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Full text of "Jahrbücher Für Psychiatrie Und Neurolo 1912 33"

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LiNIVEKsiTY OF MICHIGAN 










JAHRBÜCHER 

für 

P SYCHIATRIE 

und 

NEUROLOGIE. 


Organ des Vereines für Psychiatrie und Neurologie 

in Wien. 

HERAUSGEGEBEN 

von 

Dr. F. Hartmann, Dr. K. Mayer, Br. H. Obersteiner, 

Professor in Graz. Professor ln Innsbruck. Professor in Wien. 

Br. A. Pick, Br. J. Wagner y. Janregg, 

Professor in Prag. Professor in Wien. 

REDIGIERT 

von 

Dr. 0. Marburg und Dr. E. Raimann 
in Wien. 

DREIUNDDREISSIGSTER BAND. 

Hit 3 Tafeln. 

LEIPZIG UND WIEN. 

FRANZ DEUTICKE. 

\ 1912. 


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Verlags-Nr. 178*2. 


K.. u. k. Hoflmclulruckor h r. Winiker & SohickanJt, Brünn. 

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Inhaltsverzeichnis. 


Seite 

Löwy, Max, Über eine Unruheerscheinung: Die Halluzination des 

Anrufes mit dem eigenen Namen (ohne und mit Beachtungswahn) 1 
Blosen, Wilhelm, Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit 132 
Stiefler, Georg, Tuberkulöse Meningitis mit den Erscheinungen 
einer schweren aufsteigenden spinalen Querschnittsläsion; nebst 
Bemerkungen über die Degeneration der hinteren Wurzeln. Mit 


Tafel I. 185 

Befer&te . 210 

Neuburger, Max, Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis- 

Literatur. Mit Tafel II. 225 


Glaser, Otto, Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit 
Epilepsie. Mit Tafel III.. 

Horawski, Juljusz, Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hunde¬ 
familien (mit Berücksichtigung des Geschlechts und der Ent¬ 
wicklung) .• . . 

Befer&te. 

Vereinsbericht . 496 

Hitgllederverzeiehnls . 555 


292 

306 

478 


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Über eine Unruheerscheinung: Die Halluzination 
des Anrufes mit dem eigenen Namen (ohne und mit 

Beachtungswahn). 

Von 

Dr. Max Löwy, Nervenarzt in Marienbad, 

früherem klinischen Assistenten der Prager deutschen psychiatrischen 

Universitätsklinik. 

Vortrag vom 22, November 1910 in der medizinisch-biologischen Sektion 

des „Lotos“ in Prag. 

Hie und da im leeren Zimmer oder auf der Gasse, besonders 
aber im Dunklen, nachts oder in der Dämmerung und in der Ein¬ 
samkeit hören sich gewisse Geisteskranke wie auch Nichtgeistes¬ 
kranke mit ihrem Namen angerufen, ohne daß sie jemanden sehen. 
Und wenn sie sich auch umdrehen oder auch in der betreffenden 
Richtung nachsuchen, können sie nicht feststellen, wer sie gerufen 
hat. Häufig können sie sich gar nicht denken, wer es gewesen sein 
könnte, aus welchem Grunde oder zu welchem Zwecke man sie 
angerufen haben sollte. 

Der Ruf ist meist leise oder halblaut, selten lauter. Fast 
regelmäßig ist es eine einzige und häufig eine unbekannte Stimme, 
Männer- oder Frauenstimme, welche sie anruft. Eine merkliche 
Regel der Auswahl zwischen Männer- oder Frauenstimme, etwa 
gegeben durch das Geschlecht der Kranken, konnte ich nicht finden. 
Diese Auswahl dürfte wohl von verschiedenen Umständen abhängen. 
Manchmal können die Kranken überhaupt nicht angeben, welchem 
Geschlecht die Stimme entspricht. Andererseits erfährt man ge¬ 
legentlich, es sei die Stimme der Mutter, des Geliebten, der Tochter 
gewesen. In einem Falle von Dementia praecox war es die Stimme 
der gefürchteten Schwiegermutter einer Patientin. In diesen Fällen 
ist es also die Stimme von Leuten, welche im Leben der Patienten 

Jahrbücher für Psychiatrie, XXXIII. Bd. 1 


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Dr. Max Löwy. 


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Bedeutung haben, ohne daß aber diese Personen bei der späteren 
Krankheitsentwicklung, in der Wahnbildung usw., eine Rolle zu 
spielen brauchen. In einzelnen Fällen wird aber doch die Stimme, 
der Ruf, Trägern zugeschrieben, welche weiterhin für die Wahu- 
bildung der Patienten Bedeutung gewinnen, z. B. dem Heiland, 
der Jungfrau Maria, Gott usw. 

Wie erwähnt, geht der Anruf regelmäßig von einer einzigen 
Stimme aus, nur manchmal hören sich Mütter von ihren Kindern 
gleichzeitig „Mutter, Mutter“ angerufen. Das ist aber ein Anruf, 
welcher, wie wir noch unten sehen werden, dem Namensanruf 
gleichzusetzen ist. Ein Rufenhören des Namens im Chorus, etwa 
so wie andere Gehörshalluzinationen, z. B. Beschimpfungen im Chorus 
erklingen können, ist mir nicht untorgekommen. 

Gelegentlich geht dem halluzinierten Namensanruf ein Stadium 
„unbestimmter Ahnungen“ voraus oder parallel oder alterniert damit. 
Auch andere Gehörstäuschungen können neben dem halluzinierten 
Namensanruf einhergehen, und zwar auch bei Nichtgeistes¬ 
kranken. Diese Gehörshalluzinationen sind dann von „nicht be¬ 
deutsamem“, d. h. nicht von „wahnhaft determiniertem“ Charakter. 
So besteht z. B. neben dem halluzinierten Namensanruf das Hören 
von Klopflauten, von Glockenklang, das Vernehmen eines nicht 
weiter bedeutsamen Wortes, wie z. B. des Wortes „Haus“. 

Sowohl bei den Psychosen jener Hirnprozesse, welche in Demenz 
ausgehen, wie bei den „Hirnschädigungssyndromen“, d. i. den toxi¬ 
schen und traumatischen Psychosen, wie bei den funktionellen 
Psychosen findet sich der halluzinierte Namensanruf. Er findet sich 
bei vereinzelten Fällen in deren Verlaufe, gewöhnlich aber im Be¬ 
ginne der Erkrankung, und zwar in der Zeit vor dem Eintritt 
anderer (bedeutsamer) Gehörshalluzinationen oder ausgesprochener 
Wabnbilduug, resp. vor dem Eintritt deutlicher Bewußtseinstrübung; 
also überhaupt vor Ausbildung sonstiger ausgesprochener Krank¬ 
heitszeichen. Weiters findet er sich auch bei Nichtgeisteskrauken 
zuzeiten der Erregung, Unruhe, der Überspannung oder Abspannung 
oder der Spannung: vorwiegend bei Psychopathen, z. B. Psychasthe- 
uischen. 

Auf eine Unterscheidung, ob dem halluzinierten Namensanruf 
seitens der Kranken die sogenannte „Realität“, „Objektivität“ gleich 
wirklichen Wahrnehmungen zuerkanut wird oder ob er von den 
Trägern als subjektiv, als „Sinnestäuschung“ erkannt wird (es 


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Uber eine Unruheerscheinung etc. 


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kommt beides vor), sei hier nicht näher eingegangen. Diese Er¬ 
örterung ist nämlich für unsere weiteren Fragestellungen nicht von 
entscheidendem Belang. 

Beachtenswert sind aber folgende Eigentümlichkeiten: daß 
der halluzinierte Namensanruf meist leise oder halblaut ist, in der 
Kegel nur einmal von einer einzigen Stimme, manchmal ohne die 
Möglichkeit, Männer- oder Frauenstimme zu unterscheiden, meist 
im Dunklen, nacht9 oder in der Dämmerung, in der Einsamkeit 
erfolgt und daß ihm manchmal ein Gefühl unbestimmter Ahnung 
oder drohenden Unheils vorausgeht, parallel geht oder damit alter¬ 
niert; weiter der Umstand, daß der halluzinierte Namensanruf meist 
im Beginn der betreffenden Erkrankung und vor Eintritt aus¬ 
gesprochener Krankheitszeichen auftritt; endlich das gelegentliche 
Danebenbestehen von anderen wenig bedeutsamen, d. h. nicht wahn¬ 
haft determinierten Gehörstäuschungen. Diese Eigentümlichkeiten 
tragen nämlich alle einen gemeinsamen Charakterzug und dies ist 
der Charakter der Unbestimmtheit. Die grundlegende Bedeutung 
dieser Unbestimmtheit für den ganzen Erscheinungskomplex des 
halluzinierten Namensanrufes wird im weiteren noch gewürdigt 
werden. 

In erster Linie erscheint mir aber folgender Um¬ 
stand der Beachtung würdig. Es ist in der Kegel nicht 
der Zunamen (Schreibnamen), welchen die Kranken 
halluzinieren, sondern der Taufnamen (Vornamen), 
eben der sogenannte Rufnamen. Denn der Vornamen ist ja 
der übliche Rufnamen, wenigstens regelmäßig in der Kindheit, der 
Zunamen stellt (aus später noch heranzuziehenden Gründen) bloß 
den Nenn-Namen dar. 

Ein Saison-Haaameister wurde in seiner Sommerstellung mit dem 
Namen seines Vorgängers „Franz“ genannt. Er halluzinierte im Winter 
zu Hause den Anruf mit seinem wahren Vornamen „Ignaz“, aber im 
Sommer in seiner Dienststellung den Anruf „Franz“, also seinen „Saison¬ 
rufnamen“. Diese Prävalenz des Vornamens vor dem Schreibnamen 
zeigte auch der schon erwähnte Fall von Dementia praecox. Die Pat. 
halluzinierte den Anruf „Betti“ von der gefürchteten Schwiegermutter. 
Sie wurde zu Hause auch so genannt. Bei der Schriftprobe schreibt sie 
aber ihren Namen „Margarete“ St. Dadurch erfahre ich erst ihren wahren 
Vornamen; denn bei der Aufnahme der Generalien hatte sie sich als 
Betti St. bezeichnet. 

Das halluzinatorische Hören des Vornamens, des „Rufnamens“ 
weist darauf hin und ist die Folge davon, daß eben die Kranken 

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Dr. Max Löwy. 


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ihren Namen nicht bloß hören wie andere Worte auch, d. h. den 
Namen nicht bloß nennen hören, sondern daß sie sich angerufen 
glauben. 

Das Hören des „Anrufes“, der Rufcharakter, das 
„Sichangerufenglauben“ ist nach dieser Überlegung 
das bestimmende Moment in dieser Gehörshalluzina¬ 
tion des eigenen Vornamens. 

Schon oben ist erwähnt, daß neben vereinzeltem halluzinierten 
Namensanruf gelegentlich bei ein und demselben Patienten auch 
ebenso vereinzelte Gehörshalluzinationen ohne Rufcharakter Vor¬ 
kommen. 

So hörte vorübergehend eine nicht geisteskranke, sondern psych- 
asthenische Patientin, welche später gänzlich genas, sowohl ihren Namen 
rufen, als auch zu anderen Zeiten desselben Krankheitsstadiums das 
Wort „Haus“ aussprechen, beides von einer unbekannten Männer- oder 
Frauenstimme. (Publiziert in meiner Arbeit: „Die Aktionsgefühle, ein 
Depersonalisationsfall als Beitrag zur Psychologie des Persönlichkeits- 
bewußtseins und des Aktivitätsgefühles,“ Prager med. Wochenschrift 1908, 
Nr. 32.) 

Andererseits tragen natürlich auch Gehörshalluzinationen den 
Rufcharakter, ohne daß die Kranken dabei ihren Vornamen hören. 
Hier gliedert sich das Hören von Klopflauten und von Glockenläuten 
ein. Nun hören auch, wie schon oben erwähnt, Mütter bei ge¬ 
wissen Psychosen (Melancholie, Amentia, Presbyophrenie) recht 
häufig den Anruf „Mutter“. Melancholische glauben meist den 
Klang der Stimme ihrer Kinder zu erkennen, wie sie auch oft im 
gleichen Krankheitsstadium Jammergeschrei und Hilferufe von der 
Stimme ihrer Kinder hören. Gelegentlich aber erschließen 
alle Arten von Kranken, darunter aber viel häufiger die Amenten 
und Presbyophrendeliranten, ohne weitere Deutung über die 
Veranlassung des Rufens aus dem gehörten Rufe „Mutter, 
Mutter“ einfach die Anwesenheit ihrer Kinder im Hause (im 
Zimmer, unter den Betten, im Nebenzimmer, am Boden oder im 
Keller des Hauses) oder im Garten. Sie suchen unter den Betten 
oder drängen zur Türe hinaus, um die vermuteten Kinder zu 
suchen. (Inwieweit etwa ein Teil der als Amentia bezeichnten 
Verwirrtheitszustände dem manisch-depressiven Irresein zuzurechnen 
ist, sei hier nicht erörtert.) Bei genauerer Betrachtung hat aber 
auch dieser Anruf „Mutter, Mutter“ die Bedeutung eines Namens- 
anrufes, nämlich den Charakter des Anrufs — so rufen 


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ebeu Kinder ihre Mütter —, und weist ebenfalls darauf hin, daß 
es sich bei der Erörterung des halluzinierten Namens¬ 
anrufes vornehmlich darum handelt, die Bedingungen 
des „Sichangerufenglaubens“, des „Sichangerufen- 
fühlens“ aufzudecken. — Dies gilt um so mehr, als der 
halluzinierte Namensanruf trotz seines Vorkommens bei ganz ver¬ 
schiedenen Psychosen und bei anderen Störungen, bei allen diesen 
verschiedenartigen Störungen eben eine gleichartige Grundeigen¬ 
schaft hat, eben das „Sichangerufenfühlen“. 

Gehen wir daher näher auf die Analyse des Sichangerufen- 
fühlens, und zwar vor allem an Hand des normalen Namens¬ 
anrufes ein. 

Im „Sichangerufenfühlen“ steckt „eine mehr minder ver¬ 
steckte Beziehung zur eigenen Person“ — ebenso auch in einem 
halluzinierten Schimpfworte oder in einer halluzinierten Drohung. 
Natürlich werfe ich diese versteckte Beziehung zur eigenen Person 
nicht ohneweiters mit der echten Eigenbeziehung Neißers, mit 
dem Beachtungswahn, d. i. mit wirklichen Beziehungsideen zu¬ 
sammen. 

Trotz gewisser Differenzen hat nämlich das „Sichangerufen¬ 
fühlen“ — somit sowohl der wirkliche, als der halluzinierte 
Namensanruf —, etwas Grundlegendes mit den Beziehungsideen, 
z. B. mit dem Beachtungswahn gemeinsam. Dieses Gemeinsame ist 
eben die Beziehung zur eigenen Person, das „Sichgetroffenfühlen“ 
durch irgendwelche Vorgänge, seien es nun wirkliche oder hallu¬ 
zinierte Vorgänge. Denn dieses Sichgetroffenfühlen steckt sowohl 
im „Sichangerufenglauben“, also im normalen und im halluzinierten 
Namensanruf, imd im Sichbeschimpfenhören, im Sichbedrohenhören 
oder Sichbedrohtglauben, wie in der echten Eigenbeziehung, d. i. 
im Sichangeschautglauben, Sichangeschautfühlen (Beachtungswähn), 
sich mit Bemerkungen, Zeitungsartikeln, Annoncen, Predigten ge¬ 
meint glauben, sich „beredet finden“, sich „bespöttelt glauben“, im 
„sich durch Anzeichen bedroht erkennen“, wie auch im „sich als 
durch ein Zeichen auserwählt erkennen“ usw. 

Das „Sichangerufenglauben“ ist also eine Unter¬ 
form des „Sichgetroffenfühlens“. Nun ist aber diese „ver¬ 
steckte Eigenbeziehung“, dieses „Sichgetroffenfühlen“ des hallu¬ 
zinierten Namensanrufes schon präformiert in jenem Gemüts¬ 
zustände gegeben, welcher beim Normalen erweckt wird, wenn man 


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ihn wirklich anruft oder ihm auf die Schulter tippt, ihm winkt usw. 
Der mit dem Vornamen Angerufene, der an der Schulter Ange¬ 
tippte merkt, daß man etwas von ihm will, daß etwas kommt und 
etwas vorgeht, was ihn näher angeht, etwas, was für ihn be¬ 
deutsam, important ist. Dabei weiß er noch nicht, was das ist, 
was ihn erwartet. Es entsteht also beim Angerufenwerden oder so 
Berührtwerden ein „Sichpersönlichberührtfühlen“, eben „dasselbe 
Sichgetroffenfühlen“, welches auch der echten Eigenbeziehung und 
den erwähnten anderen psychopathischen Erscheinungen zukommt. 

Zugleich steckt, wie erwähnt, in diesem „persönlich An¬ 
gegangensein“ ein Gefühl, daß etwas vorgeht, daß etwas kommt, 
daß der Betreffende etwas zu erwarten hat, was er noch nicht 
kennt; also die Erwartung von etwas Unbestimmtem und gleicher¬ 
weise ein Gefühl von der Bedeutsamkeit, von der Importanz des 
Kommenden, d. i. des zu erwartenden Eindruckes. 

Resümierend läßt sich sagen: Es bestehen beim wirk¬ 
lichen Angerufenwerden, beim normalen Nameus- 
anruf, zusammen mit dem Sichgetroffenfühlen ein 
Erwartungsgefühl nicht ganz bestimmter Art (das 
Gefühl der Erwartung eines kommenden Un¬ 
bestimmten) und ein Gefühl der Bedeutsamkeit, der 
Importanz. 

Diese Gefühle konstituieren einen geschlossenen Gemüts¬ 
zustand. Dieser ist es erst, welcher dem Hören des eigenen 
Vornamens, welcher der Berührung an der Schulter, wie auch 
dem Rufe He! oder Hallo! Ahoi usw. den besonderen Charakter 
gibt: jenen Charakter, welcher dem betreffenden Angerufenen oder 
Berührten bedeutet, daß mau etwas von ihm will. 

Diese Gelühlskomponenten ergeben und bedeuten den „Ruf¬ 
charakter“. Den Rufcharakter können wir somit als einen bestimmten 
Gemütszustand ansprecheu, welcher das wirkliche Angerufenwerden 
als solches charakterisiert. 

Auf eine Erörterung darüber, warum ich diesen ganzen Komplex 
psychischer Erscheinungen als Gemütszustand, warum ich seine 
Komponenten als Gefühle bezeichne, sei hier nicht eiugegangen, 
ebensowenig wie auf eine Unterscheidung von Gefühlen im engeren 
Sinne, von Affekten und von sogenannten Iutellektualgefühlen im 
Ensemble des angeführten Gemütszustandes. 

Hier genügt es folgendes zu beachten: Im Ruf- 


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Über eine Unruheerschemuug. 


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Charakter, d. h. in dem eben analysierten Gemüts¬ 
zustände ist gegeben: einer der im individuellen 
Leben am frühesten angelernten Zusammenhänge, eine 
der ursprünglichsten assoziativen Verknüpfungen 
eines Gehörseindruckes mit einem wohl charakteri¬ 
sierbaren Gemütszustände undwie oben auseinander¬ 
gesetzt, zugleich eine mehrfache Verknüpfung dieses 
Gemütszustandes mit der Vorstellung der eigenen 
Persönlichkeit (ausgedrückt im Sichgetroffenfühlen, in dem 
Erwartungsgefühle und in dem Importanzgefühle). 

Nicht eingegangen sei hier auf eine verwandte Eigenschaft 
überhaupt aller Gehörseindrücke. Die Gehörseindrücke, ja alle 
Sinneseindrücke gewinnen natürlich dadurch, daß sie die Aufmerk¬ 
samkeit oder Gefühle, z. B. des Schreckens erwecken, weiter da¬ 
durch, daß sie Einstellbewegungen, Flucht- oder Abwehrbewegungen 
auslösen, assoziative Verknüpfungen mit der Vorstellung der eigenen 
Persönlichkeit. 

Auch die Beziehungen zwischen der Vorstellung der eigenen 
Persönlichkeit und dem eigenen Namen seien hier nicht erörtert. Zwar 
haben auch diese Verhältnisse eine gewisse Bedeutung für unser 
Thema, aber nicht die entscheidende. Denn die hier festgestellte 
assoziative Verknüpfung mit dem beschriebenen Gemütszustände gilt 
nicht bloß vom Namen, sondern auch von verschiedenen anderen 
Anrufsformen und nicht bloß von Gehörseindrücken, sondern auch von 
Gesichtseindrücken (Winken) und von verschiedenen Berührungen. 
Alle diese Eindrücke haben beim homo als „animal sociale“ die 
Aufgabe, die Aufmerksamkeit auf etwas Kommendes zu lenken, den 
betreffenden Angerufenen oder Berührten den Geschehnissen in 
seiner Umgebung zuzuwenden und ihn für sich selbst als von diesen 
Geschehnissen betroffen zu charakterisieren. Diese „spezifische soziale 
Funktion“ haftet aber nur an jenem Momente, welches ich hier 
analysiere, an der Erweckung des Gemütszustandes „Bufcharakter“. 

