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Full text of "Die Verbreitungsmittel der Pflanzen"

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PROFESSOR DER BOTANIK AN DER UNIVERSITAT ZU FREIBURG EB,’ 


MIT 58 FIGUREN IN HOLZSCHNITT. 


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; VERLAG VON WILHELM INGELMANN. i | = 


1873. 


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INHALT, 


- Einleitung. 


Kapitel I. | 
Verbreitungsagentien und ie SA oda im 
Allgemeinen . TE ; en : 
Der Wind S. 9, ihm angepasste Ma er . 13. Das Wasser S. 20. 
Die Thiere S. 24, die ihnen angepassten Ausrüstungen S. 30. Die Aus- 
trocknungsverhältnisse als Verbreitungsagens S. 36. Saftige Schleuderfrüchte 
S. 38. Ausläufer S. 39. Freie Bewegung S. 41. Schutzmittel S. 43. 


Kapitel Il. 


Vorkommen der OF a a Tl andenver tschie- 
denen Organen. 


Kapitel il, 


Die morphologisch verschiedenen Verbreitungsausrüstun- 
gen nach den auf sie wirkenden nn — Specielle 
Darstellung . Fe HER Br RIENT , 

Der Wind als Terrarien S. 50. Leichte und kleine Fort- 
pflanzungsorgane S. 51. Flügelanhänge am Samen S. 53, am Fruchtknoten 
S. 56. Die Blumenkrone S. 60, am Kelch S. 62, an Deckblättern S. 64. 
Haarige und federige Anhänge am Samen S. 66, am Fruchtknoten S. 69, 


am Griffel S: 70, am Kelch S. 70, am Fruchtstiel S. 72, an Deckblättern 


S. 73. Das Wasser als Verbreitungsagens S. 75: Luftblasen im Samen 
S. 75, in der Frucht S. 76. Die Thiere als Verbreitungsagens S. 79 
fleischige Ansrüstungen am Samen S. 79, am Fruchtknoten S. 80 Der 


Blüthenboden S. 82, am Kelch S. 82, am Fruchtstiel S. 83, am Frucht-, 


standboden S. 84; hakige und stachelige Ausrüstungen am Samen 5, 85, 
am Fruchtknoten S. 85, am Griffel S. 87, am Kelch S. 87, an der Blumen- 
krone S. 87, an Deckblättern S. 88, am. Fruchtstiel S. 83; klebrige und 


schleimige Ausrüstungen S. 88. Die Verhältnisse der Austrocknung und 


Turgescenz S. 89, 
Kapitel IV. 


VortheilhafteVerhältnissei im Vorkommen der Verbreitungs- 


ausrüstungen. 

Einsamige Früchte, meist sich area öffnend, haben nicht am Samen die 
Verbreitungsausrüstung S. 93. Mehrsamige Fleischfrüchte S. 97. Trockene 
mehrsamige Früchte S. 98, deren Öffnungsweise S. 99, deren vortheilhafte 
Stellung bein Öffnen S. 101. Mitwirken der Samen beim Öffnen der Kap- 
seln S. 105. Von Anfang an offene Kapselfrüchte S. 106. 


Loslösung der 


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Verbreitungsorgane an den geeigneten Stellen S. 107. Rechtzeitigkeit in 
der Entwickelung der Verbreitungsausrüstung S. 109. Zusammenhang der 
Färbung der Samen und Früchte mit ihrer fieischigen oder trockenen Be- 


schaffenheit S. 113. Keine Verschwendung von Verbreitungsausrüstungen 
S. 114. 


Kapitel V. 


Fehlen der Verbreitungsausrüstungen und Verhältnisse, die 
der Verbreitung scheinbar nachtheilig . 


Mangelhafte Beobachtung S. 119. Abnormitäten durch Kultur hervorge- 
bracht S. 120: Grosse Samen und Früchte ohne Verbreitungsausrüstung 
oder Sehutzmittel S. 122, Fleischfrüchte ohne Samen S. 125, Fleischfrüchte 
mit sehr grossen Samen S. 127. Kulturfrüchte ohne benachtheiligte Ver- 
breitungsausrüstung alle wild gefunden S. 128. An Kulturpflanzen, welche 
nicht der Samen und Früchte wegen gezogen werden, keine nachtheilige 
Veränderung an diesen S, 128. Fleischigsein der Früchte und Samen nur 
scheinbar nachtheilig S. 130. Grosse Samen ohne besondere Verbreitungs- 
ausrüstungen haben schon in ihrer Grösse einen Vortheil S. 130. 


Kapitel VI. 


Verhältnias der Verbreitungsausrüstungenzuanderen mor- 
phologischen Eigenschaften. 


Gleichartige Verbreitungsausrüstungen bei Verwandten S. 134, bei Nicht- 


verwandten S. 135. Ungleichartige Verbreitungsausrüstungen: Familien, 
deren Gattungen verschiedene Verbreitungsausrüstungen zeigen S. 137, 
Gattungen, deren Arten verschiedene Verbreitungsansrüstungen zeigen S. 143. 


Kapitel VII. 
Nutzen der Verbreitungsverhältnisse. SEEE 
Ausdehnnng der Verbreitungsbezirke S. 146. Vortheile, die aus der 
Wanderung der Pflanzen innerhalb ihrer Verbreitungsbezirke entspringen: 
die Bodenveränderung S. 147, die klimatische Veränderung S. 148, die Ver- 


meidung des Kampfes zwischen Gesehwistern S. 150, die Vermeidung an- 
dauernder Inzucht §. 151. 


Kapitel VIII. 


re über die Äusbildungsweise der Ver- 
breitungsausrüstungen bei der Entwiekelung des Pflan- 
zenreiches. 


Entwickelungsreihe von den einfachsten bis zu den komplieirtesten Aus- 
rüstungen S. 155. Zusammenhang zwischen Ausbildung der Verbreitungs- 
ausrüstungen und dem Auftreten der Agentien, denen dieselben angepasst 
sind S. 156. Ausbildung der Verbreitungsausrüstungen auf dem Wege der 
natürlichen Zuchtwahl, bedingt durch die Variation S. 157. 


Die Verbreitungsmittel der Pflanzen. 


Bak dem Aufsuchen der Grenzen zwischen Thierreich und 
Pflanzenreich tritt uns zuerst augenfällig die Erscheinung entgegen, 
dass die Thiere das Vermögen besitzen sich frei zu bewegen, die 
‚Pflanzen hingegen nicht. Zwar ist nun diese Grenze, wie bekannt, 
keine ganz scharfe, indem auch im Pflanzenreich, besonders auf 
seinen niederen, weniger komplieirt gebauten Stufen, eine voll- 
ständig freie Bewegung, z. B. bei den Zoosporen der Algen und 
Pilze, sich findet; im Allgemeinen können wir aber doch daran 
festhalten, dass das Thier in den meisten Fällen nicht an die Stätte 
seiner Geburt gebunden ist, sondern sich hier- und dorthin be- 
wegen und während seines Lebens mehr oder weniger grosse 
Strecken der Erdoberfläche ‚durchstreifen und sie bevölkern kann 
— während die meisten Pflanzen dort, wo sie einmal aufgeschossen ` 
sind, fest im Boden wurzeln und sich nicht von dieser Stelle fort- 
zubewegen vermögen. Hiernach dürfte es erscheinen, als ob die 
Thiere durch die Fähigkeit sich frei zu bewegen bei ihrer Verbrei- 
tung über die Erdoberfläche sehr vor den festgewurzelten Pflanzen 
im Vortheil wären; die Pflanzen finden jedoch für diesen Mangel 
einer freien Bewegung einen überreichlichen Ersatz darin, dass 
ihre Nachkommen, ehe sie im Boden feste Wurzeln schlagen, durch 


die verschiedensten Mittel in einem weiten Umkreise um die Stamm- 
Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 1 


2 


pflanze herum verbreitet werden können, und an Orte gelangen, 
die ein Thier schwerlich, trotz seiner Fähigkeit sich frei zu bewegen, 
erreichen würde. Es giebt ja eine grosse Menge von Hindernissen, 
welche sich einem Thier bei seinem Laufe oder Fluge als unüber- 
windlich entgegenstellen: es vermag nicht eine Gebirgskette von 
einer gewissen Höhe zu übersteigen, oder ein breites Gewässer zu 
durchschwimmen oder darüber hinweg zu fliegen; wenn es nach 
seiner Organisation nur im Sumpfe leben kann, so vermag es nicht 
von dem einen Sumpfe zu einem anderen, von diesem durch weite 
Strecken getrennten zu wandern ; ebensowenig wird ein Waldthier 
das Hinderniss von weiten baumlosen Ebenen überwinden können 
— alle diese Hindernisse werden aber mehr oder weniger leicht von 
den Pflanzensamen besiegt, welche, an sich oder ihrer Umgebung 
mit den verschiedensten Ausrüstungen versehen, durch Wind und 
Wasser weit hinweg geführt werden, ja sogar bei ihrer Verbreitung 
aus der freien Bewegung der Thiere, von denen sie in weite Fernen 
getragen werden können, Nutzen ziehen. Schlecht würde es um 
die Existenz des Pflanzenreiches in seinen einzelnen Arten stehen, 
wenn die Nachkommen eines jeden Individuums in unmittelbarer 
Nähe dieses aufschiessen müssten; dieselben würden sich unterein- 
ander nicht nur den Raum sondern auch die Nahrung streitig machen 
und bei andauernder Inzucht allmälig ganz in ihren folgenden Gene- 
rationen zu Grunde gehen, ohne dass die nun leere Stätte von an- 
deren erreicht und so wieder bevölkert werden könnte. So dürfte 
es augenfällig sein, dass die Verbreitungsfähigkeit, welche die 


Pflanzen in ihren Nachkommen besitzen, von ausserordentlicher 


Wichtigkeit ist und eine der Hauptbedingungen des gesammten 


Pflanzenlebens ausmacht. 

Wie nun in der Natur in so vielen Fällen uns die Thatsache 
‚entgegen tritt, dass eine und dieselbe Wirkung auf den verschie- 
densten Wegen und durch die verschiedensten Mittel herbeigeführt 
wird, so verhält es sich auch mit den Mitteln durch welche die 
Pflanzen in ihren Nachkommen sich verbreiten, und es dürfte von 


allgemeinem Interesse sein, auf diesen Punct einmal näher aufmerk- 


via 


3 


sam zu machen und zu zeigen, wie vortheilhaft hier viele Einrich- 
tungen getroffen sind, die vielleicht Mancher in ihrer äusseren Er- 
scheinung schon kannte, aber weniger in einen Zusammenhang mit 
dem Leben und der Existenz des Pflanzenreichs brachte. Eine an- 
dere Frage ist die, wie diese Verbreitungsmittel der Pflanzen im 
Zusammenhang mit der thatsächlichen Verbreitung derselben stehen. 
Man könnte vermuthen, dass solche Pflanzen , welche die besten 
Verbreitungsmittel hätten, auch den weitesten Verbreitungsbezirk 
haben würden, was jedoch durchaus nicht der Fall ist; aus letzterem 
Umstande aber ableiten zu ı wollen, dass die verschiedenen bestimmten 
Einrichtungen der Pflanzensamen, nicht zur Verbreitung derselben 
dienten, wäre durchaus falsch. Doch lassen wir diese Verhältnisse 


bei Seite: »weit verbreitet werden und keimen, namentlich aber 


gedeihen ist zweierleic!). Fassen wir nur in biologisch - morpho- 


logischer Beziehung die Verbreitungsmittel der Pflanzen ins Auge, 


nicht in pflanzengeographischer. 


Die Theile der Pflanzen, welche sich von diesen loslösen, um 
zu einer der Mutterpflanze mehr oder weniger gleichen Nach- 


kommenschaft ringsumher aufzuwachsen, haben einen zweifachen 


Ursprung. Entweder sind dieselben ohne einen Act der Befruch- 


_ tung entstanden und bestehen in einzelnen Zellen, Sporen oder Brut- 


zellen genannt, auch in Zellkomplexen, Brutkörpern, von verschie- 


den complieirter Organisation — oder sie verdanken ihren Ursprung 


einer geschlechtlichen Zeugung, sind Samen (die Oosporen der Kry- 


ptogamen könnte man genau genommen aus Analogie auch Samen 
nennen), die entweder einzeln und frei, oder von bestimmten 


Theilen der Mutterpflanze eingehüllt, von dieser sich trennen, und 


So verbreitet werden. . Den ersteren Fall, wo die fortpflanzenden 


Körper ohne geschlechtliche Zeugung entstanden, finden wir haupt- 


sächlich bei den Kryptogamen, bei den Phanerogamen nur in ver- 


hältnissmässig sehr beschränktem Maasse, und es tritt hier die ge- 


1) ROEPER in seiner Uebersetzung von DE CANDOLLE’S ch 
Il p: 228, Anm. 


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schlechtliche Fortpflanzung durch Samen ganz überwiegend auf. 
Beide Arten von Fortpflanzungsorganen!) dienen in ihrer Art gleich 
gut zur Verbreitung der Pflanzen; die Mittel aber, durch welche 
diese Verbreitung geschieht, sind bei den Samen ganz auffallend 


mannigfaltiger, als bei den ungeschlechtlich erzeugten Fortpflanzungs- 


organen, so dass wir bei einem Eingehen auf die Verbreitungsmittel 


der Pflanzen im Allgemeinen nothwendig den Pflanzensamen unsere 
Hauptaufmerksamkeit werden zu schenken haben, ohne dass jedoch 


hiermit gesagt ist, dass nicht auch die anderen Verbreitungsmittel 


an geeigneter Stelle zur Sprache kommen sollen. 


Wenn wır uns umsehen, was für Forschungen über die Ver- 
breitungsmittel der Pflanzen schon früher angestellt worden, so 
haben wir hierher auch alle diejenigen Untersuchungen und Be- 
sprechungen zu rechnen, welche sich auf die Samen und Früchte 
der Pflanzen beziehen, wo aber auf den Zusammenhang der Be- 
schaffenheit der Samen und ihrer Umgebung mit der Art und Weise 
ihrer Verbreitung gar keine Rücksicht genommen wird. Haupt- 
sächlich ist hier des grossen Werkes von GAERTNER 2) über die 
Früchte und Samen der Pflanzen zu gedenken, in welchem, wie 
wir später sehen werden, , eine grosse Anzahl der verschiedensten 
Einrichtungen beschrieben und abgebildet werden, ohne dass nur 
an irgend einer Stelle ein Wort darüber gesagt, welchen Nutzen 
alle diese Einrichtungen für das Leben der Pflanze bringen. In 
ganz ähnlicher Weise ist auch in verschiedenen anderen Abhand- 
lungen, die sich auf die Pflanzenfrüchte und Samen beziehen, ver- 
fahren; man hat nur die morphologischen und anatomischen Ver- 
hältnisse berücksichtigt, die biologischen ganz ausser Acht gelassen. 


Auf der anderen Seite, giebt es aber auch, abgesehen von den zahl- 


reichen in Darwın’s Schriften hier und da zerstreuten Bemerkungen, 


derartige Abhandlungen, in denen auf den Zusammenhang zwischen 


1) Von Fortpflanzungsorganen sind die Geschlechtsorgane, 
deren Zusammenwirken die Fortpflanzungsorgane zum Theil ihr Entstehen ver- 
danken, zu unterscheiden. 

2) JOSEPH GAERTNER: de fructibus et seminibus plantarum. 


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5 


Frucht- und Samenbau mit der Verbreitung der Früchte und Samen 2 vn 
E Rücksicht genommen, und von diesen haben wir in erster Linie 
A. P. de CANDOLLE zu nennen, welcher in seiner Pflanzenphysiologie 
2 einen besonderen Abschnitt: von dem natürlichen” Ausstreuen- der 
4 Samen oder Früchte giebt!), welcher sich durch Reichhaltigkeit der 
angeführten 'Thatsachen und der gefassten Gesichtspuncte aus- 
zeichnet, welche Reichhaltigkeit noch durch den Uebersetzer ROEPER | Ä 
in seinen Anmetkungen bedeutend vermehrt worden. Leider hat ee 4 
3 RorrerR in der späteren Zeit nicht Gelegenheit gefunden, seine RR 
| weiteren Beobachtungen über den in Rede stehenden Gegenstand 
-  zusammenzustellen, sie würden gewiss viel Neues geboten haben, 

Auch BıscHor spricht in seinem Lehrbuch der Botanik?) von der 

Aussaat, führt aber dabei kaum etwas anderes an, als schon DE 

CANDOLLE zusammengestellt, ebenso TREVIRANDS in seiner Pflanzen- 

physiologie3). Eine eingehendere Besprechung widmet ALPHONSE, 

DE CANDOLLE in seiner Pflanzengeographie) den äusserlich auf die. 

Verbreitung der Samen Einfluss übenden Agentien, während er i Be, 

weniger auf die Verbreitungsausrüstungen der Samen und Früchte. Be; 

selbst eingeht), indem er sie in ihrer Bedeutung für die thatsäch- 
| lichen Verbreitungserscheinungen der Pflanzen als von unterge- 
; ~ Oordnetem Werthe zu erachten scheint.  Eine'grosse Fülle von inter- 


 essanten Thatsachen und inhaltreichen Bemerkungen giebt NAEGELI 


in aller Kürze unter der Rubrik: nützliche Anpassungen im Pflanzen- 
reich, in seiner Rede über Entstehung und Begriff der naturhisto- 
#4. nischen Art®), aus denen hervorgeht, dass der genannte Forscher 
über unseren Gegenstand eingehendere Beobachtungen gemacht 


haben muss. Aehnlich steht es mit den Bemerkungen, welche : x AA 


E Sa 1) A. P. DE CANDOLLE: Pflanzenphysiologie aus dem Französischen über- 
= setzt von J. ROEPER II p. 212. | 
2) G. W.: BiIscHor: Lehrbuch der Botanik II p. 469. 
3) L. C. TREVIRANUS: Pflanzenphysiologie HI p. 371.. 
4) ALPH. DE CANDOLLE: Géographie botanique raisonnée II p. 613. 
SE S Led Pr 532, x : ; ` 
6) C. NAEGELI: Entstehung und baitis der naturhistorischen Art P- a8 


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Derrino in seiner Pflanzenbiologie!) und in seiner botanischen 
Rundschau?) macht. Weiter hat KERNER in seiner Schrift über 
den Einfluss der Winde auf die Verbreitung der Samen im Hoch- 
gebirge®) eine Reihe sehr interessanter Forschungen und Bemer- 


kungen über einzelne der in Rede stehenden Verhältnisse zusammen- 


gestellt, auf die es geeigneter erscheint nicht hier, sondern später, 


an den betreffenden Stellen einzugehen. Ferner findet sich auch 
bei AsKENAsY in seinen Beiträgen zur Kritik der Darwın’schen 
Lehre?) ein Punct unserer Aufgabe kurz berührt und schliesslich 


hat der Verfasser der vorliegenden Abhandlung in einigen Aufsätzen 


vor Kurzem mehrere Verhältnisse der Samen- und Fruchtverbreitung 


näher besprochen). 

Nach diesem kurzen Ueberblick über dasjenige, was in Bezug 
auf die Verbreitungsmittel der Pflanzen beobachtet und zusammen- 
gestellt worden, dürfte es ersichtlich sein, dass zwar schon ein 
ziemlich grosses Material von Thatsachen und Gedanken über die 
betreffenden Verhältnisse bekannt geworden, dass aber dieselben 
in einer eingehenderen Weise noch nicht zum Gegenstand einer 
Abhandlung gemacht worden, die heutzutage umsomehr am Platze 
erscheint, als nach dem von Darwın gegebenen Anstoss, auf allen 
Gebieten der beschreibenden Naturwissenschaften ein Zusammen- 
hang zwischen Form und biologischer Bedeutung gesucht wird, 
um: dadurch ein Licht auf die Entstehung aller Formen zu werfen. 
Es wird daher die Aufgabe des Folgenden nicht so sehr sein neue 
Beobachtungen aufzuführen, als vielmehr eine Zusammenstellung 


der schon bekannten, wenn auch zum grossen Theile nicht beach- 


1) FEDERIGO DELPINO: Pensieri sulla biologia vegetale etc. I p. 7. 

2) Rivista botanica del 1871. Estratto dall’ Annuario scientifico italiano 
del’ 1871 p. 42. 

3) A. KERNER in der Zeitschrift des deutschen Alpenvereins 1871 p. 144. 

4) E. AsKENASY: Beiträge zur Kritik der Darwın’schen Lehre p. 38. 

5) Ueber die Verbreitungsmittel der Compositenfrüchte Bot. Zeitung 1872 


p- 1. Ueber die Entwickelung der haarigen Anhänge an Pflanzensamen ebd. 


p. 233. Ueber die Verbreitungsmittel der Gramineen-Früchte ebd. p. 853. Ueber 
die Verbreitungsmittel der Pflanzenfrüchte durch Haftorgane ebd. p. 885. 


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teten oder in Vergessenheit gerathenen T nee unter einem be- 
stimmten Gesichtspunet zu geben, nämlich in Rücksicht auf die 
nützlichen Einrichtungen und das vortheilhafte Zusammenwirken 
der zur Verbreitung der Pflanzen dienenden Mittel. Bei der Ent- 
wickelung des Pflanzenreiches war und ist die Variation der ein- 
zelnen Organe eine äusserst mannigfaltige, und. so hat auch jede 
Abänderung, welche den einzelnen Pflanzenarten durch Herbei- 
führung einer stärkeren Verbreitung und Durcheinandermischung 
ihrer Nachkommen einen Vortheil brachte, in dem Kampf ums Da- 
sein sich erhalten und weiter ausgebildet, bis wir zu der unend- 
lichen Mannigfaltigkeit der Anpassungen gelangt sind, wie sie uns 
heute in der Verbreitungsweise der Pflanzen durch ihre Fortpflanzungs- 
organe entgegentreten. Eine rein morphologische oder anatomische 
Betrachtung der Pflanzensamen und Früchte, so wie der geschlechts- 
los erzeugten Fortpflanzungsorgane, bietet bei Weitem nicht das 
Interesse, als wenn wir mit derselben den Gedanken an den bio- 
logischen Werth aller dieser Einrichtungen verknüpfen. Diese Ver- 


bindung zu versuchen, soll die Aufgabe des Folgenden sein. 


Kapitel I 


Verbreitungsagentien und Verbreitungsausrüstungen 
im Allgemeinen. 


Gerade so, wie bei der Bestäubung der Blüthen zweierlei Dinge 
zusammenwirken, auf der einen Seite gewisse äussere 'Agentien, 
nämlich Insekten, einige Vögel und der Wind, welche die Bestäu- 


bung vollziehen, auf der anderen Seite, gewisse Einrichtungen in 


den Blüthen selbst, durch deren Vorhandensein erst die Agentien | 


in Wirksamkeit treten können — gerade so verhält es sich in den 
meisten Fällen mit den Verbreitungsmitteln der Pflanzen. Auch 


hier sind diese Mittel, durch welche die Verbreitung bewerkstelligt 


wird, zweierlei Natur : die einen, welche wir wohl am g eeignetsten 


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die Verbreitungsagentien nennen können, wirken activ, in- 
dem sie die Fortpflanzungsorgane (Samen, Früchte, Brutkörper) 
von der Mutterpflanze hinwegführen und um sie herum vertheilen; 
die anderen, welche wir Verbreitungsausrüstungen nennen 
wollen, finden sich an den F ortpflanzungsorganen selbst oder deren 
Umgebung und spielen dieselbe Rolle für die Verbreitung dieser 
wie gewisse Einrichtungen in den Blüthen für die Bestäubung; 
erst durch ihr Vorhandensein wird es ermöglicht, dass die Agentien 
in Wirksamkeit treten können. Um den Vergleich zwischen den 
Bestäubungsmitteln der Blüthen mit den Verbreitungsmitteln der 
Pflanzen noch weiter zu führen, so finden in beiden Fällen in 
ganz auffallender Weise gewisse Anpassungen der die Bestäubung 
und die Verbreitung ermöglichenden Ausrüstungen an bestimmte 
der Agentien statt. «Wie gewisse Blüthen für die Bestäubung durch 
Schmetterlinge, andere für die durch bienenartige Insekten oder 
durch Fliegen, noch andere für die Bestäubung durch den Wind 
eingerichtet sind, ebenso sehen wir, dass unter den Verbreitungs- 
organen der Pflanzen sich solche finden, welche Ausrüstungen 
besitzen, die einem ganz bestimmten Verbreitungsagens, dem Winde 
oder den Thieren, dem Wasser und dem Wechsel des Feuchtig- 
keitszustandes der Luft angepasst erscheinen. Wie aber jeder Ver- 
gleich seine schwache Seite hat und sich nicht ganz durchführen 


lässt, so auch hier, denn bei der Blüthenbestäubung sind auch die 


. Agentien zum Theil den Bestäubungseinrichtungen der Blüthen 


angepasst, während wir nicht sagen können, dass das Wehen des 
Windes oder das Benehmen der Thiere durch gewisse Verbrei- 
tungsausrüstungen verändert sei; die Anpassung hat nur von Seiten 
der Verbreitungsausrüstungen, nicht von der der Verbreitungs- 
agentien im Laufe der Zeiten statt gefunden. 

Gehen wir nun zuerst auf die Verbreitungsagentien und Aus- 
rüstungen im Allgemeinen etwas ein, um später eine Zusammen- 
stellung der einzelnen Fälle in genauerer Ausführung zu geben. 


Als Verbreitungsagentien können wir im Allgemeinen vier unter- 


scheiden, nämlich den Wind in seiner verschiedenen Stärke, das 


9 


Wasser, die Thiere und die Austrocknung. Ueber alle diese Agen- 
tien müssen wir im Voraus bemerken, ehe wir auf dieselben näher 
eingehen, dass sie alle nur auf eine Ausstreuung der Samen und 
anderer Fortpflanzungsorgane in geringer Entfernung um die 
Mutterpflanze herum einen Einfluss ausüben, dass sie aber trotzdem 
für die Verbreitung in grosse Fernen von bedeutender Wichtigkeit 
sind, indem sie, wie steter Tropf den Stein höhlt, ermöglichen, 
dass die Pflanzen Schritt für Schritt, weiter und weiter in ihrer 
Verbreitung vordringen können, und schliesslich, wenn Klima und 
andere Verhältnisse günstig sind, ein Effect hervorgebracht werden 
kann, als ob diese Agentien direct auf einmal ihre Wirksamkeit 
auf weite Entfernungen erstreckt hätten. Dazu kommt dann noch, 
dass, wie wir es später näher auszuführen haben werden, die Ver- 
breitung der Pflanzensamen in geringer Entfernung noch für andere 
Verhältnisse von grosser Wichtigkeit ist, so für die Vortheile, 
welche aus einem geringen Wechsel von Klima und Boden, so 
wie in der Vermeidung der geschlechtlichen Vereinigung zu naher 
Verwandten liegen. — Von grosser Wichtigkeit sind die Verbrei- 
tungsagentien jedenfalls, auch wenn sie nur eine directe Verbrei- 
tung in der Nähe bewirken können. 
Als erstes Verbreitungsagens haben wir den Wind oder, 
genauer ausgedrückt, die Bewegungen der Luft zu besprechen, 
indem man unter Wind ja gewöhnlich einen stärkeren fühlbareren 
- Luftzug zu verstehen pflegt. Von vorne herein könnte man geneigt 
sein, und es ist dies wirklich geschehen,. der Bewegung der Luft 
eine grosse Wirksamkeit für die Verbreitung der Pflanzen durch 
_ Hinwegführung ihrer Samen- und Brutkörper in weite Fernen zu- 
zuschreiben. Gegen diese Annahme ist aber schon ALPH. DE CAN- 
DOLLE in seiner Pflanzengeographie') aufgetreten, besonders aber 
KERNER in seiner inhaltreichen Schrift über den Einfluss der Winde 
auf die Verbreitung der Samen im Hochgebirge; und die von 
jenem für die Verbreitungswirkung des Windes im Hochgebirge 


1) ALPH. DE CANDOLLE l. c. p. 613. 


10 


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gewonnenen Resultate können wir dreist dahin ausdehnen, dass 


wir sagen: es werden auch in allen anderen Gegenden, von ganz 
verschiedenem Terrain, die Wirkungen des Windes die ähnlichen 
sein und sich nicht auf weite Fernen erstrecken. 


Wir haben zu unterscheiden zwischen einer schwachen Be- 


gen z 


wegung der Luft, wie sie schon durch die täglich an einem Orte 
wechselnden Temperaturdifferenzen hervorgebracht wird, und zwi- 
schen einem stärkeren Winde, der sich bis zum Orkan steigert. 


Bei einer ganz schwachen Bewegung der Luft liegt es auf der 


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Hand, dass die Samen, auch wenn sie mit noch so guten Flug- 
einrichtungen versehen sind, nicht weit hinweggeführt werden 


können, zumal in den meisten Fällen, wie KERNER es näher be- 


spricht, diese schwachen Luftzüge nicht in horizontaler, sondern 
in verticaler Richtung statt finden, so dass also die Samen durch 
dieselben nicht seitwärts hinweggeführt, sondern nur in die Höhe 
getragen werden. Doch auch unter diesen Umständen ist die 
Thätigkeit dieses leichten Luftzuges nicht zu unterschätzen: abge- 
sehen davon, dass die vom sanften Luftstrom aufwärts getragenen 
Samen weiter oben in eine Region gerathen können, wo ein 
anderer stärkerer mehr horizontal gerichteter Wind weht, der sie 
weiter hinwegführen kann, so werden sie doch bei dem gegen 
Abend eintretenden abwärts gerichteten Luftstrom nicht wieder 
gerade an den Ort ihrer Entstehung getragen, sondern wohl immer 
eine Strecke entfernt von diesem niederfallen und so, wenn sie 
hier ‘schon zum Keimen fest liegen bleiben, für den Bestand der 
betreffenden Pflanzenart die Vortheile herbeiführen, welche oben 
schon angedeutet worden. Ausser diesem einfachen Niederfallen 


an benachbarten Orten, die denen, wo sie entstanden, mehr oder. 


weniger gleichen, werden aber noch zwei schon von :KERNER 


besprochene andere Verhältnisse eintreten können. Bei der leichten 


Ablenkung der Samen von ihrer senkrechten Richtung beim Nie- 


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derfallen werden dieselben vielfach, besonders aber in Gebirgs- 
gegenden, an Orte gerathen, wo selbst ein starker mehr horizontal 


wehender Wind sie nicht hätte hinführen können, »sie werden auf 


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den Gesimsen und in den Ritzen steiler Gehänge und Felsen sich 


ansiedeln und diese sonst für andere Pflanzensamen nicht leicht 


erreichbaren Steilwände mit Pflanzenwuchs bekleiden«'). Zweitens 


giebt es eine Anzahl von Gewächsen, die eine sehr kurze Lebens- ` 


dauer haben, so dass leicht von langlebigen Nachbarn der Ort, an 
dem sie wuchsen, in Beschlag genommen und so das Gedeihen 
ihrer Nachkommen an dieser Stelle beeinträchtigt oder ganz ver- 
hindert wird. »Diese Pflanzen wechseln fort und fort ihre Stand- 
orte und sind gewissermassen immer auf Reisen; sie stellen an 
das Substant bescheidene Anforderungen und gedeihen selbst auf 
einem Boden, der keine Spur von Humus enthält, ganz vortreff- 
lich; sie nisten auch mit Vorliebe auf den kleinen Staffeln und 
Absätzen, ‘so wie in den Ritzen und Nischen steiler Felswände, 
von welchem Horte aus sie ihre Samen nach allen Richtungen 
aussenden und unter Zuhülfenahme des Windes auch alle aufge- 
rissenen Stellen des Erdreichs, alle Schutthalden und Kiesbänke, 
so wie die Seitenwände ausgewaschener Bergrünste mit ihren Kei- 
men überstreuen«?). Hier haben wir also einen. anderen Fall vor 


uns, wo auch der geringste Luftstrom für die Verbreitung von 


bestimmten Pflanzensamen und für den Bestand der betreffenden 


Pflanzenart von äusserster Wichtigkeit ist. 
Eine grössere Bedeutung für die Samenverbreitung als dem 
leichten Luftzuge scheint dem starken Winde zugeschrieben werden 


zu müssen; doch verhält sich hier die Sache, wie auch schon 


” 
KERNER und ALPH. DE CANDOLLE es darlegen, durchaus nicht 


so, wie man vermuthen sollte. Zwar haben die starken Winde 


eine mehr oder weniger horizontale Richtung, so dass sie, wenn 


durch ihre Wirkung die Samen oder Früchte von den Pflanzen 


losgerissen werden, diese in gleicher Richtung davon geführt werden 


können; man muss aber bedenken, »dass alle diese horizontalen 


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J) KERNER |. © p. 170. 
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=. 


KERNER 1. c. p. 154. 


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12 


Luftströme wellenförmig dahin fluthen und stossweise wirken, so 
dass die bewegten Samen immer schon in mässiger Entfernung 
von der Stelle, wo sie von der Mutterpflanze sich abgelöst hatten, 
wieder zu Boden fallen. Sie mögen noch einmal, ja noch mehrere 
Male weiter getrieben werden, jedenfalls aber wird die Strecke, 
welche sie auf diese Art zurücklegen, keine sehr grosse sein. Von 
hundert Samen, die der erste Windstoss fortgestreut hat, werden 
das zweite Mal kaum mehr fünfzig emporgehoben, bei dem dritten 
Windstoss vielleicht noch zehn, und schon der vierte oder fünfte 
Windstoss wird kein Korn jenes ersten Hunderts weiter zu treiben 
haben. Früher oder später gelangen sie alle bei ihrem Niederfallen 
auf befeuchtetes Erdreich und befeuchtete oder klebrige Pflanzen- 
theile, auf den Spiegel fliessender oder stehender Gewässer, in 
Nischen, Ritzen und Klüfte des Terrains oder unter die schützende 
Decke von Büschen und Kräutern, zumal in die kleinen Zwischen- 
räume, welche labyrinthartig das Stengel- und Blattwerk rasiger 
Gewächse durchziehen. Die schwellenden Moospolster sind ins- 
besonders rechte Fangapparate in denen die Samenkörnchen massen- 
haft sich anhäufen. Je kleiner die Samen sind, desto leichter und 
sicherer werden sie natürlich in irgend eines der genannten Ver- 
stecke eingeführt und eingezwängt, und selbst die heftigsten Wind- 


stösse sind dann nicht mehr im Stande sie aus diesen Sackgassen 


 herauszubringen und weiter zu führen !). 


— Aus dem Gesagten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass 
der Wind bei der Verbreitung der Fortpflanzungsorgane der Ge- 
wächse, also der Pflanzen selbst, eine sehr wichtige Rolle spielt, 
dass jedoch die Wirkung desselben nur eine schrittweise ist, indem 
die Pflanzensamen auf einmal nur kurze Strecken weit fortgeführt 


werden, und erst die aus ihnen erwachsenen Pflanzen mit ihren 


Samen dann wieder den nächsten Schritt thun können. Aus diesem 


1) Es schien geeignet die obigen Worte KERNERr’s, l. c. p. 156, vollständig 
wieder zu geben, da die Thatsachen sich kaum in besserer Fassung ausdrücken 
lassen. 


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13 


Verhältniss schliesst KERNER ') mit Recht, dass dort, wo der Bezirk 


einer gewissen Pflanze, die mit flugfähigen Samen oder Früchten 


‘versehen ist, durch grössere Strecken, die von der betreffenden 


Pflanze frei sind, unterbrochen ist, dieser leere Zwischenraum 
nicht dadurch hervorgebracht worden, dass die Pflanzensamen über 
denselben hinweg in weite Entfernung direct hingeweht sind, und 
dort gekeimt haben vielmehr sind diese Verhältnisse dadurch zu 
erklären, dass die Pflanze Schritt für Schritt vorgedrungen und 
einstmals auch das jetzt leere Terrain eingenommen, auf welchem 
sie dann später durch irgend welche Verhältnisse eingegangen, 
während sie sich auf der entfernteren Stufe erhalten, so dass hier- 
durch die getrennten Bezirke entstanden. 

Kommen wir nunmehr zu den Ausrüstungen, welche an den 
Samen und ihrer Umgebung sich finden, auf die der Wind seine 
Wirkung ausüben kann, und welche dieser Thätigkeit des Windes 
vielfach in sehr interessanter und merkwürdiger Weise angepasst 
sind. 

Am einfachsten ist der Fall, wo die Fortpflanzungsorgane der 


Gewächse so klein sind, dass sie sich staubartig in der Luft ver- 


theilen und sowohl von einem sanft aufsteigenden .Luftstrom, als 


noch leichter und weiter durch einen stärkeren Wind hinwegge- 


führt werden können. Nur selten finden sich Beispiele für diesen 


Fall unter den Phanerogamen, während bei den Kryptogamen die- 


selben überwiegend vorkommen. Die Sporen aller Farnkräuter, der 
Lycopodiaceen zum Theil und der Moose, so wie namentlich auch 
der Pilze sind so leicht, dass sie bei dem Hervortreten aus ihren 


Behältern niemals direct auf den Erdboden, wenn dieser sich nicht 


etwa in ganz unmittelbarer Nähe befindet, fallen, sondern dass sie 


mehr oder weniger längere Zeit in der Luft sich schwebend 


erhalten und 'erst dann zur Ruhe gelangen, wenn eine fast absolute 


 Bewegungslosigkeit in der Luft eingetreten. In fast jedem Staube 


finden wir derartige Sporen und bei dieser staubartigen Natur 


DER e. p. 171. 


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14 


können nun dieselben durch starke Winde in der That weit hin- 


weg, sogar über einen Meeresarm oder eine Gebirgskette fortge- 


‚führt werden, was bei den Samen der Phanerogamen, auch wenn 


wir die kleinsten nehmen, nicht statt finden kann. Diese Ein- 
richtung der Fortpflanzungsorgane ist jedenfalls die für die Ver- 
breitung vortheilhafteste und es steht offenbar damit im Zusammen- 
hange, dass die Kryptogamen sowohl im Allgemeinen die grössten 
Verbreitungsbezirke haben, als auch innerhalb ihres V erbreitungs- 
bezirkes den Phanerogamen gegenüber meist die dichteste Verthei- 
lung zeigen. 

Schon minder geeignet für die V erbreitung durch Wind sind 


die kleinen Samen der Phanerogamen, die hier zwar vielfach vor- 


% 
kommen, jedoch bei ihrer Kleinheit immerhin eine solche Schwere 


haben, dass sie in unbewegter Luft direct zu Boden fallen. Es 
gehören dahin die Samen einer ganzen Reihe von Familien, Gat- 
tungen und Arten, z. B. die der meisten Serophularineen, der Cam- 
panulaceen, Papaveraceen, Begoniaceen, Hiydroleaceen, vieler Caryo- 
phylleen, Primulaceen ete. Dieser in der specifischen Schwere 
liegende Nachtheil wird aber bedeutend durch die Umstände abge- 
schwächt unter denen die genannten Samen — auch Früchte 


gehören dahin — aus den Behältern, in denen sie sich bildeten, 


‚frei werden. Es öffnen sich diese Behälter nämlich derartig, dass 


bei dieser Oeffnung die Samen nicht unmittelbar auf den Erdboden 
fallen können, sondern dass es eines Rüttelns bedarf um sie her- 
auszubefördern. Dieses Rütteln wird nun durch einen stärkeren, 
Luftzug hervorgebracht, also nur zu einer Zeit, wo die Samen bei 
ihrem Freiwerden eben durch diesen Luftzug verhindert werden 
direct auf den Erdboden zu fallen, sondern durch denselben ein 
Stück hinweggeführt werden. Ist kein Wind vorhanden, so bleiben 
die Samen in den Kapseln sitzen, da sie den Gesetzen der Schwere 
entgegen nicht aufwärts sich bewegen können. Wie vortheilhaft 
für die Samenverbreitung nun diese Kapseln nach dem Orte ihres 
ersten  Aufreissens gestellt sind, so dass die an der Spitze sich 


öffnenden aufrecht stehen, die an der Basis aufspringenden hängen, 


15 


diese und andere damit zusammenhängenden Einrichtungen näher - 


zu besprechen und an Beispielen zu erläutern, sei, um Wieder- 


holungen zu vermeiden, einem späteren Abschnitte vorbehalten. 


Zwischen beiden genannten. Verbreitungsorganen , den. sehr 
kleinen leichten Sporen der Kıyptogamen und- den kleinen aber 
schweren Samen vieler Phanerogamen, in der Mitte stehen die- 
jenigen Samen, die zwar so gross oder sogar noch etwas grösser 
sind, als die der genannten Phanerogamen, welche aber ein so 
geringes specifisches Gewicht haben, dass sie den Sporen der 
Farnkräuter, Moose und Pilze gleich sich staubartig in der Luft 
vertheilen und längere Zeit sich schwebend in derselben erhalten 
können. Erreicht wird diese Leichtigkeit dadurch, dass der embryo- 
‘haltige Körper des Samens von einer Hülle umgeben ist, die um 
ihn einen vielfach nicht eng anliegenden Mantel bildet. Als be- 


sonders hervortretendes Beispiel dieser Art seien einstweilen die 


Samen der Orchideen erwähnt, die in jeder Beziehung den Sporen 


der Farnkräuter und BEL, Kryptogamen an leichter Beweglich- 
keit gleich kommen. 


Weiter finden sich Verbreitungsorgane, namentlich einsamige 


oder wenigsamige Früchte, welche bei ziemlich starkem Umfange 


durch schwammige Structur ein so geringes specifisches Gewicht - 


‚erhalten, dass sie, wenn auch nicht gerade hoch in die Lüfte vom 
Winde erhoben werden können, so doch unter seinem Einflusse 
eine beträchtliche Strecke weit über den Erdboden dahin vollen, 
wie dies z. B. bei den Früchten von Atriplex ilata, und denen 
mehrerer Medicago-Arten der Fall ist. 


Bei weitem am interessantesten sind die Einrichtungen, wo 
an den Verbreitungsorganen, d. h. den Samen, Früchten und 
deren Umgebung, sich Anhängsel finden, welche in der verschie- 


densten Weise für die Thätigkeit des Windes sehr günstig gestaltet 


sind, und von denen wir hauptsächlich zwei Gruppen unterscheiden 


können; nämlich die Flügeleinrichtungen, welche dem Winde eine 
grosse Fläche bieten, und die haarigen oder federigen Anhänge, 


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16 


welche zugleich das specifische Gewicht des ganzen Körpers ver- 


ringern. 


Von den Flügeleinrichtungen ist die einfachste diejenige, 


welche durch ein starkes Plattgedrücktsein des Samens oder der 
Frucht hervorgebracht wird, wie dies z. B. an den Samen von 
Iris-Arten, bei Tulipa und Aloe sich findet; in den meisten Fällen 
tritt aber dann als ein förderndes Mittel ein rings den flach ge- 
drückten Samen oder die Frucht umrandender Flügel auf, z. B. 
an den Samen mehrerer Orueiferen (Alyssum montanum, Farsetia 
clypeata, Lunaria biennis); bei vielen Gentiana-Arten, bei Nigella 
orientalis, Cobaea scandens, an den Früchten von Heracleum und 
anderer Umbelliferen, an mehreren Leguminosen (Poeockia cretica), 
bei Ptelea trifoliata etc. Auch kommen solche Fälle vor, wo die 


membranöse Umrandung des Samens oder der Frucht nicht flach, 


‚sondern gebogen ist, wodurch ein kahnartiger Körper hervorge- 


bracht wird, wie bei Omphalodes linifolia und Ainsworthia elegans. 
Daran schliessen sich solche Früchte, die mit einem fallschirm- 
artigen Flügelanhang versehen sind, wie z. B. bei Oxybaphus, 


Salsola, Salvia aurea und anderen. 


Ferner haben wir dann solche Flügeleinrichtungen zu ver- 
zeichnen, wo der Flügelanhang nicht ringsum an dem flachen 
Samen oder seiner Umgebung sich findet, sondern wo er nur als 
ein einseitig gestellter, oder als mehrere ringsum vertheilte Flügel 


auftritt. Einen einseitigen Flügel finden wir unter anderen bei 


- vielen Arten von Pinus, bei Banksia, Casuarina, bei Fraxinus und 


Liriodendron; zwei gegenüber stehende Flügel haben die Samen 
vieler Bignoniaceen, die Früchte von Betula und Zinnia ; drei Flügel 
kommen vor an den Früchten von Rheum und Tripteris,; vier- 
flügelig sind die Früchte von Halesia und die Theilfrüchte von 
Laserpitium. Auch fünf Flügel finden sich z. B. bei den Combre- 
taceen-Gattungen Pentaptera und Chuncoa, sechs Flügel bei Hexap- 
tera; auch kommen schliesslich solche Fälle vor, wo die ganze 


Aussenseite der Frucht mit unbestimmt vielen flügeligen Schuppen 


bedeckt ist, wie bei den Theilfrüchten von Eryngium planum und 
den Samen von Cimicifuga foetida. 

Ebenso mannigfaltig wie die Flügeleinrichtungen sind die 
haarigen und federigen Verbreitungsausrüstungen, die entweder 
derartig sind, dass der ganze Same oder dessen Hüllen von ihnen 
bedeckt werden, oder die dicht gedrängt in Büscheln stehen oder 
eine fallschirmartige Bildung darstellen, während solche Fälle zu 
den Seltenheiten gehören, wo nur einzelne Haare sich finden. 

: Bei dem .Bedecktsein des ganzen Samens oder seiner Um- 
gebung mit haarigen oder federigen Anhängen wird natürlich das 
Specifische Gewicht des ganzen Körpers bedeutend verringert und 
ausserdem eine bedeutend grössere Fläche dem Winde dargeboten 
als die ist, welche der Körper in seiner Nacktheit besitzen würde. 
Es können also diese Körper vom Winde ebenso leicht fortbewegt 
werden, wie die schon erwähnten Samen und Früchte, welche bei 
mässig grossem Umfange zwar eine glatte Oberfläche besitzen, wo 
aber die Substanz derselben derartig ist, dass sie allein durch ihre 
Schwammigkeit das specifische Gewicht des ganzen Körpers sehr 
verringert. Von den hierhergehörigen Fällen seien an dieser Stelle 

E ` nur folgende als Beispiele angeführt: die Samen von Gossypium, 

t Wittelsbachia, Bombax und Eriodendron, die Früchte von Anemone 
sylvestris, baldensis, von Tarchonanthus camphoratus und Lasios- 
permum radiatum. | 

Eine weitere Flugeinrichtung durch haarige oder federige An- 
hänge hervorgebracht ist die, wo an einem Ende des Samens oder 
seiner Umgebung jene Haare von einem kleinen Raume dicht 
gedrängt entspringen und so einen Schopf bilden, der bei der 

Austrocknung sich entweder stark oder nur schwach aufbauscht, 
so dass wir hier Flugmaschinen haben, welche den Pfeilen gleichen, 
die beim Schiessen mit dem Blasrohr angewandt werden, wo ein 
specifisch schwerer Körper (ein Nagel) dadurch, dass an ihm ein 
Haar- oder Federschopf befestigt ist, leicht von dem gegen ihn 
‚gerichteten Luftzuge in horizontaler Richtung oder auch senkrecht 


in die Höhe fortgeführt wird. Die so ausgerüsteten Samen oder 
Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 3 


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18 


Früchte, wie sie z. B. bei Epilobium, Salix, vielen Aselepiadeen, 
bei Protea, Eriophorum und mehreren Gramineen vorkommen, 
werden nun noch leichter, als die zum Vergleiche herbeigezogenen 
Pfeile, vom Winde horizontal oder aufwärts fortbewegt werden, 
da gewöhnlich der Feder- oder Haarbüschel an Umfang bedeutend 
den soliden Theil des ganzen Körpers übertrifft, und so das spe- 
eifische Gewicht des letzteren stark verringert wird; und auch 
wenn der Wind nicht stark bläst, so werden diese Samen oder 
Früchte sich nur langsam zur Erde niedersenken und hierbei noch 
leicht von einem sanft gehenden Luftzuge von dem senkrechten 
Fall abgelenkt werden. 

In ganz ähnlicher Weise wirkt der Wind auf solche Früchte, 


welche an einem Ende in eine abstehend behaarte Verlängerung 


ausgehen, wie dies z. B. bei Dryas, Pulsatilla, mehreren Arten von 
Geum und Clematis der Fall ist. 


Bei weitem die beste Flugmaschine wird aber dadurch gebildet, 


dass an den Samen, oder meistens an den Früchten, haarige oder 
federige Anhänge sich finden, die an einem Ende derselben im 
Kreise stehen und in ihrer bei Trockenheit mehr oder weniger 
horizontalen Ausbreitung eine Art von Fallschirmen bilden, die, 
wie KERNER es ausdrückt, eine derartige bewundernswerthe Structur 
haben, dass sie bei möglichst geringer Masse und möglichst ge- 
ringem Gewichte der Luft eine möglichst grosse Angriffsfläche dar- 
bieten. »Immer zeigt die Projection dieser Anhängsel einen Durch- 
messer, welcher den Durchmesser der kleinen Frucht um das V iel- 
fache übertrifft, und um die Masse recht zu verringern, bildet 
dieser an der Frucht oder dem Samen angebrachte Tragapparat 
ein Gitterwerk oder ein Convolut von haarförmigen Gebilden, 
welches bei dem Umstande, dass die Luft an diesem kleinmaschigen 
Gitterwerk adhärirt, nahezu dieselbe Rolle spielt, als wäre der 
ganze Tragapparat aus einer continuirlichen Membran gefertigt«'). 
Diese Flugeinrichtungen machen die Samen und Früchte so leicht 


1) KERNER I. c. p. 160. 


