliis caulium’), verbrenne es 
auf Kohlglut zu weißer Aiche, fchütte es fodann auf Marmor, Laffe 
eö Die Nacht über im Freien ftehen; mas hiervon abträufelt, hat 
jeder Tropfen Silberwert; bewahre es in einer GlaSretorte auf und 
bringe e8 nur tropfenmweije ins Auge’ ($ 42): bier ift noch eine 
blajje Erinnerung an die antife Kathartif durd) Kohl, Afche und 
durd) Salz gegeben. Der ebenfalls im 13. Jahrh. lebende altdänifche 
Kanonifer Harpestreng ahmt diejfe Verordnung des Portugiefen 
‘ etma3 nad) mit den Worten: ‘Brennsr man thyrr& kalretar til 
aske’ ohne des Salzes dabei zu gedenfen; vielleicht hatten beide 
den WMacer Floridus als gemeinfame Quelle. 


') Die Brassica oleracea hatte ihre Heimat an den Beftaden des zentral- 
altatiichen Binnenmeeres, welches heute ausgetrochnet die Wüfte Gobi ausmadtt; 
dort werden wohl auch die erften Verjuche gemacht worden fein, die Pflanze 
in der Galzlafe zu konjervieren; der Kohl verträgt das Einjalzen fehr gut, er 
verliert den Geichmad nicht fo rajch. 


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ig spriewerT 
MEERE: 





— 19 — 


Derfelbe Harpeitraeng (c. 34) verbindet den römischen Kohl 
mit Gerjtenmehl, Koriander und etwas Salz: ‘thet dugher mykzt 
for siuknzth; oc thzt zr got for werk innen lithe oc for 
ymzrste bold&’; hierbei jpielt daS Salz jedenfalls eine fehr unter: 
geordnete Rolle; die Berordnung felbjt deutet aber auf eine Fuli- 
narifche Zubereitungsart des KRohl3 als Gemüfe, die aus der Antife 
ftammen dürfte. — Lonicerus (Rräuterbud), 1564) gibt an: “Saures 
KRappesfraut ijt einem Higigen Magen gut, madt Luft zu effen und 
mwehret dem Burft.’ Schroeder (Medizin-Chymilcdhe AUpothefe 1683, 
S. 846) meinte auch: “Des gehäuptelten KRrautes Saltbrüh tauget 
gleichfalls, warn fie mit Sitronen-Safft vermifchet, innerlid,, und 
Löjchet die Hi fjonderbar.’ (Kochjalz: und Bitronenfäure-Wirkung). 

Die heute noch gangbare Bollsmeinung, daß Sauerfohl (mie der 
gejalzene Häring) gegen Katenjammer helfe, beruht auf der phyjio- 
logijhen Wirkung des Kochfalges auf die Fatarrhalifch affizierte 
Magenjchleimhaut. Die Volfsmeinung der Antife dagegen mar 
begründet nur durd) den Glauben an die Fathartik der Kultfpeife. 
Sn der oberbayerifhen Tierheilfunde des Volfes (18. SYahrh.) war 
die Sauerfraut-Brühe (Kraut-Sur) ein reinigendes Abführmittel 
beim jogenannten falten Brand des Rindviehs; diefe Reinigung 
dur den Kohlgenuß bat ji aud) in Medlenburg noch erhalten; 
dort gibt man um Michaelitag den Kühen 3 Braunfohllöpfe zu 
frejfen, damit fie nit Trank werden. Im Eljfaß gibt man zu 
dem Bmede dem Vieh Blätter vom Kohl aus dem Garten einer 
Hexe (Seligmann, Der böfe Blid, 1, 398). 

6. ‘Der rohe Saft vom Kohl, mit Schwertlilien!) und Ntatron 
getrunfen, erweidit den Baud; mit Wein genommen Hilft er den 
von der Viper Gebilfenen, mit Bodshornmehl?) und Eifig den an 
Podagra und Gicht Leidenden’ (Dioskur. 1. c.).. Schon Hippofrates 
Fuchs 3, 332, 446, 551, 566) empfahl den (fathartifchen) Kobliaft 
zur Scheidenfpülung und zur Reinigung der weibliden Gejchlechts- 
teile, um die Empfängnis zu erleichtern und um den Wochenfluß 
zu reinigen. Der Robljaft jollte gejchlürft werden bei Gebärmutter- 
verlagerung; zerriebene Rohlblätter follten die Periode fürdern (l. c. 
3, 372); kurz man fieht deutlidh, daß Hippofrates in Diefer Be- 
ziehung auf dem durdh den Opferfult der Briefterärzte beeinflußten 


!) Jris pseudacorus ‘eine Brotpflanze’ wird unter Beiprechungsformeln 
mit der linfen Hand ausgezogen (Plinius 21, 143), 

2) Foenum grecum bat in feinen bornförmig gefichelten Hülfen ein 
äkeupov, dem Diosfurides 2, 124 ermweichende und zerteilende Kraft zujchreibt. 


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x 94: 2 


Boden der rituellen Yuftration fteht. Bis zum Diosfurides Tchleift 
fih das Rituelle in der römifchen Vollsmedizin dur) die rohe Em- 
pirie des Verfahrens immer mehr ab. 

Der alte Bollsmediziner M. PB. Cato, der 200 Kahre vor 
Diosfurides lebte, jah in dem pythagoräifcdhen Kohle aud) nod) ein 
jpezififches Reinigungsmittel’, eine rituelle Heilpflanze zum Bmede 
der Purgation von dem morbus verus articulorum (De re rust. 
c. 157), d. b. von Podagra und Sit. Nicht nur für Cato war 
der Kohl das Allheilmittel fondern für jeden, der an die zauber- 
bafte Heilkraft des Miitgenufjes am GottheitSopfer glaubte, durd) den 
man fid) vom ®rolle der Unholden reinigen fonnte. Der im 5. SYahrh. 
n. Chr. lebende römifchgalifche (hriftliche) Empiriter Marcellus 
(XVII, 47) empfahl die Spargelmurzel und Kohlblätter in Wein 
als Getränf: ‘vulsis et reumaticis mirifice prosunt’ und die Afche 
der Kohlitengel al3 Lindernde Auflage auf Sehnen (XXXV, 26): 
‘Stirpes brassicae cum radicibus suis comburito earumque cine- 
rem aceto conspargito et adjecta vetere axungia subigito, id 
malagma impositum nervos valentissime solidat.’ 

7. "Ferner eignet ji) der Kohljaft zum Auffitreihen auf ShmuBige 
alte Wunden’ (Diosfurides 1. c.). Hier ijt die Reinigung ganz materiell 
und objektiv auf alte Gefchmüre bejchränft; Doch verwendet Dios- 
furide3 hierzu den rohen Saft des Kohls. ‘Gelodyt und mit Honig 
gemifcht wirken die Kohlblätter gegen frejlende Trebsartige Ge- 
hmüre’ (l. Cod.); der alte M. B. Cato verwendet fchon den Kohl 
gegen le&tere Krankheit: ‚si foveantur volnera et recentia et ve- 
tera etiam carcinomata, quae nullis aliis medicamentis sanari 
possint; foveri prius calida aqua (Cato) jubet ac bis die tritam 
(brassicam) imponi’ (Mizald). 1400 Yahre fpäter findet der Kohl 
bei frijden Wunden und felbjt beim Krebs Anwendung: Ießterer 
jollte nur vorher mit ‘tinnendem Waffer au noch gewaschen 
werden, ‘Caulis romana. Thzt hel&r grene sar oc swa gaml» 
oc canczr. Tho scal man fyrr& thwa thzt m&th rinnend& 
watn zsllaer lat win’ (Harpejtraeng S 34). (1564) ‘Rölblatt be= 
nimmt die Hiß von hißigen Schäden, miltert aud) den Schmergen, 
fonderlid der Safft mit Honig gemifcht heilet den um ich freßen- 
den Geihmwür und Grind’ (Ronicerus, Kräuterbud). Der nieder- 
ländifche Kräuterfundige Dodonaeus (1583) fhrieb: ‘De koolbladeren 
zyn seer gest geleydt op allerhande geswillen ende sweeringen’ 
(De Cock, Geneesk., p. 295); nod) gebrauddt man in SFlandern rote 
Kohlblätter mit füßer Butter als Einreibung oder Wundderlung 





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— 175 — 


(ebd.). Schroeder (©. 846): ‘Die Blätter des Kohls taugen vor Die 
Wunden’ und: ‘Eufferlidd gebrauchen es die Bauern und legen die 
Blätter auf die Wunden. Auf der dalmatinifchen Halbinfel Sab- 
bioncello werden mit Del befeuchtete Kohlblätter als Dedmittel für 
eiternde Wunden gebraucht (v. Hovorfa); dieje Verwendungen der 
Kohlblätter (analog zu den Wegerich-Blättern urjprünglich rein em= 
pirifch angewandt) erhielten durch die Kultbedeutung des Kohls fo 
hohen Wirkfamkeitsglauben. (1860) ‘Die gemöhnlidhen Kohl- und 
KRrautblätter wirken fehr fühlend, wenn man fie frifch auf hißige 
Gefhmire, entzündete Wunden und dergl. legt. Taucht man Tücher 
in die Brühe von jaurem Kraut, fo heilen jie beim Auflegen (decu- 
bitus) den Brand’ (Müller, Kräuterbud) 321). 

8. Für fih allein als Snjeltion in die Stafe, reinigt der Kohl- 
faft den Kopf’ (Diosfur. 1. c.); man fieht, wie verfchiedenartig die 
Praris der ärztlichen Reinigung fich gejtaltete, nachdent fie ji vom 
Kultboden abzulöfen vermochte. Harpeitraeng 8 34 wiederholt die 
Worte des PDioskurides: ‘Kale os in gotzn at nas® zr goth 
howzth oc renszr th&t’ = Kohl in die Vtafe eingegojien tft gut 
fiirs Haupt und reinigt dies; alfo auch) hier fhmwört der altdänifche 
Kanonifer ad verba magistri; aud) das Kräuterbucd) von Xonicerus 
: (1564) folgt: ‘Sn die Nafer geblafen reinigt er daS Haupt. 

9. "Mit Taumelloichmehl als Zäpfchen eingelegt, befördert der 
Kohljaft die Dtenftruation’ (Diosfur. 1. c). Bei den Arabern wird 
das Kohlmwafjer (Brühe) in der Behandlung der Gicht nur zum BVe- 
hifel für eine große Anzahl anderer (tatfächlich aber wertlofer) Gicht- 
mittel (Avicenna 1608, 2, 308); aber diefes ehrmwürdige, dur) die 
Tradition geheiligte Mittel ganz fallen zu lafjen, getraute fi) au 
ein EI KRendy (9. Kahrh.) nit. Das Kräuterbud) von LXonicerus 
(1564) lehnt fi) ebenfall3 an die Antife an mit dem Sabe: ‘Die 
Podagrifchen follen viel Köl brauchen, auch) damit purgieren; zer- 
Ttojfen mit Mehl foenugraecum vnd Eifig übergefchlagen, eS be- 
nimmt den Schmerten. Das Mehl des Tollforns oder Tobfrautes 
(Lolium temulentum!)) al3 Zufa zum Kohlaufguß oder Scheiden- 
injeltion oder Scheidenpeflar fehlt beim Kohlpeflar des Hippofrates; 
die Mitbenugung diefes betäubenden Mittels Tann alfo erft nad 
Hippofrates erfolgt fein in dem erflärlichen Beftreben, aud) eine 
narkotifhe Wirkung in das hergebradite einfache Hausmittel hinein- 


') Bei Harpeitraeng $ 83 ift Lolium mit Klinte überjegt = KKornrade; 
der Taumellolch fcheint ihn unbelannt gemefen zu jein. 


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—- 1716 — 


zulegen, mit mweldem Berlangen die Polypharmazie der fpäteren 
Heilfünftler fi) einleitete, namentlich bei der Alerandrinifchen Schule, 
den Haupterben der ägyptifhen Mtedizinlehre bezw. Materia me- 
dica, in der aud) der Kohl eine Rolle [pielte. Berjtoßene Mtehl- 
mwürmer in Sauerfrautbrühe find nad) Lammert (Bolfsheilgebräuche 
in Süddeutfchland 1886, ©. 149) innerlih genommen ein Mittel 
gegen Weibfluß; eine ganz ausgeartete Verwendung. 

10. ‘Die Blätter des Kohls für fi) allein oder mit Graupen 
zerrieben als Umjchlag find mirkfam bei jeder Entzündung und 
Dedem: fie heilen aud) rofeartige Entzündungen, Epinyftiden und 
reißen mit Salz Karbunfel ringsum auf‘ (Divsfur. 1. ce). Alaun 
(Alumen scissile) mit Rohlblättern oder Honig gefocht ift ein gutes 
Mittel bei Ausjag’ (Diosfur. 5, 122). Diefe Verwendung des Kohl- 
breiS mit Graupen oder Brot vermifht empfiehlt auh um 100 
n. Chr. der altrömifche Frauenarzt Soranus von Ephefus (c. 25) 
für die Bruftdrüfenabfzefle (mie Leinfamenabfohung mwirfend), 
mit welcher Methode der Praktiker fpäterer Yahrhunderte noch zu-= 
frieden war. Der römijhe Militärarzt Celfus (in der Witte des 
1. ahrh. v. Chr.) zählt die Kohlblätter al3 Umfjchlag über äußere 
Entzündungen zu den zerteilenden und gleichzeitig Fiihlenden 
Mitteln (II, 33, 2). SHarpeitraeng empfiehlt ebenfalls Kohl in 
altem Wein gefotten: ‘man leggar thzt a magh» zller ennzn lim, 
ther hetm» hauzr’ aljo als äußerliches Mittel gegen Entzündung 
oder Hiße. Derjelbe Harpeftraeng jagt ferner: ‘Stampzs thane kal 
oc alun (= Wlaun) uscorzt [ungefchnitten; non scissum unfpalt- 
bar bei Macer] oc zdik alle sammzn laenggi oc wal — Thzt 
zer got for likwzerthinge sot (Lepra) oc fler& andr& smittz 
of the smerizs ther m&th oft’, alfo au) hierfür ift die Quelle 
im alten Diosfurides zu finden. Der mnd. Magijter Bartholo- 
maeus Salernitanus 37, 29 verbietet aber geradezu den Kohlgenuß 
bei der Elephantafis: he schal sik bewaren vor allerhande 
moyse, vor koel etc.’, während er wieder “blade van roede kole 
... onde sede dyt altomale an guden wyne’ al3 Mittel zum 
Getränfe gegen Filteln anrät (57, 8). Der niederländifche Kräuter- 
fundige Dodvens (1554) fagt: ‘Koolbladeren worden op alle 
schorftheyt, krauwagien, rappigheyt ende kammantheydt') des 
huyts gheleydt’ (De Cock, Volks-Geneeskunde S.252). Da3 mittel- 


ı) Mie ftarf die Ueberlieferung wirkt, bemeift die Mitteilung von De Cod, 
dab das Wort Kamant, obwohl in feinem Wörterbuch zu finden, doch noch 
im alltäglichen Gebraude ift. 


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— 17 — 


niederlandifhe Rezeptbuhh (De Vreese, $ 175) wiederholt daS: 
felbe mit den Worten: “Dat sap van coelen gheneest quaede 
scorfthede, daer met ghedwaen ende up gheleit.” Das Kräuter- 
buch) von Lonicerus (1564) empfiehlt den Kohl auch gegen Haut- 
verbrennung: ‘Die Brüe oder Sulgen von dem Sauerkraut Löjcht 
den Brand fo vom Feuer oder Pulver gejchehen gewaltig; Tücher 
darein geneßt und darüber gelegt.’ Der Parazelfiltiihe Chymiler 
(1683) Schroeder fagt (S. 846): ‘Der Blätter Decoct abstergiret 
und trödnet, heilet die Wunden, Gefhmwür und Filteln wegen derer 
eingepflangter nitrofer balfamifcher und abitergirender Kraft.’ Ab- 
jtergentia find Abluentia, Reinigungsmittel, von Unreinigfeit fäu- 
bernde Mittel, deren Wirkfamkfeit man früher in der dämonen- 
abmehrenden Kraft, Barazelfus aber in dem innemohnenden Balsa- 
mum und Nitrum vermutete. Kräutermann (Bauberarzt 1730, 
©. 385) jagt: ‘Gegen Mäufe Befchmeijjen. Nehmet Sauerfrauts 
Laden (= Brühe) mwafchet den Ort damit, und fo das Nothlauffen 
darzufommen jollte, Raum (= Rahm) in die Yade gethan, jo jtillet 
es dasfelbe.’ (Mäufe, Wiefel, Kröten gelten alS Beranlafjer des 
Notlaufs.) Gegen den fogenannten Brand (Decubitus, aud) Brand- 
mwunden) gebraudt man in Steiermark nah Foßel (Vollsmedizin, 
©. 156) Krautblätter und Sauerfraut al dedende Umfchlagshülle. 
Noch 1860 Heißt es: ‘Das faure Kraut wirkt erweichend auf Eiter- 
gefchjmüre, wenn man Umidläge davon auflegt’ (Müller, Kräuter- 
bud, ©. 321) und heute find Sauerktautumfchläge ein alltägliches 
(kühlendes) Volfsmittel in Oberbayern. 

11. ‘Sie verhindern ferner den Ausfall der Haare’ (Dioskur. 
l. c.); vermutlid) ift damit der durch Hautgefhmwüre veranlaßte Haar- 
ausfall gemeint. Diefe Angabe fand nur nadfolgende gläubige 
Geelen; den Dänen Harpeitraeng (13. NYahrh.), welcher jchreibt: 
‘Oe that (der römijche Kohl) dughzr the har ther burt flyts#’ 
(‚capillos fluentes’ bei Macer Floridus). Lonicerus (Rräuterbud 
1564) meinte aud: 'KRöl rohe gejlen und den GSafft davon aufs 
fahle Haupt gefchmieret, mat Haare madhjfen und tödtet die Läuß.’ 
-Röhlblätter aufs Haupt gelegt, bewahrt es vor Haarausfall. ‘Den 
Saft des Köhls auf den Kopf gerieben, befürdet den Haarwudhs, 
Triihe Kohl- oder Krautblätter auf den Kopf gelegt, jo wird das 
Ausfallen der Haare verhindert’ (Müller, Kräuterbucd) 1860, ©. 321). 

12. ‘Roh mit Effig genojjen find die Kohlblätter denen heil- 
jam, die an der Milz leiden’ (Dioskur. 1. c.). Milzleiden ift Hier 
hypodhondriihe Empfindung. Nur Harpeitraeng fchreibt aud) 

12 


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diefe Wirkung der Kohlblätter vertrauensvoll aus Dioskurides ab: 
‘oc hun zr goth for bolen milt’ ($ 34); das Kräuterbud) von 
Lonicerus (1564) jchließt fih an mit den Worten: ‘KRol ift gut dem 
böjen Mil mit Senfflraut oder Senffjamen gefotten’ (und gegejjen) 
Wirfung (1605) folgt: ‘Die erjte Brüh von rohtem Köle’ (tft gut 
gegen Milzverhärtung). 

13. ‘®efaut, jo daß der Saft der Kohlblätter ausgefogen wird, 
jtellen fie die zeitweife verlorene Stimme wieder her’ (DioSkur. 1. c.); 
er reinigt die Stimmorgane; alfo au bier fteht der Arzt auf 
dem traditionell übernommenen Boden therapeutifcher Katharjis. — 
Mtizald (Centuriae 1, 89) fehrieb 1589: ‘De folio brassicae scribit 
M. Cato (234—149 v. Chr.), quod vertici capitis impositum uvu- 
lam ex defluxu pendulam vel aliter affectam, sursum rapit’, alfo 
das Auflegen der (fühlen) Kohlblätter auf den Scheitel jollte gegen 
Angina helfen. Marcelus Emp. XIV, 8 (5. S$ahrh. n. Chr.) meinte: 
‘Brassicae crudae folium levissime terito, ex eo sucum expri- 
mito, quo uva contacta potenter sublevatur.’ SHarpeltraeng, der 
alte Dane, wiederholt aud) des Diosfurides Indikation ($ 34): ‘gnus 
greon kal mell@e sine tend&r oc swelgh& oszn in, thet hielpser 
for hes rast’ ; ferner nad) dem Borbilde des Macer Flor. (1100 n. Chr.) 
‘uvam relevat jacentem’ = zu Ace gebrannte dürre Kohlmwurzel 
‘yftser drypzl ther meth up. that dughzer’ (1. Cod.). Der Medizin- 
Ehymifche Apotheker Schroeder meinte: “Des gehäuptelten FKrautes 
Salzbrüh fan ftatt eines Gurgelmalfers bey Anfang der Hals-Entzün- 
dung mit großem Nuten gebrauchet werden’ (beim fogenannten ge- 
fallenen Zäpfchen). Sauerkraut ift heute noch ein beliebtes VolfS- 
mittel gegen Racdhjenfatarrh, deijen fchleimlöfende Wirkung dem Kod)- 
jalz zuzufchreiben ift. Sn der Pfalz rühmt man aud) daS Gauer- 
fraut al3 Mittel gegen Mundfatarrh (fog. Mundfäule; vgl. Lammert 
l. c. ©. 232). Sn Steiermarf wird gegen die Halsbräune in Leinöl 
geröftetes Sauerfraut verwendet (FFoßel, S. 101). Wenn der Kohl 
als Univerfalmittel aud) für Lungenfhwindfudt, Keuchen, Althma 
von den jpäteren Kräuterfundigen empfohlen wird, jo ift dies nur 
eine Weiterbildung diefer Verordnung von Divsfurides gegen Racdhen- 
fatarıh. Wirfung (Rräuterbud) 1605) fohreibt nämlih: „Nimm 
Kölblätter mit den braunen Gtengeln thu’ die Wederlin und 
Stengel darvon, zerftoß mit einem bölkinen Stämpffel in einem 
Iteinerm Mörfel trud den Safft auß und laß ihn fid) mol feßen; 
jo viel de faubern GSaffts ift, fo viel geläutert Honig fe darzu, 
laß fieden mit ftetem ombrühren biß zur rehtem Dide” (gegen 


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B ’ u. 470: ei 


Keuchen und Afthma) und c. 11, ©. 31: Nimm außgebrannt KRöl- 
wajjer’ (gegen Phthifis); ferner: ‘KRölbrü mit yjopp und Beterlin 
gefotten und füffen Mandelöl angemadt’ (gegen Lungenfchmwind- 
Judit). 

14. ‘Die Ablodhung des Kohls als Trank treibt den Bauch 
und die Menftruation’ (Dioskurides) eine Verordnung, die wir [don 
zum Teil oben bejproden und als Kathartit gedeutet haben. — 
Hippofrates (Fuchs 3, 570) verbot den Stohlgenuß beim rotgehen- 
den Weißfluß der Frauen, 'vermutlid) weil er jtärfere Blutungen 
und die Unterbreddung einer eventuellen Schwangerjchaft fürchtete. 
Harpeftraeng folgt aud) hier feinem Vorbilde Dioskurides mit dem 
Sate: ‘oc renszr quinn& af thers& bloth ryn’. 

15. ‘Die Blüte des Kohls aber nach der Geburt im Zäpfchen 
{in die Vagina) eingelegt, verhindert die Empfängnis (droxov — 
madt unfrudtbar)’' (Dioskur. 1. c.) -d. 5. ift ein Mittel, daS Die 
FSruht nit fih entwideln läßt im Mutterleibe. Schon Hippo- 
trates gibt an, daß ein eingefetteter Kohlitengel (gleichfam eine 
Bougie), eingetrieben werden joll, um die tote Frucht auszu- 
treiben (Fuchs 3, 347). — Der alte dänifche Autor Harpeftraeng, 
der, wie fchon erwähnt, oft die Gedidite des Macer yloridus 
{1100 n. Chr.) fopierte, jagt: ‘oc hennz fre cummzr ut det 
barn’, aljo ebenfall3 da3 gleidye wie Diosfurides. Rolland (Flore 
populaire 2, 31) gibt an, daß ein arabijcher Autor des 15. Jahrb. 
behauptete, wenn eine rau im Moment der Empfängnis aud nur 
2 Dradmen des zerdrüdten Kohljamens bei fi) trage, fo zerftüre 
dies das Embryon. Dan Ravelingen (1644), der Herausgeber des 
niederländifchen Kräuterbuches von Dodonaeus, folgt beim Kohl- 
pellar den antiken Quellen: ‘De bloeme van de Koole in eenen 
pessus ghedzn, ende nae dat de vrouwe ontfangen heeft in de 
moeder gheset, bederft het saedt ende doetse misvallen’ (De- 
Cock, Volksgeneeskunde S. 90). 