Als Vertreter der Berührungen habe ich oben das Tippen auf 
die Schulter erwähnt. Der Gehörseindruck des eigenen Namens 
wird aber im individuellen Leben weitaus am häufigsten zum Aus¬ 
gangspunkt der assoziativen Verknüpfung mit jenem Gemütszustände, 
welchen ich als Bufcharakter oben beschrieben habe. 

Diese assoziative Kette knüpft sich vor allem an den Vor¬ 
namen, denn in der Kindheit wird mau in der Kegel mit dem 


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Dr. Max Löwy. 


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Vornamen angerulen. Der Schreibnamen wird für uns erst später, 
nämlich in der Schule, zum Anrufnamen und dies nicht ausschlie߬ 
lich, denn zu Hause behält der Vornamen auch während der Schul¬ 
zeit sein Vorrecht. Der Vornamen ist und bleibt der bevorzugte 
Anruinamen. Seine assoziative Verknüpfung mit dem Rufcharakter: 
dem Gemütszustände des „Sichpersön lichgemeintfühlens“, „Sich- 
getroflFenfühlens“, eines Erwartungsgefühles und eines Bedeutsam¬ 
keitsgefühles, ist eingeschliffener, geübter und daher dauerhafter als 
eine solche des Schreibnamens. So erklärt sich die Bevorzugung 
des Vornamens auch beider Halluzination des Namensanrufes. 
Diese Bevorzugung hat mir ja oben zum Ausgangspunkte der 
Analyse des „Sichangerufenfühlens“ gedient. 

Im übrigen ist es für die Analyse des Rufcharakters, eben 
dieses Gemütszustandes gleichgiltig — ob nun eine Berührung, ein 
Wink oder eine „Rufbetonung“ beim He, Hallo, Ahoi oder der 
eigene Vornamen zum Ausgangspunkte der assoziativen Verknüpfung 
zwischen Sinneseindruck und dem ausgelösten Gemütszustände wir I. 
Der Rufcharakter, der durch diese verschiedenartigen Sinneseindrücke 
ausgelöste Gemütszustand ist immer der gleiche. Es bleibt somit 
das Sichangerufenfühlen für die Frage des normalen wie des hallu¬ 
zinierten Namensanrufes der Hauptgegenstand unserer Besprechung. 

Ich kehre daher zu unserer Analyse zurück. Für unser Grund¬ 
beispiel, für das Sichangerufenfühlen innerhalb des Gemütszustan¬ 
des des normalen Namensanrufes, ist, wie wir gesehen haben, das 
„Sichgetroflfenfühlen“ zwar die allgemeine Grundlage und Voraus¬ 
setzung. Aber es ist nicht das charakteristische Moment; denn es 
kommt auch anderweitig vor. Das Charakteristische liegt in dem 
Gefühle der Erwartung eines kommenden Importanten, also in 
einem Erwartungsmoment und in einem Bedeutsam¬ 
keitsgefühle. 

Es ist nun noch darauf zurückzukommen, daß wir dieses Er¬ 
wartungsmoment als ein Erwartungsgefühl von nicht ganz bestimmter 
Art. als eine Erwartung mit dem anhaftenden Charakter der „Un¬ 
bestimmtheit“ kennen gelernt haben. 

Auf diese — oben auch in der Symptomatologie des halluzinier¬ 
ten Xamensanrufes aufgezeigte — Unbestimmtheit sei hier bei der 
Analyse des normalen Namensanrufes noch etwas näher eingegangen. 

Wie wir sehen, wird beim „Sichangerufenfühlen“ im allge¬ 
meinen nicht dieses oder jenes erwartet, auch nicht ein etwas 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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größerer, aber umgrenzter Kreis von Möglichkeiten, sondern es wird 
ganz allgemein irgend etwas erwartet, was den Angerufenen angeht, 
aber nichts Bestimmtes. 

Man fühlt sich beim Anruf nur im allgemeinen getroffen, 
persönlich angegangen, ohne den Grund und Zweck zu kennen, 
ohne zu wissen was kommt und erwartet etwas „Unbestimmtes“, 
Kommendes von Importanz. Somit wird beim normalen Namens¬ 
anruf ein Erwartungsgefühl im allgemeinen, das Gefühl einer so¬ 
zusagen diffusen unbestimmten Erwartung und der unbestimmten 
Importanz erweckt. 

Wie der Erwartungsaffektseiber, so ist auch seine 
Unbestimmtheit die Unbestimmtheit dessen, was 
kommen soll, ein entscheidendes Moment im Gemüts¬ 
zustände des ßufcharakters. 

Es bat auch in der Tat ein Anruf, wenn man schon weiß, 
was einen erwartet, schon weiß, was kommt, eine weit geringere 
„Rufwirkung“, einen weit geringeren Spannungseffekt, eine weit 
geringere Importanz. Es reißt einen Angerufenen weit weniger 
herum, wenn er schon vorbereitet ist und weiß, was kommt, als ein 
Anruf unter gewöhnlichen Umständen. 

Ganz ähnliche Charakteristika wie der normale Rufcharakter 
hat nun auch eine andere Erscheinung. Es ist dies der schon oben 
als Hauptbeispiel des „Sichgetroffenfühlens“ herangezogene Ge¬ 
mütszustand einer bestimmten Form des Aufsichbeziehens, der 
diffusen Eigenbeziehung. Wir hören beim „diffusen“ Beachtungs¬ 
wahn: — die Leute schauen den Kranken an, ohne daß er weiß, 
warum, sprechen über ihn, ohne daß er weiß, was die Leute sagen 
oder was man gegen ihn haben könnte; in Zeitungsartikeln, Pre¬ 
digten, Annoncen ist er gemeint; hinter allem steckt etwas, was 
ihn angeht, ohne daß der Kranke sagen kann, was dahinter steckt. 

Der Gemütszustand des Beachtungswahnes ist nun gleichfalls 
charakterisiert durch die Gefühlskomponenten: unbestimmte Er¬ 
wartung, unbestimmte Unruhe oder unbestimmte Angst oder ein 
Gefühl drohenden Unheils, ein Gefühl der Spannung usw. (Vgl. hierüber 
A. Margulies: „Die primäre Bedeutung der Affekte im ersten 
Stadium der Paranoia.“ Monatsschrift für Psychiatrie X, Heft 4, 
pag. 265.) 

Ein weiteres Analogon zwischen dem Rufcharakter und dieser 
Form des Beziehungswahnes liegt in der Diffusität der echten 


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Eigenbeziehung (Heilbronner: „Hysterie und Querulantenwahii,“ 
Gau pps Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie 1907, 
Nr. 247) betont diese Diffusitat im Gegensatz zum zirkumskripten 
Beziehungswahn der überwertigen Ideen Wernickes und zum 
physiologischen Beziehungswahn Wernickes 1 ). 

1 ) Ähnlich habe ich seinerzeit festgehalten an der Unterscheidung 
einer an alles anknüpfenden allgemeinen „diffusen“ undirigierten, d. h. 
voraussetzungslosen Eigenbeziehung von dem „zirkumskripten“, d. h. 
über ein einziges Thema phantasierenden, auf einen grundlegenden Ge¬ 
dankengang, einen unerledigten Affekt zurückgehenden, von diesem Affekt 
und Gedankengang aus einseitig dirigierten „vorgefaßten“ Beziehungs¬ 
wahn der überwertigen Ideen (des Querulantenwahns z. B.) und von 
dem physiologischen Beziehungswahn durch „vorgefaßte“ Erwartung, 
resp. durch einseitig gerichtete Aufmerksamkeit als Folge des gerade 
herrschenden Gedankenganges; die letzteren, die zirkumskripten Formen, 
entstehen vermittels „generalisierender“ und „transitivistischer“ Exopro- 
jektion des eigenen Gedankenganges. (Vgl. hierüber meine Arbeiten: „Das 
Krankheitsbild der überwertigen Idee und die chron. Paranoia,“ Zcitschr. 
Lotos 1908, Bd. 56, Heft 5. Weiter: „Beitrag zur Lehre vom Queru¬ 
lantenwahn,“ Gaupps Zentralbl. f. Nervcnheilk. u. Psych. 1910. Neue 
Folge, Bd. 21. Ferner: „Die Demenzprozesse und ihre ,Begleitpsyehosen‘ 
nebst Bemerkungen zur Lehre von der Dementia praecox,“ Jahrbücher 
für Psychiatrie 1910, Bd. XXXI, S. 38 und 39 des Sonderabdruckes.) 

Bezüglich des diffusen Beziehungswahnes möchte ich etwas, was 
in der letzten meiner erwähnten Arbeiten schon gestreift wurde, noch 
hervorheben, weil es Analogien zu unserem jetzigen Thema bietet; 
nämlich daß neben der unbestimmten Erwartung und Unruhe konsti¬ 
tuierend in den grundlegenden Gemütszustand des Beachtungswahns 
eiütreten: ein diffuses Sichpcrsönlichgetroffenfühlen und ein Gefühl der 
diffusen Bedeutsamkeit, der allgemein erhöhten Importanz der Ein¬ 
drücke. Dieses letztere Gefühl charakterisiert eben gerade solche Ein¬ 
drücke, welche für den Beachtungswahn verwertet werden, d. h. jene 
Eindrücke, welche fälschlich mit der eigenen Person in Beziehung gesetzt 
werden. Danach aber begleitet ein Gefühl erhöhter Bedeutsamkeit einen 
großen Teil der alltäglichen, dem Gesunden bedeutungslosen Wahrneh¬ 
mungen solcher Kranker. Es deckt sich dieses Importanzgefühl auch zum 
Teil mit einem Gefühle der ungewohnten Situation, mit einem Gefühle 
des Ungewöhnlichen der Eindrücke (ohne daß ich damit etwa die Ent¬ 
fremdung der Wahrnehmungswelt gewisser Kranker mit Störungen der 
Aktionsgefühle meine). 

Bezüglich der Unbestimmtheit des Erwartungsgefühles ist immerhin 
noch ein Einwand gegen die Analogisierung des Bufcharakters mit dem 
Gemütszustände der Eigenbeziehung denkbar. Bei der diffusen Eigen¬ 
beziehung könnte nämlich die Unbestimmtheit der Erwartung noch etwas 
weitergehend gedacht werden als beim Rufcharakter. Etwa derart: Bei 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Der Gemütszustand der diffusen Eigenbeziehung ist danach 
analog zusammengesetzt, ähnlich konstituiert wie derjenige, welcher 
durch einen wirklich erfolgten Namensanruf erweckt wird, d. h. 
wie der Rufcharakter. 

Vor weiteren Feststellungen über das Verhältnis des Ge¬ 
mütszustandes beim Beachtungswahn zum Rufcharakter wollen wir 
nochmals resümieren. An drei Momenten haftet die Verwandtschaft 
zwischen dem normalen Gemütszustände des wirklich erfolgten 
Namensanrufes und dem krankhaften Gemütszustände, welcher dem 
ßeachtungswahn, der Eigenbeziehung, zu Grunde liegt. 

Diese Momente sind das „Sichgetroffenfühlen“, welches ja an 
sich eine Beziehung zur eigenen Person bedeutet und weiter für 
diese Verwandtschaft noch maßgebender das Gefühl der unbe¬ 
stimmten Erwartung, begleitet von einem Bedeutsamkeitsgefühle, 
von einem Gefühle der Importanz — also gerade die Grund¬ 
komponenten des Gemütszustandes beim wirklichen Angerufen werden. 

Natürlich besteht ein Unterschied und wie zu erwarten 
ist, ein grundlegender zwischen dem Gemütszustände des 


der Eigenbeziehung wäre nicht nur das Kommende, das zu Erwartende 
unbestimmt, unbekannt, sondern es könnte auch ein gewisser Zweifel 
bestehen, ob überhaupt etwas zu befürchten, zu erwarten ist, ob über¬ 
haupt etwas kommt. Danach würde also nicht etwas Unbestimmtes, 
Unbekanntes, aber als mit Sicherheit Eintreffendes erwartet, sondern das 
Eintreffen von irgend etwas würde nur in potestate erwartet. Es besteht 
nun — wie bekannt — in der Tat bei solchen Fällen nicht selten neben 
der unbestimmten Erwartung und dem Gefühle drohenden Unheils auch 
ein gewisser Zweifel — (Berzes Ratlosigkeit) —, so daß der ganze 
Gemütszustand etwa auf eine einfache unbestimmte Unruhe oder auf 
Vorahnungen hinausläuft. 

Aber gerade deswegen glaube ich nicht, daß eine solche Unter¬ 
scheidung des Rufcharakters von dem Gemütszustände der Eigenbeziehung 
praktisch irgendwie ausschlaggebend ist, trotzdem man sie logisch fordern 
könnte. Denn, wie meine Fälle zeigen, spielen unbestimmte Unruhe und 
Vorahnungen bei der Auslösung des halluzinierten Namensanrufs nicht 
selten die Hauptrolle. Auch kommen im gleichen Falle und im gleichen 
Krankheitsstadiunr desselben gleichzeitig sowohl der halluzinierte Namens¬ 
anruf als auch eine diffuse Eigenbeziehung zustande. Diese Feststellung 
behebt den oben besprochenen Einwand, sofern ich nur zeigen kann, daß 
der Gemütszustand des halluzinierten Namensanrufes und der Rufcharakter 
sich decken. Die weitgehenden Ähnlichkeiten dieser Gemütszustände sind 
schon im Obigen angedeutet worden und sollen im Weiteren noch im 
Zusammenhänge dargestellt werden. 


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Dr. Max Löwy. 


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Namensanrufes und jenem der Eigenbeziehung, und zwar schon 
und gerade bezüglich der Genese dieser Gemüts¬ 
zustände. 

Auf Grund einer in früherer Jugend geschaffenen assoziativen 
Verknüpfung wird, wie wir oben sahen, der normale Namensanruf 
jeweils die auslösende Ursache des Eintrittes seines entsprechenden 
Gemütszustandes. Der normale Namensanruf erweckt erst seinen 
ihm zukommenden Gemütszustand, welcher den Rufcharakter 
darstellt. 

Anders steht es bei der Eigenbeziehung. Weder die Neigung 
zur Eigenbeziehung noch etwa die einzelnen Beziehungsideen sind 
die Erwecker des dem Rufcharakter verwandten Gemütszustandes. 
Es ist im Gegenteil dieser Gemütszustand vor ihnen da, die Neigung 
zur Eigenbeziehung selber entstammt diesem schon gegebenen und 
anderweitig nicht durch sie selbst, sondern aus anderen Ursachen 
erzeugten Gemütszustände. So kann z. B. exzessives Rauchen eine 
unbestimmte Unruhe und auf diesem Wege Beachtungswahn liefern. 
Der Gemütszustand der Eigenbeziehung ist zwar in seinen Grund¬ 
zügen, in seinen Komponenten jenem analog, welcher durch den 
normalen Namensaufruf erweckt wird, aber nicht der Genese nach. 

Kurz der Gemütszustand der Eigenbeziehung ist 
deren Ursache, der analoge des normalen Namens¬ 
anrufes ist dessen Folge. 

In diesem Punkte steht nun der halluzinierte Namensanruf 
der Eigenbeziehung näher. Auch der halluzinierte Namensanruf 
erweckt nicht erst seinen zugehörigen Gemütszustand — welcher, 
wie Doch zu zeigen sein wird, der des normalen Namensanrufes 
ist —, sondern dieser Gemütszustand ist schon vor dem halluzi¬ 
nierten Namensanruf gegeben und ist die Ursache von dessen Ein¬ 
treten, ganz ebenso wie der verwandte Gemütszustand der Eigen¬ 
beziehung vor den Beziehungsideen da ist und deren Eintreten 
bewirkt. 

Daß weiter der Gemütszustand nach wirklich erfolgtem 
Namensanruf, der Rufcharakter dem Gemütszustände des hallu¬ 
zinierten Xamensanrufes gleicht, und zwar dem Gemütszustände 
bei und vor Eintritt der Halluzination eines Anrufes mit dem 
eigenen Namen, geht aus dem Folgenden hervor. Der halluzinierte 
und der wirkliche Namensanruf haben außer dem Hören des eigenen 
Namens gerade das Grundmomeut beider gemeinsam. 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Dieses ist eben das Sichangerufenglauben, das Sich- 
angerufenfühlen, welches ich im obigen ganz allgemein ana¬ 
lysiert habe. Weiter berichten meine Fälle noch ausdrücklich über 
ein Gefühl der Erwartung, der unbestimmten Unruhe oder des 
drohenden Unheils, der unbestimmten Angst. Das sind Gefühle, 
welche zugleich auch und an sich schon ein „Sichpersönlich- 
getroffenfühlen“ beinhalten. Daß weiter der Gemütszustand des 
halluzinierten Namensanrufes zugleich auch den Charakter der 
„Unbestimmtheit“ hat, geht schon hervor aus dem Gefühle un¬ 
bestimmter Unruhe, unbestimmter Erwartung, unbestimmter Angst 
und dem Gefühle drohenden Unheils, ohne Kenntnis dessen, was 
drohen könnte, worüber die Kranken berichten. Überdies habe ich 
diese Unbestimmtheit oben schon an einer Reihe von Eigen¬ 
tümlichkeiten in der Symptomatologie des halluzinierten Namens¬ 
anrufes aufzeigen können. Diese Eigentümlichkeiten bestehen, wie 
erwähnt, darin, daß der halluzinierte Namensanruf meist leise oder 
halblaut ist; in der Regel von einer einzigen Stimme, manchmal 
ohne die Möglichkeit, Männer- und Frauenstimme zu unterscheiden, 
meist im Dunkeln, Nachts oder in der Einsamkeit erfolgt; daß ihm 
manchmal unbestimmte Ahnungen (entsprechend dem Gefühle 
drohenden Unheils und zugleich der Ausdruck eines Bedeutsamkeits¬ 
gefühles) vorausgehen oder damit alternieren; weiter darin, daß 
der halluzinierte Namensanruf meist im Beginn der betreffenden 
Erkrankung und vor Eintritt ausgesprochener Krankheitszeichen 
auftritt — ähnlich wie sich die diffuse Eigenbeziehung häufig im 
Beginn der Krankheit, im Stadium der Unbestimmtheit und des 
Zweifels findet; endlich darin, daß der halluzinierte Namensanruf 
gelegentlich zusammen mit anderen wenig bedeutsamen, d. h. 
nicht wahnhaft bestimmten Gehörstäuschungen vorkommt. 

Es ist sonach naheliegend, die gemeinsamen psychischen 
Komponenten der grundlegenden und voraufgehenden Gemütszu¬ 
stände gleicher Weise als Ursache sowohl des Eintrittes von Eigen¬ 
beziehung wie auch als Ursache der Halluzination des Anrufes mit 

dem eigenen Namen aufzufassen. 

Das belegt auch einer meiner Fälle, der schon erwähnte Saison- 
hausmeister, welcher sich zu Hause mit seinem wahren Vornamen, im 
Dienstposten mit seinem „Saisonrufnamen“, d. i. mit dem ihm dort bei¬ 
gelegten Vornamen seines Vorgängers, rufen hörte. Bei diesem Patienten 
kamen halluzinierter Namensanruf und Eigenbeziehung zusammen und 
gleichzeitig und unter ganz bestimmten Umständen vor: nämlich aus 


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dem transitorischen zusammen mit halbseitigem Schwitzen attackenweise 
auftretenden Gefühle unbestimmter Unruhe, Erwartung und Angst heraus. 
Während der Andauer des Gefühles unbestimmter Erwartung und Unruhe 
und nur während desselben bestanden gleichzeitig die Halluzination des 
Namensanrufes und die Eigenbeziehung; mit jedem Wink fühlte er sich 
gemeint und fragte um die Befehle, gleichgiltige Gespräche bezog er 
auf sich usw. 

Es erübrigt nun noch die Untersuchung, auf welchem Wege 
der voraufgehende und auf anderem Wege als durch Anruf ent¬ 
standene Gemütszustand des Namensanrufes diesen als Halluzi¬ 
nation erweckt, auf welchem Wege der vorbestehende Rufcharakter 
nun seinerseits den Gehörseindruck des eigenen Namens wachruft. 

Schon oben bei der Analyse des normalen Namensanrufes 
hat sich ergeben, daß sein Gemütszustand mit dem Gehörseindruck 
des eigenen Vornamens assoziativ derart verknüpft ist, daß dieser 
Gehörseindruck des eigenen Vornamens den betreffenden Gemüts¬ 
zustand, den Rufcharakter erweckt. Wie wir dort sahen, besteht 
einer der am frühesten angelernten Zusammenhänge, eine der ur¬ 
sprünglichsten assoziativen Verknüpfungen eben zwischen dem Anruf 
oder einem Wink oder auch gewissen Berührungen, welche gleich 
dem Anruf die Aufgabe haben, die Aufmerksamkeit auf etwas 
Kommendes zu lenken und den Betreffenden, Berührten oder Herbei¬ 
gewinkten den Geschehnissen in seiner Umgebung zuzuwenden 
einerseits — und jenem Gemütszustände andererseits, in welchem 
man das eigene Ich berührt, sich persönlich gemeint, sich von etwas 
Importantem berührt fühlt, sich persönlich angegangen fühlt und 
etwas Kommendes, Unbestimmtes erwartet. 