19 


beweglich, dass schon der schwächste Luftstrom sie senkrecht wie 
eine einzelne Feder emporführen kann, welche Beobachtung man, 
wie KERNER in den Hochgebirgen, so auch leicht in der Ebene 
auf distelbestandenen Feldern machen kann, wo bei grösster 
Windstille bald hier bald da ein Achänium sich erhebt und in der 
Luft davon fliegt. Hauptsächlich sind es viele Compositenfrüchte, 
welche diese bewunderungswürdigen Flugeinrichtungen zeigen, 
besonders unter den Oichoraceen die grossen Gattungen Crepis und 
Hieracium, so wie das allbekannte Taraxacum officinale, ferner die 
X Früchte von Valeriana, Centranthus und andere mehr. 

Weiter haben wir einige, zwar nur wenige Fälle, wo die 
Samen oder Früchte mit einem Haar- oder Federkranz umgeben 
sind, wie z. B. die Samen von Hibiscus syriacus und die Früchte 
von Helicocarpus americana, welche Flugeinrichtungen aber lange 
nicht den Vortheil für die V erbreitung herbeiführen, wie die so 
eben genannten Fallschirmartigen, während wieder das Vorkommen 
‚einzelner langer Haare — wenigstens in den bekannten Fällen 
von Aeschinanthus und Lysionotus — da dieselben an einem sehr 
kleinen leichten Samenkörper ansitzen, diesem eine ganz ausge- 
zeichnete Flugfähigkeit mittheilt, so dass derselbe sich minuten- 
lang im Zimmer, wo die Luft sich kaum bewegt, schwebend 
erhalten kann. | 

Werfen wir einen Blick zurück auf die mannigfaltigen Flug- 
einrichtungen, welche wir nach ihrer verschiedenen Form aufge- 
führt haben, so können wir sie auch noch in anderer Weise in 
solche eintheilen, welche schon bei einem aufsteigenden Luftstrom 
das senkrechte Aufsteigen der Samen oder Früchte, an denen sie 
Sich finden, ermöglichen, wie dies die E ETES federigen 
Ausbreitungen thun und wie solches bei den kleinen und dabei 
leichten Sporen der Kryptogamen der Fall ist — und in solche, 
wohin die meisten übrigen Fälle gehören , wo nur ein stärkerer 
horizontaler oder schief anprallender Wind auf sie einen Einfluss 
ausüben und die mit ihnen ausgerüsteten Körper fortbewegen kann. 
Nur in den ersteren Fällen kann der Luftzug eine directe Ver- 
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20 


breitung in weitere Fernen zu Wege bringen, während in den 
letzteren hauptsächlich nur eine Vertheilung in dem nächsten Um- 
kreise statt findet, die aber von nicht geringer Bedeutung für die 
Verbreitung der betreffenden Pflanzenart überhaupt werden kann, 
da von Stufe zu Stufe, von Jahr zu Jahr entferntere Puncte durch 
die weitere Nachkommenschaft erreicht werden und so nach und 
nach der Verbreitungsbezirk sich ausdehnt. Die Hauptwichtigkeit der 
Samen- und Früchte- und somit der Pflanzenverbreitung liegt, 
wie bei allen anderen zu besprechenden Verbreitungsagentien, 
darin, dass die Nachkommen nicht in unmittelbarer Nähe der 
Mutterpflanze keimen, sondern in einiger Entfernung zerstreut die 
Vortheile etwas veränderter Lebensbedingungen und der vermie- 
denen Inzucht geniessen und so kräftig gedeihen können. 

Als zweites Verbreitungsagens ist das. Wasser zu nennen, 
welches aber dem Winde gegenüber eine sehr untergeordnete Rolle 
spielt. Wir haben zu unterscheiden zwischen den Wirkungen des 
stehenden und denen des fliessenden Wassers, welche beide etwa 
mit den beiden Extremen der Luftbewegung in Parallele gebracht 
werden können. 

In einem sogenannten stehenden Gewässer befinden sich die 
einzelnen Theilchen desselben durchaus nicht in vollständiger 
Ruhe unverrücklich an einem und demselben Ort, sondern es 
finden hier, ebenso wie in der Luft, durch die verschiedene Erwär- 
mung der einzelnen Wasserschichten theils Ströme nach aufwärts, 
theils nach abwärts statt, ebenso auch in verschiedener horizontaler 
Richtung, durch welche die in solchem Wasser enthaltenen Samen, 
Früchte oder Brutkörper bald auf- bald abwärts getragen oder 
rings umher nach der Seite geschwemmt und so von dem Orte 
ihrer Entstehung entfernt werden können. Natürlich können wir 
hier nur solche Pflanzen in Betracht ziehen, . welche wirklich im 
Wasser selbst wachsen, da die Verbreitungswirkung des Wassers 
auf die Landpflanzen nur eine ganz secundäre und untergeordnete 
ist, indem die Samen jener ja meistentheils erst von dem Winde, 


als dem hauptsächlichen Agens, dem Wasser zugeführt werden 


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müssen. Weiter ist auch selbst für die Verbreitung der in stehen- 
den Gewässern wachsenden Pflanzen die Wirkung des Windes 
_ fast von grösserer Bedeutung, als die unabhängig von diesem auf- 
tretenden Bewegungen. Der Wind bringt bei seinem Hinstreichen 
oder Anprallen an die Oberfläche des Wassers nicht nur dieses in 
Bewegung und: hiermit auch die in ihm und auf ihm schwimmen- 
den Pflanzentheile, sondern er wirkt direct auf diese, wenn sie 
auf der Oberfläche schwimmen, ein, indem er sie vorwärts bläst, 
und ist so für dieselben das eigentliche Verbreitungsagens, dessen 
Wirkung nur durch das Wasser in gewissen Fällen begünstigt 
wird. So kann z. B. eine Landpflanze in der Weise, dass ihre 
Samen oder Früchte vom Winde auf ein stehendes Gewässer 
geführt werden, auf welchem sie sich schwimmend erhalten, leicht 
durch weitere Wirkung des Windes auf der Oberfläche des Wassers 
hin an das. andere mehr oder ‚weniger entfernte Ufer getragen 
werden, während wenn das Gewässer den Ausgangspunct der 
Samen und das Ziel, an welches sie nun gelangt sind, nicht 
trennte, diese Samen bei der einfachen Windwirkung in vielen 
‚Fällen weit früher auf dem Erdboden zur Ruhe gekommen sein 
würden, so dass in dieser Weise die Verbreitung der. betreffenden 
Pflanze nur in kürzeren Schritten vorrücken könnte. — Wir sehen 
also, dass die Action der stehenden Gewässer auf die Pflanzen- 
‘verbreitung hauptsächlich nur secundär auftritt in Vereinigung mit 
. der Action des Luftzuges. 

Eine grössere Wirkung üben die fliessenden Gewässer auf die 
Pflanzenverbreitung. Die Nachkommen der in ihnen wachsenden 
Pflanzen werden schwerlich je in “unmittelbarer Nähe ihrer Eltern 
bleiben, sondern die Keime, aus denen sie erwachsen, werden so- 
gleich bei der Loslösung durch die Strömung ein mehr oder weniger 
grosses Stück von der Mutterpflanze hinweggeführt, und diese Art 
der Verbreitung ist eine äusserst wirksame. Wir müssen aber 
bedenken, dass die in fliessenden Gewässern wirklich wachsenden 
Pflanzen, abgesehen von einer gewissen Anzahl von Algen, äusserst 


gering an Zahl sind, so dass also diese Wirkung des fliessenden 


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22 


Wassers auf die Pflanzenverbreitung im Allgemeinen eine ver- 
schwindend geringe ist. Etwas anders verhält es sich mit der 
secundären Wirkung des fliessenden Wassers, nämlich derjenigen, 
die dann eintritt, wenn der-Wind die Samen oder Früchte von 
Land- oder Sumpfpflanzen auf die fliessenden Gewässer geweht 
hat. Diese Samen können dann bedeutende Strecken weit hinweg 
geführt werden; ob dies aber wirklich für die Verbreitung der . 
Pflanzen, denen sie entstammen von Erfolg ist, das ist eine ganz 
andere Frage, die schon ALPH. DE CANDOLLE (Geographie botanique 
p. 615) in einiger Ausführlichkeit in verneinendem Sinne beant- 
wortet hat, auf die näher einzugehen aber nicht in dem Bereich 
unserer Betrachtungen liegt. Nur dies sei angedeutet, dass eines- 
theils die Samen von den fliessenden Gewässern bei der Configu- 
ration der Länder meist an Orte getragen werden, wo sie nicht 
keimen, oder die aus ihnen erwachsenden Pflanzen gedeihen 
können; dass anderntheils die Samen bei dem langen Aufenthalt 
im Wasser vielfach ihre Keimkraft einbüssen werden. 

Bei diesen Verhältnissen nun, wo das Wasser höchst selten 
als directes Verbreitungsagens auftritt, vielmehr der Wind es ist, 
dem dasselbe seine kleine Rolle, die es bei der Pfianzenverbreitung 
spielt, hauptsächlich verdankt — bei diesen Verhältnissen werden 


wir nicht erwarten können, dass die Ausrüstungen, welche die 


Pflanzen für die Verbreitung durch das Wasser besitzen, besonders 


mannigfaltig sein werden, und weiter liegt es auf der Hand, dass 
wir solche Ausrüstungen nur bei wirklichen Wasser- oder Sumpf- 
pflanzen !) werden suchen dürfen, denn es wäre doch kaum erklär- 
lich, dass die Samen oder Früchte einer Landpflanze sich dem 
Wasser als Verbreitungsagens gut hätten anpassen sollen. Nach 
den angestellten Untersuchungen haben sich . einstweilen erst 
zweierlei Adaptationen an die Verbreitung durch Wasser gefunden, 


nämlich das Vorkommen einer glatten vom Wasser. schwer zu be- 


1) Uebrigens wirken bei vielen Wasser- und Sumpfpflanzen ebenso wie 
bei den Landpflanzen, ausser dem Winde auch die Thiere bei der Verbreitung. 


23 


netzender Oberhaut an den Fortpflanzungsorganen, und die Ent- 
wickelung von Luftblasen innerhalb derselben. 

Bei Sagittaria sagittifolia und Villarsia nymphaeoides, a 
letztere übrigens auch eine Verbreitungsausrüstung für die Wirkung 
der Thiere besitzt, ist die Oberfläche der betreffenden Früchte und 
Samen glänzend und von solcher Beschaffenheit, dass dieselben 
mit Wasser übergossen 'sich nicht von diesem benetzen, sondern 
gleichsam wie eingeölt, die Wassertropfen an sich abgleiten lassen. 
Durch diese Eigenschaft kommt es, dass sie, auf das Wasser ge- 
worfen, nicht untersinken, sondern auf demselben schwimmen. 
Man könnte vermuthen, dass dieses Schwimmen durch ein geringes 
specifisches Gewicht der Samen bewirkt werde, dass dies aber 
nicht der Fall ist kann man daran erkennen, dass dieselben nach 
Sewaltsamem Reiben und Benetzen im Wasser untersinken, was 
auch ohne diese Manipulationen nach einiger Zeit ihres Schwimmens 
an der Oberfläche von selbst nach dem Schwinden der öligen 
Glätte ihrer Oberhaut eintritt. Durch dieses Verhältniss werden 
nun die genannten Samen und Früchte längere Zeit auf dem 
Wasser schwimmend erhalten, und können so von den in dem- 
selben stattfindenden sanften Strömungen hier- und dorthin ge- 
tragen werden. 

Die zweite besonders interessante Form: der Verbreitungsaus- 
rüstungen findet sich bei den Nymphaeaceen, z. B. bei Nuphar 
pumilum und luteum und Nymphaèa alba, wahrscheinlich auch 
noch anderen Verwandten. Bei ersteren löst sich die Frucht, wenn 
sie an ihrer Basis abgerissen ist, ganz in der Weise auf, wie man 
vielfach die Orangen beim Essen in einzelne halbmondförmige 
Stücke zu zerlegen pflegt, und in jedem der so frei werdenden die 
Samen enthaltenden Säcke entwickelt sich nun eine grosse Anzahl 
von Luftblasen, die das specifische Gewicht dieser Körper bedeu- 
tend verringern und bewirken, dass dieselben auf der Oberfläche 
des Wassers schwimmen und dabei hier- und dorthin getragen 
_ werden, bis endlich bei der Verwesung des die Samen umhüllenden 


Sackes die Luftblasen entweichen und nun die schweren Samen 


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24 


nach und nach zu Boden fallen. In ganz ähnlicher Weise bildet 


sich nach dem Aufspringen der Früchte von Nymphaea alba zwi- 


schen dem Samenmantel und dem an sich sehr schweren Haupt- 


körper des Samens eine grosse Luftblase, so dass hierdurch die 


Samen leicht schwimmen und wie bei Nuphar erst dann im Wasser 
zu Boden sınken, wenn die Luftblase entwichen ist. 

Vielleicht gelingt es bei genauerer Beobachtung der phanero- 
gamen Wasserpflanzen noch einige ähnliche interessante Verbrei- 


tungsausrüstungen aufzufinden; bei den Fortpflanzungsorganen der 


Algen liess sich keine Ausrüstung, die in besonderer Weise dem 


Wasser angepasst wäre, entdecken; dieselben werden einfach . 
wegen ihrer Kleinheit von der Stelle ihres Entstehens leicht hin- 
weggeführt. 

Ein drittes Verbreitungsagens sind die Thiere, deren Wirk- 
samkeit nach der des Windes die bedeutendste ist, was von ALPH. 
DE CANDOLLE zwar in Abrede gestellt t), von DerrINo?) aber auf- 
recht erhalten wird. Es liegt auf der Hand, dass die Thiere, bei 
ihrer Fähigkeit sich frei zu bewegen, in jeder Weise ein ausge- 
zeichnetes Verbreitungsagens der Pflanzen abgeben werden und 
sowohl auf die weitere Ausdehnung der Bezirke derselben, als auf 
die Vertheilung und Vermischung innerhalb des Bezirkes einen 


bedeutenden Einfluss ausüben, insofern nur die Pflanzensamen und 


Früchte, welche sie mit sich führen, von ihnen noch keimfähig 


auf den Boden gelangen. Aber auch hier muss festgehalten und 
zugegeben werden, dass auch dieses Verbreitungsagens hauptsäch- 
lich dazu dient, um die Pflanzen in geringer Entfernung von ihren 
Eltern zu verbreiten; dieselbe kann aber bei dieser Verbreitungs- 
weise in der Nähe, gerade so wie wir es bei dem Winde gesehen 
haben, dennoch dazu dienen, die Pflanzen allmälig über die 
Grenzen ihres früheren Bezirkes hinaus zu verbreiten und diesen 


Bezirk von Stufe zu Stufe zu vergrössern. Auf der anderen Seite 


25 


muss aber auch dies zugestanden werden, dass in vielen Fällen 
ein vierfüssiges Thier oder ein Vogel bei seinem schnellen Laufe 
und Fluge die Verbreitung in grösseren Sprüngen wird bewerk- 
stelligen können, als der Wind, bei dessen Einwirkung die Samen 
und Früchte schon in einer Entfernung von der Mutterpflanze 
niederfallen, welche von derjenigen um ein Vielfaches übertroffen 
wird, bis zu welcher bestimmte Thiere die Samen und Früchte 
- fortführen können. 

Die Art und Weise, in welcher nun die Thiere die Pflanzen- 


verbreitung bewerkstelligen, ist eine zweifache: entweder dadurch, 


dass sie die Samen und Früchte verschlingen, also innerlich mit 


sich fortführen, oder dadurch, dass jene ihnen von aussen in ver- 


schiedener Weise an verschiedenen Theilen des Körpers anhaften 
und so mit fortgeschleppt werden. 

Man könnte mit ALPH. DE CANDOLLE |) gegen die Wahrschein- 
lichkeit, dass die Thiere durch Verschlingen der Samen und 
Früchte die Verbreitung der betreffenden Pflanzen bewerkstelligen, 
den Einwand machen, dass jene verschlungenen Samen erst dann 
den Leib des Thieres verlassen und in seinen Exkrementen aus- 
gestreut werden, wenn sie so weit zerstört worden, dass sie ihre 
Keimfähigkeit verloren haben. Doch sehen wir genauer zu, wie 
die Sache in Wirklichkeit sich verhält. Daraus, dass die Körner 
fressenden Vögel, von denen DE CAxDoLLE die hühnerartigen zu 
seiner versuchten Widerlegung benutzt, die Körner meistentheils 
in ihrem Magen bis zur Keimungsunfähigkeit zerreiben, schliessen 
zu wollen, dass überhaupt die von Thieren verschlungenen Früchte 
und Samen den Leib dieser vollständig zerstört verliessen, wäre 
ein ziemlich unbegründetes Verfahren, sogar für die Fälle, in 
denen die Thiere wirklich die Samen und Früchte so zu ihrer 


Ernährung verbrauchen, dass der für die Keimung nöthige Theil . 


angegriffen wird. Denn ebenso wie viele Insekten die Blüthen 


besuchen um den Pollen zu verzehren, aber trotzdem dazu dienen 


3 5.67. 618, 


26 
das eine oder andere Pollenkorn auf die Narbe zu bringen ; ebenso 
werden die Thiere, welche die Samen: um ihrer selbst willen, um 
sie in ihrer Ganzheit zur Ernährung zu benutzen, verzehren, 
dennoch oft sie nicht alle vollständig verdauen, sondern das eine 
oder andere wird keimfähig den Darmcanal verlassen und hier oder 
da ausgestreut werden. Immerhin stände es jedoch mit der Ver- 
breitung der Pflanzen durch das Verzehrtwerden ihrer Samen von 
Seiten der Thiere schlecht, wenn die angegebene Weise die einzige 
wäre. Dieselbe spielt jedenfalls eine sehr untergeordnete Rolle, 
und wir können behaupten, dass alle solche Samen, welche im 
Darmcanal der Thiere zerstört werden, in keiner Weise mit beson- 
deren Ausrüstungen versehen sind, welche nur dem V erschlungen- 


werden durch Thiere angepasst sind, sondern vielmehr eine der- 


artige Construction haben, dass sie vom Winde verbreitet werden 


können. Eine bestimmte Einrichtung kann ja derartig sein, dass 
sie von gewissem Nutzen ist, ohne dass durch sie verhindert wird, 
dass ein fremder hinzutretender Umstand die Erreichung des Vor- 
theils vollständig verhindert, und es wäre doch weniger statthaft 
aus. dem Umstande, dass viele Thiere die verschlungenen Samen 
vollständig verdauen den Schluss zu ziehen, dass die Bildung dieser 
Samen überhaupt nicht zur Verbreitung der betreffenden Pflanzen 
dienen könnte. 

Wie wir zugeben müssen, sind also gewisse Samen und Früchte 
derartig construirt, dass die Thiere dadurch, dass sie dieselben 
verschlingen, nur in ganz untergeordneter Weise zur Pflanzenver- 
breitung dienen können. Auf der anderen Seite haben wir aber 
eine Reihe von Pflanzen, deren Samen in der verschiedensten 
Weise so eingerichtet sind, dass sie den Darmeanal der Thiere 
vollständig keimfähig verlassen, ja sogar in diesem eine Umände- 
rung erfahren haben, welche die Keimung befördert und begün- 
stigt. Es sind dies alle die Früchte und Samen, welche ihres 
Fleisches wegen von den Thieren genossen werden, wo entweder 
die Haut des Samens so hart ist, dass sie bei der Verdauung der 


Thiere IR angegriffen werden kann oder wo ein innerer Theil 


` 


27 
der Fruchtwände diese schützende harte Hülle um den Samen 
bildet — doch wird es geeigneter sein das Nähere über diesen 
Punct in den späteren Abschnitten anzuführen und hier nur so 
viel zu constatiren, dass alle Thiere, welche fleischige Früchte 
geniessen, nicht die Samen in denselben bei der Verdauung. zer- 
stören, sondern "mit ihren Exkrementen in keimfähigem Zustande 
ausstreuen — es müssten denn solche Früchte sein, die unter dem 
Einflusse der Cultur ihre ihnen selbst nützlichen Eigenschaften 


mit solchen, welche nur dem Menschen Nutzen bringen vertauscht 


haben. 


Sei es hier erlaubt einige Beispiele anzuführen, wo thatsäch- 
lich die. Vögel durch Verzehren‘ von Früchten die Verbreitung der 
betreffenden Pflanzen vollzogen haben. Die Kermesbeere, Phyto- 
lacca decandra, deren Früchte von Vögeln aller Art — besonders 
wurden Schwarzdrosseln beobachtet — sehr begierig gefressen 


werden, hat sich in vielen Gegenden Südeuropas dadurch ver- 


breitet, dass ihre Samen von den genannten Vögeln in den Ex- 


krementen ausgestreut wurden 1), welches Ausgestreutwerden und 
Keimen wir thatsächlich auch in unseren Gegenden beobachten 
können und wirklich beobachtet haben. In ähnlicher Weise soll 
nach Brsnor die Muskatnuss, Myristica moschata, auf den Südsee- 
inseln verbreitet worden sein, doch ist dies wohl ein etwas zweifel- 
hafter Fall?2). Wer hätte ferner nicht hier und dort auf einer mehr 
oder weniger hohen Mauer eine Eberesche wachsen sehen, wohin der 
Wind unmöglich den Samen, aus dem dieselbe erwachsen, hin- 
tragen konnte. Auf dem Cölner Dom wurden von Casparv Büsche 


von Rosen und Liguster (Rosa canina und Ligustrum vulgare) 


1) A. P. DE CANDOLLE II p. 283 Re BISCHOF, Lehrbuch der Botanik I 

p: 474. 
2) Bıscuor l. c. II p. 474: »Den Inseln der Südsee, auf PEER die 
Holländer aus merkantilischen Gründen den Muskatnussbaum ausgerottet hatten, 


sollen die Vögel denselben durch das Einschleppen der Samen wieder zugebracht 
haben. 


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28 


beobachtet!), von denen derselbe zwar meint, dass sie dort von 
Menschenhand hingebracht worden, die aber ‚wahrscheinlich nie- 
mand anders als Vögel dort ausgesät haben. Besonders interessant 
ist aber ein Bericht von einem Vogel, der in Guatemala ein Loch 
in die Rinde gewisser Bäume pickt und dann in dieses seine 
Exkremente fallen lässt, welche die Samen eines gewissen Schma- 
rotzergewächses enthalten. Die Erzählung klingt fabelhaft, ihre 
Richtigkeit ist aber nicht unmöglich, jedenfalls wären genauere 
Nachforschungen anzustellen. 

Die zweite Art, in welcher die Thiere zur Verbreitung der 
Pflanzen dienen ist die, dass sie die Früchte derselben, seltener 
die einzelnen Samen, äusserlich angeheftet erhalten, und so ver- 
schieden weite Strecken mit sich fortschleppen, wo dieselben dann 
früher oder später zu Boden fallen. Auch hier müssen wir von 
vornherein zugeben, dass diese Verbreitungsweise in seltenen 
Fällen eine derartige ist, dass die Nachkommen einer Pflanze 
direct an einem von dieser sehr entfernten Orte, aus den dahin 
getragenen Samen emporkeimen und gedeihen werden, vielmehr 
verhält sich die Sache hier ebenso, wie bei den vorher besprochenen 
Verbreitungsagentien, durch welche die Pflanzen einestheils inner- 
halb des Bezirkes ihrer Art vertheilt und durcheinander gemischt 
werden, anderentheils an den Grenzen ihres Bezirkes Schritt für 
Schritt, nicht in grossen Sprüngen, vorrücken können. Durch 
diese zugegebene Beschränkung in der Wirksamkeit des vorliegen- 
den Verbreitungsagens wird nun auch der Einwand?) beseitigt, 
dass die Thiere bei ihrer Reinlichkeit nicht lange die ihnen an- 
haftenden Samen und Früchte mit sich herumschleppen, und dass 
sie deshalb nicht leicht zur Verbreitung der Pflanzen beitragen 
würden, denn schon ein Lauf oder Flug der Thiere von wenigen 


Minuten reicht hin, um die Samen und Früchte in eine Ent- 


1) CASPARY, die Flora des Cölner Doms in Verh. des naturhistorischen 
Vereins für Rheinl. u. Westph. 1860 p. 331. 
2) ALPE. DE CANDOLLE |. c. p. 619. 


29 we. 
fernung von der Mutterpflanze zu tragen, welche sie durch die 


ER Wirkung keines anderen Verbreitungsagens so leicht erreicht haben 
| würden. 


` Zweierlei Thierclassen sind es vornehmlich, welchen gewisse 
Pflanzensamen und Früchte äusserlich anhaften und so fortge- 
schleppt werden, nämlich die Vögel und die Säugethiere, den 
Menschen inbegriffen. Die untergeordneten Rollen werden die 
Vögel spielen, denen hingegen bei der Verbreitung durch das Ver- 
wi schlingen die Hauptrolle zufällt. Bei ihrer Gewohnheit das Ge- 
fieder sauber zu halten und der Fähigkeit, in den meisten Fällen 
mit dem Schnabel und den Füssen alle Theile ihres Körpers 
erreichen zu können, werden sie nicht leicht längere Zeit die 
ihnen anhaftenden fremden Körper dulden, immerhin werden sie pa 
aber dieselben in den meisten Fällen eine Strecke weit fortführen. 
Eine bedeutend wichtigere Rolle spielen hingegen die Säugethiere, 
welchen schon bei ihrer Behaarung, die mit dem glatten Gefieder 
u ‚der Vögel im Gegensatz steht, viel leichter fremde Körper, also 
auch die Früchte gewisser Pflanzen, anhaften. Weiter ist dann 
der Umstand von Wichtigkeit, dass die Säugethiere in den meisten 
Fällen nicht alle 'Theile ihres Körpers mit der Schnauze oder den 
- Beinen so leicht erreichen können; man hefte nur einem Hunde 
eine Klette auf die Mitte seines Rückens, und man wird sehen, 
dass es ihm bei den verzweifeltsten Anstrengungen nicht gelingt 
dieselbe zu entfernen, bis er endlich darauf verfällt, sich auf der 
Erde herumzuwälzen und so sich von dem unangenehmen An- 
hängsel zu befreien. Durch dieses Verhältniss wird es also kommen, 
dass die Säugethiere die ihnen anhaftenden Früchte längere Zeit 
mit sich herumschleppen , und so an den verschiedensten Orten 
ausstreuen. Directe Beobachtungen über die Wirksamkeit der 
= Thiere für die Pflanzenverbreitung durch Angehafteterhalten von 
Früchten sind einstweilen kaum angestellt worden, es dürfte aber 
=: von Interesse sein diesen Punct einmal näher ins Auge zu fassen 
Dr und zu erforschen, ob nicht bestimmte Thiere besonders geeignet 


sind, um bestimmte Pflanzen in der genannten Weise zu verbreiten. 


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30 


Von der Misteldrossel giebt man gewöhnlich an 1), dass sie zur 
Verbreitung der Mistel, Viscum album, diene; es ist aber höchst 
wahrscheinlich, dass diese Verbreitung nicht dadurch geschieht, 
dass die Samen der Mistel, dem Gefieder der Drossel anhaftend, 
von dieser fortgetragen werden, sondern dass nur die durch den 
Darmcanal des Vogels gegangenen Samen von demselben haupt- 
sächlich auf den Zweigen der Bäume ausgesät werden. Zwar 
keimen die Mistelsamen auch bei der directen Aussaat, selbst in 
den Früchten, ob die aus solchen Samen hervortretenden Keime 
sich aber, auch wenn sie auf der geeigneten Unterlage sich .befin- 
den, wirklich zu Pflanzen entwickeln, wird nach einigen vor Jahren 
angestellten aber nicht weiter fortgeführten Experimenten zum 
Mindesten sehr zweifelhaft. 

Es bleibt noch übrig zu bemerken, dass ebenso wie bei der 
Verbreitung der Pflanzen durch die die Samen und Früchte der- 
selben verschlingenden Thiere Fälle vorkommen, wo die ver- 
schlungenen Samen und - Früchte nicht dieser Verbreitungsweise 
angepasst sind — auch unter den Fällen, wo diese Fortpflanzungs- 
organe äusserlich den Thieren anhaften, es solche giebt, wo jene 
nicht für das Anhaften besonders adaptirt sind. Vornehmlich ist 
hier des Umstandes zu erwähnen, dass viele kleine Samen und 
Früchte, die auf der Erde oder im Schlamme liegen mit diesem 
den Thieren anhaften können und so fortbewegt werden, eine 
Verbreitungsweise, die nicht zu unterschätzen ist, da in dieser Art 
selbst grössere Körper transportirt werden können. So wird es 
z. B. höchst wahrscheinlich, dass die Verbreitung der Elodea cana- 
densis so von Gewässer zu Gewässer bewirkt worden, dass die im 
Schlamm steckenden Brutknospen dieser Pflanze irgend einem 
Wasserthier angeklebt und so von Ort zu Ort weiter transportirt 


worden. 


Was nun die Ausrüstungen angeht, durch welche die Pflanzen- 


samen und Früchte sich der Verbreitung durch die Thiere ange- 


1) A. P. DE CANDoLtE l. c. p. 233. 


31 


passt haben, so finden wir hier. nach der verschiedenen Wirksam- 

| keit der Thiere bei der Verbreitung, auch diese Ausrüstungen ver- 

‚ schieden. Wenden wir uns zuerst zu denjenigen, welche für die 
Samenverbreitung durch die Exkremente der Thiere von Wichtig- 
keit sind, so liegt es auf der Hand, dass diese derartig sein müssen, 
dass durch sie die Thiere zum Genusse der betreffenden Samen 
und Früchte angelockt werden. Dies geschieht nun vorzugsweise > 

= dadurch, dass dieselben eine fleischige Hülle besitzen, welche den 
Thieren als Nahrungsmittel dient. Aber ebenso wie für die Be- 
stäubung in den Blüthen es vielfach nicht ausreichen würde, wenn 
in denselben sich der den Thieren zur Nahrung dienende Pollen 

m: oder Honigsaft bildete, sondern wie hier noch weitere Einrich 
tungen nöthig sind, die namentlich in Farbe und Wohlgeruch der 

Blüthen bestehen, durch welche den zur Bestäubung dienenden 
 Thieren der Weg zur Nahrung angezeigt und das Vorhandensein 

‚derselben angedeutet wird — ebenso sind die fleischigen Früchte 

mit einem besonderen Geschmack und Geruch, sowie mit einer 

besonderen Farbe ausgerüstet, durch welche die Thiere angelockt : 

werden). Dass für jede fleischige Frucht ein gewisser Geschmack 

Ei‘ und Geruch nöthig ist, um dieselbe den Thieren angenehm zu 

machen und sie zum Genusse anzulocken, können wir daraus ab- 

nehmen, dass zu der Zeit, wo dieser Geschmack und Geruch noch 
nicht sich ausgebildet hat, in den meisten Fällen, — auch wenn 
die Früchte durch Farbe schon hervortretend sind — die Thiere 

E nicht zum Genusse herbeikommen , oder doch wenigstens nach 

kurzem Versuche von demselben abstehen. Durch dieses Verhält- 

niss können wir uns erklären, wie ein gewisser Geschmack und 

Geruch an bestimmten Fleischfrüchten sich ausgebildet hat, indem 

diejenigen Individuen, welche denselben unter ihren Geschwistern 

am stärksten entwickelt hatten, am ersten von den Thieren ver- 
zehrt und so die in ihnen enthaltenen Samen am meisten verbreitet 


wurden. — Im Gegensatz zu den fleischigen Früchten haben die 


1) Man vergleiche NAEGELI He: p. 20. 


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32 


trockenen meistentheils weder einen besonders hervortretenden 
Geruch noch Geschmack. 

Während nun Geruch und Geschmack den Thieren den Genuss | 
der Fleischfrüchte angenehm machen, so dient, wie bei der Be- 
stäubung der Blüthen, so auch hier die hervortretende Farbe dazu, 
um den Thieren anzuzeigen, wo sie diesen angenehmen Genuss 
finden können. Wohl kaum dürfte es vorkommen, dass reife 
Fleischfrüchte vollständig dieselbe grüne Farbe hätten, wie das 
sie umgebende Laubwerk, sondern dieselben treten durch rothe, 
gelbe, orange, blaue oder violette Tinten mehr oder weniger stark 
hervor. Diese hervortretende Färbung haben die Früchte in den 
meisten Fällen auf allen ihren Seiten, ‚besonders interessant ist es 
aber, dass es auch eine Reihe von solchen Fleischfrüchten giebt, 
die hauptsächlich nur auf der Sonnenseite die hervortretende Farbe 
zeigen, also auf derjenigen, welche von aussen sichtbar ist, wäh- 
rend die nach dem Inneren des Laubwerks zu, der Sonne abge- 
wandte Seite, die ursprüngliche grüne Farbe behält. Es gehören 
dahin z. B. viele Sorten von Aepfeln, Birnen, Pfirsichen, Apri- 
kosen etc. Wir dürfen hier wohl kaum annehmen, dass in diesen 
Fällen es einfach der Einfluss der Sonne ist, welcher die Früchte 
einseitig färbt, sondern müssen vermuthen, dass dieses Gefärbt- 
werden damit zusammenhängt, dass diejenigen Individuen, welche 
Neigung zu demselben zeigten, dadurch vor anderen nicht sich 
färbenden bei der Verbreitung und also auch der Vermehrung im 
Vortheil waren. i 

Dass die hervortretende Farbe die Thiere wirklich anlockt, 
können wir leicht daraus abnehmen, dass die noch grünen Früchte 
nicht angegriffen werden, eben weil sie unbemerkt bleiben. Einen 
besonders interessanten Beleg für dieses Unbeachtetbleiben der 
noch grünen Früchte lieferte ein Strauch von Evonymus fimbriatus : 
niemand hatte, ungeachtet er dicht am Wege stand, an demselben 
Früchte bemerkt, bis endlich diese, die in der That vorhanden 


waren, sich öffneten und aus den klaffenden Spalten die orange 


gefärbten Samen leuchtend hervorschauten. . Andere interessante 


33 


Beispiele davon, dass Früchte mit weniger hervortretenden Farben 


von Thieren nicht so sehr angegriffen werden, als andere derselben 
Sorte, an denen die Farben leuchtender sind giebt Darwin!) 


nämlich von der weissen tatarischen Kirsche und den gelben Him- 


beeren ; ebenso bemerkte er während mehrerer Winter, dass einige 


Bäume der gelbbeerigen Stechpalme mit Früchten bedeckt blieben, 


während auf den in der Nähe stehenden Bäumen der gewöhnlichen 


 rothfrüchtigen Art nicht eine Beere mehr zu sehen war. 


Ein Einwand dagegen, dass das Fleischigsein der Früchte 
dazu diene, dass dieselben von den Thieren gefressen und so die 
in ihnen enthaltenen Samen durch deren Exkremente verbreitet 


würden, könnte aus dem Umstand erhoben werden, dass manchmal 


nur das Fleischige von den Samen abgefressen wird und diese 


daher an der Mutterpflanze sitzen bleiben, wie man solches viel- 


fach an Kirschbäumen beobachtet. Hier haben wir aber ein ganz 


ähnliches Verhältniss vor uns, wie es manchmal bei den Blüthen 


beobachtet wird, wo unbefugte Insekten nicht auf dem richtigen 


Wege zum Honigsaft vordringen, sondern an irgend einer anderen 


- Stelle sich einen solchen dadurch erzwingen, dass sie, bei Linaria 
3 und Corydalis-Arten z. B., in den Blüthensporn ein Loch beissen 
und durch dieses ihren Rüssel einführen. In gleicher Weise picken 
bei den cultivirten Kirschen die Sperlinge und andere gleich ‚grosse 

Vögel meistens nur das Fleisch weg, während die Schwarzdrosseln 

die ganzen Kirschen verschlingen, um später die Steine „unversehrt 


. von sich zu geben und so auszusäen. ; 


Wie trockene Früchte durch Geschmack- und Geruchlosigkeit 


zu den fleischigen in Gegensatz treten, so findet ein Gleiches in 


"Beziehung auf die Färbung statt, indem die trockenen Früchte 


- meist ein unscheinbares Ansehen haben. 


Es ist wohl vermuthet worden, dass das Fleischigsein der 


. Früchte für die Pflanzen den Nutzen hätte, dass das Fruchtfleisch 


für die Samen eine Art von Dünger abgebe. Jedenfalls ist dies 


1) Darwın, Domestikation II p. 306. 
Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 


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34 
ein Vortheil der gegen den Nutzen der Verbreitung durch die 


Thiere kaum in Betracht kommt, und schon A. P. DE CANDOLLE 


sagt in seiner Pflanzenphysiologie 1), er habe niemals wahrgenom- 


men, dass fleischige Früchte, unversehrt mit ihrem Fruchtfleisch 
gesät, besser keimten als solche, von denen man nur die vom 


Fruchtfleisch entblössten Samen säte. Anders verhält es sich hin- 


. gegen mit dem von NAEGELI?) berührten Umstande, dass die 


Samen der Fleischfrüchte aus dem Dünger, den die Thiere mit 
ihnen von sich geben, einen grossen Vortheil zögen; es ist dies 
ein Nutzen, der jedenfalls mit dem Vortheil der Verbreitung der 
Samen Hand in Hand geht. l 

Die andere Weise, in welcher die Thiere zur Verbreitung der 
Pflanzen dienen, war die, dass sie die Samen oder Früchte der- 
selben äusserlich angeheftet erhalten. Die Ausrüstungen, vermöge 
deren dieses Anhaften stattfinden kann, sind nun zweifacher Art: 
einmal bestehen dieselben in hakigen, stechenden oder rauhen 
Anhängen, auf der anderen Seite in einer gewissen Klebrigkeit 
oder schleimigen Beschaffenheit 3). Die erste Form der Haftmittel 
tritt in einer grossen Mannigfaltigkeit auf, sowohl was die äussere 
Form, als was den anatomischen Bau der Haftorgane angeht. Die 
en Art ist die, dass« bestimmte Theile der Früchte oder 
ihrer Umgebung mit einer Oberfläche versehen sind, die durch 
rückwärts gekrümmte kurz hervortretende Zellen-rauh gemacht ist, 
wie dies z. B. bei dem Fruchtstiel von Cornucopiae cucullatum der 
Fall. Ferner treten die Haftorgane als längere spitzige Hervor- 
ragungen aus der Oberfläche der Fruchttheile hervor, und sind um 
so geeigneter sich in dem Pelzwerk der Thiere zu verhäkeln, wenn 
ihre Spitzen selbst hakig umgebogen sind, wie z. B: bei Oircaea 
lutetiana, Sanicula europaea, Galium Aparine; noch stärker haften 


dann solche Organe, die mit stechender Spitze versehen unterhalb 


- dieser Spitze mit rückwärts gekrümmten Haken besetzt sind, z. B. 


er 
Y1. 09.20. 
) Bot. Zeitung 1872 p. 885. 


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35 


bei Bidens, oder wo eine Hakenkrone das Haftorgan oben ab- 
schliesst, wie bei Acaena, Echinospermum etc., oder wo das ganze 
hakige Organ wieder selbst mit kleinen Häkchen über und über 
besetzt ist, z. B. bei  Plysocaulis nodosus. Alle diese Vorrich- 
tungen sind so wirkungsvoll, dass es kaum gelingt zwischen den 
Pflanzen, die solche Haftfrüchte tragen, sich zu "bewegen, ohne 
dass an den Kleidungsstücken, in vielen Fällen selbst ganz glatten 
 leinenen, ein Theil derselben sitzen bliebe. Es liegt so auf der 
Hand, dass diese Haftorgane zur Pflanzenverbreitung durch die 
| Thiere dienen, dass es unnöthig sein dürfte, länger bei diesem 
Puncte zu verweilen. 
Seltener ist im Allgemeinen die Ausrüstung, welche in einer 
schleimigen oder kleberigen Oberfläche ‚der Früchte oder ihrer Um- 
gebung besteht!). Die klebrigen Oberflächen, welche die Früchte, 
an denen sie sich finden, zum Anhaften sehr geeignet machen, - 
Werden meistens dadurch hervorgebracht, dass dieselben mit Drü- 
|  Senhaaren dicht bedeckt sind, welche an ihrer Spitze eine klebrige 
"Substanz ausscheiden, wie dies z. B. bei Siegesbeckia der Fall ist, 
ebenso bei Plumbago und in ausgezeichneter Weise an den Frucht- 
stielen von Drymaria cordata. Die schleimigen Oberflächen sind 
der Art, dass nur bei Anfeuchtung der Schleim auf ihnen sich 
bildet. Es muss übrigens einstweilen unentschieden gelassen 
l 39 werden , ob dieser Schleim wirklich dem Anhaften an Thieren 
| dient, während die klebrigen Oberflächen an gewissen Früchten 
| ebenso wie die Hakenvorrichtungen als ein ganz ausgezeichnetes 
l Mittel zur Fruchtverbreitung sich leicht nachweisen lassen. An 
einer mit reifen Früchten versehenen Siegesbeckia kann man nicht 
| vorbeistreifen, ohne einen Theil der Früchte angeheftet zu erhalten. 
= [m Rückblick auf die Verbreitungsausrüstungen, die durch die Er 
"Thätigkeit der Thiere in Anwendung kommen, fällt noch ein Punct , 
in die Augen, nämlich der, dass die Ausrüstungen und die ver- 


breitenden Thiere in einem gewissen Zusammenhange mit den 


“ 


1) Bot. Zeitung 1872 p. 908. 


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36 


Wachsthumsverhältnissen der Pflanzen stehen, an welchen die 


durch die Thiere zu verbreitenden Früchte sich finden. Die 


\Fleischfrüchte, meistentheils von Vögeln genossen, finden sich 


meist an Bäumen und Sträuchern, während die anhaftenden Früchte, 


hauptsächlich in ihrer Organisation der V erbreitung durch Pelz- 
thiere angepasst, mehr an niederen Gewächsen, der Lebensweise 
der Vierfüssler entsprechend, sich finden. 

Das vierte Verbreitungsagens liegt in den Austrocknu ngs- 
verhältnissen, bei deren Besprechung es kaum thunlich sein 
dürfte das Verbreitungsagens von der Ausrüstung, auf die es wirkt, 
gesondert zu betrachten. Wir haben nämlich eine ziemlich an- 
sehnliche Reihe von Pflanzen, deren Früchte derartig gebaut sind, 
dass beim Eintrocknen der Gewebe die Samen entweder allein oder 
mit Stücken der Fruchtwand hinweggeschleudert werden und so 
.im Umkreise der Mutterpflanze ihre Verbreitung finden: Dieser 
Schleudermechanismus beruht nun auf einem eigenthümlichen ana- 
tomischen Bau der betreffenden Früchte, doch würde es zu weit 
führen näher auf dieselben einzugehen, und es sei daher hier 1) 
nur erlaubt einige der verschiedenen Fälle kurz zu besprechen. 
Bei mehreren Viola-Arten sind die drei Klappen, welche zur Reife- 
zeit der Frucht sich von oben her von einander lösen, an der 
Basis aber miteinander vereinigt bleiben und eine kahnförmige 
Gestalt haben, derartig gebaut, dass bei Eintrocknung die Seiten- 
wände der Kähne sich gegeneinander nähern. Durch diese An- 
näherung werden nun die in den Kähnen in drei Reihen liegenden 
Samen derartig von der Seite mehr und mehr gepresst, dass sie 
endlich dem Drucke nicht widerstehen können und mit einer nicht 
unbeträchtlichen Schnellkraft hervorglitschen, wobei sie in einem 
Umkreise von mehreren Schritten umhergestreut‘ werden. Auf 
einem anderen Bau beruht der Schleudermechanismus bei vielen 


Leguminosen, z. B. bei den Arten von Lupinus, Lathyrus und 


RR VE. 3 


1) Eine nähere Besprechung des Gegenstandes wird sich in PRINGSHEIM’S 


Jahrbüchern für wissenschaftl. Botanik Bd. IX finden. 


r 


37 
Orobus. Hier haben die beiden Klappen der Hülse bei dem 


schiefen Verlauf ihrer Fasern ein Bestreben sich schraubig aufzu- 


rollen, können aber diesem Bestreben nicht eher folgen als bis 


der Verband ihrer Seiten gelöst ist. Endlich wird dann durch 
weitere Eintrocknung dieses Hinderniss überwunden, und nun 
schnellen die Klappen bei ihrem plötzlichen Aufdrehen die an 


ihnen lose befestigten Samen derartig fort, dass dieselben in eine 


. Entfernung bis zu 12 Schritt fortbewegt werden. Aehnlich ist der 


Mechanismus bei vielen Rutaceen und KEuphorbiaceen, nur dass 


hier die Aufdrehung der Kapselklappen eine nicht so starke augen- 
fällige ist, wie bei den Leguminosen, und der Schleudermechanismus 


mehr darin besteht, dass durch das Aufreissen der Kapselklappen 


von oben her ein Druck auf die von ihnen bis dahin einge- 


schlossenen Samen von unten her ausgeübt wird, der diese nun 


hinwegschleudert. In noch anderen Fällen, z. B. bei den Acan- 


‚thaceen und Eschscholtzia californica, sind die Fruchtklappen der- 


artig gebaut, dass sie bei Eintrocknung das Bestreben zeigen sich 
uhrfederig aufzurollen, welches Bestreben aber darin anfangs ein 
Hinderniss findet, dass der Kapselgrund mit der Mutterpflanze in 
fester Vereinigung ist; endlich wird jedoch dieses Hinderniss bei 
stärkerer Austrocknung überwunden, die Kapsel reisst am Grunde 
los, und ihre Klappen, die nun von unten her von einander sich 
entfernen, schleudern hierbei die ihnen lose ansitzenden Samen in 
eine nicht unbeträchtliche Entfernung fort. Aehnlich ist auch das 
Verhältniss bei dem Schleudermechanismus der Früchte von Ero- 
dium, Geranium und Scandix. Endlich haben wir an den Grannen 


einiger Gräser, besonders einiger Avena-Arten z. B. von Avena 


sterilis, noch einen ganz anderen Bewegungsmechanismus: hier ist 


nämlich der untere Theil der an den Früchten befestigten Grannen 
derartig gebaut, dass er bei Austrocknung sich spiralig aufdreht, 
während der obere Theil der Grannen dies nicht thut; da nun 
zwei Grannen an jedem Fruchtcomplex sind, so begegnen sich 
dieselben auf ihrem Umdrehungswege und stemmen sich gegen- 


einander, bis sie endlich bei weiterem Stemmen aneinander ab- 


` 


38 


rutschen und ‘hierbei dem ganzen Fruchteomplex einen solchen 
Ruck mittheilen, dass er ein wenig, wenn auch nicht weit, fort- 
geschleudert wird. Eine langsame Bewegung wird von denselben 
Grannen dadurch hervorgebracht, dass sie bei ihrer Umdrehung 
sich gegen den Erdboden stemmen und in dieser Weise sich der 
Fruchteomplex seitlich fortwälzt. 

In allen diesen genannten Fällen beruht der Schleudermecha- 
nismus darauf, dass in den betreffenden Früchten gewisse Zell- 
schichten bei einem besonderen Bau sich unter den Einflüssen der 
Eintrocknung stärker (oder in einer bestimmten Richtung) zusam- 
menziehen, als die benachbarten Schichten , durch welches Ver- 
hältniss schliesslich eine solche Spannung hervorgebracht wird, 
dass durch dieselbe nicht nur die Klappen der Früchte sich von 
einander lösen, sondern bei dieser Lösung so schnell ihren Span- 


nungsverhältnissen durch Aufrollung folgen, dass hierbei die Samen 


mehr oder weniger weit fortgeschleudert werden. 


- 


Während wir in dem Vorhergehenden solche Verbreitungs- 
mittel der Pflanzen besprochen, bei denen zur Erreichung des 
Vortheils immer zwei Dinge zusammen wirken müssen, nämlich 
ein von aussen kommendes Agens, wie der Wind, das Wasser, 
die Thiere und die Austrocknung, und eine diesem Agens ange- 
passte Ausrüstung der betreffenden Früchte oder Samen, wie 
Leichtigkeit und Kleinheit, federige, haarige oder flügelige An- 
hänge, Fleischigsein, Hakenanhänge oder Klebrigkeit oder eine 
heskinimhte anatomische Structur — so haben wir auf der anderen 
Seite noch derartige Verbreitungseinrichtungen zu erwähnen, wo 
das Agens und die Ausrüstung zusammenfallen, wo in den beson- 
deren Wachsthumsverhältnissen der Pflanzen und ihrer Früchte 
schon zugleich das Verbreitungsagens liegt, was bei den durch 
Turgeseenz der Gewebe aufspringenden Früchten, bei der Fort- 
pflanzung und Verbreitung der Gewächse durch Ausläufer und bei 


der selbstständigen freien Bewegung gewisser Pflanzen der Fall ist. 