16. ‘Der genofjene Same (des Kohls), am beiten von dem in 
WUegypten wacdhfenden, treibt die Würmer aus; er wird uud 
zu den Mitteln gegen den Biß giftiger Tiere (al8 Reinigung von 
Tollwutbiß) zugemifcht! (Dioskur. 1. c.). — Harpeitraeng fchreibt: 
‘Stampzs kalz fre m&tk »zdik oc drikk&s, tha cummer thst 
ut (ond&) orm& oc skathalict (= animalia noxa de3 Macer 
Ylor.) af manz quith’, d. 5. Kohlfjamen mit Effig geftoßen und 
getrunfen, dann fommen üble und fjchadlihe Würmer aus des 
Menfchen Unterleib (vergl. Fonahn, Orm og Orm midler 1905, 

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— 10 — 





p- 25, 13). — Migald (Centur. V, 96) gibt an: ‘vel brassica, quae 
rubenti est folio una cum melle et butyro subacta et affecto 
membro admota’ follte gegen den Biß des tollen Hınde3 helfen 
(reinigen)... Wirfung (Arkriegbud) 1605, c. 4, ©. 85): „Röhl ge=. 
fotten ond mit Gerftenmeel vbergejchlagen, aljo der Safft mit E$ig 
und Fenugrec ift erfprießlich’ (bei Biflen giftiger Tiere); ferner c. 15, 
©. 220: “Kalte eintlihe (nügliche) Stüd zun Würmen Jind fol- 
gende: ... Rölfamen (c. 16, ©. 221) ‘Du magjt aud) ein Kölftau= 
den mit Odfengallen bejtreichen und wie ein BZäpfflen brauden’ 
(gegen Ajtariden). Frifches Sauerfraut und Krautbrühe ind nad; 
Lammert Volfsheilgebräude in Süddeutichland (S. 133); ein Mittel, 
gegen Kindermwürmer. 


17. ‘Die grünen Stengel mit den Wurzeln gefodt und mit 
altem Schweinefett aufgelegt befhwichtigen chronische Seitenfchmerzen” 
(Diosfur. 1. c.). — Harpeitraeng: ‘Stampzs kals ask mzth ga- 
malt ister oc l2gs with, tha dughser thst for gam&l sithz». 
wzrk oc larwark’, aljo wieder eine jehr an PDiosfurides fih an- 
lehnende Verordnung, Kohlafhe mit altem Fett zu verreiben und- 
aufzulegen an die Seite, wo eS Kronifc) [hmerzt (Yichia) ; ferner :. 
‘oc sithen tys& um dagh stamp& h&nn& (caulis romana) raa. 
oc l2ggx with’ (l. eod.) aljo aud) gegen afutes Seitenftechen follte 
das Auflegen des rohen Kohls helfen. 400 Jahre |päter behauptet 
der Apothefer Schroeder (©. 846): “ja wenn mans (die Kohlblätter). 
im Geitenftehen überleget, jo weichet der Schmergen davon’; man 
farın alfo aud) bier 1'/s Yahrtaufend alte Tradition aus der Ans 
tife nachmweifen; aud Wirfungs Arteneybud) (1605) folgt legterer 
mit dem Sabe: ‘Ytem Achen von Kölftauden mit Hünerjchmalg. 
oder Schweinsblut angemadt’ (Hilft gegen den Schmerz des fog. 
falfchen G©eitenjtechens). 


18. "Weiter reinigt der Kohl die Gefihtshaut und entfernt 
Leberfleden’ (Diosfur. 1. c.). Kohlwurzel und Kohlfamen verordnete- 
auch Hippofrates (Fuchs II, ©. 571) zur Verfehönerung der Haut 
(Reinigung von entftellenden Tleden).. Wenn in einem mittelalter= 
lichen deutfhen Koder (Schmeller I, 1386) das ‘Kinder paden 
aus Krautfchuffel” als Aberglaube gebrandmarft wird, fo ift ges 
wiß Diefem nur die traditionale Verwendung des Krautfohl als. 
Kathartif zu Grunde gelegen; ebenfo beim Kräuterbucd des Loni= 
cerus (1564), der behauptet: ‘Röl alfo auf die fchwarzen Anmohl. 
gejtrichen, bringt er wieder gute Farbe.’ 


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— 131 — 


IV. 

Someit aljo Diosfurides, die Hauptquelle für die Kenntnis 
der antifen und mittelalterlihen Verwendung des Kohls. E8 er- 
übrigt nod) die [päteren vollsmediziniichen Verwendungen des Kohl3, 
foweit fie dem Berfaffer befannt find, zu befprechen. 

1. Die Verordnung des oben fhon erwähnten Epiharmus 
{bei Plinius 20, 89), der gegen Übel an den Hoden und männ-= 
fichen Genitalien mit großem Nuten den Kohl (al3 Fataplasma) 
auflegte, exrfcheint nad) 17—18 Jahrhunderten wieder beim dänifchen 
Kanoniter Harpejtraeng: ‘oc that dughzr for boln® skrepling® 
sot oc for manskyns siukn&th innen manz anbuth oc dughzsr 
th2t mer& of sothn& bene stampss with’ = die fräßige (an- 
jtedfende) Sucht der Hodengefhmwulit (testes) und das Giedhtum in 
dem Inneren des männlichen Gliedes wird noch mehr durd) dei 
Kohl geheilt, wenn gefottene Bohnen den Breiumfchlägen beigemengt 
find. — Im Niederländifchen (1635) wurde gegen Leiftendrüfen- 
Schwellungen (clieren; f. des Berf. Krankheitsnamenbud) ©. 275) 
die Afche von Kohlitengeln mit Honig zu Salbe gemifcht verordnet: 
‘jeghen clieren maect asscen van coelstocken ende temperse 
met honighe ende zalft dic clieren der mede’ (De Vreese, 
Middelnederlandsche Geneeskunde 1894, p. 30. 34). Der Schlier 
ift ein Bubo ex genitalibus (f. Kranfh. N.-Bud), ©. 581); auch diefe 
Verordnung maht den Eindrud, dab fie aus der Antike übers 
nommen wurde. 

2. Harpeftraeng, der tatfächli fonft nur den alten Kohl der 
Antike wieder aufmwärmt, weiß aud) etwas von Verwendung Des 
in altem Wein gefottenen KohlS gegen Fieber (= Nitten) in Ber- 
bindung mit Rojenöl (Aroma = Räudyerung). ‘Siuther man kal 
innen gamzlt win oc stampzr man oc later with oli af ros® 
thet dugher for rithe.’ NAud) diefe ganze Verordnung trägt ficht- 
li) den Stempel der Antife. — ‘Faire söcher sur la cremaillere 
du foyer un chou derob& dans le jardin d’un voisin, gueritde _ 
la fievre’ (Rolland, Flore popul. Il, ©. 31); vielleicht ift die Räuche- 
rungstherapie mit der Übertragungsmethode hier vom Volfe ver- 
. einigt worden. 

3. Auch für Nervenfchmerz (Neuralgia uterina, Kolif ze.) 
jollte der Kohl nad) Harpeitraeng beilfam fein, wenn der linter- 
leib damit oft gemwajchen werde: ‘Kal dughzr oc fur werk innen 
siner, hwa sum henn® warm» os ofte takzr. worth bern 
oftz thwaghn® mz&th thenz os, tha dughzr thzt mykat til 


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— 12 — 


there helendz. — Die jpäteren Kräuterfundigen erwähnen den 
Kohl als Mittel gegen Linterleibsbefchwerden; fo der Lonicerus 
(1564): ‘Rölkraut mit einem alten Hahn gefotten, die Brühe ge- 
trunfen jtellt die Colicam und anderes Bauchgrimmen. Aud ift 
römifcher Köl-Safft mit Kümmel oder Dillfamen genüßt gut für 
BauhmwehthHum und Grimmen. Das Kräuterbuh von Müller 
(1860) empfiehlt nod): ‘Gegen anhaltendes Bauchmeh fiede einen 
alten Hahn mit Kohl, trinfe die Brühe davon und das Uebel wird 
meiden’; dies ift vielleicht nod) vom alten Hahnopfer an den Heil- 
gott Apollo oder Wesfulap übrig geblieben. 


4. Die Verwendung der Kohlwurzel al3 Amulet bat aud 
Harpeitraeng (13. Sahrh.) wieder gegen Ungina: ‘Hwa sum kalrot 
draghzr up af iorth oc later hennz sithen @i cumm& after 
til iorth num heng&r um hals, tha wrekzr thzt burt all siuk- 
knzth ther drypzl fanger. Schon der Name der Krankheit 
(drypzl, drypil, drevel = uvula) jpridt für antife Quelle der Ver: 
ordnung. 


5. Der Glaube an die die Milchjefretion jteigernde Wirkung 
des KRohlgenuffes findet fih auch nur bei Harpeftraeng: ‘oc thzt 
ger kunzr mizlk’ (l. eod.) und bei Hippofrates (Fud)s II, 380), 
der Kohl mit Wein ‚zu diefem Zmwed empfahl. Wirfung (Arbney: 
buch 1605, c. 3, ©. 103) gibt folgende etwas abweichende Verord- 
nung: ‘Desgleihen Kölblätter oder Safft mit Saffrtan vermifcht, 
miltert den Schmergen’ (der jogendinten Milchverhärtung in Der 
mweiblihen Bruft). Die Beigabe des Safrans dürfte auf jüdijche 
Quelle deuten. Hat daS Weib Gelüfte (pica) nad) Sauerfraut, To 
darf ihm in der Pfalz diefes nicht verweigert werden (Qammert 1. 
c. 260). | 


6. Ein niederläandifcher Herausgeber der (1583) Stirpium 
historiae des Dodonaeus, van Ravelingen (1644) gibt (nad) De 
Cock 1. c. ©. %) an: ‘De pisse van de ghene, die veel Koolen 
geten hebben, bewaert ende warm ghemaeckt, is den zenuwen 
seer goet, daer op gheleydt’; die Vorftellung, daß durch den Ge- 
nuß des KRohl3 ein befonderer heilfamer reinigender. Stoff Durch 
den Menjchenurin entleert werde, ift ganz eigenartig; leider fehlen 
uns Beohadjtungen aus ZYahmanns Sanatorium, daß der anhaltende 
Kohlgenuß eine Veränderung der hemifdhen Urinbejchaffenheit zur 
Folge habe. Lonicerus in feinem Kräuterbuche (1560) gibt ebenfalls 
eine jolde Meinung ab: ‘Der Harn eines jolden Menjchen, der 


[6 gle 





etlihde Tag KRöhlfraut in der Speife genommen, heilt Filteln, Krebs, 
Wolff, Flechten und was Unreines an der Haut fein mag.’ 

7. De Cock (Volksgeneeskunde. p. 199) gibt an, daß in 
Blämifch-Belgien der Genuß von rohem Kohl gegen die Gelbjudt 
als Hausmittel benußt wird; eine Verwendung, die rationell nicht 
begründet werden fünnte. 

8. Ronicerus (1564) erwähnt den Kohl aud) alS (teinigendes ?) 
Obrenmittel: ‘Die Wurzel vom römifhen Kohl gejotten und Die 
Brü 2 oder 3 Tröpfflein warm in die Ohren gelafjen, benimmt der- 
felmigen Schmerten’. | 

9. Eine allgemein befannte volfsübliche Methode der Kohl- 
verwendung it daS Berfchlingen großer Mengen von rohem Zettel- 
oder Sauerfraut, um im Halfe oder in der Speiferöhre fteden ge= 
bliebene Fremdförper, namentlich Filchgräten in den Magen hinab 
zu befördern; diejelben verfangen fich leicht beim Schlingafte, wie in 
dem Borftenbündel des Tunjtgerechten Grätenfängers, jo in dem 
wirren Gehädfel und in den Schnigelfäden des rohen Sauerfrautes, 
eine Volkserfahrung, die wohl am Speijetifche der oft Faltenfilche 
verzehrenden Kloftermönde erworben worden fein dürfte und meiter- 
hin au) bei anderen Fremdförpern in der Speiferöhre verfucht wird. 
Das feine Zerfchneiden der Rohlhlätter vor dem Einfegen derfelben 
in den Srautplenten ift eine erjt mittelalterliche, vermutli vom 
Klofter Sankt Gallen ausgegangene Fulinarifche Errungenschaft. 
Um das Sahr 1832 wanderten namentlid die Montavoner im 
Borarlberg mit ihren fogenannten Krauthobeln von Hof zu Hof 
und jangen unterm Rythmus ihrer Hobelarbeit die jogenannten 
Krautichneiderlieder, bis ihnen die an Ort und Gtelle entftandene 
Konkurrenz diefen Wandererwerb einjtellte. 


Die Kohlblattverwendung it aud) als Mittel gegen Teig 
warzen am Maftdarm empfohlen.) Wirfung Arkneybud) 1605, 
c. 10 ©. 158: ‘Man mag aud) den Mafbgang mit frifhem Kal 
oder Kapsfraut, daS zeritoßen in Entenfhmalg geröft und auß- 
getrückt ift, beftreichen, jamentlich oder fonderlich nad) dem baden 
oder bähen brauden.’ 


1) 8, Diefenbach Glossarium Latino-Germanicum mediae et infimae aeta- 
tis 1, 108 zitiert unter caulis zwei lateinijch=deutiche VBerje aus dem 15, Yahr- 
Hundert, welche die fchlechten Eigenfchaften des Kohlblattes als antizipiertes 
Klofettpapier befingen mit den Worten: 

‘Cum folio cauli culum tu tangere noli, 
Si frangitur kolblat, tibi vinger in ars gat.’ 


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— 14 — 


10. Als geburtshilfliches Mittel nah Hippokratifhem Bor: 
bilde empfiehlt den Kohl Wirfungs Arzeneybuch 1605: ‘Xoben au 
den Raud) von Köljtauden. Auffällig ift, daß der Kohl niemals gegen 
Epilepfie, Konpulfionen oder Beitstanzg empfohlen wird. 

Mir müfjen noch hier anführen, mit welchem fonjtigen pflanzlichen 
oder mineralifhen Dtaterial der Kohl verbunden wurde. Zu Hippo- 
frates Zeiten waren es hauptjählid) die als gynäfologiich reinigend 
und Tarminativ wirkffam geltenden oder dafür angejehenen Pflanzen, 
Bingelfraut, Granatäpfel, Borry, Gartenraute;; erjt [päter gefellen jich 
hierzu Cerealien (Graupe, Bohnen, Brot, Bodhornmehl zc.). Die 
flüffigen Dtaterialien waren in antiter Beit, Wein, Oel, Leinöl, 
Waffer, Lauge, Effig, Zitronenfäure. Über das gejalzene Kraut 
haben wir oben fchon gefproden. Hippofrates verwendete aud 
Ihon die Verbindung des Kohls mit dem ?yleifche gemiljer Mteer- 
fifhe zurfteinigung (3. 3. [hmarzer Geejterne ; Fuh3 3, 78). Der'Batri- 
ach Petrus von Antiodhia (1050) teilte mit, daß zu feiner Beit feit 
langem fon die Mönde ihr Kraut mit Schmweinefett in Ermange- 
lung guten DelS zubereiteten (Schmuder, in Rundieau für “Fleijcy- 
befhau 1910 ©. 18); auch Diosfurides erwähnt bereit3 die DVer- 
wendung von Kohl mit Schweinefett. Schweinefleifch und Schweins- 
blut mit Sauerfraut ift erft im Mittelalter ein eiteffen. Ges 
Tcehnittenes Kraut mit Fleifh ift auch bei Meier Helmbreddt die 
galtronomifhe Ouvertüre der bäuerlichen Felttafel, die viel yett 
liebt. Sonft wird auch die Verbindung des Kohls mit dem Hühner- 
fleifeh erwähnt, fpäter aud) Entenfett. 

Der Tiroler bat mohl die meiften Varianten deS Kohls; 
außer dem mittels Hobel oder Hobelbank hergeftellten fogenannten 
Bettelfraute gibt e3 dort auch ein Schüttelfraut, das aufgefchnitten 
und dann gefotten wird, ferner ein fogenanntes Flodenfraut: 
ungefalzene jüße Kohlblätter, die gejotten und dann zerqueticht 
werden, ehe man Jie anrichtet, — leßtere Art dürfte Die ältere Zorm der 
Zubereitung fein, jedenfalls älter al3 das fogenannte Bettelfraut. 
Die verfhhiedenen Methoden der Bereitung und Konfervierung von 
Lebensmitteln find bereits in uralten Zeiten von den rauen aus- 
findig gemaht worden; darunter auch die Einleitung faurer Gährung 
(. Beitichr. d. Ver. f. Vollstunde 1910, ©. 240). 

V. 

Nachdem mir jekt das volfsmedizinifche Gebiet abgehandelt 
haben, ift es nötig, die Anfchauungen des VBolfes, melde in Sitte 
und Braudy bezüglich des Kohls fi) äußern, noch zu bejpreden. 


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— 15 — 


Daß der Kohl als Speifepflanze fchon bei feiner Saatpflan- 
zung bejonder3 behandelt wird, lehren uns die folfloriftifchen Bei- 
träge von Rolland (Flore populaire 2, 24); man jollte ihn nidt - 
vor Peter und Paull-Tag) (Göttingen, Haute-Bretagne, Rhöne) in 
regenreicher Beit pflanzen. Geiler von Keyferkberg jah nur das 
Kraut als gut an, welches fleißig bejchüttet, vom Regen begofjen 
worden war. Bei den Ejthen müfjen die den Kohl Pflanzenden 
weiße Kleider anhaben, dann wird der Kohl weiß; er darf aber 
nit am Freitag gepflanzt werden, fonjt wird er bitter. Pie 
während des Pflanzens Vorübergehenden wünfdhen Glüd: ‘Große 
Köpfe und breite Blätter! Antwort: Nötig’ (mehr foll nicht ge- 
jprohen werden). Man pflanzt aud) Glüdskohl für einzelne Per- 
fonen und wenn die Pflanze gut wädhlt, jo bedeutet e8 Glüd für 
diefes Yahr (Rolland, Flore popul. 2, 34). $n der Wetterau muß 
die Frau beim Säen des Krautes auf den Herd (= Hausgeiiter- 
Alter) jpringen und damit das Kraut gerät (diefen Hausgeijtern) 
zurufen: ‘Häupter wie mein Kopf, Blätter wie meine Schürze und 
Strünfe wie mein (entblößtes) Bein!’ (ebd. ©. 34). Beim Genuß 
des Kohls joll man ehrfurdtspoll jchmeigen (mie beim Opfermahle) 
(Limoufin; Paris); der Kohl follte aud) nur zu einer beftimm- 
ten SJahres= oder Kultzeit genojjen werden; nur dann brädte 
er Glüd, madjte er reich, erhielt er Menjch und Haustier gefund; 
vor allem beim Beginne neuer Sahresabfchnitte (Neujahr!) ), die 
landwirtijchaftlich einjchneidend jind. Yedes foldhes Neujahr war mit 
einer Toten oder Seelenfpeifung verbunden im VBollsbraudhe der 
 verfchiedenften Völker. An der oberen Nahe ikt man am Neujahrs- 
mittag Rappus, in Franken und in der Röhn Kraut mit Erbjen, 
damit das ganze Jahr über das Geld nicht ausgeht (Höhl, der 
Röhnfpiegel, ©. 84). An Helfen muß man am Neujahrstag Weiß- 
traut ejjen, um da8 ganze SYahr über Silbergeld zu haben (Kolbe, 
Heffiihe Sitten, ©. 20). Sn Brandenburg und Schlefien muß man 
in der Neujahrsnadt Kohl ftehlen (aus fremden Gärten holen), um 
es das ganze jahr hindurch gejund zu erhalten (Seligmann, Der 
böje Blid 2, 73). Sn Malta wird am Neujahrstag Kohl gegejjen 
mit dem Wunfche auf ein glücliches Neujahr (Rolland, Flore po- 
pulaire 2, 33). Die Aufforderung Kohl zu ejfen, fommt alfo einem 
| ı) Der Begriff Neujahr’ ift fehr dehnbar ; es gibt Feine Jahreszeit und 

faft feinen Monat im Sahre, in welchem nicht bei den verfchiedenen Bölfern 


und Boltsftämmen das Jahr einmal begonnen hätte. (Bergl. Neujahrsgebäcde 
in der Beiticht. f. Defterr. Volkstunde 1908, S. 185.) 


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— 16 — 


Glüdmunfde glei: ‘Leben Sie wohl! Ejien Sie Kohl.‘ (Treidel, 
Bollsth. aus Preußen). 

Audh St. Mihaelstag ilt eine germanifche Neujahrszeit !) 
(Winterbeginn nad) dem Weidefchluffe). Jr Medlenburgifcgen gibt 
man den Kühen, damit fie nicht frank werden, um St. Michaels- 
tag drei rote Kohllöpfe (Bartich, Sagen 2, $ 1151). 

St. Martinstag?) (Herbitabfhluß, Weidefhluß, Winter: 
beginn) hat ebenfalls die Bedeutung eines Neujahrstages für das 
Gefinde im Bauernhaus. rn Preußen (Treichel, Volksth.) ift der 
Bolksipruh: ‘De mwärd of feene Martinsfool eeten,’ d. h. der wird 
audh fein Jahr im Dienfte bleiben; alfo war dort der Kohl eine 
gemeinfame Gejindeipeife am Martinstage; das Gefinde erhält oft 
das Gericht, das früher die ganze Sippe in communio mit den 
Geelengeiitern verzehrte. 

Sn diefe Zeit vor dem Winter fällt aud) die Weinernte. m 
Savojen madt man am Weinerntetag (Herbitbafchanalien = Vina- 
lia der Römer, xıdotyıa der Griechen, ‘Heuriger’ der Defterreicher) 
am Morgen eine Rohljuppe und ißt fie bevor man in den Wein 
berg gebt (Rolland, 2, 33). 

Kr der Provinz Liege muß man am Faltnadt-Dienjtag 
(le mardi gras) Kohl ejjen, ‚damit die jungen Kohllöpfe vor Raupen- 
fraß gefichert werden (meil dann die Haußgeifter ihre Opferfpeile 
erhalten haben). Am Karfreitag tötet man in Böhmen ein Kalb 
oder einen Hammel, focht dejjen Kopf, läßt die Brühe Talt werden 
und gießt fie über den Kohl aus, dann fommen die Müden nid 
Darüber in der Zukunft (Neinsberg— Düringsfeld, Treitfalender 
©. 131). Opfer und Apotropanon gehen leicht ineinander über. 

Da und dort ift der Kohl gleihfam ein tabu zu gemijlen 
Zeiten. Sn VBlämifh-Belgien dürfen die DPienjtboten am 
24. Yuguft (St. Bartholomäustag?) nit in die Kohlgärten gehen; 
denn der Heilige, der dorthin die dicfiten Köpfe wirft, Iiebt Dies | 
nicht (Rolland, 2, 23). | 

Die Tradition in der Moldau nimmt eS alS Wahrheit an, 
daß der 5. Sjohannes auf einem Kohl£fopfe enthauptet wurde; darım 
will Niemand an dem Tage diefes Heiligen Kohl ejfen (ebd.); in 
der Normandie heißt es: Am Tage des h. Stephant (26. “Dezem- 


1) Siehe St. Michael3brot, Zeitfchr. d. Ver. f. Voltst, 11, 193 ff. 

2) ber St. Martinsgebildbrot |. Schweizer Archiv für Volkskunde 
1902, 22 ff, 

®) Der erfte Herbittag; der Heilige trägt feinen Kopf in feinem Arm. 





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— 197 0 — 


ber) darf man den Kohl nicht eintragen nod) ejjen, weil diefer Mär- 
tyrer in einem Kohlgarten gefteinigt wurde (ebd.). Da es fich hier- 
bei nur um Legenden von 3 dhriftlien Heiligen handelt, jo ilt 
es wahrjeinlid, daß au das ‘tabu’ von driltlicher Seite auf- 
erlegt war. 