Nun muß aber dieser Gemütszustand, welcher dem wirklich 
erfolgten Namensanruf zugehört und den ich deswegen als „Ruf¬ 
charakter“ bezeichnet habe, nicht immer einem Anruf entspringen. 
Er kann nämlich auch eine Teilerscheinung ganz verschieden¬ 
artiger krankhafter oder abnormer Zustände sein. Diese haben 
jedoch ein Gemeinsames: sie stellen „Unruhebilder“ dar, wie 
ich es bezeichnen möchte. Denn ihr gemeinsames Moment, 
welches zugleich auch ihre Beziehungen zum Ruf¬ 
charakter dar stellt, ist eine verschiedenartig er¬ 
zeugte, unbestimmte Unruhe subjektiver oder sub¬ 
jektiver und objektiver Natur. (Siehe darüber unten im 
Kapitel „Unruhebilder“.) 

Eine alltägliche Erfahrung lehrt nun: Ist auf welchem Wege 


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Über eiae Unruheerscheinung etc. 


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immer der eine von zwei assoziativ verknüpften Genossen aufgetaucht, 
so genügt in der Regel seine Anwesenheit, um den anderen Ver- 
baudsgenossen heraufzurufen. 

Ist also der Gemütszustand, welcher im allgemeinen durch 
einen wirklichen Namensanruf erweckt wird, ausnahmsweise ohne 
den Anruf gegeben, so wird nach der obigen Regel die Assoziations¬ 
brücke zwischen den beiden assoziativ verknüpften Genossen in 
umgekehrter Richtung beschritten, also von der Seite des vorbe¬ 
stehenden Gemütszustandes her. Unter diesen Umständen erweckt 
nun seinerseits der aus anderen Gründen gegebene Gemütszustand 
vou „Rufcharakterart“ seinen Yerbandsgenossen, den Gehörsein¬ 
druck des eigenen Vornamens. 

Dieses Beschreiten eines gewohnten Assoziationsweges gelegentlich 
mal in umgekehrter Richtung ist keineswegs auf das Gebiet des Patho¬ 
logischen beschränkt. Denn der Verbindungsweg zwischen assoziativ 
Verknüpftem wird auch in der Norm schon unzählige Male hin und 
hergegangen, d. h. er wird nicht etwa immer zuerst vom äußeren Reiz, 
von einem Sinneseindruck aus beschritten, sondern kann auch von einem 
vorbestehenden Gemütszustände aus angetreten werden. Auch das zeigt 
die tägliche Erfahrung. Beachten wir: Eine Gemütsbewegung löst körper¬ 
liche Begleiterscheinungen aus (auch die Sprachlaute, z. B. Interjektionen, 
ein Schreckensruf, gehören dazu). Entsteht nun die betreffende Begleit¬ 
bewegung aus anderen Gründen, z. B. durch automatische Nachahmung, 
oder wird sie einfach wahrgenommen, an anderen gesehen oder gehört, 
so erzeugt die Bewegungsausführung oder Bewegungswahrnehmung wieder 
in dem Nacbahmenden oder W ahrnehmenden jenen Gemütszustand, 
dessen Begleitbewegung sie ist. Während also im allgemeinen ein Ge¬ 
mütszustand Begleitbewegungen auslöst, kann er umgekehrt durch Aus¬ 
führung oder Anblick usw. dieser Bewegungen selber wieder erzeugt werden, 
weil sie innig mit ihm assoziiert sind. Das ganze Gebiet der Ausdrucks¬ 
bewegungen und Verständigungsmittel fällt sonach in den Rahmen der 
assoziativen Genossen, welche einander gegenseitig erwecken. Denn die 
Ausdrucksbewegungen sind primär vom Gemütszustände erzeugt und 
daraufhin assoziativ mit ihm auch im Bewußtsein verknüpft, und sekundär 
dienen sie als Verständigungsmittel, d. h. absichtlich ohne Bestehen des 
betreffenden Gemütszustandes hervorgebracht oder bei andern wahr¬ 
genommen, dienen sie zur Erweckung des Gemütszustandes. 

Wie allgemein, nicht nur im Gebiete des Psychischen, die 
Regel: erfolgt die Erweckung des anderen Yerbandsgenossen mit 
um so größerer Wahrscheinlichkeit, je inniger die beiden Verbands¬ 
genossen verknüpft sind. 

Nun ist die assoziative Verknüpfung zwischen dem Gehörs¬ 
eindruck des eigenen Vornamens und dem Rufcharakter im indi- 


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viduellen Leben sehr alt, wie wir oben sahen. Sie ist die denkbar 
innigste und eingeschliffenste. Überdies ist diese Verknüpfung bei¬ 
nahe als singulär zu betrachten: Es 3ind auf diesem Verbin¬ 
dungswege kaum andere assoziative Genossen, als der Anruf mit 
dem Vornamen und der Gemütszustand „Rufcharakter“ vorhanden. 
Es entsteht sonach, fallsaus irgendwelchen Gründen 
ein Gemütszustand von „Rufcharakterart“ gegeben 
ist, durch das Hinzuassoziieren des Verbandsgenossen, 
d. i. des Gehörseindruckes des eigenen Vornamens, 
und durch das Fortbestehen des zu Grunde liegenden 
Gemütszustandes, eb en des Rufcharakters, ein fälsch¬ 
liches Sichangerufenglauben, der halluzinierte 
Namensanruf 1 ). 


A ) Natürlich hat der Eintritt der Halluzination noch andere Vor¬ 
bedingungen als das Bestehen eines bestimmten Gemütszustandes als 
assoziativen Verbandsgenossen des halluzinierten Sinneseindruckes. Zu 
diesen Vorbedingungen gehört es z. B. auch, daß etwas bei den Hallu¬ 
zinationen in Wegfall kommt. Dieses Abwesende ist jenes von mir fest¬ 
gestellte „Aktionsgefühl“, welches den betreffenden, im Bewußtsein 
befindlichen psychischen Inhalt (hier eben den Inhalt der Halluzination) 
als einen vom betreffenden Individuum erzeugten Ge¬ 
danken charakterisiert, welches das Objekt als Gedachtes 
kennzeichnet. .Eine der Vorbedingungen von Halluzinationen also ist das 
Fehlen des „allgemeinen Gefühles des psychisch Tätigseins“, des Denk¬ 
gefühles beim Auftauchen des Inhaltes der betreffenden Halluzination. 

(Vgl. darüber meine Arbeit: „Die Aktionsgefühle: Ein Deperso¬ 
nalisationsfall als Beitrag zur Psychologie des Persönlichkeitsbewußtseins 
und des Aktivitätsgefühles,“ Jubiläumsfestschrift des Marienbader Ärzte¬ 
vereines 1908, Prager med. Wochenschrift 1908, Nr. 32. -- Vgl. 
weiter: Ant. Heveroch 1 ): r 0 podvrzenych myslenkäch.“ Sboroik kli- 
nicky, N. VII, 1905. (Über fremdartige, subditive unterschobene, allogene 
Gedanken, d. s. autochthone Ideen.) — Ant. Heveroch 2 ): „ZurTheorie 
der Halluzinationen.“ Archiv für Psychiatrie, Bd. 47, Heft 2. — Ant. 
Heveroch: „O poruchäch jästvi.“ Casopis lekalfiv öeskych, roön. 1910. 

Mit Recht betont Heveroch 2 ): In der normalen Psyche geht die 
„Assoziation“ (Reproduktion) von der Wahrnehmung oder Vorstellung 
nur zur Vorstellung. Bei psychopathologischen Zuständen findet die 
Assoziation überdies noch in einer zweiten Reihenfolge statt: von der 
Wahrnehmung oder Vorstellung zur Wahrnehmung. Bei den Halluzi¬ 
nationen geht die Assoziation von der Idee zur Wahrnehmung und dieser 
Assoziation fehlt der Ichcharakter. 

W. W. S e 1 e t z k i: „Theorien und Psychologie der Halluzinationen“ 
(Russische med. Rundschau 1909, Nr. 7—8, pag. 379, 433), fand, daß 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Wir haben nach dem Obigen guten Grund anzunehmen: der 
halluzinierte Namensanruf wird von einem schon vor ihm bestehen- 

die hauptsächlichsten Züge der Halluzination folgende sind: Das Fehlen 
der Assoziationen und Wahrnehmungen, Veränderungen des Inhaltes der 
Vorstellungen, Einseitigkeit und Unrichtigkeit der Urteile und Schlüsse 
und Abwesenheit der Aktivität. (Ref. von Bendix, Jahresbericht für 
Neurologie und Psychiatrie 1909, S. 964.) 

Unter welchen Umständen (hohe Anspannung, Konzentration, Ab¬ 
sorption, Zerstreutheit, Gemütserregung usw.) dieses Fehlen des Denk¬ 
gefühles als Vorbedingung einer Halluzination eintritt, welche anderen 
Momente noch für das Auftreten eines Gedankeninhaltes in Form einer 
Halluzination maßgebend sind, kann hier als zu weitgehend nicht erörtert 
werden (Andeutungen darüber siehe auch in den obengenannten Arbeiten). 
Immerhin kann uns auch ohne eingehende Erörterung ein Beispiel illu¬ 
strieren, wie sowohl die unbestimmte Unruhe als auch die Absorption 
durch einen dominierenden, stark affektbetonten Gedankengang für das 
Zustandekommen des halluzinierten Namensanrufes wirksam sind. 

Das hier anzuführende Beispiel ist die Selbstbeobachtung eines 
vorzüglichen, in jahrelanger psychiatrischer Tätigkeit geschulten Beob¬ 
achters, welcher sie mir im Anschluß an meinen Vortrag über dieses 
Thema mitteilte. Es handelt sich um einen ziemlich neuraathenischen 
Kollegen im Beginn der Dreißigerjahre. 

Nach einem „ Krach “ mit seiner Braut in deren Heimatstadt be¬ 
findet er sich in einem Zustande von heftigem Ärger und schwerer depres¬ 
siver Unruhe. Er ist vollkommen mit diesen seinen Gefühlen und mit 
den Gedanken an das Vorkommnis beschäftigt und infolgedessen ziemlich 
„benommen 4 *, so daß er noch eine halbe Stunde später vor „Benommenheit“ 
kaum in die elektrische Straßenbahn einsteigen kann. Er stand auf der Platt¬ 
form mit dem Rücken zu den Leuten im Wagen gewendet. Plötzlich hört 
er mit einer ganz leisen Stimme aus den Leuten heraus seinen Vornamen 
rufen und wendet sich um. Es konnte dem Klange nach eher eine 
Frauenstimme als eine Männerstimme gewesen sein. Befragt, ob es die 
Stimme seiner Braut war, meint er, er könne es nicht sagen. Es war 
so leise, daß eine solche Deutung eher kombiniert wäre, als wirklich 
geglaubt, eben nachträglich daraus erschlossen, daß er mit ihr den 
Krach hatte und damit in Gedanken beschäftigt war. Hinzuzufügen ist 
noch, daß sich der Kollege in einer fremden Stadt befand, so daß even¬ 
tuell auch die Ungewohntheit der Situation (s. o.) im Sinne der Erhöhung 
des Importanzgefühles mitgewirkt haben kann, und daß keine Beachtungs¬ 
wahnideen auftraten. 

Daß das hier erwähnte Gefühl subjektiver „Verwirrung“, ja auch 
objektive Verwirrung als Produkt von Unruhe und Absorption zustande 
kommen kann, konnte ich schon an anderer Stelle zeigen. (Stereotype 
„pseudokatatone“ Bewegungen bei leichtester Bewußtseinsstörung (im 
hysterischen Ausnahmezustände), Zeitschrift für die gesamte Neurologie 
und Psychiatrie, Bd. I, Heft 3, 1910.) 

Jahrbücher für Psychiatrie, XXXIII. Bd. 2 


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den Gemütszustände von „Rufcharakterart 44 aus erweckt, indem die 
assoziative Verbindungsbrücke zwischen dem zugehörigen Gehörs- 

Daß ich mir den assoziativen Verbindungsweg zwischen dem Ge¬ 
hörseindruck des eigenen Vornamens und dem Gemütszustand Rufcharakter 
nicht einfach als eine direkte Faserbahn vorstelle, versteht sich von selbst. 
Es geht auch aus der nun kurz zu streifenden Lehre des englischen 
Psychologen W. James vom „Fringe“, vom r Fransensaum * der Ge¬ 
danken hervor. 

Das Erwecken des zweiten assoziativen Verbandsgenossen beim 
Anklingen des ersten scheint in der Tat nur ein Wachwerden, ein 
Bemerktwerden des schon gleichzeitig im Bewußtsein vorhandenen, aber 
bis dahin unbemerkten zweiten zu bedeuten. (Über das Bemerken und 
über das Bewußthaben von Unbemerktem vgl. in meiner Arbeit: Die 
Aktionsgefühle S. 30 ff., S. 56, S. 61 des Sonderabdrucks.) 

Für diese Annahme spricht außer den Tatsachen vom Bemerken 
der Umstand, daß wir guten Grund haben, anzunehmen: Zu einem großen 
Teil sind die assoziativen Verbandsgenossen jedes Gedankens, jedes Ge¬ 
fühles wohl immer schon gleichzeitig mit dem ersten aus ihrer Verbands¬ 
gruppe auftauchenden gegeben, wenn sie auch nicht gleichzeitig mit ihm 
oder nicht gleich stark, wie er, bemerkt werden. Diese assoziativen 
Verbandsgenossen sind es, welche selber unbemerkt das Fortschreiten 
des Gedankenganges vom ursprünglich aufgetauchten Gedanken zum 
nächstfolgenden „bemerkten“ Gedanken vermitteln, und welche dadurch 
auch die Denkrichtung beherrschen. Dabei werden diese assoziativen 
Begleiter auch nachträglich nur zum geringsten Teile bemerkt, nur 
elektiv bemerkt. Auch müssen die durch die Elektion bemerkten keines¬ 
falls immer die einzig bestimmenden für die Denkrichtung gewesen sein. 
Der Rest wird nur dunkel oder gar nicht bemerkt, trotzdem er als 
deutlich wirksam aufgezeigt werden kann, und darin auch Unterschiede 
je nach der Innigkeit und Singularität gewisser Assoziationsbänder be¬ 
stehen,-wie ich glaube. Diese „assoziativen Verbandsgenossen“ entsprechen, 
wie ich glaube, dem, was W. James in seiner Psychologie als „Fringe“, 
als Fransensaum des Denkens, bezeichnet hat, seinen transitiven Teilen 
des Denkens im Gegensatz zu den substantiven Teilen, den wirklichen 
Gedanken, den Ruhepunkten des Denkens. 

James vergleicht das Denken einem Bambusstab: die deutlich 
bemerkten Ruhepunkte, seine substantiven Teile des Denkens entsprechen 
den Knoten des Bambusstabes, die andern Teile, welche die Knoten 
verbinden, mit deren Hilfe und über welche weg — sie nur flüchtig 
berührend — das Denken zum nächsten Knotenpunkte gleitet, sind für 
•James die transitiven Teile des Denkens: er vergleicht sie den Bambus¬ 
strecken, welche zwei Knoten verbinden. 

Ein psychasthenischer Patient von mir bot attackenweise funk¬ 
tionelle labyrinthäre Störungen : Klagen über Schwindel, Störungen der 
Orientierung derart, daß in seiner Vorstellung die seinem Aufenthalts¬ 
zimmer benachbarten Räume verkehrt — um ISO 0 gedreht — lokali- 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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eiodruek des eigenen Vornamens und dem Rufcharakter in zur ge¬ 
wöhnlichen umgekehrter Richtung beschritten wird. 


siert wurden, Muskelspannungen, gelegentlich auch Schiefgestelltsehen 
des Zimmers, Makropsie, Mikropsie, Porropsie usw., dabei weiter Verlust 
der Aktionsgefühle, z. B. des Gefühles, psychisch tätig zu sein, des 
Denkgefühles usw. und daraus manchmal entspringenden Zweifel an der 
eigenen Existenz. Ein solches Ensemble von psychischen Funktions¬ 
störungen konnte ich wiederholt zusammen mit funktionellen Störungen 
labyrinthärer Natur beobachten. Zugleich damit (vielleicht sogar die 
obengenannten psychischen Funktionsstörungen, d. i. die Störungen der 
Aktionsgefühle, vermittelnd und selbst auf dem Wege von Wernickes 
„Hyperästhesie der Organempfindung“ aus der Labyrintbstörung ent¬ 
springend) bestand eine * Hyperästhesie des Bemerkens“. Diese Hyper¬ 
ästhesie des Bemerkens — sie ist es, welche uns hier interessiert — 
bestand darin, daß bei dem Kranken die assoziativen Verbände sozu¬ 
sagen „gleich in toto“ ins Bemerken traten. Der Fringe, die transitiven 
Teile des Denkens, kamen ihm ungewollt zu einem weit größeren Teile 
als gewöhnlich ins Bemerken. Es wurden ihm nämlich bei jedem Ein¬ 
druck und Gedanken eine Menge von Details in höchst störendem Grade 
bewußt — in Form recht ausgebreiteter und höchst lebhafter Situations- 
erinnerungen und Begebenheitserinnerungen, meist aus der Jugendzeit. 
Er bezeichnete diese assoziativen Gedankenbegleiter treffend als „Ge¬ 
dankenatmosphären “. 

Mit gutem Grunde können wir das gleichzeitige, aber unbemerkte 
Bestehen einer größeren Gruppe von assoziativen Verbandsgenossen für 
jeden bemerkten Gedanken und Eindruck als Regel zugestehen. Wenn 
wir die Innigkeit und Eingeschliffenheit der Verknüpfung mit dem ersten 
der auftauchenden, d. i. mit dem Hauptgedanken als ein Hauptelektions- 
mittel für das Bemerken eines kleinen Teiles der Verbandsgenossen 
nicht bestreiten, so wird uns ohne weiteres verständlich: die Regel¬ 
mäßigkeit des Auftauchens des zugehörigen Gemütszustandes bei einem 
Sinneseindruck, fesp. bei einer Bewegungsausführung; wie auch die 
Regelmäßigkeit des Auftauchens des zugehörigen Sinneseindruckes beim 
Bestehen eines bestimmten Gemütszustandes; endlich auch die Tatsache, 
daß sogar Hemmungsmechanismen gegen ein Zuviel an Auftaueben der 
Verbandsgenossen wirksam, ja nötig sind, damit nicht zu vieles aus dem 
Fringe auftaucht und so den geordneten Fortgang des Denkens und 
Handelns stört. Die Erfahrung lehrt, daß solche von den Vorfahren 
ererbte Hemmungsmechanismen erst im Laufe des individuellen Lebens 
allmählich aktiviert werden, ja auch, daß solche Hemmungen individuell 
neu erworben werden können — z. B. durch Übung in der Konzentra¬ 
tion usw. (Inwieweit etwa Überleitungsstörungen innerhalb der 
unbemerkten Gedankenatmosphären auch die Zerfahrenheit und Inten- 
tionsleere, d. b. die intrapsychische Ataxie der Dementia praecox und 
das Herumreden, Danebenreden, Vorbeireden der Dementia praecox, 

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Erweckt also im allgemeinen das Hören des eigenen Vornamens 
den Gemütszustand „Rufcharakter“, so kann der vorbestellende 
Gemütszustand von „Rufcharakterart“ seinerseits den Gehörseindruck 
des eigenen Vornamens erwecken, wenn sonst die Umstände hiefür 
günstig sind. 

Die Wahrscheinlichkeit der gegenseitigen Erweckung ist, wie 
wir sahen, hier mm besonders hoch wegen der Innigkeit der Ver¬ 
knüpfung. Diese ist gegeben durch das Alter dieser Verknüpfung, 
durch ihre Eingeschliffenheit infolge häufigen Beschreitens des assozia¬ 
tiven Verbindungsweges und wegen der Singularität der assoziativen 
Verbindung, d. h. wegen des Mangels anderer assoziativer Genoisen 
auf dieser Verbindungsbrücke. Danach ist zu erwarten, daß der 
halluzinierte Namensanruf nicht allzu schwer, d. h. auch ohne weit¬ 
gehende Störung des psychischen Status auftreten kann. Diese 
Erwartung findet ihre Bestätigung darin, daß eine größere Anzahl 
meiner Fälle, auch ohne im üblichen Sinne geisteskrank zu sein, 
den halluzinatorischen Namensanruf erlebte. 