39 


Die saftigen Schleuderfrüchte und Samen sind im 
Allgemeinen nicht sehr häufig, bieten aber in ihrem Mechanismus 
ein ausgezeichnetes Mittel zur Pflanzenverbreitung, wenn auch 


dasselbe, wie in den vorhergehenden Fällen, nur in unmittelbarer 


"Nähe wirkt und durch dasselbe die Pflanzenverbreitung nur schritt- 


weise stattfinden 'kann. Besonders gehören hierher die Samen 
von Ozalis und die Früchte von Impatiens, Cardamine, Cyclanthera, 
Momordica Elaterium‘). An diesen allen befinden sich gewisse 
saftige Zellschichten in einem sehr starken Grade der Turgescenz 


und Spannung, während die benachbarten Schichten diesen Tur- 


gor nicht zeigen; endlich wird die Spannung so stark, dass durch 


- sie in den meisten Fällen der Zusammenhang der Fruchtwände 


oder der äusseren Samenhaut theils an bestimmten, theils an be- 
liebigen Stellen zerrissen wird, und nun die einzelnen Lappen 
der Fruchtwände, ihren Spannungsverhältnissen folgend, sich um- 
rollen und hierbei die an ihnen befindlichen oder zwischen ihnen 


eingeklemmten Samen eine bedeutende Strecke fortschleudern. 


Abweichend ist der Mechanismus bei Momordica Elaterium, wo 


nicht die Fruchtwände zerreissen, sondern im Zusammenhang 
bleiben, aber einen derartigen Druck auf das Innere der Frucht 


ausüben, dass schliesslich, bei Ablösung des Fruchtstieles, der in. 


der Frucht enthaltene Saft mit den darin zur Reifezeit schwim- 


menden Samen weit hinweggespritzt wird. 


Ein weiteres in seiner Wichtigkeit nicht zu unterschätzendes 


Mittel zu ihrer Verbreitung besitzt eine Anzahl von Pflanzen in 


der Fähigkeit Ausläufer zu bilden, welches Mittel manchmal die 
Verbreitungsweise durch Samen an Grösse des Erfolges, namentlich 
aber an Schnelligkeit übertrifft. Während die Samen einer Pflanze 
gewöhnlich eine Zeit lang im Boden ruhen, ehe sie keimen, jeden- 
falls aber, wenn sie keimen, es einer geraumen Zeit bedarf, ehe 3 


aus ihnen wieder fortpflanzungsreife Individuen erwachsen, so 


1) HILDEBRAND, Die Schleuderfrüchte und ihr im anatomischen Bau be- 
* gründeter gene in PRINGSHEIM’s Jahrb. f. w. Bot. Bd. IX. 


40 


geht es mit der Vermehrung und Ausbreitung durch Ausläufer oft 


ganz unglaublich schnell, und meist kann eine vor wenigen 
Wochen in dieser Weise gebildete Pflanze ihrerseits schon wieder 
neue Ausläufer treiben, so dass, wenn sonst die Verhältnisse 
günstig sind, durch die Ausläufer eine Pflanze in kurzer Zeit trotz 
ihres schrittweisen Vorrückens einen grösseren Raum überzogen 
haben kann, als manche andere, die an ihren Samen ausgezeich- 
nete Verbreitungsausrüstungen besitzt. An solchen Fällen sehen 
wir am besten, wie auch das schrittweise Vorrücken von grossem 
Erfolge für die Verbreitung der Pflanzen ist, und können daraus 
abnehmen, von welcher Wichtigkeit für die Pflanzenverbreitung 
auch die vorher besprochenen in den Samen liegenden Mittel sein 
werden, bei denen wir ja überall zugeben mussten, dass das Vor- 
rücken der Pflanzen durch dieselben immer nur ein allmäliges 
sein kann und nicht in grossen Sprüngen vor sich gehe. 

Um einige Beispiele davon zu geben, wie schnell sich Pflanzen 
durch ihre Ausläufer verbreiten können, so brauchen wir nur an 
eine Reihe von sogenannten Unkräutern zu erinnern, die gerade 
durch diese ihre Eigenschaft so lästig fallen, und so schwer zu 
vertilgen sind. Ein Ackerfeld wird in Kurzem, wenn man nicht 
hindernd einschreitet, von den Ausläufern des Triticum repens oder 
des Equisetum arvense durchzogen, in sandigen Gegenden breitet 
sich die Carex arenaria ganz unglaublich schnell über weite 
Strecken aus, ebenso sehen wir auf feuchten Wiesen den Petasites 
offieinalis in kurzer Zeit weite Flächen bedecken, im Sumpfe die 
Typha- und Juncus-Arten sowie Phragmites communis; ferner im 
Walde die Mercurialis perennis, Vinca minor und mehrere Equi- 
setum-Arten. Einige der hierhergehörigen Arten sind so zähe, 
dass sie, wie z. B: der Convolvulus arvensis selbst der Gartencultur 
bei ihrer Verbreitung Trotz bieten. ; 

Die besondere Befähigung, welche die genannten Pflanzen 
und andere für diese Verbreitungsweise besitzen, beruht auf ver- 
schiedenen Arten ihres Wachsthums. Die einen treiben unter der 


Erdoberfläche, geschützt gegen äussere Einflüsse und begünstigt 


-4 


durch die feuchte Wärme des Bodens, lange Seitenzweige, aus 
denen sie dann hier und da andere nach oben über den Erdboden 
hinauf schicken, wie dies bei den meisten so eben genannten der 
Fall ist, während andere über der Erde lange Seitentriebe bilden, 


die entweder, fast von ihrem Ursprunge auf dem Boden kriechend, 


in demselben Wurzel schlagen, wie die Gattungen Marsilia und 
Pilularia, von den Phanerogamen: Lysimachia nemorum, oder die 
erst nach einet mehr oder weniger langen Strecke ihres Verlaufes 
Wurzel schlagen, um durch diese neue Kräfte für weiteres Treiben 
von Ausläufern zu sammeln, wie dies z. B. bei den Erdbeeren, 
auch bei: Viola odorata geschieht. Besonders bemerkenswerth 
erscheint in dieser Beziehung noch das Jasminum nudiflorum, 


dessen lange, anfangs aufrechte ruthenartige Zweige sich in ziem- 


‚licher Entfernung von ihrem Ursprunge zum Erdboden niederlegen 


und hier Wurzeln schlagen, um dann von Neuem aufrechte Zweige 


zu treiben, so dass dieses Gewächs, unter günstigen Umständen 


‚lebend, einen grossen Flächenraum in kurzer Zeit überziehen kann. 


Endlich haben wir ein Verbreitungsmittel der Pflanzen zu 
verzeichnen, welches dieselben mit den Thieren vollständig gemein 
haben; es ist dies die freie Bewegung, welche sich zwar nicht 


im höheren Pflanzenreich derartig findet, dass sie zur Verbreitung 


beiträgt, die aber um so mehr bei den sogenannten niederen 


Pflanzen, im Reiche der Pilze und namentlich der Algen uns ent- 
gegentritt. Sehen wir hier ab von denjenigen Fällen, wo diese 
freie Bewegung an Organismen vorkommt, über deren Zugehörig- 
keit zum Pflanzen- oder Thierreich man einstweilen, und wohl 


auch in Zukunft, keine sicher begründete Entscheidung fällen 


kann, wie z. B. den Diatomeen und Oseillarien, so bleibt uns 


doch noch die grosse Menge derjenigen Gewächse übrig, die mit 


Zoosporen versehen sind. Diese Zoosporen schwimmen, wenn sie 
die Zelle, in der sie entstanden, verlassen haben, im Wasser frei 
umher, bald vor- bald rückwärts, rechts und links, auf- und ab- 
wärts, kurz sie durchkreuzen das Wasser nach allen Richtungen 


hin und können hierbei an Orte gelangen, die von dem Standorte 


42 


ihrer Mutterpflanze mehr oder weniger weit entfernt sind. Bei 


diesen Bewegungen peitschen sie mit den Wimpern, welche sie 
ringsum oder nur an bestimmten Stellen besitzen, das Wasser und 
werden in dieser Weise anerkannten Thieren ähnlich, so dass man 
im Anfange ihrer Entdeckung von einer »Pflanze im Moment der 
Thierwerdung« sprechen und zu der merkwürdigen Annahme 
kommen konnte, dass es Wesen gebe, welche in einer gewissen 
Periode ihres Lebens Pflanzen, in einer anderen Thiere seien, und 
dass die Zeit noch nicht zu lange vergangen ist, wo man, bei 
Vernachlässigung der Entwickelungsgeschichte, solche Zoosporen 
für wirkliche Thiere nahm. Wenn diese Zoosporen endlich zur 
Ruhe kommen, so umgeben sie sich mit einer Zellhaut, haften 
sich irgend wo fest, und wachsen nun zu neuen der Mutterpflanze 
gleichen Individuen in gewisser Entfernung von dieser heran, bis 
sie selbst wieder neue Zoosporen in ihren Zellen bilden, die sich 
wieder dann weiter entfernen können und die Pflanzenart so weiter 
verbreiten. Am besten können wir die Wirkung dieser Zoosporen 
bei der Pflanzenverbreitung sehen, wenn wir eine mit ihnen ver- 
sehene schnell wachsende Alge an den Rand eines stehenden 
kleinen Gewässers legen, wo wir dann bemerken werden, dass in 
Kurzem das ganze Wasser von den Nachkommen der an einer 
beschränkten Stelle hineingesetzten Individuen bevölkert ist. 

Ehe wir die allgemeine Besprechung der Verbreitungsagentien 
und Ausrüstungen verlassen sind noch zwei Puncte zu berühren. 
Einmal ist nämlich noch dies hervorzuheben, dass die Agentien 
sowohl wie die Verbreitungsausrüstungen nur dann für die Pflan- 
zenverbreitung von Nutzen werden sein können, wenn — da ja 
die meisten Pflanzen auch bei ihrem Absterben im Boden haften 
bleiben — die betreffenden Verbreitungsorgane so eingerichtet sind, 
dass sie sich zur geeigneten Zeit. von der Mutterpflanze loslösen. 
‘Wir werden nun bei der Besprechung der Vortheilhaftigkeit in 
den Einrichtungen zur Pflanzenverbreitung sehen, dass diese Los- 
lösung meistentheils derartig geschieht, dass die Verbreitungsaus- 


rüstungen so mit den zu ‘verbreitenden Samen in Verbindung 


43 


‘stehen, dass sie mit diesen vereinigt bleiben, so dass, z. B. wenn 
ein Kelch- oder Deckblatt die Verbreitungsausrüstung bildet, dieses 


nicht an der Mutterpflanze sitzen bleibt, sondern sich mit der die 


Samen enthaltenden Frucht loslöst, und nun von den Agentien 


hinweggeführt werden kann. Scheinbare Ausnahmen bilden unter 
anderen einige blasige Früchte, die sich nicht loslösen, wo aber 
dies zu berücksichtigen ist, dass sie schon in ihrem Blasigsein . 


dazu dienen, dass der Wind sich hinter sie setzt, und die Samen 


so aus ihnen hinausgeschleudert werden, und dass es nicht noth- 


wendig ist, dass sie selbst — vorausgesetzt sie öffnen sich — von 
der Stammpflanze losgerissen und mit den Samen fortgeführt 
werden. 

‚Andererseits ist hier noch ein kurzes Wort beizufügen über 
die Schutzmittel, welche die Pflanzen bei ihrer Verbreitung 
nöthig haben. In ähnlicher Weise, wie in den Blüthen bestimmte 
Einrichtungen getroffen sind, vermöge deren die Insekten zum 
Genusse des Honigs und Pollen angelockt werden, ohne dass die- 
selben bei ihren Besuchen der Bestäubung nachtheilig sind, die 


sie dabei vielmehr gerade vollziehen — in ähnlicher Weise sind 


die Früchte und Samen mit Schutzmitteln versehen, die dazu 


dienen, dass der wichtige Keim in ihnen nicht zerstört werde. 
Würde nämlich eine Fleischfrucht die Samen ohne harte Hülle in 
sich enthalten, so würden jene unfehlbar im Darmcanal der Thiere 


zerstört werden. Andere Fälle, die nicht in den so eben gege- 


benen Vergleich passen, sind die, dass grosse, leicht sichtbare Samen 


eine harte Schale haben, wenn sie aus der Frucht herausfallen, 
‘oder wenn sie nicht herausfallen, so wird von ihrer Umhüllung, 
verschiedener Natur, um sie ein fester Schutz gebildet!). Auch 
scheinen die Haare in dem Fruchtkelch vieler Labiaten, wie A. P. 
DE ÜANDoLLE?) angiebt, dazu zu dienen, um den Regen abzu- 


halten, der die Früchte zerstören, oder zum vorzeitigen Keimen 


1) NAEGELL l. c. p. 19. 
2) Pflanzenphysiologie II p. 183. 


44 
bringen könnte. Diese und ähnliche Fälle wird sich später Ge- 
legenheit finden näher aufzuführen und zu beleuchten. 

Schliessen wir diese allgemeine Uebersicht über die Agentien 
und Ausrüstungen, welche bei der Verbreitung der Pflanzen eine 
Rolle spielen, mit der Wiederholung des Zugeständnisses, dass 
durch jene hauptsächlich nur eine schrittweise Verbreitung in der 
Nähe bewerkstelligt wird, so müssen wir auf der anderen Seite 
dies festhalten, dass auch dieses schrittweise Vordringen von der 
grössten Wichtigkeit für die Pflanzenverbreitung ist, und dass 
überhaupt die Existenz der Pflanzen, ausser von der Bildung der 
Fortpflanzungsorgane selbst, durchaus von den genannten Verhält- 
nissen abhängig ist. Nicht durch Zufall und willkürlich werden 
die Pflanzenkeime hier und da ausgestreut, sondern in bestimmter 
oft ganz unvermeidlicher Weise durch das Zusammenwirken ver- 
schiedener Ursachen und die Anpassung apes Form an die Ver- 
breitungsagentien. — 


Kapitel I. 


Vorkommen der Verbreitungsausrüstungen an den verschie- 
densten Organen. 


Wenn wir an.einer phanerogamen Pflanze die verschiedenen 


Organe, von den Samen ausgehend, betrachten, so finden wir, 
dass in den meisten Fällen diese Samen von einer Hülle, einzeln 
oder zu mehreren, umgeben sind, welche aus den Wänden des 
Fruchtknotens gebildet wird, und diese beiden Dinge zusammen, 
Samen und ausgebildete Fruchtknotenwand, pflegt man als Frucht 
zu bezeichnen ; während man in dem Falle, wo ausser der Frucht- 
'knotenwand noch andere Organe der Pflanze mit dem Samen in 
Vereinigung getreten sind, oder bei seiner Reife und seinem Ab- 


fallen in Vereinigung bleiben, die Bezeichnung »Scheinfrucht« zu 


45 


£ 
gebrauchen sich bemüht, ohne jedoch consequent darin zu ver- 
fahren, — ganz abgesehen von der Sprachweise des gewöhnlichen 
Lebens, wo dieses Wort nicht in Anwendung kommt, . und wo 
jedermann Erdbeeren und Maulbeeren, Aepfel und Feigen kurz- 
weg Früchte nennt, zu deren Bildung doch noch andere Theile 
als das Pistill der Blüthen beigetragen haben. 
Gehen wir diese Theile der Reihe nach kurz durch, so haben 
wir zuerst die Blumenkrone und den Blüthenboden (Staubgefässe 
"scheinen sich nicht bei der Fruchtbildung zu betheiligen), welche 
in einzelnen Fällen an der reifen Frucht noch vorhanden sind und 
mit ihr abfallen; dann finden wir eine grosse Menge von Früchten, 
zu deren Bildung der Blüthenkelch in der verschiedensten Weise 
mit herangezogen worden; weiter haben wir solche Fälle, wo der 
Stiel der Blüthen für die Fruchtbildung von Wichtigkeit geworden, 
und daran schliessen sich solche Früchte, an denen zur Reifezeit 
die aus den Stielen entspringenden Deckblätter noch vorhanden, 
auch können solche Deckblätter für einen ganzen Fruchtstand ein 
gemeinsames Involucrum bilden. : Alle diese verschiedenen Organe 
der Pflanzen können nun zu Verbreitungsausrüstungen umgewan- 
delt sein, also einem und demselben biologischen Verhältniss 
dienen, auf welchen Punct wir hier nur in kurzer Uebersicht ein- 
' gehen wollen, um dann sogleich die morphologisch verschiedenen 
Verbreitungsausrüstungen im Verhältniss zu den Agentien, welchen 
Sie angepasst sind, speciell zu besprechen. | i 
Als der einfachste Fall erscheint derjenige, wo die Samen 
(auch die Sporen) an sich selbst die zu ihrer Verbreitung dienende 
Ausrüstung tragen, und dieses Verhältniss findet sich in der That 
bei einer sehr grossen Anzahl von Pflanzen, wo die Samen zur 
Zeit ihrer Reife frei aus ihrer Umhüllung hinaustreten können, 
auf den verschiedensten Wegen bewerkstelligt: wir haben Samen, 
die bei Kleinheit und Leichtigkeit durch den Wind ihre Verbrei- 
tung finden in überwiegender Anzahl, andere sind mit Flügel- 
anhängen versehen (Bignomiaceen), noch andere ganz mit Haaren 


bedeckt (Gossypium) oder mit Haarbüscheln versehen (Asclepiadeen); 


46 


in seltenen Fällen sind sie fleischig (Magnolia) oder kleberig 
(Pittosporum) und am seltensten mit hakigen Anhängen versehen 
(Villarsia nymphaeoides),; durch Turgescenz der Samenhaut werden 
die Samen von Oxalis weit fortgeschleudert. | 

Fast ebenso häufig, wie an den Samen selbst, findet sich die 
Verbreitungsausrüstung an den jene umgebenden Wänden des aus- 
gewachsenen Fruchtknotens. Kleinheit und Leichtigkeit ist 
hier im Allgemeinen seltener als bei den Samen und findet sich 
hauptsächlich bei einzelnen Zabiaten. Sehr häufig sind die Flügel- 
anhänge in verschiedener Form und Anzahl z. B. bei Fraxinus, 
Acer, Betula, Ulmus. Ferner haben wir hier verschiedene Arten 
der haarigen Anhänge: ganz behaart sind die Früchte von ver- 
schiedenen Anemone-Arten, z. B. von A. sylvestris, mit einem von 
der Basis entspringenden Haarschopf versehen die Früchte von 
Eriophorum. Eine fleischige Beschaffenheit nehmen die Frucht- 
knotenwände mit verschiedenen Modificationen an bei den Drupa- 
eeen, Smilaceen, Aurantiaceen, Berberideen etc., mit Haken oder 
Stacheln sind sie versehen bei mehreren PRAA (Cynoglossum) 
und Leguminosen (Desmodium canadense, Medicago praecòz). Ein- 
richtungen, vermöge deren die Samen fortgeschleudert werden, 
zeigen bei Austrocknung die Fruchtknotenwände bei Viola-Arten, 
vielen. Leguminosen, Rutaceen, Collomia etc.; durch Turgescenz- 
erscheinungen der Fruchtwände werden die ioh von Impatiens, 
Cardamine etc. verbreitet. 


Weiter haben wir einige solche Fälle, wo der Griffel die 


Verbreitungsausrüstung trägt und mit der Frucht zu ihrer Reife- 
zeit in Verbindung bleibt. Einen abstehend behaarten Griffel 
besitzen die Früchte von Pulsatilla, Geum montanum und reptans, 
Dryas octopetala, Clematis Vitalba etc.; in eine hakige Spitze 
geht derselbe aus bei Geum urbanum did anderen Geum-Arten, 
bei Polygonum vir ginianum und Grammatocar "pus uncinatus, in eine 
stechende Spitze bei Oenanthe pimpinelloides und bei Stylosanthes. 

Ferner haben wir einige solche Fälle zu verzeichnen, wo die 


Blumenkrone die Verbreitungsausrüstung bildet; als Flugorgan 


7 


47 


finden wir sie bei Trifolium Badium, Melampodium paludosum und 
Oephalophora aromatica in verschiedener Weise ausgebildet, beson- 
ders aber an einer asiatischen Anacardiacee, der Melanorrhoea 
usitata; eine Hleischige Beschaffenheit hat sie angenommen bei 
Coriaria myrtifolia, hakig ist sie bei der Compositen-Gattung Tra- 


goeceros. 


Besonders ist es weiter der Kelch, welcher in sich die Ver- 


breitungsausrüstung darstellt oder dieselbe trägt, und zwar kommen 


‘solche Ausrüstungen sowohl an ganz freien Kelchblättern und 


Kelchzipfeln vor, als an den Kelchen, die mit dem Fruchtknoten 


mehr oder weniger verwachsen sind; ebenso haben wir auch meh- 
rere derartige Fälle, wo das sogenannte Perigon — morphologisch 
eine Vereinigung von Kelch und Blumenkrone, biologisch bald 
die Dienste des einen bald der anderen verrichtend — die Ver- 
breitungsausrüstung darstellt; fassen wir jedoch bei dieser allge- 
meinen Uebersicht diese Verschiedenheiten nicht weiter ins Auge. 
Die fügeligen Anhänge treten am Kelch in mannigfaltiger Weise 
auf: einen horizontalen Flügelrand trägt das Perigon von Salsola, 


ein Flügelpappus findet sich bei Chardınia zeranthemoides und 


‚Sphenogyne. speciosa ; einen fallschirmartigen Kelch haben die 


Früchte von Salvia aurea und bei Musaenda frondosa vergrössert 
sich einer der fünf Kelchzipfel zu einem grossen Flügel, während 
bei Polygala virgata und myrtifolia zwei Kelchblätter die Flügel 
der Frucht bilden. Bei Margyricarpus setosus wird der Kelch 
schwammig, bei Trifolium fragiferum blasig. — Weiter dient der 
Kelch durch haarige oder fedrige Anhänge als Verbreitungsaus- 


rüstung: ganz von Haaren bedeckt ist das Perigon von Azyrıs 


ceratoides, Gomphrena globosa und anderen Amaranthaceen, beson- 


ders bietet aber der Pappus vieler Compositen in seiner haarigen 


oder federigen Structur eine ausgezeichnete Flugmaschine, ebenso 


bei Valeriana und Centranthus. Mit Haken oder Stacheln versehen 


ist der Kelch bei Acaena, Bidens, Valerianella hamata, echinata ete., 
mit Klebrigkeit bei Plumbago rosea und micrantha. Eine fleischige 


48 
Beschaffenheit nimmt der Kelch an bei Coriaria myrtifolia, in 
Vereinigung mit dem Fruchtknoten bei den Pomaceen. 

Seltener stellen die Fruchtstiele (abgesehen von den an 
ihnen sitzenden Deckblättern) die Verbreitungsausrüstung dar: 
einen mit abstehenden Haaren versehenen Stiel finden wir an den 
Früchten von Thypha und bei mehreren Gräsern, z. B. bei Avena 
pubescens und Phragmites communis, während bei Rhus Cotinus die 
Stiele der nicht fruchttragenden Blüthen sich mit abstehenden 
Haaren bedecken und so für den ganzen Fruchtstand eine Flug- 
einrichtung bilden. Bei Cor nucopiae cucullatum geht der Frucht- 
stiel an seiner sich lösenden Basis in einen Haken aus und ist 
ausserdem an seiner ganzen Oberfläche mit einer kleberig erschei- 
nenden Rauhigkeit bedeckt, während wirkliche Klebrigkeit sich 
an den Fruchtstielen von Drymaria cordata findet. Endlich nimmt 
der Fruchtstiel bei Anacardium eine fleischige Beschaffenheit an. 

Auch der Boden, auf welchem die einzelnen Früchte 
sitzen, kann in einigen wenigen Fällen als V erbreitungsausrüstung 
erscheinen, nämlich bei Fragaria und Ficus, wo beide Fälle dann 
wieder die bekannten morphologischen Verschiedenheiten zeigen, 
indem bei Fragaria der fleischige Theil einer einzigen Blüthe an- 
gehört, während bei Ficus auf demselben die Früchte von vielen 
getrennten Blüthen sitzen. 

Weiter dienen dann die an den Fruchtstielen, oder dicht an 
der Basis der einzelnen Früchte sowohl, wie ganzer Fruchtstände 
befestigten Deckblätter als Verbreitungsorgane_der Samen und 
zwar in der verschiedensten Weise und Combinatibn: einen ein- 
fachen aus einem Deckblatt gebildeten seitlichen Flügel finden wir 
an den Einzelfrüchten von Dahlia, Lindheimera texana, Patrinia 
heterophylla und an den Fruchtständen von Tilia, Bugainvillea, 
Carpinus ; eine horizontal gestellte fallschirmartige Deckblattbildung 
haben die Einzelfrüchte von Oxybaphus floribundus, mehrere Früchte 
besitzen denselben gemeinsam bei Ozybaphus Cervantesii. Weiter 
kommen haarige Anhänge an den Deckblättern vor bei Lagoecia 


cuminoides und sehr vielen Gräsern, z. B. bei Tricholaena, Lasia- 


=.‘ 


_grostis, Pappophorum etc., wo sie sehr verschiedene Form und 2 BER 
OSTLS, ppop > ; 5 =i 


2 ‚oder einer rauhen Oberfläche ausgestattet, so bei Parietaria offici- 


x 


= Ausrüstung besitzen, was unter den Phanerogamen im Allgemeinen 


X 5 ein Organ eine für die Verbreitung nützliche Abänderung zeigte, 
' so bildete diese sich, als Vortheil 'bringend, weiter und weiter aus, 


_ und so. sehen wir an der jetzigen Pflanzenwelt, das eine Ziel der 


Zur Genüge hervorgehen, dass diese Ausrüstungen an den mor- 


phologisch ‚verschiedensten Organen vorkommen. Wenn- irgend 


49 


ER 


-Vertheilung zeigen. In anderen Fällen sind die Deckblätter mit Be 


_ Rlebrigkeit versehen, wie bei Siegesbeckia, oder sie sind mit Haken 


nalis, Allionia, Cenchrus, Lappa, ET: aller. sie sind fleischig RE ER 
2. B. bei Phyllocladus. Bl \ = Br 


Endlich kann die ganze Pflanze an sich die Verbreitungs- - 


‚selten ist: bei ‚Asperugo procumbeus z. B. dienen die Haken, EAT 


_ welche die ganze Pflanze bedecken, dazu, um dieselbe inSüken = > à ; 4 u 


oder ganz den vorbeistreifenden Thieren anzuheften, während bei ee 
Anastatica hierochuntica und Lycopodium lepidophyllum die sinz 57 La 
Pflanze sich zu einem losen Knäuel bei Eintrocknung zusammen- | 
zieht, der leicht vom Wind nebst seinen Samen und Sporen auf 
. dem Erdboden weiter gerollt werden kann; auch lässt sich bei | 
manchen inländischen Pflanzen beobachten, dass sie, wenn abge- TeRi a m 
trocknet, mitsammt ihren Früchten bei starkem berg ausgerissen ; 
und fortbewegt werden. 

Aus dieser kurzen Uiit über die Theile der Pflanzen, À re 
an denen die zur Verbreitung der Samen und Früchte, also der $ Soir © d d 
Pflanzenarten. selbst, dienenden Ausrüstungen sich finden, dürfte | 


Verbreitung auf den verschiedensten Wegen, durch die Umwan- 
delung der verschiedensten Organe erreicht. 


Hildebrand n Verbreitungsmittel der Pflanzen. $ AR 


50 


Kapitel HI. 


Die "morphologisch verschiedenen Verbreitungsausrüstungen 
nach den auf sie wirkenden Agentien. — Specielle Darstellung. 


In den vorhergehenden beiden Abschnitten ist es versucht 
worden einen allgemeinen Ueberblick über die Verbreitungsmittel 
der Pflanzen zu geben und darüber, wie die Verbreitungsaus- 
` rüstungen an den verschiedensten Pflanzenorganen sich finden, 
wobei nicht unterlassen werden konnte einzelne Beispiele als Beleg 
des Gesagten anzuführen. Es wird nun.aber — wenn auch unter 
Gefahr des Vorwurfes von Wiederholungen — nöthig sein, genauer 
auf die Verbreitungsausrüstungen einzugehen und eine specielle 
Besprechung derselben zu geben, um dadurch das Material zu 
liefern, aus dem die vorhergehende allgemeine- Uebersicht zusam- 
mengestellt worden, und um auf einzelne besonders interessante 
Fälle näher aufmerksam zu machen. 

Wir haben gesehen, dass die verschiedenen Agentien bei der 
Pflanzenverbreitung der Wind, das Wasser, die Thiere und die 
Austrocknungsverhältnisse sind, und nach der Reihenfolge dieser 
Agentien scheint es nun am geeignetsten, die verschiedenen ihnen 
angepassten Einrichtungen zu besprechen, wobei dann diese wieder 
nach ihrer morphologischen Verschiedenheit einzutheilen sein 


"werden. 


Der Wind als Verbreitungsagens. 


Oben haben wir gesehen, dass bei der Verbreitung der Fort- 
 pflanzungsorgane der Gewächse durch den Wind dreierlei Dinge 
eine Rolle spielen, nämlich die Kleinheit und Leichtigkeit, dann 
das Vorkommen von flügelartigen Anhängen und endlich das Be- 
gabtsein mit haarigen oder federigen Ausrüstungen. 

Wenden wir uns zuerst zu den Fällen, wo die Verbreitbarkeit 
vermittelst des Windes durch die Kleinheit und Leichtigkeit 


der Fortpflanzungsorgane bedingt ist, so haben wir hier zwischen 


51 


Elek Wirkung einer sanften fast unmerklichen Bewegung der Tut 
und einer stärkeren, im eigentlichen Sinne des Wortes Wind zu 
_ nennenden, zu unterscheiden. Sollen die Samen und Brutkörper 


in einer fast bewegungslosen Luft sich verbreiten können, so 


müssen dieselben von einer sehr grossen Leichtigkeit sein, welche 
Leichtigkeit nun entweder durch eine sehr geringe Grösse oder 
| durch ein geringes specifisches Gewicht hervorgebracht wird. 


Unter den Phanerogamen finden wir nun kaum Beispiele, wo 


die von der Pflanze sich loslösenden Samen oder Früchte vermöge 
ihrer Kleinheit allein staubartig in der Luft eine Zeit lang schwe- 
bend sich erhalten können, hingegen sind derartige Fortpflanzungs- 

5 organe als Sporén und Brutzellen bei den in der Luft wachsenden 
= . Kryptogamen fast allgemein zu finden. Sowohl die Sporen der 
I Farnkräuter und Lycopodien, als die der Moose und Pilze sind 
23 > ‚durch Kleinheit meist so leicht, dass sie auch in einem Raume, 
= $ in welchem, wie z. B. in einem Warmhause ein besonders merk- 
licher Luftzug vermieden wird, sich schwebend überall hin ver- 
breiten, so dass man Mühe hat bei den Culturen anderer Pflanzen 


= sich der aus ihnen aufgehenden Gewächse zu erwehren, und es 
nicht’ leicht gelingt von einer Farnkrautspecies eine ganz reine 
"Aussaat zu erzielen, indem nicht nur auf dieser — was man übri- 
A = - gens durch Abschluss verhindern könnte — während die Sporen 
È — keimen, andere von anderen Arten hinzufliegen, sondern auch die 
$ E zur Aussaat verwendeten Sporen schon dadurch verunreinigt sind, 
dass auf die Wedel, an denen sie sich bildeten, zur Zeit dieser 
a Bildung von benachbarten Farnkräutern die Sporen herbeigeflogen. 
4 = = Wir schen hier also bei einem. Haupttheil der Kryptogamen — 
bei Moosen und Pilzen verhält sich die Sache ebenso — das ein- 
fachste Mittel zur Verbreitung angewendet, so dass alle com- 
plieirteren Verbreitungseinrichtungen den Phanerogamen ange- 
hören. Während nun bei diesen sich kaum Samen finden dürften, 
die, den Sporen der meisten Kryptogamen gleich, sich allein durch 


x $ 3 ‚die Kleinheit i in der Luft verbreiten, so haben wir Fälle zu ver- 


bi ie 


zeichnen, wo das specifische Gewicht der Samen, die allerdings 
En $ 5 x 4* Ä 


52 


zugleich auch ziemlich klein sind, ein so geringes ist, dass die- 


selben eine Zeit lang sich in ruhiger Luft suspendirt erhalten und 
dabei ringsumher verbreiten können. Dies Verhältniss findet sich 
bei vielen Orchideen und vielleicht bei allen Gliedern dieser 
grossen Familie. Der kugelige oder elliptische solide Körper 
dieser Samen, Fig. 1 a, ist von einer häutigen Hülle ümgeben, 
die meist etwas in die Länge gestreckt ist, und ihn zur Reifezeit 
ganz lose umgiebt, wodurch ein sehr geringes specifisches Gewicht 
‚hervorgebracht wird. In ähnlicher Weise wird auch noch bei den 
Samen anderer Pflanzen das specifische Gewicht verringert, doch 
meistentheils nicht in dem Maasse wie bei den Orchideen, so dass 
die Samen nicht leicht in ruhiger Luft suspendirt bleiben, sondern 
zu den sogleich zu besprechenden Fällen gehören, wo ein stärkerer 
Luftzug die Verbreitung bewerkstelligt. ° Als hierher gehörig sind 
zu nennen: die Samen von Pyrola, Monotropa, Ledum, Philadel- 
phus, Deutzia, Nepenthes, Parnassia, Drosera und Aragoa. 

Für eine Verbreitung durch mehr bewegte Luft sind nun eine 
sehr grosse Anzahl von Samen, seltener von Früchten, der Pha- 
nerogamen durch geringe Grösse in sehr einfacher Weise geeignet, 
so dass sie schon bei der Einwirkung eines nicht sehr starken 
Windes in vielen Fällen im Umkreise von einigen Schritten um- 
hérgestreut werden ‘können. 'Es sind nun, wie schon erwähnt 
worden, ganz’ besondere Vorkehrungen getroffen, dass derartige 
Samen nicht bei ganz ruhiger Luft von dem Orte ihrer Entstehung 
durch einfachen Fall sich entfernen können,. sondern dass die- 
selben bei mehr oder weniger starker durch den Wind verur- 
sachter Bewegung der Mutterpflanze oder ihrer Theile von dieser 
fortbewegt werden, wodurch eben ihre Verbreitung ringsumher 
gesichert erscheint. Derartige Vorrichtungen bestehen besonders 
in einer gewissen Lage der Kapselfrüchte und in einer bestimmten 


Art ihres Oeffnens, auf welchen Punct näher einzugehen wir bis 


zur Zusammenstellung der vortheilhaften Verhältnisse bei den 


Verbreitungseinrichtungen versparen wollen. 


Da ja ein Same meist kleiner sein wird, als eine Frucht, die, 


Fa 


53 
vergrössert, so konnte man im Voraus vermuthen, dass es haupt- 


` Kleinheit durch den Wind verbreitet werden, seltener Früchte. 
Von solchen Samen giebt es nun eine ganze Reihe zu verzeichnen 
und es sind einzelne Familien ganz oder doch zum grössten Theil 
e mit ihnen ausgestattet. Hierher gehören die Scrophularineen, 


- Crassulaceen, Lythrarieen, Begoniaceen, Campanulaceen, Orobancheen, 


_ Lobeliaceen, Hydroleaceen, Oistaceen, sehr viele Myrtaceen, Caryo- 


 phylieen, Melastomaceen, Gentianeen, Papaveraceen, Saxifrageen 
und eine ganze Reihe von Gattungen anderer Familien, die alle 
zu nennen kaum möglich sein würde. Seltener sind, wie gesagt, 
Früchte, , die in ihrer Ganzheit oder in den einzelnen Stücken, 
in welche sie bei der Reife zerfallen, so klein sind, um uk 
vermöge dieser Kleinheit vom Winde verbreitet zu werden, und 


' wir können hier wieder nóch einen Unterschied machen ae 


8 den letzteren mehrere Umbelliferen, z. B. die Theilfrüchte von 
Bi Apium, Bupleurum, Ammi, Pimpinella, ferner einige Compositen, 


2,8% Eine grössere Mannigfaltigkeit der Verbreitungsausrüstung, 
Als die, welche einfach in der Kleinheit und Leichtigkeit ‚der Fort- 


_ Pflanzungsorgane liegt, finden wir in > zweiten Falle, wo die 


ee vermöge der ER a 
7 ii E, l ! 


z 


ooa a i RN Rügelanhände 


3 Bi geschieht, welche an den verschiedensten Theilen der Samen, 
o Früchte und ihrer Umgebung und in der verschiedensten Form 
4 & auftreten. 

Fi. 0 Bei den Samen ist die N aber nicht sehr ak Art 


=o einer Flügeleinrichtung die, dass der ice Körper derselben flach 


selbst wenn sie einsamig ist, immer durch ihre Wand den Samen 


sächlich nur Samen sein würden, die einfach vermöge ihrer 


E: solchen Früchten, die nur aus dem Fruchtknoten der Blüthe ent- 
standen, und solchen, an denen noch andere Organe bei der 
Bildung Theil genommen haben. Zu den ersteren gehören die 


Früchte von Urtica, einiger Malvaceen und vieler Labiaten, zu 


~. Zz, B. die Früchte von_Artemisia, Bellis, Matricaria und andere. 


+ 


5 


Xi 


NETTE 


Eee 


FE, 


54 


gedrückt ist, so dass sich der Wind leicht hinter ihn setzen kann 


und er einem Fallschirm gleich langsamer zu Boden gelangt. Es 
gehören hierher die Samen von verschiedenen Iris-Arten, von Aloe 
und Lilium, besonders aber die von Tulipa. Schon häufiger sind die 


Fälle, wo der mehr oder weniger flach gedrückte Same ringsum von 


einem membranösen Rande von verschiedener Breite umzogen ist, 
welcher dessen Umfang um ein bedeutendes vergrössert, ohne sein 
Gewicht in bemerkenswerther Weise zu erhöhen und durch welche 
Einrichtung gleichfalls die Samen, da sie mit grosser Fläche ver- 
sehen auch einen grossen Gegendruck der Luft zu überwinden 
haben, nur langsam zu Boden fallen, und auf diesem Wege also 
länger der Wirkung des Windes ausgesetzt sind. Hierher gehören 
die Samen mehrerer Oruciferen z. B. von Alyssum montanum, Fars 
setia clypeata, Fig. 1 b, Lunaria biennis, _Platyspermum Bei 
unter den ZLiliaceen von Lilium candidum, Scilla maritima, Aloe 
margaritifera; ferner von Veratrum, Cinchona, Syringa, Linaria 
vulgaris, Azalea pontica, Swertia perennis, Gentiana‘ lutea, Nigella 
orientalis, Cobaea scandens, Lophospermum scandens, Danais fra- 
grans, Fig. 1 c, Eceremocarpus, Jacaranda und vielen anderen. — 
Einen Kranz von kleinen Flügeln riagpum zeigt der Same von 
Heliosperma alpestre. | 

Weiter haben wir eine Reihe von Samen, die an einem Ende 
in einen Flügel von membranöser Structur ausgehen, der eime 
etwas schiefe Gestalt hat, wodurch bewirkt wird, dass der ganze 
Same bei seinem Falle sich, mit dem schweren flügellosen Theile 
nach unten gerichtet, im Wirbel herumdrelit und so einen Weg 
zurücklegt, welcher den um ein mehrfaches übertrifft, welchen er 
ohne Flügelanhang gemacht haben würde, so dass hierdurch der 
Same längere Zeit der Wirkung des Windes ausgesetzt bleibt. 
Solche Samen finden sich unter anderen bei Banksia, Fig. 1 d, 
Dryandra, ferner bei Casuarina, Cedrela, Swietenia Mahagoni, 
Conchium, Knightia, Tromsdorfia ( G'esneriacee), Pterygota (Stereu- 
liacee), Laplacea, Gordonia ( Ternstroemiačeen), Diplusodon (Lythra- 


riee), Kageneckia, Quillaia, Vauquellinia (Rosacee) etc. 


\ 


EEE 55 

Eine besonders wirksame Flugmaschine wird bei einigen BER 
Samen durch zwei grosse membranöse Flügel hervorgebracht, die 
in einzelnen Fällen bewirken, dass der Same. schmetterlingsartig 


bei ganz beweeunesloser Luft im Zimmer entweder in genei ter ` 
> F 


Fig. 1, a Same einer Orchidee (Dendrobium nobile), b von Farsetia clypeata, 
= c von Danais fragrans, d von Banksia conchifera, e von Bignonia muricata. 
= a, b, e vergrössert, d natürliche Grösse, . ; 


‚gerader Linie oder in kreisender Bewegung ganz langsam zum 
Boden hingleitet. Sehr schön ist dies bei einigen Arten von Big- 
T zoaz B. bei Bignonia muricata, Fig. 1 e, zu beobachten, "doch 
kommt diese Einrichtung auch noch bei anderen Bignoniaceen z. B. 
bei Tecoma australis und Catalpa bignonioides, ferner bei den | 


Ternstroemiaceen-Gattungen Kielmeyeria und Mahurea vor. 


Dreiflügelig sind die Samen von Moringa pterygosperma, wäh- 
I rend bei Cimicifuga foetida der Same ganz mit kleinen Flügel- 
= Pe: schuppen bedeckt ist. u, 


RETTET G 


56 


Schliesslich müssen wir hier noch der flügelig schwammigen 


Samen einiger Arten von Aristolochia, z. B. von A. Sipho gedenken: 
hier löst sich nämlich der Same bei seiner Reife in der Richtung | 
seiner breiten Fläche in zwei Theile auseinander, den einen dün- 
neren, welcher den Embryo mit dem Sameneiweiss enthält, und 
den anderen dickeren schwammigen, der aus der Raphe der Samen- 
knospe entstanden; beide Theile bleiben untereinander an dem 
Chalazaende in Verbindung und an dieser Stelle bleibt auch ein 
Theil der membranösen inneren Schicht des Fruchtknotens haften, 
so dass wir hier einen sehr komplicirt entstandenen Flugapparat 
haben, gebildet aus einem flachen Samentheil, aus einem anderen 
schwammigen und aus der Innenwand des Fruchtknotens. 


Weiter tritt die Flügelausrüstung an der, unmittelbaren Um- 


.gebung der Samen, die aus der Fruchtknotenwand entstanden 


in einer Mannigfaltigkeit auf, welche die so eben an den Samen 
beschriebene noch übertrifft. Auch hier haben wir eine ganze 
Reihe von Fällen, : wo die Frucht rings von einem membranösen 
Flügel umzogen ist, wo wir dann noch wieder insofern einen 


Unterschied finden, als dieser Flügel in den einen Fällen in der 


"Richtung von der Fruchtbasis zur Fruchtspitze verläuft, während 


er in den anderen selteneren Fällen eine horizontale Richtung hat. 
Einen längsgestellten Flügelrand finden- wir an den Früchten 
mehrerer Oruciferen z. B. von Peltaria, Olypeola Jonthlapsi, Isatis 


tinctoria, ferner bei den Papihionaceen : Pocockia. cretica und Tri- 


gonella platycarpa, weiter bei Anemone narcissiflora, Corispermum 


hyssopifolium, Pterocarpus hemiptera, Ozyria, Ulmus und Ptelea 
trifoliata, Fig. 2 a. Eine sichelförmig gebogene Flügelhülse hat 


Medicago nummularia, kahnförmig von oben nach unten gebogen 


ist die Frucht. von Aethionema` heterocarpum. Einen horizontal 


verlaufenden Flügel besitzt die Frucht von . Paliurus australis, 


Fig. 2b, und Paliurus aculeatus, ferner von Cycloloma platy- 


phyllum, und an den Theilfrüchten von Omphalodes linifolia ist 


dieser horizontale Rand, wie bekannt, wulstig nach innen umge- 


bogen, wodurch ein halbkugeliger innen hohler Körper entsteht. 


o7 


` 


Einen besonders interessanten Fall bieten endlich. einige Eid 


Iyna-Arten z. B. Commelyna coelestis und tuberosa, wo die Kapsel 


beim Aufspringen aus zwei Fächern die Samen entlässt, während 


im dritten Fache der Same eingeschlossen bleibt und um ihn die 
Hälften der beiden anderen Fächer einen Flügelrand bilden. 
Einfach platt gedrückte Früchte ohne Flügelrand scheinen nur 
selten vorzukommen, wir finden sie z. B. bei Hedysarum alpinum 
und obscurum und bei Desmodium australe, wo die Hülse zur 
Reifezeit sich in linsenförmige Glieder auflöst. 


Gehen. wir weiter zu den Früchten über, die nicht rings ge- 


 fügelt sind, sondern ein bis mehrere verschieden gestellte Flügel 
besitzen, so haben wir hier für das Allgemeine den Umstand zu 


; berücksichtigen, dass die Zahl der Flügel, wie sie an der ganzen 


Frucht sich findet, nicht immer derjenigen entspricht, welche die sich 


loslösenden Theile besitzen, indem z. B. eine mehrflügelige Frucht 


bei ihrer Reife in mehrere einflügelige Theile zerfallen kann. Die 
i einflügeligen Früchte (nicht Theilfrüchte) kommen im Ganzen 


Be nicht sehr häufig vor: wir finden sie z: B. bei Frazinus, Fig. 2 6, 


Ventilago, Liriodendron, Securidaca und Raiamia. Bei allen diesen 
fällt die ganze einsamige Frucht ab und wird so hinweggeführt, 
während bei einigen einflügeligen Begonia-Arten die Kapsel sitzen | 
bleibt, und der Flügel hier dazu dient, dass ‚dieselbe vom Wind | 


fin und hergeschwenkt wird und dabei. die zahlreichen kleinen 


Samen herausfliegen. 


. Zu den einflügeligen Früchten könnte man, wenn man den. 


neueren von STRASSBURGER vertretenen Anschauungen folgen will, 
auch die vieler Coniferen rechnen, z. B. von vielen Pinus-Aıten, 
von Abies, Picea und anderen. Hier ist aber nicht der Flügel ein 
= einfach aus der Frucht hervorgewachsenes Organ, sondern. dadurch 


entstanden, ‚dass bei dem Loslösen der Frucht sich, mit ihr im 


Zusammenhang bleibend, die oberen nicht verdickten Zellschichten 
der Fruchtschuppen loslösen !), so dass wir diesen Fall eigentlich 


1) STRASSBURGER, Die Coniferen p. 54. 