Wie alle eßbare Früchte tragenden Pflanzen, jo gilt auch der 
Kohl als Sig einer Menfchenfeele, als Berförperinig eines Seelen- 
geiftes, als Lebenspflanze. Man fagt deshalb in zzranfreich den 
Kindern, welche nad) der Herkunft der Neugeborenen indisfret fragen, 
daß fie unter dem Kohle gefunden werden; und zwar werden Die 
Knaben, dort gefunden, während die Mädchen unterm Rofenjtraud) 
liegen; der Kohlgarten des Pfarrers wird in Belgien mit Vorliebe 
vorgefhüst. Sm 18. Sahrh. jagte man deshalb: ‘Il a Ete trouve 
sous un chou’, wenn man die Geburtäftätte eines Menjchen nicht 
fannte (Rolland 2, 29). — Nach der Iothringifhen und preußifchen 
Sage wird der Kohldieb zur Strafe für die Entehrung des wert- 
geihägten Kohls in den Mond (Seelenheimat) verjegt (Volkskunde 
19, 131; Treichel, Volfsth. 1894, IX; Rolland 2, 30). Bemerfen3- 
wert ilt der Bolfsglaube, daß, wenn man Kohlitrünfe verbrennt, 
dies den Tod des Hausherren veranlaßt (Deux-Sevres nad) Rolland 
2, 31). Sit dies eine Strafe für die Verbrennung und Vernichtung 
des in dem Kohl Jißenden Geiltes? Der Kohl dient ja auch als 
folder in Stalien zum Drafel um die LXebensfähigfeit eines Kindes 
zu erfunden (ebd. 2, 32). 

In Montbeliard ikt man Sauerfraut befonders an den Donners: - 
tagen: wie ja au in Süddeutfchland der Donnerstag der häufigite 
Markttag, Hochzeits- und Fleilhtag (Xeberklößetag) in der bürgerlichen 
Kiiche ift (Zeitfehr. d. 2. F. Volfsk. 18, 121); auf diefen Wochentag über- 
trugen Jidh die Feltgerichte am leichteften. Am häufigiten findet man den 
Kohl- oder Sauerfrautgenuß beim Einzuge in eine neue Wohnung 
(aljo au bei der Hochzeit) und beim Hausbau, hier jicher als 
Überlebfel eines älteren Opfers an die Hausgeifter, die durch Kohl 
günstig geftimmt werden müffen. Stirbt Jemand in Berchtesgaden 
und wird der Verftorbene aus dem Haufe getragen, jo müjjen in 
diefem Augenbli die Smmenftöde und das Krautfäfjel gehoben 
werden, angeblich damit fie nicht abjtehen; es jtedt aber wohl da3 
ältere Honig= und Koblopfer dahinter, daS fo hörbar in Erinnerung 
gebracht wird (Zeitfchr. d. Ver. 5. Volfsfunde 1895, ©. 455), wenn 
die Seele daS Haus verläßt, die dann Honig und Kohl erwartet. 
Beim Neueintritt (Hochzeit) erhält an vielen Orten Oberbayerns 


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das Perjonal des fogenannten Kammermwagens zuerit Kraut ans 
geboten. Bei der Hochzeit in Glonn (Oberbayern) fpielen die Mufi- 
fanten, wenn das Kohlfraut auf den Tifch gejeßt wird, eine bejon- 
dere MWeife, wobei von den Gälten auch befondere Verje gejfungen 
werden und das Trinkgeld “Theuergeld’ für die Mufifanten, die das 
Kraut ‘einblafen’, ins Kraut geworfen wird (Niedermayr, Glonn 
©. 168; Düringsfeld, HochzeitSbudh 1871, ©. 125 ff.). Slüdmwünfce, 
die nad) dem Sauerkraut ausgedrüdt werden, haben nicht Die 
gleiche Wertihägung, wie die vor diefem TFaltgerihte vorgebraditen 
(Oberbayern), erjt mit diefem (d. h. mit der Opferfpeife für die 
Hausgeijter) ift die Verehelihung legitim. m Blämifchen heißt es 
darum von einem Paare, das fchon vorher ehelich verfehrt hatte; 
‘Sy hebben het spek al weg, eer nog de kool is opgedischt’ 
(A. de Cock). Sn Larodje jagt man, wenn e3 am Hochzeitstage 
regnet, von den Eheleuten; ‘i-] on mougne !’ djot’ o po’ = ils 
ont mang& le chou au pot; d. h. fie haben nicht abgemwartet, bis 
das Hochzeitsgericht (der Kohl im Topfe) regelmäßig aufgetijcht war, 
fondern fie haben fchon vorher jeruell zufammen verkehrt (Rolland, 
2, 31), wofür e$ zur Strafe regnet. Nad) verfchiedenen anderen VBolfS- 
litten ift aud) im fogenannten Castrais von Güdfranfreih der 
Kohl eine Hochzeitspflanze par excellence. Penn in der Braut 
naht eljen die neuen Gatten im neuen Hausitand eine KRohljuppe 
(von Düringsfeld Hochzeitsbud), ©. 258). Sn der Creuse (franz. 
Marche) geht am SHodhzeitstage ein Cortege (Umgang) herum, 
welches ein am Wbend vorher abgeitochenes Huhn mit Kohl trägt; 
man fodht das Huhn und den Kohl zufammen und jerviert diejes. 
Geriht den Verbeirateten, wenn fie zu Bett find (Rolland 2, 45); 
bier ift die Eommunio mit dem Haußgeifteropfer ganz Kar; erit 
durch Diefen Anteil an diefer Opferfpeije gewinnen diejelben den 
Truchtbarkfeitsjegen. Sn Schlefien, Helen, Polen, Oberbayern, 
Schwaben und Tirol gibt eS feine Bauernhochzeit ohne KRohliraut; 
an feinem anderen Tage ift diefes Gericht fo felbftverftändlich als 
am Hochzeitstage, es findet ein eigener ‘Krauttanz’ jtatt und erft 
wenn das Kraut auf den Tifch gefegt wird, darf das ‘Kraut-Alb- 
Thießen’ aus 3 Böllern erfolgen; alfo nicht daS Schmeinefleijch im 
Kraut fpielt Dabei eine Zyeitrolle, jondern nur der Kohl. Diefer 
Hodzeitsbraud hängt aber zufammen mit dem früheren Hauseinzug- 
opfer, da3 wir gleich verfolgen wollen. Auch im Grödenertal tanzt 
man auf der Hochzeit den bal del craut; überhaupt darf aud in 
Tirol das ‘Chrenktraut’ oder hochzeitlihe Sauerkraut nicht fehlen. 


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— 189 — 


Auch am Tegernfee war bislang der Krauttanz üblih; ein Mädchen, 
das bei diefem Tanze nicht mittanzt, wird al3 "Krauthüterin’ be- 
zeichnet. Ym jchwäbifchen Demwangen wird der Braut vor dem 
Heimgeben ein Teller Sauerkraut vorgefeßt, wovon fie efjen muß, 
angeblid) um das Herbe jchon im voraus zu fchmeden (von Dürings- 
feld, ©. 144). Die befondere Stellung als Hochzeitliche KRultfpeife 
bat aber der Kohl faft nur innerhalb der vom ehemaligen Römer: 
reiche gegebenen Grenzen des deutfchen Reiches. In Palermo wird 
frupulös der Brauch beobachtet, beim Einzuge in ein neues Haus 
ein Gebäd aus Kohl und geröfteten Filhen zu Tochen, da8 Gleiche 
gefhieht audy) beim Wohnungsmedjlel (Rolland 2, 34). 

Die einziehenden Dienjtboten fommen in der Pflegfchaft 
Reichenfels am Mittag zu ihrer neuen Herrfhaft und erhalten da- 
jelbjt Einftandsklöße, weldye fie aber auf der Ofenbanf (HausSgeifter- 
jtätte) verzehren. Sauerkraut wird dazu nicht vorgefeßt, damit ihnen 
die Arbeit nicht befchmwerlich falle; gerade diefer ausdrüdlihe Aus: 
fhluß von Sauerkraut fpriht für früheren Braud), aud) Sauerkraut 
den einziehenden Dienftboten zu reichen (Köhler, Wolfsglaube, 
©. 429). Profeflor ©. Bolte fügte einer Abhandlung des Verf. über 
das Bauopfer im farmwintel eine Fußnote bei, in der er fchreibt: 
Ein foldies Mahl eines Haufes, zu dem die Nachbarn auf DBeran- 
lafjung eines Schalfes alle Kohl mitbringen, erwähnt der Nürn- 
berger Xörg Hager 1593 in einem Mteifterliede: ‘Die 12 KV. 

Bufammenfafjend läßt fi nunmehr folgendes Ergebnis aus 
vorangehender Abhandlung ableiten. Der Kohl ftammt aus dem 
DOriente und kam dur die Griechen bezw. Römer im 6. SYahrh. 
nach Deutichland; mit diefer Wanderung wanderte aud) defjen volf3- 
üblihe Verwendung als Heilmittel und Gemüfepflanze; alS primi- 
tives Opfergericht der bäuerlichen Kreife an die Hausgeifter murde 
der Erftlingsfohl auh ein Sühne- und Reinigungsopfer an den 
 Heilgott Apollon; neben der myftiihen Reinigung und Heiligung 
die dadurch erftrebt wurde, ging aud) die praftifhe und empirifche 
Verwendung fortwährend nebenbei einher. Die Verwendung des 
Kohls als Yappaxcs im Kultritus des Heil- und Sonnengottes 
Apollon führte zu der ärztliden Benußung als reinigendes und 
heilendes Yappaxov durch die griechifchen Prieflerärzte, deren vom 
Driente beeinflußten Lehren dur) Pythagoras und Hippofrates 
den römijchen Werzten und Schriftftellern vermittelt wurden. Aus 
diefen jchöpften dann die Kulturvölfer des Mittelalter ihre dies- 
bezüglichen Kenntnifje über den Kohl als Heilpflanze. 


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" & e 2 . 


Gleichzeitig mit dem Kohl als Heilpflanze übernahmen die 
vom NRömertum zunädit beeinflußten jüddeutfchen Stämme den 
Kohl au) als volfsiihliche Opfergabe an die Hausgeifter, in welcher 
(allerdings abgeblaßten) VBerwendungsart der Kohl fi bis auf 
unjere Tage erhalten hat al3 Kultfpeife beim Einzuge in ein neues 
- Haus, aljo bei der Hochzeit und beim Hausbau. Die Verwendung 
des Rohl3 ift ein Beifpiel dafür, wie antife VBolfsmedizin fortlebt 
bi auf unfere Tage und wie aud) der heutige Volfshraud nod) 
von der Untife beeinflußt wird. Mit dem Importe des KRohls in 
vorahd. Zeit wanderte auch der an ihm haftende antite Volfsglaube. 


3 


— 10 — 


Zur Entltebungsgelchichte der Deffen-Darmftädtifchen 
Verordnung gegen das „Gieraufbeben" bei Hochzeiten 
vom 9. September 1695. 

Bon Stadtpfarrer D. Dr. Diehl in Darmitadt. 

Zu den interefjanteften „Hochzeit3ordnungen“, die in Hefen- 
Darmitadt im Verlaufe des 17. Jahrhunderts erlajjen wurden, ge- 
hört die vom 9. September 1695 datierte „Fürftlie Verord- 
nung, daß bey den Hochzeiten und andern Ehrliden 
Zujfammenfünfften die im Shwang gegangene Uep- 
pigfeiten gänglid abgeftelt fein follen.“ Gie mendet 
lid) gegen das bisher als „alte Gemohnheit“ bei Hochzeiten beftan- 
dene „Umblauffen von Haufe zu Haufe und Eyer einfamblen, 
auch Außitreinen auß den Thoören in die Wälder und unziemliche 
Schreyen und Tanten in verftelleten Kleydungen“ und hat folgen: 
den Wortlaut: 

„Don GOttes Gnaden Ernft Ludwig / Landgraf zu Heflen / 
zürft zu Herßfeld / Graff zu Caßenelnbogen / Dieß / Ziegenhain / 
Nidda / Schauenburg / Yenburg und Büdingen | 2c. 

Lijebe Getreue. Nachdem Uns mißfällig vorgefommen | was: 
mafjen in Unferm Fürftenthumb und Landen auff denen Hochzeiten / 
und bey andern an fi jelbit erlaubten Zufammenkünfften verfcie- 
dene Uppigfeiten getrieben / und offt bif in die fpäthe Nacht dar- 
mit die Zeit zugebradt / auch darbey unter dem Nahmen einer fo 
genandten alten Gemohnbeit / mit Umblauffen von Haufe zu Haufe 
und Eyer einfamblen aud Außjtreinen aus den Thoren in Die 


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— 191 — 


Wälder / bey unziemlihen Schreyen und Tanten in verjtelleten 
Kleidungen und dererleyg üppiges Wejen mehr vor und unter- 
nommen / annebenft die Hochzeiten mit grofjer Ubermaß auff 2. 3. 
au) mehr Tage gehalten | und mit dem Tan biß in die Nadtzeit 
hinein continuitet werde / wodurd) fo wohl auff denen Gafjen als 
in denen Häufern / fonderli bey der Jugend / wann fie Jolches mit 
anfehen / nicht geringe Uergernüß entitehet: Wir aber diefem den 
Gebotten GDttes | fodann denen Reichs- und Crayß- und Landes | 
ingleihen anderen Unjeren und Unferer Hochjeel. Herrn NegierungS- 
Vorfahren in verfchiedenen Jahren nacheinander dur den offenen 
Trud publicirten Bolicey- und LZandes- aud) andern abjonderlid) 
darauff eingerichteten Ordnungen / Edicten und Inhibitorial-manda- 
ten / felbjt auch der gemeinen Erbarfeit entgegen lauffenden Beginnen 
feines Wegs nacdhjzufehen gemeinet feynd; Als ift Unfer Gnädigiter 
Befehl an Euch Hiermit / daß hr. Unfer mißfallen darüber denen 
Gemeinden und lnterthanen / de8 Euch Gnädigjt anvertrauten 
Ambts durch veranjtaltende offentliche Ab- und VBorlefung von Wor: 
ten zu Worten Ddiefes Unjer3 wiederhohlten Verbotes fund madet 
und alles folches und anderes ärgerliches Unmefen / infonderheit das 
Verkleyden / Eyer Auffheben / alles Ernfts und bey VBermeydung ohn 
außbleiblider Geld- Gefängnüß und anderer Straffe gäntlid) und 
ernftlichit verbiethet / auch nicht geftattet daß die Hochzeit: und ans 
dere Säfte länger / dann längjtens biß umb 9. oder zehen Uhr des 
Abends / beyfammen bleiben / Hingegen fie anmweifjet / fich bey folchen 
und allen andern Gaftmahlen wie die Nahmen haben fünnen nidt 
nur aller Zudt und ehrbahren Gittfamfeit fich zu befleifjigen / jon- 
dern aud) in der gejeßten Beit in der Stille wiederumb nadjer Haufe 
zu begeben / darmit der gerechte grofje GOtt nicht weiter erzürnet / 
und zu Verhängung mehrerer Yand-PBlagen / über die all hon nun- 
mehro wieder etliche Jahre her auff dem Halfe liegende vermüfliget 
werde / geitalt Yhr gegen die jenige / fo darwieber handeln werden / 
ohne Nacdhjfehen mit der execution der Beftraffung zu verfahren 
habt. Berlafjens Uns alfo zu gejchehen / und feynd Eudh in Gna- 
den wohl gewogen. NRomrod am 9ten Sebtempris 1695." 

Über die Entftehungsgefchichte der Ordnung war man bisher 
völlig im Unklaren. Dur einen glüdlihen Fund bin ih nun: 
mehr in der Lage, über den Anlaß zur Abfaffung der an alle Be- 
amten de3 Oberfürftentums, der Obergraffhaft Kabenelnbogen und 
der Herrihaft Eppftein überfandten Verfügung Genaueres mit- 
auteilen. 


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— 132 — 


Den Außeren Anlaß hatte ein Vorfall gegeben, der fi in der 
zweiten Hälfte des AYuli 1695 bei einer Doppelhocdhzeit in Giehen 
zugetragen hatte. Er war den Mitgliedern des hochfürftlichen Kon 
fiftorii zu Gießen zu Ohren gefommen, die daraufhin am 26. Yuli 
den Oberfchultheißen und peinlihen Richter David Rudolf Mo- 
gen beauftragten, die Angelegenheit gründli zu unterfucdhen. 
Mogen kam dem Befehl alsbald nad. Er „börete einige Nacht- 
bahrn ums Hochzeit-Hauß”, fomwie „zwei Hochzeit-Gäfte ab”, Iieß Jid) 
fodann „dDurd) der Bräuthe Gtiffvattern eine Specification der 
jungen Burfh und WeibSleuthen wie auc) der Spielleuthen geben,“ 
mwelche der Hochzeit beigewohnt, und fandte am 5. Auguft jein Ver- 
nehmung3protofoll nebjt der Specification an das Konfiltorium ein. 
Diefes lieferte die Alten am 27. Auguft an den Landgrafen ein und 
Ihlug „ohne underthänigfte Maaßgebung“ vor, es möchten „die 
böße eingefchlihene Gewohnheiten des Eyeraufhebens und anderes 
bey denen Hochzeiten treibenden offentlien Unfugs ... durch ein 
allgemeines Außjchreiben abgeftellet, auch eine gemilje Zeit, wann 
die Hochzeiten angehen, und jid) wieder umb zehen Uhren Abends 
gänzlich endigen follen, bey Straffe angejeßet und dero Unterthanen 
publiciret werden.” Darauf erfchien die oben mitgeteilte Ber: 
prönung. 

Außer ihr ift befonder8 das von Mogen aufgenommene Pro- 
tofoll kulturgefhichtlih intereffant. Wir teilen eS als Beitrag zur 
Bollstunde von Gießen wörtlih mit. E3 lautet: 

„Actum Giejfen den 30ten Aulit ao 1695. 

Snquifition3-Protofoll wegen der alhbier vorige 
Woche gehaltenen bürgerliden Hodzeit: 

Teft. I, Fohbann Henri Mauß, Bürger und Thorfchreiber 
albier fagte auff gethane Handgelöbnuß an Eydsitatt: Daß, als 
vorige Woche die beyde Völderifhen Töchter Hochzeit gehalten, Die 
junge Burfche, wie gebräuchlich alzeit gemeßen, die Eyer aufgehoben, 
ob Gie aber Spielleuthe bey jich auff der Gap, oder die Angefichter 
geihmärkt gehabt, miele Er nicht, dann Er die Wacht gehabt; den 
dritten Tag jeygen die junge Burfh und Weibsleuthe, zwey und 
zwey dem Geltersthor Hinausgangen, und um die Schor bey dem 
neuen Weger-Thor herfommen, nnd nad) dem Wald gangen, darein 
Sie einen Tank um ein Hammel-tamm gehalten. Ym Aus- und 
Einzug jeye einer, mit Nahmen Koh. Sacob Stroh, voran gangen, 
welcher ein Bayonette in der Flinde gehabt, deme die Spielleuth, 
der Thurmann und die Filcher alhier, auff den Geigen fpielend, 


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DE. 0 
2 er N. 





— 19 — 


gefolget, Hinten nach jeye Johann Henrich May des Wallmeifters 
Sohn nody mit einer Flinde und darinn ftedendem Bayonette ge- 
gangen, und habe Er bey dem Auszug feine verfleydete Perfon ge- 
fehen: des Morgends habe Er des Prefchers, eines Soldaten, Buben 
von 12 oder 13 Kahren, auff der Gaß in einem alten Narrnfleyd 
herum jpringen gefehen, fonjten jegen die Hochzeit-Zeuth Friedfam 
und ftill geweßen, fönte alfo von nichtS weiters fagen. 
Den 31. Aulii. 

Teft. I, Kohbann Philip Fid, Bürger und Beder allbier, 
ward auff gethane Handgelöbnuß vernommen, und fagte an EydS- 
ftatt aus: Daß vorige Woche bei des Völders Töchter Hochzeit der 
TIhurmann bey den jungen Xeuthen, und die 2 Filher, Johann 
... (M) und Sacob u. oh. Philip Lampeh, Bürger und Schney- 
der bierjelbften, bei denen alten Zeuthen mit Geigen auffgewartet; 
AS Sie die Eyer zum 1ften mahl aufigehoben, jeyen die junge 
Burfh allein gemweßen und hetten des Thurmanns Gejfellen und 
ungen ich über die Gaß fpielen Iaffen und bette einer ein Narın- 
Meyd angehabt, und die Finder weggepritichet, wer aber Diefer ge= 
weßen, fönte Er nicht jagen. Des andern Tags, als Sie die Eyer 
aufgehoben, wären Bürger, nehmlich der Beder Weiß, der Weiß- 
bender Debus, Mori Harth und Konrad Kannengiefjer, der Schney- 
der Yampeß auff dem neuen Weg, der junge fleller, Zeinmweber, und 
Quirin Xöber, Schumadjer darbey gemweßen, hbetten die 2 FFilcher 
und Lampeßen zu Spielleuthen bey fi) gehabt, mworzu nod 
des Thurmanns Gefel und Kung fommen, und feyen aud) Die 
jungen Burj darbey geweßen, habe den verfleydeten damahls 
nit bey „Shnen gefehen. Den dritten Tag jegen die junge VBurfd) 
und Mägdehen dem Gelgers Thor hinauß um die Schor na dem 
neuen Weg in den Wald gangen und darein um ein Stern-Lamm 
getantet, bey diefem Auszug hette der Thurmann mit feinen LZeuthen 
über die Gaß gefpielet, Jacob Stroh wäre voran gangen mit einer 
Tlinde und ein Bayonette darein fteden gehabt, und ein Degen 
angehabt, darauff die jungen Leuth 2 und 2 nachgefolget, zuleßt 
fege des Wallmeifters Sohn noch mit einer Flinde, und darein ein 
Bayonette gangen, und ein Degen um fich gegürtet gehabt. Dem 
neuen Weger Thor feyen die alten, Männer und Weiber, und die 
Spielleuth, die beyde Fifcher und Yampeß voran gegangen, wie Sie 
wieder fommen, feyen alte und junge Leuthe dem neuen Weger 
Thor mit einander hinein fommen und hetten wieder einen ver: 
feydeten bey fich gehabt, da gefagt worden, daß es der alte Debus 

18 


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gerveßen, und wären darauf mit einander ins Hochzeit-Hauß gangen. 
Endet darmit u. ward erlafjen. 

Teft. II Sohann Henri Böß, Bürger und Leinenweber 
alhier jagte an eydesftatt auff gethane Handgelöbnuß: daß bey der 
Hochzeit in Khrer Nahtbahrfhafft jüngfthin die jungen Burih dem 
altem Gebraud) nad) die Eyer mit Spielleuthen auffgehoben, dar- 
bey des Prefchers Bub ein alt Narın Kleyd angethan, und mit- 
gangen, eye diefer Bub fein Hochzeit Gaft geweßen, fondern ar- 
beite bey dem Ziegler, defien Sohn Hochzeit gehalten, und habe es 
der Bub gethan, daß Er ein Stüd zu effen befommen, der Nullin (2) 
Bub, fo aud) fein Hod)zeit Gaft gemweßen, hette die Köte, worinn 
Sie die Eyer gethan, getragen, und ein hohen Huth auffgejeßt, fi 
aber nicht verlleydet, des andern Tags habe Er nit in at ge- 
nommen, wer die Eyer auffgehoben. Den leten Tag wären die 
junge Burfch mit den Spielleuthen dem Gelters Thor hinauf gangen, 
und das Zamm mit geführet, der voran und Hintenan gegangen, 
betten linden und Bayonetten darein gehabt, habe von Stroh und 
Wallmeifters Sohn gehört. Dem neuen Weger Thor wären Die 
alten Leuth mit Spielleuthen bienau3 gangen, und babe Er gehört, 
daß Sie am Wald getanget, wie Sie dem Thor wieder hienein 
fommen, babe Er nicht gefehen, die Leuth hetten gejagt, des ‘Pre- 
[her Bub habe fich verfleydet gehabt, fonjten mwielle Er von nichts 
zu jagen. 


— 14 — 





Den 1. Augufti. 