Daß der halluzinierte Namensanruf auch auf anderem Wege 
zustande kommen kann, ist mit dieser meiner Analyse nicht be¬ 
stritten. Da ich in Abteilung II alle meine einschlägigen Kranken¬ 
geschichten bringe, findet sich auch mancherlei mit anderer Genese 
des Namensanrufes darunter, doch kommt die noch zu erörternde 
theoretische Bedeutung des halluzinierten Namensanrufes nur der 
hier geschilderten Form zu. 

Wir können resümierend festhalten: die Erweckung 
des Namensanrufes, also eines fälschlichen „Sichange- 
rufeuglaubens“ durch einen entsprechenden Gemüts¬ 
zustand ist wegen der innigen, alten, eingeschliffenen, 
beinahe singulären Verknüpfung der beiden assozia¬ 
tiven Genossen (des eigenen Vornamens und des Ruf¬ 
charakters; und wegen des Fortbestehens des Ruf¬ 
charakters, nachdem er den Gehörseindruck des eigenen 
Vornamens halluzinatorisch erweckt hat — Erteilung 

wie der hysterischen .Ganserzustände“ und des „Haftga nsers“ 
verschulden, wäre noch in Betracht zu ziehen. Auch an einen besonderen 
Typus des Bemerkens bei Hysterischen (etwa im Sinne von Ja n e t- 
Einschräukung des psychischen Blickfeldes» wäre zu denken, wie auch 
daran, daß „diese Form der Elektion aus dem Fringe“ mit der Affekt- 
koustitution der Hysterischen zusammenhängt.) 


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Über eine Unrukeerscheinung etc. 


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des Rufcharakters an die erweckte Halluzination — dann beson¬ 
ders wahrscheinlich, wenn der Ausnahmsfall eintritt, 
daß der betreffende Gemütszustand aus anderen, z. B. 
somatischen Gründen und nicht durch einen wirklich 
erfolgten Anruf gegeben ist. 

Für die Klarlegung der Genese des halluzinierten Namens¬ 
anrufes erwies sich neben der Analyse des Rufcharakters also von 
grundlegender Bedeutung: der oben betonte Unterschied zwischen 
der Halluzination des Namensanrufes und dem wirklich erfolgten 
Namensanruf im zeitlichen Verhalten zu dem gleichen —eben 
beiden entsprechenden — Gemütszustände. 


B. 

Wir haben zwischen dem erfolgten Namensanruf einerseits 
und dem halluzinierten Namensanruf, gleichwie der Eigenbeziehung, 
andererseits einen Unterschied in ihrem zeitlichen Verhalten zu 
dem gleichen, eben allen dreien zugehörigen Gemütszustände fest¬ 
gestellt. Es ergibt sich weiter, daß dieser Unterschied im zeitlichen 
Verhalten zu dem zugehörigen Gemütszustände nicht nur für die 
genannten psychischen Erscheinungen, sondern ganz allgemein von 
Bedeutung ist. 

In diesem Unterschiede spiegelt sich nämlich ein allge¬ 
meines Grundgesetz einer ganzen großen Gruppe von Halluzina¬ 
tionen und Wahnideen wider. Und dieses Gesetz wird gerade durch 
die obige vergleichende Analyse des Namensanrufes in der Norm 
und in der Halluzination auf das schönste illustriert. 

Die Hauptpunkte dieses Gesetzes lassen sich folgendermaßen 
formulieren: 

1. Der jeweilige Gemütszustand, mit welchem die 
verschiedenartigen Halluzinationen und Wahnideen 
zusamme n Vorkommen, ist schon vor ihnen da. In vielen 
Fällen ist es von vornherein augenscheinlich, daß sie 
diesem Gemütszustände direkt ihre Entstehung ver¬ 
danken. 

Man vergleiche dazu nur: die Verarmungsideeu und Klein¬ 
heitsideen, welche im Verlaufe von Depressionszuständen mit In¬ 
suffizienzgefühl auftreten; weiter bei verschiedenartigen Angstzustän¬ 
den die das Steigen der Angst begleitenden Halluzinationen und 


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wahnhaften Befürchtungen (siehe darüber auch unten Hoc he im 
Kapitel „Unruhebilder“). 

2. Dieser vor den Wahnideen und Halluzinationen vorhandene, 
vielfach sichtlich als deren Ursache wirksame Gemütszustand ist 
zugleich derselbe, welcher offensichtlich als „nachträgliche Folge¬ 
erscheinung“ entstünde, wenn das Halluzinierte oder wahnhaft Ein¬ 
gebildete wirklich geschehen wäre. 

Kurz, der gleiche Gemütszustand, welcher die 
Folge bestimmterEindrücke wäre, kann, wennerschon 
vorhanden und aus anderen Gründen gegeben ist, unter 
bestimmten Umständen zur Ursache von Halluzina¬ 
tionen und Wahnideen werden, welche den betreffen¬ 
den Eindrücken gleichen. 

Natürlich ist, wie ich schon in der Besprechung des halluzi¬ 
nierten Nameasanrufes betoate, der jeweilige Gemütszustand in der 
Regel nicht die alleinige Ursache dafür, daß Wahnideen entwickelt 
werden oder halluziniert wird. 

Nur ausnahmsweise und anscheinend vor allem gerade in einem 
bestimmten Gebiet der Beziehungswahnideeu entscheidet viel¬ 
leicht bloß die Art des jeweils vorliegenden Gemütszustandes 
über das Auftreten oder Nichtauftreten der Beziehungsideen, und 
zwar sowohl des Beachtungswahues, der diffusen Eigenbeziehung, 
als auch der einseitig dirigierten Beziehungsideen aus überwertigem 
Affekte und überwertiger Idee, somit über das Auftreten oder Nicht¬ 
auftreten der Wahnbildung überhaupt. Da nun die Wahnbildung 
hier häufig das einzige Krankheitszeichen ist, wäre das Auftreten 
des besonderen Gemütszustandes maßgebend dafür: ob bei dem 
Betroffenen eine manifeste Geisteskrankheit eintritt oder ob es ver¬ 
bleibt: bei den Zeichen der angeborenen oder erworbenen psycho¬ 
pathischen Konstitution, sei diese nun vom neuropathischen oder 
manisch-depressiven Grundtyp. Über „Begleitpsychosen“ auf Grund 
der Erwerbung psychotischer Konstitutionen, über die Grundtypen 
der angeborenen und erworbenen psychopathischen (psychotischen) 
Konstitution, vergleiche meine Arbeit „Die Demenzprozesse und 
ihre Begleitpsychosen“ nebst Bemerkungen zur Lehre von der 
Dementia praecox, Jahrbücher für Psychiatrie 1910, Bd. XXXI und 
unten im Kapitel „Unruhebilder“. 

Nun ist sogar schon in ihren Begriffskomponenten 
(— dem Sichj)ersönliehgeraeintglauben, der Erwartung und der Ver- 


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mutung einer unbestimmten Bedeutsamkeit bei allen möglichen 
alltäglichen Eindrücken —) die diffuse Eigenbeziehung den Kom¬ 
ponenten jenes Gemütszustandes parallel, welcher der Eigen¬ 
beziehung zeitlich vorausgeht. Es sind die Komponenten des vor¬ 
aufgehenden Gemütszustandes eben auch ein Sichgetroffenfühlen, 
ein Gefühl unbestimmter Unruhe und Erwartung und ein Gefühl 
der Importanz, der erhöhten Bedeutsamkeit der Eindrücke — wie 
wir oben sahen. 

Daß dieser Gemütszustand vorausgeht, zeigen sehr schön mehrere 
meiner Fälle, darunter besonders jene mit Hervortreten und Rezi- 
divieren der Eigenbeziehung immer im Anschluß an einen Gemüts¬ 
zustand unbestimmter Unruhe, unbestimmter Erwartung mit Vor¬ 
ahnungen, mit dem Gefühle drohenden Unheils, welcher Gemüts¬ 
zustand durch exzessives Rauchen oder vasomotorische Störungen usw. 
veranlaßt war ( 3 . Abt. H). 

Stellen wir uqs vor, man würde zum Zwecke der Mystifikation 
die Mehrzahl der Eindrücke jemandes so einrichten, daß hinter 
jedem dieser Eindrücke noch mehr zu stecken scheint, als er aus¬ 
drückt; man würde es einrichten, daß diesen Eindrücken eine ge¬ 
wisse unbestimmte Bedeutsamkeit aufgeprägt erscheint, daß sie 
gewisse Hindeutungen unbestimmter Natur auf die Person des 
Betreffenden, auf seine persönlichen Verhältnisse und auf bedeutungs¬ 
volle Vorgänge in seiner Umgebung, die ihn anzugehen scheinen, 
in immer steigendem und bedrohlicherem Maße enthalten. Bann 
würde der Betroffene wohl bald in einen Zustand allgemeiner Rat¬ 
losigkeit, d. i. unbestimmter Unruhe und unbestimmter Erwartung 
gelangen, mit dem Gefühle drohenden Unheils, mit dem Gefühle 
erhöhter Importanz auch für ihn früher gleichgiltiger Eindrücke, mit 
dem Gefühle, daß etwas Besonderes in der Luft liegt, daß hinter 
allem etwas steckt, was ihn angeht, was er aber noch nicht kennt, 
daß sich alles in ihm noch unklarerweise um ihn dreht. Er käme 
also in einen Zustand, wie wir ihu — nicht künstlich erzeugt — 
sondern schon gegeben im Beginn paranoischer Erkrankungen 
beobachten können (siehe einzelne Fälle in Abt. II, vgl. auch das 
Kapitel „Unruhebilder“). Ein so Mystifizierter käme darnach leicht 
und mit guter Begründung dahin, sich ständig gemeint und 
beobachtet zu fühlen und würde auch gar bald seine Umgebung 
daraufhin beobachten. Ein solcher Mystifikationsversuch erscheint 
mir nun in der Tat in der schönen Literatur durchgeführt, u. zw. 


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in Strindbergs „Vater“. Auch iu dem Romane von Johannes 
Schlaf „Der Kleine“ klingt etwas ähnliches durch. Resümierend 
läßt sich sagen: eine vorher gesunde Versuchsperson kann durch 
eine solche Mystifikation, d. i. durch eine künstlich erzeugte und 
wirklich begründete Eigenbeziehung, durch eine besondere objek¬ 
tive Beziehung der Vorgänge und Dinge zur eigenen Person in 
einen Gemütszustand geraten, wie er dem Beachtungswahn zu Grunde 
liegt. Die Versuchsperson käme eben durch die besonderen w irk¬ 
lich erlebten Eindrücke zu einem allgemeinen unbestimmten Sich- 
getroffenfühlen mit dem Gefühle einer unbestimmten Bedeutsamkeit, 
zum Gefühle unbestimmter Erwartung und Unruhe. 

Auch nach diesem Beispiele ist jeuei Gemütszustand, 
w elcher der Wahnbilduug zu Grunde liegt, derselbe, 
der erweckt würde, wenn die wahnhaft eingebildeten 
Geschehnisse wirklich vorlägen. 

Wir können schließen: Eine große Gruppe von Wahn¬ 
ideen und Halluzinationen entspringt jenem Gemüts¬ 
zustände, welcher ausgelöst würde, wenn das Hallu¬ 
zinierte oder wahnhaft Eingebildete wirklich erlebt 
würde. Dadurch ergibt sich im Gegensatz zu älteren Auffassungen 
die Lehre: Ein entsprechender Gemütszustand, welcher 
sich beim Bestehen von Wahnideen und Halluzina¬ 
tionen findet, ist in der Regel nicht deren Folge, 
sondern deren Ursache. 


C. 

Wenn ich auch, wie oben erwähnt, von einer Erörterung der 
anderen Momente absehe, w r elche neben dem grundlegenden und 
auslösendeu Gemütszustände für die Halluzinationen und Wahnideeu 
maßgebend sind, so gehört doch noch eine Erscheinung aus dem 
Gebiete der Wahnideen und Halluzinationen in den Rahmen dieser 
Besprechung, weil sie — wie die Wahnideen und Halluzinationen 
selber — Beziehungen zu dem grundlegenden und voraufgehenden 
Gemütszustände hat. 

Auf einen abfälligen oder feindseligen Blick, auf wiederholtes 
Angestarrtwerdeu, auf ein Schimpfwort oder auf wirklich erfolgtes 
Ausspucken vor ihm reagiert nämlich der Gesunde gar nicht mit 
einem Revolverschuß. Er kauft sich natürlich keinen Revolver kurz 
vor dem Eintritt des betreffenden Ereignisses, er trägt auch seinen 


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Revolver in der Regel nicht bei sich, er hat ja keine Veranlassung, 
ihn mit sich herumzutragen. 

Beides aber, sowohl das Tragen von Waffen wie die über¬ 
triebene „inadäquate“ Reaktion mit Totschlag und Mord, mit 
schwerer Gewalttat oder mit groben Injurien, endlich auch mit 
Verleumdungen und weitgesponnenen Intrigen, findet sich bei recht 
vielen Geisteskranken. Und das alles kann auf eine geringfügige 
halluzinierte oder wahnhaft eingebildete Unbill oder auch auf eine 
wirklich erlebte und wahnhaft interpretierte Unbill hin geschehen. 

Was also für einen Gesunden oder für den Kranken in seinen 
gesunden Tagen durchaus keinen so schwerwiegenden Angriff ent¬ 
hält, daß er seinem Inhalte nach eine so gewaltsame Abwehr oder 
Reaktion rechtfertigte, kann zum unmittelbar auslösenden Momente 
schwerer Gewalttat beim Geisteskranken werden. Gemeint sind damit 
nicht etwa demente Kranke oder solche, welche in ihrer Besonnen¬ 
heit schwer gestört sind. Denn die inadäquate Reaktion auf Wahn¬ 
ideen und Halluzinationen findet sich auch bei Kranken, deren 
Verhalten gegen die anderen Eindrücke, gegen die nicht wahnhaft 
eingebildeten, nicht wahnhaft interpretierten und nicht wahnhaft 
aufgefaßten Eindrücke des Lebens sieb von dem des Gesunden 
nicht unterscheidet. 

Das so gekennzeichnete auffällige übermäßige und recht häufige 
Verhalten der Halluzinanten und Geisteskranken mit Wahnideen 
wird gewöhnlich der „Kritiklosigkeit gegenüber Wahnideen und 
Halluzinationen“ subsumiert. Wie ich glaube, wird dieses auffällige 
Verhalten durch die hier von mir vorzuschlagende Bezeichnung als 
„Inadäquatheit der Reaktion, als inadäquate Reak¬ 
tion“ — d. i. durch eine Bezeichnung, welche nichts präjudiziert — 
leichter der Analyse zugänglich. 

Nach dem oben durchgeführten Vergleiche zwischen der reak- 
tion sauslösen den Wirkung des gleichen Inhaltes auf den Gesunden 
und zwischen der Wirkung desselben Inhaltes in Form einer Hallu¬ 
zination oder Wahnidee müssen wir zugestehen: daß es die Inhalte 
der Halluzinationen und Wahnideen sind, welche die inadäquate 
Reaktion auslösen. Aber darum müssen die Inhalte selber noch 
immer nicht die Ursache der Übermäßigkeit, der In¬ 
adäquatheit der von ihnen veranlaßten Reaktion sein, jedenfalls 
nicht die alleinige Ursache derselben. Die Inhalte weisen eben der 
Reaktion nur die Richtung und den Gegenstand und gestatten zu- 


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gleich, den ihnen zu Grunde liegenden Gemütszustand zu erkennen. 
Den Schlüssel für die Herkunft der Inadäquatheit, der Übermäßig¬ 
keit der Reaktion, liefert uns aber ein anderer Umstand. Er wurde 
eben in der Symptomatologie der inadäquaten Reaktion gestreift: 
Die inadäquate Reaktion bezieht sich bei solchen Kranken in der 
Regel nur auf die halluzinierten, resp. wahnhaft eingebildeten oder 
wahnhaft interpretierten Eindrücke. Auf die anderen (auch für die 
Kranken gewöhnlichen) Eindrücke reagieren die Kranken wie andere 
Menschen auch. Die Träger der Inadäquatheit der Reaktion sind 
also die Wahnideen und Halluzinationen selber und doch, wie wir 
sahen, nicht ihr Inhalt. Nun haben wir oben ein besonderes Kenn¬ 
zeichen der Wahnideen und Halluzinationen kennen gelernt. Es 
besteht darin, daß vor allem sie einem besonderen vorbestehenden 
Gemütszustände, dem „adäquaten Gemütszustände“, entspringen und 
diesem hauptsächlich ihre Entstehung verdanken. Wir haben also 
zu prüfen, ob nicht vielleicht dieses besondere Kennzeichen der 
Träger, die Ursache der Inadäquatheit bei der Reaktion ist. 

Beachten wir hiezu folgendes Beispiel: Auf eine wirklich dro¬ 
hende Geste reagiert der Gesunde nicht mit einem Revolverschuß 
gegen den Drohenden oder gegen sich selbst; auch dann nicht, 
wenn ihm diese Geste Angst einflößt — das Mißverhältnis zwischen 
der geringen Intensität der Bedrohung und einer so hohen Angst¬ 
reaktion wäre auch zu groß. Anders steht es aber dort, wo die 
Verkennung einer gar nicht bedrohlichen Geste des anderen im 
Sinne der Drohung den Gipfelpunkteines schwerenAngst- 
zustandes darstellt. Dann ist die übermäßige Reaktion mit 
einem Revolverschuß zwar durch die harmlose Geste ausgelöst, aber 
nicht durch sie erzeugt. Der Schuß, die inadäquate Reaktion 
wird uns hier eben ohne weiters klar als Ausdruck der 
hochgespannten Angst, d. i. eines der Verkennung, den 
Wahnideen, Illusionen usw. zu Grunde liegenden Ge¬ 
mütszustände s. 

Dabei braucht nicht etwa eine Bewußtseinstrübung mitzu¬ 
spielen, wie sie ja durch hohe Angst zustande kommen kann. Die 
inadäquate Reaktion ist eben einfach zugleich Produkt und Maß 
des zu Grunde liegenden Gemütszustandes. Die Wahnideen und 
Halluzinationen markieren uns die Art des betreffenden Gemüts¬ 
zustandes. die inadäquate, die übertriebene Reaktion auf Halluzina- 


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tionen und Wahnideen markiert uns die Intensität des zu Grunde 
liegenden Gemütszustandes. 

Wahnideen und Halluzinationen wie auch die 
inadäquate Reaktion entspringen danach dem gleichen 
Gemütszustände. 

Die inadäquate Reaktion auf harmlose Eindrücke infolge einer 
mehr minder versteckten Grundstimmung ist auch im Rahmen der Norm 
nicht ohne Beispiel. 

So werden Traumstimmungen gelegentlich unerkannt aus dem 
Schlafe ins wache Leben hinübergenommen. Sie können dann als Nach¬ 
wirkungen im wachen Zustande nicht nur scheinbar ganz unmotivierte 
Handlungen auslösen, sondern sie können auch die Tagesbandlungen 
überhaupt in ihrem Sinne beeinflussen. Es können also aus einer dem 
Träger selbst verborgenen Grundstimmung, aus einer „ Traumstimmuug“ 
heraus, sehr auffallende inadäquate Reaktionen auf ganz gewöhnliche 
Tageseindrücke erwachsen. Eine inadäquate Reaktion im Rahmen der 
Norm ist auch folgende: 

Der im Bureau vielgeplagte Beamte reagiert nachher zu Hause 
beim Mittagessen auf die angebrannte oder versalzene Suppe mit einem 
Zornesausbruch. Er fühlt sich der .weinenden Gattin gegenüber sogar 
eine Zeitlang im Rechte. Nach einiger Beruhigung staunt er darüber, 
wie er so aufbrausen konnte und sieht endlich ein, daß er den Amts¬ 
ärger zu Hanse entladen hat. 

Man kann, wie wir sahen, aus dem Inhalte der Wahnideen 
und Halluzinationen dieser Gruppe einen Rückschluß auf den ihnen 
zu Grunde liegenden Gemütszustand, auf den „adäquaten Gemüts¬ 
zustand“, gewinnen — weil der vorausbestehende Gemütszustand, 
welchem die Halluzinationen und Wahnideen entspringen, gleich 
ist jenem, welcher durch das wirkliche Erleben des Halluzinierten 
oder wahnhaft Entwickelten entstünde. Aber diese Gleichheit 
ist nur qualitativ. Quantitativ besteht ein gewaltiger Unter¬ 
schied zwischen dem Gemütszustände nach einer wirklich erlebten 
Beschimpfung oder Bedrohung und dem Gemütszustände vor dem 
Halluzinieren von Beschimpfungen und Bedrohungen. 