Y 


58 


bei denen aufzuführen hätten, wo die Flügeleinrichtung durch 
Deckblätter gebildet wird. 
Bei den zweiflügeligen Früchten, deren Flügel in Anhängen 
des Fruchtknotens bestehen, finden wir entweder ein Auseinander- 
. fallen in zwei einflügelige Theile oder nicht, und sehen dann bei 
den ersteren wieder insofern einen Unterschied, als in den einen 


Fällen die einsamigen, einflügeligen Theile sich nicht öffnen, wie 


Fig. 2. a Frucht von Ptelea trifoliata, b. von. Paliurus aculeatus (1 von der 
Seite, 2 von oben), c von Fraxinus excelsior, d von Acer platanoides, e von 
Betula alba, f von Tripteris cheiranthifolia, g von Halesia tetraptera, h Theil- 
frucht einer Malpighiacee. e und f vergrössert. 3 


t 


FR 


/ 


en Dy ; 3 


\ 


= den Acerineen, Fig 2 di und Biscutella, oder wo diese ein- 


 flügeligen Stücke, wenn sie mehrsamig sind, sich öffnen und die 


Samen entlassen, z. B. bei Thlaspi, Iberis und Aethionema. Solche 
zweiflügeligen Früchte, die nicht in Theile zerfallen, finden wir bei 
Betula, Fig. 2 e, Alnus viridis und Ozyria elatior ; zweiflügelige 
aus unterständigen Fruchtknoten gebildete Früchte finden sich bei 
en Umbelli iferen und Oompositen : unter. den ersteren bei Hassel- 
quistia cordata, Thommasinia verticillaris, Imperatoria Ostruthium, 
Thapsia villosa, von den letzteren bei Anacyclus,  Actinomeris, Sal- 


phium, Zinnia etc. ; ' ; f ! 
Von den dreiflügeligen Früchten lank, sich ein Theil W der 


; Reife nicht in Theilfrüchte auf, z. B. bei Rheum, mehreren Poly- 


: gonum-Arten, Thalictrum aquilegifolium, so wie bei der unterstän- 


digen dereiflügeligen Frucht von Tripteris, Fig. 2 f, und in diesen 
Fällen ist die Frucht einsamig und bleibt ‚geschlossen. In anderen 
-Fällen hingegen, wo sie mehrsamig ist, löst sie sich. zur Reifezeit 
entweder in drei zweiflügelige i in sich geschlossen bleibende Stücke 
von einander z. B. bei Gouania und Retinaria, oder in drei ein- 
flügelige, wie bei Urvillea, Seriania, Thowinia. ma gank 


Selten sind vierflügelige Früchte; sie kommen vor sel Halesia, 


Fig. IE  Spathelia, Combretum, Tetrapterygium, Reisseckia und 2 


Roepera. Fünfflügelig sind sie bei Pentaptera, Chuncoa und Pour- 
retia, wo die Frucht nicht in Theile zerfällt, während sie sich bei - 
Seringia in fünf. einflügelige Stücke auflöst. Sechsflügelige Früchte 


werden von Hexaptera einer Crucifere angegeben, und eine noch 


grössere Anzahl findet sich bei vielen Malpighiaceen, Fig. 2 h. 
Eine neunflügelige in drei dreiflügelige Theile zerfallende Frucht 
‚haben wir bei Tripterococeus und Triopteris. Eine aus unter- 
neen Fruchtknoten entstandene mit zahlreichen Flügelschuppen 
 bedeckte Frucht findet sich endlich da Brong z. B. bei BUT 
gium planum. l : 

Es scheint hier die geeignetste Stelle derjenigen Früchte noch 
Erwähnung zu thun, die aus einem Fruchtknoten gebildet sind, 


. der bei dem Heranwachsen zur Frucht blasig geworden, also 


-60 


genau genommen, nicht mit Flügelanhängen verseheħ ist. Solche 


blasigen Früchte dienen nun in den Fällen, wo sie bekannt gewor- 
den, nicht in ‘der Weise zur Verbreitung der in ihnen enthaltenen 
Samen, dass sie vom Winde in ihrer Ganzheit hinweggeweht wer- 
den, vielmehr öffnen sie sich in verschiedener Weise, so dass nun 
die in ihnen befindlichen Samen, bei den Schwankungen, welche 
die ganzen Früchte erleiden, hinausgeschleudert werden. Derartige 
Blasenfrüchte finden wir nun in den verschiedensten Familien, 
z. B. bei Staphylea, Colutea, Oysticapnus, Cardiospermum, Koel- 
reutera, Nigella damascena’), auch bei einer Oueurbitacee, nämlich 
Echinocystis lobota, wo die wallnussgrossen Früchte, an der Pflanze 
hängen bleibend, abtrocknen, dabei leichter werden, und sich end- 
lich an ihrem Gipfel öffnen, wobei die Samen aber nicht direct 
herausfallen, sondern erst bei der Einwirkung des Windes von 
Ihrer Basis losgerissen und hinausgeschleudert werden. Ein Fall 
von einer schwammigen sitzenbleibenden Kapsel die mit. Längs- 
rissen- sich öffnet und beim Winde die in ihr zahlreich enthaltenen 
Samen entlässt, kommt vor bei Blumenbachia ; von solchen schwam- 
migen Früchten hingegen, die sich nicht öffnen und dabei ein- 
samig sind, haben wir diejenigen von Atriplex inflata za nennen. 

Kommen wir zu der Frage, ob der Griff el wohl zu einem 
flügeligen Anhange an der Frucht ausgebildet erscheint, so müssen 
wir dieselbe verneinen, während wir einige Beispiele von der, bei 
der meistentheils stattfindenden Hinfälligkeit der Blumenkrone 
unerwarteten Erscheinung haben, dass diese Blumenkrone an 
der Frucht als flügelige Verbreitungsausrüstung auftritt, und zwar 
unter sehr verschiedener Form. Bei Melampodium paludosum ?) 
hat die Blumenkrone der randständigen weiblichen allein frucht- 
tragenden Blüthen eine elliptische Gestalt, und bildet später, an 


der Spitze des Fruchtknotens stehen bleibend, einen nach einer 


1) ROEPER (in DE CANDOLLE’s Pflanzenphysiologie II p. 249) nennt noch 
ferner: Leontice nn Ph ysisphora, Ster psk Anchietea und Colchicum. , 
2) Bot. Zeitung 1872 p. 


Seite gerichteten, also schiefen Flügelanhang, durch welchen die 
Frucht in ihrem Falle aufgehalten ‚wird, wobei sie vom Winde 


erfasst und eine Strecke weit fortgeführt werden kann. Etwas 


ähnliches scheint bei Schkuhria abrotanordes vorzukommen. Bei 
. Trifolium- _Badium). 1) bleibt; gleichfalls He  mehrtblättrige Blumen- 
krone am Grunde mit der reifen Frucht in Vereinigung, und das 
Vexillum bildet an dieser einen kahnartigen membranösen Flügel, 
der ‚einestheils als solcher dient, anderentheils im Verein mit den 


"hr abgetrockneten Blumenblättern das specifische Gevi 


der ganzen aus den Fruchtköpfchen sich loslösenden Frucht be- 


 deutend verringert. — Bei Cephalophora aromatica bildet die 
- blasige oben offene Blumenkrone an dem reifen Achänium die 
Flugmaschine und einen gleichen Zweck erfüllt bei Adlumia 


cirrhosa die ne Blumenkrone; ferner bleibt bei Abronia 


3 umbellata der untere Theil der Blumenkrone (Perigon), welcher 


die einsamige Frucht einschliesst, stehen und bildet um diese eine 
ziemlich eng anliegende vierflügelige Hülle. Besonders interessant 
ist aber die Flugeinrichtung bei Melanorrhoea usitata, Fig. 3 a, 
wo ein und derselbe Theil, die Blumenkrone, anfangs zum An- 
locken der Insekten, später zur., Samenverbreitung dient. Bei dieser 
interessanten Pflanze, von der WALLICH % einen Blüthenstand und 
eine Frucht abbildet, ist der Kelch fünfblätterig und hinfällig, auf 


. Ihn folgt in der Blüthe eine fünf- bis sechsblätterige Blumenkrone, 


deren einzelne grosse lanzettliche Blätter schön roth gefärbt sind. 


Diese Blüthenblätter fallen nun nicht ab, sondern bleiben, indem 


‚sie sich bräunen und membranös werden, stehen und tragen im 


Centrum des Fallschirmes, den sie bilden, die einsamige an sich 


"schwere Frucht, welche aber wegen dieses Fallschirmes sowohl: 


langsam zu Boden fällt, als auf diesem Wege leicht vom Winde 


um ein Bedeutendes vom senkrechten Fall abgelenkt werden kann. 


5 = Be der ‚Abbildung ‚von GAERTNER ?) scheint auch bei Dais 


4), KERNER 1. c. p: 158. ; 
2) WALLICH, Plantae asiatjcae, rariores Tab. 12. ; Se £ 
3) GAERTNER, erpomgin Tab. 39. 


62 


cotinifolia die Blumenkrone als Flugmaschine für die -Frucht zu 
j 


dienen. 


Wie zu erwarten stand finden wir häufiger an dem Kelch 


; Fig. 

Fig. 3. a.Frucht von Melanorrhoea usitata (nach Waruich), b von Salvia 

aurea; c von Sphenogyne speciosa, d von Polygala virgata (s Same), e von Lind- 

heimera texana, f von Oxybaphus floribundus, g von Tilia parvifolia, h von Car- 
pinus Betulus, e vergrössert. | 


4 


S 


= eine der Frucht zum Fliegen dienende Einrichtung, bei deren 
Besprechung wir die schon vorher erwähnten Fälle auslassen 
wollen, wo dieser Kelch nicht an seiner ganzen Innenseite frei 
ist, sondern mit dem sogenannten unterständigen Fruchtknoten 
verwachsen. Auch hier finden wir wieder die verschiedensten 
Formen der Flügeleinrichtung, von denen die häufigste die fall- 
schirmartige ist. Ein solcher Fallschirm "kann aus einem ein- 
Morgen Kelch gebildet sein, wie solches bei Statice und Armeria 
so wie bei Valerianella discoidea 1) der Fall ist. Besonders inter- 
- essant und gross ist aber ein derartiger Fallschirm bei Salvia aurea, 
Fig. 3 b, wo durch seine Wirkung die Früchte ganz langsam zur 
Erde gleiten. Eine andere Form des Fallschirms wird dadurch 
gebildet, dass die freien Zipfel des Kelches membranös sind, und 
= sich radförmig ausbreiten, wie dies bei mehreren Compositen ge- 
= schieht, z; B. bei Sphenogyne speciosa, Fig. 3 c, Ohardinia zeran- 
themoides, Achyropappus, in kleinerem Maassstabe bei Catananche, 
Ageratum conyzoides, Xeranthemum, ‚ Gaillardia und anderen. Eine 
dritte Fallschirmbildung ist die Wi Salsola vorkommende, wo die 
fünf Perigonalblätter nach der Blüthe auf der Mitte ihres Rückens Fr AS 
= $ einen horizontal stehenden membranösen Flügel entwickeln, wäh- | 
| rend ihre obere und untere Hälfte um den Fruchtknoten zusam- 
_ menschliesst, so dass dieser von einer aus verschieden grossen. 
Flügeln gebildeten horizontal. stehenden Membran umgeben ist. 
er anderen Fällen bilden nur einzelne Theile des Kelches die 
Flügeleinrichtung. Bei Musaenda findas ist bei zwei Blüthen 
-des -fünfblüthigen Blüthenstandes einer der fünf Kelchzipfel zu . 


: einem grossen Flügel ausgebildet, während die anderen phriemlich 
sind. Bei Polygala virgata, Fig. 3 d, und myrtifolia sind es von 
den fünf Kelchblättern jeder Blüthe zwei, welche die Form von 
Flügeln haben, ebenso bei Gyrocarpus Jacquini?). Bei Dufresnea®) 
ist der Fruchtkelch dreiflügelig, bei Tetraglochin vierflügelig. 
. 1) ROEPER 1. p p. 218. 


TE o 2) GAERTNER 10 Tab. 9. E 
E 3) RoEPER l. c. IL p. 218. = 


64 


Auch dadurch, dass der Kelch blasig wird, dient er in einigen 
Fällen ‚als Flugmaschine, so bei Trifolium fragiferum, Valerianella 
vesicaria und Physalis Alkekengi‘). Schwammig ist der Frucht- 
kelch bei Margyricarpus setosus. 

Bei allen besprochenen Flügelkelchen ist nun die Einrichtung 
so, dass die Früchte in Verbindung mit denselben sich loslösen 
und so fortgeführt werden; es giebt aber auch einige derartige 
Fälle, wo der Flügelkelch nur als Windfang dient, indem der Wind 
sich hinter seine grosse Fläche setzt und in dieser Weise die 
Früchte mit ihm hin und her geschwenkt werden, wobei sie 
schliesslich herausfallen und fortgeschleudert werden. Diesen Zweck 
erfüllen die Kelche, wie es scheint, bei vielen Zabiaten, z. B. bei 
Molucella, ferner bei Rhinanthus, Malope malacoides und trifida, 
Hibiscus Trionum und wahrscheinlich noch in manchem anderen 
Falle. | | 

Wenden wir uns nunmehr zu den flügelbildenden Deck- 
blättern, so können wir dieselben in solche theilen, welche an 
einer einzelnen Blüthe und Frucht sitzen, und in solche, welche 
einem ganzen Fruchtstande gemeinsam angehören, und haben dann 
wieder verschiedene Formen derselben zu verzeichnen. Bei denen 
an einzelner Frucht befestigten haben wir zuerst solche, die einen 
‚einseitig am Grunde der Frucht befestigten Flügel bilden, dem 
Ä jene so eng anliegt, dass wir ganz dieselbe Wirkung erreicht sehen, 
als ob der Fruchtknöten mit einem Flügelrande umgeben wäre. 
Diesen Fall finden wir vorzugsweise bei Dahlia und Lindheimera 
texana, Fig. 3.e, während bei Patrinia heterophylla das flügelige 
Deckblatt nicht eng der Frucht anliegt, sondern etwas von ihr 
absteht. Bei Briza ist die untere Spelze von kahnartiger Gestalt, 
während das Involuerum bei Oxybaphus floribundus , FE gA 
einen membranösen leichten Fallschirm darstellt, auf. dessen Mitte 
die Frucht befestigt ist, welche in dieser Weise langsam zu Boden 


schwebt. Bei Moscharia pinnatifida sitzen die Achänien einzeln in 


1) A. P. DE CANDOLLE 1. eH p. 235. 


65 


\ 


einer plattgedrückten Hülse, die von einem Involucralblatt gebildet z 
# wird, und in ähnlicher Weise haben wir bei vielen Gräsern, z. B. 
f = bei Poa, Dactylis, Holcus, Phalaris, die Früchte von den flach 


gedrückten Spelzen lose eingeschlossen und so der Verbreitung 


durch den Wind angepasst. Auch solche Bildung von Deckblättern 
kommt vor, wo diese die Frucht als eine weite Blase umgeben 
4 Eo und sie so zum Fliegen geschickt machen, nämlich bei Ostrya, 


und hierher scheinen auch die Früchte von einer Convolvulaceen- 


Gattung, nämlich Neuropeltis zu gehören, von welchen angegeben _ 
wird, dass sie von einer nach der Blüthe sich vergrössernden 
Braktee eingeschlossen seien. 

In den Fällen, wo das Deckblatt einem ganzen Blüthen- und 
Fruchtstande ansitzend ein Flugorgan bildet, finden wir dasselbe 
meist unter der Form eines seitlichen Flügels, welcher bewirkt, 
dass die Früchte, im Wirbel sich drehend, langsam zu Boden fallen. 
Das bekannteste hierhergehörige Beispiel dürfte sich bei Tila, 
Fig. 3 g, finden, wo diese Flugmaschine derartig ist, dass DEL- 
PINO t) eine vor ihm herfliegende Lindenfrucht für einen Schmetter- 
ling halten konnte. Aehnlich ist die Flugeinrichtung bei  Bugain 
villea spectabilis. Bei Humulus Lupulus sind je zwei Früchte am 
Grunde eines kahnartigen Deckblattes befestigt und bei Carpinus. 
Betulus, Fig. 3 h, ist dieses Deckblatt am Rande eingeschlitzt. 
Einen F allschirm, in dessen Mitte mehrere Früchte befestigt sind, 


bildet das Involucrum bei mehreren Arten ‚von Ozybaphus z. B. a 


_ von Ozxybaphus Cervantesi. 
O ea Einen Rückblick -auf die Form der so eben besprochenen 


Flügeleinrichtungen dürfen wir, da eine Uebersicht “über dieselben 


schon oben gegeben, wohl unterlassen um Wiederholungen zu 


vermeiden, nur dies wollen wir anführen, dass die Flügelanhänge 
an Samen oder Früchten in verschiedener Weise wirksam sein- 
können. Sie verhindern nämlich die Körper, an denen sie be- 
festigt sind, schnell zu Boden zu fallen, und bewirken hierdurch, 


1) Derpino, Biologia p. 7. 
Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 5 


Be 7 — aeg WR ee nn rn ———e a ES 


66 


dass die Zeit, in welcher der Wind auf sie von der Seite her 
wirken kann, bedeutend verlängert wird. In selteneren Fällen 
dienen sie nur als Windfang, d. h. dazu, dass die Theile, an 
denen sie sitzen, wenn sie in Verbindung mit der ganzen Pflanze 
bleiben, durch die Wirkung des Windes hin und her schwanken, 
wobei die Samen oder Früchte herausgeschleudert werden. 


In ganz ähnlicher Weise, wie die flügeligen, leisten nun 


die haarigen und federigen Anhänge 


der Samen oder ihrer Umgebung einen grossen Dienst bei der 
Verbreitung sehr vieler Gewächse, und auch hier sehen wir die 
grösste Mannigfaltigkeit, sowohl in der Form dieser Anhänge, als 
in der Verschiedenheit der Pflanzentheile, an denen sie vorkommen. 

Wenden wir uns zuerst zu den Samen an denen derartige 
Anhänge sich finden, so haben wir hier im Allgemeinen drei ver- 
schiedene Formen, in denen dieselben erscheinen zu unterscheiden: 
nämlich als ganze haarige Bedeckung derselben, als Haarschöpfe 
und als vereinzelt stehende Haare 1). 

Der erste Fall ist nicht gerade häufig und das auffallendste 
und bekannteste_ Beispiel dürfte die Gattung Gossypium liefern, 
deren dicht den Samen bedeckende Haare als Baumwolle eine so 
wichtige Rolle spielen. Diese Haarbekleidung der Samen ist nicht 
erst, wie so viele an Culturpflanzen sich findende Eigenschaften, 
dadurch ausgebildet, dass sie dem Menschen nützlich wurde, son- 
dern ist in der Wildniss entstanden, weil sie der Pflanze selbst 
durch Beförderung ihrer Verbreitung einen Vortheil brachte. 
Weitere Fälle von Samen, die dicht mit mehr oder weniger langen 
Haaren bedeckt sind finden wir bei Ceiba pentandra, Fig. 4 &, 
Wachendorfia thyrsiflora, Reaumuria, Eichwaldia, Wittelsbachia 


insignis?) und bei den Stereuliaceen-Gattungen : Chorisia, Bombaz, 


1) Man vergleiche auch das Nähere : Bot. Zeitung 1872 p. 233. 
2) MARTIUS nova genera Tab. 55. 


r 


T 
Eriotheca, Ochroma, Eriodendron, ferner bei den Malvaceen Fugosia 
und Serraea. ; | 

Bei weitem der häufigste Fall ist derjenige, wo die er mit 
Haarschöpfen versehen sind, die nun weitere grosse Verschieden- 
heiten zeigen in dem Orte, welchen sie an dem Samen einnehmen 
und wo sie an demselben ‘entstanden 1), An der Basis des Samens, 
vom funiculus entspringend, finden sie sich hauptsächlich bei Saliz,, 


Fig. 4 b, und Populus, und sind von dieser Basis her aufwärts 


gerichtet, so dass sie den Samen ganz einhüllen und bei ihrer 


bedeutenden Länge weit überragen. Durch diese ausgezeichnete 
Flugmaschine werden auch die Samen der Weiden und Pappeln 
sehr weit hinweggeführt, was z. B. daraus hervorgeht, dass auf 


einem Moore an der pommer’schen Küste Pflanzen von Populus 


-< tremula aufschlugen, wozu die Samen nur von den in einer Ent- 


fernung von '/, Meile stehenden Zitterpappeln herrühren konnten. 


— Bei einer von Frırz Mürter in Brasilien gefundenen Convol- 
vulacee, Fig. 4 c, geht der Haarschopf zwar von der Basis des 


Samens aus, erstreckt sich aber an demselben noch eine bedeu- 


-tende Strecke in zwei Linien weiter hinauf, so dass der Same wie 


mit einem senkrecht stehenden Haarkranz eingefasst erscheint. 
Auch bei Guzmannia bicolor, Fig. 4 d, bildet sich der Haarschopf 
an der Basis des Samens aus, dieser Same hat aber dann noch 
eine fadenförmige Verlängerung zwischen Haarschopf und seinem 


den Embryo enthaltenden Hauptkörper, so dass diese Samen den 


- mit haarigem Pappus versehenen Compositenfrüchten gleichen, und 


auch wie diese fliegen, nämlich mit dem Haarschopf nach oben 
gerichtet, also umgekehrt, als sie entstanden. Aehnlich wie bei 
Guzmannia scheint das. Verhältniss bei Tillandsia und Caragnata | 
zu sein. Bei Rozbur ghia ist der Same unterhalb seines Haar- 
schopfes fadig verlängert, so dass er an diesem Faden aus der 


geöffneten Kapsel heraushängt, bis er bald vom Winde losgerissen 
wird. ar GA 


1) Das Nähere in Bot. Zeitung 1873 p. 235. 
; i 54 


Ger EE EEPE OPENT m m on a m u E 


68 


Weiter haben wir solche Fälle, wo der Samenschopf sich an 
der Micropyle der Samenknospen ausbildet, wie dies z.B. bei den 


Asclepiadeen und vielen Apocyneen (Nerium, Apocynum) geschieht, 


ES A 
N 


CÈ 


Fig. 4. 


Fig. 4. a Same von Ceiba pentandra (nach GAERTNER), b von Salix, e von 
einer brasilianischen Convolvulacee, d von Guzmannia bicolor, e von Aeschinan- 
thus atropurpureus, f von Epilobium hir sutum, g von ee germanica, 
h von Hibiscus syriacus, i von Aeschinanthus speciosus. b, d, f, 9, h vergrössert. 


x 


69 


ferner auch noch bei 4eschinanthus atropurpureus, Fig. 4 e, wo 
ausser diesem Haarschopf an der Micropyle noch ein einzelnes 
Haar an dem entgegengesetzten Ende des Samens sich findet. 
Allein. an dieser Stelle, nämlich dem Hagelfleck ( Chalaza) der 
anatropen Samenknospen , bildet sich der Haarschopf bei den 
Weidenröschen (Epilobium), Fig. 4 f, aus, ferner bei Ertospermum, 
wahrscheinlich auch bei Hillia longiflora und Renealmia pendula. 
Besonders interessant ist er aber bei den Myricaceen, z: B. bei 
Tamariz, Myricaria, Fig. 4 g, und Trichaurus, wo das Chalaza- 
ende der Samenknospe in eine Verlängerung ausläuft, die ganz 


mit später abstehenden Haaren sich bedeckt und wodurch der 


Same ‚derartig von der Luft getragen wird, dass er, wenn diese 


ganz still ist, sich lange Z eit schwebend in ihr erhält und der 
geringste Luftzug ihn sogleich fortbewegt. Wie es scheint gleich- 
mässig an beiden Enden des Samens findet sich ein Haarschopf 


bei Alstonia, während bei Hibiscus syriacus, Fig. 4 h, der ganze 


Same an seiner schärferen Umrandung mit einem Kranz von 


Haaren bekleidet ist. l 
Endlich ist der Fall nicht häufig, wo-nur einzelne Haare die 
Flugmaschine am Samen bilden, wovon als hauptsächlichstes Bei- 
spiel Aeschinanthus speciosus, Fig. 4 i (andere Fälle finden sich 
bei Lysionotus, Brocchinia, Pitcairnia, Bonapartia und Dulanga) zu 


nennen ist: hier stehen an der in der Nähe der Samenbasis lie- 


‚genden Micropyle zwei sehr lange Haare, an dem gegenüber 


liegenden Ende, deren nur eines, so dass diese Flugmaschine nicht 


‘sehr gut zu sein scheint, doch ist durch diese drei sehr langen 


Haare der ganze Same so erleichtert, dass er sich lange horizontal 


in der Luft schwebend erhalten kann — später wird zu erwähnen 
sein, dass er in den an den Haaren befindlichen Vorsprüngen auch 
eine Hafteinrichtung besitzt. | 5 

Ganz ähnliche Verhältnisse, wie bei den durch haarige An- 
hänge für Verbreitung durch den Wind eingerichteten Samen haben 
wir bei den mit Haaranhängen versehenen Fruchtknoten (die , 


übrigens nicht sehr häufig sind), indem auch hier die ganzen 


MDE re RER, P OEA oa n Zoe ~ Tan SS nn ze 


70 


Fruchtknoten und somit auch Früchte mit Haaren bedeckt sein 


können, oder nur an bestimmten Theilen einen Haarschopf tragen. 
Beispiele von einer Bedeckung mit langen theils wollig gekräu- 
selten Haaren bieten mehrere Arten der Gattung Anemone, z. B. 
Anemone virginiana und sylvestris, Fig. 5 a, ferner Forskolea tena- 
cıssima, Corymbium scabrum, besonders viele Gattungen von Přo- 
‚teaceen z. B. Aulax, Petrophila, Isopogon. Unterständige ganz 
dicht behaarte Fruchtknoten finden sich bei mehreren Compositen 
z. B. bei Oryptostemma calendulaceum, Tarchonanthus camphoratus, 
Arctotis undulata, Acroclinium roseum und Lasiospermum radiatum. 
Mit einem Haarschopf der von der Basis ausgeht sind die Früchte 
von Platanus versehen, während bei Oenospermum fruticosum ein 
Wimperkranz die Frucht krönt. Besonders interessant sind end- 
lich. die Früchte von Helicocarpus americana, Fig. 5 b, welche in 
ihrer Längsrichtung von einem Kranz federiger Anhänge umzogen 
sind. ir 

Auch der Griffel hat sich bei einigen Pflanzen, wo er an 
‚der Frucht noch vorhanden ist und sich mit Haaren bedeckt hat, 
in dieser Weise zu einer Verbreitungsausrüstung umgebildet; so 
besonders bei einigen Rosaceen, nämlich Dryas octopetala, Geum 
montanum und reptans, so wie bei Cercocarpus (Fallugia und Co- 
wania), ferner bei mehreren Ranunculaceen, nämlich der Gattung 
Pulsatilla, sowie Atragene alpina und mehreren Arteń von Clematis, 
Fig. 5 c; endlich sind als hierhergehörig noch anzuführen: Cur- 
culigo orchioides, Atherosperma und Doryophora. 

Wie wir bei den haarigen Anhängen an den Samen und 
 Fruchtknoten theilweise eine Bedeckung der ganzen Oberfläche 
dieser, theilweise eine Schopfbildung sahen, so verhält es sich 
auch bei den Kelchen, wo auch die ersteren Fälle seltener sind, 
die letzteren häufiger. Ganz mit Haaren bedeckt ist die Aussen- 
seite der die Frucht einschliessenden Kelche von mehreren Ama- 
ranthaceen, z. B. von Azyrıs amaranthoides, Gomphrena globosa, 
Froelichia gracilis, Aerua lanata, ferner bei Londesia, einer Che- 


nopodiacee; während die andere Art der haarigen vom Kelche 


x gebildeten EN hauptsächlich sich bei den Oompositen arii 
4 eo einigen Valerianeen findet und sich als eine ausgezeichnete Ver- | 
= breitungsausrüstung erweist. Diese haarigen oder federigen Kelche, 


‚den Gipfel der Frucht entweder unmittelbar krönend oder mit 


A 
5 


Fig. 5. 


1, 


2 E s ipie. 5. a Frucht von Anemone sylvestris (vergrössert), b Helicocarpus ame- 
Ze o ricana. (nach GAERTNER), c von Clematis vitalba, d von Silybum marianum, 
e von Barkhausia 0: f von Asterothric_ asperrima. 


a einem Stiele Stecken, breiten sich R zur Reifezeit der 
Samen mehr oder weniger horizontal aus, so dass sie ungefähr 
7 3 = wie ein Fallschirm wirken und einestheils verhindern, dass die an 
i E RE TT: hängende Frucht schnell zu Boden falle, anderntheile dem 
-~ Winde zu seiner Wirkung eine grosse Oberfläche bieten. Aus 
i i = einfachen Haaren finden wir diese Bildung zusammengesetzt bei 
we. den grossen Gattungen Hieracium und Crepis, ferner bei Sonchus, 


t Er -~  Prenanthes, Carduus, Silybum, Fig. 5 AR und vielen anderen, wo 


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5 


72 


dieselben unmittelbar der Frucht aufsitzen, während sie bei Lactuca, 
Barkhausia, Fig. 5 e, und anderen gestielt sind. Federige ge- 
stielte Kelche haben die Gattungen Taraxacum, T ragopogon, 
Hypochaeris, Asterothrix, Fig. 5 f, Helminthia ete., ungestielt 
sind dieselben bei Scorzonera, Cirsium, Carlina, Onopordon und 
bei den Gattungen Valeriana und Centranthus. Auch bei Trichi- 
nium (Amaranthacee) sind die etwas breiten Kelchzipfel federig. 


Eigenthümlich ist endlich der Federkelch von Tournereuzia varii- 


folia '), wo derselbe an der schiefen Spitze des Achäniums seitlich 
ansitzt und sich beim Trocknen so ausbreitet, dass er einen Feder- 
kranz um das ganze Achänium herum bildet. 

Gehen wir weiter zur Basis und zum Stiel der Früchte, so 
sehen wir auch hier, jedoch nur selten, Haarbildungen auftreten, 
die als Verbreitungsausrüstung dienen. Unmittelbar unter der nur 
aus einem Pistill bestehenden Blüthe stehen sie bei Eriopho- 
rum, an einem verlängerten Fruchtstiel bei Typha, Fig. 6 a, 
ferner an dem Aehrchenstiel von Pennisetum villosum, Fig. 6 d, 
wo die Anhänge stark federig sind, weiter an der Aehrchenachse 
von Avena pubescens, Fig. 6 b, und Phragmites communis. Beson- 
ders interessant ist aber die in Haaren bestehende Verbreitungs- 


 ausrüstung bei dem Perrückenstrauch, Rhus Ootinus. Hier haben 


wir einen rispigen Blüthenstand, von dessen zahlreichen Blüthen 
nur wenige sich öffnen und Früchte ansetzen, deren Stiel kaum 
merklich behaart ist, während die Mehrzahl der Blüthen’ sich nicht 
öffnet, sondern im Knospenzustande von ihren Stielen sich löst, 
die aber ihrerseits fortfahren weiter zu wachsen und sich mit ab- 
stehenden Haaren zu bedecken. Wenn dann zur Zeit der Frucht- 
veife der ganze Fruchtstand sich von der Mutterpflanze loslöst, so 
geben ihm die nicht fruchttragenden Stiele das perrückenartige 


_ Ansehen, und dienen so dazu, dass er vom Winde durch die Luft 


oder über den Erdboden hin weit hinweggeführt werden kann, 


1) Ann. des se. nat. Bot. 1862 p. 212 pl. 13. fı. 5u 


nn E 


Eo wobei hier und dort eine der einsamigen Früchte losgerissen wird 
= und liegen bleibt. PORRE : ER, | 
Endlich finden wir auch an den Deckblättern, die am 


< 


Fig. 6. a Frucht von Typha latifolia, b von Avena pubescens, c von Aristida 
Schimpert, d von Pennisetum villosum, e von Hordeum inbatum; alle etwas ver- 
grössert. ; ; PEE i 


74 


Stiele der Früchte sitzen, eine zur Verbreitung der Samen dienende 
Ausrüstung, die in Haaranhängen besteht, was namentlich bei 
mehreren Gräsern !) der Fall ist, wo entweder die ganzen Deck- 
blätter, das heisst die Paleae und Glumae, behaart sind, z. B. bei 
Tricholaena, Lasiagrostis, Rottboellia hirsuta, Lygaeum Spartum, 
oder diese Behaarung sich nur an den fadenförmigen einfachen 
oder zertheilten Grannen befindet, wie bei Stipa pennata und 
barbata und bei Aristida Schimperi, Fig. 6 c. Auch können 
eigentliche Deckblätter in ihrem Haupttheil in haarartige Anhänge 
der Frucht umgewandelt sein, wie z. B. die Glumae bei Hordeum 
inbatum, Fig. 6 e, wo eine einsamige Frucht an ihrem eigenen 
Stiele zwei haarföormige Glumae hat, und ferner je zwei solche an 
den beiden seitlich stehenden und mit ihr in Verbindung bleiben- 
den unfruchtbaren Blüthen sich finden, welche sechs haarformigen 
Glumae sich fast horizontal zur Zeit der Fruchtreife ausbreiten 
und so eine ausgezeichnete Flugmaschine bilden. Endlich bilden 
bei Zagoecia cuminoides an jeder einsamigen Frucht fünf an deren 
Stiel befestigte mit Haaranhängen versehene Blätter die Flug- 
maschine, die hier ausserdem noch durch die haarig getheilten 
Zipfel des Kelches in ihrer Wirksamkeit unterstützt wird. — 

Wir sehen hiernach, dass die haarigen und federigen Anhänge, 
als Flugmaschinen dienend, an den verschiedensten Theilen der 
Samen und ihrer Umgebung vorkommen und unter den verschie- 
densten Formen auftreten, die alle, wie wir es bei den Flügel- 
. anhängen gesehen, theils dazu dienen, die Körper, an denen sie 
sich finden, beim Falle aufzuhalten, und zweitens um dem Winde 
eine grössere Fläche für seine Wirkung zu bieten. Noch eine 
dritte für die Windwirkung eingerichtete Verbreitungsausrüstung 
bleibt zu erwähnen, die aber sehr selten zu sein scheint, welche 


namentlich bei Liquidambar styraciflua und wahrscheinlich auch 


anderen Ligwidambar-Arten sich findet. Hier hängen nämlich die 


1) Ueber die Verbreitungsmittel der Gramineen-Früchte, in Bot. Zeit. 1872 
p. 860. \ A 


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75 


vom Winde leicht hin- und hergeschwenkt werden, wobei dann 


aus den einzelnen sich öffnenden Früchten die zahlreichen Samen, 


je nach der Richtung des Windes hierhin und dorthin hinausge- 


schleudert werden können. 


Das Wasser als Verbreitungsagens». 
. \ - . TEN 2 . 
Wir haben schon oben gesehen, dass die meisten Verbrei- 
tungsausrüstungen, welche der Windwirkung angepasst sind, auch, 
bei der Wirkung des Wassers für die Pflanzenverbreitung von 
Nutzen sein können, ohne für diese Wirkung in besonderer Weise 


eingerichtet zu sein. Ferner haben wir bemerkt, dass die wirk- 


lichen Anpassungen an die Verbreitung durch Wasser sehr wenige 


sind und wenig mannigfaltig, so dass es zu erwarten stand, es 


würden diese Anpassungen nur an wenigeñ Organen der Pflanzen, 
überhaupt nur bei wenigen Gewächsen vorkommen; und in der 
That haben wir — wenigstens einstweilen — über diesen Punct 


nicht viel zusammenzustellen. 


An Samen kommt eine der werbung durch Wasser ange- 


passte Einrichtung bei Nymphaea alba und wahrscheinlich allen 


"anderen Nymphaea-Arten vor. Die anatropen Samenknospen dieser 


Pflanze zeigen schon zur Blüthezeit dicht unter ihrem Ansatze an 
dem Funiculus einen rings um diesen herumlaufenden Wulst, 
welcher bei der eintretenden Fruchtbildung sich vergrössert und 
nach oben als eine Art Sack über den sich ausbildenden Embryo- 


naltheil des Samens hinüber sich ausdehnt, ohne jedoch mit seinen 


Rändern oben zu verwachsen; auch von ihrer Ansatzstelle an dem 


Funiculus nach unten hin ist diese Bildung ausgesackt, so dass 


schliesslich der Same in einer ’weisslichen Hülle liegt, die ihn nur 


lose umgiebt. Zur Reifezeit löst sich nun die ganze Frucht an 


ihrem Stiele ab, ihre Wände gehen auseinander und es bleibt ein 
kugeliger Klumpen von Samen übrig, der eine schleimige Be- 
schaffenheit hat. Dieser Klumpen sinkt nun nicht im Wasser 


unter, sondern bleibt auf demselben schwimmen, was daher kommt, 


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kugeligen Fruchthaufen an langen Stielen herab und können so 


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76 


dass zu dieser Zeit. zwischen dem Samen und seiner ihm lose an- 
liegenden Umhüllung eine oder mehrere grosse Luftblasen sich 
gebildet haben, welche den Samen sehr erleichtern. Allmälig löst 
sich dann der ganze Klumpen auf und die einzelnen Samen 
fliessen nun bei ihrer Leichtigkeit auf dem Wasser bei der gering- 
sten Strömung desselben umher, so dass sie mehr oder weniger 
weit von ihrem Entstehungsorte hinweggeführt werden können. 
Schliesslich vergeht allmälig der Samenmantel, wobei die Luft- 
blasen entweichen, so dass nun der Same vermöge seiner Schwere 
zu Boden sinkt. Ein‘ grosser Theil dieser Samen wird in dieser 
Weise auf dem Boden der sogenannten stehenden Gewässer aus- 
gestreut werden. Der Verbreitung durch Thiere scheinen diese 
Samen in keiner Weise adaptirt zu sein, da sie eine nicht sehr 
harte Hülle haben und deshalb nach den Angaben von CAsPARY !) 
von Enten gründlich verdaut werden; doch bliebe noch festzu- 
stellen ob der schleimige Samenmantel nicht entweder als ein 
Schutzmittel gegen das Verschlungenwerden dient, oder ob nicht 
durch ihn, wenn die Samen ganz frisch verschlungen werden, 
bewirkt wird, dass sie bei ihrer durch den Schleim hervorge- 
brachten Glätte unversehrt durch den Darmeanal hindurchgehen. 

Anders, obgleich auf demselben Princip beruhend, verhält 
sich die Verbreitungsausrüstung von Nuphar luteum und. advena, 
indem dieselbe hier nicht an den Samen sich findet, sondern in 
einer besonderen Construction der Fruchtwände begründet ist. 
Zur Zeit der Reife löst sich die Frucht hier wie bei Nymphaea 
von ihrem Stiele los, lässt aber nicht die Samen dabei sogleich 
frei, sondern es geschieht, wie schon oben angegeben, etwas dem 
Verfahren ähnliches, welches man einschlägt, wenn man eine 
Orange in einzelne halbmondförmige Theile zerlegt. Von der 
äusseren Fruchtwand löst sich nämlich nur die äussere grüne 


Schicht los, während die innere mit den Scheidewänden der Frucht 


in Vereinigung bleibt, die sich ihrerseits dann bald, von aussen 


1) CASPARY: in Königsberger Sitzungsber. 1870 p. 9. 


beginnend, je in zwei Lamellen spalten, wodurch nun die halb- 


77 
mondförmigen Scheiben entstehen, gebildet aus einer festen Aussen- 
haut, welche die zahlreichen schweren Samen in einem Schleime 
eingebettet umschliesst. Diese Scheiben sinken nun ‘aus dem 
Grunde im Wasser nicht unter, weil in dem Schleime ihres 
Inneren zur Zeit der Fruchtreife zahlreiche Lufiblasen entstanden 
sind; sie können also auf dem Wasser bei der geringsten Strö- 
mung fortbewegt werden und an einen von der Mutterpflanze mehr 


‘oder weniger entfernten ‚Ort schwimmen. Bei diesem Umher- 


schwimmen löst sich ihre äussere Hülle allmälig auf, die Luft- 


blasen entweichen aus dem Schleim, und so werden die an sich 


schweren Samen nach und nach auf dem Grunde des Gewässers 


ausgesät werden. Der Samenmantel von Nymphaea; welcher hier 
ganz fehlt, wird also durch die Fruchtwände ersetzt, aber in beiden 
Fällen wird ein und derselbe Vortheil erreicht. — Für die Ver- 

breitung durch den Wind sind diese ‘Samen und Früchte durchaus 
nicht eingerichtet, ihre, Hüllen trocknen in der Luft schnell zu- 
sammen, wodurch das specifische Gewicht derselben ein so grosses 


wird, dass sie nur mit Schwierigkeit vom Winde würden fortbe- 


` wegt werden können. i 


‚Auch bei Sagittaria sagittifolia scheint an den Fruchtknoten 
eine der Wasserwirkung adaptirte Verbreitungsausrüstung vorzu- 


kommen: die platten einsamigen Früchtchen dieser Pflanze haben 


nämlich eine. so glatte Oberfläche, dass sie schwer vom Wasser 


benetzt werden können, also leicht auf der Oberfläche desselben 
schwimmen und in dieser Weise fortbewegt werden. Sie sind aber 
auch durch ihre platte Gestalt der Wirkung des Windes adaptirt, 
welcher sie fortwehen kann, also auch über wasserlose Strecken 


hin verbreiten, eine Einrichtung, ° ‚die jedenfalls für die genannte 


Pflanze bei ihrer Verbreitung von Nutzen ist, da sie meist in nicht 


gar tiefen Gewässern sich findet; diese sind oft zur Reifezeit der 


Früchte ausgetrocknet, so dass dieselben, wenn sie keine Aus- 


rüstung für Verbreitung durch den Wind hätten in vielen Fällen 


keine weitere Verbreitung finden würden. 


78 


Endlich haben wir des Umstandes zu erwähnen, dass einzelne. 


Pflanzen derartig eingerichtet sind, dass sie, auf der Oberfläche 
des Wassers schwimmend nicht durch ihre Samen oder Früchte, 
sondern sie selbst, in ihrer Ganzheit, verbreitet werden können, 
welche Einrichtung ähnlich den vorher besprochenen darin besteht, 
dass diese Pflanzen in ihrem Zellgewebe viele Luft enthalten, 
welche sie auf dem Wasser schwimmend erhält, von welchem letz- 
teren sie bei ihrer glatten Oberfläche nicht leicht benetzt werden 
können. Es gehören dahin die meisten Arten von Lemna und 
auch Salvinia natans. Auf leicht bewegtem Wasser verändern die- 
selben stetig ihren Ort und kommen so, da sie stets gesellig leben, 
einestheils untereinander in Vermischung, anderntheils können sie 
an einen anderen entfernteren Ort des Wassers gelangen, wo sie 
früher nicht wuchsen, was wir am leichtesten an den Wasserlinsen 
beobachten können. | | 

Fragen wir uns, weshalb die Anpassungen an die Verbreitung 
durch das Wasser so wenige sind, so können wir zwei Gründe 
anführen: einmal ist die Anzahl der Wasserpflanzen, die hier 
allein in Betracht kommen können, abgesehen von den Algen, 
eine so geringe, dass wir schon insofern nicht viele Verbreitungs- 
ausrüstungen erwarten können — auf der anderen Seite bedürfen 
aber diese Wasserpflanzen auch nicht einer besonderen Verbreitungs- 
ausrüstung und einer besonderen Anpassung an das Wasser, wie 
die Luftpflanzen einer solchen an den Wind, da das schwerere 
Medium des Wassers viel leichter Körper bei Bewegung fortführen 
kann, als das leichtere Medium der Luft: ein Samenkorn von 
einer bestimmten Grösse wird von einem starken Winde nicht 
leicht bewegt werden können, welches im Wasser liegend, von 
einer ganz geringen Strömung fortgeführt wird. Darnach wird also 
eine grosse Anzahl von Fortpflanzungskörpern der Wasserpflanzen. 
ohne besondere Ausrüstung vom Wasser verbreitet werden, die, 
wenn sie in gleicher Form in der Luft sich befänden, dicht neben 


den Ort ihrer Entstehung niederfallen würden. 


Die Thiere als Verbreitungsagens. 


x 


In zweierlei Weise dienen die Thiere zur Verbreitung der 
Pflanzen, indem sie entweder die Samen derselben fressen und in 


ihrer Keimfähigkeit ungeschädigt wieder von sich lassen, oder in- 


dem die Früchte sich ihnen äusserlich anheften und so in die. 


Ferne getragen werden. Der ersteren Verbreitungsweise sind die 
Samen und Früchte dadurch angepasst, dass sie eine fleischige 


Beschaffenheit haben, der letzteren, durch Hakenanhänge . und 


 Klebrigkeit. Wir werden also nach einander in ihren verschie- 


denen morphologischen Verhältnissen zu besprechen haben die 
fleischigen Ausrüstungen, die hakigen und die kleberigen. 
Fleischige Verbreitungsausrüstungen. 
Bei den der Wirkung des Windes angepassten Verbukiängit 
ausrüstungen der Pflanzen sahen wir, dass diese Ausrüstungen 
bei einer grossen Anzahl derselben an den Samen vorkommen, 


während wir bei den der Verbreitung durch Thiere angepassten 


(Einrichtungen in der überwiegenden Anzahl der Fälle dieselben 


an den Fruchtknoten und nicht den Samen. finden, und dies 


namentlich bei den fleischigen Ausrüstungen. Dieselben kommen 


an den Samen im Allgemeinen nur selten vor, dessen ungeachtet 


können wir hier noch wieder zwei besondere Fälle in der Ent- 


stehungsweise des Samenfleisches und in seinem morphologischen 


Werthe unterscheiden. 3ei den einen Samen wird ihr Fleischig- 


sein nämlich dadurch re dass die äussere Schicht der 


Samenknospe beim Auswachsen dieser zum Samen eine fleischige 


- Beschaffenheit annimmt, er solches z. B. bei den Granaten und 


Stachelbeeren geschieht, ferner bei mehreren Irideen, z. B. Tris 


foetidissima und Moraea chinensis, ebenso bei den Magnoliaceen, 


wie bei Magnolia, Fig. 7 a, Talauma und Michelia. — In den 


anderen Fällen wird nicht die Aussenhaut des Samens fleischig, 


sondern es wächst ein sogenannter Arillus von fleischiger Be- 


schaffenheit als eine Wucherung, die vom Funiculus oder der 


) 


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80 


Micropyle entspringt, um den Samen herum, diesen ganz oder zum 
Theil einhüllend und ihm nur mehr oder weniger eng anliegend, 
niemals aber in organischer Verbindung mit demselben, als an 
seiner Urspfuhgsstelle. Derartige Samen mit fleischigem Arillus 
hat namentlich die grosse Gattung Passiflora, ferner Evonymus 
und andere Evonymeae, und unter den Clusiaceen Tovomita ; 
becherförmig ist der fleischige Arillus bei den Gattungen Havetia, 
Leenggeria und Quapoga, sowie, nach der einen Anschauung, an 
den Samen von Tazus und Salisburia. 

Bei weitem am häufigsten ist der Fall, wo die Wände des 
Fruchtknotens fleischig werden, und es würde zu weit führen 
alle die hierhergehörigen Fälle anzugeben. Jedoch muss auf einige 
Unterschiede, in welcher Weise und an welchem Ort dieses Flei- 
schigwerden statt findet, eingegangen werden. Bei den einen 
Fruchtknoten wird nämlich die ganze Wand derselben fleischig, 
und dann besitzen die Samen, welche meist zahlreich in dem 
Fruchtfleisch liegen, eine harte Schale, die der Zerstörung im 
Darmcanal der Thiere widersteht. Solche Früchte pflegt man 
Beeren zu nennen, und dieselben finden sich in den verschieden- 
sten Pflanzenfamilien z. B. bei den Asparageen (Asparagus, Oon- 
vallaria, Ruscus), bei einigen Palmen (Phoenix), bei den Berberi- 
deen zum Theil, ferner den Aurantiaceen, Ampelideen, Fig. 7 b, 
vielen Solaneen (Solanum, Atropa, Lycium) bei Phytolaccaceen, 
Rhamneen, bei Oleaceen (Ligustrum) etc. Aus einem 'unterstän- 
digen Fruchtknoten gebildet sind sie bei Vaccinium, Myrtus, den 
Cacteen, Lonicera und anderen. Im Gegensatz zu den Beeren- 
früchten stehen die Steinfrüchte, Drupae, bei denen nicht die 
ganze Fruchtknotenwand fleischig wird, sondern nur eine äussere 


Schicht, während die innere Schicht um den meist einzig vorhan- 


denen weichhäutigen Samen eine steinharte Hülle bildet!). Der- 


1) Dieser Unterschied von Beere und Steinfrucht scheint von den Syste- 
matikern nicht, strenge inne gehalten zu werden; so heisst es z. B. von Paga- 
mea: bacca carnosa, dipyrena, purenis dispermis — wir haben hier also keine 
bacca, sondern eine drupa, da nur in einer solchen Pyreni (Steine! vorkommen; 


è 
. 


Längsschnitt. 


E NE 
Fig. 7. a Stück eines Fruchtstandes von Magnolia Yulan, ein hervor- 


hängender und ein noch in der aufgesprungenen Frucht festsitzender Same, 


b Fruchtlängsschnitt von Vitis vinifera, e von Prunus Cerasus, d Frucht von 
Rubus Idaeus, e von Fragaria vesca, f von. Morus alba, g von Ficus carica im 


überhaupt ist wohl für viele Früchte noch nicht festgestellt, ob die harte Hülle, 
welche die Samen umgiebt, diesen selbst angehört (bacca), oder ob sie von der 
inneren Schicht des Fruchtknotens gebildet worden (drupa). 

Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. Da 6 


EEE see jidi ikiiki 
R a es A ” TURR SO m RR ERS a Gl E SE 


82 


artige Steinfrüchte besitzt nun die ganze Familie der Drupaceen, 
wohin unsere Pflaumen und Kirschen, Fig. 7 c, gehören, ebenso 
kommen sie bei einigen Rosaceen, z. B. bei der Gattung Rubus, 
Fig. 7 d, vor, wo mehrere solcher Steinfrüchte zu einem Haufen 
vereinigt sind, auch die Früchte einiger Rrubiaceen gehören hierher 
z. B. von Pomaz, Morinda und Opercularia'). 

Nur selten ist. der Fall, dass der Blüthenboden, welchem 
die Fruchtknoten aufsitzen, fleischig wird, wie solches bei der 
Erdbeere, Fig. 7 e, geschieht, wo die Fruchtknoten selbst ganz 
trocken und hartschalig sind, und als kleine am Grunde mit dem 
bleibenden Griffel versehene Körnchen dem fleischigen, stark ver- 
grösserten Blüthenboden aufsitzen. Ebenso ‚selten ist es, dass die 
Blumenkrone fleischige Beschaffenheit annimmt, wie dies bei 
Coriaria myrtifolia der Fall ist, wö die zur Blüthezeit kaum be- 
merkbaren Blumenblätter sich später sehr vergrössern und saftig 
werden. 