Zeit. IV. Philipß Balthafar Otto, Bürger und Schub: 
mader albier, jagte uff gethane Handgelöbnuß an Eydsitatt: daß 
bey der Hochzeit in Yhrer Nadıtbahrijhafft die vorige Wocdje Die 
junge Burj mit den Spielleuthen die Eyer, wie gebräudlicdh, auff- 
gehoben, da Er gejehen, daß einige Bürger, alS der Debus, Duirin 
Xöber und Hardt, bey Yhnen gejtanden, ob Sie aber mit herum: 
gangen, fünte Er eben nicht fagen, der verflendete feye des Preichers 
Bub gemweßen, und des Nulls Buben betten Sie die Eyer zu tragen, 
mitgenommen, welcher ji) aber nicht verfleydet gehabt, einen jpiten . 
Huth Hetten Sie ihm auffgefeßt und ein Gteden in die Hand ge= 
geben, von Bürgern wielje Er niemanden, jo jic) verkleidet habe. 
Die jungen Burfch jegen mit dem Thurmann nad) dem Gelßer3- 
Thor gangen, und betten 2 und 2 fi geführt, die Männer und 
Weiber jeyen dem neuen Weger Thor hinauf gangen, und betten 
fi) einen Hahn nadtragen lafjen, was Sie draußen gemadt, fünte 
Er nicht jagen, habe nichts ungebührliches auff der Hochzeit gejehen, 


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fondern die Zeuth hetten fie) Iuftig gemadt und getantet, wie e3 
auff Hochzeiten hergehe. Endet darmit und warb erlaffen. 
,‚ Den 5. Augufti. 

Teft. V. Kohbann Henri Ludwig, Bürger uud Beder 
alhier fagte auff gethane Handgelöbnuß an Eydsitatt; dab auff 
feiner beyden Gtiefftöchter jüngfthin in feinem Hauß gehaltenen 
Hochzeit fi) niemand als dies des Soldaten Prejcher8 Yung ver- 
Heydet gehabt, nur darum daß Er ein Stüd zu efjen befommen, 
die jungen Burfc) hetten dem alten Gebrauch nad) die Eyer auf 
gehoben und die Spielleuth bey fich gehabt, und meiln einiger 
Bürger Weiber nicht zu Hauß geweßen, wären dießelbe Bürger mit 
den jungen Burfchen nad) Syhren Häußern gangen, und hetten hnen 
die Eyer gelangt, etlidhe wären hnen nad) und ins Brandwein- 
hauß gangen, den Ein: und Auszug referirte Zeug, wie die vorigen, 
und daß darbey niemand als des Prefchers Yung verfleydet ge- 
weßen. Sm Wald hetten Sie um den Hammel getanget, und märe, 
wie gebräuchlich, wieder in die Kücd) gegeben worden. Sonften jeye 
alles auff der Hochzeit friedlid und ftiN hergangen, und feye Er: 
jelbft auff der Hochzeit gemweßen. 

Zeit. VL, %oh. Conradt Kannengießer Bürger und 
Bender alhier, jagte auff gethane Handgelöbnuß, daß Er auch auff 
der lebt hier gehaltenen Hochzeit gemeßen, und als die junge Burj) 
den 2ten Tag die Eyer auffgehoben, wären Shrer etliche Bürger 
nachgegangen, aber die meinfte ins Chramer Bennen beder (?) 
Hauß jtehen geblieben, des Prefchers Bub Habe fih um das ejjen 
und trinden verflegdet gehabt, der Ein- und Wuszug jeye, 
wie aljehon bezeuget morden, gejhhehen, und Habe fi niemand 
fhwarg gemadt. Sonften wielfe er von feinem Gtreit oder Ge- 
zünd fondern es jeye alles ftill gemeßen. Syohann Daniel Schettel 
habe niemahl im Hauß aus Kurzmeil einen leinen Kittel und der 
Debus ein leynen Kleyd angehabt." 


3 


— 19 — 


Kleine Mitteilungen. 


Die Srtsnamen Bramaren uud Beuern, 


in den Summaria traditionum veterum de3 Mönches Eberhard, im Kapitel 
Heffen, Lahngau ufm., wird überliefert, daB Trutmwin und Elberich dem h.. 
Bonifazius, d. h. dem Klofter Fulda al ihr Hab und Gut in Bucheseichehe 


13* 


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_ 16 — 


und in Bramaren jchenften‘), Bu[oJcheseichehe, im 12. Jahrhundert Bulo]- 
eheseche und Bu[ojchesecke, ift das heutige volfstümliche Bousich und amt= 
liche Bujed?); gemeint ift von den beiden jegigen Dörfern diefes Namens 
Alten-Bujed. Zum andern Drt bemerft Wend®): „Bramaren ift vermutlich 
Beuern im Bujeder Tal“. DO. Röschen ‘) fümmert fi um das „vermutlich* 
nicht und nimmt die Ydentität für eine ausgemachte Sache. Taraufhin bat 
fi eingehend mit dem Namen beichäftigt &. Schöner in einem Xrtilel in 
der Darmftädter Zeitung 1903°), der dann in etwas ermeiterter Geftalt im 
„Helfenland“ 1905 ©. 138 ff. erjchien. 

gür ihn tft die Zufammengehdrigleit von Bramaren und Beuern nicht 
nur möglich, jondern jehr mwahrjcheinlich. Er fucht das durch eine Reihe von 
Beilpielen einleuchtend zu machen. Aber ein Blid genügt, zu ertennen, daß 
mwenigitens die meiften davon mwejentlich anders geartet find. Daß ehemaliges 
Witterams da3 heutige amtliche Wiedermus tft, bedarf leines weiteren Bemeijes ®). 
Bellersheim ijt die amtliche Form für mundartliches Bellerschem, da3 lautgejeg- 
liche Entwiclung aus älterem Beldersheim (1268) und urjprünglichem *Baldrates- 
heim’) if. Das eigentümliche Lämmerspiel ift eine faljche Verhochdeutichung 
von mundartlichem Lemmerschbil, da3 entitanden ift aus altem Limmerspuel, 
Lyemersbuhel (1415), d.i. *Liutmarsbühel®). Die Brücde zwiichen altem Liboldes 
und heute amtlichem Lieblos bildet da8 von Schöner mitgeteilte mundartliche 
Läiwelds oder Läibles. Bechtolsheim erflärt fich leicht aus der Grundform 
"Berhtolfesheim®). Bechtheim!?) fanıı wohl altes Berahtgisesheim (in Schen- 
fungen an Zulda) jein. Auch Armsheim läßt fich al3 Entwidlung aus Aribimes- 
heim (775), Aburinesheim (789) '!) zur Not erllären. Bruningeshaga (u = ii) ift 
zu heutigem Breungeshain (nichjt — heim)'*) geworden, indem -haga durch 
-hagen >hain erjeßt wurde, 

Anders verhält es fich jchon mit Heribrahteshusen, daS da3 jebige 
Herbstein jein jol. Heribrateshusen wird 1011 und 1013 al8 Grenzort eines 


1) Schannat, Corpus tradit. Fuldensium, S. 307, Nr. 47; Dronte, Tradit. 
et Antiqg. Fuld. I, S.87, Nr.66. Die Drude beider Herausgeber find an den 
angeführten Stellen richtig, wie mir der gegenwärtige Neubearbeiter des Ful- 
daer Urkundenbuchs, Herr Privatdozent Dr. Stengel in Marburg, mitteilt. 

2) MWend, Heff. Qandesgefch. II, 435, Anm, Spalte b; Weigand, Oberheif. 
Drtsnamen, im Acch. f. bel. Geich. u. Altertumst, VII, 309; W. Sturmfels, 
Die Ortsnamen Heflens, 2, Aufl, S. 12. 

)a.0.d. 

*) Beichreibung der evangeliichen Pfarreien des Großherzogt. Heilen 
(1900), ©. 88. 

5) „Der Ortsname Beitern.” Nr. 400, Nachm.-Blatt. 

°) Weigand 258. 

’) Ebd. 311, Sturnifel3 ©. 6; vgl. Beltershain u. Beltershausen. 

°®) S. Sturmfels 45; W. Horn, Über Orts- und Flurnamen, in Blätter 
f. heil. Volfst. 1899, ©. 21. 

%) Sturmfels S.5.— Das rift an die gutturale Spirans h alfimiliert worden. 

1, Sturmfels ©. 5. 

11) Sturmfels ©. 4. 

12) 5, Weigand 810, Sturmfels 11. 


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— 197 — 


fuldifchen Gerichtsbezirt3 und eines an Fulda gejchenkten ForjtS erwähnt?). 
Schannat fucht darzutun, daß darin Herbstein (1325 Herber- und Herbestein’?)) 
zu fehen fei. Ausgefchloffen jcheint das nicht, aber bemeijen läßt es fich mohl 
faum. E83 müßte dabei ein Wechlel im zweiten Beitandteile des Namen3 ein- 
getreten fein; jolche Wandlungen laffen fich belegen, find aber nicht jehr häufig 
und meift wird wohl eine ungemöhnlichere Bildung durch eine geläufigere er- 
jet worden fein’), was in unferem Fall nicht zuträfe. Schöners Hauptbeijpiel 
ift Geriwarda (nicht Gariwarda) — Gedern. Sn Loricher Urkunden v. 787, 800 
und 837 und in den Summarien Eberhards von Fulda wird die villa Gewirada 
— Gawirida, Geriwarda — Gawirida, Gewirata — Garwirida, Geriwidi in der 
Wetterau aufgeführt‘). Wend*) fragt: jollte es etwa Gedern fein? und Schöner 
genügt das, die Sdentität beider für zweifellos anzufehen‘). Eine gemifje Ahn- 
lichkeit der Namen ift nicht zu leugnen; aber da fich Gedern, früher Gaudern, 
Geudern, nicht gut erflären laßt’), jo könnte nur an eine Entitellung, nicht an 
eine voll3etymologiiche Umbildung gedacht werden. 


Zmifchen den Namen Bramaren — Beuern ift der Abjtand noch größer, 
die Ahnlichkeit ziemlich entfernt, wie Ihon Schi in feiner Kritit von Schöners 
Auflag?) bemerkte. Hinzu fommt, daß die heutige Yorm in ihrer Bedeutung 
Har ift. Schöner möchte die mundartliche Sorm Bäuen (er |chreibt Bäujäan) un- 
mittelbar mit Bramaren in Zufammenhang bringen, fie ift ihm „eine Analogie 
bildung der abenteuernden VBolksetymologie.” Uber um derartiges annehmen zu 
dürfen, müßte man zuerst andere Gründe Haben, welche die Bleichjegung beider 
Namen nahelegen könnten. Im Wirklichkeit ift Bäuen nichtS anderes als die 
volfstümliche Entiprechung der amtlichen Form und jest mittelhochdeutiches 
Büren oder Biiern voraus, das fich auch in denlirfunden vom 18.°) bis An- 
fang des 16. Jahrhunderts findet. Gejchrieben ift freilich Buren (Buren, Burin, 
Buern): der Umlaut wurde nicht bezeichnet'°). Beuern < Büren ift ein Dativ 
der Mehrzahl, und ze den biuren bedeutet jo viel als „bei den Wohnungen, 


1) Schannat, Patrimonium Sti. Bonifatii sive Buchonia vetus 827. Schneider, 
Arch. f. Heif. Sejch. II, 519 FF. 
2») Meigand 325, Sturmfels 36. 
®) So haben Ortsnamen auf -weiler diejfe Endung Hfters durch -heim, -dorf, 
-berg erjett (vgl. Behaghel, Die deutichen Weiler-Orte, Wörter und Sachen II, 
. 50). 

*) Codex abb. Laureshamensis II 681 Nr. 2990 — III 263 Str. 8761, II 
642 Nr. 3023 — III 266 Nr. 8768, II 631 Nr. 2891 — III 269 Nr. 8767. 
Dronte, Trad. et antig. Fuld. 111 Nr. 223, 

°) II 499, Anm. Spalte b. 

°) Ebenio Sturmfels, erft in der 2. Aufl, ©. 26, 

’) Bol. noch Weigand 262, 

®) „Der Drtsname Beuern”. Darmift. Zeit. 1908, Beil. zu Nr. 470. 

) Zum erften Diale ericheint der Ort in einer undatierten Verlaufs- 
urfunde für Abt Meffrid von NArnsburg (1208—1219), |. Ebel, Mitteil. d. 
Oberheif. Geich.-Ver. IV, 79, 88). Baur, Urkb, d. Kl. Arnzb. 6. 

”°) Seit dem 16, Jahrh. wurde da3 u häufig mit den zwei Strichen 


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Häufern”'), vom ahbd. und mhd. (der) bür?). &3 ftellt fomit eine der ein- 
fachiten Benennungen dar, die fich für menjchliche Siedelungen finden laffen, 
und das erklärt, weshalb der Name auf deutichem Sprachgebiet jo häufig ift®). 

Was bat denn dazu veranlaßt, für Bramaren daS heutige Beuern in 
Anipruch zu nehmen? Außer der erwähnten Namensähnlichleit ohne Zweifel 
der Blaube, daß darunter ein dem ınitgenannten Bufed benachbarter Ort 
verftanden werden müfje. Aber das ift ja gar nicht nötig. An den Eberhardiichen 
Summarien finden fich öfter Orte zufammen aufgeführt, die jehr weit ausein- 
anderliegen. 

Senes Verfahren ift aljo jehr willkürlich und unvorfichtig.. E3 ift demnad 
fein Anlaß da, Bramaren für unfer Beuern anzufeben, aus pradhlichen Gründen 
verbietet fich eine Sdentifizierung gänzlich, Bramaren wird man danach wohl 
für einen ausgegangenen Drt halten müffen. 

Beuern. Wilhelm Lindenftruth. 


— 198 — 


um Aometenglauden. 


Dbrigleitlihde Anordnung eines Bußtags | 
wegen einer Kometenericheinung Ende des Jahres 1618, 


„Nachdem wegen dez in jungft verructer Zeitt, gelehenen Comet undt 
Sterns, jo ohne Zmweiffell Bottes Zorn undt ftraff antreumen undt verkundiegen 
tdutt, bey den Benachbarten Bußepredigt undt Bethftundte ahngeftelt, undt im 
Bußecdertdall auch unjere fundte zu bereumen, Solche feiner Almacht ab: undt 
da8 er unjer gnediger gott undt vatter jein, undt nit mit und nach) unferm Werth 
undt verdinft handeln will, zu bitten, hHochponnothen, So tft birmit unfer ern= 
fter befelch bey vermeidung hoher ohnnachleßiger ftraff, daß Morgen Freytags 
vor Mittag, alle Man undt mweibs Berfohnen, AB Menner mweyber Rinder 
undt gefindt im Bußedertdall, fi) zum gehor Gottliches mordts verfügen, 


darüber verfehen, aber fomohl wenn gejprochenes u al wenn ü vorlag. 
Würdtwein, Dioecesis Moguntina III, 286 hat in feiner Matrifel des Mainzer 
Acchidialonats ©. Stephan aus dem 15. Jahrh. Büren; die Schreibung feiner 
lonitigen Namen fieht aber wenig zuverläffig aus, — Seit ungefähr der Mitte 
dc5 16. Yahrhs. begegnet die heutige Yorm (Beuren, Beuern). 

1) Dasielbe aljo wie der Ortsname Hausen. 

2) Diefes bür erjcheint gewöhnlich al3 a-Stamm (Dat. pl. ahd. büron), 
aber es ift auch der Nom. d. Mehrz. büri belegt. (Einmal 1246, kommt der 
Name in der Einzahl vor: Bure. Baur a. a. D. 46). Obige Erflärung gibt 
auch Sturmfels 7, er jegt aber Bürun, -on, -en al Borftufe von Beuern an. 
MWeigands Deutung „zu den Bauern” ifl abzulehnen: Bauern als folche lönnen 
feinem Drt einen Namen geben, worauf fhon Schöner aufmerffam machte; 
zudem ift „Bauer“ althochd. noch regelmäßig ECompofitum gibüro ujm., erft 
mittelhochd. fommt neben gebüre „büre“ auf. Die Auslegung von Shid a. 
a. D. hat fchon Schöner („Zur Erflärung des Drtsnamens Beuern.” Darmft. 
Zeit. 1904, Beil. zu Nr. 152) zurückgemiejen. 

:) Beuern, Beuren, niederbeutich Büren, in Zufammenjegungen, 3. 3. 
Kaufbeuren, Benediltbeuern, Ybbenbüren, 


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— 19 — 


Daßelbe mit Andacht anhoren, die fündte bereumen, felbiege Gott abbitten, undt 
binfuhro ein Chriftliches ohnftraffliches leben fuhren jollen. Signatum Großen- 
bußedh ahm 7.ten Januarii Anno 1619. 
| Vierer undt GahnErben . 
Bußecderthals.* !) 


Das Altenftüd murde „von Dorf zu Torfichaften Buleder Tals dem 
Umgang nach überichictt und deffen Inhalt nach bejchehenem Glocdenzeichen 
auch verfündiget” ?). 

Beuern. Wilhelm Lindenftruth. 


Hanf Ehrenreihs Methode in der Deutung der allgemeinen Mythologie. 

Paul Ehrenreich, dem die Ethnologen eine mulfterhafte Monographie 
über Sidmwelt-Brafilien verdanken, hat fich jeit einigen Jahren mehr der 
Mythologie gewidmet oder beffer gejagt, der Yöjung des wichtigften Problems 
der Mythologie, der Frage nach) ihren Anfängen und inneren Gejegen. Zuerit 
verjuchte er ein einheitliches Bild der Sagen und Mythen der Süd- 
amerilanijhen Urvölter (Berlin, Aiher-Behrend, 1904) zu entwerfen, 
in ihren gegenfeitigen Wirkungen und ihren Berhältniffen zum nordamerifa- 
niichen und oftafiatiichen Sagenkreis. Wer fich aber jolch eine Aufgabe ftellt 
fann fih unmögli auf die bloße Sichtung der ZTatjachen bejchränfen, er 
muß fich über alle prinzipiellen und methodologischen Standpunkte perfönlich 
äußern, oder mwenigiten3 innerlich enticheiden. Er muß fich zuerjt mit eigenen 
Kräften zurechifinden in dem Kampfe zwiichen den verichiedenen oupotheient 
über die Entftehungs- und Übertragungsprogeffe. 


Daher die erjten Seiten der oben zitierten Schrift über die füdameri- 
tanischen Legenden; von ihnen ausgehend oder vielmehr um fie zu Haffifizieren, 
entichied fich Ehrenreich zu allgemein methodologiichen Sagungen. Er ward 
auch einer der Begründer der neuen mythologischen Schule mit Stucen, Siede, 
Lebmann u, a., referierte ausführlich über Breyfig’3 jonderbare Stellung 
(Bötter und Heilbringer, Zeitichrift für Ethnologie, 1906, S.536—610), und 
deswegen erwarteten fomwohl Ethnologen wie Yolkloriften und Mythologen mit 
bejonderer Spannung das Erfcheinen jeine3 vor einigen Monaten annoncierten 
Buches über die allgemeinen Grundlagen und die Methodif der Sagen- und 
Moythenforiehung®). 

Ueber die Tendenz der neuern mythologiichen Schule und die eigentüme 
liche Verwertung der vergleichenden Methode durch ihre Mitglieder hat fich 


1) Großh. Haus- u. Staatsarchiv in Darmitadt, Abt. XII, Adel, Bufeder 
Zal, Konvol, 29 (Ecclesiastica iin Bujeder Tal de annis 1612...1714), auf 
BL 9 u. 31 von „Einige Stüde, woraus zu jehen, mie die Kaftenrechnungen 
im Bujeder Tal abgehört, mit Haltung der Buß-, Feit- und Bettagspredigten ... 
pflege gehalten zu werden 1619”. 
2) Ebd. BI. 10b u, 32, 
98 Ehrenreich, Die allgemeine Mythologie und ihre ethnologifchen 
Grundlagen. 8°, 288 ©, Mythologiiche Bibliothek, IV, 1, Leipzig, Hinrichs, 
1910, 10 Mark. 


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—- 00 — 


in diefen Blättern Prof. 8. Helm geäußert!), und dasfelbe babe ich 
in der Bevue des Traditions Populaires und in der Revue des 
Etudes Ethnographiques getan (fiefe meine Religions, Moeurs 
et Lögendes). Wohl möchte ich erinnern daran, daB die Methode der 
neuen Schule bei allen ihren Anhängern zwar dielelbe ft, ganz verichieden 
aber ihre Anmendung bei Studen oder Leßmann, bei Siede oder Ehren- 
reich, fogar in der Technif: das Vergleichen wird bei manchen von den 
Anhängern der mytbologifhen Schule zu einem Anbäufen, Aufeinander- 
und Turcheinandermerfen von allerlei Tatfachen, welche ohne Zeit- und 
Raum-Berüdfichtigung zujammengerafft werden. So erreicht man den er- 
tremiten Bunt der ethnologijchen Methode, deren jchroffer Gegenjah zur 
biftoriichen Methode ficy hier mit Klarheit fehen läßt. So meit ging nicht 
einmal der große aber nebelhafte Baftian, und wieder zeigt fich, mie die 
vom Mteifter geichliffene Waffe fich in den Händen der Nachlommen in eine 
zum Kampfe nicht mehr geeignete Brunfwaffe verwandelt. Baftian mußte ganz 
gut — und das fiehbt man gleich beim Durchblättern eines beliebigen feiner 
Bücher — daß man die ethnologischen Tatjachen als folche fichten müffe, ohne 
Nüdlicht auf Zeit und Raum, um ein proviforifches Weltbild aufbauen zu 
fönnen, daß aber die nächfte Aufgabe dann die Anwendung der hiftoriichen 
Methode auf jede einzelne Tatjache oder Öruppe von Tatjachen fein muß. 
Deswegen hat er jelbit, 3.8. in feiner Loangokfüfte und fonft überall, die 
Boltsfunde zugleich Hiftorifch) und vergleichend bearbeitet; er mar aber nicht 
im Stande, eine innere Verjchinelzung der beiden Methoden zu jchaffen, eine 
Berichmelzung, welche exft jeit einigen Jahren unter dem Namen tultur- 
biftorifche Methode in der Wiffenichaft einen feften Boden gefunden bat. 

Vebrigens jcheint mir die Methode der Mythologiichen Gejellichaft jogar 
in Büchern wie denen von Frobenius und Ehrenreich nicht nur eine Ent- 
artung der richtigen ethnologischen Methode: fie ift außerdem ein jcheues Wieder- 
aufleben, eine unerwartete Wiedergeburt ber aftralen Deutungsmethode, Nicht 
nur Nort, Otfried Müller, Creuzer, Buttman u. a. müßte man bier loben, 
wie e8& ©. 6 tut, jondern auch Dulaure, und Dupuis, deffen Origine de 
tous les cultes eine jchöne Syitematifierung war. Dan wird gleich dem 
Autor zugeben, daß er weder unter Siede’3 noch unter A. Lang’s „Einfluß“ 
ftand, und daß er (S.5) auf Grund felbftändiger Studien zu gleichen Anfichten 
fam; dennoch reiht er. fich in jene Schule, deren Methoden und Richtungen 
er bevorzugt, obwohl er ein weiteres Tatfachenmaterial berüdfichtigt und zu 
anderen Detaildeutungen gelangt. | 

Schon mit den Definitionen fommt man von Anfang an ins unflare. 
Ter lebte Sag der Borrede lautet: „Sicherlich werden die großen Grund- 
probleme, wie das Verhältnis von Mythus, Sage und Märchen, das der 
Naturmotive zu den foziologiichen, das Wefen des Mythus überhaupt wie die 
an die Mythendeutung anknüpfenden Fragen noch auf lange hinaus die Beifter 
beichäftigen. &3 joll hier — (ich unterftreiche den Say) — über jie nichts 
entjchieden, fondern nur gezeigt werden, was die heutige 
Ethnologie zu ihrer Löfung beizutragen vermag.” Seder bat 
natürlich) das Necht, die Beichränftungen feiner Arbeit felbft feitzuftellen ; 


1) Heff. BI. f. Voltst. VI, ©. 188ff. und VIII, 189 ff. 


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— 201 — 


aber in einem Buch über „die allgemeine Mythologie" müßte doch gleich 
am Anfang die Definition der Fachmörter gegeben merden, aljo Mythus 
und Mythologie, Sage und Märchen. Dagegen wird in Kapitel 1 von Mytho- 
Logie, höherer und niederer Mythologie, Mythus ufıv. geiprochen, und da finden 
wir nur, daB Böch’s Definition (Mythus ift „der finnliche in Perfonifila- 
tionen gegebene Ausdrud der gefamten ethiichen und phyliichen Erkenntnis“) 
angenommen wird, die in ihrer unbeichräntten Allgemeinheit gar nicht? be- 
deutet — und weiter wird Wundt’3 „naturmpthologifches Märchen” auch in 
den Tanz der Terminologie aufgenommen. Dann finden wir noch „Märchen 
der höheren Kulturftufen” ujm. Somohl der Laie wie der Fachmann werden 
Doch zuerft wiffen wollen, wie und wodurch fich praftifch (d. H. in Geftaltung 
und Wejen) Märchen, Sagen und Mythus untericheiden laffen. Diele Son- 
derung wäre die Brundfrage einer „allgemeinen Wiffenichaft” des Mythus. 
Leider bat das E. ganz überjehen, und dazu hat er noch die von Wundt er- 
fundene Terminologie angenommen. So verliert man fich auch wieder hier 
unter allerlei Wortbildungen wie „Märchenmythus” und „naturmythologiich“ 
und „Kunftmärchen“ ufw., gerade al3 ob Klare Geilter in Deutichland feit 
©oethe nicht gegen jolche, die Kdeen unterdrüdenden Bloffolalien gelämpft hätten. 