Dieser quantitative Unterschied wird schon aus der Dauer 
und der Verlaufskurve der verglichenen Gemütszustände klar: Eine 
einmalige Beschimpfung, eine einmalige Bedrohung, ein wirklich 
erfolgter Überfall macht Ärger, Zorn, Schreck, Leid, Unruhe durch 
eine gewisse Zeit, und zwar durch eine beschränkte Zeit und in 
absteigendem Grade. Anders verhält sich aber sowohl im 
Quantum als in der Anstiegskurve die steigende Un¬ 
ruhe und Angst, die steigende Gereiztheit und Reiz- 


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barkeit eines aus anderen, z. B. körperlichen Gründen 
gegebenen Gemütszustandes, welcher zu entspre¬ 
chender Wahnbildung oder zu entsprechenden Hallu¬ 
zinationen führt. Es verhält sich der letztere, in Wirklich¬ 
keit zu Grunde liegende Gemütszustand zu dem vergleichs¬ 
weise herangezogenen — der entstünde, wenn! — etwa wie 
gehäufter Groll zu einmaligem Ärger. 

Die Gleichartigkeit der verglichenen Gemütszustände des Grund¬ 
gesetzes ist also keine quantitative, sondern nur eine qualitative. 

Beachten wir also die quantitativen Verhältnisse, so klingt es 
auch nicht mehr paradox: daß den Wahnideen und Halluzinationen 
ein bestimmter Gemütszustand, welcher ihre Ursache ist, adäquat 
sein soll und daß zugleich dieser selbe Gemütszustand die Ursache 
dafür sein soll, daß die Reaktion im Verhältnis zu dem reinen 
Inhalte des Halluzinierten oder wahnhaft Angenommenen übermäßig, 
inadäquat, ausfällt. Wir können resümieren: 

Es bleiben also nebeneinander aufrecht: 

1. Das Grundgesetz vom „adäquaten Gemüts¬ 
zustand e“: Wahnideen und Halluzinationen ent¬ 
springen einem Gemütszustände, welcher entstünde, 
wenn ihr Inhalt wirklich erlebt würde. 

2 . Das Gesetz der „inadäquaten Reaktion“. 

a) Die Inadäquatheit, die Übermäßigkeit der 
Reaktion auf Wahnideen und Halluzinationen ist 
nicht ein Produkt des Inhaltes derselben und auch 
nicht einer allgemeinen Herabsetzung der geistigen 
Leistungen, sondern ein Produkt und zugleich ein 
Maß des den Wahnideen und Halluzinationen zu 
Grunde liegenden Gemütszustandes, d. h. jener Un¬ 
ruhe, Erregung uudStimmung, aus welcher d i e W a h u- 
ideen und Halluzinationen selber entspringen. 

b) Die Inadäquatheit der Reaktion ist eben eiu 
Produkt des dauernden Vorbesteheus und des An¬ 
stieges jenes Gemütszustandes, welcher die Hallu¬ 
zinationen und Wahnideen liefert. 

Eine solche Auffassung der Inadäquatheit gilt wohl regel¬ 
mäßig, soweit nicht die inkriminierten Handlungen der Urteils¬ 
losigkeit oder den Einfällen und triebartigen Impulsen Dementer 
oder Benommener entspringen. 


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Es ist aber mit der Aufstellung des Gesetzes von der in¬ 
adäquaten Reaktion noch nicht behauptet, daß die Grundstimmung 
für den Ausfall dieser Reaktion ganz allein maßgebend ist. Die 
Erörterung der andern Faktoren jedoch liegt nicht im Rahmen 
meiner Besprechung; denn diese Besprechung dreht sich ja um 
das Verhältnis zwischen Gemütszustand einerseits und Halluzinationen 
und Wahnideen andererseits. 


D. 

Die Themata meiner bisherigen Erörterung: die diffuse Eigen¬ 
beziehung, den halluzinierten Namensanruf und die Vorahnungen, 
haben wir als „Unruheerscheinungen“ kennen gelernt. (Eine Zu¬ 
sammenfassung meiner Erfahrungen über „Ahnungen“, „Vorahnun¬ 
gen“, „Vorgefühl“ s. in Abt. II, vgl. auch unten bei Ho che.) Sie 
sind einander ähnliche Ausdrucksformen einer inneren, d. h. bewußten 
und auch subjektiv wirksamen Unruhe, und zwar unbestimmten 
Unruhe. Diese Feststellung — erworben durch die Analyse des 
Gemütszustandes des halluzinierten Namensanrufes — hat uns also 
schon einen Spezialfall der Unruhe kennen gelehrt. Es hat sich 
uns so eine wichtige Unterform der „ünruhebilder“ ergeben. 

Gehen wir nun näher auf die große und bedeutsame Gruppe 
der „Unruhebilder“ ein. 

Die Unruhe ist natürlich keine Krankheit sui generis. Die 
Unruhezustände überhaupt gehören ebenso den verschiedensten Krank¬ 
heitsgruppen an, wie die Kranken mit Eigenbeziehung, mit dem 
halluzinierten Namensanruf und mit Vorahnungen. 

Immerhin lohnt sich vielleicht einmal der Ver¬ 
such: nebeneinander zu stellen, was verschiedenartige 
Kranke zeigen und gemeinsam haben, wenn sie un¬ 
ruhig sind, und zu beachten, wie weit etwa auch bei 
verschiedenen Kranken die Unruhe ähnliche oder 
gleiche Ursachen hat und ähnliche oder gleiche Wir¬ 
kungen erzeugt. 

Dieser Versuch sei hier nicht gänzlich durchgeführt, sondern 
nur einiges Einschlägige beigebracht. 


Ein meines Wissens bisher nicht bekanntes Unruhebild ist ein 
wochen- und monatelang dauerndes Zustandsbild unbestimmter drän- 


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gender Unruhe, welche den betreffenden Träger in die Einsamkeit 
treibt, so lange er in Gesellschaft ist, und wieder in Gesellschaft, 
sobald er allein ist, entstanden durch exzessives Bauchen in 
einem, eventuell auch in einem zweiten Falle meiner Beobachtung, 
mit konsekutiver Eigenbeziehung und halluziniertem Namensanruf 
(s. Abt. II, Fall von „subakuter Baucherparanoia“ etc.). 

Den Haupttypus der leichteren Unruhebilder liefern jene Pa¬ 
tienten, welche nicht ruhig sitzen können, nicht allein bleiben 
können, welche es zweck- und ziellos und auch ohne bewußte 
Ursache hin und her treibt usw. — In diese große Gruppe gehören 
die „klimakterischen Unruhebilder“, die „menstruellen 
Un ruhebilder“, überhaupt die „vasoneurotischen Unruhe¬ 
bilder“, wie sich eine ganze Untergruppe bezeichnen läßt. Sie 
finden sich besonders bei klimakterischen oder neurasthenischen 
und auch bei zerebralarteriosklerotischen Patienten. (Gelegentlich 
erwies sich, abgesehen von den üblichen Sedativis (Valeriana, Brom, 
Castoreum), gegen die klimakterische Unruhe wie gegen die klimakte¬ 
rischen Wallungen eine Jodmedikation nützlich.) 

Ferner gehört hieher ein anderes „kongestives“ Zu¬ 
standsbild, die Brunnenkrise, auch Brunuenrausch, 
Brunnendusel genannt, welche häufig mit Unruhe, zorniger 
Erregtheit, Kongestion, Oppression, gelegentlich mit Angst, ge¬ 
legentlich auch mit halluziniertem Namensanruf einbergeht. Es 
wird der C0 8 -Vergiftung zugerechnet, hat aber meiner Meinung 
nach auch Beziehungen zur Hyperthyrie. 

Gesteigerte Erregbarkeit des autonomen und sympathischen 
Nervensystems, erhöhte Durchlässigkeit der Gefäße, exsudative Ex¬ 
antheme, starken Speichelfluß, Erregung schafft nach H. Horst- 
Meyer (Wiener klinische Wochenschrift 1. Dezember 1908, Nr. 48) 
die Kalkverminderung im Organismus, wodurch sich auch die Er¬ 
scheinungen der Oxalsäurevergiftung erklären. Schon früher haben 
Sendter, Panek, Pever, Tobler und besonders L. Moll auf 
die nervösen Erscheinungen der „Kalkariurie“ hingewiesen. 
Patienten mit stärkerer Trübung des frisch entleerten Harns durch 
einen Kalkphosphatniederschlag zeigten „Kopfweh, Schmerzen im 
Unterleib und um den Nabel“, neurastlienische Beschwerden, von 
der Urogenitalsphäre ausgehend, starke Schweiße, Parästhesien, tro- 
phische Störungen, Verdauungsstörungen, chronischen Dickdarm- 
katarrh, Abmagerung, daneben (was für unsere Fragestellung am 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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wichtigsten ist) Unruhe, Aufgeregtheit, Mißmut, Schlaflosigkeit 
(s. L. Moll: „Beiträge zur Ernährungstherapie der mit Phosphaturie 
(Kalkariurie) einhergehenden Neurosen des Kindesalters.“ Prager 
med. Wochenschrift 1905, Nr. 42). 

Ähnlichkeiten zu den vasoneurotischen Fällen zeigen auch 
gewisse Fälle von Hyperthjrie: Der künstliche (thera¬ 
peutische) Thyrioidismus, gewisse Kropffälle, der 
Basedow und gewisse Formen des akuten Jodismus, 
bestehend in Schlaflosigkeit, Erregtheit und gesteigerter Erreglich- 
keit, subjektiver und objektiver Unruhe und Unrast, unbestimmter 
Angst, auffallender Schreckhaftigkeit, ausgesprochenen Kongestionen 
— diese letzteren entweder transitorisch oder während des ganzen 
Zustandsbildes andauernd — mit mehr minder starkem und wech¬ 
selnd lang dauerndem Herzklopfen, gelegentlich auch mit Schwäche¬ 
gefühl, Zittern, starker Durchfeuchtung der Mundschleimhäute, 
Diarrhöen einhergehend. (Genaueres darüber siehe in meiner Arbeit: 
„Ätiologische und therapeutische Erfahrungen über Vitiligo ,Dys¬ 
humorale' Genese und Organotherapie der Flecken.“ Prager med. 
Wochenschrift 1911, Nr. 3, vgl. Fälle von „dyshumoraler Un¬ 
ruhe“ in Äbt. II.) 

Ähnliche Unruhebilder ergeben sich nach P. Fr. Richter 
bei Entfettungskuren mit einseitiger Fleischkost. 
Gelegentlich sah ich Mißmut mit Unruhe als vorübergehende 
Störung bei Uratikern im Anschluß an überreichliche 
Aufnahme süßer Mehlspeisen, ohne daß etwa Meteorismus 
im Spiele war. 

Typisch für die Unruhebilder vasoneurotischer Art ist das 
Zustandsbild der Phrenokardie nach Herz: Erregtheit, Un¬ 
ruhe, Angst, Herzklopfen, Oppression, Zwerchfellhochstand und 
interkurrente tiefseufzende Atemzüge ohne Anlaß zum Seufzen, 
meist von den Kranken selber unbemerkt bleibend. 

Zu einem großen Teile deckt sich die Symptomatologie der 
Phrenokardie mit jener der Angstneurose Freuds. Doch gilt 
hier vor allem die sexuelle Verdrängung oder die frustrane Sexual¬ 
erregung (Coitus interruptus, Masturbation) als die Ursache der 
Angst: »Angst ist verdrängte Libido,“ sagt Freud. Neben den 
phrenokardischen Symptomen finden sich bei der Angstneurose 
auch noch häufig Magen-, Darmstörungen spastischer Natur, nervöses 
Erbrechen, spastische Obstipation usw. 


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Das leitet über zu den Unruhebilderu bei Meteo¬ 
rismus, bei Magen-, Darmstörungen (vgl. über Schlaf¬ 
losigkeit und nervöse Erregung bei letzteren besonders die Arbeiten 
von W. Plönies-Dresden) bei Obstipierten, bei Albuminurie. 
(Über den Zusammenhang von Albuminurie mit Darmstörungen vgl. 
besonders W. Plönies und K. Zörkendörfer-Marienbad.) 

Vasoneurotisch scheint mir auch die bei gewissen Influenza¬ 
epidemien statt der gewöhnlichen Apathie — diese kann meiner 
Beobachtung nach auch mit echter Hemmung einhergehen, wie hier 
vermerkt sei — hervortretende Unruhe, besonders nächtliche Unruhe 
mit Schlaflosigkeit noch vor oder ohne Eintritt deutlicher Tempe¬ 
ratursteigerungen. Diese Unruhe ist durch Brom nur wenig, durch 
Autipyretica rasch und ausgiebig bekämpfbar. Zirkulatorisch ist 
die Unruhe der Herzkranken, besonders der Myokardi- 
tiker — Cardiotonica wirken hier besser als Sedativa. — Zirku¬ 
latorisch ist auch die delirante Unruhe bei Herzschwäche, zirku¬ 
latorisch sind die nächtlichen Delirien der zerebralen 
Arteriosklerotiker. Diese wie die Delirien bei Herzschwächen 
— vielleicht auch die senilen Delirien — sind meiner Erfahrung 
nach ebenfalls durch Herzmittel bekämpfbar. (Vgl. hiezu M. Herz, 
Zurückführung arteriosklerotischer transitorischer Bewußtseinsstö¬ 
rungen auf Extrasystolen und die Lehre vom Herzblock, von Adam- 
Stokes-Krankheit besonders bei P1 e t n e w-M o s k a u, endlich v. L e y- 
d e n s Empfehlung der Cardiotonica als Schlafmittel bei Herzkranken.) 

Ebenfalls zirkulatorisch, aber vielleicht in entgegengesetztem 
Sinne sind die von mir (Demenzprozesse etc.) berichteten transi¬ 
torischen kongestiven Schlaftrunkenheitszustände 
mit Fragesucht und nachträglicher Amnesie bei einer 
zerebralarteriosklerotischen Frau im Klimakterium. Einen solchen 
Zustand — ganz gleich den spontanen Anfällen — konnte ich bei 
ihr auch während der Blutdruckmessung an der Temporalarterie 
im Anschlüsse au eine Minute währende vorgeueigte Haltung des 
Kopfes auslösen. Zirkulatorisch kongestiv sind wohl auch 
die Unruhezustäude und Delirien bei Atropinvergiftung und 
der Hyoscinrausch. 

Diese Unruhezustände mit Bewußtseinsstörungen leiten 
schon über zu den weiter unten zu besprechenden „Hirnschädi- 
gungssyndromeu“ mit Unruhe, wohin auch der mannigfach 
unter „Unruhe“ verlaufende Alkoholrausch gehört. 


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Uber eine Unruheerscheinung etc. 


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Bei labyrinthären Öleichgewichtstörungen findet 
sich neben psychischer Unsicherheit psych asthenisch er Form eine 
psychische Unruhe, welche durch den Schwindel usw. allein nicht 
erklärt ist. (Vgl. Fälle von „labyrinthärer Unruhe“ in Ab¬ 
teilung II.) 

Ferner bestehen Beziehungen der Unruhe zum Pavor noc- 
turnus, vgl. Josef K. Friedjung „Die Pathologie des einzigen 
Kindes: Nächtliche Unruhe bei nervösen Kindern bis zum Pavor 
nocturnus“. 

Zu den Unruhebildern möchte ich auch einen Teil der „dys- 
ph orischen Krankheitsbilder“ aus endogener Anlage 
zählen, und zwar jene, welche gipfeln können: in dromomani- 
schen Anfällen (dysphorische Form der Fugue) oder in dipso¬ 
manischen Anfällen oder in den sogenannten pseudo-dipso¬ 
manischen Anfällen 1 ). 

Beide Arten der Dipsomanie enthalten überdies noch „dromo- 
manische“ Unruhezüge: Umhertreiben, unmotiviertes Straßauf-, 
Straßabziehen und besonders das Wandern von Gasthaus zu Gasthaus. 

Diesen dysphorischen Unruhebildern verwandt sind dyspho¬ 
rische Unruhebilder, welche sich als kleptomanische, als 
gewalttätige, ja als mordmanische Zwangsantriebe 
äußern können. 

Weiter gehören zu den Unruhebildern Zustände im Beginne 
und im Verlaufe der Melancholie (darunter auch der Raptus 
melancholicus und der Furor melancholicus), Zustände bei der Manie 
und besonders bei den manisch-depressiven Mischzustän¬ 
den, wohl auch gewisse Depersonalisationszustände mit Fragesucht 


*) Bezüglich der Auslösung der pseudo-dipsomanischen Anfälle 
beschuldige ich nach A. Margulifes „Über Pacudodipsomanie“ Prager 
med. Wochenschrift 1899, Nr. 23, 24, den Genuß des ersten Glases 
Bier, an welchen Genuß sich das unaufhörliche Weitertrinken anschließt. 
Aber ich bin mehr geneigt, als Ursache dieses, dem ersten Glase Bier 
folgenden unaufhörlichen Weitertrinkens das Dazwischentreten eines 
Dämmerzustandes — alkoholischer oder hysterischer, kurz „degenerativer“ 
Natur anzunehmen. Dieser Dämmerzustand entspricht einem pathologi¬ 
schen Rausch und ist wie ein solcher ein Produkt der Alkoholintoleranz. 
Aber der „pseudo dipso m an ische Dämmerzustand“ hat vor 
dem pathologischen Rausch ein Charakteristikum voraus, er ist charak¬ 
terisiert durch einen „Trinkautomatismus“. (Auch Automismen 
können Folgen der Unruhe sein s. u.) 

Jahrbücher für P*ychlatrle. XXXIII. Bd. 3 


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und gewisse mordmanisehe und gewalttätige Zwangsautriebe bei 
Mischzustäuden von überwiegend depressiver Art. 

Besonders augenfällig sind die „Unruhebilder“ im Kähmen 
der toxischen und traumatischen „Hirnschädigungs¬ 
syndrome“ (vgl. meine Arbeit „Demenzprozesse und ihre Begleit¬ 
psychosen“, Jahrbücher für Psychiatrie 1910), wie ich die spezifisch¬ 
toxischen und -traumatischen Psychosen zusammeugefaßt habe. 
Ausgesprochene Unruhe besteht z. B. im Beginne der Amentia, 
bei den verschiedenartigen Delirien, besonders beim Delirium 
tremens, ferner bei der Enzephalopathia saturnina, weiter 
nach Hirnblutungen als vorübergehender Zustand deliranter 
Verworrenheit und planloser Erregung (A. Pilcz, Wien) und beim 
protrahierten apoplektischen Insult (Strümpell), bei letzterem 
sowohl der Hirnblutung als der Euzephalomalazie unmittelbar vor- 
ausgeheud. Unruhe besonders in der Form der Vielgeschäl'tigkeit. 
der „Gsehaftelhuberei“, besteht meiner Beobachtung nach auch beim 
alkoholischen Korsakoff (Korsakoff hier gleichgesetzt dem 
amnestischen Symptomenkomplex überhaupt); Unruhe findet sich 
weiter im Beginn des Fiebers sowohl bei erhaltener Besonnen¬ 
heit, z. B. als auffallende gereizte Gesprächigkeit, oder als heitere 
Angeregtheit oder als ängstliche Unruhe, ferner im Beginn fieber- 
deliranter Zustände noch vor Eintritt grober Bewußtseinsstörung. 
(Vgl. Dr. Schroeder (Münchner med. Wochenschrift, 13. März 
1911, Xr. 11) „Das klinische Bild der Pest bei Thukydides“. Den 
einzelnen befiel von Anfang an eine große Mutlosigkeit, innere Un¬ 
ruhe uud Schlaflosigkeit.“ — Vgl. auch die wegen der Infektious- 
verbreituug sehr gefährlichen „Fluchtdelirien“ der Pestkranken mit 
Verlassen des Bettes uud Krankenhauses.) Wirksam für die Gestaltung 
des Zustandsbildes scheint mir die Unruhe auch bei jenen den 
Infekt io ns- uud Deferveszenzdelirien verwandten Zu¬ 
ständen, welche in protrahiertem Verlauf während der ganzen 
Dauer keine merkliche Bewußtseinsstörung zeigen: Es sind Zustände 
mit phantastischer paranoider Wahnbildung, welche 
Wahnbilduug gleicher Weise eine Herabsetzung der Kritik bei sonst 
geordnetem Gedaukengang uud eine treibende Unruhe erkennen 
läßt. Diese Zustandsbilder ähneln symptomatisch und auch in ge¬ 
wissem Sinne ätiologisch (s. u.) dem präsenilen Beeinträchtigung^ 
wahn. Sie vertreten gelegentlich Iufektionsdelirien (Typhus) und 
Deferveszenzdelirien und scheinen mir wegen ihres protrahierten 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Verlaufes eine mäßige, aber läugerdauernde Hirnschä¬ 
digung zu bedeuten. 

Endlich finden sich Unruhebilder auch auf dem Gebiete der 
Demenzprozesse, d. i. auf dem Gebiete der progredienten Hirn¬ 
schädigungen mit dauernden psychischen Einbußeerscheinungen. 
Wie ich glaube, entsprechen sie da akuten und subakuten 
Schüben von Hirnschädigung. Sie finden sich bei der 
Dementia praecox, bei der Epilepsie, bei derParalyse 
und besonders bei den Presbyophrendeliranten — wie 
0. Fischer treffend eine ganze Gruppe von Kranken bezeichnet 
hat — und endlich als präseniler Beeinträchtigungswahn 
i präseniler Verfolgungswahn) 1 ). 