Kommen wir weiter zu solchen Fleischfrüchten, wo der 
Kelch saftige Beschaffenheit angenommen hat, so lassen sich 
kaum solche Fälle anführen, wo an einer Blüthe, die Kelch und 
Blumenkrone zugleich besitzt, der Kelch allein fleischig geworden, 
sondern wir haben hier auf der einen Seite derartige Fleischfrüchte, 
die durch das Saftigwerden einer einfachen, meist kelchartigen 
Blüthenhülle entstanden, auf der anderen Seite solche, die durch 
die Vereinigung von fleischigem Kelch mit fleischigem Frucht- 
knoten sich bildeten. Das erstere findet z. B. bei Morus, Fig. 7 J 
statt: der fleischige Theil der Maulbeeren ist aus dem Perigon der 
Blüthe entstanden, und der Fruchtknoten ist hier nur klein ge- 
blieben, von harter Wand umgeben, — und so haben wir die drei 
äusserlich oft ähnlichen Fleischfrüchte, der Himbeeren, Erdbeeren 
und Maulbeeren in ganz verschiedener Weise entstanden, nämlich 


/durch Fleischigwerden des Fruchtknotens, des Blüthenbodens und 


des Perigons. Ferner wird das Perigon fleischig bei Bltum, 


1) A. P. DE CANDoLLe I. c. II p. 230, 


' 


83 


Basella, Coccoloba, Mühlenbergia, Cryptocarya, Hippophae, She- 


perdia, Elaeagnus und sehr vielen Artocarpeen. — Eine Vereini- 
gung von fleischigem Kelch mit fleischigem Fruchtknoten haben 
wir bei den Pomaceen, wo dann wieder in der Weise Verschieden- 
heiten auftreten, dass in diesen fleischigen Früchten die Samen 
sich wie in einer Beere verhalten (Sorbus, Oydonia, Pyrus), oder 
wie die einer Drupa, indem sie von der steinig gewordenen inneren 
Schicht der Fruchtknotenwände eingeschlossen sind (Mespilus, 
Crataegus). — Von Ambora und Monimia wird angegeben, dass 
sie Drupae besitzen, welche von einem fleischigen PONEN einge- 
schlossen sind. ; i 

An dieser Stelle dürfte weiter der fleischigen Frucht der Rosen 
am geeignetsten Erwähnung gethan werden. Hier haben wir näm- 
lich den fleischigen Theil aus einem Organ entstanden, welches 
als Blüthenboden, Kelch oder Blüthenstiel bezeichnet werden 
könnte. Die letztere Erklärung dürfte die richtigste sein: nach 


dieser nimmt der Blüthenstiel, durch Einsenkung von seiner Spitze 


= her eine krugartige Gestalt an und in seinem Grunde sind die 


trocken bleibenden Fruchtknoten befestigt, während an seinem 


oberen ‚zusammengezogenen Rande, der Kelch, die Blumenblätter 
und Staubgefässe eingefügt sind. — Einen zweifellosen, fleischig | 
gewordenen Blüthenstiel haben wir hingegen bei Anacardium 


und Hovenia duleis'), ferner bei Borbonia globosa und cupularis, 


‚bei Exocarpus, einer Santalacee und den Comiferen-Gattungen Podo- 
carpus und Dacrydium. 


Weiter haben wir den seltenen Fall, dass Deobktitiss 
fleischig werden bei Phyllocladus, wo diese Deckblätter unterein- 
ander und mit der fleischigen Rhachis verwachsen sind?). Ein 


fleischiges Involucrum wird angegeben von dem Artocarpeen-Gat- 


tungen Antiaris und Sorocea, ein fleischiges Involucellum bei Lep- 


tolaena, einer Chlaenacee. 


~ 


1) DELPINO De p. 10. TREVIRANUS Phys. Il p. 482. 
2) STRASSBURGER, Coniferen p. 17. 


PIE RE E ENE TOS 


ES 


ir 


84 


Endlich haben wir einige solche Fälle zu verzeichnen, wo der 
Boden eines ganzen aus mehreren Blüthen gebildeten Frucht- 
standes fleischig wird. Besonders gehört hierher die Gattung 
der Feigen, Fig. 7 g, wo die scheinbar aus einem Fruchtknoten 
gebildete Fleischfrucht in der Weise entstanden ist, dass der Boden, 
auf welchem sich zahlreiche Blüthen befinden, durch Einsenken 
an seiner Mitte und Gegeneinanderwachsen seiner oberen Ränder, 
eine die Blüthen umschliessende Höhlung gebildet hat, und später 
fleischig geworden ist. Uebrigens ist noch zu bemerken, dass 
auch die aus den einzelnen Feigenblüthen entstandenen Früchte 
selbst als kleine Drupae mit zum Fleischigsein der ganzen Feigen- 
frucht beitragen. Als ein anderes Beispiel eines fleischig gewor- 
denen Blüthenstandbodens wird Gundelia Tourneforti!) ange- 
geben, besonders aber die Gattung Elastostemma, von der es heisst, 
dass die Achänien auf einem fleischigen Receptaculum sitzen. 

Hiernach sehen wir die verschiedensten Theile der Pflanzen 
fleischige Beschaffenheit annehmen, um hierdurch zu bewirken, 
dass die Samen, welche mit dem Fruchtfleisch in der mannigfal- 
tigsten Weise in Verbindung stehen, in den Darmcanal der Thiere 
gelangen und von hier aus an den verschiedensten, Orten ausge- 
streut werden. Wie hierbei noch besondere vortheilhafte Einrich- 
tungen sich finden, wird in einem späteren Abschnitte noch näher 


zu betrachten sein. 


~ 


Hakige und stachelige Ausrüstungen ?). 


Wenn wir bedenken, dass die Früchte einsamig oder mehr- 
samig sind, dass ferner bei den einsamigen die Fruchtknotenwand, 
von welcher der Samen eingeschlossen ist, diesem gewöhnlich eng 
anliegt, und bei den mehrsamigen die Samen mehr oder weniger 


dicht gedrängt sich finden, so erscheint es erklärlich, dass hakige 


Anhänge bei den einsamigen Früchten nicht an den Samen selbst, 


1) DE CANDOLLE, Phys. II p. 230. 
2) Bot, Zeit. 1872 p. 886. 


85 


sondern ihrer Umgebung vorkommen, und dass es bei mehrsamigen 


Früchten nur sehr wenige giebt, welche an den Samen derartige 


Anhänge zeigen. Bei diesem Gedrängtsein der Samen erscheint 
es nämlich als eine schwer zu erfüllende Aufgabe, . dass die hakigen 
und stacheligen Anhänge sich gerade so ausbilden, dass die Samen 
durch sie auf der einen Seite nicht unter einander verhäkelt wer- 
den, dass dieselben auf der anderen Seite auch stark genug sind, 

um anderen Gegenständen, z. B. dem Gefieder der Vögel, anzu- 
haften. Von unseren einheimischen Pflanzen lässt sich als einziges 
Beispiel einstweilen nur die Villarsia nymphaeoides, Fig. 8 a, an- 
führen, bei der die linsenförmigen Samen mit ihren Flächen so 
aufeinander geschichtet liegen, dass ihre Ränder frei in die Zwi- 
schenräume zwischen die benachbarten Samen fallen, so dass diese 
mit Wimpern, die an der Spitze schwach rauh sind, umkränzten 
Ränder, nicht untereinander in Berührung kommen. Von auslän- 
dischen Pflanzen wird weiter über Physostemon gesagt, dass ihre 
Samen mit Stacheln bewaffnet seien !). Ferner sind bei Aeschinanthus 
speciosus, Fig. 4 ù, die drei langen Haare, ‘welche an den Samen 
sich finden in ihrem Zellbau sehr eigenthümlich, indem die Zellen 


x rer Obertläche theils nach der Basis, theils nach der Spitze der 


Haare hin hakenartig hervorstehen, so dass diese Haare, wenn sie 
mit einem etwas rauhen Körper in Berührung kommen, an diesem 
— und mit ihnen natürlich der Haupttheil des Samens — haften 
bleiben und so hinweggeführt werden können. Pa 

Am häufigsten gehen die hakigen oder stechenden Sihing 
vom Fruchtknoten aus, und hier wiederum meistens in der 


Weise, dass sie sich an einzeln stehenden Früchten finden, oder 


doch in solchen Fruchtstäinden, wo die Aussenseite der einen 


` Frucht nicht leicht die der benachbarten berühren kann, so dass 


einer Verhäkelung der Früchte untereinander vorgebeugt ist. Ferner 
sind diese hakigen oder stechenden Haftorgane entweder in dichtem 
Bestande über die Oberfläche der Früchte vertheilt oder finden 


1) Marrıus, Nov. Gen. p- 27, Tab. 46 u. 47, 


u. 
PE 


$ 


a Ea 


oiii 


86 


sich hier nur vereinzelt. Das erstere ist der Fall bei vielen Bora- 
gineen (Cynoglossum, Echinospermum, Solenanthus), sowie Legumi- 
nosen (Hedysarum capitatum und coronarium, Desmodium canadense), 
ferner bei Triumfetta, Fig. 8 c, auch bei Ranunculus, Abtheilung 
Echinella und bei einigen Orueiferen (Bunias aspera, Succowia 
balearica). An unterständigen Fruchtknoten finden sich dicht 


gestellte Haftorgane bei vielen Umbelliferen (Sanicula, Daucus, 


Fig. 8. a Same von Villarsia nymphaeoides, b Theilfrucht von Pavonia 
spinifex; c Frucht von Triumfetta (nach GAERTNER), d Fruchtkopf von Geum 
urbanum, e Frucht von Tragoeceros (nach BONPLAND), f Frucht von Agrimonia, 
g von Acaena procumbens, h Fruchtkopf von Lappa, i Frucht von Cornucopiae 

` cucullatum. 


87 


Orlaya, C aucalis, Forilis), bei Circaea, Galium Aparine, Sicyos 
angulata, Arten von Calendula und bei Koelpinia linearis, wo die 
wurmförmig gebogenen Früchte auf dem Rücken mit Haken be- 
deckt sind und an ihrer Spitze eine aus dem Kelch gebildete 
Hakenkrone zeigen. Mehr oder weniger vereinzelt stehen die 
Hakenanhänge bei Pedalium murex, Pavonia spinifex, Fig. 8 b, 
Malvastrum coromandelinum, und Harpagophytum; auch gehört 
hierher die von A. Braun in der Schafwolle des Handels gefun- 
dene Frucht von Uncaria procumbens') ; »dieselbe ist von weitem 


einem froschartig niedergedrückten vielfüssigen Thiere ähnlich, an 


den Seiten mit drei Paaren langer plattgedrückter und selbst wieder 
mit hakenartigen Fortsätzen bewaffneter Stacheln besetzt, welche 


sich beim Aufspringen spalten und dadurch verdoppeln. "Alle diese 
Stacheln krümmen sich etwas nach der Oberseite der platt am 


Boden aufliegenden Frucht und sind ganz geeignet sich fest in 


den Pelz eines sich zur Erde niederlegenden Schafes zu verwickeln«. 


Selten findet sich der Griffel an der Frucht in ein hakiges 
oder stechendes Organ umgewandelt. Das erstere ist der Fall bei 
Geum wurbanum?), Fig. 8 d, und anderen Geum-Arten, sowie bei 


Polygonum virginianum und Grammocarpus uncinatus; das letztere 


bei Oenanthe pimpinelloides und Ceratophyllum, ferner bei Stylo- 


santhes?). Noch seltener ist die Blumenkrone an der Frucht 


zu einem Hakenorgan umgebildet, was bei einer Compositen-Gat- 
tung Tragoeceros‘) Fig. 8 e, der Fall ist, indem hier die Blumen- 


krone der weiblichen Randblüthen an dem reifen Achänium sich 
verhärtet hat und in zwei zurückgekrümmte Grannen ausgeht. 
Weiter finden sich die in Rede stehenden Haftorgane an dem 


Kelche verschiedener Pflanzen und hier wieder in einer zwei- 


fachen Weise, ähnlich wie bei den Fruchtkuoten, indem hier der 
Kelch entweder dicht mit den Haftorganen bedeckt ist, z. B. bei 


1) Bot. Zeit. 1872 p. 723. 

) Näheres in Bot. Zeit. 1872 p. 858. 

3) Hums., BoNPL. u. Kunta, Plantae aquin. Tab. 591. 
) 


H., $ u. K. l. c. Tab. 385, 


Ku 


Și Ea A AD LE Br Sia EN 


88 


Agrimonia, Fig. 8 f, Aneistrum latebrosum und anderen, oder 


nur seine Zipfel die Haftorgane tragen oder in sie ausgehen, wie 
bei mehreren Compositen (Bidens, Tolpis barbata, Heterospermum, 
Verbesina alata), bei Acaena, Fig. 8 g, Emez spinosa, Valerianella 
echinata und hamata (wo übrigens ausserdem der Kelch fallschirm- 
artig ist), Trapa natans u. a. m. 

Ferner sind solche Fälle zu verzeichnen, wo die hakig-stache- 
ligen Anhänge an Deckblättern und Involucren sich finden, 
was bei mehreren Compositen der Fall ist, z. B. bei Rhagadiotus 
stellatus, Micropus supinus, Aldama uniserialis, Centrospermum, 
Lappa, Fig. 8 h, und Xanthium, ferner bei verschiedenen Grami- . 
neen (Lappago, Aegilops, Cenchrus), Umbelliferen '(Exoacantha, 
Arctopus), so wie bei Parietaria. Auch der Stiel der einzelnen 
Blüthen oder eines ganzen Blüthenstandes kann durch hakige 
Anhänge als Haftorgan dienen, was bei Vaillantia hispida und 
Cornucopiae cucullatum, Fig. 8 i, der Fall ist. Endlich können 
die mit der Pflanze mehr oder weniger lange Zeit in Verbindung 
bleibenden Früchte von Asperugo procumbens dadurch vertheilt 
werden, dass die ganze Mutterpflanze mit hakigen Haftorganen 
versehen ist und so stückweise oder ganz den Thieren anhaften 


und hinweggeführt werden kann. 


Klebrige und schleimige Ausrüstungen !). 


Im Allgemeinen ist es selten, dass die Pflanzensamen oder 
Früchte den Thieren durch Klebrigkeit oder schleimige Beschaffen- 
heit angeheftet werden, und in manchen Fällen, wo man eine 
klebrige Oberfläche vor sich zu haben glaubt, ist dieselbe in Wahr- 
heit nicht klebrig, sondern, wie z. B. der Fruchtstiel von Cornu- 
copiae cucullatum, durch hakige Anhänge haftend. Klebrige 
Samen finden sich aus demselben Grunde selten, wie die mit 


Hakenanhängen versehenen; sie kommen vor bei Pittosporum 


undulatum. Häufiger sind die bei Anfeuchtung sich mit Schleim 


1) Bot. Zeit. 1872 p. 908, 


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Be > 


den Angaben von Deurino !) bei Carduus pycnocephalus und Car- 


Linnaea borealis, welche auf der Aussenseite dicht mit Drüsen- 


-z. B. die Kelche von mehreren Plumbago-Arten (P. micrantha 


ey 


m u 


ee 89 
bedeckenden Samen / Collomia, Teesdalia, Tanum ete.), doch ist es i 
fraglich, ob dieser Schleim dazu dient, dieselben den Thieren an- 
zuheften. | 

Kleberige (unterständige) Fruchtknoten finden sich nach 


pesium cernuum), besonders interessant sind aber die Früchte von 2 


haaren bedeckt sind, mit welcher Verbreitungseinrichtung es zu- 
sammenhängt, dass dieselben, obgleich sie schon reif sind, noch _ 
ein frisch grünes Ansehen haben. Früchte, die sich bei Anfeuch- 
tung mit Schleim bedecken, finden wir bei mehreren Compositen 
(Hymenostomum Fontanesii, Pumilio argyrolepis, Ruckeria, Trieho- 
cline) und vielen Labiaten ( Ocymum Basilicum, Dracocephalum 
Moldavica). = 3 

Weiter finden sich solche Fälle, wo der Kelch oder das 
Perigon durch klebrige Anhänge als Haftorgan dient: so haben 2 


und rosea) an ihren Zipfeln oder auf ihrer ganzen Oberfläche 
Haargebilde, die mit einer klebrigen Kugel endigen, ebenso das 
Perigon von Pisonia aculeata, Boehrhavia scandens und erecta; . 
weiter gehen bei Adenostemma, einer Composite, die Kelchzipfel 
in kleberige Spitzen aus. Ferner kommt auch ein interessanter 
derartiger Fall vor, nämlich bei Drymaria cordata, wo der Frucht- 
stiel durch klebrige Oberfläche leicht mit der ihm fest ansitzenden 
Frucht vorbeistreifenden Körpern anhaftet; und endlich wird das 
Anhaften der Früchte bei Siegesbeckia dadurch bewirkt, dass die 
Deckblätter, welche dieselben einhüllen, eine von Drüsenhaaren PEN 
bedeckte Aussenseite haben. | | 


Die Verhältnisse der Austrocknung und Turgescenz als Verbreitungsagens. 
` ; . . 3 . p .. er, 
Die Austrocknung spielt bei den Verbreitungsverhältnissen 


sehr vieler phanerogamer Gewächse eine sehr wichtige Rolle da- 


1) DeLrıno, Biolog.p. 9, => s 


t 


90 


durch, dass durch sie die Kapseln sich öffnen, und nun die Samen 
aus ihnen entfernt werden können; doch ist es in den meisten 
dieser Fälle so, dass die Austrocknung allein nicht eine Ausstreuung 
der Samen bewirken kann, sondern dass der Wind als eigentliches 
Verbreitungsagens durchaus nöthig wird; denn ohne ihn würden 
die Samen aus den durch Austrocknung geöffneten Kapseln meist 
gar nicht, oder doch gerade zu Boden fallen. Für alle diese zahl- 
reichen Fälle dürfen wir nicht die Austrocknung als ein Verbrei- 
tungsagens bezeichnen; hingegen kommen, wie wir schon oben 
gesehen haben, andere Verhältnisse vor, wo es wirklich die Aus- 
trocknung allein ist, die auf bestimmt gebaute Früchte so einwirkt, 
dass die Samen aus ihnen herausgeschleudert und in dieser Weise 
verbreitet werden. Da jedoch diese Einrichtungen sich nur (mit 
Ausnahme einiger Gräser wo die Grannen durch ihre Hygroscopi- 
cität, zur Verbreitung dienen) an Früchten finden, die aus einem 
Fruchtknoten entstanden, weder an den einzelnen Samen, noch 
am Kelche oder anderen Organen der Pflanzen, die wir in dem 
_ Vorhergehenden der Reihe nach besprochen haben, so würde es 
nur eine Wiederholung des früher Gesagten sein, wenn wir hier 


noch näher auf dieselben eingehen wollten; nur über die be- 


treffenden Verhältnisse der Kryptogamen sei noch einiges hinzu- 


gefügt. 
= Ausserdem dass schon die Sporen der Farnkräuter an sich bei 
ihrer Kleinheit und damit verbundenen Leichtigkeit vom geringsten 
Luftzuge hinweggeführt werden können, findet sich hier in vielen 
Fällen an den Sporangien der bekannte Schleudermechanismus. 
Derselbe besteht darin, dass die zellige Hülle dieser Sporangien 
einen vertical verlaufenden Ring von besonders gestalteten Zellen 
besitzt. Diese Zellen sind nämlich an ihren nach innen liegenden 
Wänden, mit Ausnahme einer kurzen Strecke des Ringes, stark 
verdickt, so dass bei Eintrocknung ihre äussere Seite sich stärker 
zusammenzieht als die innere. Hierdurch wird eine derartige Span- 
nung des Ringes hervorgebracht, dass derselbe endlich bei stärkerer 
Austrocknung an der Stelle, wo seine weniger verdickten Zellen 


` 


94 


liegen, zerreisst und sich in einer seiner früheren Krümmung ent- 


 gegengesetzten Richtung; umbiegt, wobei die ganze Kapselwand 


mit einem Rucke aufgerissen und hierdurch die Sporen hinaus- 


geschleudert werden. Bei den Equisetaceen sind es die Schleuderer 


der Sporen, welche beim Eintroeknen durch Zurückbiegung den 


Sporen einen. Ruck geben und sie so eine kleine Strecke fortbe- 
wegen, während bei denjenigen Moosen, deren Kapseln mit einem 
hygroskopischen Peristom versehen sind, dieses letztere nicht als 
irgend welche Schleudereinrichtung dient, aber dennoch für die 
Verbreitung der Sporen von Wichtigkeit ist. Die Zähne dieses 
Mundbesatzes breiten sich nämlich nur bei trockener Witterung 
auseinander und öffnen so den in der Kapsel befindlichen Sporen 
den Ausweg, während sie bei nassem Wetter durch Zusammen- 
ziehung die. Sporenkapsel schliessen und so verhindern, dass in 
diese die Feuchtigkeit eindringt, und dass die Sporen zu einer 
Zeit hervortreten, wo sie bei der Feuchtigkeit der Luft, oder dem 
Regen, doch nicht weit hinweggeführt werden könnten. 

Auch bei den Pilzen. finden wir endlich durch Eintrocknung 


bedingte Schleudererscheinungen. Bei einer ganzen Reihe von 


 Hyphomyceten, z. B. bei Peronospora, zeigen die bei feuchter Luft 


turgiden Stiele der Sporenstände bei Eintrocknung eine plötzliche 
Drehung, durch. welche die Sporen, bei dem dadurch hervorge- 
brachten Wirbel nach. allen Seiten hin fortgeschleudert werden !). 
Auch das sogenannte Stäuben der meisten Discomyceten stellt 
ps Bary?) als durch Eintrocknungsverhältnisse hervorgerufen dar, 
indem hier die über das Hymenium hervorgetretenen Spitzen der 
reifen Sporenschläuche bei Eintrocknung aufreissen und so aus 
der Oeffnung die in den Schläuchen enthaltenen Sporen durch den 
Druck der seitlich anliegenden noch nicht geöffneten Sporen- 
schläuche hervorgeschleudert werden. Bei Sphaerobulus‘) wird 


1) DE BARY, Morphologie und Physiologie pi Pilze ete. p. 137. 
2) 1. c. p. 142. 
3) DE Barry, 1. e. p. 174, 


N 


Zus E 


BREUER LTE ENE POT IES rianan teias iiia m 


92 


das ganze Sporangium durch eine besondere Einrichtung oft einige 
Zoll weit hinweggeschnellt. | 

Von den Fällen, wo die Verbreitung der Samen bei phanero- 
gamen Pflanzen durch Turgescenzverhältnisse hervorgebracht wird, 
ist oben schon die Rede gewesen: nur bei Oxalis liegt der Schleu- 
dermechanismus im Samen selbst, während in den anderen Fällen 
das Schleudern der Samen überall durch Turgescenz der Frucht- 
knotenwände, z. B. bei Impatiens, Cardamine, Momordica Elate- 
rium, hervorgebracht wird. Unter den Kryptogamen finden sich 


bei den Pilzen einige auf Turgescenz beruhende, interessante 


‚Schleudereinrichtungen. Bei den Diskomyceten 1) füllen sich zur 


Zeit der Sporenreife die Schläuche, in welchen die Sporen sich 
befinden, stärker und stärker mit Flüssigkeit an, und ihre Mem- 
bran dehnt sich eine Zeit lang, dieser Vermehrung des Zellinhalts 
entsprechend, aus; nur eine Stelle, von ps Bary Rissstelle ge- 
nannt, zeichnet sich von der übrigen Wand durch geringere Dehn- 
barkeit und Festigkeit aus. »Eine Zeit lang widersteht die ganze 
Membran dem steigenden Drucke der Inhaltsflüssigkeit. Endlich 
wird dieser Widerstand an der Rissstelle überwunden, diese geöffnet 
und die Spannung aufgehoben; die elastische Wand des Askus 
schnurrt daher in demselben Augenblick auf 3/, bis %/,; ihres bis- 
herigen Umfanges zusammen, und die Sporen werden hierdurch 
miteinander und mit einem Theile der Inhaltsflüssigkeit aus dem 
Risse hervorgespritzt«. Bei diesem Schleudermechanismus ist noch 
zu bemerken, dass jedenfalls auch die benachbarten Sporenschläuche 
auf die bald sich öffnenden einen seitlichen Druck ausüben, wo- 
durch die Entleerung derselben noch beschleunigt wird. Bei vielen 
Pyrenomyceten?) veisst der Sporenschlauch an seiner Spitze auf, 
und seine innere die Sporen einschliessende Membran tritt als ein 


verlängerter Schlauch hervor, aus dessen Spitze dann hinterein- 


ander die Sporen einzeln durch die in dem Schlauche enthaltene 


x 


1) DE BARY, l. c. p. 139. 
2) DE BARY, 1. c. p. 143, 


A 


93 


Flüssigkeit herausgespritzt werden, während bei Pilobolus das 


ganze Sporangium durch Turgescenz der Zelle, auf welcher es 


befestigt ist, fortgeschossen wird, nach den Beobachtungen von 


Cormans bis zu einer Entfernung von 105 Cm. 


Rapitel“IV. pr 


Vortheilhafte Verhältnisse im Vorkommen der Verbreitungs- 


ausrüstungen. 


Im Vorhergehenden’ haben wir hauptsächlich darzustellen ver- 
sucht, welche Agentien bei der Verbreitung der Pflanzen thätig 
sind, wie die letzteren mit Ausrüstungen versehen, welche der 
Wirkung dieser Agentien angepasst sind, und wie diese Verbrei- 
tungsausrüstungen an sehr verschiedenen Theilen der Pflanzen sich 
ausgebildet haben. Bei dieser Besprechung haben wir aber einen 
Punet mit Absicht weniger ins Auge gefasst und berührt, nämlich 
den: in wie vortheilhafter Weise die Verbreitungsausrüstungen vor- 


"kommen, wie durch sie gerade das erreicht wird, was zu erreichen 


ist, nicht mehr und nicht weniger — und auf diesen Punct näher. 
einzugehen dürfte nunmehr von Interesse sein, wobei wiederum 
die Früchte der Phanerogamen die bemerkenswerthesten und man- 


nigfaltigsten Verhältnisse zeigen. 
Sprechen wir zuerst von der Einrichtung der einsamigen 


Früchte. Da es bei der Pflanzenverbreitung auf das Ausstreuen. 


und die Vertheilung der einzelnen Samen ankommt, so liegt es 


auf der Hand, dass ın dem Falle, wo eine Frucht nur einen Samen 


in sich schliesst, es zur Verbreitung und Ausstreuung dieses Samens 


nicht nöthig ist, dass er aus derselben entlassen werde, und dass 
derselbe Erfolg erreicht wird, wenn eine solche einsamige Frucht 


in ihrer Ganzheit ihre Verbreitung findet. In offenbarem Zusam- 


menhange mit diesem Verhältnisse sehen wir denn auch, dass in 


den meisten Fällen die einsamigen Früchte sich nicht öffnen, son- 


94 


dern den Samen so lange in sich bergen, bis aus demselben die 
junge Pflanze sich entwickelt. Würde nun weiter ‘an diesen ein- 
geschlossen bleibenden Samen eine Verbreitungsausrüstung sich 
finden, so würde dies durchaus nicht vortheilhaft sein, da auf diese 
die von aussen wirkenden Agentien keinen Einfluss würden aus- 
üben können; und so sehen wir denn die Samen der einsamigen 
sich nicht öffnenden Früchte ohne eine besondere Verbreitungs- 
ausrüstung, die sich vielmehr in nutzbringender Weise an den 
_Umhüllungen des Samens findet, wodurch ganz dasselbe erreicht 
wird, als wenn wir an Samen, welche zu mehreren in einer Frucht 
liegen, die Verbreitungsausrüstung haben. Auch nehmen derartige 
Früchte vielfach das Ansehen einzelner Samen an, und werden . 
auch im gewöhnlichen Leben als solche bezeichnet, wie z. B. die 
Früchte vieler Compositen und Umbelliferen. 

Die Verbreitungsausrüstungen der einsamigen Früchte sind 
weiter in verschiedener Weise vortheilhaft eingerichtet, und wir 
können solche Früchte unterscheiden, welche fleischig sind und 
andere, die bei der Reife eine trockene Beschaffenheit annehmen. 
Die fleischigen, also der Verbreitung durch Thiere angepassten 
einsamigen Früchte sind im Allgemeinen nicht sehr häufig; bei 
ihnen ist in vortheilhafter Weise der Same, welcher den Darm- 
canal des Thieres unverletzt durchlaufen muss, mit einer harten 
Schale umgeben, die in den meisten Fällen — da es im Allge- 
meinen nur wenig einsamige Beeren giebt — nicht aus einer 
Verhärtung seiner eigenen äussersten Schicht gebildet worden, son- 
dern aus dem ihn umgebenden Theil der Fruchtknotenwände. 
Diese Bildung einer harten Hülle um den Samen aus der Wand 
des Fruchtknotens war hier bei der Einsamigkeit desselben zulässig, 
während eine derartige Erhärtung um mehrere Samen zugleich 
herum durchaus unvortheilhaft und der Verbreitung der Samen 
hinderlich sein würde; und so sehen wir denn auch, dass bei den 
mehrsamigen  Fleischfrüchten die schützende Hülle aus der äusser- 


sten Schicht der einzelnen Samen. gebildet wird, oder dass in dem 


Falle, wo das Innere der Fruchtwände erhärtet, dieses Innere, 


in mehrere einzelne einsamige 


z. B. bei Crataegus und Mespilus, 
Fächer getheilt ist, so dass hier also in keiner Weise die Aus- 
streuung der einzelnen Samen gehindert wird. 
u. SER Die trockenen einsamigen Früchte sind entweder so- 
4 ar ; -~ eingerichtet, dass sie durch den Wind verbreitet werden, wie z. B. 
u. die der meisten Compositen, wo die aus dem Kelch gebildete 
2 Federkrone an dieser einsamigen Frucht ganz denselben Nutzen 
p bringt, wie der Haarschopf an den zu mehreren in aufspringenden 
Kapseln entstandenen Samen — oder dieselben sind mit Haft- 
E A Sai organen versehen, vermöge deren sie eine Verbreitung durch die 
Thiere finden (Cireaea, Bidens, Geum urbanum, Acaena). Es ist 
A. E übrigens hervorzuheben, dass die meisten Haftvorrichtungen an 
2 == eimsamigen oder in einsamige Theile sich spaltenden Früchten 
ee vorkommen, höchst selten an Samen und ebenso selten an Früchten, 
; f: = in denen mehrere Samen beisammen liegen, da hierdurch die Ver- 
s ; 3 breitung und Vertheilung der einzelnen Samen erschwert erscheint, 
indem bei solcher Einrichtung in den meisten Fällen die ganzen 
Früchte mit den zahlreichen Samen an einem und demselben Orte 
i | za Boden gelangen würden. | 
WẸ ~ Wir. haben gesehen, dass mit der Eipsamiglesit der Früchte 
das Nichtöffnen derselben und das Vorkommen der Verbreitungs- 
ausrüstungen, nicht an den Samen, sondern an der Umhüllung 
m. . dieser meist Hand in "Hand geht, müssen aber noch weiter hinzu- 
$ fügen, -dass--in allen diesen Fällen die Früchte derartig eingerichtet 
sind, dass sie sich von ihrem Grunde loslösen, und so in ihrer 
As  Ganzheit verbreitet werden; denn wozu würden die Verbreitungs- 
?  ausrüstungen sein, wenn die Körper, an denen sie sich finden, 
ar © nicht von ihrem Entstehungsort leicht losgelöst werden könnten. 
AR . Interessant ist es nun, dass in allen (?) den Fällen, wo dieses Los- 
u lösen der Früchte — die nothwendige Vorbedingung für die Ver- 
| — breitung der Samen — nicht statt hat, mit dieser veränderten 
Sachlage auch andere Verhältnisse abgeändert sind. In denjenigen, 
= im Allgemeinen wohl nicht häufigen Ausnahmsfällen nämlich, wo 
die Früchte bei Einsamigkeit sich öffnen, scheint auch zu gleicher 


a ER ; Er 


96 


Zeit die ganze Frucht sich nicht von ihrem Grunde abzulösen, 


und ferner findet sich in diesen Fällen die Verbreitungsausrüstung 
auch am Samen — jedenfalls ein interessanter Beleg dafür, dass 
vielfach bei Abänderung eines Organs (sowohl im Pflanzen- wie 
im Thierreich), eines Verhältnisses auch andere sich ändern müssen 
und geändert haben, damit ein bestimmter Vortheil erreicht werde. 
Das beste hierher gehörige Beispiel liefert die Gattung Magnolia 
-und andere Magnoliaceen (DE CANDoLLE, Phys. II p: 248). Die 
einzelnen einsamigen Früchte, mit harter Schale versehen, sitzen 
zu mehreren fest" an einer Achse vereinigt und die Samen aus 
ihnen würden nicht verbreitet werden können, wenn nicht die 
harte Fruchtknotenwand zur Reifezeit aufspränge und den Samen 
den Ausweg öffnete, die dann ausserdem noch die bekannte inter- 
essante Erscheinung zeigen, dass sie mit hochrother fleischiger 
Aussenschicht versehen, an einem elastischen Faden aus den ein- 
‘zelnen Früchten heraushängen, der aus den Spiralgefässen des 
Nabelstranges entstanden, Fig. 7 a. Bei dieser Einrichtung wer- 
den sie einestheils den Vögeln leicht sichtbar gemacht, andern- 
theils können sie auch bei einem starken Winde abgerissen und 
ein Stück hinweggeschleudert werden. Wir haben hier also einen 
offenbaren Zusammenhang in dem Sitzenbleiben einer einsamigen 
Frucht mit ihrem Oeffnen und mit dem Vorkommen einer Ver- 
breitungsausrüstung an ihrem Samen. Andere Fälle von einsamigen 
aber aufspringenden Früchten werden angegeben von Pseudanthus, 
Dryobalanops, Dasynema, Lecanocarpus und Hablitzia, ferner 
haben wir bei Amaranthus und Chamissoa eine einsamige Kapsel, 
die sich mit einem Querriss öffnet, und deren Same leicht durch 
den Wind verbreitet werden kann. Auch in diesen beiden letzten 
Fällen bleibt die Kapsel sitzen und ein gleiches dürfte bei den 
_ vorher genannten Gattungen der Fall sein.. Es wäre von Interesse 
auf diesen Punct noch ferner das Augenmerk zu richten. 

Sehr mannigfaltige Einrichtungen, die für die Verbreitung der 
Samen, also auch die der Pflanzen, von Vortheil sind, finden sich 


an den Früchten, welche mehrere Samen enthalten, wo nun, 


97 


abgesehen von den sogleich zu erwähnenden Spaltfrüchten, diese 


Samen entweder durch Aufspringen ‚der Früchte frei und so ver- 


theilt werden können, oder wo die Früchte bei fleischiger Be- 


schaffenheit sich nicht öffnen, und die in ihnen beisammen liegen- 
den Samen dadurch ihre Vertheilung finden, dass sie im Darmcanal 
der Thiere von einander entfernt und in den Exkrementen dieser | 
an den verschiedensten Orten ausgestreut werden. 


Bei diesen letzteren, den mehrsamigen Fleischfrüchten, 


‚Beeren gewöhnlich genannt, war es nach dem Verbreitungsagens, 


den Thieren nämlich, welchem sie angepasst sind, zu erwarten, 
dass ihre einzelnen Samen, eben so wenig wie die der einsamigen 


sich nicht öffnenden Früchte, keine besondere Verbreitungsaus- 


 rüstung an sich haben würden, indem sie ja im Darmcanal der 


Thiere in der den meisten Samen eigenen länglichen oder kuge- 


ligen Grundform leicht ‘vorwärts rücken können; und so finden 


wir dieselben denn auch ohne besondere Anhänge oder merkwür- 


dige Formen. Allenfalls können wir in einzelnen Fällen ihre 


Glätte als ihrem ka im Darmcanal der Thiere besonders för- 


derlich ansehen. Auf der anderen Seite wird aber durch das 


Agens, welches sie verbreitet, eine schützende Einrichtung nöthig, 


und diese finden wir darın, dass die äusseren Schichten dieser 


Samen so erhärtet sind, dass sie den Reibungen im Darmcanal ein 


Hinderniss entgegensetzen und in ihrer Keimkraft unversehrt den- 


selben verlassen können. Nur in RER ‚Fällen (Mespilus, Cra- 


taegus), von denen oben schon ‚gesprochen, geht die harte den 


Samen umgebende Hülle dieser Früchte, von den Innenflächen der 


Fruchtknotenwände aus, vielmehr sind diese in ihrer ganzen Dicke 


gewöhnlich fleischig und bilden so die Verbreitungsausrüstung. 


Diese Ausrüstung ist nun den- Thieren besonders angepasst. Um 


nämlich von denselben verschlungen zu werden müssen die Früchte 


zuerst einen besonders anziehenden Geschmack und Geruch be- 
sitzen und namentlich wirkliche Nahrstoffe in sich enthalten, und 


so sehen wir denn auch, dass das Fruchtfleisch vielen Thieren, 


namentlich den Vögeln, einen grossen, manchmal überwiegenden 
Hildebrand ‚ Verbreitungsmittel der Pflanzen. 7 


i 


98 


Theil der Nahrung bietet, gegen den die Masse und Nahrhaftig- 
keit der in diesen Früchten enthaltenen Samen ganz zurücktritt, 
so dass für die Thiere kein Schade daraus erwächst, dass sie diese 
mit verschlingen. Weiter müssen nun aber die Fleischfrüchte, um 
von den Thieren genossen zu werden, denselben in die Augen 
fallen, und da sehen wir denn an denselben die Einrichtung, dass 
sie durch eine andere als grüne Färbung zur Reifezeit von dem 
sie umgebenden grünen Laube sich abheben, und so leichter ge- 
sehen werden können. Vielfach erstreckt sich diese Färbung auf 
die ganze Oberfläche, besonders interessant sind aber die schon 
. genannten Fälle, wo, wie bei Aepfeln, Birnen, Pfirsichen etc., die 
nach aussen gekehrte, also leicht sichtbare Seite der Früchte be- 
‚sonders hervortretend gefärbt ist. Wir können übrigens einen 
Vergleich zwischen den Verbreitungseinrichtungen der Fleisch- 
früchte und den Bestäubungseinrichtungen der Blüthen ziehen: in 
beiden Fällen kommt es darauf an, die Thiere zur Verrichtung 
bestimmter. Geschäfte anzulocken ; in beiden Fällen wird dieses 
Anlocken durch die 'hervortretende Farbe und durch den Geruch 
hervorgebracht, was aber allein nicht zur Erreichung des be- 
stimmten Vortheils ausreichen würde; und so finden denn die 
angelockten Insekten in den buntfarbigen Blüthen den Nectar und 
Pollen als nahrhafte Speise und bestäuben bei dem Sammeln des- 
selben die Blüthen, während die von dem Ansehen der Fleisch- 
früchte angelockten Vögel in dem Fleische derselben ihre Nahrung 
erkennen und mit dieser Nahrung, die mit derselben vermischten 
Samen verschlingen, um sie später hier und da auszustreuen. 

= Bei weitem mannigfaltiger als die vortheilhaften Verbreitungs- 
einrichtungen bei den mehrsamigen Fleischfrüchten, sind die der 
trockenen mehrsamigen Früchte, bei denen die Vertheilung 
der Samen einestheils dadurch bewirkt wird, dass sie in einzelne 
Stücke sich auflösen, welche ihrerseits die V erbreitungsausrüstung 
‘an sich tragen, während bei den anderen, der Mehrzahl, die Kap- 
seln sich öffnen und die Samen entlassen. 


‚Ueber diejenigen Fälle, wo mehrsamige Früchte in einzelne 


99 
Stücke zerfallen (die sogenannten Spaltfrüchte) scheint es ange- 
messen kurz hinwegzugehen, indem wir hier ganz dieselben vor- 


theilhaften Einrichtungen zu verzeichnen haben, wie bei den ein- 


'samigen, nicht aufspringenden Früchten. Geflügelte einsamige 


Theilfrüchte finden wir bei den Umbelliferen und bei Acer, Fig. 2 d, 


mit Haken versehene bei Galium Aparine und mehreren Boragi- 


neen; wegen ihrer Kleinheit sind sie leicht verbreitbar bei vielen | 


Labiaten. ; 


Die interessanteren vortheilhaften Verbreitungseinrichtungen 


zeigen die sich öffnenden mehrsamigen Früchte. Hervorgebracht 
wird dieses Aufspringen durch einen bestimmten anatomischen Bau, 
welcher der Art ist, dass bei Eintrocknung gewisse Stellen der 


Kapselwände stärker zusammentrocknen und oft in anderer Rich- 


tung sich zusammenziehen, als andere benachbarte, wodurch dann 


Risse, Umbiegungen und Auseinanderbiegungen entstehen, durch 


welche die Samen frei werden. Dabei geschieht es nun, dass 
dieses Eintrocknen ein derartiges ist, dass die Samen durch die 
plötzlich eintretenden Risse und Umbiegungen in bestimmte Ent- 
fernungen fortgeschleudert werden — über welche Fälle schon oben 
näher die Rede gewesen — bei anderen, der überwiegenden Mehr- 
zahl der Pflanzen, wird hingegen durch langsam auftretende Risse 
nur bewirkt, dass die Samen der Wirkung des Windes ausgesetzt 
werden, der hier das eigentliche Verbreitungsagens ist. Für dieses 
Agens sind nun verschiedene Einrichtungen der Früchte von Wich- 


tigkeit. Zuerst ist hervorzuheben, dass ganz abgesehen von der 


Lage und Richtung der in den Kapseln auftretenden Risse oder. 
sonstigen Oeffnungsstellen, diese Oeffnungen immer allmälig ein- 


treten und nicht plötzlich ihrer ganzen Länge und Grösse nach. 


Durch dieses Verhältniss wird offenbar bewirkt, wie auch A. P. 


DE CANDOLLE!) andeutet, dass die Samen nicht auf einmal frei 


werden, sondern nach und nach, und so die Zeit zwischen dem 
Freiwerden des ersten Samens und dem des letzten bedeutend in 


WERL OH DE ZUR. | AR 


100 


die Länge gezogen wird. Bei dieser Verlängerung der Ausfallszeit 


der Samen ist auch der Spielraum des Windes bedeutend ver- 
grössert, den einen Tag kann er stärker, den anderen Tag schwächer 
_wehen, und in dieser Weise wird durch die vorliegenden Verhält- 
nisse die Ausstreuung der Samen in der verschiedensten Entfernung 
um die Mutterpflanze in ausgezeichneter Weise begünstigt. Ausser- 
dem ist zu berücksichtigen, dass bei diesem allmäligen Freiwerden 
der Samen dieselben oft dadurch, dass sie noch halb eingeklemmt 
sind, eine solche Lage einnehmen werden, dass sie von selbst 
nicht herausfallen, wohl aber vom Winde herausgeweht werden 
können, also ihr Freiwerden mit dem Wehen des Windes zusam- 
menfällt. Rorrper!) wirft die Frage auf, ob es vielleicht nicht 
richtiger wäre, anstatt als Hauptvortheil bei der allmäligen Samen- 
ausstreuung die weite Verbreitung derselben anzusehen, anzuneh- 
men, »der Hauptzweck dieses allmäligen Ausstreuens sei, die Samen 
nicht alle zur nämlichen Zeit der Erde anzuvertrauen und dadurch 
die Aussicht auf eine der Aussaat günstige Witterung oder der- 
gleichen zu vermehren«. Jedenfalls springt auch dieser genannte 
Vortheil in die Augen, doch fällt derselbe ja theilweise mit dem 
von uns so eben hervorgehobenen zusammen, indem ja die für die 
Aussaat günstige Witterung grösstentheils in dem Wehen eines 
schwächeren oder stärkeren Windes beruht, so dass beide An- 
sichten sich nicht so entgegenstehen, wie es scheint. Jedenfalls 
ist es klar, dass, wenn die Oeffnung der ganzen Kapsel und somit 
das Freiwerden der einzelnen Samen auf einmal einträte, dieses 
sehr oft bei Windstille geschehen, die Samen also direct auf den 
Boden fallen würden, oder dass, wenn zur Zeit der Oeffnung der 
Wind wehte, nur die Verbreitung in einer Richtung stattfinden 


würde — während bei dem allmäligen Freiwerden, wie wir schon 


angedeutet haben, in den meisten Fällen dasselbe nur bei Wind 


stattfindet, anderntheils während dieser Zeit der Wind in dieser 


1) Uebersetzung von DE CANDoLLE’s Pflanzenphysiologie Il p. 237. 


ug 
in = 


E 


101 


oder jener Richtung wehen kann, also die Samen ringsum aus- 
streuen. | ; 


Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Oeffnen der Kapseln = 
hauptsächlich durch Austrocknung der Kapselwände hervorgebracht 
wird. Diese Austrocknung kann nun zwar auch bei stiller Luft, 
einfach durch die Wirkung der Sonne hervorgebracht werden, be- 
sonders wird aber für ihren Eintritt ein starker Luftzug wirksam 
sein, so dass auch in dieser Hinsicht das Freiwerden der Samen 


_ mit einem wehenden Winde vielfach zusammenfallen wird. 


EE Besonders interessant ist es nun aber, wie die Oeffnungen, 
3 durch welche die Samen aus den Kapseln frei werden, eine der- 
artige Lage haben, dass die Samen nicht unmittelbar auf die Erde 
fallen können, sondern erst eine Erschütterung der Pflanze, die 
eben durch den Wind herbeigeführt wird, nöthig ist, um die 


Samen aus den Kapseln hinaus zu befördern. Es liegt auf der 


Hand, dass alle derartig vortheilhaften Oeffnungen von oben, der 


dem Erdboden entgegengesetzten X Seite her, eintreten. müssen, nie- 
mals von unten her, da dann die Samen vermöge ihrer Schwere 


E ra `- direct auf den Erdboden fallen würden; das hauptsächlich inter- 


essante ist aber dies, dass die Kapseln im Vergleich zu der Lage, 


J Fr. die sie im unreifen Zustande einnehmen, vielfach zur Reifezeit 
= A Ea dig vortheilhafte Drehung machen, oder dass sie gleich von An- 
h pN 3 fang an so organisirt sind, dass sie bei der der gewöhnlichen Lage 
4 2 ~ entgegengesetzten Richtung ihre Oeffnungsstellen an dem geeig- 
b | = neten Orte zeigen. Es dürfte von Wichtigkeit sein, auf diesen 
x |} Punct etwas näher einzugehen. ee 


aine 
x 


Ecg Der einfachste Fall ist der, wo die Blüthen aufrecht stehen, 
ebenso die junge Frucht und dann auch die reifende, und diese 
sich von oben, ihrem Gipfel her öffnet. Es ist dies Verhältniss 
das häufigste, und wir "können bei der grossen Anzahl der hier- 
'hergehörigen Pflanzen wieder solche unterscheiden, wo die Kapsel 
sich mit Längsrissen öffnet, die” ‘von ihrem Gipfel entspringen, 


oder wo durch einen Querriss ein oberer Theil der Kapselwand 


—— 


102 


sich lostrennt, oder wo nur kleine Poren am Gipfel der Kapsel 
auftreten. Die Längsrisse, welche in den meisten Fällen vorkom- 
men, zeigen nun ausser ihrem allmäligen Auftreten von oben her 
noch die vortheilhafte Einrichtung, dass die durch sie hervorge- - 
brachten Oeffnungen meist nach dem Centrum der Frucht zuliegen, 
so dass auch hierdurch ein gerades Herabfallen der Samen verhin- 
dert ist, dieselben sich vielmehr in der sich öffnenden Kapsel wie 
in einem Becher anhäufen, aus dem sie erst bei einer Erschütte- 
rung entfernt werden. Im Allgemeinen nicht sehr häufig sind 
Querrisse, wie sie sich z. B. an den aufrechten Kapseln von Plan- 


tago, Hyoscyamus und Portulacca finden. Auch in diesem Falle 


‚bleiben die Samen im unteren Theile der Kapsel, wie in einem 


Becher liegen, aus dem sie erst durch den Wind hervorgeschleu- 
dert werden. Besonders der weiten Verbreitung der Samen günstig 
ist aber der Fall, wo die aufrechten Kapseln sich am Gipfel mit 
Poren öffnen, wie dies bei Papaver geschieht, wo allein bei Wind 


die Samen hervortreten können, indem die Kapsel sich niemals so - 


weit öffnet, dass die Samen aus ihr herab direct auf den Boden 


fallen können. 