Sch verzichte ganz und gar darauf, herauszufinden, wie & Märchen, 
Sage und Mythus unterjcheidet, und jo lan ich. nur Geite für Seite den 
inhalt jeines Buches Fritiich darlegen. 

Das erjte Kapitel, oder Einleitung, gibt uns zu wifjfen: 1. daß die 
Himmelsbeobachtung und die Himmelserjcheinungen früher und mejentlicher 
als alle anderen Erfcheinungen und Beobachtungen feien; woraus folgen 
fol, 2. daß die „Naturmythologie” uriprünglicher ift als jede andere Mythologie, 
und deswegen zum Ausgangspunkt der mythologiichen Wiffenichaft gemählt 
werden muß. Da haben mir die zwei Leit- Motive der ganzen Arbeit. Zus 
erft verteidigt fich Chrenreich gegen die Andersdenkenden, denen er jagt, 
fie möchten doch beffer die Augen aufmachen und die ganze Richtung der 
„Müythologiichen Schule” nach den Tatjachen felbjt prüfen. Ja, hätten wir 
gar feine Kenntnis der Tatfachen, jo würden wir auch nicht die „neue” (?) 
Syftematifierung befämpfen. Und das tun wir ohne VBorausjegungen mie 
die folgende (S. 46): „Die Regel... . . daß ein Mythus um fo eher als pri- 
mitiv zu betrachten ift, je einfacher und anfchaulicher er ift, je unmittelbarer 
er die Natureindrücde reflektiert." Am zweiten und dritten Kapitel wird dar- 
gelegt, daß die Mythologie nicht nur vergleichend fein fol, jondern auch er- 
Märend: aljo genügt es nicht, die Mythen nach geographiichen oder thema- 
tifchen Provinzen (nach meiner Terminologie) zu Llajfifizieren, jondern 
die „allgemeine" Mythologie muß die Mythen nach ihrem Inhalt jondern 
und gruppieren. Damit bin auch ich einverjtanden, und find e3 auc) 
alle Folkloriften, Religionsgejchichtler ufm., aber die Meinungen geben aus- 
einander, fobald es an die Bevorzugung der einen oder der anderen Deutung 
geht, wie der jymbolischen Deutung Ereuzer’3, der ariichen Hüfing’s, der „natür- 
lichen” Ehrenreich’3. Leider ift Deuten meilt hineinfabeln, und jo fommen 


wir wieder zu perjönlichen mtrofpektionen. Wenn 3. B. Ehrenreih ©. 34 


fagt: „das Verichwinden des Mondes in der Sonne fann als Berichlingung 
eines Heroen aufgefaßt werden, oder als deflen Kampf mit einem Ungeheuer“, 
jo fegt er gerade dieje Deutung voraus, vo ein anderer die Deutung voraus« 


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— 202 — 


jegen würde, daß die Verichlingung eines Heroen durch einen riefigen Anthro- 
pophagen, oder der Kampf eines Heroen mit einem Ungeheuer nur fpäter 
auf die Eclipfen übertragen wurden; für mich gehen alle diefe Mythen vom 
Menichen aus auf die Natur, und nicht umgelehrt, wie es Ehrenreich und die 
Mythologiiche Schule meinen : „die einzelnen Motive entiprechen den einzelnen 
Phafen des Naturvorgangs, dem fie den Charakter einer menfchlichen BHand- 
lung verleihen”; das heißt man auf franzöfiich mettre la charrue avant 
les boeufs (den Pflug vor die Ochjlen Ipannen). 

Dann führt Ehrenreich feine Theorie weiter mit Hilfe der Piychologie, 
und verliert fich in den Wald der eenaffoziationen. Wer fann da fagen, 
welche Pfade von ihm erdichtet und welches richtige Wege find: „Wird der 
Phajenmechlel des Mondes als Hautmwechjel, Hautabziehen oder Anlegen ge- 
faßt, To führt da3 einerjeit3 zur dee der Verkleidung in ein jchmarzes oder 
goldene8 Gewand, andererfeitS wird die Vorftellung einer Schlange ausgelöft, 
deren Häutungsprozeß ein univerjell beobachtetes und mythilch vermertetes Mo- 
ment ift”. Das find geradezu geometrijche Arabesten, von allerlei Themen 
au3 allerlei lofalen Mythenfchägen herausgenommen und fünftlich zu einem 
einheitlichen Modell vereint, worüber jeder nachher feine Phantafie gleiten 
laffen fann. 

Was über den Borteil der ethnologiichen Betradytungsmeile im 4. Ka= 
pitel und überhaupt über den heutigen Stand der Völkerkunde gejagt wird, ift 
ganz ausgezeichnet; hier fieht man wieder im Schaffen den Erforjcher der Bra- 
filtaniihen Eingebornen. VBortrefflicd äußert fich E. über faljche Annahmen, 
mie die, daß der „Wilde”, bezw. der Neger nicht abftralt denken fönne: er 
fann es wohl, braucht es aber nicht in feinen Lebensverhältnifien. (S. 57 ff.) 

Das 5. Kapitel, über „Mythologiiche Entmwidelungsftufen“ ift mieder 
etwas Künftliches, da als Ausgangspunkt das „naturmythologiiche Märchen” 
‚ angenommen wird. Antereffant ift aber doch die Sichtung der größeren 
Gruppen und PBarallelformen und die Analyfe der inneren und Außeren 
Kräfte, welche die Weiterbildung der Motive oder Motivgruppen bedingen. 
Bemiffe Mebereinftiimmungen zmwifchen Einmeihungsriten und Naturmythen, 
bezw. Sahreszeitenmwechfelriten find mit meinem Schema der Rites de Pas- 
sage leicht in Einklang zu bringen; aber hier ift ja der Ausgangspunkt nicht 
die Natur, fondern der Menfc) felbit. Wozu auch die Zivillinge al primär 
naturmpythilch erflären? Auch über das Allvater-Höhengottheit-Problem äußert 
fih ©. ©. 78; ich hingegen glaube an Uebertragung aus dem Chriftianigs« 
mus: darum, und meil epifodiich, befommen auch diefe Gottheitstypen feine 
Berehrung, feinen Kult. Weiter kommt dann die von E. gemachte Konfta- 
tierung ©. 81, „daß die Himmelsmythologie faft von vornherein jchon Sonne, 
Mond und Sterne al3 wandelnde Welen auffaßt und demnady auf fie menjch- 
liche Züge überträgt”; im Wörtchen „faft“ zeigt fich die aprioriftiiche Theorie; 
lajfen wir e3 fort, jo haben wir die Wirklichkeit jelbit ........ aber die ganze 
Niythologiihe Schule wäre umgeftürzt. 

Sogar die „Kulturheroenmythen“ reiht Ehrenreich in jeine einfeitige 
Theorie und in joldem Maße, daß die einzelnen Motive, wie der Kampf mit 
Ungeheuern, Untergang oder AUpotheofe ujw. des Helden „immer wieder 
die Züge der Himmelsmythologie hervortreten laffen”! So weit man auch von 
einer euhemeriftiihen Deutung im Allgemeinen entfernt fein mag, jo ift 


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dieje Deutung für Heroen und Helden doch beffer paffend als die Himmels 
monomanie. Oder gibt e3, und gab e3 denn niemals eigentliche und lebendige 
Helden auf Erden ? 

So bringt Ehrenreich allmählich alle Mythen- und Märchenzyflen in 
fein Schema unter, fie verfteinernd und alles menfchlicden beraubend! Um 
jo eifriger befämpft er (6. 92 ff.) andere einfeitige Theorien wie die panbaby- 
lonifche; und wenn man feine einfache aber gründliche Kritik diefer Theorie 
gelefen bat, jo wundert man fi) um fo mehr, daß er auf einmal feinen 
Scharffinn aufgehoben bat und fich von feiner „Bimmelstheorie” byp» 
notifieren ließ. Daß jchon Plato und XAriftoteles feine „Vorläufer” waren, 
(S. 100, Bemerkung) bezeugt gerade, daß folch eine Anfchauung nur eine 
fpäte und fünftliche fein Tann. 

Im 6, Kapitel gibt €. eine Weberficht der „Stoffe der Mythologie”. 
Anfangs wird ein wichtiger Wink gegeben, folche Ausdrüde wie „Ipontane 
Entitehung, reine Phantafiebildung“ ufmw. beifeite zu laffen. 

Die Stoffe werden geliefert: erjtend von der Natur (S. 107—146), 
zweitens von den menjchlichen BVerhältniffen (S. 146-154): man fehe die - 
Tisproportion der Geitenzahl! m einzelnen kann ich Ehrenreich nicht ver- 
folgen; aljo hebe ich nur einige wichtige Argumente hervor. 

Wenn Ehrenreich &. 108—109 betont, daß „die oft wiederholten regel- 
mäßig mechjelnden, allgemein fichtbar, den Eindrud des Gejeßmäßigen, Un: 
abiendbaren hervorrufenden” Ericheinungen allein Anlaß zum eigentlichen 
Mythus geben können, fo ift das ganz richtig: aber falich ift es, wenn €. 
als folhe nur die Himmelsericheinungen, und bejonder® Sonne und Mond 
betrachtet und deshalb die Tiermärchen nicht nur für fetundär hält, fondern 
fie jogar überhaupt nicht in die Mythologie einreihen will. Und doch fallen 
3. B. die totemiftischen Erzählungen ganz unter die gegebene Definition und 
ebenjo alle diejenigen Tier- und Pflanzen- und Menjchen- Erzählungen, welche 
mit fozialen Einrichtungen verknüpft find und darum kontinuierlichen Charalter 
befigen (3. B. mit befonderen Riten vereint: Kmaliutl, Zentral-Auftralien ufm.); 
ihnen gebührt alfo auch der Name Mythus, um jo mehr, al3 meift Kulthand- 
lungen damit verbunden find, welche von allgemeinerem und „nüßlicherem” 
Charalter find als die doch nur jporadisch auftretenden Sonnen- und Mondkulte, 
Was E. vergeffen hat, ift, daß Mythus und Kult eine Einheit bilden und fomit 
die Frage der „Primärheit” einer Mythenform durch die Primärheit der ent» 
Iprechenden Kultform beftätigt fein muß. 

In der Gichtung der Sonnen- und Mondmythen (S. 110 ff.) haupt- 
fächlich der legteren, fommt &. durch eigene Aifimilationen zu Behauptungen 
deren eine jede gründlich demonftriert fein müßte, beffer als e8 Siedle machte, 
bei dem alle Zeiten und Völferfchaften in ein Wirwarr zufammengehäuft 
find. Wenn fich fo der „Beginn einer neuen Forfchungsperiode, einer neuen 
Richtung” Tundgibt, jo mögen uns die Götter vor ihrer Weiterentwidlung 
hüten! Uber mer denn unter den neueren Ethnologen und WReligions- 
biftorifern möchte verneinen, wie es €, tadelt, daß „der urjprüngliche Mythus 
real angefchautes fchildert* (S. 120, Anmerkung)? Damit find wir ja 
alle einverftanden ; wir find feine Symboliter mehr! Aber das real ange- 
Ihaute murde anfangs nicht wifjfenjchaftlicy gedeutet und um jo weniger, 
je näher man dem Uriprung ftand. Tie Sonne war immer die Sonne: 


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aber da fie nicht als jolche verftanden war, d.h. als leuchtender Stern, fo 
wurden provilorische Deutungen geichaffen. Tiere und Pflanzen und Menfchen 
gab e3 auch. Und was wichtiger als alles für den Dlenjchen war, vom Ur- 
Iprung bi auf die heutige Zeit, das ift der Menich jelbit; alfo müffen die 
Menjichenmythen” oder beifer die „Mythen von lebenden Wejen” urjprüng- 
licher als alle anderen fein; das ift wenigftens meine Meinung. 

Tie E.’3 ift ganz anders. ©. 141 ließt man: „hinter vielen der fo- 
genannten Tiermärchen verbergen fich Himmelsmärchen*. ch jage das Gegen- 
teil, weil die Sonne zuerst als Tier gedacht wurde, erft päter als Menjch und 
jehr jpät als Himmelstörper. Diejen Evolutionsprozeß habe ich ausdrücdlich, 
obwohl in jehr Inapper Weije, in meiner Formation des Lögendes her- 
vorgehoben. 

S. 149 findet man eine gute Tisfuffion Über die „Traummpthen”; da 
hätte die Wiener Freudiche Schule auch berüdfichtigt jein follen. Soziologifche 
Mythen nehmen dann weiter nur drei Seiten ein, und gejchichtliche nur 
anderthalb! | 

Dann fommt ein Kapitel über „die mythologiiche Perjonifilation“. Den 
Mechanismus und die Formen diejes Prozefjes legt E. fehr Kar dar, fi auf 
Wundt’8 Schlußfolgerungen jtügend. Wenn unter Perfonifilation nur Anthro- 
pomorphismus gemeint tft, jo gebe ich gerne zu, daß wir es hier nicht mit 
einer urjprüngliden Denktart zu tun haben, auch daß Gedanfen mie 
Bater Hiinmel, Mutter Erde einen großen Brad von Abftraktion vorausjegen. 
Urfprünglicher find fie aber doch als die Annahıne, Sonne, Mond, Plejaden 
ujm. jeien Himmelsförper, jelbftändige und nicht menjchliche, oder nicht» 
tierifche, machtvolle Objekte. Heißt man aber „PBerfonififation” die VBorftellung, daß 
die Natur aus allerlei Wejen mit eigenem Willen und eigener Bemwegungs- 
fraft, Jomohl unter fteinerner, rwie feuriger, pflanzlicher, tierischer, menfchlicher ufw. 
Sorm befteht, jo ift diefer Perfonifilationsprozeß uriprünglich: aber auf 
diejer Stufe gibt es nur eine Ebene, und die im Himmel befindlichen 
„Wejen“ find nicht von den anderen theoretiich abzufondern. Dennoch jagt 
E. ganz ruhig: „Kriegsgötter find feine Perfjonififationen des Kriegs als 
jolchem, jondern gehen auf Donner-, Mond- und Sturmgottheiten zurüd, deren 
Züge fich aucd) nicht immer auseinander halten laffen” (S. 171). Und warum 
nicht umgelehrt, wenn ja die Geftalten von Ares, Tyr, Huißilopochtli ujmw. 
uns nur durch eine fehr jpät fuftematifierte Mythologie befannt find! Ir 
jolhen Fallen Fannı jeder entfcheiden, was uriprünglich ift: fegen wir aber 
an die Stelle Kriegsgötter das Wort Kampfgottheiten, jo find fie urjprünglich, und 
fiher nicht Sonne oder Mond, vielleicht aber Sturmgottheiten, das ift möglich, 
obgleich hier wieder ein menschlicher Prozeß in den Himmel übertragen wurde. 
Mit der Todesgottheit fonnte E, nichts anfangen, da er nur einen „Alfimt- 
lationsprozeß zum Mondgott” hier zu finden vermochte, 

Dann fommen wir zum 8. Kapitel, zu ben „Mythilchen Formen”, welche 
bier als „primäre* und „fetundäre” unterjchieden find und in einige große 
Klaffen verteilt werben. Sich unter den taufendfachen Kormen zu orientieren, 
ift feine leichte Sache; fo verfteht man wohl, daß €. fich einen Leitfaden 
fuchte; diefen fann man aber von jedem Ende aus benügen, und jo gibt uns 
€. dieje Löfung des von Hildebrandt, von Schroeder u. a. ftudierten Mythus 
von der Wiedergewinnung des Agni: Agni wäre nicht die Sonne als 


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— 205 — 


euer, fondern der Mond als Feuer (S. 182), um fo mehr, da ja der ent- 
flohene Agnt fich zmifchen den Hörnern eines Bocds verbirgt. Unterftrichen 
find diefe Wörter von €. felbft, aljo zum Beweis der Iunaren Natur des 
AUgnil Auf diefe Weile Tann man mohl alles deuten wie man will, wäre e8 
Schwanz, Ohren, Bauch ufm. nicht nur eines VBod3, jondern auch eines Stieres, 
oder eines Pferdes, oder einer Hündin. Tatjächlich glaubt man e3 eher mit einer 
olkultiftiichen — oder mit einer cHinefisch pfeudophilofophiichen — Wortipielerei 
zu tun zu haben. Gut noch, daß E. fich nicht zu Hüfing und Lebmann rechnet, 
welche die Mythologie überhaupt nur al8 einen Ausdrud der Kalendertunde 
betrachten! 

Was im 9. Kapitel, „Mythendeutung”, fteht, weiß man mohl jebt im 
voraus. Als Kern des Mythus ift der Naturmythus zu betrachten und . 
al® Kern des Naturmythus muß man eine „Urbedeutung” oder „Brundbe- 
deutung” herausfinden. ©. 193 ff. zieht fich aber &. allmählich zurüd, indem 
er jet zugibt, daß „nicht jeder Mythus Naturmythus ift”. Aber bitte, ıvas 


it denn nun einfah) Mythus? Und meiter: „Naturvorgänge und Erfah. 


rungen laffen fih mythilch eben nur al3 menfchliche Handlungen darftellen“. 
Das ift richtig; aber warum diefen Sat durch den folgenden ergänzen: „wäh 
rend umgelehrt menjchliche Handlungen erft durch Alfimilation mit beobachteten 
wunderbaren Naturerjcheinungen, wie e3 die bimmlifchen find, mpythilchen 
Charalter gewinnen“? Diefe hegelianifche Yormulierung, aljo die Aoenti=- 
fizierung zweier entgegengejegter Tendenzen, vermag ich nicht zu verftehen. Sit 
es „umgelehrt”, jo geht e8 auseinander: aber Leo Frobenius bat ja ein Belek 
erfunden, nach welchem das Entgegengejegte identilch tft, fein jogenanntes 
Bejeg der Ummandlung der Motivel Daß übrigens Wundt mit feiner 
Deutung ber „phantaftiich Ihmärmenden Märchenphantafte” (fiehe S. 196 ff.) 
felbft phantaftifch phantafiert hat, hätte doch E. von andersartigen Phan- 
tafien abichreden follen. Er drüdt fi) ja fonft mit befonderer Befonnenheit 
über den „Warbeitsgehalt” der Miythen aus, und lebtere3 wird ja munder- 
Ihon nüchtern in feinen Schlußfolgerungen gejagt (S.199): 1. nicht alle Mythen 
und Märchen find HSimmelsmärchen*; 2. viele Mythen beziehen fich ausgeipro- 
chenermaßen auf Himmelsvorgänge; 3. Himmelsmythologische Züge und Motive 
find weit durchfichtiger und widerftandsfähiger al3 andere, | 
Mit diefen drei Schlußfolgerungen wird jeder einverftanden fein: 
da ift die Prioritätäfrage ausgefallen; aber wozu dann ein Syitem erbauen 


„und eine Klaffifizierung und eine Terminologie? Das mußten wir jchon v0T= 


ber, daß es Himmelsmpythen gibt, welche, da der Himmel unveränderlich be- 
ftebt, zähes Leben befiten, obwohl doch die Himmelsmythen aus der Bolls- 
mneme oft verjchwinden, während die Tiermärchen bleiben. - 

Lieft man weiter, jo verliert man fich wieder unter zufammengerafften 
Deutungen: „. . . Mehrklöpfigkeit, Einäugigleit, Hörner, Schlangenhaar, Halb 
heit des Körper3 mie überhaupt Körperdefelte und Hautabnormitäten find 
(in den Märchen und Mythen) fpezififch Iunare Kennzeichen (des Helden), 
do fann in feiner gutartigen Geftalt daS Mondmwejen auch durch befondere 
Schönheit, Bold- oder Silberhaar (Boldlfamım!), Silberjchmud oder Kleidung 
ausgezeichnet jein”. Uber Goldhaar, filberne Kleider „deuten an fich jchon 
eine Sonnengualität des Helden an”. Alfo ift die Sonne der Mond, und der 
Mond ift die Sonne... . und man verliert endlich den Kopf in diefem Wirr- 


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—_ 206 — 


warr von Deutungen. ft das nicht etwa ein mittelalterliches Hermeneutifer- 
Koncordanzenbuh? Ga, und wenn wir gleich zur Genealogie der Mond- 
und Sonnenhelden fommen! Auch Blaubart und Marientind, Keffelprobe und 
magiiche Empfängnis, Einfperrung in einen Turm „werden faft niemals 
ihre Ableitung aus Mondvoritellungen verfennen laffen“ (S. 202 und 203)! 
Und das mwäre eine neue Methode, eine neue Richtung? Gab es denn nicht 
einen Bubernatis? und hat denn nicht Leföure eine „naturmpthologiiche”" Deu- 
tung von Rotkäppchen und Cendrillon vor etwa 30 Jahren gegeben? (Contes 
de Perrault, Introduction.) 

Nein, das Llingt nicht neu, jondern alt; das ift feine Geburt, fondern eine 
Wiedergeburt, — aljo ein „Mondmythus” oder ein „Sonnenmythus!”, vom 
„Motbhenerfinder” (|. S. 193) Paul Ehrenreich erfunden ! 

Bis jebt gab e3 aber nur leichtes Spiel: „was jchmieriger ift, das it 
die Erklärung der Baumfpalte mit der Steineinflemmung”, die Doch auf „ein 
Mondmotiv (Sichel und Benus in der Konjunktion) fchließen läßt”: das 
MWiürfelfpiel ift gelungen! Weiter vermag ich nicht zu lejfen, und jo lafje ich 
beijeite die „Erklärungen“ der Motive der Lähmung oder Beinmwunde, der 
Blendungen und der Unfichtbarkeit . . .. „Die äußerft gezmwungenen Erflä- 
rungen” ®. Ehrenreich’3 „überfteigen meine Yaflungskraft" (S. 211). Ber- 
lönlich hätte ich mit Vergnügen jedoch die Deutung des Polyphemmärchens 
gehörts leider ift fie „eine der jchmierigiten” (S. 221). 

Eins gibt mir wenigftens wieder friichen Mut: „es ift ein Fundamental 
iertum, daß jede einmal erkannte Deutung die Möglichkeit einer anderen ab» 
folut ausjchlöffe”; jo kann ich doch ruhig weiterfahren, mir meine eigenen 
Deutungen aus den Tatfachen herauszufinden, um mir den Fern oder den 
Keim auf eigenen Wegen herauszujchälen. 

Das 10. Kapitel zählt die „mythologiichen Perlönlichkeiten” und meift 
auf: Märchenhelden, Herven, Götter (hier hauptjächlich auf Gruppe, Grie cd. 
Myth. fußend); natürlich hebt E. wieder die „mondmpthologiichen Züge" 
hervor. 

Das 11. Kapitel heißt „Mythenmwanderung”. Leider ift es viel zu 
fur und zu allgemein gehalten; die Wege, Kormen und Faltoren dieler 
Wanderungen find ja von grundlegender Wichtigkeit; man fan hervorheben, 
daB €. Polygenift ift. Leider find die Arbeiten von Herrn Eosquin gar nicht 
berüdfichtigt, wie fonft auch feine franzöfiichen Arbeiten bemüßt wurden: da 
aber Verfafler im Vorwort gejagt hat, daß diefe Nichtberüdfichtigung „nicht auf 
Khauviniftilchen Neigungen des Verfafjers beruht, jondern durch die Richtung feiner 
Spezialftudien bedingt” wurde, fo können wir Franzojen nur dieje „Spezia- 
lifierung” bedauern. SYın Literaturverzeichnis, ©. 285—288, findet man feinen 
einzigen franzöfiichen Titel, obwohl ja bei uns die „naturmythologiiche Schule“ 
von der zweiten Hälfte des 18. bis beinahe Ende des 19. Jahrhunderts 
vollftändig herrichte. Aebt find wir jedoch davon frei; fchade, daß €. 
die rweggerporfene Theorie unter neuer Geftalt wieder aufgenommen hat. Auch 
Engländer find ganz vergeffen, obwohl in der Londoner Zeitichrift Foll-Lore 
\chöne und nüchterne Diskuffionen über alle Grundfragen der Mythen- und 
Märchenmiffenichaft publiziert find. 