Unruhebilder finden sich gelegentlich auch sonst noch bei 
einzelnen Fällen, welche zur Zeit nicht recht klassifizierbar sind. 

Einzelnes aus dem oben Angeführten scheint mir nun darauf 
hinzudeuten, daß die Unruhe einem gewissen mittleren 
Grade von Hirnschädigung entspringt, soweit sie nicht un¬ 
mittelbar psychischer Herkunft ist, d. h. aus Bewußtseinsvorgängen 
sich ergibt und soweit sie nicht aut einfache somatische Affektionen 
zurückgeht, das sind solche, welche sich nicht unmittelbar im 
Zerebrum, sondern vorerst sonstwo im Körper abspielen. (Natürlich 
kommt die Unruhe auch bei diesen somatisehen Affektionen durch 
flüchtige Gahirnstörungen sekundär zustande.) 

Gehen wir nun etwas näher auf die Beziehungen zwischen 
Unruhe und Hirnschädigung ein, vorerst auf die „Hirnschädigung“ 
an sich. In meiner erwähuten Arbeit „Demenzprozesse und ihre 
Begleitpsychosen“ habe ich, gestützt auf K. Wilmanns, unter¬ 
schieden : 


*) Der präsenile Verfolgungswahn wäre danach als ein 
Hiruschädigungssyndrom im Beginne der senilen Demenz: ein Wider¬ 
spiel der paranoiden Verwandten von Infektions- und 
DeferveBcenzdelirien auf dem Gebiete der Demenzprozesse. Auch 
die Dementia paranoides könnte als ein solches paranoides Hirnschädi¬ 
gungsbild in Begleitung eines Demenzprozesses aufgefaßt werden. Die 
bei ihr hervorstechenden Wahnideen körperlicher Beeinflussung und die 
dauernden Organgefühlshalluzinationen legen ohnehin den Verdacht lang¬ 
dauernder Hirnschädigung nahe. Von altersher neigt man ja dort zu 
einer ungünstigen Prognose bezüglich der Erhaltung der Intelligenz, wo 
bei chronischem Verlauf der Psychose dauernd Wahnideen körperlicher 
Beeinflussung bestehen. 

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1 . Konstitutionelle Psychosen auf Grund psychotischer 
Konstitution (und zwar — meiner Einteilung nach — vom manisch- 
depressiven und vom neuropsychopathischen Grundtyp — die para¬ 
noischen Zustandsbilder gehen mal aus dem einen, mal aus dem 
anderen Grundtyp hervor). Alle Arten dieser degenerativen Psy¬ 
chosen sind, wie Wilmanns^s treffend bezeichnet hat, entweder 
„pathologische Reaktionen“ oder „Entwicklungen“ der degenerativen 
Anlage. 

2. Akute und subakute Hirnschädigungssyndrome, 
akute: Koma, Benommenheit, Schwerbesinnlichkeit, Betäubung, 
Rausch, Delirien, Dämmerzustände und Traumzustände, Halluzi- 
nosen; — subakute: Korsakoff-Bilder (amnestischer Symptomenkom- 
klex) und wie ich nach dem Obigen jetzt noch hinzufügen möchte bei 
noch schleppenderem Verlaufe der Hirnschädigung auch phantastisch¬ 
paranoide Zustandsbilder (romantisch zusammenphantasierte Wahn¬ 
ideen der Eigenbeziehung und Verfolgung ähnlich dem präsenilen 
Beeinträchtigungswahn und der Dementia paranoides) bei erhaltener 
Besonnenheit. Es sind dies Krankheitsbilder, welche wegen der 
Erhaltung der Besonnenheit und Orientierung vielleicht als ein 
subakutes Analogon der akuten Halluziuosen angesprochen werden 
könnten. Vielleicht sind als ebensolche „gestrecktere“ Analoga der 
akuten Halluzinosen anzusehen: Gewisse seltene „chronische Hallu- 
zinosen“ ohne weitere psychische Störungen. Diese kommen im 
Anschluß an Infektionskrankheiten oder nach einmaliger schwerer 
toxischer Hirnschädigung zustande — vielleicht dadurch, daß die 
gesetzten herdartigen oder andere Veränderungen fortwirken, z. B. 
nach Schwefelkohlenstoffvergiftungen oder bei chronischer Metall- 
vergiftung (Blei) usw. — oder sie bleiben nach Ablauf von akuteren 
Störungen zurück. (Vergleiche die Beschreibung von Fällen, welche 
ich hieher rechnen möchte, bei Döllken „Über Halluzinationen 
und Gedankenlautwerden“, Archiv für Psychiatrie 1908, Bd. 44, 
Heft 2, S. 425 u. ff.). 

Zu den subakuten Hirnscbädigungssyndromen scheinen mir 
auch noch zu gehören: die von Bonhöffer geschilderten hyper- 
ästhetisch-emotionellen Schwächezustände („Die sym¬ 
ptomatischen Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen u. inneren 
Erkrankungen“ 1910, Leipzig-Wien, Deuticke, S. 52, 53). „Bei Fällen, 
in welcheu das Fieber länger dauert, nach dem Stadium der Er¬ 
regung einsetzend, durch Wochen und Monate dauernd bis völlige 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Genesung oder bei fortbestehender Infektion der Tod eintritt, zeigen 
diese hyperästhetisch - emotionellen Schwächezustände: Subjektives 
Übelbefinden, Klagen über Kopfschmerzen, Gliederschmerzen, großes 
Schwächegefühl; weiter findet sich Überempfindlichkeit gegen 
Geräusche und Licht, leichtes Aufschrecken, beun¬ 
ruhigende Träume, habituell herabgesetzte Aufmerksamkeit, 
leichtes Versinken in einen Halbtraum, schreckhafte Bilder, insbe¬ 
sondere bei Augenschluß, Hören von Musik, rufende Stimmen 
der Angehörigen, Sensationen de3 Berührtwerdens und von 
Bewegungen des Bettes; schwankende lokale Orientierung, Herab¬ 
setzung der Merkfähigkeit und der kombinierten Denkleistungen, 
subjektive Denkerschwerung, Rührseligkeit und damit abwechselnd 
Gereiztheit, wehleidige mißmutige Stimmung, außerordentliche 
Empfindsamkeit, Andeutungen krankhafter Eigenbezie¬ 
hung — in Form von Klagen über das Essen, über mangel¬ 
hafte Pflege und über Zurücksetzung gegenüber den anderen.“ Das 
sind die Hauptsymptome der hyperästhetisch-emotionellen Schwäche¬ 
zustände, welche meiner Meinung nach im Rahmen der subakuten 
Hirnschädigungssyndrome ein symptomatisches Mittelglied zwischen 
den Korsakoff-Bildern und den rein paranoiden Zuständen durch 
Hirnschädigung darstellen könnten. 

3. Demenzprozesse, das sind länger dauernde ausgebreitete 
progrediente, zu schwersten Graden fortschreitende Hirnschädigungen. 
Einmal schleichen die Demenzprozesse als leichteste Hirnschädi¬ 
gungen mit den entsprechenden Erscheinungen ein, ein andermal 
können sie gleich mit stärkerer Intensität der Erscheinungen, ge¬ 
legentlich sogar „galoppierend“ einsetzen. 

Sowohl bei den toxischen und traumatischen Psychosen — 
welche gekennzeichnet sind durch meine Zustandsbilder der „Hirn¬ 
schädigungssyndrome“ — wie bei den Demenzprozessen — gekenn¬ 
zeichnet durch die dauernde Einbuße an psychischer Leistungs¬ 
fähigkeit —, konnte ich aber auch aufzeigen: erworbene psychotische 
Konstitutionen ganz analog den angeborenen und auf dieser Er¬ 
werbung basierte „Begleitpsychosen“ der Demenzprozesse und der 
leichteren Hirnschädigungen (der toxischen und traumatischen). 
Diese Begleitpsychosen können durchaus den konstitutionellen 
gleichen. Man vergleiche als Beispiel der Begleitpsychosen aus 
erworbener psychotischer Konstitution bei chronischen Vergiftungen, 
also als Beispiel langdauernder, aber nur ganz mäßiger Hirn- 


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Schädigung durch Intoxikation: die Erwerbung einer hysterischen 
Charakterveränderung — einer Hysterie mit Pseudologia phantastica 
oder mit pathologischen Einfällen bis zu Traum- und Dämmer¬ 
zuständen —, infolge von chronischem Alkoholismus; weiter das 
Auftreten von manisch-depressiven Zuständen beim Basedow. Ande¬ 
rerseits kann eine toxische Hirnschädigung bei sehr langer Dauer 
und bei besonderem Grade der toxischen Einwirkung bis zur Demenz 
fortschreiten (alkoholistische Demenz z. B.). Besonders aber finden 
sich die erworbenen psychotischen Konstitutionen und entsprechenden 
Begleitpsychosen bei den eigentlichen Demenzprozessen, und zwar 
in der Kegel als Einleitung, also bei noch ganz mäßiger, aber 
schleichender Hirnschädigung. Andererseits drücken sich die akuten 
und subakuten Kraukheitsschübe der Demenzprozesse aus: in 
Bildern von der Form der „Hirnschädigungssyudrome“, ganz nach 
Art der spezifischen traumatischen oder toxischen Psychosen. Akute 
Schübe erscheinen als Benommenheit, Delirien, Verwirrtheit, Traum- 
zustände und Dämmerzustände, Halluzinoseu, subakute als Korsakoff- 
psychosen oder in Form gewisser protrahierter phantastisch¬ 
paranoider Wahnbilder. Diese letzteren drücken ja meiner Meinung 
nach auch bei den Infektionsdelirien einen mehr protrahierten und 
weniger intensiven Verlauf der Hirnbeteiliguug an der körperlichen 
Krankheit aus. Diese Analogie spricht wohl dafür, daß solche 
paranoide Zustandsbilder bei Demenzprozessen eher der Hirn¬ 
schädigung selber als etwa einem entstandenen (erworbenen) 
psychotischen Charakter entspringen. Sie stellen also eher ein 
Hirnschädigungssyndrom subakuter Art als eine Begleitpsychose 
paranoischer Form vor und kommen besonders bei stationären oder 
mit Demissionen einhergehenden Fällen, z. B. von Paralyse zur 
Geltung. Vgl. über den letzteren Umstand 0. Kern „Über das 
Vorkommen des paranoischen Symptomeukomplexes bei der pro¬ 
gressiven Paralyse“, Zeitschrift für die gesamte Neurologie und 
Psychiatrie 1911, Bd. IV, Heft 1. Oder solche paranoide Zustände 
folgen, wie ich gelegentlich sehen konnte, einem leichten apoplek- 
tischen Insult oder leiten als präseniler Beeinträchtigungs- und Ver¬ 
folgungswahn die senile Demenz ein. Die anderen, die akuteren 
Hiruschädiguugssyndrome. auch das Korsakoff-Bild (der amnestische 
Symptoinenkomplex) im Verlaufe der Demenzprozesse sind in der 
Kegel von einem Fortschreiteu der Grundkrankheit, d. i. der 
Demenz gefolgt. 


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Über eine Uuruheerscheinung etc. 31) 

Es ist bei jenen Psychosen, bei denen sich nachweislich 
Hirnschädigungen abspielen — seien es Hirnschädigungssyndrome 
im engeren Sinne, d. i. toxische und traumatische Psychosen, oder 
seien es an sich progrediente Demenzprozesse —, sonach die Form 
der Psychose, vor allem abhängig von der Dauer und der Intensität 
und der Plötzlichkeit des Einsetzens, resp. von dem schleichenden 
Beginn der Hirnschädigung, gleichgiltig durch welche Schädlich¬ 
keit die Hirnschädigung selber erzeugt sei. 

So betont Bonhoeffer 1. c. S. 51: „Die Art der vorliegenden 
Infektionskrankheit hat, wie wir sehen, auf den Typus des psychischen 
Zustandsbildes keinen bestimmenden Einfluß, Dagegen sehen wir, daß 
die Intensität und Dauer der toxisch-infektiösen Schädigung, ebenso wie 
der allgemeine Kräftezustand einen sichtbaren Einfluß auf den Verlauf 
haben.“ Und ferner S. 123, 124: „Infektionskrankheiten, zur Erschöp¬ 
fung führende somatische Erkrankungen, Autointoxikationen — von den 
verschiedensten Organerkrankungen ausgehend, zeigen im Wesentlichen 
übereinstimmende psychische Schädigungen. . . Man ist von exogen 
psychischen Reaktionstypen zu sprechen berechtigt, denn auch die chro¬ 
nischen Intoxikationen, auch schwere Hirntraumen, Strangulationshy¬ 
perämien können übereinstimmende akute Bilder zeigen. Diese Reaktions¬ 
formen sind Delirien, epileptiforme Erregungen, Dämmerzustände, Hallu- 
zinosen, Amentiabilder bald mehr halluzinatorischen, bald mehr kata¬ 
tonischen, bald inkohärenten Charakters. Diesen Erscheinungsformen 
entsprechen bestimmte Verlaufstypen: kritischer oder lytischer Abfall, 
Entwicklung emotionell-hyperästhetischer Schwächezustände, amnestische 
Phasen von Korsakoffschem Typus, Steigerungen zum Delirium acutum 
und zum Meningismus.“ Endlich S. 125: „Bei den Verlaufsformcn 
haben wir den Einfluß des Alters und der Schwere der toxischen 
Schädigung von Bedeutung gesehen.“ 

Die Form dieser Psychosen ist sonach vor allem eine Funktion 
der Dauer und der Intensität, d. h. des mehr minder plötz¬ 
lichen, mehr minder starken und mehr minder langen Einwirkeus 
der Schädlichkeit auf das Gehirn —, komme nun diese Schädlich¬ 
keit aus welcher Quelle immer. Daß die Art der Schädigung nicht 
ganz ohne Einfluß ist und auch erkennbar ist, zeigt klar: die 
Diagnostizierbarkeit der alkoholistischen Psychosen, worauf Heil- 
bronner aufmerksam gemacht hat. 

Natürlich sind noch andere Umstände für die Form der so 
entstandenen Psychosen mitbestimmend. Von diesen interessiert uns 
hier nur ein Moment — eben der andere — und Hauptgegenstaud 
unserer Besprechung, die „Unruhe“. 

Die Ausdrucksform der Geisteskrankheiten ist nämlich augen¬ 
fällig verschieden, je nachdem ob Unruhe beigemischt ist oder 


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nicht. Dabei sei ganz abgesehen davon, daß wir oben die Unruhe 
selber als grundlegend für das Auftreten der Halluzination des 
Anrufes mit den eigenen Namen und für das Auftreten einer ge¬ 
wissen Form von Eigenbeziehung, d. i. des diffusen Beachtungswahns 
kennen gelernt haben. 

Die Unruhe nun kann selber wieder einfach ein Hirnschädi¬ 
gungssymptom sein und als solches auch selber von der Dauer und 
Intensität und von der Plötzlichkeit des Einsetzens der Hirn¬ 
schädigung abhängen. (Selbstverständlich ist dann als ein Hirn- 
sehädigungsprodukt die Unruhe auch von dem vorbestehenden 
Hirnzustande abhängig, z. B. vom Lebensalter. Man denke an die 
Differenz zwischen Kindern, Frauen, Männern und Greisen bezüg¬ 
lich der Unruhe.) 

Schwerste und perakute Hirnschädigungen führen zu Be¬ 
nommenheit, eventuell ohne Zeichen von Unruhe. Jedoch fällt auch 
diese nicht immer und nicht ganz aus, und tritt z. B. in der Form 
von Flockenlesen (Typhus), in Form von mussitierenden Delirien usw. 
in Erscheinung. Die Hauptdomäne der Unruhe ist dort, 
wo das Bewußtsein nicht ganz verschwindet, sondern 
nur mehr minder gestört, getrübt ist, also dort, wo 
dieHirnleistungnicht ganz sodarniederliegt: Delirium 
tremens, senile und arteriosklerotische Delirien, epileptische und 
traumatische Delirien bis zu gewissen furibunden Delirien des so¬ 
genannten Delirium acutum, welch letzteres mit höchster Unruhe 
bei einiger Orientierung und Auffassung der Vorgänge in der Um¬ 
gebung verlaufen kann. (In den symptomatischen Differenzen der 
Hirn schädigungsfolgen liegt ihre prognostische Bedeutung für die 
körperliche Grundkrankheit.) 

Gelegentlich kann die Unruhe auch auf einem Umwege 
Produkt der Hirnschädigung sein: nämlich durch einen Wegfall von 
Hemmungen. Dabei verstehe'ich unter „Hemmungen im allgemeinen“ 
nicht mehr als die Einschiebung verzögernder Momente zwischen 
einen Reiz beliebiger Art und die darauf bezügliche Reaktion beliebiger 
Art. Wegfall von Hemmungen kann nun zustande kommen durch 
Wegfall oder Verminderung der Klarheit, Besonnenheit und Über¬ 
legung, der Ordnung des Gedankenganges und der Reflexion, kurz der 
Einwirkung konkurrierender Vorstellungen, während bei deren Vor¬ 
handensein die Impulse (zu motorischen, sprachlichen, auch zu 
assoziativen Leistungen) nicht zur Entladung, eventuell auch nicht 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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einmal zum Bewußtsein kommen. Dieser Wegfall von Hemmungen 
dürfte für das Zustandekommen der Unruhe bei gewissen Verwirrt¬ 
heitszuständen, besonders aber bei manchen Demenzprozessen eine 
Rolle spielen, während ein anderer Teil der Unruhe der Dementen 
direkt den oben besprochenen akuten und subakuten „Hirnschädi¬ 
gungssyndromen u , d. b. hier mehr minder plötzlichen Exazerbationen 
und Schüben des sonst schleichend progredienten Krankheitspro¬ 
zesses auf Rechnung zu setzen ist. Vergleiche als Beispiel hiefür 
die Krankengeschichten der Presbyophrendeliranten 0. Fischers 
(welcher aber — nicht nur etwa wie ich die interkurrenten Hirn¬ 
schädigungssyndrome, d. s. die Delirien, den senilen Korsakoff, d. i. 
Presbyophrenie usw. als Verlaufsformen von der einfachen senilen 
Demenz abgrenzt —, sondern die „Presbyophrene Demenz“ als 
ein eigenartiges Krankheitsbild mit eigener anatomischer Grundlage 
und mit der anatomischen Nebenbezeichnung „Sphaerotrichia 
cerebralis“ aufstellt). 

Es kann sonach die Unruhe auf dem Umwege über den 
Wegfall von Hemmungen, z. B. bei einer chronischen Hirndestruktion, 
aus der Demenz entspringen, die Unruhe kann aber auch als eine 
Teilerscheinung der akuten und subakuten Hirnschädigungssyndrome 
direkt ein Produkt einsetzender oder exazerbierender Hirnschädigung 
darstellen und entspricht dann — wie die obigen Beispiele mir 
darzutun scheinen — meist einem mittleren Grade ein¬ 
setzender, und zwar häufiger plötzlich einsetzender 
Hirnschädigung. Dabei müssen wir uns aber klar sein, daß 
wir nicht wissen, wieso eine Hirnschädigung Unruhe schafft, und 
daß sich über das Wesen der von mir als Grundlage der akuten 
und subakuten Himschädigungssyndrome, der erworbenen psycho¬ 
tischen Konstitutionen und der Begleitpsychosen ganz allgemein 
supponierten „Hirnschädigung“ so gut wie gar nichts sagen läßt. 
Nur die Grenzen der Hirnschädigung lassen sich durch die Er¬ 
fahrung abstecken: Als den schwersten Grad chronischer Hirn¬ 
schädigung kennen wir — auch anatomisch begründet — die ganz 
stumpfe, tiefe Demenz; als den leichtesten Grad chronischer 
Hirnschädigung habe ich die erworbenen psychotischen Konstitutio¬ 
nen, die Charakterveränderung der beginnenden Demenzprozesse 
und der chronischen Intoxikationen, wie auch verschiedener körper¬ 
licher Eirankheiten (rein somatischer Krankheiten) gedeutet; als den 
schwersten Grad akuter Hirnschädigung kennen wir das Koma, die 


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a poplektische Trunkenheit, die Bewußtlosigkeit, die Benommenheit; als 
die leichtesten Grade den normalen Rausch, eine Erregung oder Denk- 
erschwerung und Apathie durch Erschöpfung, Fieber, Morphium usw. 

Zum Teil noch auf dasselbe Blatt wie die Unruhe der Hirn¬ 
schädigungssyndrome gehören die zirkulatorischen Unruhebilder. 
Auch diese entsprechen ja einer plötzlich einsetzenden mittleren 
Hirnschädigung, soweit sich dergleichen überhaupt gegeneinander 
abschätzen läßt. Diese zirkulatorischen Unruhebilder leiteu in flie¬ 
ßendem Übergange zu den vasoneurotischen Zustandsbildern über. 
Hier wäre aber die Annahme selbst einer bloß transitorischen zirku¬ 
latorischen Hirnschädigung nur mehr ein ungestützter Analogie¬ 
schluß. 