Weiter haben wir eine ganze Reihe von Fällen, wo aus hän- 
3 


genden oder geneigten Blüthen sich Kapseln bilden, die von ihrem 


\ Gipfel her sich öffnen, und wo nun zur Reifezeit diese hängenden 


Kapseln sich aufrichten, so dass die Risse oder Löcher die für die 
weite Verbreitung der Samen geeignete Lage einnehmen. Wenn 
diese Kapseln hängend bleiben würden, so müssten bei ihrem 
Oeffnen die Samen direct auf den Boden fallen, während sie nun 
vom Winde hinausgeweht werden. Derartige Beispiele finden sich 
besonders auffallend bei Zihum Martagon, Fritillaria imperialis, 
Tulipa sylvestris, mehreren Arten von Abutilon und Primula, bei 
Hibiscus Manihot, Verbascum, Scrophularia, Digitalis, Linaria, 
Antirrhinum, Soldanella, Dodecatheon und anderen mehr. Ferner 


schliessen sich hier die wenigen Fälle an, wo aus aufrechter Blüthe 


sich eine hängende Kapsel entwickelt, die zur Reifezeit sich wieder 


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4 


103 


 aufrichtet, und an ihrem Gipfel, also oben, sich öffnet: ein solches 


Verhältniss findet sich bei Tradescantia coerulea, Tinnantia erecta 
und dem Aehnliches bei vielen Ozalis- Arten, z. B. bei Oxalis 
acetosella und hedysaroides. | | 

In allen diesen Fällen nehmen also die Kapseln zur Reifezeit 
eine aufrechte Stellung an und öffnen sich dann in geeigneter 
Weise an ihrem Gipfel. Gerade entgegengesetzt ist nun die Oefl- 
nungsweise bei solchen Kapseln, die zur Reifezeit hängen, denn 
diese öffnen sich an ihrer nach oben gerichteten Basis, nicht an 
dem nach unten gerichteten Gipfel. Auch hier haben wir wieder 
verschiedene Verhältnisse in der Lage der Blüthen und Drehung 
der Früchte zu unterscheiden. Am einfachsten ist der Fall, wo 


aus den hängenden Blüthen sich eine auch zur Reifezeit hängende 


Kapsel entwickelt, die sich von ihrer Basis, also von oben her, 


öffnet. Das bekannteste Beispiel dieser Art dürften mehrere Bego- 
niaceen und Campanula-Arten liefern, auch andere Campanulaceen 
; j 4 EEE i . . 
gehören hierher, z. B. Adenophora, Symphyandra und Michauzia. 
Besonders interessant für unsere Betrachtung ist es, dass bei einigen 
Campanulaceen, z. B. bei Phyteuma, canescens und Platycodon 
grandiflorum, wo die Kapseln aufrecht stehen, auch die Oeffnung 
an dem Gipfel dieser Kapseln entsteht, in geeigneter Weise ab- 


weichend von den Verhältnissen der so eben genannten Campanu- 


laceen. — Auch bei Eeceremocarpus scaber finden wir eine zur 


‚Reifezeit hängende Kapsel, die sich von ihrer Basis, also von oben 
her, mit zwei Längsrissen öffnet, so dass hier die Samen nicht 
herausfallen, sondern erst bei einem Winde hinausgeschleudert 
werden. Weiter dürfte es hier am Orte sein, der aus hängenden 
Blüthen sich entwickelnden hängenden Früchte von Caiophora 


lateritia zu erwähnen. Dieselben öffnen sich zwar nicht von ihrer 


Basis her, aber doch in einer die weite Samenverbreitung begün- 


stigenden Weise, indem ihre spiralige Drehung sich rückwärts be- 
wegt, wobei die Fruchtfächer auseinander gehen und nun Risse 
entstehen, die zuerst ganz schmal sind, dann aber breiter und 


breiter werden, so dass zu einem gewissen Zeitpunct die Samen 


104 


zwischen ihnen durch eine Erschütterung, also vom Winde hin- 
ausbefördert werden können. 

Ein anderer interessanter Fall ist der, wo aus aufrechten Blü- 
then sich solche Kapseln entwickeln, die zur Reifezeit hängen, 
und wo nun die Oeffnung der Kapseln von ihrer Basis, also von 
oben her, eintritt; wie solches vom Sumpfporst, Ledum palustre, 
allgemein bekannt sein dürfte. | 

Endlich ist einiger Fälle Erwähnung zu thun, wo hängende 
Kapseln zur Reifezeit sich nicht aufrichten und dabei an ihrem 
Gipfel, also mit der Oeffnung nach unten hin aufbrechen. Dies 
kommt z. B. vor bei Anagallis, wo aber durch dies Verhältniss 
die Samen durchaus nicht direct auf den Boden fallen müssen, 
indem sie ziemlich fest zur Zeit der Kapselöffnung an ihrer Pla- 
centa ansitzen und wahrscheinlich erst im Laufe einiger Zeit loser 
werden, so dass sie nun vom Winde ganz abgerissen und hinweg- 
geführt werden können. | 

Nach Allem wird es offenbar, ‘wie die Oeffnungsweise der 
Kapseln zu der Stellung derselben im Reifezustande derartig in 
Beziehung steht, dass dadurch ein der möglichst weiten Samen- 
verbreitung günstiges Verhältniss geschaffen wird, durch welches 
die Samen verhindert werden direct auf den Boden zu fallen. Bei 
den fleischigen Früchten kommt es nicht auf die Stellung an, und 
so sehen wir denn auch, dass die Lage derselben eine ganz will- 
kürliche ist, dass sie bald hängen, bald aufrecht stehen, je nach- 
dem die Blüthen, aus denen sie entstanden, hingen oder aufrecht 
waren, wobei allenfalls nur die Schwere der Früchte die Ausnahme 
bewirken kann, dass aus aufrechten Blüthen hängende Fleisch- 


früchte entstehen. 


Wie wir nun gesehen haben, dass die Oeffnungsweise der 


mehrsamigen trockenen Früchte dafür geeignet ist, die in ihnen 
enthaltenen Samen der Windwirkung auszusetzen, so finden wir 
auch im Zusammenhange hiermit, dass eben diese Samen an sich 
besondere Ausrüstungen für die Verbreitung durch den Wind be- 


sitzen, welche wir sowohl an denen der einsamigen trockenen, als 


N 


105 


an denen der mehrsamigen fleischigen, sich nicht öffnenden Früchte 
nicht fanden: wir haben hier kleine und leichte Samen, Samen 
mit Flügeln und Haaranhängen, die alle der Verbreitung durch 


den Wind angepasst sind. ‚Ferner ist hier der eigenthümlichen 


- Weise Erwähnung zu thun, in welcher diese Samen selbst mit zur 


Oeffnung der Kapseln und dadurch zu ihrem: Freiwerden mit- 
wirken. Die mit haarigen und federigen Anhängen versehenen 
Samen liegen nämlich in den Kapseln eng aneinander gedrängt, 
ihre Anhänge auf den geringsten Raum zusammengepresst. Beim 
Austrocknen zeigen nun aber diese Anhänge das Bestreben sich 


auseinander zu breiten, und dieses Bestreben hilft. nebst der auf 


die Kapselwände durch Eintrocknung ausgeübten Wirkung die 


Risse in denselben hervorzubringen, so dass hierdurch die Samen 


bei ihrem Freiwerden mit thätig sind, ein Verhältniss, welches 


man leicht an den Früchten der Baumwolle, der Pappeln und 


Weiden beobachten kann. Interessant ist, es weiter, wie dieses 


Auseinandertreten der Haare, welche die Samenschöpfe bilden, 


‘durch den anatomischen Bau dieser in verschiedener Weise her- 


vorgebracht wird. In den meisten Fällen, z. B. bei Asclepias, 
- Apocynum und Myricaria ist die Aussenseite der genannten Haare 
nicht besonders verdickt, während die Innenseite, die nach dem 
Centrum des Schopfes zuliegende, eine mehr oder weniger starke 
 Verdiekungssubstanz. zeigt, die der Eintrocknung widersteht, so 

"dass also, wenn diese eintritt, die Haare von dem Centrum des Ä 
Schopfes sich nach aussen umbiegen müssen. In anderen Fällen, 
z. B. bei Guzmannia, ist hingegen die Aussenseite der Schopf- 
haare verdickt, jedoch hier mit einer stark bei Eintrocknung sich 
zusammenziehenden Substanz, so dass bei verschiedener Lage der 
Verdiekung ein und derselbe Erfolg erreicht wird, nämlich das bei 
Eintrocknung nach aussen hin stattfindende Umbiegen der Samen- 
schopfhaare. Endlich zeigt sich bei Epilobium eine ganz eigen- 


thümliche Einrichtung zur Ausbreitung der ‚Samenschöpfe, indem 


hier diese Schöpfe beim Auseinanderbiegen der Kapselklappen mit 


der einen Hälfte in einer Rinne der rechts liegenden Klappe mit 


106 


der anderen in der der links liegenden eingeklemmt und so von 
einander entfernt werden, wobei dann der Samenschopf ausge- 
breitet wird, bis endlich seine Haare aus den Rinnen der Kapsel- 
klappen an ihrer Spitze ganz frei werden, so dass nun die Samen 
fortfliegen können !), 


Schliesslich haben wir, ehe wir die Oeffnungsweise der mehr- 


samigen 'Trockenfrüchte verlassen, noch derjenigen Erwähnung zu 


thun, die fast gleich von Anfang an offen sind, bei denen also 
scheinbar die Samen leicht herausfallen können, wohin die Früchte 
von keseda und Mitella pentandra?) gehören. Hier ist aber dar- 
auf aufmerksam zu machen, dass diese Samen bis zu ihrer Reife 
sehr fest mit den Fruchtwänden in Verbindung sind, so dass sie 
keineswegs zu jeder Zeit sich loslösen können, sondern erst durch 
einen Windstoss von ihrem Boden losgerissen und so aus der 
` Kapsel hinausbefördert werden. Dazu kommt dann noch, dass bei 
einzelnen Reseda-Arten, z. B. Reseda lutea und luteola, die Kap- 
seln aufrecht stehen, so dass schon hierdurch die Samen nicht 
herausfallen können, auch wenn sie sich losgelöst haben, während 
bei anderen Reseda-Arten, z. B. R. odorata, die hängende Kap- 
seln haben, diese blasiger Natur sind, also dem Winde eine gute 
Handhabe geboten ist, um dieselben hin und her zu rütteln, dabei 
die Samen loszulösen und hinaus zu befördern; ehe sie von selbst 
sich lösten und direct auf den Boden fallen konnten. Von Mitella 
pentandra wird angegeben’), dass die zweiklappige Frucht bald 
nach dem Abfallen der anderen Blüthentheile sich öffne, worauf 
ihre Klappen sich zurückbeugen und die Samen bis zur Reife 
völlig entblösst lassen; wir vermögen aber nicht anzugeben, ob 
dieselbe an sich eine besondere Verbreitungsausrüstung besitzt. 
Andere Beispiele von Früchten, die vor der Reife der Samen sich 


öffnen, liefern Leontice thahetroides und altaica sowie Peliosanthes 


1) Näheres : Bot. Zeitung 1872 p. 233 ff. 
2) Bot. Reg. 2933. 
3) TREVIRANUS Physiol. II p. 499. 


BT 


Teta, wo bei letzterer der Samen fleischig wird, also an sich selbst 


u eine gute Verbreitungsausrüstung hat. | 
$ l : F S Aus dem Vorhergehenden haben wir wohl zur Genüge erkennen j} 
E können, dass das Geschlossenbleiben einer Frucht mit ihrer Ein- 
A z _samigkeit zusammenhängt und auf der anderen Seite das Auf- 
A springen derselben mit ihrer Mehrsamigkeit, und dass beide Ver- 


hältnisse dazu dienen die Samen möglichst weit zu verbreiten. 


Ein weiterer oben nicht gegebener Beleg für den genannten 


A r ž k Ta . . . .. ` t > 
| Zusammenhang dürfte geeigneter Weise hier noch berührt werden. 3 
1. Wir haben nämlich solche Fälle zu verzeichnen wo bei den Gat- : 

E tungen einer und derselben Familie, bei den einen aus einem 


 Fruchtknoten, der mehrere Samenknospen enthält, sich eine ein- 


samige Frucht ausbildet, die dann: nicht aufspringt und die an sich 


A e die Verbreitungsausrüstung trägt, während wir bei den anderen 
x m sich mehrere der Samenknospen zu Samen entwickeln sehen, wo 
j p dann die Frucht sich öffnet und die Samen die Verbreitungsaus- 
FE rüstung besitzen. So haben wir bei den Trliaceen: mehrere Samen- 
T a  knospen im Fruchtknoten, von denen sich bei Tilia nur eine zum 


Beo Samen entwickelt, wo dann die Frucht nicht aufplatzt und in 
| dem grossen Deckblatt die bekannte Flugmaschine besitzt, wäh- 


m rend bei anderen Trliaceen, z. B. bei Corchorus, die Kapsel mehr- 


1. samig ist, sich öffnet und zahlreiche kleine vom Winde zu bewe- 


gende Samen enthält. Bei den Oleaceen sind vier Samenknospen ho 
i ; ~ im Fruchtknoten, und hier ist die Frucht von Fraginus eim- | 
= samig, bleibt geschlossen und ist 'geflügelt, ferner von Olea ein- | 
samig und fleischig, während wir bei Syringa eine aufspringende | 


2 : Kapsel haben mit mehreren geflügelten Samen. Unter den Cru- 


ciferen finden wir die Mehrzahl mit mehrsamigen sich öffnenden 
Kapseln, deren Samen flügelig umrandet oder sonst leicht verbreit- 
bar ‘sind, während bei Peltaria und Isatis die Früchte einsamig 
E sind, geschlossen bleiben und einen Flügelanhang haben. Beson- 


ders interessant wird aber unter den Cruciferen in dieser Beziehung 


ER 


das Aethionema heterocarpum, wo an einem und demselben Stock ' 


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=- sich mehrsamige Früchte finden, die sich öffnen, und einsamige, |. 


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108 


die geschlossen bleiben, wenn auch nicht die Abänderung so weit 


geht, dass die einsamigen Früchte an sich allein die Flügelum- 
randung hätten, die mehrsamigen eine besondere Verbreitungsaus- 
rüstung am Samen besässen. Unter den Onagrarieen hat Gaura 
eine 1—2samige geschlossen bleibende Frucht, die meisten übrigen | 
Gattungen mehrsamige aufspringende Kapseln -— und so dürften 
sich noch mehrere Fälle finden, welche darthun, dass ein Zusam- 
menhang zwischen Einsamigkeit, Nichtaufspringen der Früchte 
und ein Vorkommen der Verbreitungsausrüstung an diesen selbst 
stattfindet, wie zwischen dem Vorkommen von zahlreichen mit Ver- 
breitungsausrüstungen versehenen Samen und dem Sichnichtöffnen 
der Früchte. 

© Nach diesen Betrachtungen über die vortheilhaften Verhältnisse, 
welche sich in dem Bau der Früchte zum Behufe der Samenver- 
breitung finden, gehen wir dazu über kurz zu zeigen, wie die 
Loslösung der Verbreitungsorgane von der Mutterpflanze gerade 
an der geeigneten Stelle stattfindet, nämlich derartig, dass der zu 
verbreitende Same mit der ihm zur Verbreitung dienenden Aus- 
rüstung in Verbindung bleibt. Ist es der Same (eine Spore oder 
sonstiger Brutkörper), welcher wegen seiner Leichtigkeit und 
Kleinheit oder bei flügeligen, haarigen oder federigen Ausrüstungen 
leicht verbreitet werden kann, so löst dieser sich los, er wird allein 
frei, und in diesem Zustande ausgestreut. Bleibt der Same hin- 
gegen in der Frucht fest eingeschlossen, so löst er in den meisten 
Fällen zur Reifezeit sich nicht ab, sondern bleibt mit dem Inneren 
der Fruchtwand in mehr oder weniger fester Verbindung; dafür 
tritt aber eine Lösung des Fruchtknotens an seinem Grunde ein, 
wenn dieser selbst, oder sein Griffel oder die oberständige Blumen- 
krone, der oberständige Kelch mit der Verbreitungsausrüstung ver- 
sehen ist. Findet sich weiter diese Ausrüstung am unterständigen 
Kelch oder Perigon, so findet die Loslösung dicht unterhalb dieses 
statt; ist ferner der Fruchtstiel mit der Ausrüstung versehen, so 
wird er sich sammt der Frucht, die er trägt, ablösen, und endlich 


löst sich ein ganzer Fruchtstand los (Rhus Cotinus) wenn an an- 


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109 


deren Verzweigungen desselben, als den Fruchtstielen selbst, sich 


die Verbreitungsausrüstung findet, oder die ganze Pflanze reisst 


aus dem Boden aus (Anastatica hierochuntica), wenn sie in ihrer 


Ganzheit die Verbreitungsausrüstung besitzt. — Nur ausnahms- 
weise bleiben die Verbreitungsausrüstungen an der Mutterpflanze 
sitzen, ohne jedoch in den betreffenden Fällen ihren Zweck zu 
verfehlen. So werden z. B. bei Lagurus aus dem wolligen Frucht- 
stande die Früchte mit den Spelzen losgerissen, während die das 
wollige Ansehen hervorbringenden mit federigen Anhängen ver- 
sehenen Glhumae sitzen bleiben; sie sind ja aber auch so von Vor- 
theil, indem sie bewirken, dass der Fruchtstand vom Winde hin 
und her geweht wird. Aehnlich ist es mit den blasigen Früchten, 
welche sich öffnen und die Samen entlassen (Staphylea) und ebenso 
mit den einsamigen sich öffnenden Früchten, die an der Mutter- 
pflanze sitzen bleiben und oben schon besprochen wurden. 
Weiter müssen wir zugeben, dass alle die aufgeführten zur 
Verbreitung dienenden Ausrüstungen zu nichts führen würden, 


wenn sie sich nicht gerade zur rechten Zeit, nämlich erst dann 


entwickelten, wenn die Samen oder Brutkörper vollständig reif 


sind; wir haben daher ferner die Rechtzeitigkeit in der Ent- 
wickelung der Verbreitungsausrüstungen etwas näher 
ins Auge zu fassen. Vollständig gleichgültig ist es für die Pflan- 
zenverbreitung zu welcher Zeit die Verbreitungsausrüstung ihrer 


Samen oder deren Umgebung sich zu entwickeln beginnt, und so 


sehen wir die Anfänge zu derselben in den verschiedensten Zeiten 


auftreten. Meistens einige, Zeit nach der Befruchtung entsteht 
gewöhnlich erst das Fleischigsein; dicht auf die Befruchtung folgt 
in vielen. Fällen der Anfang zur Bildung von haarigen, federigen 


oder flügeligen Anhängen am Samen, während, wenn diese An- 


hänge sich am Fr uchtknoten, dem Kelch, der Blumenkrone finden, 


sie gewöhnlich auch schon mit der ersten Anlage dieser, wenig- ` 


-stens angedeutet, erscheinen — alles dies aber durchaus nicht ohne 


‘Ausnahmen. So sind z; B. die Samenschöpfe von Epilobium 


schon in sehr jungen Blüthenknospen angelegt, während sie bei 


ae 


110 


Apocynum erst einige Zeit nach der Befruchtung auftreten; bei 
Geum urbanum bildet sich die Hakenform des Griffels erst nach 
der Befruchtung vor, während am Griffel von Pulsatilla die Haare 
‚sich schon in den Blüthenknospen finden — und so liessen sich 
viele Beispiele anführen, welche zeigen, dass der Anfang in der 
Entwickelung einer Verbreitungsausrüstung ein ganz willkürlicher, 
weil für die Pflanzen unwichtiger, ist, während es anders steht 
mit der vollständigen Ausbildung dieser Verbreitungsausrüstung, 
die nur dann erst nöthig ist, wenn die Samen reif sind, und die 
auf der anderen Seite schädlich sein würde, wenn sie früher ein- 
träte, so dass also Samenreife und. die Beendigung in der Ent- 
wickelung der Verbreitungsausrüstung zusammenfallen müssen. 
Was zuerst die federigen und haarigen Verbreitungsausrüstungen 
angeht, so ist schon oben davon die Rede gewesen, wie diese dureh 
eine bestimmte Structur so bei Eintrocknung auseinander treten, 
dass sie als Flugmaschinen dienen können. Diese Struetur ent- 
wickelt sich nun aber erst gegen die Reifezeit der Samen voll- 
ständig, indem vorher die einzelnen Haare auf allen Seiten mehr 
oder weniger gleich dick erscheinen und also bei Eintrocknung 
kein Umbiegen an ihnen und daher auch kein Auseinanderspreizen 
des ganzen Samenschopfes stattfinden könnte. Weiter ist hiermit 
schon. angedeutet, dass diese Haarschöpfe derartig eingerichtet sind, 
dass sie, abgesehen von der Reife der Samen denen sie angehören, 
nur bei solchen Witterungsverhältnissen sich ausbreiten können, 
die ihre Benutzung als Verbreitungsausrüstung möglich machen: 
nur bei trockenem regenlosen Wetter sehen wir daher die mit 
Haarschöpfen versehenen Samen und die gleich ausgerüsteten 
Früchte der Compositen vom Winde hoch in die Lüfte geführt, 
während sie bei feuchtem regnerischem Wetter mit zusammenge- 
'klappten Haaren am Boden liegen bleiben. Auch wenn die Feuch- 


tigkeit nicht direet die Haarschöpfe zum Zusammenklappen brächte, 


und diese dabei ausgebreitet blieben, so könnten sie dennoch nicht 


-als Fallschirm dienen, denn es würde sich zwischen ihnen so viel 


Feuchtigkeit ansammeln, dass sie von dieser beschwert doch schnell 


111 


zu: Boden sinken oder an ihm liegen bleiben müssten, Umstände, 
welche schon KERNER 1) hervorhebt und mit einigen Beispielen 
illustrirt: »Wenn man die Früchte einer Valeriana aus trockener 
Luft in feuchte Luft unter eine Glasglocke giebt, so sieht man 
alsbald die früher sternförmig abstehenden befiederten Strahlen 


des Flugapparates sich schneckenförmig zusammenrollen, so dass 


sie schliesslich nur kleine knopfförmige dem Achänium aufsitzende 


Convolute bilden; die gefiederten Schwänze der Früchte von Dryas 
octopetala und Geum reptans, welche auf dem Fruchtboden sitzend, 
bei troekener Luft einem krausen Nebelballen gleichen, bilden, so 
lange sie noch bethaut sind, einen zusammengedrehten Büschel 
und schliessen sämmtlich wie die Haare eines aus dem Wasser 
gezogenen Pinsels- dicht zusammen«. \ 

Ferner sehen wir, dass auch die dürch Luftführen der Zellen 
hervorgebrachte Erleichterung von Samen und Früchten erst gerade 
zur. Reifezeit derselben eintritt, nicht früher. Bei allen Samen, 


deren embryohaltiger Kern in einer Umhüllung von grossen paren- 


chymatischen Zellen liegt, wie dies z. B. bei den Orchideen, HE y, 
-det Fall ist, führen diese Zellen vor der Reifezeit einen wässerigen 


Saft und erhöhen dadurch das Gewicht des ganzen Samen nicht 


unbedeutend, während später der Saft schwindet, der Luft Platz 


macht und so das specifische Gewicht des Samens wesentlich ver- 


mindert wird. Ein ganz ähnliches Verhältniss sehen wir auch bei 


den schwammigen Früchten: im unreifen Zustande zeigen die- 
selben ein mehr oder weniger safterfülltes Zellgewebe, aus dem. 
aber zur Reifezeit der Samen an Stelle des austrocknenden Saftes 
die erleichternde Luft tritt, wie wir solches namentlich bei meh- 
reren Umbelliferen wahrnehmen. Auch können wir hier das Aus 
trocknen der Flügelanhänge zur Zeit der Samenreife anführen, 


durch welches die ganze Flugmaschine leichter, also günstiger 


eonstruirt wird, während sie früher vor der Samenreife, wenigstens 


an Früchten, ganz andere Functionen erfüllte, indem sie durch 


1) KERNER l. c. p. 162. 


112 


ihre grüne Farbe unter dem Einflusse des Lichts zur Ausbildung 


der in ihr enthaltenen Samen einiges Material beitrug. 


Weiter sehen wir auch die der Verbreitung durch Thiere an- 
gepassten Ausrüstungen erst zur Reifezeit der Samen zur vollkom- 
menen Entwickelung gelangen. An den hakigen und stechenden 
Anhängen erhalten gewöhnlich erst zu dieser Zeit die betreffenden 
Zellen die geeignete Stärke der Verdickung, während sie früher 
weich waren und nur die Form der Haftorgane besassen, ohne 
wirklich die Function derselben schon erfüllen zu können. Nament- 
lich ist es aber von Interesse zu sehen, wie an den fleischigen 
Früchten die Ausrüstungen zum Anlocken der Thiere erst zur 
Reifezeit der Samen auftreten. Wenn die Samen noch nicht reif 
sind, so haben auch die Früchte, in denen sie sitzen, fast durch- 
ll gängig noch keine hervortretende Farbe sondern unterscheiden sich 
' nur schwer von dem Laūbe in ihrer Nachbarschaft; auch der aro- 
matische Geruch fehlt noch, ebenso der angenehme Geschmack, 
so dass ein Thier, wenn es sie dennoch sehen und verschlingen 
sollte, keinen Wohlgefallen an diesem Genuss finden und ihn 
daher nicht weiter suchen würde. Erst gegen die Reifezeit der 
Samen bildet sich die hervortretende rothe, blaue, gelbe oder 
violette Farbe aus, das Aushauchen von besonderen Gerüchen 
findet statt, und das Fleisch wird weich und für gewisse Thiere 
_ wohlschmeckend — alles zur geeigneten Zeit, denn wenn nun die 
Thiere die Früchte sehen und verschlingen, so gehen die reifen 
Samen unversehrt durch dest Darmcecanal derselben hindurch, denn 
ihre Schale hat nunmehr die gehörige Härte und Derbheit erreicht, 
während, wenn die Früchte früher verzehrt worden wären, die 
Samen in ihnen zwar schon. keimfähig sein konnten, aber noch 
eine so zarte Hülle hatten, dass sie unfehlbar im Inneren der 
Thiere zerstört worden wären. So geht hier also Entwickelung 
von hervortretender Farbe, von Wohlgeruch und Wohlgeschmack 


mit der Reifezeit der Samen in vortheilhafter Weise Hand in. 


Hand. Beispiele dafür, dass Thiere wirklich erst die reifen 


113 


Fleischfrüchte und fleischigen Samen geniessen sind schon oben 
gegeben worden. a 

Endlich ist noch anzuführen, dass auch das schon oben be- 
sprochene Loslösen der Samen und Früchte an den geeigneten 
Stellen nicht eher eintritt, als bis die Samen völlig reif, oder aus 
‚ihrer Umhüllung frei geworden sind. Ein früheres Loslösen würde 
die zur Reife nothwendige Entwickelung verhindern, ebenso wie 


- ein über die Reifezeit hinaus stattfindendes Verbundenbleiben: mit 


der Mutterpflanze die Verbreitung aufhalten würde, ja sogar in 
einigen Fällen, wo nicht die Verbreitung der Samen, so doch die 
Verbreitung der betreffenden Pflanzen vollständig hindern, da 
einige Samen derartig organisirt sind, dass sie ‚sehr bald nach 
ihrer Reife die Keimkraft verlieren. 

Eine weitere für die Pflanzenverbreitung vortheilhafte Einrich- 
tung lässt sich in dem Zusammenhang erblicken, welcher zwischen 
der Färbung der Samen und Früchte und zwischen ihrer trockenen 
oder saftigen Beschaffenheit besteht. Wir sehen nämlich auf der 
einen Seite die’Saftlosigkeit mit einer wenig hervortretenden Farbe 
in Verbindung: alle saftlosen Samen und Früchte sind bräunlich, 
‚grau oder schwärzlich gefärbt, sie alle werden durch Wind, Wasser, 
Austrocknungsverhältnisse, oder dadurch verbreitet, dass sie den 
Thieren äusserlich anhaften, also überall in einer Weise, bei der 
das verbreitende Agens für einen Farbenreiz unempfänglich ist, so. 
dass also eine hervortretende Farbe hier überflüssig sein würde, ja 
sogar vielfach schädlich, indem solche Samen meist so eingerichtet 5 
sind, dass sie im Darmcanal der Thiere zerstört werden würden. 
Auf der anderen Seite sehen wir saftige, fleischige Beschaffenheit, 
sowohl bei Samen wie bei Früchten mit einer vor dem Grün her- 
vortretenden Farbe Hand in Hand gehen. Es dürfte nur wenige 
fleischige Früchte oder Samen geben, die zur Reifezeit grün wären, 
die meisten sind dann roth, gelb, orange oder bläulich gefärbt, 
und selbst wenn sie ein schwärzliches Ansehen haben, so treten 
sie durch dieses vor dem sie umgebenden grünen Laube hervor, 
so dass sie von den Thieren, die zur Verbreitung dienen, gesehen 


Hildebrand d, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 8 


114 


und verzehrt werden können. Wo also das Verbreitungsagens für 
Farbenreiz empfänglich ist, da treten auch die augenfälligen Farben 
wirklich auf. Uebrigens steht auch Trockenheit mit unscheinbarer 
Farbe, sowie Fleischigsein und eine hervortretende Farbe insofern 
in nothwendiger Beziehung, als die hervortretenden Pflanzenfarb- 
stoffe gewöhnlich an saftige Substanzen, theils flüssiger, theils 
körniger Natur gebunden sind und bei einer Austrocknung schwin- 
den, so dass sie an trockenen Früchten nicht mehr als solche sich 
zeigen könnten. 

Wenn wir auch nach allen vorhergehenden Betrachtungen und 
Beobachtungen schon zugeben können, dass wirklich hervortretende 
Farbe mit dem Fleischigsein der Früchte oder Samen, und un- 
scheinbare Farbe mit der Trockenheit derselben im Zusammen- 
hange steht, so tritt nun dies Verhältniss doch namentlich in den 
Fällen hervor, wo verwandte Familien oder verwandte Gattungen 


einer und derselben Familie entweder die Verbindung dieser oder 


jener Eigenschaften zeigen. So haben die Liliaceen eine trockene 
| unscheinbar gefärbte Frucht, während die verwandten und von 
| vielen mit den Liliaceen vereinigten Asparageen saftige Früchte 
| mit hervortretenden Farben besitzen; ferner haben die Malvaceen 


\ fast alle trockene unscheinbar gefärbte Früchte, während Malva- 


viscus mollis eine hochroth gefärbte Fleischfrucht zeigt. Umge- 
kehrt ist das Verhältniss bei den Solaneen, wo die trockene Frucht 
von Nicandra und Nicotiana keine hervortretende Farbe. besitzt, 
wie sie sich bei den meist fleischigen Früchten dieser Familie 


| findet; weiter ist bei Fragaria und Rubus die fleischige Frucht 
\ hervortretend gefärbt, bei Potentilla, Spiraea und anderen Rosa- 


| ceen die trockene hingegen ohne leuchtende Farbe. Bei näherer 


4 


' Untersuchung würden sich noch mehrere Beispiele dieser Art auf- 


finden lassen. 

Nachdem wir im Vorhergehenden die Vortheilhaftigkeit der 
Verbreitungsausrüstungen von verschiedenen Seiten her betrachtet 
haben, so können wir schon im Allgemeinen sagen, dass sich 


keine Verschwendung bei diesen Ausrüstungen zeigt, 


g 


dass sie nur dort vorkommen und zu der Zeit sich entwickeln, wo 
sie von Nutzen sein können. Doch ‚gehen wir hier mit einigen 
"Worten noch etwas näher auf diesen Punct ein. Zuerst sehen 
wir, dass selten mehrerlei Verbreitungsausrüstungen an einem und 
demselben Samen oder ein und derselben Frucht vorkommen ; so 
ist z. B. bei Physalis Alkekengi die aus dem Fruchtknoten ge- 
bildete Frucht fleischig und von hervortretender Farbe, so dass sie 
der Verbreitung durch die Thiere angepasst ist, auf der anderen 
Seite ist diese Frucht aber mit einem blasigen abstehenden Kelche 
versehen, vermöge welcher Einrichtung, da sie sich schliesslich 
sammt diesem Kelche am Grunde loslöst, eine Verbreitung durch 
den Wind angebahnt ist. Ferner scheinen hierher die. Samen von 


Magnolia zu gehören, welche durch ihr Fleischigsein die Thiere 


 anlocken und ausserdem an einem elastischen Faden aus den 


Fächern heryorhängen, wodurch sie vom Winde hin und her ge- 
schwenkt und so zuletzt fortgeschleudert werden können; doch 
dient diese letztere Einrichtung wohl hauptsächlich dazu, um die 
Samen den Thieren mehr sichtbar zu machen. Weiter wird von | 
Gyrocarpus angegeben, dass seine Frucht eine Drupa sei, also 


wohl fleischig und dazu mit zwei aus einigen Kelchzipfeln gebil- 


deten Flügeln versehen. Besonders interessant sind die Früchte 


einer Composite, nämlich von Asterothriz asperrima, Fig. 5 f MARAN 
indem dieselben zwei Einrichtungen für Verbreitung durch Wind 


und eine für Verbreitung durch Thiere haben. Die letztere besteht 


darin, dass der unten solide Theil des Achäniums aussen mit 
Rauhigkeit versehen ist, vermöge welcher die ganze Frucht Thieren- 
anhaften und so von ‚ihnen verbreitet werden kann; weiter hat 
aber ausserdem dieses Achänium an seinem oberen Theile einen 
blasigen Anhang, durch welchen es bedeutend erleichtert und der 
Verbreitung durch den Wind angepasst. ist, und endlich geht 
‚dasselbe an seiner Spitze in einen gestielten federigen Pappus aus, 
die bei den Compositen so oft vorkommende ausgezeichnete Flug- 
maschine. Hier scheint also wirklich eine Verschwendung der 
Verbreitungsausrüstungen vorzuliegen, da jede einzelne für sich 
= 


116 
zur Verbreitung der Früchte ausreichen würde. — Es ist übrigens 
darauf aufmerksam zu machen, dass wir zu derartigen Ausnahms- 
fällen nicht diejenigen rechnen dürfen, wo an einer und derselben 
Pflanze die verschiedenen Früchte, verschiedene Verbreitungsmittel 
| zeigen, wie solches bisweilen vorkommt. So sind z. B. bei Calen- 
\ dula-Arten die einen Achänien kahnartig für die Verbreitung durch 
den Wind eingerichtet, während die anderen durch ihre Haken- 
anhänge den Thieren anhaften können; ferner ist bei Dimetopia 
pusilla die eine der beiden Theilfrüchte mit hakig rauher Oberfläche 


versehen, die andere glatt und durch ihre Ausdehnung in die 


_ Fläche für Windwirkung eingerichtet. Besonders merkwürdig sind 


jedoch, wie schon angegeben, die Früchte von mehreren Comme- 


Iyna-Arten, z. B. von Commelyna coelestis. Hier springt nämlich 
die Kapsel derartig auf, dass sie aus zweien ihrer Fächer die 
kleinen Samen frei lässt, während der dritte in seinem Fache ein- 
geschlossen bleibt, an welchem die Theile der benachbarten sich 
öffnenden Fruchtfächer beiderseits einen Flügel bilden, so dass. 
hierdurch eine gute Verbreitungsausrüstung bewerkstelligt ist. 
Weiter ist hervorzuheben, dass kaum solche Fälle bekannt 
sind, wo in verschwenderischer Weise sowohl die Samen wie ihre 
Umhüllung Verbreitungsausrüstungen besitzen ‘sollten, und dass 
- namentlich in jenen Fällen, wo die Samen eingeschlossen bleiben, 
sich an ihnen auch keine Verbreitungsausrüstungen finden, die ja 
‘ doch nicht zur Geltung kommen könnten. So sind namentlich die 
Samen der Compositen, sowie der Umbelliferen, die einzeln in nicht 
sich öffnenden Umhüllungen sitzen ohne alle Verbreitungsaus- 
rüstung!), die sich aber in ausgezeichneter Weise an ihrer Um- 
gebung findet; und umgekehrt sind die Früchte, welche sich 
öffnen und die Samen aus sich entlassen mit keiner "besonderen 
Verbreitungsausrüstung versehen, die sich vielmehr nur an den 
Samen findet; Beispiele dieser Arten liefern die Apoeyneen und 


are 


1) Bei Thespesia soll eine sich nicht öffnende Kapsel mit zahlreichen 
wolligen Samen vorkommen, welche Angabe eine irrthümliche sein dürfte. 


k 


> Verbreitungsausrüstungen liefern diejenigen diklinischen Blüthen, 


117 


Einen anderen Beweis für die vermiedene Verschwendung von 


wo an den weiblichen die besagte Ausrüstung sich findet, während 


sie an den männlichen nicht vorkommt. Bei diesen würde sie ja, 


da sie keine Frucht tragen können, vollständig überflüssig sein. 


Nur wenige Beispiele dieser Art lassen sich einstweilen anführen, 
da in den meisten Fällen bei den diklinischen Pflanzen die Ver- 


breitungsausrüstung sich an den Samen oder Fruchtknoten findet, 


5 und es also selbstverständlich ist, dass die gleiche nicht an den 


männlichen Blüthen vorkommen kann, wo diese Theile ja voll- 
ständig fehlen. Als besonders leicht zu beobachtende Beispiele 


sind Gynerium argenteum und Humulus Lupulus anzuführen. An 


ersterem Grase!) sind die Blüthen und Blüthenstände der männ- 
lichen und weiblichen Pflanzen, abgesehen von den Geschlechts- 


organen, ganz gleich ‚gebaut, jedoch nur an den Spelzen der weib- 


lichen Blüthen finden sich die zur Fruchtverbreitung dienenden 


Seidenhaare, welche an den ganz analogen Spelzen der männlichen 


Blüthen vollständig. fehlen. In ähnlicher, wenn auch nicht dem 
so eben erwähnten Falle ganz entsprechender Weise, haben wir 
bei den weiblichen Blüthen des Hopfens eine ausgezeichnete Flug- 
maschine, indem hier ja zwei weibliche Blüthen in der Achsel 


eines Deckblattes sitzen, welches später den beiden aus jenen. 
' Blüthen gebildeten Früchten als Flügel dient, während bei den 
männlichen Blüthen sich nichts derartiges findet. Auch bei der 
Gattung Carex ist der bauchige Schlauch, welcher die Früchte 


später leicht macht, nur an den weiblichen Blüthen vorhanden, und 
Aehnliches zeigen die Oyperaceen-Gattungen Uncinia und Schoeno- 
zyphium. Weiter ist hier Acicarpha tribuloides?) zu erwähnen, 
bei welcher Calyceree nur an den fruchtbaren Randblüthen von 


den 5 Kelchzipfeln sich 2 in stechende Haftorgane umbilden, 


\1) Vergl. Bot. Zeitung 1872 p. 874. 
2) BUCHENAU, über Blüthenentwickelung bei den Compositen. Bot. Zeit. 


1872 p. 329. 


anaman, 


118 


während alle Kelchblätter der unfruchtbaren Centralblüthen gleich- 
mässig klein und unbewehrt sind. Endlich ist von ENGELMANN |) 
ein nordamerikanisches Gras, das Büffelgras (Buchloe dactyloides) 
beschrieben, welches hierher gehört: die Glumae der zu mehreren 
beisammenstehenden einblüthigen Aehrchen sind hier nämlich 
bauchig-dreispitzig und bilden um die Früchte eine Hülle, ähnlich 
dem Involucrum von Anthephora, also eine Verbreitungsausrüstung 
(ob für Windwirkung oder zum Anhaften an Thiere geeignet muss 
‚dahin gestellt bleiben), während an den männlichen Blüthen diese 
Glumae ganz klein und unscheinbar sind, und also keine Verbrei- 


tungsäusrüstung bilden. 


Während wir im Vorhergehenden gesehen haben, dass dort, 


wo die Verbreitungsausrüstung unnöthig sein würde, sich dieselbe 
an den Blüthen oder Früchten nicht ausbildet, auch wenn wir sie 
nach dem mit anderen Blüthen analogen Bau erwarten sollten, 
so haben wir auf der anderen Seite solche Fälle, wo die Verbrei- 
tungsausrüstung sich an Orten bildet, wo sie scheinbar nutzlos ist. 
Hauptsächlich gehört hierher der allbekannte Perrückenstrauch, 
Rhus, Cotinus. Hier kommt nämlich, wie schon angegeben, der 
grösste Theil der Blüthen des rispigen Blüthenstandes niemals zur 
vollständigen Entwickelung und fällt bald ab, dessen ungeachtet 
sind es die Stiele gerade dieser unfruchtbaren Blüthen, welche sich 
verlängern und dicht mit Haaren bedecken, während die Stiele 
der fruchttragenden Blüthen fast nackt bleiben; und so scheint 
hier die Flugeinrichtung sich in einer ganz nutzlosen Weise zu 
bilden. Doch verändert hier die Art, wie sich die Früchte von 
der Mutterpflanze loslösen die ganze Sachlage: der ganze Frucht- 
stand nämlich, also auch die rauhen fruchtlosen Stiele, löst sich 
in mehr oder weniger grossen Stücken von der Mutterpflanze los, 
und so bilden die fruchtlosen Stiele eine ganz ausgezeichnete 


Flugmaschine für die mit ihnen längere Zeit in Verbindung blei- 


1) ENGELMANN, Two new dioicious grasses of the United States in Transac. - 
Acad. Sei. St. Louis Vol. Ip. 431 Taf. 12 u. 14. 


119 


benden Früchte. Aehnliche Verhältnisse finden wir auch bei 
einigen Gräsern: bei Andropogon Ischaemum ist nämlich der Stiel 
der ganz unfruchtbaren Aehrchen mit seidigen Haaren bedeckt; 
dieser Stiel bleibt aber mit den benachbarten fruchttragenden 
Aehrehen beim Auflösen der ganzen Fruchtstände in Verbindung 
und vi so für dasselbe die Flugmaschine. In ähnlicher Weise 
tragen die unfruchtbaren Blüthen in den Aehrchen von Boissiéra 
bromoides dazu bei, um den Fruchtbesen zu vergrössern, wenn sie | 
auch nicht allein die Verbreitungsausrüstung bilden, und ein 
gleiches findet bei Pappophorum statt, wo nur die untere Blüthe 
im Aehrchen Frucht trägt, das pappusartige Gebilde an den sich 


‚loslösenden Aehrchen »aber 'zum grössten Theil von den unfrucht- 


baren oberen Blüthen ausgeht. 


Kapitel V. 


Fehlen der Verbreitungsausrüstungen und Verhältnisse, die 


der Verbreitung scheinbar nachtheilig. 


Wenn auch aus den vorhergehenden Besprechungen hervor- 
geht, dass eine sehr grosse, ja die überwiegende "Anzahl von 
Pflanzen ausgezeichnete Verbreitungsausrüstungen besitzt, die in 
jeder Weise vortheilhaft und nutzbringend sind, wo weder ein 
Zuviel noch ein Zuwenig, keine Verschwendung und kein Mangel 
erkennbar ist, so müssen wir doch zugestehen, dass eine andere 


Reihe von Pflanzen übrig bleibt, an denen ‘die Verbreitungsaus- 


rüstungen vollständig fehlen, oder wo sich Einrichtungen finden, 


die nutzlos, wenn nicht geradezu nachtheilig für die Verbreitung 


sind. In vielen dieser Fälle hat es nun allerdings den Anschein, 
als ob ein derartiger Mangel oder eine derartige Nachtheilhaftig- 


keit in Wirklichkeit ‘nicht statt habe, und als ob man bei ge- 


nauerer Untersuchung zu ganz anderen Resultaten kommen würde; 


120 


denn wie gross ist nicht die Masse der ausländischen Pflanzen, 
von denen die Fruchtbildung nur ganz mangelhaft uns bekannt 

deren Früchte von den Reisenden in den verschiedensten 
Perioden ihrer Entwickelung gesammelt, wodurch die Fälle nicht 
selten herbeigeführt sein dürften, dass in den Diagnosen Früchte 
als reif beschrieben, die noch weit entfernt waren, dies zu sein, 
und an denen sich daher die V erbreitungsausrüstungen noch nicht 
ausgebildet hatten. Von diesen zweifelhaften Fällen abgesehen 
bleibt aber doch noch eine Reihe von Pflanzen übrig, die an ihren 
Früchten oder Samen entweder gar keine Verbreitungsausrüstung 
besitzen, oder wo die Einrichtung der Früchte in Bezug auf die 
Verbreitung eine durchaus nachtheilige ist, so dass es nöthig wird, 
auf diese Fälle näher einzugehen und eine Erklärung für dieselben 
zu suchen. | 

In erster Linie steht der Umstand, dass durch die Cultur 
die Früchte und Samen vieler Pflanzen derartig ver- 
wandelt sind, dass sie ihre Verbreitungsausrüstungen vollständig 
verloren und sogar mit nachtheiligen Einrichtungen vertauscht 
haben. Bei der Cultur wird ja nicht darauf gesehen, ob durch 
dieselbe für das Leben der Pflanze selbst ein Nutzen hervorge- 
bracht werde oder nicht, sondern alles dreht sich hier um das 
Interesse des Menschen, so dass im Pflanzen- sowohl wie im 
Thierreich Abnormitäten zu Wege gebracht werden, mit denen 
das betreffende Thier, die betreffende Pflanze in der freien Natur 
ohne weitere andauernde Eingriffe des Menschen nicht würde be- 
stehen können, sondern in dem mit seinen für das natürliche 
Leben besser ausgerüsteten Verwandten zu bestehenden Kampfe 
ums Dasein unterliegen und untergehn. Zwar behaupten Loise- 
LEUR DESLONGCHAMPS1) und ALPH. DE CANDOLLE 2), dass unsere 
 eultivirten Pflanzen -und besonders die Oerealien ursprünglich in 


nahezu ihrem jetzigen Zustande existirt haben, denn in anderem 


1) Considerations sur les Cereales 1842 p. 37. 
2) Geographie botanique p. 436. 


‚Falle würden sie nicht ski und nicht als Nahrungsgegen- ; 
stände geschätzt worden sein; gegen diese Behauptungen wissen EN 


offenbar die vielen Berichte nicht ‚beachtet, welche Reisende von Re 


litten, dass sie Arum-Wurzel gegessen hatten, welche sie zerklei- 
nert und mehrere Tage hatten kochen lassen, um auf diese Weise 


viele andere tödtliche Pflanzen kochten und assen. Sir ANDREW > : z 
Sma theilt mir mit, dass in Südafrika in Zeiten von Hungers- Se 


selbst beobachten, was die wilden Thiere essen, besonders die 


Affen ... . Nach dem, was wir von der Lebensweise wilder Völker 


der Annahme, dass unsere Cerealien ursprünglich in ihrem jetzigen, 
dem Menschen so werthvollen Zustande erxistirten« — und hieran 


wir namentlich in Betreff der Cerealien einige directe Beweise 


tivirten hervorgeht 7). 3 gi | Be Br - 


cation, deutsche Uebers. I p. 383. 3 : A EN pr 


121 


wir aber nichts besseres anzuführen, als DARWIN’S Worte, welcher 
in seinem Werke über das Variiren der Thiere und Pflanzen im 
Zustande der Domestikation !) sagt: »Beide Schriftstellet haben 


nn 


der von Wilden eingesammelten kümmerlichen Naben gegeben x | 
haben. Ich habe einen Bericht über die Wilden von Australien A = 
gelesen, welche während einer Hungersnoth viele Vegetabilien auf en 2 a 
verschiedene Weise gekocht haben, in der Hoffnung sie unschäd- Sc Sp 
licher und nahrhafter zu machen. Dr. Hooksr fand, dass die | 
halbverhungerten Bewohner eines Dorfes in Sikkim sehr daran 


ihre giftige Natur zu beseitigen, und er fügt noch hinzu, dass sie 2 


noth eine grosse Anzahl von Früchten und saftigen Blättern, be- Be 
sonders aber von Wurzeln benutzt werden... .. ferner, dass bei | 


solchen Gelegenheiten die Eingeborenen als Fingerzeig für sich 
in vielen Theilen der Exde wissen, haben wir keinen Grund za 00. 


schliesst Darwın eine Reihe von genaueren Belegen. Weiter haben a KEAN 


dafür, dass die Körner derselben im Laufe der Cultur grösser und Su | 
grösser geworden sind, was besonders aus dem Vergleich der jetzt Ye | BR 
eultivirten Sorten mit den gleichen zur Zeit‘ der Pfahlbauten cul- 


1) CH. DARWIN, On the Variation of animals and plants under Domesti- BR Er 


2) DARWIN l. c. p. 397. O. Heer, Die Pflanzen der Pfahlbauten. 


/ 


a 


||| >... >. 


122 


Nach allem möchten wir den Satz aufstellen, dass dort, wo bei 
Culturpflanzen sich eine Beeinträchtigung ihrer Verbreitungsaus- 
rüstungen findet, oder eine Eigenschaft, die gerade der Verbrei- 
tung zuwider läuft, dies darauf hindeutet, dass derartige Verhält- 
nisse dürch die Cultur allein ‘hervorgerufen (was ALPH. DE CAN- 
DOLLE bestreitet); Pflanzen mit solchen nachtheiligen Eigenschaften 
existiren in der Natur nicht wild, wenigstens lassen sich, wenn 
man sie nie wild gefunden, keine Beweise beibringen, dass die 
Vorfahren dieser Individuen nicht vor kürzerer oder längerer Zeit 
in Cultur gewesen. — Doch gehen wir, um eine Begründung für 
die gemachte Behauptung zu geben, näher auf die verschiedenen 
Fälle ein, wo bei Culturpflanzen sich an Samen und Früchten 
Verhältnisse finden, die für die Verbreitung unvortheilhaft sind. 