Tas lebte Kapitel heißt Schluß und ift das 12, — alfo auch nod 
„Mondmythologie‘. E83 beträgt zwei ein halb Seiten und hebt wiederum die 


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— 207 ° — 


Vorteile der Ethnologie für die Mythologie hervor; aber als Ethnologe jelbit, 
bitte ich die Leer von Ehrenreich’3 Buch, feine Methode nicht als unjere 
Methode zu betrachten. Zmei gute Regiiter und das Literaturverzeichnis be= 
endigen diefes Buch, von dem man fagen fann, reichhaltiges und fräftiges Korn 
ftehe darin von dildlmüchfigen Difteln und unzähligen Kllatichrojen durchwachfen. 
Paris, Yuli 1910. U. van Bennep. 


Srimitive Aunft. 

Eine Publikation, von der man dem Titel nach nicht vermutet, daß fie 
auch für die Bolfstunde Amtereffantes bringt, find die Guide Leaflets des 
American Museum of Natural history. Nr.11 gibt eine Bejchreibung der mufi- 
falifchen Snftrumente der Anlas an der Hand der im Mufeum vorhandenen 
Eremplare (meift Trommeln, Flöten und PBanspfeifen), die nad) yorm und 
Material den Bolksfundler intereffieren dürften. Schade, daB feiner der er=- 
mwähnten Bollsgefänge mitgeteilt wird. | 

Noch intereffanter ift Nr. 15. Hier werden unter dem Titel Primitive 
art nach Stännmen geordnet die Rejte indianifcher Kultur (Tertilinduftrie und 
Keramif) beiprochen, die von mehr oder weniger vollendeter Kunftfertigkeit 
zeugen. Wir finden dabei jehr injtruftive Typen der Volkstunft, die beachtens- 
werte Parallelen zu bereitS von andersmoher Belanntem bieten, und Die 
von neuem zeigen, daß gemwilfe Gejege der Formgebung fich überall mwieder- 
finden. Eine ganze Reihe der mwiedergegebenen Mujter verrät übrigens, daß 
Technik und Gejchmad: der Indianer auf gar feiner niedrigen Stufe geftanden 
haben. 

Nr. 24 endlich gibt eine Schilderung peruvianiicher Mumien mit den 
Abbildungen der bei ihnen gefundenen Begenftände, die ebenfalls erfreuliche 
-Broben bochentmwidelter VBolkstunft darftellen. 

Gießen. &. Lehnert. 


Ein Hyumpatßtiegauder. 

Ein hHübjches Beilpiel für Sympathiezauber, angewendet, um einem 
Gegner zu fchaden, beobachtete Krufenftern in feiner Reife um die Welt in 
den Sjahren 18038—06 (Berlin 1811), I S. 249 bei den Bernohnern der Snfel 
Nulahima, einer der Marquefasinfeln. Da es von allgemeinem Sntereffe ift, 
und fich auch bei uns ähnliche Gebräuche finden), fei die Stelle im folgenden 
mitgeteilt. 

„Ein allgemeiner Glaube an Hezerei, welche von allen Infulanerıt als 
jehr wichtig angejehen wird, fcheint mir einige Beziehung auf ihre Religion 
zu haben: denn es find nur die Priefter, die, ihrer Ausjage nach, diefer Zauber- 
fraft mächtig find; obgleich auch einige aus dem Volke vorgeben follen, das 
Geheimnis zu befigen, mahrjcheinlich um fich furchtbar zu machen, und Ge- 


’) Bol, 3. 8. Wuttle, der deutfche Vollsaberglaube der Gegenwart’, 
&.186, 268. Hanjen, Quellen und Unterfuchungen zur Gejchichte des Heren- 
mwahns öfters und Ebel in diefen Blättern 3, S. 186, 


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— 28 — 


Ichenfe erpreffen zu können. Diefe Zauberei, welche bei ihnen Haha heißt, be= 
fteht darin, jemand auf den fie einen Broll haben, auf eine langjame Art zu 
töten; 230 Tage find indes der dazu beftimmte Termin. Man geht hierbei auf 
folgende Urt zu Werke. Wer feine Rache durch Zauber ausüben will, fucht ent=- 
weder den Speichel, den Urin, oder die Erfremente feines Feindes auf irgend 
eine Art zu erlangen. Dieje vermilcht er mit einem Pulver, legt die vermifjchte 
Subftanz in einen Beutel, der auf eine bejondere Art geflochten ift, und ver«- 
gräbt fie. Das mwichtigfte des Geheimniffes befteht in der Kunft, den Beutel 
richtig zu Flechten, und in der Zubereitung des Pulvers. Sobald der Beutel 
vergraben ift, zeigen fich die Wirkungen bei dem, auf welchem der Zauber 
liegt. Er wird krank, von Tage zu Tage matter, verliert endlich ganz feine 
Kräfte, und nach 20 Tagen ftirbt er gewiß. Sucht er hingegen die Rache 
feines TFeindes abzumenden, und erfauft fein Leben mit einem Schweine oder 
irgend einem andern wichtigen Gefchente, fo fanrı er noch am 19, Tage ge- 
rettet werden, und jo wie der Beutel ausgegraben wird, hören auch fogleich 
die Zufälle der Krankheit auf, Er erholt fi nach) und nach und wird nach 
einigen Tagen ganz wieder hergeftellt.“ 
Gießen. ®. Lehnert. 


Mittelalterfige Geburtsbenedikfionen. 

Syn dem Werte von Ad. Franz, Die firchlichen Benediftionen des 
Mittelalters (Freiburg 1909), deffen Studium allen vollsundlich interelfierten 
Kreifen dringend zu empfehlen ift, finden fi) im Bd. 2 ©. 198 ff. Segen3- 
formeln und Briefe zur Erleichterung der Geburt abgedrudt. Auf ihren Bau 
wird ©. 208 eingegangen, fie haben die für alle älteren Segen typilche Form 
der Verbindung einer epifchen Einleitung mit einer Beihmörungsformel, Am 
der Einleitung werden Analogien zu dein Gegenftand der Bitte, vorwiegend 
biblijche Geburten, aufgezählt. Die VBeichwörung des Kindes, ans Licht zu 
fommen, gejchieht im Namen Gottes und Ehrifti; in einigen werden auch Hei«- 
lige angerufen : die vier Evangeliften, Margarete, Leonhard, Agathe, Barbara ") 
und Georg. 

Auf weitere Parallelen zu den von ihm abgedrudten Kormeln vermweift 
Keen ©. 202, Anm. 6, auch fonjt find in Handichriften und in gedrudter 

tteratur noch manche vorhanden: fo drudt Klapper, Mitteilungen der 
ichlefifchen Gejellihaft für Volfstunde XVII, S. 21 aus dem Breslauer NRe- 
zeptbuch (93. der Univerfitätsbibliothef Q 7 aus dem 15. %h.) einen Brief ab, 
der mit Franz A Nr.7 (5.200) fajt genau übereinftimmt: und derjelbe Segen 
fteht in der Breslauer 58. III S. 20 (gedruct von Klapper, Mitteil. der |chlef. 
Gef. f. Voltet, XIII, ©. 29). Aus einer wefentfich Älteren Trierer 9. publi« 
ziert E. Schröder einen verwandten Segen Zeitfchr. f.deutich. Altert.52, ©. 177, 
E38 hat wenig Imed, nun nach Erjcheinen des Buches von Franz eventuell 
meiter befannt werdende Segen in extenso abzudruden, jofern fie fich nicht 
durch irgend eine Bejonderheit auszeichnen. Solches ift bei den drei nachitehen- 
den der Fall. Sch verdante den erften Herrn Prof. E. Schröder. Göttingen, 
der ihn mir vor Sahresfrift zufandte; er fchreibt über die Überlieferung: 


1) Mber dieje vier vergl. Franz, S. 198 ff. 


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Sn der aus Bleint ftammenden, jebt in der K.K. öff. Studienbibliothet 
zu Linz al Ce II 15 aufbewahrten Bergamenthandjchrift des 12. Jahrhun- 
derts, welche als wertoolliten Beltandteil auf BI. 171’—180" mitten unter lauter 
lateinischen. Stüden den fog. „Linzer Entechrift" in deutjcher Sprache bietet, 
von deren fonftigem reichen Inhalt aber Hoffmann von YFallersleben in den 
„Sundgruben* Bd. II S.104—106 eine Borftellung gibt, findet fich BI. 197° 
der nachfolgende Segen zur Erleichterung der Geburt, von dem Hoffmann 
©. 106 nur die rot gejchriebene Überjchrift mitgeteilt hat. 


Der Tert des Segen3 lautet: 

Ut mulier cito pariat, tribus vicibus cum dextro pede in domum in qnıa 
jacet calca, ut dic eo apertius ut ille (!) audire possit he. Anna peperit Ma- 
riam. Sancta Maria peperit Christum. Elysabet peperit Sanctum Johannem. 
Sancta Eylinya peperit Sanctum Remygium. Sancta Cecilia genuit Sanctum 
Benygnum. Ita et hie mulier jam pariat adjuta illius pietate qui genitus 
est de Sancta Maria virgine sine dolore. Per illum etiam adjuro te, si es puella 
aut masculus, ut exeas et videas splendorem hujus seculi. Fiat Fiat Fiat. 
AMEN. 

Eigenartig an diefem Segen ift der Pafjus der Gebrauchsanmeijung: 
tribus viecibus cum dextro pede, in domum in qua jacet, calca. Ym Segen ift 
e3 fo bingeftellt, al3 habe dies nur den Zmwed, aufmerfjam zu machen; aber 
ursprünglich jo jedenfalls aud) dieje „Dreimalige” Handlung magijch wirken. 

Ferner ift die Ermeiterung in der Aufzählung der Geburten wichtig. 


Unter den von Franz abgedrudten Formeln greift nur A 8 in diefem Punkt 


über den Streis der heiligen Schrift hinaus und Franz tft der Anficht, daß der Fall 
ganz allein ftehe (S. 203), Nun jehen wir dasjelbe in einer Niederichrift, die 
wohl ein gutes. Stüd älter ift als jene Yormel. Die Ermeiterung bewegt fich 
in derjelben Richtung wie dort: Remigius ıft genannt und als deffen Mutter 
irrigerweile Eylinya, was in Cilina zu ändern ift (Franz ©. 201, Anm. 4). 
Der zweite Zujaß: Cecilia genuit Sanctum Benygnum müßte fich auf 
den Märtyrer Benignus beziehen, der im 2,%. in Burgund, |peziell in der Gegend 
von Dijon gemwirft haben fol.) Bon feiner Mutter hören wir aber nirgends 
etwas. Sch glaube deshalb, daß der Paflus auf einem Mißverftändnis beruht. 
Bermutlich ift in irgend einer Fafjung in dem Sate Cilina peperitRemigium 
der NameCilinainCecilia und Remigium inBenignum entitellt gemefen 
und der Schreiber unferes Spruches nahm dies als ein weiteres Beifpiel in die 
Aufzählung der Geburten auf. Eine bejondere Stüte erhält dieje Erklärung 
durch die Tatjache, daß der unten an dritter Stelle gedruckte Segen die Ber- 


fion: Cecilia peperit Remigium hat, aljo eine Lesart, die zwilchen der 


urhprünglichen und der unjern in der Mitte fteht: bier ift nur der erite der 
Namen entitellt worden, 
Endlich ift in der Beihmwärung am Schlufje bei uns eine neue Wen- 


dung; während es jonjt beißt ut videas Jumen huius vitae (franz B, 2), ut 


videas lumen coeli (A 3), ut videas lumen dei jteht bier: ut videas 

splendorem huius saeculi, wofür Schröder eine parallele deutjche Fafjung 

mit den Worten die wunne diser werlt vermutet. | 
Die beiden anderen Segen find zwar fchon gedruct, da fie aber an fo 


ı) Bol, Welzer und Welte, Kicchenlexifon ? II, ©. 378, 
14 


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entlegener Stelle ftehen, daß fie aud) Franz entgangen find, und ebenfalls 
einige merkwürdige Einzelzüge aufmeilen, feien fie bier nochmals ınitgeteilt. 

Der erjte ift eine Benedictio mit Gebrauchsanmeifung. Er ftammt 
aus England und wurde von C. E. Doble in der Academy Nr. 639 (1884) 
aus einer Abjchrift von Gaignys Scholien zu den Briefen des Baulus (gedrudt 
Paris 1589) abgedrudt ; das Exemplar war einft im Befig der Barfüßer-Har- 
meliter zu Mailand. Der Segen lautet: 

+ Ut mulier pariat f. 

Dominus noster Jesus Christus stabat in monte oliveti cum discipulis 
suis, et audivit vocem mulieris parturientis, et dixit Johanni, vade et die ad 
aurem dextram sic, Elisabet peperit Joannem, Anna peperit mariam, Maria me 
salvatorem mundi, sic pariat ista domina sine dolore. OÖ infans sive sis masculus, 
sive sis femina, sive vivus, sive mortuus veni foras quia Christus vocat te ad 
lucem, Caspar te rogat, Melchior te vocat, Baldesar te extrait, memento filiorum 
Edon qui dixerunt exinanite exinanite. Dicatur ter a dextra parte mulieris 
plane cum uno paternoster et vna ave vero pro qualibet vice cum una candella 
benedicta pre manu devote, et statim pariet deo gratias amen. 

Hier zeigt fich vielerlei neues. BZnnächit die Ermeiterung des epilchen 
Eingangs: Chriftus Hört die Stimme der in Nöten befindlichen Frau und 
fchieft den Johannes, ihr den Segen ing rechte Ohr zu fprechen. Eine parallele 
Einleitung ift bisher nur in einer Formel der- griechiichen Kirche bekannt, wo 
EHriftus erft einen Engel, dann den Petrus jchiet, den Segen zu jagen (bei 
Franz, ©. 204). Franz jet hinzu: „man könnte die Zaubermworte für Über- 
tragung aus ähnlichen lateinischen Formeln halten“, Daß dies wirklich der 
al ift, beweift unjere Formel, bei welcher auch diejelbe Einfleidung vorliegt, 
mit Evidenz. 

Dann begegnen in der Beichwörung neben Chrijtus ala Helfer die 
heiligen drei Könige; dieje verdanken ihre Nennung, wie ich annehmen möchte, 
wohl weniger der ihnen allgemein zugejchriebenen Macht böjem Zauber zu 
begegnen (vgl. Wuttle, Bollsaberglauben 79 und 201), jondern ihrer Eigen- 
Ichaft als Reifepatrone!). Wie fie liber dem Pilger wachen, jo jol auch der 
Antritt der Lebensreife unter ihrem Schuße ftehen. 

Die Worte memento... exinanite, jtammen mit geringer Alnde- 
rung aus Pjalm 136, 7f. (vgl. Franz ©. 200, Anm. 7). 

Endlich teile ich noch einen Geburtsbrief mit, der Zrau an das Bein 
zu binden. Er jtammt gleichfall aus England und wurde aus einer Hand- 
ichrift von Gaignys Scholien von 1475 zuerft in Brand, Popular Anti- 
quities, ed. Ellis 1841, Bd. II, S. 42, und darnad) von %. 903- 
!yns-Abrahallin Academy Nr. 642 (1884) publiziert. Er lautet: 

For Woman that travelyth of Chylde, 
bynd thys Wryt to her Thye. 

In nomine Patris + et Filii + et Spiritus Sancti + Amen. f Per Virtutem 
Domini sint Medicina mei pia Crux et Passio Christi. + Vulnera quingue Domini 
sint Medicina mei. + Sancta Maria peperit Christum + Sancta Anna pep. Mariam. 
Sancta Elizabet peperit Johannem. + Sancta Cecilia peperit Remigium f 
Arepo tenet opera rotas. + Chritus vincit. +} Christus regnat. } Christus dixit 


1) Bol, Stanz a. a, DO. UI, S. 266 ff. 


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a 


— 2li — 


Lazare veni foras. + Christus imperat. + Chr. te vocat. 7 Mundus te gaudet. 
+ Lux te desiderat. + Deus ultionum Dominus. } Deus preliorum Dominus 
libera famulam tuam N. + Dextra Domini fecit virtutem a’gl’a® 7 Alpha + 


. et 2 + Anna pep. Mariam, +} Elizabet precursorem 7 Maria Dominum nostrum 


Jesum Christum, sine dolore et tristitia. O Infans sive vivus sive mortuus exi 
foras + Christus te vocat ad lucem. + Agyos. + Agyos. T Agyos. + Christus 
vineit. + Christus imperat. + Christus regnat. +} Sanctus } Sanctus } Sanctus 
+ Dominus Deus. + Christus qui es, qui eras } et qui venturus es. $ Amen. 
+ bhurnon + blictaono. + Christus Nazarenus } Rex Judeorum fili Dei + mise- 
rere mei F Amen. 

Diefer Brief ift außerordentlich angeichmwollen ; er ift als Doppelformel 
zu betrachten, da die Aufzählung der Geburten wiederholt wird, wie in dem 
Ihon genannten griechiichen Segen. Ja man fönnte glauben, es feien wirk«- 
lich zwei Segen, die erft in der Handichrift zu einem zufammengewachlen find, 
wenn nicht auch im übrigen Wortlaut das Stücd die Tendenz zur Anjchmwellung 
zeigte, und wenn nicht andererjeitS jene griechiiche Benedictio die Erijtenz 
folher Toppelformen beitätigte, Sie jollen offenbar in bejonders |chmierigen 
Fällen helfen. Mber die Worte Cecilia peperitRemigium tft oben jchon 


gehandelt worden. 


Unter den Ermeiterungen diefes Segens fällt befonders die Berufung 
auf die Paifto und die fünf Wunden Chrifti ins Auge, die ihren eigentlichen 
PBlag in Wundfegen bat!), dann die Verwendung fabbaliftiicher Worte, deren 
Bedeutung nicht mehr fejtftellbar ift und die fich mit den verjchiedenften Segen 
verbinden können. Bei uns findet fich in der eriten Hälfte des Spruches die 
beinunte Sormel Sator arepo ujm., jedoch mit Berluft des Anfangsmwortes, 
Gegen das Ende der zweiten Hälfte lefen wir die Wortebhurnon+ blictaonoft, 
die an die von Franz (©. 203, Anm, 1) aus einer Münchener 93, belegten 
Worte yram + plitaon + (kumo +) anklingen. Uriprung und fonftige Ver- 
breitung derjelben vermag ich leider nicht nachzumeifen. 

Gießen. Karl Helm. 


2% 


«+ 


Bücherfchau. 


F. Li. Griffith and Herbert Thomson, The Demotical Magical 
Papyrus of London and Leiden. Vol. I. Introduction, Transliteration, 
and Translation, 210 pp. royal 8 vo. London (H. Grevel & Co. 83 King Street, 
Strand, W. C.) 1904, 10 M. 50. — Vol. II. Hand Copy of the Text. 83 plates, 
fol. 1905, 10 M. 50. — Vol. III. Indices, 154 pp. 4 to, 1909 10 M. 50. 

Der demotijche Zauberpapyrus von London und Leiden, jchon länger 
den Gelehrten befannt, wird hier zum erften Male in geradezu muftergültiger 
Weije herausgegeben, überjegt und zum teil erflärt. Er ftanımt aus dem 3, 
nachehriftlichen Jahrhundert, wohl die jpätefte demotifche Urkunde, die wir be- 


ı) Bgl. Ebermann, Blut- und Wundjegen, S. 58. 
14* 


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— 212 — 


figen. Was die Handichrift für die Entzifferung des Demotifchen Ion vor 
Sahrzehnten wertvoll machte, und was fie heute noch dem, der fich in die 
fehr fchwierige Sprache und Schrift des drpos Agyptens von der Perjerzeit 
bis in3 3, Jahrhundert nach Ehr. hineinarbeiten will, unentbehrlich macht, find 
die zahllojen interlinearen Umjchreibungen demotijcher Wörter mit griechiichen 
Buchjitaben unter Zuhilfenahme demotifcher Zeichen, mo das griedhiiche Alpha- 
bet verjagte. Wir erhalten jo unjchäßbare Fingerzeige für die VBolalausipradhe 
des Aogpptifchen, das nur die Konfonanten fhrieb. Zugleich aber tun mir 
tiefe Blicde in das Entftehen einer neuen Schrift und „Sprache“, des Kop« 
tiichen, des legten Ausläufers des Altägyptiichen. Und eine folche Beobadhtung 
ift ja auch dem Folkloriften intereffant und wertvoll. 


Neben den Bloffen in griechifcher Umfchreibung finden fich auch Sloffen in 
einer Geheimichrift, die vielleicht griechiichen Uriprungs, jedenfall3 von einem 
Griechen erfunden ift. 

Was nun den inhalt des Papyrus betrifft, jo berührt er fich aufs engite 
mit den griechtiichen Zauberpapyri Agyptens aus derielben Zeit. Griechiiche 
Mythologie und alerandrinisches Judentum aber zeigen in ihm nur einen ge= 
ringen Einfluß, die Mithrasreligion gar nicht. Ehriftlicher Einfluß verrät fich 
vielleicht nur im „Vater im Himmel”. Dagegen fpielt die ägyptilche höhere 
und niedere Bötterwelt eine große Rolle. Bon voltsfundlichen Standpunft 
iftt der Inhalt des Papyrus von großem Wert für die Beichichte der Zauberei 
und Medizin. Eine kurze Snhaltsangabe dürfte daher am Plate fein. 

Eine große Rolle fpielen Wahrjagungen aus einem Gefäß mit OL und 
mittelft der Zampe (vergl. Alladins Wunderlampel), verbunden mit allerhand 
mpfteriöjen Sprüchen. Aber auch die Aftrologie findet fich, Berüdfichtigung 
von Träumen. Wir haben Mittel, Gunft und Achtung ung zu erwerben oder 
den Groll des Vorgejegten zu überwinden. Start find die Erotila vertreten. 
Liebe jol erzmungen werden durch oft wenig appetitliche Tränklein oder durch 
Salben. Merkwürdig find einige ayuyıpa, Zaubereien, die als Finale haben: 
„bringe die NN, Tochter des NN in das Schlafzimmer, in dem der NN, Sohn 
des NN tft“. Auch ein Rezept, wie man zwei Ehegatten auseinander bringt, 
findet fi. Sehr blühte die Giftmifcherei. ES gab Gifte zum Narkotifieren, 
zum Verrüdtmachen, das Augenlicht zu nehmen, zu töten, Spigmäuje galten. 
Ichon damals als giftig und werden in den Erotifa mit Vorliebe angewandt. 
Gegen Krankheiten finden fich manche Rezepte. Man vertreibt Gifte, Folgen 
von Stichen und Hundsbiffen, Gräten in der Kehle, Wafler im Ohr, Fieber, 
Blutfluß, Augentrankheiten, Bodagra u. a. 


Sehr verdienftvoll ift im Band der Indices, deijen Glanzpunft das. 
demotifche Bloffar ift, eine Lifte der göttlichen, miythologiichen und magilchen 
Namen — 709 an Zahl — an befannten ermähne ich Abrafar. Sehr häufig. 
ift Jahmes Heiliger Namen vertreten. Auch Johannes findet. 


Dieje kurzen Ausführungen mögen genügen, um dem vollsftundlicd) Irr= 
tereffierten wie dem, der fich mit der Sprache des Agyptiichen beichäftigt, zus 
mal fich in daS Demotifche einarbeiten will, da8 Werf zu empfehlen. Leider 
find die Herausgeber von dem urfprünglichen Plan, ein Kapitel über die 
Grammatif der Texte beizufügen, abgelommen. Tyedoch ift es dem, der mit dem 
Koptijchen vertraut ift, wicht allzufchwer, aus dem auch an Grammatiichen. 


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— 213 — 


Vehr reichhaltigen Gloffar fi die einfachften Regeln der demotiichen Gram- 
matif jelbft abzuleiten. | \ 


Gerühmt werden muß noch die wunderschöne Fünftlerifche Ausstattung 
des Werkes, fo daß nicht nur die Herausgeber, fondern auch der Verleger 
unlern Dant beanfprudhen fönnen. 

Gießen. Sreiherr v. Ball. 


A. van Gennep, La formation des l&gendes. Paris, Ernest 
Flammarion. (326 pages, 3 fr. 50.) 


Das vorliegende Bändchen gehört der „Bibliotheque de philosophie scienti- 
fique“ an, der verdienftvollen Sammlung gelehrter Arbeiten unter Leitung des 
Dr. Gustave Le Bon, in der fich großzügig zufammenfaffende Abhandlungen 
über die verjchiedeniten Spezialgebiete der natur= und geiftesmifjenjchaftlichen 
Forfchung, vielfady) von Meifterhand entworfen (H. Poincare, E. Mach, E. Bou- 
troux ujm.), vertreten finden. 