Gar nichts von Hirnschädigungeu aber wissen wir bei einer 
manischen Erregtheit, bei einer melancholischen ängstlichen Unruhe, 
bei der angstneurotischen Unruhe, bei der Fragesucht gewisser De¬ 
pressiver usw. 

Diese Unruhebilder können nicht olmeweiters als Hiruschädi- 
gungsfolgen bezeichnet werden. Sie sind einfach der Ausdruck ihrer 
Grundkrankheit und diese wieder ist der Ausdruck einer bestimmten 
angeborenen und als solche vererbbareu psychotischen (Hirn)konsti- 
tution. Ganz ähnliche psychotische Konstitutionen können zwar auch 
ohne direkt kenntliche Hirnkrankheit erworben werden, z. B. als 
Begleitstöruug körperlicher Krankheiten — Influenza, Tabes, Ba¬ 
sedow — oder sie können als Ausdruck von chronischen Intoxika¬ 
tionen — eventuell als deren einziger Ausdruck auf neurologischem 
und psyehopathologischem Gebiete — in Erscheinung treten, wie 
etwa eine (Jliarakterveränderuug im Sinne der Hysterie beim chro¬ 
nischen Alkoholismus; darüber vgl. z. B. Raimann (Wien). Wie 
wir sahen, können weiter die erworbenen psychotischen Konstitutionen 
auch im Verlaufe, besonders aber im Beginne von Demenzprozessen, 
auftreten und als Ausdruck schleichender und leichtester Hiruschä- 
diguugeu — welche neben anderen schwereren oder vorläufig allein 
ablaufen — aufgefaßt werden. Danach könnte man wohl zugeben: 
daß die erworbenen und die angeborenen psychotischen Konstitutionen 
einander gleichen einmal in ihrer Aus Irucksfonn d. i. in ihren beiden 
Grumltypeu — im manisch-depressiven und dem ueuropsychopathi- 
schen — und in den darauf basierten Psychoseubilderu — gehöre der 
betrellende Fall nun zu den konstitutionellen Psychosen oder zu 
den Begleitpsychosen; zweitens aber auch darin, daß den angeborenen 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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wie den erworbenen psychotischen Konstitutionen vielleicht ganz 
ähnliche Herabsetzungen der Rüstigkeit des Gehirnes (aus¬ 
gedrückt in erhöhter Reaktivität, gesteigerter Erschöpfbarkeit uud 
mangelhaftem Hemmungsmechanismus usw.) als Hirnanomalien 
leichtester Art zu Grunde liegen. Danach würden sich überhaupt 
alle Psychosen einfach nach dem Grade, nach der Dauer und der 
Art (Plötzlichkeit) des Einsetzens der Hirnschädigung richten. Auch 
die psychischen Unruheerscheinungen würden dann ganz allgemein 
etwa einem mittleren Grade der Hirnschädigung entsprechen. Bei 
den als leichteste, länger andauernde Hirnschädigung von mir 
angenommenen psychotischen Konstitutionen (angeborenen oder er¬ 
worbenen) bedürfte es noch eines zweiten Agens zur Erzeugung der 
Unruhe, nämlich der geistigen Inanspruchnahme (Arbeitsbelastung) 
oder der erhöhten Anregung durch körperliche und geistige Momente 
oder der Verstimmung, der Angst usw. 

Jedoch trotz alledem kann man die angeborenen psychotischen 
Konstitutionen nicht ohneweiters als „Hirnschädigung“ bezeichnen. 
Denn unter Hirnschädigung habe ich einen Vorgang verstanden 
und nicht einen Endzustand etwa eines intrauterinen Vorganges 
oder eines fötalen Entwicklungsvorganges (vgl. meine Arbeit: „De¬ 
menzprozesse und ihre Begleitpsychosen“). Dazu kommt noch, daß 
sich die Herabsetzung der Rüstigkeit des Gehirns, eben die all¬ 
gemeine Hirnschädigung durch die verschiedenartigen Noxen 
höchstens erschließen, aber nicht zeigen läßt. 

Sonach kann man die Unruhebilder der angeborenen psycho¬ 
tischen Konstitutionen und der auf ihnen beruhenden konstitutio¬ 
nellen Psychosen nicht ohneweiters als Hirnschädigungen bezeichnen. 
Man darf sie — wenigstens vorläufig — nicht der echten Hirnschä¬ 
digungsunruhe gleichsetzen, ebensowenig wie man berechtigt ist, der 
Hirnschädigungsunruhe gleichzustellen: den halluzinierten Xameus- 
anruf oder den echten Unruhebeachtungswahn oder etwa die Unruhe 
beim Zwerchfellhochstand. 

Wir müssen uns damit begnügen — ‘wenigstens vorläufig, 
solange die erworbenen und die angeborenen psychotischen Konstitu¬ 
tionen, die Begleitpsychosen und die konstitutionellen Psychosen 
nicht als Ausfluß der gleichen Hirnanomalie aufgezeigt sind —, 
die Unruhe verschiedener Fälle als verschiedenartig erzeugt, als die 
mögliche Folge heterogener Schädlichkeiten aufzufassen und fest¬ 
zuhalten: Die Unruhe kann eine Teilerscheinung der Hirnscliädi- 


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44 Dr. Max Löwy. 

gungssyndrome uud verwandter Himschädigungen sein, aber sie 
muß es nicht. 

Nun können die verschiedenen Unruheerscheinungen bei ein 
und demselben Fall auseinander hervorgehen. Auch schließen sich 
die Unruhesymptome verschiedener Fälle trotz der Möglichkeit 
differenter Herkunft der Unruhe bei den verschiedenen Fällen nach 
der sichtbaren oder zu supponierenden Intensität der Unruhe geordnet 
wie die Glieder einer Kette aneinander: 

Innere unbestimmte drängende Unruhe, unbestimmte Spannung 
oder Erwartung oder unbestimmte Angst, das Gefühl drohenden 
Unheils, eventuell mit Vorahnungen oder halluziniertem Namens¬ 
anruf oder mit Beachtungswahn oder mit allem zusammen. Auch 
Vielschreiberei mit mannigfachen unvollendeten Briefentwürfeu 
kann ein Unruhesymptom sein. Bei weiterer Steigerung der Unruhe 
findet sich ständiges unruhiges Hin- und Hergehen, ständige leb- 
hafts vom Betreffenden selber unbemerkte Gestikulationen, welche 
je nach dem Gedankengang wechseln oder während der ganzen 
Dauer des Zustandes in stereotyper Wiederholung ein und derselben 
Bewegung bestehen, z. B. Schnurrbartzupfen, Reiben und Kratzen 
am Kopf, Reiben und Kratzen an verschiedenen Körperstellen oder 
immer an derselben Körperstelle, stereotypes Greifen in der Luft, 
Murmeln unverständlicher oder unsiuniger, ja gelegentlich kataton 
anmutender Wortzusammenstellungen oder weiter an der Grenze 
des Bemerkens sich drängende und jagende — affektbelastete und 
dennoch undeutliche oder nicht affektuös betonte, aber durch 
Affekteinwirkung heraufgeführte Gedankenketten, Gedankenatmo¬ 
sphären und Gedankenbruchstücke oder wegen der psychischen 
Unruhe spontaue hemmungslose (nun durch die logische Elektion 
im Unbemerkten nicht mehr gehemmte) assoziative Anknüpfungen 
ideenflüchtiger oder inkohärenter Art (unsinnige Wortkombinationen, 
z. B. „rätselhafter Pflasterstein“, Reimen, Witzeln in Unruhe¬ 
zuständen) oder Assoziieren an sprachlich oder gedanklich Perse- 
verierendes, oder ein # einziger, einförmiger fast zwangsmäßig wieder¬ 
kehrender affektbelasteter Gedanke (vgl. hierüber meine Arbeit 
„Stereotype pseudokatatone Bewegungen“ Zeitschrift für die gesamte 
Neurologie un i Psychiatrie 1910 Originalb. I, Heft 3.) 

Es findet sich ferner bei Unruhe oder Angst gelegentlich eine 
abgehackte Sprache, die Wiederholung der letzten Worte des eigenen 
Satzes, die ratlose Frage: „Aber was jetzt“ wie ich glaube zum 


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Über eine Unruheerscbeinung ctc. 


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Teil als die Folge davon, daß die Konzentration und die ruhige 
Übersicht erschwert sind. Auch eine Art „Heißhunger“, der Drang 
„aus Nervosität“ des öfteren etwas zu sich zu nehmen (vgl. unten 
bei Hoc he), kommt als Folge von Unruhe vor. Ähnlich genehmigen 
manche Frauen aus Unruhe einen Likör. 

Länger dauernde Unruhe steigert sich häufig zu dauernd un¬ 
ruhigem Schlaf, ängstlichen Träumen und gänzlicher Schlaflosigkeit. 
Als die höheren Grade der Unruhe kennen wir die nächtlichen 
Delirien oder Erregungszustände mit ziel- und zweckloser Unruhe, 
Zerwühlen des Bettzeuges, Ausdembettdrängen, Mitfortdrängen, 
Zusammenraffen der Kleider, des Bettzeuges, mit der Erscheinung 
des Reisefertigandertürstehens. Besonders deutlich werden diese 
höheren Grade der Stufenleiter bei den Presbyophrendeliranten 
0. Fischers. (Vielleicht gehört auch das von Hoche treffend 
so charakterisierte „provisorisch“ Ambettrandsitzen oder -liegen 
der Angstkranken zu den Unruheerscheinungen). 

In den höchsten Graden steigert sich die Unruhe bis zum 
ständigen Nesteln an den Kleidern, am Bettzeug, zum Zerreißen 
der Kleider, des Bettzeuges, zum zwecklosen Entkleiden und zum 
Kotschmieren, endlich zu einem ganz unsinnigen Bewegungsdrang, 
eventuell bis zu voller sprachlicher Inkobärenz, unaufhörlichem 
Lallen paraphasischer Form und zu schwersten Jaktationen. 
Vielleicht reiht sich hier auch das von Heilbronner als cha¬ 
rakteristisch erkannte unaufhörliche stereotype und individuell 
konstante Brüllen mancher pathologischer Räusche an. (Diesem 
Brüllen aus motorischem Drange verwandt ist wohl auch die Bitte 
eines betrunkenen Studenten an seine ihn heimführenden Be¬ 
gleiter: „Jetzt laßt mich einmal ordentlich aufbrüllen.“) 

Eine ähnliche Stufenleiter finden wir in der Schilderung der 
Angst; — die Angst hat ja vielfache Berührungspunkte mit der 
„Unruhe“, wie auch mit manchen anderen von den oben bei der 
Besprechung des halluzinierten Namensanrufes angezogenen Punkten. 
Jedoch will ich hier auf eine Diskussion dieser verschiedenen Be¬ 
rührungspunkte nicht eingehen, sondern nur das Einschlägige an¬ 
führen, indem ich hier der höchst übersichtlichen Darstellung 
Hoch es folge (Verhandlungen der Gesellschaft deutscher Nerven¬ 
ärzte, 4. Jahresversammlung Berlin, 6.-8. Oktober 1910. Korreferat 
Ho che-Freiburg „Pathologie und Therapie der nervösen Angstzu¬ 
stände“) und noch einiges von anderen Autoren Stammende heranziehe. 


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Hoc he hebt S. 194 hervor: „daß die Angst auch als ausschlie߬ 
lich subjektiver Zustand, ohne auf etwas Äußeres bezogen zu werden, 
Vorkommen kann und in sich quantitativ veränderlich ist, ohne etwas 
anderes zu werden“ — und betont, daß man das innerliche Wesen der 
Angst niemandem durch Beschreibung übermitteln kann, wie das für 
alle spezifischen Gemeingefühle gilt, und sie nur durch eigenes Erleben 
kennen lernen kann, so daß alle Definitionen bei dieser Sachlage nur 
ein logisches Gehäuse geben können. Er faßt die Angst (S. 195) auf: 
„als einen gespannten Unlustaffekt der Erwartung plus körperlichen 
Empfindungen, die so spezifisch sind, wie die Sinneseindrücke von grün 
oder rot. Die körperlichen Sensationen, die der eigentlichen Angst ihr 
Gepräge geben, finden wir unter Umständen in reinster Form, in dem, 
was wir Beklommenheit nennen.“ 

„Angst bei Geistesgesunden (S. 196) wird erzeugt: durch Gifte 
(Kaffee, Nikotin, Schlangenbiß, Tollwut), mechanische Behinderung der 
Atmung, Störungen des Kreislaufs, organische Herzveränderung, Reizung 
der serösen Häute, soweit sie dem mittleren Keimblatt entstammen 
(Stransky), zentrale Erkrankungen des Nervensystems (Bulbus-, spez. 
Vagusaffektionen)Hiezu S. 200: „Die höchsten Grade der körperlich 
bedingten Angst finden wir ja gerade beim Bronchialasthma und bei 
Arteriosklerose des Herzens. Wir haben darnach Anlaß zu der Annahme, 
daß die Überladung des Blutes mit Kohlensäure die Haupterzcugeriu 
der Angst ist (aber ihre Rolle dabei ist keineswegs klargestellt).“ 
Iloche unterscheidet (S. 196) zwei Entstchungsarten der Angst: „eine 
toxische und eine reflektorische Art der Entstehung. Die meisten Fälle 
von scheinbar mechanischer Entstehung der Angst sind auch durch Ver¬ 
mittlung der Kohlensäurevergiftung toxisch veranlaßt.“ S. 196 und 197 
folgt ein Hinweis auf die Erstickungsangst und auf die Verniclitungs- 
nngst, ferner auf die auf psychischem Wege durch Umdeutung körper¬ 
licher Sensationen hervorgehende Angst: „Ähnlich, wie uns gelegentlich 
ein kalter Schauer als ein dem Furchtgefühle nahe verwandter Zustand 
zu Bewußtsein kommt, haben es sehr viele Menschen erlebt, daß sie 
unter Umständen die Sensationen, welche durch rasches Treppensteigen 
erzeugt werden, nicht zu unterscheiden vermochten von der beklommenen 
Empfindung vor einer ihrer harrenden wichtigen Entscheidung. Unter 
Handlungsreisenden existiert für diese Mischempfindung vor der Türe 
eventuell ungastlicher Kunden die besondere Bezeichnung „Klinken¬ 
fieber“. Jedem Arzt ist die Erzeugung von Angst durch Umdeutung 
beklemmender Organempfindungen, bei Luftansammlung im Darme oder 
bei Hyperazidität des Magens geläufig 1 >• 

! ) ln dieser Sitzung, in der Diskussion zu Hoch es Vortrag, habe 
ich (len halluzinierten Nameusanruf mit und ohne Eigenbeziehung auf 
einen der objektlosen, Angst verwandten Gemütszustand zurückgeführt 
und als eine von dessen Ausdrucksforraen bezeichnet. Unter Anführung 
des oben besprochenen Grundgesetzes der Wahnideen und Halluzinationen 
habe ich als ätiologische Momente des halluzinierten Namensanrufea an- 


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Über eine Unruheerscheinung ctc. 


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S. 197 führt Hoc he bezüglich der psychisch abnormen Zustände 
(abgesehen von den Phobien und Zwangszustftnden) aus: „Angst finden 
wir im übrigen bei heilbaren und unheilbaren, bei organisch bedingten 
und funktionellen Störungen, bei erhaltener und gestörter Besonnenheit, 
bei hellem und getrübtem Bewußtsein. Zwei große Gruppen lassen sich 
im groben unterscheiden: Die Angst, verbunden mit depressiven Vor¬ 
stellungen melancholischer oder hypochondrischer Art, uud die Angst, 
verbunden mit Sinnestäuschungen und Bewußtseinstrübung. Zu jener 
Gruppe würden gehören die Angstzuständo bei Neurasthenie, Hy¬ 
sterie, Melancholie und bei den hypochondrischen Epi¬ 
soden der Dementia praecox und der progressiven Para¬ 
lyse. Zur zweiten Gruppe stellen das Hauptkontingent 
sämtliche Delirien (gleichviel welcher Herkunft, mit 
Bevorzugung der alkoholistisclien). epileptische Zu¬ 
stände und akute halluzinatorische Psychosen.“ 

S. 197 und 198 faßt Hoc he mit Recht „die Angst auch des 
Delirium tremens nicht als Folge der Halluzinationen auf, sondern als 
ein den Sinnestäuschungen koordiniertes und eng mit ihnen verkuppeltes 
Symptom, in ähnlicher Weise, wie dies für das gegenseitige Verhältnis 
von Sinnestäuschungen und entsprechend gerichteten Wahnideen gilt. 
DieAngst rangiert als selbständiges Eie mentarsymptom 
neben anderen. Aus krankhaften, wenn auch ihrem Wesen 
nach unbekannten inneren Gründen (Veränderungen des 
Gehirnzustandes) erwächst das Gefühl der Angst, die 
als vollwichtiger und volle Realität besitzender sub¬ 
jektiver Zustand bewußt wird und nach dem allgemeinen 
Grundgesetze der psychi schen Projektion in der Regel, 
wenn auch nicht immer sogleich, auf irgend etwas be¬ 
zogen wird. In gleicher Weise, wie dies für den Unterschied von 
Sinneswahrnehmungen und Sinnestäuschungen gilt, wird die physiologische 
und pathologische Angst nur durch den Umstand des vorhandenen, zu¬ 
reichenden oder fehlenden oder ungenügenden Anlasses unterschieden. 
Anlaß in diesem Sinne können auch Vorstellungen abgeben (z. B. durch 
abendliche Lektüre erzeugte Gespensterangst bei Geistesgesunden). 
Gerade dieses Beispiel zeigt im übrigen, daß bei lebhafter Angst auch 
Geistesgesundcr, ebenso wie in krankhaften Zuständen die Wahrschein¬ 
lichkeit ignoriert wird und die vernünftige Einsicht vor dem Affekt 
die Waffen streckt“. 

Bezüglich der uns hier besonders interessierenden 
Stufenleiter der Angst findet sich bei Hoche S. 198: „Die 
leichtesten Grade der Angst, die für das Studium derselben am dank¬ 
barsten sind, finden wir bei psychopathisch-disponierten Persönlichkeiten 

geführt: Vasoneurotischc Störungen, C0 2 - Intoxikation ( Brunnenkrise), 
Darmentleerungsstörungen, Phrenokardie, Zwerchfellhochstand, Klimak¬ 
terium, psychische Traumen, gewisse dyshuinorale (innersekretorische) 
Störungen und exzessives Rauchen. 


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als außerordentlich häufige Erscheinung. Objektlose oder in wechselnder 
Weise auf dieses und jenes bezogene Angst, beklommene Stimmungen 
siud dabei nicht selten abhängig vom Barometerstand, Tageszeit (Däm¬ 
merung), Windrichtung (Föhn), auch von der Himmelsbedeckung, Land¬ 
schaft (Meer, Hochgebirge); zum Teil handelt es sich dabei um Persön¬ 
lichkeiten, die überhaupt leicht periodische Schwankungen nach der 
depressiven Seite aufweisen. Solche Kranke kennen häufig ihren eigenen 
Angsttypus selber ganz genau und vermeiden wenn möglich etwa auf 
Reisen in die erfahrungsgemäß die Angst auslösende Situation zu kommen 
oder wenigstens in ihr allein zu sein. Sie sprechen in der ruhigen 
Zwischenzeit von ihrer Angst, wie etwa andere Patienten von ihrer 
Migräne.“ Diese leichteste Form der Angst tritt auch in allerhand Ver¬ 
kleidungen auf (Hecker), z. B. in Gestalt von Sehnsucht, Heimweh, 
Ratlosigkeit, schwer zu beschreibendem Gefühl von Fremdsein 1 ), „Anders¬ 
sein“ l ) f auch Heißhunger. 

Für unser Thema wichtig ist aus Hoch es Ausführungen weiter: 
„Eine besondere, in manchen psychopathischen Familien erbliche Form 
der Angstverkleidung sind die Ahnungen, die gelegentlich so häufig 
auftreten, daß sie ab und zu auch einmal eintreffen, manchmal zur 
paradox wirkenden Befriedigung der von ihrer Umgebung verspotteten 
Patienten. Es sind Persönlichkeiten, für die das Goethewort gilt: „Du 
fürchtest alles, was nicht trifft.“ a ) 

„Schopenhauer beschreibt von sich selber den subjektiven 
Zustand dieser vorahnenden Erwartung, die ihn bei jedem Klopfen 
an der Türe fürchten ließ, „jetzt kommt es“. Unter Umständen ist bei 
solchen Menschen die Angst ein Dauerzustand, bei dem nur das 
Objekt wechselt, in ähnlicher Weise wie uns im Traume eine atmungs- 
behindemde Körperstellung eine Angstsituation nach der andern erleben 
läßt. Es ist für die prinzipielle Betrachtung nicht unwichtig zu be- 
aehten, daß alle diese Zustände und Formen der Angst ohne jede Ver¬ 
mengung mit Phobien und Zwangsphänomenen vorhanden sein können.“ 

] ) Ich habe die Erscheinungen des Fremdseins, des Andersseins 
auf Störungen verschiedener Aktionsgefühle zurückgeführt, welche das psy¬ 
chische Tätigsein und dessen verschiedene Arten — Denken, Wahrnehmen, 
Fühlen, Handeln — begleiten. „Die Aktionsgefühlc, ein Depersonali¬ 
sationsfall als Beitrag zur Psychologie des Aktivitätsgefühles,“ Prager 
med. Wochenschrift 1908, Nr. 32. Ein solcher totaler oder partieller 
(auf bestimmte Formen des psychischen Tätigseins beschränkter) Verlust 
der Aktionsgefühle kommt unter verschiedenen, darunter auch affektuösen 
Einwirkungen zustande. 