Eine für die Verbreitung vieler Pflanzen durch ihre Nach- 
kommen besonders nachtheilige Eigenschaft ist die, dass sie sehr 


grosse geniessbare Samen oder Früchte besitzen, ohne an 


denselben weder mit einer Verbreitungsausrüstung noch mit einem 
besonderen Schutze gegen die Thiere versehen zu sein. Solche 
Pflanzen können sich auf die Dauer in der Wildniss nicht halten, 
ihre Samen oder Früchte werden bei ihrer Grösse leicht von den 
Thieren erblickt, von ihnen wegen ihres Geschmackes und ihrer 
Nahrhaftigkeit verzehrt, und bei dem Mangel einer schützenden 
Hülle bis zur Zerstörung des Keimlings verdaut werden; und 
selten wird bei dem vollständigen Mangel einer Verbreitungsaus- 
rüstung ein oder der andere Same an solche Orte gelangen, die 
für Thiere unzugänglich sind, um dort zu keimen und später viel- 
leicht eine Nachkommenschaft zu hinterlassen, die doch von an- 


deren Thieren im Keime schon vernichtet wird. Derartige Ver- 


hältnisse finden sich nun namentlich bei den cultivirten Gramineen, 


den sogenannten Oerealien. Bei dem Roggen und Weizen sind 
die Körner so gross, dass sie den Vögeln sehr leicht in die Augen 
fallen, zumal sie bei ihrer Reife und ihrem Loslösen von der 


Mutterpflanze ganz nackt werden, abweichend von den meisten 


Gräsern, und bei dieser Nacktheit keine Spur von Verbreitungs- 


2 > 


į 


SNS 


ae a 


ähnliche Secale montanum zeigt eine 


- breitungsmittel abgiebt. Unzweifelhaft wild sind auch Gerste und 


123 


ausrüstung an sich haben. Diese beiden Getreidearten sind denn 
auch, ungeachtet der weitgehenden Untersuchungen von ALPH: 
DE CANDOLLE!) nirgends in der Weise wild vorgefunden worden, 
dass man einen unumstösslichen Beweis beibringen könnte, dass 


sie in einer der von uns eultivirten Form ähnlichen wirklich wild 


sich fänden. Sehr nahe liegt es sich ihre Stammformen so vor- 
zustellen, dass an denselben die jetzt bei der Cultur hervortreten- 
den Mängel nicht vorhanden sind, wie an anderen jetzt noch in 
der Wildniss lebenden Verwandten. 


gu te Verbreitungsausrüstung 
dadurch, dass die ganze Spindel der Aehre in einfrüchtige Stücke 


sich auflöst, und die einzelnen Früchte, von geringer Grösse in 


der Umhüllung der rauhen haftenden Spelzen sitzen bleiben, und 


etwas ganz ähnliches findet bei den dem Triticum vulgare ver- 
wandt aussehenden Aegelops-Arten statt, so dass wir vermuthen 
dürfen, es seien die Früchte der Vorfahren von Roggen und Weizen 
nicht bei der Reife aus den Spelzen herausgefallen, sondern seien 
in diesen, die aussen rauh waren, stecken geblieben, und die 
ganze Aehrenspindel habe sich in Stücke aufgelöst, die nun durch 


Anhaften an Thieren verbreitet wurden. 


Auch bei Gerste und Hafer finden wir die Körner nachtheilig 


gross, doch scheint in diesen beiden Fällen die Stammform von 


der cultivirten nicht so abweichend zu sein wie bei Roggen und 


Weizen. Die Früchte bleiben hier nämlich in den Spelzen sitzen, 


und haben an diesen noch Spuren der Verbreitungsausrüstungen 


wie sie verwandte wilde Arten der Gattungen Hordeum und Avena 


zeigen. Die cultivirten Gerste-Arten sind mit rauhen Spelzeu und 


deren rauhen Grannen versehen, und: die Aehren lösen sich in 


einzelne Stücke auseinander; ebenso findet sich bei den Hafer- 


sorten, wenigstens noch theilweise, an den Spelzen eine gekrümmte 


oder rauhe Granne, die bei einigen wilden Arten ein gutes Vers, 


1) 1. c. p. 928. 


dem Secale cereale sehr 


124 


Hafer nicht gefunden worden. — Uebrigens wollen wir nicht hier 
unsere den Ansichten von ALPH. DE CANDOLLE entgegengesetzte 
Meinung vorbringen, ohne die Stütze derselben anzuführen, welche 
Darwın ausser seinen eigenen Beweisen in den Worten BENTHAMS 
giebt 1), welcher sagt: »Wir, selbst zögern nicht unsere Ueberzeugung 
als das Resultat aller der verlässlichsten Zeugnisse dahin auszu- 
sprechen, dass keine der Cerealien in ihrem gegenwärtigen Zu- 
stande wirklich wild existirt oder existirt hat, sondern dass sie alle 
Varietäten von Arten sind, die jetzt in grosser Menge in Südeuropa 
oder Westasien wachsen« 

Ganz dasselbe, was von unseren inländischen Cerealien gilt, 
ist auch für die in anderen Ländern cultivirten- Gräser richtig. 
Der Mais hat in seinen Früchten eine Einrichtung, die die Ver- 
breitung dieser und ihr Aufkommen hindert, und ist ım Zusam- 
menhange hiermit nirgends wild aufgefunden worden. Ebenso 
verhält es sich mit den cultivirten Arten von Eleusine, Panicum 
und Sorghum, auch mit dem Reis, dessen Stammform vielleicht 
Früchte besass, die auf dem Wasser schwimmend verbreitet wur- 
den; denn noch heute sind diese Früchte mit Spelzen versehen, 
die auf der Aussenseite so rauh sind, dass sie zwar nicht an 
Thieren anhaften, wohl aber das Benetztwerden vom Wasser er- 
schwert wird, so dass es nur das grosse Gewicht des Reiskorns ist, 
welches sein Untersinken im Wasser hervorbringt; taube Reis- 
früchte, die an, sich noch immer schwer genug sind um im Wasser 
unterzusinken, schwimmen auf demselben dadurch, dass ihre 
Spelzen nicht leicht das Wasser annehmen. 

Aehnlich wie mit den Cerealien verhält es sich mit einigen 
anderen, aus anderen Familien stammenden Culturgewächsen, die 
ihrer Samen und Früchte wegen gezogen werden und an diesen 
keine Verbreitungsausrüstung besitzen, im Gegentheil durch Grösse 
derselben bei der Verbreitung im Nachtheil sind. Auch alle diese 
sind in der Wildniss nicht gefunden worden, haben aber Ver- 


1) Darwin, Domestikation I p. 389. 


wandte, aus denen wir schliessen können, welche Verbreitungsaus- 


125 


rüstung wohl an den cultivirten Arten verloren gegangen sein 


mag. So werden die Vorfahren von vielen cultivirten Legumi- 


nosen, von Phaseolus, Vicia Faba, Cicer arietinum, Pisum arvense, 


Ervum Lens und anderen vielleicht Hülsen gehabt haben, die 


beim Oeffnen elastisch die damals kleineren Samen fortschleu- 


derten 1) ; die Vorfahren der Buchweizenarten besassen wahrschein- 


lich drei fügelartige Anhänge, wie sie bei einigen wilden Arten 
der Gattung Polygonum jetzt vorkommen; bei Chenopodium Quinoa 
war die Frucht vielleicht durch geringe Grösse leicht verbreitbar, 

"und ein Gleiches fand wahrscheinlich bei den Samen der zur, Oel- 
gewinnung bei uns cultivirten Brassica-Arten statt. 


Nach Allem sei so viel noch einmal hervorgehoben, dass von 


keiner ceultivirten Pflanze, die wegen grosser trockener Samen oder 
Früchte gezogen wird, und wo an diesen Früchten oder Samen 


die Verbreitungsausrüstungen fehlen, Exemplare mit diesen für 


' die Verbreitung nachtheiligen Eigenschaften unter Umständen ge- 


funden worden, die den Schluss erlaubten, dass diese Arten wirk- 


lich mit diesen nachtheiligen Eigenschaften in der Natur als solche | 


entstanden und sich auf die Dauer halten könnten. Alle diese 


-Pflanzen werden Vorfahren mit Verbreitungsausrüstungen 


besessen haben. 
Weiter haben wir unter unseren Culturpflanzen slike; welche 


ihrer fleischigen Früchte wegen gezogen werden, und wo 


wir diese Fleischfrüchte in verschiedener Richtung derartig ausge- 


bildet sehen, dass sie als Verbreitungsmittel nur in beschränkter 


Weise oder gar nicht dienen können. Den eklatantesten Fall 


dieser Art liefern die samenlosen Früchte, wo die Entwicke- 
lung der fleischigen Substanz in den Früchten auf Kosten der 
Samen statt gefunden hat, so dass diese entweder schon in ihren 


ersten Anfängen abortiren, oder doch später sich nicht so ent- 


1) Vergl. PRINGSHEIM’S Jahrb. f. wissenschaftl. Bot. Bd. IX: HILDEBRAND, 
Die Schleuderfrüchte. | 


126 


wickeln, dass sie einen keimfähigen Embryo enthalten — auch 
lässt sich dies Verhältniss hier so darstellen, dass der Grund 
dieser Bildung darin liegt, dass die betreffenden Pflanzen unter 
dem Einflusse der Cultur in ihrem Befruchtungsvermögen gestört 
worden sind, so dass die Samen sich nicht entwickeln konnten, 
und die für sie sonst verwendeten Nahrstoffe, zur Vergrösserung 
des Fruchtfleisches beitrugen. In jedem Falle ist es hier offenbar, 
dass die Samenlosigkeit der Früchte die Vermehrung und Verbrei- 
tung der betreffenden Pflanzen auf geschlechtlichem Wege geradezu 
unmöglich macht, und dass derartig veränderte Pflanzen sich in 
diesem Zustande in der Wildniss micht halten können. Und so 
sehen wir denn auch, dass die Stammformen derselben sich ent- 
weder gar nicht in der Wildniss auffinden lassen, oder dass die- 
selben, wenn dort vorkommend, mit guten keimfähigen Samen 
ausgerüstet und ihre Früchte im Allgemeinen auch der Verbreitung 
vermittelst der Thiere gut durch Farbe, Geruch und Geschmack 
angepasst siad, Als Beispiele von samenlosen cultivirten Fleisch- 
früchten sind anzuführen!) unsere besten Sorten von Birnen, 
Trauben und Feigen, die Ananas, Banane, Brodfrucht und ver- 
schiedene Sorten von Orangen und Datteln. Von allen diesen 
finden sich auch in den Culturen solche Sorten, die vielfach ge- 
ringer, weniger schätzbar sind, welche einzelne oder mehrere keim- 
fähige Samen in ihren Früchten produeiren und die so zu wilden 
Stammformen hinüberleiten, die, wenn ihr wildes Vorkommen 
unumstösslich sich constatiren lässt, wie schon gesagt, stets gute 
Samen enthalten, dabei aber die Eigenschaften, welche die culti- 
virten Formen schätzbar machen, nämlich grosses saftiges und 
wohlschmeckendes Fruchtfleisch nur in ganz geringem Maasse 
zeigen. Dieses Vorkommen von Uebergangsstufen von den wilden 
Formen, die für die Verbreitung günstig eingerichtet, zu den cul- 


tivirten, wo- gerade das Gegentheil stattfindet, zeigt uns wohl 


deutlich genug, dass wir den Mangel von Verbreitungsausrüstungen 


/ 


1) Vergl. Darwın, Domestikation Il p. 227. 


127 


an den Culturpflanzen überhaupt eben dem Einflusse der Cultur 
M zuzuschreiben haben. | 

| i Den samenlosen cultivirten Fleischfrüchten stehen die gegen- 
über, welche mit ‚sehr grossen Samen (richtiger Steinen) versehen 


sind, und hierin einen Nachtheil für die Verbreitung besitzen. Es 


IE gehören dahin namentlich viele Sorten von Kirschen, Pflaumen, 
= Pfirsichen und Aprikosen. Bei diesen hat sich zugleich mit der 


= Vergrösserung des Fruchtfleisches auch der Same und die diesen Be 


Eo umhüllende und den sogenannten Stein bildende innere Schicht 
Y = der Fruchtwand vergrössert, wodurch es kommt, dass viele Vögel Re 
å Eo diese Früchte in ihrer Ganzheit nicht mehr verschlingen können ; ; we Be 
A sie müssen dieselben beim (Geniessen verkleinern, und dabei ist es Br. 


A = natürlich, dass sie nur das Fruchtfleisch abnagen, oder abpicken 
Zu. ‚wid ‚den; stein übrig ‚lassen, der in den Stammformen so klein 
Ä E gewesen sein wird oder noch ist, dass er mit sammt dem Frucht- 
3 fleisch leicht durch den Schlund der betreffenden Vögel hindurch 
È gehen kann. Als Beleg hierfür können die süssen Kirschen 


dienen, von welchen wir die Stammform in unserem Prunus avium, 
in den Wäldern haben, dessen manchmal nur erbsengrosse Früchte | 
1°: leicht von den Vögeln verzehrt werden, während diese die bedeu- eh F ESA 
tend vergrösserten Culturformen nicht verschlingen können, son= Be: 
dern nur benagen, und also nicht die Samen derselben verbreiten. 
F- In. ähnlicher Weise werden auch die unbekannten Stammformen 


von Aprikosen, Pfirsichen und Pflaumen kleine leichter verschling- 


BR bare Früchte besessen haben, deren Steine namentlich den Darm- 
$ E canal der Thiere durchlaufen konnten.. | 
"ER ; % Endlich haben wir noch. von eultivirten Fleischfrüchten die et 
3 E Soten von Kürbis, Gurken’ und Lagenarien zu erwähnen, die in Ee: SE | 
E ihrer Grösse allein, wie es scheint, das Haupthinderniss für die 
Gi Verbreitung durch Thiere besitzen, indem ja meistentheils die 
| Samen normal in ihnen ausgebildet sind. Alle diese Gurken- 
| gewächse werden seit sehr langer Zeit 'eultivirt und sind wild ee 
nirgends gefunden worden, auch hat man keine Anhaltspuncte um 


A irgend welche anderen Oweurbitaceen als die Stammformen von 


128 


ihnen anzusehen. Wahrscheinlich hatten diese Stammformen be- 
deutend kleinere Früchte, die leicht von Thieren verschlungen 
werden konnten. — 

Während wir gesehen haben, dass von solchen Pflanzen, die 
ihrer Früchte oder Samen wegen cultivirt werden, und bei denen 
die Verbreitungsausrüstungen entweder benachtheiligt oder ganz 
unterdrückt sind, die wilden Vorfahren in vielen Fällen gar nicht 
oder doch in einem sehr abweichenden Zustande aufgefunden 
worden, so haben wir die interessante Erscheinung, dass von allen, 
gleichfalls der Früchte und Samen wegen cultivirten Pflanzen, wo 
aber bei der Cultur jene mit guten Verbreitungsausrüstungen ver- 
sehen sind, überallgdie wilden Vorfahren entdeckt worden, und 
zwar mit Verbreitungsausrüstungen, welche in ihrer vortheilhaften 
Einrichtung die der Culturformen nicht wesentlich übertreffen. Es 
gehören dahin von Fleischfrüchten die Stachelbeeren, Johannis- 
beeren, Erdbeeren, Himbeeren, Brombeeren und der Kaffee ; ferner 
die Baumwollenarten mit ihren haarigen Samen. Hier war dem 
Menschen dasselbe nützlich, was den wilden Pflanzen für ihre Ver- 
breitung von Vortheil war, und so wurde bei der Cultur diese 
Verbreitungsausrüstung nicht unterdrückt, sondern vielmehr weiter 
ausgebildet. Es dürfte dieser Umstand mit als Beweis dafür dienen, 
dass dort, wo wir an Culturpflanzen Nachtheile für die Verbrei- 
tung finden, diese nachtheiligen Einrichtungen an den Stamm- 


pflanzen nicht hervorgetreten sein werden. 


Ein weiterer Beleg dafür, dass an den wegen ihrer Samen 


und Früchte eultivirten Pflanzen, an denen die Verbreitungsaus- 
rüstungen beeinträchtigt erscheinen, eben diese Beeinträchtigung 
durch die Cultur hervorgebracht ist, können wir darin finden, dass 
bei den Culturpflanzen, die nicht wegen ihrer Samen oder Früchte 
gezogen werden, diese letzteren, wenn sie sich überhaupt ausbilden, 
in ihren zur Verbreitung der Samen dienenden Ausrüstungen in 
keiner Weise beeinträchtigt erscheinen. So finden wir unter den 
der Wurzel wegen cultivirten Pflanzen die Mohrrübe, Daucus 


Carota, mit hakigen Früchten, die denen der wilden Pflanze voll- 


ständig gleichen; dasselbe ist bei den Flügelfrüchten von Pastinaca 


sativa der Fall. Das wegen der Knollen gezogene Solanum tube- — > 3 A 


rosum hat Früchte, die durch ihr Fleischigsein ebenso gut für die 
Verbreitung vermittelst der Thiere geeignet sind, wie die anderen 


Solanum-Arten, und ferner sind die Samen von den cultivirten 


Zwiebeln ebenso leicht durch den Wind verbreitbar, wie die an- 
E derer Allium-Arten. Das der Stengel wegen gezogene Linum 
A usitatissimum: hat Früchte die für die Verbreitung der Samen durch er 
den Wind ebenso eingerichtet sind, wie die anderer Flachsarten, | 
und die Samen der der Blätter wegen cultivirten Tabaksorten sind 


durch ihre Kleinheit ebenso gut verbreitbar, wie die wilder Nico- 


tiana-Arten. Bei der Cultur aller dieser Pflanzen achtete man 
eben nicht auf irgend eine für den Menschen nützliche Eigen- 
schaft an den Früchten und Samen, so dass diese bei der weiter 
und weiter fortgesetzten Zuchtwahl unverändert bleiben konnten, 


während die des Nutzens wegen ins Auge gefassten Abänderungen 


an Wurzeln, Knollen, Stengeln und Blättern zur weiteren und 


gesteigerten Abänderung auserlesen wurden. 


mw 


E k E | Wohl dürfte es nach dem Vorhergehenden hinlänglich erwiesen | E 
> = oder doch wenigstens zu grosser Wahrscheinlichkeit erhoben sein, N En ur 
dass, wenn an den Culturpflanzen sich Früchte und Samen finden, | | 
die für die Verbreitung der Pflanzen unvortheilhafte oder gar keine 


Einrichtungen besitzen, dies den Pflanzen nachtheilige Verhältniss | 


eben durch die Cultur herbeigeführt worden. Doch darf man es \ 


| 
l 
Í 


nicht unterlassen zu suchen, ob man nicht ganz directe Beweise 


- für die Richtigkeit dieses Zusammenhanges beibringen könnte. 


Man wird dieselben dadurch erlangen, dass man, so zu sagen fort- 


gesetzte Rückeulturen anstellt. Man setze die fraglichen Pflanzen 
Eo den Lebensbedingungen aus, unter denen man vermuthen kann, 
$ dass ihre Vorfahren vegetirt haben, und achte dann an ihren 
2 X Früchten und Samen auf jede Abänderung, die für die Verbreit- I. 

| barkeit derselben durch Wind oder Thiere von Nutzen schen. = ` 


Diese Abänderung suche man mehr und mehr zu steigern, und es au 
wird dann vielleicht gelingen eine mit ausgezeichneten Verbrei- 


E- Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 9 : A EEN en 


130 


tungsausrüstungen versehene Pflanze zu erzielen, die im Ansehen 


bedeutend von derjenigen Form abweicht, wie wir sie in Cultur 
haben. An den Getreidearten, namentlich am Roggen und Weizen, 
dürfte man am ersten zu Resultaten gelangen, indem sich mit der 
Zeit hier wahrscheinlich kleine Früchte bilden werden, die nicht 
aus den Spelzen herausfallen, sondern mit diesen sammt einem 
Stück der Aehrenspindel sich loslösen, und so, den Thieren anhaf- 
tend, leicht verbreitet werden können. 

Ausser den durch die Cultur hervorgebrachten für die Ver- 
breitung der betreffenden Pflanzen nachtheiligen Verhältnissen 
könnte man auch bei obeiflächlicher Betrachtung das Fleischig- 
sein der Früchte oder Samen nicht cultivixter Pflanzen als 
eine der Verbreitung entgegen wirkende Eigenschaft ansehen — 
doch wird es nach allem oben Gesagten kaum nöthig sein nach- 
zuweisen, dass derartige Nachtheile nur scheinbar vorhanden sind. 
Die fleischigen Früchte sind ja nicht so eingerichtet, dass, wenn 
dieselben von den Thieren verschlungen werden, die Samen in 
dem Darmcanal dieser zu Grunde gehen; vielmehr sind diese 
Samen mit einer so harten Hülle an sich selbst, oder von dem 
Inneren der Fruchtwand gebildet, umgeben, dass dieselben nicht 
im Inneren der Thiere vollständig ‚zerrieben werden können; ja 
sogar ist manchmal diese harte Hülle so dick und fest, dass es 
nur von Vortheil ist, wenn sie im ‚Darmcanal der Thiere etwas 
abgerieben wird, indem nun die Feuchtigkeit zum Keimling besser 
hindurchdringen kann. 

Grössere Schwierigkeit für die Erklärung bieten die Fälle, wo 
an Pflanzen in wildem Zustande grosse Samen oder grosse 
geschlossen bleibende Früchte sich finden, die mit keiner beson- 
deren Verbreitungsausrüstung versehen zu sein scheinen. Abge- 
sehen von der Seltenheit dieser: Fälle, lässt sich aber auch hier 
nachweisen, wie dieser Nachtheil für die Verbreitung der Pflanzen 
nur scheinbar ist und in Wirklichkeit nicht existirt, oder doch 
wenigstens nicht so gross ist, wie man glauben sollte. Vor allem 


müssen wir bedenken, dass aus einem grossen Samen bei der in 


doch’ aus dem Samen lange Zeit kräftig ernährter Keimling erwächst, 


mit anderen Arten und untereinander zu bestehen haben werden. 


_ früchtigen Pflanzen immer selbst, wenn sie zum Fruchttragen reif 


nung erreicht haben, so dass einestheils schon hierdurch die senk- 


anderentheils diese Samen bei der Höhe, aus welcher sie herab- £ 


werden, als die leichten mit Flugeinrichtungen versehenen eines Pr 


131 


ihm enthaltenen Fülle von Nahrungsstoffen stets ein grosser oder 


der im Kampf ums Dasein schon eben in dieser Grösse und Kraft 
seinen Vortheil besitzt 1), so dass es hier für das Aufkommen und 
die Verbreitung der Nachkommen ganz unnöthig ist, dass die 
Samen in grosser Anzahl ‚zur Keimung ausgestreut werden: aus 
zehn Samen von Pflanzen dieser Art werden oft mehr Junge 
Pflanzen zur Entwickelung gelangen, als aus Tausenden von 
Samen anderer Arten, die in ihrem gelingen Umfange und der 


damit verbundenen Kleinheit ihrer Keimlinge einen harten Kampf 


Dieses Verhältniss würde aber nur den nicht stattfindenden Nach- 
theil für das Gedeihen dieser grosssamigen Pflanzen beweisen, 
nicht aber den Einwand beseitigen, dass die Nachkommen der- 
selben bei dem Mangel der Verbreitungsausrüstungen immer nahe 
bei der Mutterpflanze aufschiessen werden. Dieser Einwand: hebt 


sich aber, wenn wir. bedenken, dass die grosssamigen und gross- 

sind, eine bedeutende Höhe und eine bedeutende Flächenausdeh- 
` ê i 

recht niederfallenden Samen ein weites Areal bedecken können, 


zufallen haben, leicht auf dem. so. verlängerten Wege eine Ab- 
lenkung von dem senkrechten Falle durch den Wind erleiden | 
werden, der die Krone der Bäume stärker schüttelt als die Gipfel iR 
der niederen Gewächse, so dass von einem solchen hohen Baume 

die schweren Samen oft weiter durch den Wind wegeeschleudert ie 5 i 


dicht am Boden lebenden Gewächses. — Endlich ist auch noch 7 
der Einwand zu beseitigen, dass die grossen Samen leicht den | 
Thieren auffallen und so der Zerstörung ausgesetzt sein werden. 


Diese Samen haben aber meistentheils einen ausgezeichneten Schutz a 


1) Vergl. DARWIN, Orig. of Sp. p: 77. 


132 


gegen die: Thiere, der entweder in der Härte ihrer Schale. liegt, 
welche uns namentlich bei den grossen Samen der. Palmen, z. B. 
der Kokosnuss, entgegentritt, oder auch in ihrer unscheinbaren 
Farbe, die sie dem Erdboden ähnlich macht. Wenn wir auch zu- 
geben müssen, dass diese letzteren Schutzmittel nicht durchgängig 
gut ausgebildet sind, so können wir doch daran erinnern, dass 
auch für den Fall, dass unter Hunderten von grossen Samen, — 


die wie gesagt fast ausschliesslich an grossen Gewächsen vorkom- 


men — nur einer zur Pfianze heranwächst, hiermit: ebenso viel 
für die Bedeckung der Erdoberfläche mit Vegetation und für die 
Verbreitung der betreffenden Pflanze gesorgt ist, als wenn von 


einem kleinen Gewächs Tausende von Nachkommen zur Ent- 


wickelung gelangen. 

Wohl wird sich eine Reihe von Pflanzen finden, wo man 
nicht auf den ersten Blick sieht, in welcher Weise für ihre Ver- 
breitung gesorgt ist, vielleicht ist es aber in dem Vorhergehenden 
gelungen zu zeigen, dass für eine grosse Anzahl solcher Fälle sich 
bei genauerer Untersuchung eine Erklärung geben lässt, wenn 
auch zugestanden werden muss, dass durchaus nicht überall dies 


in ‚erschöpfender Weise geschehen ist. 


Kapitel VL 


Verhältniss der Verbreitungsausrüstungen zu anderen morpho- 
logischen Eigenschaften. 


Im Vorhergehenden haben. wir die Verbreitungsausrüstungen _ 
der Pflanzen hauptsächlich nur insofern ins Auge gefasst, dass wir 
sie ganz unabhängig davon betrachteten, wie dieselben zu den 
anderen. Theilen der Gewächse, an denen sie vorkommen, sich 
verhalten, ob ihre Form mit der Form der ganzen Pflanze in irgend 


welchem Zusammenhange steht oder nicht — oder, deutlicher aus- 


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SNR VTA, 1 
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7 


133 


‚gedrückt, ob bei verwandten ' Pflanzen sich auch untereinander 


. verwandte Verbreitungsausrüstungen finden, oder ob dies nicht der 


Fall ist. Gehen wir also etwas näher auf diese in mancher Hin- 
‚sicht interessante Frage ein. 

Mit der Verwandtschaft im Samenbau geht, wie bekannt, 
gewöhnlich eine Verwandtschaft der diesem Samen voraufgehenden 
Theile der Blüthen Hand in Hand, welche Verwandtschaft sich 
sogar mehrfach bis auf die vegetativen Theile erstreckt, so dass 


es versucht werden konnte den Samenbau, d: h. die Form des 


Embryo und das Vorkommen von Albumen, als ersten Einthei- 
lungsgrund bei der Anordnung der natürlichen: Familien zu be- 
nutzen. So haben z. B. alle Papilionaceen einen sehr ähnlichen 
Embryo ohne’ alles Albumen im Samen und zugleich alle einen 
aus einem einzigen Fruchtblatt gebildeten freien Fruchtknoten) 
zehn Staubgefässe und mit wenigen Ausnahmen die bekannte Form 
der fünfblättrigen Blumenkrone; Staubgefässe, Blumenkrone und 
Kelch zeigen gleiche Stellungsverhältnisse zu einander und gleiche 
Einfügungen, und endlich sind auch die Blätter meistens von 


gleicher Form, nämlich zusammengesetzt und mit Nebenblättern 


versehen. 

Nach diesen Verhältnissen sollte man nun auch vermuthen 
dass die am Samen selbst oder doch in seiner Umgebung vorkom- 
menden Verbreitungsausrüstungen gleichfalls bei verwandt gebauten 
Samen untereinander in verwandtschaftlicher Beziehung stehen 
würden, dass an den Gattungen einer Familie, oder wenigstens 
doch den Arten einer und derselben Gattung diese Ausrüstungen 
und die Art, wie die Samen verbreitet werden, die gleichen sein 
würden. Aber hier tritt uns ein Verhältnis entgegen, welches 
durchaus dem, wie wir es bei den Bestäubungseinrichtungen der 


Blüthen finden, entspricht. Dort sehen wir nämlich, dass wir von 


den Bestäubungseinrichtungen einer Pflanzenart auf die einer ganz 
verwandten durchaus keinen sicheren Schluss ziehen können, dass 
nicht blos die Gattungen einer und derselben Familie sich in 


dieser Beziehung sehr verschieden verhalten, sondern auch sehr oft 


134 


die Arten einer und derselben Gattung, ohne dass durch diese 
Verschiedenheiten eine wesentliche Verschiedenheit in dem Grund- 
riss der Blüthen hervorgerufen wäre — und so sehen wir auch 
die Form der Verbreitungsausrüstungen sich nicht an den Bau der 
Blüthen binden, aus denen sie sich herausbilden, wenn auch damit 
nicht gesagt sein soll und gesagt sein kann, dass niemals eine 
Verwandtschaft in den Verbreitungsausrüstungen mit einer Ver- 
wandtschaft im Blüthenbau zusammenfalle. 2 
Doch gehen wir näher auf diese Verhältnisse ein und be- 
trachten zuerst das Vorkommen gleichartiger Verbreitungsaus- 
rüstungen und dann das der ungleichartigen. "Dass gleichartige 
Verbreitungsausrüstungen an gleichartigen oder untereinander ver- 
wandten Pflanzen vorkommen, dass also die Arten einer Gattung 


und selbst die Gattungen einer und derselben Familie in dieser 


Beziehung sich gleichen, ist derjenige Fall, den man, wie schon 


angedeutet, von vornherein erwarten dürfte überall, oder doch 
vorzugsweise, zu finden; und wirklich haben wir eine Reihe von 
Familien, die diesen Erwartungen entsprechen. So finden wir, 
um die Reihe der verschiedenen Verbreitungsausrüstungen durch- 
zugehen, folgende Familien, welche in allen, oder doch fast allen 
ihren Gliedern kleine Samen in trockenen aufspringenden Früchten 
besitzen: Lobeliaceen, Hydroleaceen, Scrophularineen, Orobancheen; 
Qrassulaceen, Saxifrageen, Begoniaceen, Cistaceen, Loaseen,; Samen, 
die bei ihrer Kleinheit noch durch eine lose anliegende Haut be- 
sonders leicht werden, besitzen die Orchideen und Pyrolaceen. 
Durch Flügelanhänge sind ausgezeichnet die Samen der Bignonia- 
ceen und Cedrelaceen, die Früchte der Acerineen und der meisten 
Malpighiaceen. Einen Haarschopf haben die Samen der Sulicaceen 
und meisten Asclepiadeen. Besonders zahlreich sind die Familien, 
welche in allen oder fast allen ihren Gliedern fleischige Früchte 
besitzen; es gehören dahin die Smilaceen, Aroideen, die meisten. 
Caprifoliaceen und Solaneen, die Myrsineen, Sapoteen, Ebenaceen, 
Ampelideen, Corneen, Menispermeen, Cacteen, Aurantiaceen, Tliceen, 


` Pomaceen, Drupaceen, Einen fleischigen Arzllus am Samen haben 


135- 


die meisten Celastrineen. Elastisch bei Eintrocknung aufspringende 
Früchte zeigen die meisten Acanthaceen, Diosmeen und Euphor- 


biaceen. — So haben wir also hier eine leicht noch zu vermeh- 


rende Reihe von Familien, deren einzelne Glieder in ihren Ver- 


breitungsausrüstungen ein gleiches Verhalten zeigen. 

Auf der anderen Seite haben wir aber ’auch die Fälle nicht 
selten, welche zeigen, dass eine und dieselbe Verbreitungsaus- 
rüstung durchaus nicht an bestimmte Familien gebunden ist, son- 
dern dass dieselbe in ganz gleicher Form bei- den Gliedern von 
Familien auftreten kann, die nicht eine Spur von sonstiger Ver- 
wandtschaft zeigen. ‚Sei es gestattet auch von solchen Beispielen 
einige zusammen zu stellen, wobei es aber der Kürze halber unter- 
bleiben muss, auf die sonstigen Verschiedenheiten der in ihrer Ver- 
breitungsausrüstung als gleich aufgeführten Familien oder Gat- 
tungen aufmerksam zu machen. Kleine Samen finden wir bei den 
Begoniaceen, Primulaceen, Seropularineen, Melastomaceen, Junca- 


eeen; kleine Früchte bei den Urticaceen und einigen Compositen 


(Artemisia, Bellis, Matricaria), durch eine lose Umhüllung leichte - 


Samen bei Orchideen, Ericaceen. (Ledum), Philadelpheen, Drosera- 
.ceen. Mit einem Flügel umrandet sind die Samen von einigen 
_ Oruciferen (Alyssum montanum, Farsetia clypeata); Bignoniaceen 
(Eeeremocarpus. seuber),. Caryophylleen (Dianthus), Liliaceen {Aloe 
margaritifera, -Lalium candidum) ete., die Früchte von einigen 
Papilionaceen (Pocockia cretica), Ranunculaceen ( Anemone narcissi- 
flora), Therebinthaceen (Ptelea trifoliata). Einflügelig sind die 
Kamen von mehreren Proteaceen (Banksia, Dryandra), Ebenaceen 


(Swietenia Mahagoni), Sterculiaceen (Pterygota); die Früchte von 


 Magnoliaceen (Liriodendron), Oleaceen (Fraxinus), Polygaleen (Secu- 


ridaca) ; ebenso kommen zwei und mehrere Flügel an Samen und 
Früchten. bei. sehr verschiedenen Familien vor. Weiter haben wir 
eine ‚Bildung von Haarschöpfen an den Samen von Onagrarieen 
(Epilobium), Asclepiadeen (Asclepias, Vincetoxieum), Bromeliaceen 
(Guzmannia) und den Salicaceen; an den Früchten von' vielen 


 Compositen und Proteaceen. ` Ferner kommen fleischige Früchte 


sr EEE REEL T Bi near 


| 


136 


vor bei den Asparageen und Pomaceen, bei Rubiaceen (Coffea), 
Solaneen, RBanunculaceen (Actaea); hakig sind sie bei einigen 
Umbelhferen (Caucalıs, Daucus), Onagrarieen (Circaea), Cruciferen 
(Bunias aspera), Boragineen (Cynoglossum), Compositen (Bidens), 
Rosaceen (Acaena, Agrimonia) etc. Diese Beispiele wird jeder 
leicht vermehren können, wenn er einen Blick zurückwirft auf die 
specielle Darstellung von dem Vorkommen der verschiedenen Ver- 
breitungsausrüstungen an den morphologisch verschiedenen Organen. 
Aus diesem Umstande, dass ganz ähnliche Verbreitungsausrüstungen 
sich bei Pflanzen finden, die im übrigen gar nicht mit einander 
in irgend welcher verwandtschaftlichen Beziehung stehen, können 
wir sehen, dass bei der Ausbildung des Pflanzenreiches die Varia- 
tion bei ganz verschieden gearteten Individuen in einer und der- 
selben Richtung aufgetreten ist, und zur Entstehung von Formen 
Veranlassung gegeben hat, die durch ihre Aehnlichkeit, welche sie 
mit einander haben, überraschen. 

Dieser Variation an verschiedenen Pflanzengattungen und 
Familien in einer und derselben Richtung steht eine andere Weise 
der Variation gegenüber, nämlich eine solche, die an ähnlichen 
Pflanzen nach mehreren, ja oft nach den verschiedensten Rich- 
tungen hin erfolgt ist, wie solches uns aus den zahlreichen Bei- 
spielen entgegenleuchtet, wo die Gattungen einer und derselben 
Familie, ja die Arten einer und derselben Gattung eine ganz auf- 
fallende Verschiedenheit in den an ihren Früchten oder Samen 
befindlichen Verbreitungsausrüstungen zeigen. Wenden wir uns 
zuerst zu den Fällen, wo die Gattungen einer und derselben 
Familie die verschiedensten Verbreitungsausrüstungen zeigen, so 
wird es nur erlaubt sein aus einem grösseren über diesen Gegen- 
stand gesammelten Material einige der hauptsächlich hervortreten- 
den Beispiele auszuwählen, wobei dann noch darauf im Voraus 
aufmerksam zu machen ist, dass die verschiedenen Verbreitungs- 
ausrüstungen. bei einer und derselben Familie, wiederum darin 


noch in sich Abweichungen zeigen, dass sie an den verschiedensten 


Organen der Pflanzen sich ausgebildet haben, indem in einer und 


x 137 


derselben Familie saftige, hakige, flügelige und federige Aus- 


` rüstungen vorkommen, wo dann diese entweder an den Samen, Be. 
oder Fruchtknoten, Kelchen ete. auftreten können: N Bee: 
Familien deren Gattungen verschiedene TET | Ex 
| rerierengen zeigen). 
- ee Gramineen?). 
Kleine, nackte Früchte: Eragrostis. 
Haarige Anhänge an den Paleae: Tricholaena, Lasiagrostis, 
Melica ciliata, Gynerium argenteum. | | 
Haarige Anhänge an der Aehrchenspindel: Avena pubescens, 
Phragmites. communis. FR 
Haarige Anhänge an den G/umae: De he saccharifera, x 
 Lygaeum Spartum. | ee Da 
Die ganzen Glumae in Haare verwandelt: Hordeum iubatum. ` 
Haarige Anhänge am Aehrchenstiel: Gymnothrix, Erianthus, 


Pogonopsis, Pennisetum villosum, Stipa elegantissima. 
EB: Flügelbildungen an den Paleae: Poa, Holcus, priiis etc. 


3 E P S RSE E re 


Flügelbildungen an den Glumae: Gastridium australe, Maizilla 
stolonifera. | 

Rauhigkeit: an den ak : Hordeum, Elymus, Aegilops, 
an der Oberfläche der Paleae: Pharus latifolius, ; 
an den Glumae: Aegilops, Lappago racemosa, => 

am Involucrum: Cenchrus, - 

am Fruchtstandstiel: Oornucopiae ER Hall ` | Be 

Klebrigkeit: an einem noch unbestimmten von Frırz Münuek = E 5% 

in Brasilien gefundenen Grase. | 

 Hygroskopische Grannen :- bei Avena-Arten, z. B. Avena sterilis. 


Bromeliaceen. 


Zu Same mit Flügelrand: Encholirion, Pourretia. 


1) Anordnung der Familien nach ENDiLIoHER. die aA der Aus- 2 ER 
rüstungen nach den Agentien, denen sie angepasst Sind Er Fe 
v4 2) Eine nähere Besprechung dieser Familie findet sich in der botanischen l 
Zeitung 1872 p. 853: HILDEBRAND, Ueber die Verbreitungsmittel der Grami- ER 
ERRBENONIE, = 


Ds 


138 


Same an jedem Ende mit haarartiger Verlängerung: Brocchinia, 
Pitcairnia, Bonapartea. 


Same am Grunde mit Haarbüschel: : Guzmannia, Tillandsia, 


Caragnata. 
Fleischiger Fruchtknoten: Ananassa, Bromelia, Aechmea, Bil- 
` bergia. 


Dioscoreen. l 
Einsamige, einflügelige, nicht aufspringende Frucht: Raiania. 
Samen geflügelt in aufspringender Kapsel: Dioscorea. 
Beerenfrucht: Tamus, Oneus. 

Chenopodiaceen. 

Kleine Früchte: Chenopodium, Teloxys. 

Früchte mit Flügelrand : Corispermum. 

Perigon verschiedene Flügelanhänge bildend : Atriplex, Kochia, 

Cyclolepis, Anredera, Salsola, Halogeton, Anabasis. 

Perigon aufgeblasen: Suaeda. 

Perigon haarig: Eurotia, Londesia. 

Perigon hakig oder stachelig: Ceratocarpus, Anisacantha, Spi- 
nacia, Echinopsilon, Cornulaca. 

Perigon fleischig: Blitum, Basella. 

Amaranthaceen. 

Kleine einsamige nicht aufspringende Früchte: Iresine, Alter- 
 nanthera, Polycnemum. 
Kleine Samen: Celosia, Amaranthus. 

Perigon ganz wollig: Gomphrena, Froelichia. 

Perigonzipfel federig: Trichinium. 

Aufgeblasene Beere: Deeringia. 

Polygoneen. 


Frucht(knoten) ringsum geflügelt: Ozxyria. 

Frucht dreiflügelig: Rheum, Calligonum. 

Perigon flügelbildend: Rumex, Tragopyrum, Atraphasus. 
Involucrum flügelbildend: Pterostegia. | 

Griffel hakig: Polygonum virginianum. 

Perigon hakig dornig: Ceratogonum, Emez. 


 Fleischfrucht(knoten) : Olea, Ligustrum: 


139 


Compositen!). 


‚Kleine Früchte: Achillea, Anthemis, Artemisia. | 
Früchte mit Flügelrand : Dimorphoteca, Anacyclus, Actinomeris. 


Früchte dreiflügelig: Tripteris. 


Flügelkelch: Chardınıa, Sphenogyne, Achyropappus. 


Blumenkrone flügelbildend: Melampodium este 
Spreublätter flügelbildend: Dahlia. 
'Hüllkelchblätter fugpibildend: Lindheimera legana, Moscharia 


pinnatifida. 


‚ Frucht(knoten) wollig: Cryptostemma, Tasiospermum) | 
Fruchtkelch haarig oder a Hieracium, Crepis, Taraxa- 


cum, Silybum etc. etc. 
- Frucht(knoten) hakig: Calendula, Koelpinia. 


Kelch hakig: Bidens, Heterospermum. 
Blumenkrone hakig; Tragoceras. | 
Spreublätter mit Haken bedeckt: Centrospermum. 
Hüllkelchblätter hakig: Lappa, Acanthocephalus. 


 Kelchblätter kleberig: Adenostemma. 


Hüllkelchblätter kleberig: Siegesbeckia. 

Frucht(knoten) fleischig: Waulffia, Osteospermum monliferum. 

Fruchtstandboden fleischig? Gundelia Tourneforti. pa 
a Oleaceen. 

Geflügelte Samen: Syringa. 

Flügelfrucht (knoten) : Fraxinus. 


Apocyneen. 
Same membranös geflügelt: Plumeria. 
Same an der Mikropyle mit Haarschopf: Echiteae. 
Same am Chalazaende mit Haarschopf: Wrightieae. 
Same an beiden Enden mit Haarschopf: Alstonia. 
Beerenfrucht: Ophiozyleae. 
Steinfrucht: Carisseae. 


t) Bot. Zeit. 1572 p. 1: Ueber die Verbreitungsmittel der Compositen- 
früchte. l ' } yi 


140 


 Boragineen. 
Kleine glatte Nüsschen: Echium, Pulmonaria, Lithospermum. 
Nüsse mit membranösem Rand: Omphalodes, Rindera, Mattia. 
Hakige Nüsse: Oynoglossum, Echinospermum. 
Ganze Pflanze hakig: Asperugo.. 
Fleischfrucht: Ehretia, Tournefortia. 


Solaneen. 
Kleine Samen in längsaufspringender Kapsel: Nicotianeae 
(Fabiana, Nierembergia, Petunia, Nicotiana ete. ) 
Kleine Samen in queraufspringender Kapsel: Hyoscyamus, 
Anisodus, Scopolia. | 
Same mit Flügelrand: Sesseae. 
Beerenfrucht: Solaneae, Cestrineae. 
Gesneriaceen. 
Sehr kleine Samen: Chirita, Streptocarpus, Episicieae. 
Same einflügelig: Tromsdorffia. 
Same geschwänzt: Aeschinanthus, Lysionotus: 
Beerenfrucht: Eueyrtandreae, Beslereae. 
Umbelliferen. 
Kleine Früchte: Apium, Pimpinella, Ammi. 
Flache unberandete Früchte: Didiscus. 


Früchte rings flügelig berandet: Peucedaneae; 


mit mehreren Längsflügeln: Angelica, Archangelica, Thap- 


sieae (Laserpitium ete.) ; 
mit hohlen Längsriefen: Astrantia, Pleurospermum ; 
mit Schuppen: Eryngium. 
Schwammige Fruchtrinde: Actinacanthus, Hohenackeria, Ae- 
thusa, Libanotıs. 1 
| Früchte rauhhaarig: Actinotus, Holostome, Oliveria, Magydaris. 
_ Kelch und Involuerum federig: Lagoecia. 
Fruchtriefen hakig: Sanicula, Orlaya, Daucus, Caucalis, Torilis. 
Involucrum und Involucellum stachelig: Ezoacantha, Arctopus. 


Theilfrüchte elastisch abspringend : Scandiz. 


Zu ou rn 


5 eo = Ai ; Ranunculaceen. 
E t Eo Kleine Samen: die meisten Helleboreen. 
O Kleine Früchte (knoten) : Anemone nemorosa, Myosurus, mehrere 
Arten von Ranunculus. 
= Frucht rings geflügelt: Anemone narcissi ora, Ranunculus 
asiaticus. \ 
Frucht dreiflügelig: Thalictrum aquilegifolium. = ER 
Frucht(knoten) wollig behaart: Anemone baldensis, sylvestris. a > 
Griffel federig: Pulsatilla, Olematidae.. BEN 
Frucht stachelig: Ranunculus ‚Abth. Echinella. : = 
Beerenfrucht: Actaea. 
Oruciferen. 
Kleine Samen: _Arabideen (Nasturtium, Erysimum, Sisym 
brium etc.). | | N 
Kleine einsamige geschlossene Schötchen: Neslia, Calepinia. a € S 
Schötchen in kleine Glieder zerfallend: Sterigma. PT = Bere. | 
Same mit Flügelrand:: Farsetia, Platyspermum, Cheiranthus ete. | ee 
"Schötehen flach mit Flügelrand: eh Isatis, "Peltaria, | | 
Thysanocarpus, Dipterygium. \ Nor 
Schötchen kahnförmig mit Fligelrand: Tauscheria. 
Schötchen vierflügelig: Tetrapterygium. Re Ba: 
Schötchen sechsflügelig : Hexaptera.. = i£ EA 
Schötchen schwammig: Zilla. el 
Schötchen mit blasigen Höhlungen: Myagrum. 
Aufspringende mehrsamige Schötchen mit Flügel auf dem | m 
_ Rücken der Klappen: Iberis, Thlaspi; Aethionema. | 
ee aufspringendes Schötchen : Lunaria. ; 
Schötchen hakig m gr aTe aspera, Condylocarpus, 
Pugionium. 
; Schötchenklappen elastisch abspringend: Cardamine, Deritaria, > 
 Pteroneuron. Fre l B 4 
Phytolaccaceen. ra 
ass Frucht: Mohlana. 
Frucht einflügelig: Seguieria. 


142 


Frucht stachelig oder hakig: Mierotea. 


Beerenfrucht: Phytolacca. 

Malvaceen. 
Kleine Samen: viele Arten von Hibiscus. 
Kleine Theilfrüchte: Malopeae. 
Theilfrüchte flachgedrückt: Althaea. 
Frucht blasig: Abutilon. 


Same ganz wollig: Gossypium, Fugosia, Serraea. 


Same mit Haaren umrandet: Hibiscus syriacus. 
Theilfrucht mit Widerhaken: Pavonia spinifex, Urena. 
Frucht fleischig: Malvaviscus. 
Polygaleen. 
Frucht(knoten) einflügelig: Securidaca. 
Zweiflügeliger Fruchtkelch: Polygala. 
Stachelig hakige Frucht: Krameria. 
Fleischfrucht: Mundia, Monnina. 
Onagrarieen. 
Kleine Samen: Jussieueae und die meisten Eplobieae, z. B. 
Oenothera, Godetia, Olarkia. 
Kleine wenigsamige, geschlossen bleibende Frucht: Gaura, 
Stenosiphon. 


Same einflügelig: Montinia, Hauya. 


Same mit Haarschopf: Epilobium, Zauschneria. 
Frucht(knoten) mit Haken bedeckt: Circaea. 
Beerenfrucht: Fuchsia. 


Rosaceen. 

Kleine Samen: Spiraeaceeae. 

Kleine Früchte: Potentilla, Sibbaldia, Waldsteima. 

Same einflügelig: Kageneckia, Quillaia, Vauquellinia, Euphronia. 

Same flügelig umrandet: Zindleya. 

Federiger Griffel: Geum montanum und reptans, Dryas, Cowania, 
Fallugia, Cercocarpus. 

Flügelkelch: Tetraglochin. 


Schwammiger Kelch: Margyricarpus, 


Kelch mit hakigen Zipfeln: Acaena. 


Kelch mit hakiger Aussenseite: Agrimonia. 
Früchtchen fleischig: Rubus. 

Fruchtboden fleischig: Fragaria. 

Kelch und Blüthenstiel fleischig: Rosa, Frilthémia?! 


Leguminosen. 

Kleine Früchte: Melilotus. 
Kleine Theilfrüchte: Ornithopus, Coronilla. 

Flache oder ringsflügelige Früchte: Pocockia, Dalea, 

carpus. | 

Flache Theilfrüchte: Desmodium A eg sp. 
Frucht einflügelig : Mochaerium. 

Frucht fünfflügelig : Phelocarpus. p 

Frucht vierflügelig aufspringend : Edwardsia. 
Blumenkrone flügelbildend: Trifolium sp. 

Kelch blasig: Trifolium fragiferum. 

Frucht schwammig : Medicago sp. 