Genneps Arbeit erfreut namentlich durch didaltiiche Sicherheit in der 
Führung des mit dem Gegenftande etwa noch wenig vertrauten Lejers (be= 
fonder3 im Borwort, in der Einleitung, in den definitionsreichen Kapiteln, 
Buch I, 2, II, 1, VI, 1, VII, 3 und in den Schlußbetrachtungen), durch) um= 
fichtige Rajchheit des ÜÜberblict3 über weite und breite Strecdlen der jungen 
Wiflenichaft, in der fich der Verfaffer jelbft riihrig betätigt hat (befonders 3.8. 
Buch IV, 2, VI, 1,8, 4), durch eindringliche Klarheit des Vortrags, der Wieder- 
bolung des Wefentlichen nicht fcheut, durch Sauberfeit der Definitionen, ein 
ungewöhnliches Maß von gründlichen Vorkenntniffen, Behutiamleit und auch 
Srilche der Darftellung; fie erfreut durch die Fülle des intereffanten Materials, 
das vor uns ausgebreitet wird, durch die Anregung zu piychologijchen Be- 
trachtungen, durch die reizuollen Kontrajte im Stoffe jelbft wie durch den Nü- 
ancenreichtum der [chriftitelleriichen Bewältigung des ungemein fejfelnden Gegen- 
ftandes; fie erfreut durch gefällige Form, leichtflüffigen Stil, Vortrefflichkeit der 
Gliederung und Anordnung des Ganzen. So hohen Borzügen gegenüber dürfte 
das, was uns vielleicht als verfehlt erjcheinen mag, nicht allzu vordringlid) 
inbetradht fommen. Doch nicht die gefunden, fondern die franfen, die [chmerz- 
haften Stellen unjeres Körpers pflegen unfere Aufmerkfamfeit zu erregen, fie 
find Signale für eine abhelfende Tätigkeit; und ähnlich geht es mit gelejenen 
Büchern. Das Mißglüdte, das jcheinbar Unrichtige drüdt fich dem Gedächtnis 
lebhafter ein al3 alles übrige, das zur Kritik nicht auffällig herausfordert. — 
So wird von dem Verf. der Grundfat der Stetigkeit bismeilen treffend in An- 
wendung gebracht (S. 29, 207 „cas intermediaires“ zmijchen den definierten 
Erjheinungsgruppen), zu andern Zeiten aber auc, wieder, bejonders in der 
Hite des Gefechts, vergeffen. Dann übertreibt der Autor die Härte der Kon- 
turen, und fein Mangel an Weichheit in der Wiedergabe des Wirklichen läßt 
befürchten, daß in ihm felbft die mathematifche Einficht in die Natur der me- 
thodijchen Hilfsmittel feines Denfens und feiner Logik nicht hart, nicht radikal, 
nicht ungerbrechlich genug ilt, daß alfo das, was allein wahrhaft fcharf fein 
jollte, im Sinne eines unphilofophijchen Empirismus weich) geblieben ift, daß 
dem Gelehrten auf dem unendlichen Wege der Menjchheit zu objektiven Er- 
tenntnifjen die Zone der jelbftbervußt hellen „philosophie scientifique“ eigentlich 


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— 214 — 


nod) gar nicht zu Befichte Fam, obwohl er eine brauchbare Orientierung für 
den Anfänger auf völkerpiychologifchem Gebiete geliefert hat. Syn der Polemik 
mit Wilhelm Wundt, von dem auch in diefer Beziehung überhaupt viel zu 
lernen wäre und deffen großes Werk der Berfaffer (S. 36 ff.) ohne die gezie= 
mende Anerfennung angreift, fcheint mir van Genmnep gelegentlich zu jtraucheln 
und der fonft felten fehlenden kritiichen Befonnenheit zu ermangeln. Im An- 
fang mar, nach Gennep, das dem Leben Pienende, das Nüsliche, Beftimmte, 
der Sonderzwed im Gegenjage zum Allgemeinen, Weiten, Überflüffigen, Un 
fittlichen. (©. 16, 19, 33, 40f., 72, 79, 99f., 127f., 155, 162 ufm.) Die Iofal- 
patriotifche Legende mit dem Erdgeruch der Scholle, mit der abergläubiich 
ftrengen Bindung an einen isled, eine Handlung, eine Reihenfolge von 
Gebärden, dies Starre, Magilche, traditionell Befeftigte geht dem freien Spiel 
der Phantafie, dem anmutigen Märchen, das an feinen Drt in Raum und 
Zeit befeftigt jcheint und, gleichjam überall und nirgends zubaufe, allgemein 
menfchlich entzückt, weit voraus. Ferner im Anfang war der Rhythmus, der 
Sang, die Dichtung und erft nach Mberwindung eines vortwiegend jentimen- 
talen Stadiums erjcheint die Profa, der Begriff (p. 206: le concept acquiert 
une valeur sup6rienre au sentiment). ft das in diefer Allgemeinheit triftig? 
Manche richtige Beobachtung liegt jolchen Feititellungen ziveifelloS zugrunde; 
aber ich meine, es ift methodifch faljch, den Weg folcher Prioritätsbehauptungen 
ohne genauere Analyje der vortommenden Beitandteile der generellen Aus= 
lagen zu befchreiten. Die Art, wie van Gennep mit ungenügend analyfierten 
Momenten feine Bemweife führt, hat daher nichts zumingend berzeugendes, 
Bemwiß fann der Reiz des freien Spiels erft im Gegenjage zur dienenden Ars 
beit erblühen; darum ift aber noch nicht das dem Leben Dienende auch gleich 
als das Frühere zu datieren. Yrüher als Spiel und Urbeit it das Chaos der 
undifferenzierten Mannigfaltigfeit. Untericheiden mir im Nüßlichen 1. den jub- 
jettiven fittlichen Willen zur zmedmäßigen Beherrichung eines Gegenftandes, 
2. den objektiven äußeren Erfolg der gemwollten Sachherrichaft, der bekanntlich 
nur durch geduldiges Hinhören auf das Sachgejeß erreicht wird, jo ijt der 
zweite Faktor in der Entwicdlung der Menjchheit ficherlich nur in unendlichen 
Unnäherungen erreichbar, denn feine VBorausfetung ift die ewig fortichreitende 
aus der Magie fich entpuppende theoretiiche Wiffenfchaft, der erite Faktor in 
feiner Reinheit aber ebenfall3 durchaus nicht primitiv, jondern die reifende 
Yrucht derjelben niemals vollendeten intellektuellen Bildung und innerften Kultur. 

An Sachen der individuellen Erfindung, des Anteil3 des Einzelnen 
am gemeinfam Nubbaren, hat van Gennep da3 Stetigleitsprinzip (S. 214f., 
273, 279) gelegentlich aus den Augen verloren und läßt 3.8. Lönnrot als le» 
bendigen Gegenbemweis gegen Wundts Hypotheje der Entitehung des Epos auf- 
treten, wo bei friedlicher Eraftheit der Aufmerffamleitseinftellung Yönnrot auch 
als Beifpiel für Wundt hätte zurechtgerüct werden fönnen. Man mag mich 
vielleicht als einen befangenen Anhänger der angegriffenen Doltrin fchelten; 
ich glaube, daß mer einem genialen Geifte vertraut, damit auch dem Sach- 
gejeße, auf deffen Vernehmung alles anlommt, näher zugeführt wird, al wer 
in Etreitluft vom eigenen Wege aus allzu eigenfinnig den Gegenjat zu ander- 
jeitS beichrittenen Pfaden feithält. 

Sedenfalls verdient van Gennep für das Pofitive und Kördernde, das er 
mitteilt, den Dank des niannigfach: bereicherten LVejers, und in der Erinnerung 


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an wiederholte Lektüre des Leinen Buches möge diejer Eindrucd die verlegenden 
Störungen feitens etwaiger Widerjprüche und Unebenheiten überdauern. 
Berlin-Charlottenburg. Dr. Hans Lindau. 


L’eglise et la sorcellerie. Pr&cis historique suivi des documents offi- 
ciels, des textes principaux et d’un proces inedit. Par J. Francais. Paris, 
Librairie Critique (Emile Nourry) 1910. 3,50 Frcs. 

Das vorliegende Buch will die Beziehungen der Kirche zum Hexen- 
wahn und zu den Hexrenverfolgungen darlegen, Während es über die in 
Deutichland, Italien und Spanien vorgefommenen Verfolgungen nur jummas 
rich berichtet, ftellt es die gleichen Vorgänge in Frankreich ausführlicher dar. 
Hier jegte die Verfolgung der Heren etwas fpäter ein, als in Deutichland, 
wurde aber intenfiver und länger betrieben als anderswo. Dazu trugen neben 
Ihlimmen fozialen Zuftänden, die infolge der Bugenottenfriege eingeriffene 
fittliche Vermilderung und der Umftand bei, daß die „Ichmarze Diagie" und 
Zauberei in allerlei Sormen auch in gebildeteren Kreifen, ja jelbit in der 
nächiten Umgebung des Hofes, getrieben wurde. Für all diefe Verhältnifie 
und Borgänge find in dem Buche eine große Anzahl von Notizen zufammene 
geftellt, die zum großen Teil bereits anderweitig befannt geworden find, Neu 
und bisher unbefannt find die Prozeßaktten der Sulanne Gaudry, welche dem 
Archiv von Lille entnommen find. Dieje unglüdliche „Here" wurde nach den 
üblichen VBerhören und Torturen von einem meltlichen Gerichtshof verurteilt 
und am 9. Juli 1652 verbrannt. 2. 

Das Buch erhebt wohl felbjt nicht den Anfpruch auf den Charakter 
einer jtreng miffenjchaftlichen Arbeit. Diefer würde ficher auch nicht zuge 
ftanden werden fünnen. Denn das Buch läßt oft methodiiche Forihung und 
wifjenfchaftliche Darstellung vermiffen. Das Duellenmaterial ift meift aus 
zweiter Hand benugt, unter den vielen Zitaten finden fich nicht wenig fehler- 
bafte und oft jo ungenügende, daß eine Nachprüfung nur unter großem Zeit- 
verluft möglich) wäre. Der Berfaffer benügt, wie begreiflich, vorwiegend 
franzöfiiche Literatur, er hat fich aber auch in der deutichen und englilchen 
umgejehen; entgangen ift ihm das bedeutfame Werf von %. Hanjen und der 
dazu gehörige Quellenband. Die „Tocuments” bieten: den Kanon „Episcopi”, 
einige Sunodalbeichlüffe, ungenügende Auszüge aus Agobard von Lyon, 
Kohann von Salesbury, Thomas von Aquin, Agrippa von Nettesheim und 
päpftliden Bullen in nicht immer einwandfreien Ueberjegungen, dann das 
Parijer Edit vom 30. Auguft 1582 gegen Aberglauben und Magie. Bon 
den bereits erwähnten Prozeßaften abgeiehen, enthalten die „Documents“ nicht3 
neues, Die Mitteilungen über das angeblich bejeffene Mädchen von Blauzac 
(1900), jomwie über Fälle von Nekrophagie aus jüngerer Zeit (S. 352—263) 
gehören eigentlich nicht zum Thema, wie auch der berüchtigte Seber- und 
Dominilaner-Prozeß von Bern (©. 75 20.) nicht in die behandelte Frage ein«- 
Ichlägt. 
| Man hat mit Recht bedauert, daB %. Hanfen in feinem verdienftvollen 
Werke „Zauberwahn, Snquifition und Herenprozeß im Mittelalter” (München 
1900) jein Urteil über die Schuld der Kirche an den unjeligen Herenprogefjen 
nicht vorfichtiger abgemogen, fondern die Kirche allein mit einem unge 
rechten Schuldfonto belaftet hat. Sn ungleich höherem Maße trifft diejer 


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— 216 — 


Bormwurf das vorliegende Buch. Man muß es als eine Tendenzichrift bezeichnet. 
Bmar kann fich der Verfaffer nicht ganz der Erwägung entziehen (©. 35 ff.), 
daB jchlimme joziale und moraliiche Zuftände den Herenmahn mächtig för- 
derten; die Hauptichuld legt er aber der Kirche zur Laft. Auf ©. 211 wird 
fogar die fühne Behauptung aufgeftellt, daß die heutige Fatholifche Theologie 
dem Teufel diejelbe Macht zujchreibe, wie die Theologen des 16. Jahrhunderts. 
Ein Beweis dafür wird freilich nicht erbraddt. Wenn die fatholifche Kicche 
auf Grund der heiligen Schrift lehrt, daß der Teufel unter Gottes Zulaffung 
die Menjchen verjuchen und an Leib nnd Seele jchädigen könne, jo findet fie 
fich in Uebereinftinmung mit dem befenntnistreuen, alten Proteftantismus. 
Niemals aber hat fie einen Glaubensjaß aufgeftellt, gemäß welchen das 
pactum cum diabolo, der geichlechtliche Verkehr des Teufels mit den Menjchen 
und die jonjtigen, in den Herenprozeffen vortommenden Phantajtereien als 
Realitäten anzunehmen feien. Weder allgemeine noch partifuläre Konzilien 
enthalten einen folchen Blaubensfag und auch aus den päpftlichen bei Hanjen 
(Quellen und Unterjuchungen zur Gejchichte des Herenwahns und der Heren- 
verfolgung im Mittelalter. Bonn 1901 S. 1-87) forgjam zujammengeftellten 
Bullen folgt mit nichten, daß der Glaube an die den Hexrenprozeljen zu 
Grunde liegenden angeblichen Verbindungen mit dem Teufel von der Kirche 
al3 Pflicht auferlegt werde. Denn diefe Bullen find feine Kathedralentjchei=- 
dungen, verpflichten darum niemand, an das zu glauben, was darin fteht. 
Sie find von den PBäpften erlaffen auf Grund von Berichten, deren Richtigkeit 
fie ohne zu prüfen gut» und leichtgläubig annahmen. Eine dogmatijche 
Bedeutung ift bei diefen Hexenbullen ausgefchloffen. Indeffen darf man nicht 
leugnen, daß durch diefe päpftlichen Kundgebungen doch den Herenglauben 
und der Herenverfolgung VBorjchub geleiftet wurde. Das gilt auch von der 
Bulle Snıocenz VIII (1484) Summis desiderantes, deren Hauptbedeutung in 
der Ernennung der Dominikaner Heinrich Snftitoris und Jakob Sprenger zu Sn 
quifitoren gegen die Hexen in einer großen Anzahl von deutichen Diözelen liegt, 
in welchen demnach die ordentliche bifchöfliche mit milderer Praxis verbundene 
Surisdiftion in diefer Angelegenheit aufgehoben wurde. E38 ift darum irrigr 
wenn Francais den Herenwahn feit Papft Yohann XXI als Dogma der 
tatholiichen Kirche figurieren läßt. Ein ebenjfo jchlimmes Mißverftändnis — 
um nicht mehr zu fagen — ift es, wenn er (S. 65) behauptet, man habe den 
„Herenhammer“ der beiden genannten Dominifaner mit einem Rejpelt ange- 
jehen, al3 ob er „ein infpiriertes Buch“ wäre. Das unglüdliche Buch hat ohne 
Zmeifel einen großen Einfluß ausgeübt, der indeffen von Hanfen u. a. und 
auch von Francais übertrieben hoch bewertet wird. (Bgl. Paulus, Herenwahn 
und Herenprozeß, vornehmlidy im 16. Jahrhundert. Freiburg i. ®. 1910. 
©. 2, 216 ff.) 

Ti man die Ausbreitung des Hexen- und Zauberwahns veritehen, jo 
muß man meit zurüdgehen. Diejer Wahn ift ein altes Exrbftüd der von dem 
wahren Gottesglauben abgefallenen Menjchheit. Aus der antifen Welt des 
Drients, wie des Decidents fchlich er fich unter die chriftlich gemordenen VBöl- 
fer ein und beeinflußte troß des Kampfes der Kirche gegen die manigfaltigen 
Geftaltungen des Aberglaubens auch die chriftliche Literatur. Bei den chrift- 
lich gewordenen germanifchen Völkern fanden die antiten abergläubijchen An 
Ihauungen und Bräuche nicht nur mwillige Aufnahme, fondern auch Bereiche- 


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— 2/17 — 


zung aus dem eigenen Vollsglauben und den heimilchen Gewohnheiten. 
Romanen und Germanen glaubten an die Macht von Zauberern, die an Leib 
und Leben, jowie an Hab und Gut jchädigen fönnen. Man wird anerfennen 
möüffen, daß die Kirche und deren Organe fich redlich bemühten, den Zauber- 
glauben jeder Urt aus dem Bolfe auszurotten. Wir erinnern an den Bilchof 
Agobard von Lyon, an den Kanon „Episcopi“, an Bucchard von Worins, an 
zahlreiche Beichlüffe deutjcher Synoden u. a. Yreilich reichte das nicht aus, 
die feit eingemurzelten abergläubiichen Meinungen und Neigungen zu über- 
mwinden; dazu hätte es eines theologiich gebildeten, das Volk in diefem Puntfte 
geiftig überragenden Klerus bedurft. Aber die mit dem Bolt in unmittelbarer 
Beziehung jtehenden Geijtlichen waren Kinder diejes Volkes und ihrer Zeit 
und bei weiten nicht immer im Stande, die Iynodalen Beitimmungen fraft- 
vol durchzuführen. Es ift richtig, daB in den kirchlichen Kreifen die Anjchau« 
ungen über Dexenfahrten und Wetterzauber in der Zeit vom 13—15. Yahr- 
Hundert eine bedauerliche Veränderung erfahren haben. Wurde vorher — 
wie der Hanon „Episcopi*, Burhard von Worms, das Dekret Gratians und 
andere Zeugniffe befunden — der Glaube an die Realität diefer Dinge be= 
ftritten und fogar mit Strafe belegt, jo fand fpäter der Volflsglaube auch 
Zugang in autoritative Stellen. Dazu mögen nicht wenig die Gerüchte über 
das lichtjceheue Treiben in den geheimen Berfammlungen vieler mittelalterlicher 
Kegergenoffenjchaften beigetragen haben. Wenn nun auch die allgemeine theo- 
Iogifche und öffentliche Meinung die Realität des Herenzaubers u. |. m. ver- 
traten, jo ift doch die Behauptung (S. 187), daß die Kirche den Zweifel daran 
als eine Gottlofigfeit verdammt habe, unrichtig. Ein folches Urteil mögen 
einzelne Theologen gefällt haben; authentijche und allgemein verbindliche Er=- 
Härungen des fichlichen Lehramts nach diejer Richtung find nicht nachzu= 
weilen. Mögen fich immerhin autoritative kirchliche Dolumente jurisdil- 
tioneller Art auf den Standpunft des Bollsglaubens geitellt haben, jo liegt 
in diefen wohl eine norma agendi, aber feine lex credendi. 

Seit dem 12, Jahrhundert erhielt der Zauber- und Herenwahn neue 
Nahrung aus der Zauberliteratur, die mit den Tabbaliftifchen Schriften der 
Juden und der Araber zufammendhing. Nicht minder wurde durch die erbau- 
liche Erzählungsliteratur (Jakob von Bitry, Caejarius von Heifterbach u. U.) 
jomwie durch Eritiflofe und phantaftiiche Yegendenichreiber der Glaube an dä- 
monijche Einflüffe ins Krankhafte gefteigert. Das Volt lebte in fteter Furcht 
vor Dämonen und deren Werkzeugen, den Zauberern und Heren. Leider bot 
weder die wifjfenfchaftlihe Theologie noch die medizinijche Literatur 
des Mittelalters ein wirkffames Korreftiv. Die Scholaftit übernahm vielmehr 
mit dem damals üblichen Reipelt vor überlieferten Erzählungen die antiken 
und landläufigen Erzählungen über Dänonentum und Zauberwejen und ver- 
lieh ihnen durch gelehrten Aufpuß gemwiffermaßen eine größere Glaubiwürdig- 
feit. &3 gab aber immer noch Geiftliche, welche die Realität des Hexrenzaubers 
leugneten und das Boll dementiprechend belehrten. Klagt doch der Snquifitor 
Heinrich Inftitoris über den jchädlichen Einfluß folcher Geiftlichen, unter deren 
Walten fich die Hexen Stark vermehrt hätten. Das mögen aber rühmliche 
Ausnahmen gemejen fein. m allgemeinen herrichte überall der Glaube an 
die Realität von Hererei und Zauberei, und Klerus wie Volk fchrieben ver- 
heexende Unmetter fowie Schäden an Leib und Leben u. |. mw. den Hexen zu. 


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E8 wäre aber ungerecht, die Schuld für den YFortbeitand des Heren- 
mwahns der Kirche oder den Theologen allein zugufchreiben. Das ergibt 
fih Schon daraus, daß nach der Reformation der Herenmwahn und die 
Herenverfolgung nicht jchmwächer, Tondern hie und da fogar Itärfer wurden. 
E38 geht nicht an, dieje zmeifellofe Tatfache mit dem bloßen Hinmeis auf das 
von den Reformatoren übernommene „fatholiiche Erbgut“ zu erllären. Diefem 
Verjuche gegenüber muß daran erinnert werden, mit welcher Leichtigleit fich 
die Reformatoren des „Latholichen Erbguts*” zu entledigen mußten. Warum 
fie es in diefem Punkte nicht getan, liegt auf der Hand. Sie ftanden eben 
im Banne des vollstümlichen Herenglauben3 und forderten darum unter Be= 
rufung — nicht auf den Herenhammer und das fanonilche Recht, fondern — 
auf die hl. Schrift den Tod der Heren und Zauberer. (Bgl. Paulus a.a.D. 
5.20 ff., 67 ff. u.a. St.) Wenn man dies, fomie die zahllojen in proteitantischen 
Territorien Deutfchlands im 16. und 17. Jahrhundert vorgelommenen Heren- 
verbrennungen nicht lediglich den proteftantifhen Konfejfionen 
zur Laft legen fann, fo darf die fatholiiche Kirche ficherlich auch den An- 
\pruch erheben, daß man ihr nicht allein die Schuld an dem Herenwahn 
und den Herenverfolgungen beimefje. Man follte die Studien über jene trau- 
rige Epoche aus dem Banne fonfeffioneller Vorurteile und Polemik heraus- 
heben; dann mürde es leichter fein, die religiöjen, Zulturellen und lozialen 
Zufammenhänge zu finden, aus welchen der Hexrenmwahn entftanden und zu 
einem fo furchtbaren und beijchämenden Unglüd für die Völker geworden ift. 


München. "Adolph Franz. 


Bolkstümfide Ann aus Shwaden. Im Auftrag der Königlich Württernb. 
. Zentralftelle für Gewerbe und Handel von Tireftor Paul Schmohl, VBor- 
ftand der Beratungsjtelle für das Baugewerbe. Unter Mitwirkung von Prof. 
Dr. Eug. Bradmann, Kgl. Yandesfonjervator in Stuttgart. 

Das beite Lob, das man einem folchen Buche erteilen fann, ift, daß 
fein Beifpiel Nachahmung verdient. So etwas müßten wir in Helfen auch 
haben! Emmen erjten VBerjuch, etwas Ahnliches zu jchaffen, ftellt zwar das 
heifiiche VBerfehrsbuch der heifiichen Verfehrsvereine dar, aber auch nur etwas 
ähnliches: bei den VBerkehrsvereinen Ipielen naturgemäß noch andere Sntereifen 
außer den Künftleriichen und Volfsftundlichen mit, und fo fommt es, daß 
die Würdigungs- nnd Wertafzente dort bei der Beichreibung unferes herrlichen 
Heffenlandes nicht immer ganz objeltiv und richtig gejegt find, und auch 
manches bejchrieben und angegeben wird, da3 lediglich den Gejchäftsreifenden 
interelfieren fann. Auch könnte die Ausftattung des heifischen VBerfehrsbuches 
noch beffer fein. Der Umichlag, der genarbtes Leder in gedrucdtem Papier 
nachhahmen will mit dem häßlichen Wappen wird hoffentlich bei einer Neuanıf- 
lage verjchwinden. 