Fruchtglieder rauhhaarig: Ożyrhamphis. 

Frucht hakig : Glycyrrhiza echinata, Medicago sp. Echinodiscus. 
'Theilfrüchte hakig: Desmodium sp. Hedi 'ysarım sp. 


Griffelspitze hakig: Stylosanthes. 
Same mit fléischiger Hülle: Coparfera, Fillaea. 
Frucht(knoten) fleischig: Andira, Tamarindus, C R EXE 


"Frucht elastisch aufspringend: Lupinus, Lathyrus etc. 


7 
‚Schliessen wir hieran die weniger zahlreichen Fälle, wo, die 
en einer und derselben Gattung verschiedene Verbreitungsaus- 


rüstungen zeigen: 
| Hed ysarum. 
Theilfrüchte mit Flügelrand: H. obscurum. 
'Theilfrüchte mit Haken: H. coronarium, capitatum. 


144 


Desmodium. 
Theilfrüchte mit Flügelrand: D. australe. 
Theilfrüchte mit Haken: D. canadense. 
Medicago. 
Früchte schwammig: M. turbinata ete. 
Früchte hakig: M. minor ete. 
i Trifolium. 
Blumenkrone flügelbildend: 7: badium. 
Kelch blasig: 7. fragiferum. 
| Anemone. 
Kleine Früchte: A. nemorosa, ranunculoides. 
Früchte mit Flügelrand: A. narcissiflora. 
Früchte wollig: A. sylvestris, baldensis etc. 
Griffel federig: A. alpina. 
Valerianella. 
Zwei Fruchtfächer blasig: V. Auricula. 
Kelchrand Fallschirm bildend: V. discoidea. 
Kelchrand blasenbildend: V. Vesicaria. 
Kelchzipfel hakig: V. hamata, coronata, echinata, uncinata. 
Noch seltener sind endlich die Fälle, wo an einer und der- 
selben Pflanze verschiedene Verbreitungsausrüstungen sich finden. 
So haben z. B. mehrere Oalendula-Arten Früchte, die kahnförmig 
sind, und daher der Verbreitung durch den Wind angepasst, wäh- 
rend andere, in demselben F ruchtstande, auf dem Rücken einen 
Stachelstreifen haben, also den Thieren anhaften können. Weiter 
ist schon oben besprochen, dass bei einigen Oommelina-Arten ein- 
zelne Samen frei ausfallen und bei ihrer Kleinheit leicht verbreitet 
werden können, während ein Same in seinem Fache eingeschlossen 
bleibt, und von den Rändern der anstossenden Fächer eine Flüge- 
lung erhält. 


Aus allen den gegebenen Beispielen, besonders von den ver- 


schiedenen Verbreitungsausrüstungen in den Gattungen einzelner 
Familien, dürfte zur Genüge hervorgehen, dass bei der Ausbildung 


dieser Gattungen eine Variation in den verschiedensten Richtungen 


145 


"und an den verschiedensten Theilen stattgefunden hat (damit soll 
noch nicht gesagt sein, nach allen beliebigen Richtungen hin), 
denn wir sehen in den einzelnen Familien, Gattungen und Arten 
nicht nur die verschiedensten Verbreitungsausrüstungen ausgebildet, 

“sondern es zeigt sich auch, dass eine und dieselbe Ausrüstung an 
den verschiedensten Organen entstanden ist: bei den Compositen 
finden sich z. B. haarige, flügelige, hakige und kleberige Aus- 
rüstungen, und diese sowohl am Fruchtknoten, wie am Kelch, 
der Blumenkrone und den Deck- oder Hüllkelchblättern. Diese 


Verhältnisse zeigen, dass die Verbreitungsausrüstungen an Samen 


und Früchten sich in der Weise ausgebildet haben, ‚dass sie sich 


den äusseren Umständen anpassten und jede Abänderung jedes bei 


der Fruchtbildung Antheil nehmenden Organs sich im Kampf ums 


Dasein weiter entwickelte, während diejenigen Eigenschaften,, 


welche den Familiencharacter ausmachen, mehr oder weniger un- 
verändert blieben. Die innerliche, genealogische y erwandtschaft 
ist noch vollkommen zu erkennen, während die äusseren Formen 
in ihrer Ausbildung, sich dem biologischen Vortheil unterordnend, 


die verschiedensten Veränderungen erfahren haben. 


Kapitel VI. 
Nutzen der Verbreitungsverhältnisse. 


‚ Während wir in den vorhergehenden Abschnitten darzulegen 
versucht haben, wie die Pflanzen mit den verschiedensten Aus- 
rüstungen versehen sind, die zu ihrer Verbreitung dienen, welche 
Ausrüstungen in der vortheilhaftesten Weise der Wirkung des 
Windes, des Wassers und der Thiere angepasst sind, oder durch 
Austrocknung und besondere Spannungsverhältnisse. in. Wirksam- 
keit treten, so dass die Samen und Keime durch dieselben mög- 


lichst weit, sowohl von der Stammpflanze als von einander ent- 
= Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pflanzen. 10 


146 


fernt ausgestreut werden — während dies in dem Vorhergehenden 
dargestellt worden, so bleibt es noch übrig darauf einzugehen, in 
welcher Weise die V erbreitung der Pflanzen durch ihre Samen 
und Keime ausser dem in dieser selbst liegenden Vortheil noch 
weiter für das Gedeihen der Pflanzenwelt von Nutzen sein mag. 
Schon im Eingange haben wir darauf aufmerksam gemacht, 
dass die Pflanzen, die durch den Mangel der freien Bewegung 
hinter den Thieren im Nachtheil zu sein scheinen, diesen Mangel 
in mehr als erschöpfender Weise dadurch ausgleichen , dass sie 
durch bestimmte Ausrüstungen die Fähigkeit besitzen, sich in ihren 
zahlreichen Nachkommen weiter und weiter auszubreiten. Dieser 
Nutzen fällt in die Augen, wenn wir uns jede Pflanzenart gleich 
nach ihrer Entstehung denken, wo es darauf ankam, von einem 
oder wenigen Puneten durch die Nachkommen sich über einen 
weiteren Bezirk zu verbreiten und alle geeigneten Stellen in dem- 
selben zu bevölkern. Es muss aber doch schliesslich ein Zeitpunct 
für jede Art eintreten — wir sehen hier ganz von ihrer: Varia- 
bilität ab, und nehmen sie einmal als beständig an — wo sie sich 
so weit verbreitet hat, wie es nach ihrer Constitution nur irgend 
möglich; wo sie innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes jeden Punct, 
auf dem sie nur irgend gedeihen kann, und zum Gedeihen Platz 
hat, eingenommen. Wir müssen uns sagen, dass es den Anschein 
gewinnt, als ob sie nun der Verbreitungsmittel entbehren könnte, 
dass es nur darauf ankäme, dass sie Nachkommen erzeugt, bei 
denen es gleichgültig wäre, ob sie etwas entfernt von der Mutter- 
pflanze aufwüchsen, oder ob sie bei einem directen senkrechten 
Fall der Samen auf den Erdboden, dicht neben derselben auf- 
schössen, oder bei der Kurzlebigkeit dieser, genau ihre Stelle ein- 
nähmen. Es würde unter diesen Umständen die Vegetationsdecke 
der Erde jahraus, jahrein in ihren Einzelheiten mehr oder weniger 
denselben Eindruck machen, die ganz gleiche Zusammensetzung 
haben, ohne dass scheinbar hierdurch ein Schade für ihren Be- 


stand einträte. Wir sehen ja aber in so vielen Fällen, dass dort, 


wo Organe bei Pflanzen und bei Thieren nutzlos werden, nicht in 


141 


Anwendung koita, dieselben abortiren, und dass die so ski 


gewordene Substanz zur Entwickelung anderer nützlicher und an- 


 gewendeter Organe verbraucht wird; und so liegt es nahe zu ver- 


muthen, dass, wenn die Verbreitungseinrichtungen an den Pflanzen 
in Wirklichkeit zu einer gewissen Zeit nutzlos geworden, sie nach 
und nach verschwinden würden, was ja aber in der That nicht 


der Fall ist. So müssen wir also danach suchen, in welcher wei- 


teren Weise die Verbreitungseinrichtungen für die Pflanzen von 


Nutzen sind, und finden denn auch bei diesem Suchen "hinläng- 


liche Gründe dafür, dass die Pflanzenarten, auch wenn sie die 


' grösstmögliche Verbreitung erreicht haben, dennoch der Mittel 


innerhalb ihres Bezirkes in ihren Nachkommen fortwährend auf 
der Wanderschaft zu sein, nicht entbehren können. 

Schon Darwın hat in seinem so reichhaltigen Werke über 
das Variiren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domesti- 


kation !) angedeutet, welche Vortheile Thiere und Pflanzen aus der 


unbedeutenden Veränderung in den Lebensbedingungen ziehen ; 


bei Pflanzen sei der Beweis sehr stark, dass dadurch grosser Vor- 
theil erreicht werde, dass Samen, Knollen, Zwiebeln und Senker 
aus einem Boden oder von einem Orte gegen solche, die von 
einem möglichst anderen Boden oder Orte kommen, vertauscht 
werden. Und so haben wir denn hier schon zwei Dinge, die den 


Pflanzen bei ihrer Wanderung innerhalb ihres Verbreitungsbezirkes n 


von Vortheil sind: nämlich der Nutzen, den sie aus einer Um- 


änderung des Bodens, auf welchem sie wachsen, ziehen, und 
dem, der aus einem Wechsel des Klimas entspringt. | 
Jede Pflanze bedarf zu ihrem guten Gedeihen bestimmter 
Substanzen des Bodens, und sie wird, da sie ja nicht, wie die 
Thiere, bald hier- bald dorthin sich begeben kann, um dieselben 
sich zu suchen, sondern meist fest am Boden angewurzelt ist, die 
Vorräthe an dieser Substanz nach und nach erschöpfen, theils das 


Individuum selbst, wenn es langlebig ist, theils die auf einander 


1) DARWIN l. c. II p. 195. 


148 


, 


folgenden Generationen, wenn jedes einzelne Individuum nur eine 


kurze Lebensdauer hat. Weiter ist es aber auch sehr wahrschein- 


lich, dass, wenn eine Pflanzenart lange Zeit auf einem und dem- 


selben Boden gewachsen ist, ohne denselben zu erschöpfen, es 
doch für ihre Kräftigung von grossem Vortheil ist, wenn- sie 
auf einen anderen, zwar ganz ähnlichen Boden kommt, dessen 
Mischungsverhältnisse aber in ganz geringem Maasse von denen 
des Bodens abweichen, auf welchem sie lange Zeit durch Genera- 
tionen ‘hindurch gewachsen ist. Bei Thieren, die man züchtet 
oder sonst in Gefangenschaft hält, ist es ja bekannt, dass für das 
einzelne Individuum es von Vortheil ist, wenn man ihm nicht 
jahraus, jahrein dasselbe, wenn auch noch so nahrhafte oder sonst 
geeignete Futter reicht, sondern bald diese, bald jene kleine Ver- 


änderung eintreten lässt. Ebenso wird es auch mit den Pflanzen 


sein, und es werden hier kleine Differenzen der Nahrung dazu 


dienen, die aufeinander folgenden Generationen zu kräftigen. Wenn 
dies nun wirklich so ist, so haben wir in den Mitteln, welche die 
Pflanzen besitzen, innerhalb ihres Bezirkes bald auf diesen bald 
auf jenen Boden ihre Nachkommen zu verbreiten, ein Verhältnis, 
welches durchaus für ihr Gedeihen von grossem Vortheil ist, und 
durch welches mit bewirkt wird, dass die aufeinander folgenden 
Generationen in gleicher, ungeschwächter Kraft sich entwickeln. 

In ganz ähnlicher Weise wird eine geringe Veränderung des 
Klimas für das Gedeihen einer Pflanzenart von Vortheil sein. 
Geradeso wie wir sehen, ‘dass im Thierreich eine blosse sogenannte 
Luftveränderung sehr günstige Einflüsse ausübt, die gesunden 
Körper noch kräftiger macht, die kränkelnden der Gesundheit 
entgegenführt, geradeso wird es auch bei den Pflanzen sein, wo 
wir jedoch meist nicht an dem einzelnen Individuum einen der- 


artigen günstigen Einfluss werden constatiren können, sondern es 


wird dieser Einfluss besonders bei «den aufeinander folgenden . 


Generationen in die Erscheinung treten. Und auch abgesehen 
hiervon, dass wirklich eine kleine Veränderung des Klimas. für 


das (sedeihen der Pflanzenart von Vortheil sein sollte, so haben 


TE ne 


Zi 


149 

wir auch diesen Punct zu berücksichtigen, dass ja die klimatischen 
Verhältnisse der einzelnen Oertlichkeiten auf der Erde sehr oft 
nicht unbedeutenden Schwankungen ausgesetzt sind; besonders ist 
dies aber der Fall, wenn wir auf die Veränderungen Rücksicht 
nehmen, die das Wachsthum der "Pflanzen selbst herbeiführt. 
Denken wir uns ein kleines Gewächs, welches im Schatten und 
in Feuchtigkeit nur gedeihen kann und bei starkem austrocknen- 
dem Sonnenschein zu Grunde geht, so ist sein Vorkommen an das 
Vorkommen von Schatten gebenden Gegenständen, also neben 
anderen an das Vorkommen von Bäumen gebunden. Dies Vor- 
kommen ist aber ein durchaus wechselndes: an der einen Stelle RE 
wird ein Baum gealtert zu Grunde gehen, und mit ihm der Wohn- | 
ort unserer schattenliebenden Pflanze zerstört werden, während auf 
der anderen Seite an einer früher sonnigen Stelle sich ein Baum 
mit schattengebenden Aesten ausbreiten und eine früher für unsere | l 
Pflanze unbrauchbare Stelle für dieselbe wohnlich machen wird. = = 
Wäre nun die Pflanze nicht mit Mitteln versehen, durch welche | 

sie in ihren Nachkommen von einem Orte zum anderen wandern 

kann, so würde ihre Art an dem ersten schattenlos gewordenen 

Orte zu Grunde gehen, ohne an den neuen für sie geeignet 

gewordenen Platz gelangen zu können. Bei ihren Verbreitungs- 


ausrüstungen wird sie aber mit Leichtigkeit jenen neuen Platz 


erreichen und hier kräftig gedeihen. ` Derartige Fälle kommen auch 
noch in anderen Beziehungen vor, und zeigen uns deutlich, wie 
'vortheilhaft für die Pflanzen überhaupt es ist, dass sie befähigt 
sind in ihren Nachkommen bald diesen bald jenen Ort zu erreichen, 
der das für sie geeignete Klima hat. Hiernach sind es also nicht 
nur die leichten klimatischen Veränderungen, welche für das Ge- | FE 
deihen der Pflanzen von Vortheil sein können, die so aus ihrer 3 ge 


Wanderung einen Nutzen ziehen, sondern wir sehen, wie der oft 


ganz stark eintretende Wechsel der äusseren Verhältnisse ihre 


Existenz oft geradezu bedingt, so dass sie ohne das Vermögen in 


ihren Nachkommen zu wandern, ganz zu Grunde gehen müssten. 


Ein weiteres Moment, welches uns die Vortheile zeigt, die 


150 


die Pflanzenwelt daraus zieht, dass ihre Samen und Sprossen nicht 


direct neben die Stammpflanze auf den Boden fallen, liegt darin, 
dass durch die Ausstreuung derselben der mörderische Kampf 
der Geschwister untereinander vermieden wird. Bei den Pflan- 


‚zenculturen in den botanischen Gärten können wir in grossem 


»\Maassstabe die Beobachtung machen, wie der Kampf ums Dasein, 


/ 


I 


'/ verschiedener Arten mit einander zu bestehen haben. Wenn wir 


je 


j 
R 
/ 1 
N 


Sn iden Geschwister oder Individuen der gleichen Art untereinander 


Ka) 


führen, bei weitem verderblicher ist, als derjenige, den Individuen 


ein Stückchen Land dicht mit den verschiedensten Gewächsen 
besäen, und die Samen mehr oder weniger gleichmässig aufgehen, 
so bemerken wir bald, dass einige Keimlinge von den anderen 
unterdrückt werden und so aus der Reihe der Kämpfer heraus- 
treten, während die anderen sich gleich kräftig weiter entfalten; 
sehr bald sehen wir dann wieder unter diesen eine Anzahl unter- 
drückt, bis endlich nur eine bestimmte Menge übrig geblieben 
ist, die nun auf dem für sie ausreichenden Raum nach Ueberwin- 
dung der übrigen üppig gedeiht und sich zur .Vollkommenheit 
entwickelt. Anders verhält es sich, wenn wir ein gleiches Stück 
Land dicht mit den Samen einer und derselben Pflanzenart oder 
gar mit denen, eines und desselben Individuums besäen. .Hier 
bemerken wir zuerst, dass alle Keimpflanzen gleichmässig auf- 
gehen und sich zu entwickeln anfangen; anstatt dass nun aber 
bei dieser Entwickelung einzelne Individuen, wie dies bei der 
Besäung mit verschiedenartigen Samen der Fall ist, kräftiger 
sich entfalten und die anderen ohne Mühe unterdrücken, entspinnt 
sich hier ein viel hartnäckigerer Kampf. Jede Pflanze hat zu 
kämpfen mit einer Anzahl solcher, die mit ihr die gleiche Stärke 
haben, so dass hier nicht sogleich ein schwächerer Theil unter- 
drückt wird und der Sieger nun kräftiger wachsen kann, sondern 
alle sich untereinander, je länger sie wachsen, um so mehr beein- 
trächtigen, keiner weicht dem anderen, jeder drängt sich neben 
dem anderen als eine kümmerliche Gestalt empor, so dass alle 


Individuen schwächlich werden und manchmal von der grossen 


-151 


Anzahl von Keimlingen kaum einer zu einer kräftigen normalen 


Pflanze heranwächst. — Dies Verhältniss zeigt uns deutlich, was 


geschehen würde, wenn die Pflanzen so eingerichtet wären, dass 
ihre Samen und Keime alle dicht bei der Mutterpflanze zu Boden 
fielen und diesen mehr oder weniger dicht bedeckten, oder gar in 
den Fruchtkapseln zu mehreren übereinander geschichtet auf den 


* Erdboden gelangten. Ein Theil "derselben würde gar nicht zur 


Keimung gelangen können ; ein anderer würde zwar aufgehen, 


‚hätte aber dann, ganz abgesehen davon, dass er von der Mutter- 
 pflanze oft sogleich unterdrückt werden würde, den mörderischen 
Kampf mit ‚seinen Geschwistern bis aufs Blut und bis zur Er- 
schöpfung aller zu bestehen. So wie aber jetzt die Sachen stehen, 
werden, wie wir gesehen haben, die Samen ‘rings um die Mutter- 
pflanze umher zerstreut, wobei sie den doppelten Vortheil geniessen, 


-dass sie nicht mit Nothwendigkeit zu mehreren beisammen auf den 


Boden fallen, und dass sie bei ihrem Ausgestreutwerden zum Theil 


Orte erreichen, die für das Gedeihen der aus ihnen aufgehenden 
Pflanzen förderlich 'sind, während sie bei einem directen Nieder- 
fallen bei der Mutterpflanze auf einem ungünstigen Boden über- 
einander geschichtet vielleicht alle zu Grunde gegangen sein 


würden. 


Endlich liegt einer der Hauptvortheile der durch die Verbrei- 
tungsmittel ermöglichten Wanderung der Pflanzenarten innerhalb 
ihres Bezirkes darin, dass hierdurch die Nachtheile der an- 


‘dauernden Inzucht vermieden und die Vortheile der 


Kreuzung herbeigeführt werden. Es würde über den Zweck. 


-der vorliegenden Abhandlung hinausgehen, wenn wir näher aus- 
führen wollten, dass im Pflanzenreich eine Selbstbefruchtung von 


- nachtheiligen Folgen für die daraus entstehenden Nachkommen ist, 


während durch die Kreuzung verschiedener Individuen eine kräf- 
tige Nachkommenschaft erzeugt wird; doch seien einige, wenige 
Worte hierüber gestattet. Die Beweise für die Richtigkeit des in 
Rede stehenden Verhältnisses sind doppelter Natur, directe und 


152 


indirecte. Von den directen hat DARWIN 1) eine ganze Reihe bei- 
gebracht, indem er mit mehreren Pflanzenarten derartig experi- 
mentirte, dass er von einer und derselben Pflanze durch Selbst- 
bestäubung und durch Fremdbestäubung erzeugte Nachkommen 
unter gleichen Verhältnissen erzog, wobei als Resultat sich heraus- 
stellte, dass die ersteren bedeutend schwächer waren als die letz- 
teren, dieselben würden also bei der Zulassung des Kampfes 
unfehlbar von den letzteren durch Fremdbestäubung erzeugten 
unterdrückt worden sein. Ausserdem giebt es eine Anzahl von 
derartigen Fällen, wo durch eine Selbstbestäubung überhaupt keine 
Samen, also auch keine Nachkommen erzeugt werden, wie z. B. 
bei Corydalis cava und solida, woraus zur Genüge hervorgeht, dass 
in diesem Falle allein durch Kreuzung von verschiedenen Indivi- 
duen überhaupt eine Nachkommenschaft erzeugt werden kann. 

Die indirecten Beweise für die Vortheile der Fremdbestäubung 
vor der Selbstbestäubung liegen darin, dass die Pflanzen derartig 
‘ in ihren Geschlechtsorganen eingerichtet sind, dass durch diese 
Einrichtung eine stetige Selbstbestäubung und also auch die Selbst- 
befruchtung in den verschiedensten Graden vermieden erscheint. 
Bei manchen Blüthen sind die beiden verschiedenen Geschlechter 
auf ganz getrennten Individuen; bei den zwitterigen Blüthen ent- 
wickeln sie sich oft in einer und derselben Blüthe nicht zu 
gleicher Zeit, was namentlich in ganzen grossen Familien hervor- 
tritt (Compositen, Umbelhiferen), in noch anderen haben sie eine 
solche Stellung zu einander, dass hier durch die Insekten keine 
Selbstbestäubung, sondern nur eine Fremdbestäubung vorgenommen 
werden kann, und in den Fällen, wo eine Selbstbestäubung mög- 
lich ist, wie bei vielen durch den Wind bestäubten Blüthen, ist. 
doch niemals dabei eine Fremdbestäubung in dem Leben der z 
Pflanze ausgeschlossen. Ueber diese durch CONRAD CHRISTIAN 


SPRENGEL zuerst entdeckten Verhältnisse sind, nachdem DARWIN 


in seinem Origin of Species die Entdeckung SPRENGEL’S zu Ehren 


i 


1) Darwın, Domestikation II p. 169. 


EEE E 


; ; 153 pea 


gebracht, von verschiedener Seite von Darwın selbst, DELPINO, 
'Axsıt, Fertz und HERRMANN Mürter!), dem Verfasser und 
einigen Anderen zahlreiche Beobachtungen angestellt worden, die 
da alle in indirecter Weise zeigen, dass für das Gedeihen der 


Pflanzen in der Kreuzung verschiedener Individuen einer und der- 


selben Art ein grosser Vortheil liegen müsse. 
= Wenn die Sache sich nun so verhält, so können wir weiter 
leicht einsehen, wie dieser Vortheil hauptsächlich dadurch zu Wege 


gebracht wird, dass die Nachkommen einer Pflanze vermöge der 


‘Art, wie die Samen, aus denen sie erwachsen, ausgestreut werden, 


nicht alle in nächster Nachbarschaft aufwachsen, sondern hier und 
da zerstreut, und so mit den Nachkommen eines anderen gleich- 
artigen entfernter stehenden Individuums leicht in Vereinigung 
treten können. Zwar würde auch durch die Insekten oder den 


Wind eine Kreuzung zwischen den Nachkommen verschiedener 


Individuen bewerkstelligt werden, auch wenn diese Individuen in 
geringerer Entfernung von einander wüchsen, so dass die Ver- 
theilung der Nachkommenschaft in weiten Fernen nicht noth- 


wendig erscheinen möchte; die nächstfolgenden Kreuzungen wür- 
den dann aber, wenn eben die Samen an dem Orte ihrer Ent- 
stehung sich zu Pflanzen fort und fort entwickelten, sich immer 
in demselben Verwandtschaftskreise bewegen, und so würde eine 
Vereinigung nahe verwandter Individuen unvermeidlich sein. 
Weiter könnte man einwenden, dass die bestäubenden Insekten ja 
weit umher fliegen, der Wind den Pollen in ziemlich grosse Ent- 
fernungen weht, so dass schon hierdurch eine Kreuzung der nicht 
nahe verwandten Individuen herbeigeführt werden könnte; es 


würden dies aber doch im Laufe der Zeiten Kreuzungen zwischen 


näher und näher verwandten Individuen werden, wenn nicht ben 
durch den Wind, das Wasser, die Thiere die Samen und Keime 


von entfernter gewachsenen Pflanzen herbeigeführt würden, und 


1) So u erscheint von HERRMANN MÜLLER ein umfassendes van 
Die Befruchtung der Blumen durch Insekten etc. 


154 


mit ihnen, so zu sagen neues Blut in einen Kreis von Verwandten 
Sebracht würde. So sehen wir, dass durch die Wanderung: der 
Pflanzen in ihren Nachkommen innerhalb ihres Bezirkes gerade 
dasselbe herbeigeführt wird, was die Thiere vermöge ihrer Fähig- 
keit sich zu bewegen erreichen können: eine Vermeidung der In- 
zucht und eine Vereinigung von nicht verwandten Individuen. 

- Blicken wir zurück auf diese Vortheile, welche die Verbrei- 
 tungsfähigkeit der Pflanzen innerhalb ihres Bezirkes für dieselben 
mit sich bringt, durch die geringe Veränderung des Klimas und 
des Bodens, die Vermeidung des Kampfes zwischen Geschwistern 
oder nahe Verwandten und durch die angebahnte Kreuzung nicht 
verwandter Individuen, so sehen wir, dass wir ohne Sorge es auf- 
geben können zu behaupten, dass die Verbreitungsausrüstungen 
und die Verbreitungsagentien bei den Pflanzen einen sehr grossen 
Einfluss auf die Ausdehnung des Bezirkes derselben in allen Fällen 
haben werden, denn es bleiben genug Vortheile übrig, welche ‘aus 
einer Verbreitung in einem näheren Umkreise aus der Vermischung 
der Nachkommenschaft verschiedener Individuen der gleichen Art 
entspringen, um es uns erklärlich zu machen, wie auch die nur 
für eine Verbreitung und Zerstreuung in grösserer Nähe eingerich- 
teten Ausrüstungen der Früchte, Samen und Sprossen in ihrer 
grossen Komplicirtheit und Mannigfaltigkeit keine Verschwendung 
in der Natur sondern von der grössten Wichtigkeit sind. 


Kapitel VII. 


Schlussbemerkungen über die Ausbildungsweise der Verbrei- 
tungsausrüstungen bei der Entwickelung des Pflanzenreiches. 


T 


Wenn wir einen allgemeinen Blick auf die besprochenen ver- 
schiedenen Mittel werfen, welche bei der Verbreitung der Pflanzen 


in Anwendung kommen, so müssen wir zugestehen, dass durch 


diese Mittel den Pflanzen die freie Bewegung, welche i im 


an den Rändern ihres Bezirkes Schritt für Schritt vor, besonders 


ermöglicht, die, wie wir gesehen haben, mit so vielen Vortheilen 


 Entwickelungsstufe überblicken, dass hier die Verbreitungseinrich- 


die bei der geringsten Bewegung des Wassers, in dem sie ja Be RE 


_ breitung des Individuums selbst dadurch ermöglicht, dass diese 


" Phanerogamen, die immer am Ort ihres Keimens angewurzelt sind, Bee 


Farbe, Geruch und nahrhafte Substanz die Thiere veranlassen sie ye ee. ; 


155 


Vergleich zu den Thieren mangelt, mehr als ersetzt wird. Wenn 


sie vermöge derselben. auch nicht so schnell, nicht zu jeder Zeit 


und namentlich nicht als Individuen, sondern nur in der Nach- 
kommenschaft von Ort zu Ort gelangen können, so rücken sie 


dennoch, wenn die anderen Umstände günstig, durch diese Mittel 
aber wird durch dieselben eine Wanderung innerhalb des Bezirkes 


für das Gedeihen der Art verbunden ist. 
Weiter sehen wir, wenn wir das Pflanzenreich in seiner jetzigen 


tungen in der verschiedensten Weise von der einfachsten bis zur 
komplicirtesten ausgebildet sind: Wir sehen bei den Algen ein 
ganz einfaches Mittel zur Verbreitung dadurch getroffen, dass 
kleine meist einzellige Körper sich von der Mutterpflanze loslösen, 


wachsen, nach den verschiedensten Richtungen hin verbreitet wer- 
den können, und zu einer neuen Pflanze "heranwachsen ; ja wir 


finden bei diesen Algen noch in der Mehrzahl der Fälle die Ver- 


Pflanzen nicht am Boden angewurzelt sind, sondern frei im Wasser ARETA 
schwimmen und durch die Bewegungen dieses von Ort zu Ort ; 
geführt werden können. Auf der anderen Seite haben wir bei den 


die komplicirtesten Einrichtungen, welche zur Verbreitung ihrer 
Samen und Früchte, also ihrer Nachkommen, dienen: wir haben a 


hier die saftigen Früchte, die so eingerichtet sind, dass sie durch \ 3. E 


zù verzehren, ohne dass diese die in ihnen enthaltenen Samen 
dabei der Zerstörung aussetzen, da dieselben durch eine harte 


Hülle geschützt, unversehrt den Darmcanal der Thiere verlassen 


und so hier und da ausgestreut werden. Ebenso kompleirt ist die | 


Verbreitungseinrichtung, welche in hakigen Anhängen an den 


156 


Früchten besteht, durch welche diese aussen dem Pelze der Thiere 
anhaften, von dem sie sich bald hier, bald dort loslösen, oder an 
welchem sie längere Zeit haften bleibend, wenn sie mehrsamig 
sind, bald hier bald dort bei ihrem Oeffnen die einzelnen Samen 
oder Früchtchen ausstreuen. Zwischen diesen beiden Einrich- 
tungen, den einfachsten der Algen und den komplieirtesten der 
Phanerogamen finden wir eine ganze Reihe von Uebergangs- 
stufen, wie aus dem Obigen wohl zur Genüge erhellen wird. 
Besonders interessant ist es aber, wie diese Reihe der verschieden 
komplicirten Verbreitungseinrichtungen nicht nur jetzt bei den 
heute lebenden Pflanzen uns vor Augen liegt, sondern wie dieselbe 
in ihren einzelnen Stufen auch mit den Stufen zusammenfällt, 
welche das Pflanzenreich bei seiner Entwickelung von Anfang her 
durchgemacht hat, und wie sich ein Zusammenhang nachweisen 
lässt zwischen dem Vorhandensein der Verbreitungsagentien und 
der Ausbildung der diesen Agentien angepassten Verbreitungsaus- 
rüstungen, welchen Punct übrigens schon DELPINO 1) kurz be- 
rührt hat. 


Die ersten Gewächse, welche sich bildeten, sind die Algen 
gewesen, und an ihnen finden wir, wie so eben schon gesagt, die 
einfachsten Verbreitungseinrichtungen, die der W irkung des Wassers 
angepasst sind, welches damals wohl den grössten Theil der Erde 
bedeckte. Als darauf das aus den Gewässern hervortretende Land 
auf längere Zeit trocken blieb fanden die moos- und farnkraut- 
artigen Gewächse Gelegenheit sich zu entwickeln, und sie bildeten 


an sich Verbreitungsausrüstungen aus, die der Wirkung des Windes, 


welcher sie ausgesetzt waren, sich anpassten, und die noch ganz 


‚einfacher Natur waren, allein in der Leichtigkeit und Kleinheit 
der Fortpflanzungszellen bestehend; und keine Verbreitungsaus- 
rüstung findet sich dort, welche der Wirkung der Thiere angepasst 


wäre. Bei den Coniferen finden wir dann die dem Winde ange- 


1) DELFINO, Rivista bot. p. 48. 


E EAEE EATE EN P 


, 


157 


` 


passten Verbreitungsausrüstungen als Flügelanhänge schon weiter 


ausgebildet, und erst hier treten einige, im Ganzen wenige Fälle 
fleischiger Früchte auf, also Einrichtungen die dem Verschlungen- 


werden durch Thiere angepasst sind, während hakige oder kleberige 


Ausrüstungen sich noch nicht finden, entsprechend dem damaligen 
Mangel ‘an Pelzthieren. Kommen wir zu den Monokotyledonen, 
so sehen wir bei diesen schon zahlreichere Arten, ja ganze Familien, 
welche fleischige Früchte und Samen entwickeln (Asparageen, Iri- 
deen, Musaceen, Palmae, Aroideen), jedoch ist das Auftreten von 
'hakigen oder kleberigen Früchten hier noch ein ganz vereinzeltes 
und findet sich heutzutage nur bei einigen Gramineen und Cype- 
raceen. Erst bei den. Dieotyledonen tritt dann hauptsächlich die 
in Haftorganen bestehende Verbreitungsausrüstung auf (neben den 
noch weiter sich entwickelnden fleischigen Ausrüstungen), also zu 
einer Zeit, wo auch die Pelzthiere, denen eben diese Ausrüstung 


angepasst ist, zahlreich erschienen waren; und auch hier sehen 


wir noch einen Fortschritt in der Entwickelung dieser Haftorgane 


in der Weise, dass wir unter den apetalen .Dieotyledonen dieselben 


. . . T . 
nur etwa in vier Familien finden, ebenso bei den Monopetalen, 


während bei den auf der höchsten Stufe der Entwickelung stehen- 


den Polypetalen sie jetzt in mehr als zehn Familien vorkommen. 


Die Haftorgane wären vollständig nutzlos gewesen, wenn sie sich 


zu einer Zeit gebildet hätten, wo Pelzthiere noch nicht vorhanden 


waren, und so sehen wir sie auch erst mit» dem Auftreten dieser 


erscheinen — übrigens. konnten sie sich auch gar nicht eher aus- 


- bilden, wenn wir annehmen, dass dieselben im Kampf ums Dasein 
entstanden, und dies führt uns hinüber zu der Frage, in welcher 
Weise denn überhaupt sich die Verbreitungsausrüstungen an den 


Pflanzen ausgebildet haben. 


Nach allem Vorhergehenden müssen wir sagen, dass hier die 
natürliche Zuchtwahl, wenn nicht die einzige, so doch die wich- 
tigste Rolle gespielt hat. Jede Abänderung der Fortpflanzungs- 


körper, also der Samen, Früchte, Sprossen, Sporen, musste für 


een 


458 


das Bestehen der betreffenden Pflanzenart von grosser Wichtigkeit 
sein, wenn sie dazu diente den Nachkommen einen Vortheil vor 
anderen zu verschaffen, wenn durch sie bewirkt wurde, dass die 
Keime zu diesen Nachkommen an Orte ‚gelangten, wo sie den 
geeigneten Boden zum Gedeihen fanden, wo eine leichte Verände- 
rung des Klimas sie kräftigte; wenn diese Nachkommen von ein- 
ander so entfernt wurden, dass dadurch der mörderische Kampf 
untereinander und die auf die Dauer schädlichen Einflüsse der zu 
nahen Inzucht vermieden wurden. Alle diese Vortheile konnten 
die Nachkommen nicht geniessen, die aus Keimen aufwuchsen, 
welche dicht gedrängt, dicht neben der Mutterpflanze niederfielen ; 
sie gingen, wo nicht sogleich, so doch bald zu Grunde, oder 
hinterliessen im günstigsten Falle eine Nachkommenschaft, welche 
in dem fortgesetzten Kampfe ums Dasein anderen Pflanzenarten 
oder ihren eigenen Verwandten unterliegen mussten, die durch 
Anpassung an die Verbreitungsagentien sich weiter fortentwickelt 
hatten. Dass diese Anpassungen an die Verbreitungsagentien 
wirklich statt gefunden, haben wir ja wohl im Laufe der ganzen 
Abhandlung zur Genüge gesehen; die Leichtigkeit der Samen und 
Früchte, ihre Flügel, ihre haarigen und federigen Anhänge sind 
in ausgezeichneter Weise der Verbreitung durch den Wind ange- 
passt, und jede weitere Entwickelung dieser Flugmaschinen wird 
der betreffenden Art für ihr Bestehen und ihre Fortbildung von 
Nutzen sein. Die fleischigen und mit Haftorganen versehenen 
Früchte haben sich zu der jetzt uns vorliegenden Vollkommenheit 
in der Weise ausgebildet, dass sie sich der Lebensweise und dem 
Körper gewisser Thiere anpassten, indem von ihren Nachkommen 
diejenigen im Vortheil waren, welche die Vögel und Säugethiere 
durch Farbe und Wohlgeschmack der nahrhaften Speise ihres 
Fleisches zum Genusse anlockten, oder die sich durch hakige und 
kleberige Anhänge möglichst leicht an Pelzthieren anhefteten und 
so von diesen mit fortgeführt wurden, wo dann in beiden Fällen, 


bei den fleischigen und mit Haftorganen versehenen Früchten, aus 


den weit ausgestreuten Samen Pflanzen erwuchsen, die gegen ihre 


rd 


159 


Geschwister im Vortheil waren, und an deren Nachkommen sich 
‚die vortheilhafte Eigenschaft weiter und weiter ausbildete. | 
Auf der anderen Seite haben wir auch gesehen, dass nutzlos 
keine Verbreitungsausrüstungen sich gebildet haben, und können 
dies als einen Beweis dafür annehmen, dass die Ausbildung der 
betreffenden Ausrüstungen nur im Kampf ums Dasein, wo nur das ` 
Nützliche siegt, vor sich gegangen sein kann; schädliche Abände- 
rungen ziehen den Untergang ihres Trägers nach sich, und solche, 
die an sich von Nutzen sind, werden, wenn ihre Träger oder 
deren Nachkommen nicht untergehen sollen, sich vervollkommnen 
müssen, in dem Falle, dass sich an ihren Geschwistern oder son= 
stigen Competenten irgend eine vortheilhafte Abänderung zeigt. 
Solche nützliche Abänderungen werden nun weiter sich nur dann 
ausbilden können, wenn ihre Nützlichkeit wirklich zur Geltung | 
kommen kann und den damit ausgestatteten Individuen und deren 


Nachkommen einen Vortheil über andere Competenten einbringen. 


/Und dies ist eben der Grund, weswegen wir die Verbreitungsaus- 


rüstungen immer an der geeigneten Stelle und unter den geeig- 


neten Umständen finden. Eine Haarkrone, ein Flügel kann sich 


an dem Samen einer Pflanze auf dem Wege der natürlichen Zucht 


wohl nur dann ‚ausbilden, wenn dieser Same frei wird und nicht 


in der Frucht eingeschlossen bleibt, 
wo die Frucht sich nicht öffnet, 


und so sehen wir denn auch 
auf der einen Seite, dass .dort, 
nicht der in ihr enthaltene Samen die Verbreitungsausrüstung 
trägt, sondern sie selbst an ihrer Oberfläche, 


anderen Seite diejenigen Samen, die an sich eine Verbreitungs- 


während auf der 


ausrüstung ‚durch Leichtigkeit, federige oder flügelige. Anhänge 


besitzen, stets in solchen Früchten sich finden, die sich öffnen, so 


dass die Samen also frei und ihre Verbreitungsausrüstungen be- 
nutzbar werden. Die Ausrüstungen, welche nur durch die Wirk- - 
samkeit der Pelzthiere von Nutzen werden können, sehen wir auf 
der einen Seite erst zu der Zeit auftreten, ‘wo diese Thiere auf 
_ der Erde erschienen waren, wo sie sich also an dieselben anpassen 


konnten, während sie vorher den betreffenden Pflanzen, welche‘ 


\ 


j 


160 


eine Variation in dieser. Richtung a von gar keinem Nutzen 
sein konnten — auf der anderen Seite sehen wir sie dann weiter 
nur an solchen Gewächsen ausgebildet, die niedrig sind, die also 
von den hauptsächlich. nur auf dem Erdboden lebenden Pelzthieren 
gestreift werden konnten, während die dem Verschlungenwerden 
durch Vögel angepassten Fleischfrüchte, wenn auch nicht aus- 
schliesslich, so doch zum grössten Theil, an baum- oder strauch- 
artigen Gewächsen sich finden, also solchen, die vorzugsweise von 
den in der Luft lebenden Vögeln besucht werden. In dieser Weise 
würde man bei weiterer Nachforschung wahrscheinlich noch meh- 
rere Verhältnisse finden, welche den Z usammenhang darthun, in 
welchem das Vorkommen und die Ausbildung der Verbreitungs- 
ausrüstungen zu den verbreitenden Agentien stehen, und die durch 
diesen Zusammenhang, wie die kurz angeführten, zeigen, dass die 
den Agentien angepassten Ausrüstungen dadurch. zu der jetzigen 
Vollkommenheit gelangt sind, dass im Laufe der Zeiten der Kampf 
ums Dasein bei Vermehrung der Competenten ein immer härterer 
wurde, und dadurch jede nützliche Abänderung, also auch die 
eine grössere Zerstreuung der Nachkommen bewirkende, sich von 
Generation zu Generation steigerte und so die damit ausgerüstete 
Pflanzenart erhielt, oder dieselbe weiter sich entwickeln liess, wäh- 
rend die nicht fortschreitenden Individuen schon durch ihren Still- 
stand in den Nachtheil kamen und in ihren Nachkommen früher 
oder später zu Grunde gingen. 


Die ‚Grundbedingung zu allen diesen, so wie den anderen 
Anpassungen im Thier- und Pflanzenreich bleibt natürlich das 
Auftreten von Abänderungen bei der Fortpflanzung, bei denen 
allein Differenzen in der vortheilhaften Beschaffenheit der einen 
Individuen gegenüber den anderen stattfinden können. Ob nun- 
diese Abänderungen in einer bestimmten Richtung überall erfolgen, 
oder ob sie nach allen Seiten hin auftreten können und wirklich 


auftreten, dies ist eine Frage, welche jetzt viele Forscher zur Bes, 


antwortung ins Auge gefasst haben, und die hier nicht mit wenigen 


161 


Worten abgethan werden kann. Bei der Entstehung und Aus- 
bildung der Verbreitungsausrüstungen an den Pflanzen sehen wir 
das eine, wie das andere in die Erscheinung treten. Wir finden 
ganze Familien, wo es den Anschein hat, als ob sie in Bezug auf 
die in Rede stehenden Verhältnisse nur in einer Richtung variirt 
haben, indem ihre Verbreitungsausrüstungen mehr oder weniger ` 
gleicher Art und demselben Verbreitungsagens angepasst sind; 
während wir auf der anderen Seite solche Familien haben, wo die _ 
Verbreitungsausrüstungen die verschiedenste Form und die ver- 
`z schiedensten Verhältnisse der Anpassung zeigen, so dass hier die 
Variation nach vielen verschiedenen Richtungen hin_stattgefunden 
haben muss. Damit ist aber dennoch nicht bewiesen, dass in 
diesen verschiedenen Richtungen nicht doch eine gewisse Be- 
schränktheit stattgefunden hat, und dass hier nicht ein inneres 
Princip gewaltet, welches die Variation nach dieser oder jener 
bestimmten Richtung hin gelenkt oder doch wenigstens ermöglicht 
"hat. Ungeachtet des Vorhandenseins eines solchen Princips bliebe 
aber dennoch der natürlichen Zuchtwahl ein ganz bedeutendes 
Feld von der höchsten Wichtigkeit, -wie bei der Ausbildung des 
Thier- und Pflanzenreiches im Allgemeinen, so in unserem vor- 
liegenden Fall bei der Ausbildung der Verbreitungsausrüstungen, 
die in ihrer offenbar vortheilhaften Einrichtung leicht durch das 
Ueberleben und die Fortbildung des Nützlichen im Kampfe ums 
Dasein sich erklären lassen. Nicht damit die Pflanzen sich aus- 
breiteten und aus dieser Ausbreitung die schen genannten Vor- 
theile zögen, sind an ihren Fortpflanzungskörpern die verschie- 
denen zur Verbreitung dieser dienenden Einrichtungen getroffen, 
sondern weil diejenigen Individuen, welche in ihren Fortpflan- 
zungskörpern die für die Verbreitung ihrer Nachkommen nütz- 
lichen Eigenschaften im erhöhten Maasse zeigten, dadurch in eben 
diesen Nachkommen beim Kampfe mit anderen im Vortheil waren, 
haben sich diese vortheilhaften Eigenschaften von Generation zu 
Generation erhalten und weiter ausgebildet. Diese Eigenschaften 


Hildebrand, Verbreitungsmittel der Pilanzen. ; a 11 


162 


haben nur Bestand in ihrer Nützlichkeit, und werden untergehen, 
wenn noch vortheilhaftere Einrichtungen auftreten, oder wenn die 
Umstände, denen sie angepasst sind, sich ändern. Ein unver- 
ändertes Bestehen bei Veränderung der Umstände, auf welchen 


dieses Bestehen eben begründet, denen es angepasst ist, ist nicht 
denkbar. 


Druck von Breitkopf und Härtel in Leipzig, 


Bei Wilh. Engelmann in Leipzig erschien ferner: 


Die Geschlechter- Vertheilung bei den Pflanzen 
und das 
Gesetz der vermiedenen und unvortheilhaften stetigen Selbstbefruchtung 
Von: ; 
| Friedrich Hildebrand. 
Mit 62 ‚Figuren. gr. 8. 1867. br. 271/, Ngr. 


«Die Befruchtung der Blumen durch Insekten 


und m gegenseitigen Anpassungen beider. 
‚Ein- Beitrag zur Erkenntniss des ursächlichen Zusammenhanges 
ın der or en Natur. 


Dr. Hermann Müller, 


Oberlehrer an der Realschule erster Dre zu Lippstadt. 


Mit 152 Abbildungen in Holzsehnitt. gr. 8. br. 3 Thlr. 


Die Vegetation der Erde 
nach ihrer klimatischen Anordnung 
Ein Abriss der vergleichenden Geographie der Pflanzen. 


von 
A A. Grisebach. | 
Zwei Bände: Mit einer Uebersichtskarte der Vegetationsgebiete, 
©. Nebst einem ona Register über das g ganze Werk. 


8.4872 ‚br. 6» Thlr. 


Lehrbuch der Botanik. 


Nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft beärbeitet 
: von ne 
Dr. Julius Sachs, 
ordenil. Professor der Botanik in Würzburg, 
Dritte abermals vermehrte und theilweis umgearbeitete Auflage. 


Mit 461 Holzschnitten. gr. 8.. 1873. br. 4 Thlr. 20 Negr. 


> 


Arbeiten des botanischen Instituts in Würzburg. enoe 
von Prof. Dr. Jul. Sachs. 1., 2., 3. Heft. Mit 8 Tafeln u. 24 Holzschnitten. 
gr. 8. 1871—73., br. i + Thlr. 4 Ner. 


1. Heft. (8: r: 98.) 1871. 24 Negr. 
Pfeffer; Dr. W., Die Wirkung farbigen Lichtes auf die Zersetzung der Kohlensäure 
; in’ Pflanzen. Mit 3 Figuren in Holzschnitt. 
> — — Symmetrie und specifische Wachsthumsursachen. Mit 1 Fig. in Holzschnitt. 
REN 8. T- 286.) 1872. 1 Thiri 20 Ngr. 
UI. Sachs, -Jul., Ueber den Einfluss der Lufttemperatur“ und des Tageslichts auf die 
stündlichen. und täglichen Aenderungen des Längenwachsthums (Streckung) der 
Internodien. Mit 2 Holzschnitten und 7 Tafeln. 
1V. — — Längenwachsthum. der Ober- und Unterseite horizontal gelegter sich aufwärts 
krümmender Sprosse. : ; 
V. — — Ablenkung der Wurzel von ihrer normalen 3 RER REG durch feuchte 
Körper. Mit 1 Holzsehnitt. 
VI. Vries, Hugo de, Ueber einige Ursachen der Richtung bilateral- sy mmetrischer Pflanzen- 


theiles 
VD. Sachs, Jut: Die Pflanze und das Auge Es verschiedene Reagentien für das- Licht. 


(S. 287—475.) t Thir. 20 Ner. 
VII. Vries, Hugo de, Ueber das Welken abgeschnittener Sprosse. 
Tons Längenwachsthum der Ober- und Unterseite sich krümmender Ranken. 
X. — — Zur a u der Bewegung von, Schlingpflanzen. 
-XI Godlewski, ; Abhängigkeit der Sauerstoffausscheidung der Blätter von dem Kohlen- 
} säuregehalt ae Luft. Mit einer lithographirten Tafel. 
ZI. Prantl, K., Ueber den Einfluss des Lichts auf das Wachsthum der Blätter. Mit 4 Holz- 
schnittfigur. 
XII, Sachs, Jul; Ueber das Wachsthum der Haupt- und Nebenwurzeln, Mit 20 Figfen 
in Holzschnitt. ; 


SAANA IEAn TN AAA ANTAN ANAKA An n AAA nnan AAAA 


Druck von Breitkopf und Härtel in. Leipzig.