Das württembergifche Buch Stellt den Fünftleriichen Gefichtspuntt 
al® maßgebend auf und führt an der Hand einer Fülle von prächtigen Bildern 
durchs Schöne Schwabenland. Berichiedenheit der Bodengeftaltung mie der 
politiichen Berhältniffe bringt hier eine Mannigfaltigfeit hervor, die echt deutich- 
individuell auch) in der Kunft ihren vielfältigen Ausdrucd gefunden hat. Viele 
feine Hauptitädte, weltliche und geiftliche Territorien haben jede ihre bejondere 


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Eigenart gepflegt, die auch durch die Stammesverjchiedenheit bedingt war. 
Wohnen doch im heutigen Württemberg die Stämme der Schwaben und Zranfen 
neben= und durcheinander. 

AU diefe Werte einer reichen Kulturentwiclung werden in der ausge» 
zeichneten Einleitung von Bradmann herausgeholt. Dieje Einleitung, die 
auch) die volfsfundlichen Denkmäler, 3.8. die ältefterr Namen der Feldfluren, in 
dem Fulturhiftorifchen Zufammenhange nicht vergißt, gibt geradezu auf feinem 
Raume einen vollitändigen Entwidlungsgang der württembergifchen Kultur- 
geichichte an der Hand der Denkmäler. Dabei wird, mie fich’3 gehört, das 
Künftlerifche als der feinfte Kulturerponent auch an eriter Stelle gemürdigt. 
Die großen Züge treten in Gradmanns Ausführungen Klar hervor und doch 
berricht Treue im Kleinen: Stadtplan, Dorf, Kirche, Schloß, VBürger- und 
Bauernhaus, Zimmer, Gerät, Garten, Straße und Weg, jelbit die typifchiten 
und Heinften Dinge der Altagstunft werden in ihrer ftiliftiichen Abwandlung 
duch die Zahrhunderte hindurch betrachtet. — 

E3 mag manchen ftören, daß auf den meiften Seiten eine Fülle Heiner 
Abbildungen zufammengedrängt werden mußte. Gemwiß tft küinftleriiche io» 
lierung etwas gutes, das man anmenden fol, mo immer e8 nur geht; aber 
dann märe e3 bier auch) unmöglich gemeien, jovtel des Schönen zu einem noch 
einigermaßen erfchwinglichen Preife und in einem handlichen Bande zu geben. 
Man muß fih die Siolierung felber jchaffen, indem man alle anderen Bilder 
außer dem betrachteten zudeckt. 

Die Auswahl der Bilder ift ganz vorzüglich. Jch Habe das Buch wohl 
zehnmal auf das genauefte nach verjchtedenen Gefichtspunften, formohl inhalt- 
Kchefunfthiftorisehen, wie praltiichetechnischen (Wahl des Standpunttes des 
Photographen, Bildgröße, Beleuchtung) durchgejehen, und es auch nicht einmal 
aus der Hand gelegt, ohne bereichert und angeregt zu jein. Der Wert eines 
folhes Buches auch) in ethischer Hinficht, durch Stärkung der Heimatliebe, der 
Achtung vor dem geichichtlich Gemwordenen, durch die Anregung, wie die VBor- 
fahren das Belte in der Betätigung eigener jelbitändiger Kraft zu juchen, ift 
gewiß nicht gering anzufchlagen. In Schwaben haben moderne Baufünitler, 
bejonder3 Theodor Filcher und jeine Schüler die wundervollen Anregungen älterer 
Kunft in modernem Sinne jelbftjchöpferiich, nicht nachahmend, Tondern im 
Geilte der Alten freifchaffend verwertet. Die Erneuerung der Altjtadt Stutt- 
garts zeigt das vielleicht an beften. 

Wer in unferem Hejfenlande gemwandert ift, weiß, daß wir auf 
fleinerem Raume einen vielleicht noch größeren Reichtum auch an Schäßen 
der vollstümlichen Kunft haben, Auch bei uns herricht infolge von Stamme 
verichiedenheit wie von politiihen Verhältniffen und Iandichaftlichen (Rhein- 
land, Vogelsberg, Odenwald!) die größte Mannigfaltigfeit. Es märe eine 
Ichöne Aufgabe für unfer Heffifches Dentmalarchiv, ein ähnliches Buch mit 
gewählten Abbildungen der Hejjiichen Bollstümlichen Kunft zu jchaffen. 
Das würde unferer Dentmalpflege mehr nügen und mehr Boden jchaffen 
als jo manche Berordnung. Auch würde die Wirkung volfstümlicher fein, als 
die unferer doch vorwiegend tunftgefchichtlichen Zmeden dienenden Dentmäler- 
inventare. 


Biegen. Chriftian Raud. 


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Vieilles chansons et rondes pour les petits enfants. Avec accom- 
pagnement de Ch. M. Widor. Illustrations par M. B. de Monvel. Paris s. d. 
Plon-Nourrit et Cie. In 4° oblong, reliure toile anglaise. Prix: 10 francs. 

Die auf die Hebung der Jugendliteratur gerichteten Beftrebungen der 
legten jahre find auch dem Kinderliede zugute gefommen. Wir haben mehrere 
Ihöne Bücher, die den Kindern gut ausgemählte, mit einfachem Tonjab ver 
ebene, alte und neue Volkslieder zujammen mit SMuftrationen von der Hand 
hervorragender Künitler bieten. Auf dieje Weile wird auf3 glüdlichite An 
Ihauungsbedürfnis und PBhantafıe der Kinder befriedigt. Die Lieder, die fie 
lernen, gewinnen LZeben und Geftalt in ihrer Seele; für alle Zukunft wird 
ihnen Wort und Ton begleitet von Yarbe und Bild. Hand in Hand geht Bil- 
dung des Gemüts mit äfthetiicher Erziehung. Inhalt und Form wird durch 
Singen und Betrachten zu einer unauflöslichen Einheit. 

Beröffentlichungen diejer Art find 3. B. die Bücher „KRinderfang-Heimat- 
Hang” mit Bildfehmud von Ernft Liebermann (Verlag von of. Scholz, Mainz) 
und „Sang und Klang fürs Kinderherz”, herausgegeben von Engelbert Huntper- 
dind mit Bildern von Paul Hey (Verlag von Neufeld und Henius, Berlin) 

Dielen Deutichen Sammlungen tritt die oben erwähnte franzöfilche Samın= 
lung alter Lieder und Reigen zur Seite und gejellt zu Gelang und Bild noch 
das Spiel und den Tanz. 

E3 ift reizvoll und lehrreich zugleich, die deutfchen Kinderlieder und -Reime 
mit den franzöfiihden und vor allen Dingen die Aluftrationen der deutjchen 
Meifter mit denen des franzöfiichen Künftlers zu vergleichen. 

SHhlicht und innig find die Zeichnungen der Deutichen. Groß und fräftig 
find ihre Linien. Mächtig durchdringt die Natur alles Leben: Berge, Flüffe, 
Wälder und Täler, weite Ausblicle ins Land, Himmel und Horizont, Sonne, 
Mond und Sterne. Menfch und AN in Starker, fchöner, natürlicher Einigfeit, 

Nicht jo die frangöfiichen Bilder, Das Allgemein-Menichliche und das 
Elementar-Natürliche tritt zurüd hinter dent zu fünftleriicher Darjtellung er- 
hobenen Kindlich-PBhantaftiichen. Das märchenhaft Glänzende, das Feierliche, 
das bei allem findlichen Ernst leicht fomilch Wirkende, wie e3 das Kind, das 
in Behaglichkeit hHeranmwäachft, fich träumt und erjehnt, ift die Stimmung, die 
der Künftler für die meiften feiner SUuftrationen gewählt hat. Sn das Reich 
des Grazidien hat er die Heinen Franzojen und Franzölinnen geführt. Gefäl- 
lige Bewegungen, bieg- und fchmiegfame Körper, Kinderanmut in Kinder!piel, 
den Rhythmus des fultivierten Kindlichen zeichnet er mit glüdlichftem Erfolge. 

Genau jo findlich find feine feingepugten Eleinen Herren und Damen, feine 
Pierrots und Polichinelles mie die Burjchen und Mädels in Hemdärmeln und 
Mieder, wie die Bauernfinder und Wandersleute, die Liebermann zeichnet. Und 
dem franzöfiichen Kinderfinn find feine zierlichen Böglein und Silchlein, feine 
MWiefel und Häslein, die Schlanten Baumchen und dünnen Sträucher, feine Blumen 
und Girlanden wohl ebenio lieb und vertraut wie dem deutjchen Kinde die 
große, ftille Natur, die ihm Liebermann und Key nahebringen. 

Zwei Welten des Kindlichen eröffnen die deutichen und eröffnet der fran- 
zöltiche Künftler. Welten, die wohl in jeder Kinderjeele als Einheit vorhanden 
find. Die Welt des unmittelbar Natürlichen, aus der heraus die geheimften 
und ftärkiten Kräfte des Wejens fich entwiceln, und jene Welt der Phantafie 
und des Stils, jenes Verlangen, das nad) dem Wunderbaren und Schönen 


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ftrebt, nach allem, ma3 man nicht befitt, jenes Bedürfnis nach Höheren Kormen, 
die man fich erfinnt aus bunten Flittern und Tand, im findlichen Spiel, mitten 
in der Gemwöhnung und den Gaben des Alltags. 

Gießen. | | Walther Küchler. 


C.6.Seligmann. The Melanesians ofBritish New Guinea. With 
a Chapter by F.R. Barton and an Appendix by E.L. Giblin. Cambridge, Uni- 
versity Press 1910, — 21 sh. 

Allmählich Lichtet fich auch das Tunlel, das über den völferfundlichen 
Berhältniffen von Neu-Guinea lag, und zwar zunächit auf britifchem Gebiete. 
Die Snfeln der Torresitraße find durch die Arbeiten der Cambridge Expedition 
jehr gut befannt geworden; und zwei Mitgliedern diefer Expedition ift e8 zu 
verdanfen, wenn nun auch das ethirographiiche Bild der öftlicheren Gebiete, 
deffen Grundzüge durch die Pionierarbeiten eines Mac Gregor, Chalmers ujmw. 
gezeichnet worden find, volleres Leben gewinnt. Sch meine Haddons „Head 
hunters“ und jett das vorliegende Werk von Seligmann. Sch ftehe nicht an, 
dies Iette als Duellenmwerf noch über da8 Buch von Haddon zu Stellen, weil 
es dem Benußer durch die ganze Art der Darftellung in feltener Weile geitattet, 
das rein Tatlächlihe von den Meinungen und Hypothejen des Autor3 und 
feiner Gemährsmänner abzujcheiden. Ten theoretiichen Anjchauungen vermag 
ich nicht immer zuzuftimmen, mie mir denn ©. 3.8. den hiftorijchen Wert der 
einheimifchen Überlieferungen durchweg zu überfchägen fcheint. 

Haddon hat die befannteren Teile von Britifc) Neuguinea in jechs ethno- 
graphiiche Bezirke geteilt: den der Torregitraße, des Fly-River, des Bapua-Golfs, 
den Zentral-Diftrift, den der Nordoftküfte und den Maffim-Beirkl. Seligmanns 
Forschungen umfaffen den Zentral- und Maffim-Diftrikt, beide von Stämmen 
„melanefifcher”, d.h. malaiopolynefiicher Sprache bewohnt oder doch kulturell 
beherriht. m Bentralbezirt fallen die öftlichen Teile, weil dem Verf. nicht 
perfönlich befannt, aus der Darftellung heraus. Ethnographiich heben fich die 
beiden Diftrikte ziemlich jcharf gegen einander ab; doch fehlt es auch nicht an 
Mbereinftimmungen, wie denn die eigenartigen, bei den Koita wie bei den Motu 
des Zentralbezirts gebräuchlichen Zeremonialplattformen auch) im Maffimdiftrikt 
nicht felten find. — Belondere Beachtung hat ©. überall den fozialen Verhält- 
niffen gefchentt. Im Südoften ift der Totemismus ftark ausgebildet, und zwar 
in der Form der „verbundenen Totem3”; d.h. jede Totemgruppe befißt außer 
einem Totemvogel noch je ein Totem aus mehreren anderen Tiergattungen 
und meift auch ein Pflanzentotem. Die heutige Vererbung des Totemismus 
ift mutterrechtlich; aber die Tatjache, daß der Neipekt gegenüber dem väter- 
lichen Totem meijt größer ift al3 der gegenüber dem eigenen, da mit dem 
mütterlichen identijch ift, |ptegelt in Verbindung mit der überwiegenden Tendenz 
zu lofaler Gruppierung den urfprünglichen vaterrechtlichen Charakter des Tote- 
miSmu3 wieder, wie er in Auftralien und in anderen Teilen Neu-Guineas noch 
mehrfach erhalten if. Milchung zmwifchen vaterrechtlichen umd mutterrechtlichen 
Zuftänden macht fich auch bejonders in den mwirtichaftlichen Verhältniffen gel- 
tend, injofern ein Ehepaar in der Regel auf dem Grund und Boden beider 
Yamilien ein Stüd Land in Kullur hat. Bererbt wird Landbefig rein in 
mütterlicher Linie, während fi) bei bemeglichem Gut in der befannten Art 
eine Tendenz zur Durchjegung patriarchalen Erbrechts, befonders durch Schen- 


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fung bei Lebzeiten, findet. Eine Bejonderheit der nördlichen Teile des Bezirks 
ift das ftärfere Hervortreten politischer Kormen und damit des Häuptlingätums, 
ein ficheres Zeichen ftärferen polynefifchen Einichlags. — Yın Zentraldiftrikt 
fcheint der Totemismus außer bei den Meleo ganz zu fehlen. Aber die fozialen 
Einheiten der Roro und Koita hängen mit ihrer Tendenz zur Lofalifierung, 
die fich teilmeije in den Uriprungsiagen ftarf ausipricht, ihrer mehr oder 
weniger durchgeführten vaterrechtlichen Erogamie, fomie ihren Gruppenabgeichen 
unverfennbar mit den totemiftischen Gruppen der Meleo zujammen und find 
erfichtlich als Abflachungsericheinungen infolge fremdartigen Kultureinfluffes, 
in erjter Linie desjenigen der Motu, aufzufaffen. — Neben fozialen Dingen ift 
das religiöje Leben, Beitattungsgebräuche ujm. am ausführlichiten behandelt: 
Die religiöjen Anfchauungen zeigen, jomeit ©. feitzuftellen vermochte, deutliche 
fpiritiftische Grundfärbung. Das Amulettmwejen herricht befonders im Zentral- 
Diütritt vor, während der Skelettlult im nördlichen Maffim-Bezirk feine höchtte 
Entwicdlung erreicht, mo ftellenmweije nicht nur der Schädel, jondern auch Alcm-, 
Bein- und Fußlnochen, Rippen, Wirbel, kurz jede Art Knophen einige Zeit nach 
der Beitattung ausgegraben und unter die Angehörigen verjchiedenen Grades 
nach beftimmten Regeln verteilt werden. Sagen werden nur aus dem füd- 
lichen Maffim-Diftrift in größerer Zahl mitgeteilt. Sie tragen faft durchweg 
den Charakter von Fabeln und Märchen; die naturmpthtiche Bedeutung, Die 
ficher einer größeren Anzahl von ihnen zugrunde liegt, tritt nur bei wenigen 
deutlich hervor, wie denn etwa die Gefchichte von der Boa constrictor (23.) einen 
Sonnenmythus enthält, während Nr. 27 und 29 beitimmte Mondzüge verraten. 

Das von Barton beigefteuerte Kapitel behandelt die intereffanten jähr- 
lichen Bandelserpeditionen der Motu in allen Einzelheiten. : Giblin gibt in 
einem Appendir Notizen über Mufaua, das, bejonders jeinem fozialen Typus 
nach, bereit3 dem Bezirk der Nordojtküfte nahe jteht. 

Eöln. Ä % Graebıer. 


Sagen uud Schwäne aus dem Erzgeßirge. Der Zauberer P. Hahn, der 
. Wunderdoftor Rölz und anderes. Bon Prof. Dr. Johann Endt. Mit fieben 
Abbildungen, Beiträge zur deutjch-böhmiichen Volkskunde X. Band. Prag 
1909, %. ©. Calve’jche K. u. K. Hof- u. Univerfitätsbuchhandlung. (Sof. Koch.) 
3,50 ME. | 

Die vorliegende Arbeit gewährt einen Einblid in die Werkitatt des Bolfes: 
e3 zeigt ung, wie eigenartige Männer die Phantafie ihrer Zeit: und BVolfs- 
genoffen ausfüllen, wie einfache Tatjachen ins Wunderbare gefteigert werden, 
bis endlich ein Kranz von Sagen den Menjchen umgibt und ihn in eine über- 
natürliche Sphäre erhebt. Solche Sagenbildung tft freilich nicht an der Land- 
ftraße zu finden; vorzugsiweife in weltfernen, abgeichloffenen Gegenden wird 
ein Sagengemwebe gefnüpft werden. Berf. ift jahrelang den einzelnen Fäden 
Dieje8 Gewebes nachgegangen, bis er jebt den Lebenslauf des P. Hahn vorlegt. 
In abgelegener Gegend des böhmijchen Erzgebirges geboren (1750), Hat Hahn 
außer feinen Studienjahren fein Qeben in der Nähe jeines Geburtsortes, 3. T. 
in Ddiefen jelbit zugebracht. Den genauen Angaben aus P. Hahns Leben folgen 
zahlreiche Erzählungen feiner Schnurren. Ber Verf. hat alle noch) erreichbaren 
Spuren der Überlieferung gefammelt und gibt bei den meiften Beichichten feinen 
Gemwährsmann an. E35 find Wunderheilungen und allerhand Zauberfunftftücde, 


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Die berichtet werden, manche darunter in verichiedenen Berfionen; Dabei wird 
deutlich, wie das Volk auf feinen neuen Helden manche alte Züge, die 3.8. 
dem Dr. Fauft zu eigen waren, überträgt. Die Perjon jelbft tritt in den Hinter- | 
grund, der Stoff beherricht die Erzähler; an mweifen Namen die Schwänfe und 
Wundertaten geknüpft werden, ift dem Bolf bald gleichgültig. Dasielbe Sagen- 
gut wird nach Jahrzehnten auf einen Wunderdoftor Rölz in derjelben Gegend 
übertragen. Ber Berf. hat mit großer Genauigfeit auch hier erit den Lebens. 
lauf und dann die einzelnen Erzählungen feitgeftellt. Ferner enthält der Band 
noch andere, mit diefen beiden Männern nicht zufammenhängende Erzählungen 
und Schmänfe aus dem Erzgebirge, die aber zeigen, Daß das Bolt fich dort 
gern in allerhand Wundervorftellungen ergeht und dem Namen einzelner Dorf- 
genoffen die Wunderereigniffe anhängt. Ein Zeil diejer legten Gejchichten ift 
im Dialekt wiedergegeben, der durch Anmerkungen verdeutlicht wird. Nach 
diejen VBolkserzählungen fteht zum Schluß eine größere zufammenhängende Er- 
zählung über P. Hahn, die Alexis Kolb niedergejchrieben hatte. 
Gießen. 9. Ölaue. 


& R. Afanaffjew, Rujliiche Bollsmärckhen. Neue Folge, deutich 
von Anna Meyer. Wien, Dr. Rud. Ludwig, 1910. 8° broich. 3 ME, 

Der erften Sammlung ruffiicher Vollsmärchen (1906) läßt Unna Meyer 
jegt die Fortjegung folgen; bot der 1.Band Tierfabeln und naturgeichichtliche 
Märchen, fo liegen in dem neuerichienenen Bändchen Märchen allgemeineren 
Charakters vor. Neben unbelannten Stüden finden fich jolche, die mehr oder 
weniger an befannte Märchenmotive anklingen, jo „Das Federchen vom hellen 
sallen Finift” an „Das Nußzmweiglein” oder an den „Wolfsprinz“ der |chrve- 
diichen Märchen. „Ber Zauberipiegel” weckt die Erinnerungan „Schneemittchen“. 
Faft in allen Märchen fpielt das Rätiel eine große Rolle; mehr als Kraft und 
Tapferkeit braucht der ruffiiche Held Schlauheit uud Findigkeit, um die ge- 
ftellten Aufgaben zu löjen. Die 5 lebten Kleinen Erzählungen find bejonders 
humorvoll, zwifchen ihnen findet fich auch eine Nilolauslegende, 

Gießen. 9. Slaue, 


Heimatklänge aus bentfden hauen. Ausgewählt von Oskar Dähnhardt, I. 
Aus Marich und Heide, Mit Buchichmud von Robert Engels. 2. Aufl. (Teubner, 
Berlin-Leipzig 1910. Geb. 2.60 Mi. XX u. 176 Seiten.) 


Die fo freundlich aufgenommenen Heimatflänge liegen in ihrem 1. Teil 
jet in der 2. Aufl. vor. 3 begleitet die Sammlung auch diesmal Dähnharbts 
Geleitwort von 1900; der Inhalt ift faft unverändert, nur der Buchichmud, 
der fich dem Charakter der einzelnen Stüde fein anfchmiegt, ift noch vermehrt 
worden. Für die unbefannteren plattdeutichen Ausdrüde find auf jeder Seite 
unter dem Text die entjprechenden hochdeutichen angefligt, jo daß nicht nur 
Htiederdeutiche fich an den kernigen, oft von Humor durchzogenen Stüden er- 
freuen können. 

Gießen. 9. Ölaue. 


Deutfhes Märdendud. Herausgegeben von Dsltar Dähnhardt. ' Mit 
vielen Zeichnungen von Erich Kuithan und fünf bunten Bildern von Karl 


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Mühlmeifter. Erftes Bändchen. Zmeite Auflage. Leipzig 1910. B.&. Teubner, 
VI u. 154 Seitgn, gr. 8°, geb. 2.20 Mt. 

Das Märchenbuch, das 1903 zuerft erfchien, bietet nur Märchen, die in 
der Sammlung der Brüder Grimm nicht enthalten find. Daß auch fie fich 
ichnell Freunde erworben haben, bemeift die fo bald nötig gemordene 2. Auflage, 
Berf. gibt dem Buche ein Duellenverzeichnis bei und macht es dadurch auc) 
dem Märchenforfcher wichtig. „Zer Zaubertopf und die Zauberfugel” behandelt 
mit geringen Beränderungen denfelben Stoff wie „Die Flafche” in Grimms 
Sriichen Elfenmärcdhen. Zu „Das Salz“ findet fich eine Variante mit dem- 
jelben Grundgedanfen in „Küchenbüttel*, abgedrucdt in Urd, Deutjche Volks- 
märcdhen von 8. D. Bectz (Perthes, Gotha), der aber leider nicht bemerkt, mo 
er jein Märchen gehört hat. — Kuithans Zeichnungen gereichen dem Bändchen 
wirklich zum Schmud, während die bunten Bilder von Mühlmeijter gern fehlen 
dürften. 

Biegen. 9. Ölaue. 


es 


Eingänge für das Archiv der Vereinigung. 


Sur unjer Archiv fandten ein: 

Lehrer 9. Dtto. Steinheim, Kinderlieder aus Beuern und Obbornhofen, 
MWidmungsverje aus alten Fibeln in Steinheim; Frau Tr. Klein- Gießen, 
Kinderreime aus der höheren Töchterfchule-Gießen; Herr K. Graulich- Bießen 
einen Himmelsbrief aus Lindenftruth; Frl. Julie Sundheim-Gießen, Kopie 
eines gemalten Liebesbriefeg aus der Zeit um 1820; Pfarrer i. P.BroB- Gießen, 
einen Seperatabzug jeiner Auffäge „Sonft und jet” aus der Zeitung „Das 
Bolf“ 1910, Nr. 62ff; Pfarrer Engel-Obbornhofen, Abichrift einer alten PBro- 
phezeiung vom “fahre 1626; Reichstagsabg. Köhler- Langsdorf, Protokoll der 
18. Sitg. der 2. Kammer der heil. Landftände 1910; Oberjefundaner DO. Kunlel- 
Grünberg, Abichrift eines Himmelsbriefes; Lehrer Bopler- Klein-Linden, 
Anekdote aus Stangenrod zum Kapitel: Yautdeutung, ferner einen Bierzeiler aus 
Klein-Linden; Stadtbaurat Tyriot-Hanau, ein Exemplar feines WBuches: 
Beitrag zur Kulturgefchichte meiner Vaterftadt Hanau. 


Für das Arhiv für Slurnamenjfammlung jandten ein: 


Pfarrer Shmalm-Burggemünden: Sammlung aus Burggemünden 
und Bleidenrod; Gerichtsjchreiber-Ajpirant Schröder-Bugbahh: Sammlung 
aus Oberhörgern. 


Allen Einjendern herzlichen Dank! 


Das Verzeichnis der bei der Redaktion eingegangenen Bücher folgt im 
näcdjfiten Heft. 


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