3 ) Ich habe in der erwähnten Aktionsgefühlsarbeit gewisse „pro¬ 
phetische Briefe“ und „prophetische Träume“ der dort geschilderten 
Patientin außer in Störungen der Aktionsgefühle in der unterschwelligen 
„Feinhörigkeit“ der Nervösen bezüglich der Stellung ihrer Umgebung 
zu ihnen begründet gefunden. Darin liegt ein Moment, welches beim 
Zutreffen von Ahnungen Berücksichtigung verdient. 


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Über eino Unruheerscheinung etc. 


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„Von diesen leichtesten Graden führen nun quantitative 
Steigerungen bis zu den höchsten Zuständen der Angst, die, wenn sie 
anfallsweise und mit Aufhebung der Besonnenheit auftreten, auch als 
„Angstraptus“ bezeichnet werden. Ob die Angst als solche auch in der 
Lage ist, einen Zustand von Stupor zu erzeugen, oder ob das zweifel¬ 
lose Vorkommen desselben eine koordinierte Erscheinung darstellt, mag 
dahingestellt bleiben. . . von besonderem theoretischen Interesse ist das 
nicht selten paroxysmelle Auftreten der Angst neben Vaguserscheinungen, 
namentlich auch im Verlaufe der progressiven Paralyse.“ 

„Bezüglich der körperlichen Wirkungen der Angst, auch der rein 
psychischen (durch objektiv zureichenden Anlaß ausgelösten) Angst ver¬ 
weist Ho che S. 200 auf die Erscheinungen des Zitterns, der Blässe, 
der Pulsbeschleunigung, des Schwächegefühles, der heiseren Stimme, der 
Urinvermehrung, der vermehrten Darmperistaltik, auf die Pupillenerwei¬ 
terung, auf das Schwitzen besonders bei der Angst der Alkoholisten, 
auf das Auftreten von Pollutionen, auf die Hemmung der Absonderun¬ 
gen: Speichel, Milch, Menses.“ Weiter betont Ho che die Verflachung 
des Atmens, wenn auch häufig mit einer besonderen Disposition zu 
periodisch auftretender Vertiefung („Seufzen“), die keineswegs immer 
eine Erleichterung des Angstgefühles zu bringen pflegt. Im ganzen hat 
er den Eindruck, daß bei psychisch bedingter Angst die Atmung trotz 
ihrer Frequenz ungenügend bleibt. Auch fiel ihm bei zahlreichen Hin¬ 
richtungen, denen er beiwohnte, die eigentümliche Zyanose der Delin¬ 
quenten auf, also unter Umständen, unter denen bei körperlich und 
geistig gesunden Menschen die höchsten Grade der Angst hervor¬ 
gerufen werden. 

Bezüglich der Wirkung der Angst im psychischen 
Mechanismus betont Hoche S. 200, 201, „daß sie wie alle 
Affekte eine elektive Wirkung auf das Seelenleben ausübt und die ihr 
adäquaten oder parallel gehenden Vorstellungen anzieht und um sich 
konzentriert. Man sieht dabei diese Vorgänge sich nicht selten vor den 
Augen des Arztes abspielen, indem eine ursprünglich objektlose Angst 
allmählich mit Vorstellungsinhalt gefüllt wird, manchmal in sehr durch¬ 
sichtiger Weise in Gestalt einer regelmäßigen Tageskurve, so daß bei¬ 
spielsweise morgens ein ruhigerer Zustand mit Krankheitseinsicht vor¬ 
handen ist, während gegen den Abend der Angsteffekt ansteigt und 
gleichzeitig ängstliche Wahnvorstellungen deutlich werden. 

Den größten Einfluß übt die Angst auf die Besonnenheit aus, die 
auch bei Willensstärken und intellektuell hochstehenden Personen unter 
dem Einfluß hoher Grade der Angst vollkommen verschwinden kann. 1 ) 
Ein spezifischer Zusammenhang besteht zwischen dem Angsteffekt und 
den psychomotorischen Innervationen. Bekannt ist ja die motorische 

A ) Vgl. hierzu in Abteilung II: Fälle mit „Gedankenleere“ bei 
Unruhe, ferner oben Bemerkungen zur Erklärung von Denkstörungen 
durch Unruhe aus meiner Arbeit „Stereotype pseudokatatone Bewe¬ 
gungen etc“. 

JahrbUcber für P»ychiatrie. XXXIII. Bd. 4 


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Unruhe aller ängstlich erregten Kranken, die, für das Bewußtsein des 
Patienten, durch die körperlichen Sensationen gefordert wird.“ „Ich 
habe dabei weniger die häufigeren Lokalisationen des Angstgefühles 
(Präkordien, Bauch, Hals, Kopf, sehr viel seltener Lumbalgegend) im 
Auge, als die unangenehmen Empfindungen in den Extremitäten, die 
ähnlich wie bei der nächtlichen Unruhe der Paralysis agitans zu fort¬ 
währendem Lagewechsel oder auch zum Umherlaufen, Nesteln usw. 
drängen.“ *) 

„Schon in der Haltung kann man“, fährt Ho che fort, „bei 
einem Gang über eine psychiatrische Abteilung oft die Angstkranken 
erkennen, die wie auf dem Sprung am äußersten Rand des Bettes 
liegen oder Bchon halb draußen sind. Bei vielen Kranken, die darüber 
Auskunft geben können, hört man von dem intensiven Drange, sich 
selber in diesem Zustande zu entfliehen und durch irgendwelche sekun¬ 
däre Hilfsmittel sich Erleichterung zu verschaffen. Die Trübung der 
Besonnenheit und des ruhigen Urteils in der Angst zeigt sich dabei 
besonders in der Verkennung der Möglichkeiten der Erleichterung, wenn 
z. B. der Kranke mit psychisch bedingter Angst Erleichterung 
durch Öffnen des Fensters sucht, oder noch charakteristischer in 
dem Beispiele des Klinikers, der jahrelang ein ihm sehr wohl bekanntes 
Aneurysma der Aorta mit sich herumtrug und als es platzte, in der 
Angst des nahenden Endes von seinem Assistenten die Tracheotomie 
verlangte. Der Drang, sich selber zu entfliehen, führt in einem stärkeren 
Grade direkt zum Selbstmord, auch hier oft in paradoxer Weise, wenn 
z. B. zum Tode Verurteilte sich vor der Hinrichtung selber töten oder 
sich zu töten versuchen, um dem Zustand der Angst zu entfliehen. Die 
starke Einengung des Bewußtseins durch den Angsteffekt, die psychische 
Analgesie ist cs, die solche höchstgradig geängstigte Menschen zu jedem 
beliebigen Mittel der Selbsttötung greifen läßt. Angst mit hypochon¬ 
drischen Sensationen disponiert zur Selbstverstümmelung. Angst mit 
Sinnestäuschungen und Bewußtseinstrübung bedingt ganz besondere 
Gefährlichkeit gegen Dritte.“ 


l ) Vgl. die Schilderung einzelner einschlägiger Fälle in Abt. II. 
Hiezu paßt ferner der Hinweis von Kraepelin (Psychiatrie 1909, 
Bd. I, S. 373—374), daß Herabsetzung der eindämmenden Macht der 
Hemmungen und die Erleichterung der Auslösung von Willensantrieben 
in geringem Grade schon für jede psychomotorische Tätigkeit gilt: 
„durch fortgesetzte Ausführung von Bewegungen geraten wir in eine 
gewisse Erregung, die eine Verringerung der Hemmungen bedeutet. An¬ 
schließend folgt ein Hinweis auf die überraschenden Erfolge der Bett¬ 
behandlung der unruhigen Kranken gegenüber dem Austoben.“ Wohl 
im gleichen Sinne empfiehlt auch Hoche S. 203 zur Therapie höherer 
Grade von Angst Skopolamin nicht nur in narkotischen, sondern in 
mittleren Dosen zwecks Beseitigung der motorischen Unruhe in den 
Nachtstunden. 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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S. 202. „Kranke mit starker Angst empfinden häufig, in einem 
Zustande konzentrierter Reizbarkeit, jedes Befragen und jede Form des 
Befassens mit ihrer Person als eine unwillkommene Steigerung ihrer 
unangenehmen inneren Situation und tun alles, um nach außen hin sich 
die Angst nicht anmerken zu lassen. Schon die alten Irrenärzte warnten 
vor der Täuschung durch das lächelnde Gesicht oder das künstlich an¬ 
geregte viele Sprechen bei ängstlicher Depression. Gerade das „ Kon¬ 
versationmachen “ ist bei Gebildeten ein bereitliegendes Decksehild in 
solchen Zuständen. Der verstorbene Kainz brachte in dieser Richtung 
in seiner Darstellung des Hamlet eine sehr wirksame und psychologisch 
durchaus richtige Nuance, wenn er (1. Akt, Szene 4) in der Erwartung 
des Geistes seines Vaters auf der Schloßterrasse eine lange theoretische 
Auseinandersetzung in der Weise sprach, daß man die tiefe innere 
ängstliche Spannung vor dem Kommenden durch die konventionell ge¬ 
haltenen Wortfolgen hindurch hörte.“ 

Bezüglich der Diagnose der hysterischen Angst verweist Hoche 
S. 2ü2 auf die Lokalisation der Angstsensationen in den Hals (Globus¬ 
beschreibung), auf die besondere dramatische Gestaltung der Angst¬ 
äußerungen und auf ein mehrfach von Hoche beobachtetes Mißver¬ 
hältnis zwischen Puls und Atmung, wobei die Pulsfrequenz der Höhe 
der Atemfrequenz nicht entfernt folgte. „Am charakteristischesten, wenn 
auch keineswegs immer vorhanden, ist dio Leichtigkeit, mit der bei 
hysterischer Angst halluzinatorische Szenen erlebt werden oder ein Ver¬ 
sinken in Dämmerzustand eintritt. Im übrigen gibt die Leichtigkeit des 
Eintretens, event. die Leichtigkeit der therapeutischen Beeinflussung den 
Hinweis auf den hysterischen Charakter der Angst.“ 

Der Hauptreferent H. Oppenheim: „Pathologie und Therapie 
der nervösen Angstzustände,“ Verhandlungen der Gesellschaft deutscher 
Nervenärzte 1910, gibt der Überzeugung Ausdruck, daß die Angst bei 
einem großen Teil der neuropathischen Kranken (mit Phobien, Erwar¬ 
tungsneurosen und Zwangszuständen) eine körperliche, beziehungsweise 
nicht nur im Psychischen wurzelnde Grundlage hat, daß sie bei 
ihnen auf einer ungewöhnlichen Reaktion des vasomo¬ 
torischen, bzw. kardiovaskulären, viszeralen und sekre¬ 
torischen Nervensystems aufVorstellungen und Sinnes¬ 
eindrücke beruht. 

„Es gibt eine rein körperlich ausgelöste Angst, z. B. bei schweren 
Herzaffektionen auf der Höhe eines stenokardischen Anfalls.“ 

„Bei einem sehr großen Teile der an Phobien leidenden Person 
finden sich Zeichen einer angeborenen Schwäche, bzw. erhöhten Labilität 
der vasomotorisch-viszeralen Nervenapparate, u. zw. Neigung zu Tachy¬ 
kardie, Arythmia cordis, Pseudoangina pectoris, lokaler Synkope, Hyper- 
hydrosis, Polyurie, Glykosurie, Kongestionen, nervöser Diarrhöe, Urtikaria, 
spontanen Suggilationen, Erythema angioneuroticum, Ödem etc. Und 
diese Erscheinungen werden nicht etwa nur psychisch ausgelöst, sondern 
entstehen auch spontan oder reflektorisch, z. B. auf Hautreize, Kfiltc- 

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reize, vom Magen aus. tt (Folgt noch ein Hinweis auf die vasomotorische 
Form der Neurasthenie im allgemeinen .) l ) 

Nach Oppenheim 8. 188 n steckt in der Angst ein psychisches 
und ein physisches Element. Es gibt pathologische Angstzustände, die 
sich nur auf ersterem Gebiete abspielen. Häufiger sind die Formen, in 
denen die wesentliche Grundlage der Phobie in einer krankhaft gestei¬ 
gerten Erregbarkeit der vasomotorisch-sekretorisch-viszeralen Nerven- 
zentren zu suchen ist. (Hinweis auf Roller 1880, Zeitschrift für 
Psychiatrie, und Bonnier.) Wenn diese (sc. Zentren) auch meist eines 
besonderen psychischen (kortikalen) Reizes bedürfen, um in dem Maße 
und in der Weise in Aktion zu geraten, daß der Angstaffekt zustande 
kommt, so ist das Pathologische doch nicht in dem psychischen Vor¬ 
gänge an sich enthalten, sondern darin, daß er die tieferen Zentren in 

l ) Die Anlage für die Angst und Unruhe ist nicht die einzige 
Form der Psychopathie, welche Beziehungen zur vasoneurotischen Kon¬ 
stitution hat. Das zeigt meine Feststellung der Affektkonstitution beim 
echten Querulantenwahn. Dieser ist meiner Anschauung nach eine 
Psychose aus unerledigtem, nach Entladung drängendem Affekt. Seine 
Affektkonstitution besteht in gesteigerter affektuöser Ansprechbarkeit, 
hohem Affektausschlag, starker Nachwirkung der Affekte und starkem 
Drang nach Entladung derselben. Das ist aber eine Affektkonstitution, 
welche sich auch ohne Qucruiantenwahn sehr häufig bei Vasoneurotikem 
findet. (Siehe meine Arbeit: Beitrag zur Lehre vom Querulantenwahn, 
Gaupps Zentralblatt für Neurologie und Psychiatrie 1910, 1. Märzheft, 
S. 82, 92, 93, 96.) Auch in der Hysterielehre lösen sich viele Wider¬ 
sprüche, wenn man beachtet: Es gibt Symptome, welche sowohl psychogen 
als ideogen sind, d. h. sie entstammen affektuösen Einwirkungen und 
entstehen auf dem Wege von bewußten Vorstellungen und von mehr 
minder unterbewußten Gedankengängen, beides vom unerledigten Affekt 
getragen (nach Freuds Konversionslehre). Aber es gibt auch Symptome, 
welche wohl psychogen sind, aber nicht ideogen. Sie entstammen wohl 
affektuösen Einwirkungen, entstehen aber nicht auf dem Umwege durch¬ 
gehender Gedankengänge, sondern durch die physiologischen, die körper¬ 
lichen Symptome der Affekte. Die Krankhaftigkeit dieser psychogen 
ausgelösten, aber nicht ideogenen, sondern physiogenen pathologischen 
Reaktionen beruht auf der krankhaften Affektkonstitution und auf der 
vasoneurotischen Konstitution Hysterischer, welche Konstitutionen nach 
dem Obigen sich zum Teil decken. Denn die Leichtigkeit des Wechsels 
in der Gefäßfüllung, die Labilität des Zirkulationsgleichgewichtes, etc. 
wirkt nach zwei Seiten: Auf psychische Einwirkungen (Vorstellungen, 
Affekte) hin entstehen auffallende körperliche Reaktionen. Anderseits 
machen verschiedenartige körperliche Reize übermäßige Reaktionen des 
Zirkulationssystems und weiter liefern die so entstandenen Zirkulations¬ 
störungen und Sensationen ihrerseits objektlose Unruhe und Angst etc., 
welche sich dann mit entsprechenden Gedankengängen erst sekundär 
assoziiert. 


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Über eine Unruheersckeimmg etc. 


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Erregimg versetzt, bzw. ein zu lebhaftes Spiel derselben bedingt. Und 
für dieses ist wiederum die abnorm starke Erregbarkeit dieser Zentren 
verantwortlich zu machen, die sich auch nichtpsychischen Reizen gegen¬ 
über äußert. Ich erinnere an die bei den Neuropathen häufig bestehende 
Idiosynkrasie gegen Gifte, Nahrungsmittel (Erdbeeren-Urticaria .usw.), 
an die durch Tätigkeit häufig hervorgernfene Tachykardie, an die auf 
Hautreize erfolgende vasomotorische Reaktion (Demographie, Kälte¬ 
ischämie, bzw. lokale Synkope usw.). 

So erklärt es sich auch, daß Angstzustände bei diesen Patienten 
zuweilen spontan, d. h. ohne durch entsprechende Vorstellungen geweckt 
zu sein und gelegentlich selb'st reflektorisch, z. B. bei Überfüllung des 
Magens, bei Obstipation und Flatulenz auf treten.“ 

Diese Feststellungen Hoches und Oppenheims stecken im 
Zusammenhalt mit meinen vorausgeschickten Ausführungen ungefähr 
das Gebiet der Zeichen und Ursachen der Angst und der Unruhe 
ab. Daher sind sie zwecks Schilderung der Unruhebilder hier so 
ausführlich wiedergegeben. 

Ich bin mir voll bewußt, hier ganz Heterogenes zu Vergleichs¬ 
zwecken zusammengezogen zu haben. Doch halte ich das für keinen 
Fehler, solange man sich des Trennenden dauernd bewußt bleibt. 
Man kann dann mit vertiefter Erkenntnis — weil um die Kenntnis 
einer Gemeinsamkeit, hier der Unruhe, ihrer Ursachen und Folge¬ 
erscheinungen, — bereichert, das nicht Zusammengehörige wieder 
auseinanderlegen. 

Es wird dadurch klar, daß eine Grunderscheinung — als solche 
sehe ich die Unruhe an — fast durch die ganze Keihe nervöser 
und psychischer Krankheitsbilder mehr minder deutlich und ähnlich 
bindurchklingt. (Daß sie trotzdem bei Fällen der gleichen Krank¬ 
heiten fehlen kann, braucht nicht eigens betont zu werden.) 

Nun sind wir gewohnt, bei Geisteskranken jene Krankheits¬ 
zeichen, welche für die Erkennung und Abgrenzung des einzelnen 
Krankheitsbildes von entscheidender Bedeutung sind, mehr und ge¬ 
nauer zu beachten, als die übrigen, durch die verschiedenen Krank- 
heitsformen durchgehenden Züge. Aber gerade diese durchgehenden 
Züge sind von großer theoretischer Bedeutung und die Beachtung 
ihrer Modifikationen bei verschiedenen Krankheiten ist auch von 
differentialdiagnostischem Wert. So behauptet z. B. von alters her 
der Volksmund: „am Lachen erkennt man den Narren,“ und in 
der Tat hat das alberne Lachen der Dementia praecox und des 
normalen Backfischalters, das brüllende Lachen gewisser Paralytiker, 


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Dr. Max Löwy. 


das kindische Lächeln der Imbezillen, das ratlose gewisser Seniler 
usw. einen diagnostischen Wert. 

In diesem Sinne, d. i. mit der Bedeutung eines durchgehenden 
Grundzuges der Psychosen, halte ich die „Unruhe“ einer gesonderten 
Beachtung wert. Auch geht die Unruhe bei den verschiedenen 
Krankheiten in ihrer Herkunft, wie auch in ihrer Ausdrucksform, d. h. 
in ihren Folgeerscheinungen event. eigene Wege und modifiziert 
so selber das Krankheitsbild, dem sie angehört. Die Unruhe hat 
also in der Gestaltung der Psychosen eine bedeutsame und zum 
Teil recht selbständige Rolle. Es ist demnach nicht ganz unberechtigt, 
im Sinne der allgemeinen Psychiatrie von „Unruhebildern“ zu sprechen, 
wobei diese natürlich keine eigenen „Krankheiten“ darstellen, sondern 
ähnliche Ausdrucksformen der verschiedensten Krankheiten sind. 

E. 

Literatur des halluzinierten Nameusanrufes. 

Eine ausdrückliche Würdigung oder Hervorhebung des hallu¬ 
zinierten Namensanrufes als einer Besonderheit in der Reihe der 
Halluzinationen mit Eingehen in seine Grundlagen und mit etwaigen 
Schlußfolgerungen daraus ist mir in der Literatur nicht unter¬ 
gekommen. 

Doch finde ich ihn gelegentlich erwähnt und möchte das 
Einschlägige anführen (überdies sollen auch sonst noch Bemerkungen 
der herangezogenen Autoren, welche mit verschiedenen der oben 
angezogenen Punkte Berührungspunkte haben, ohne ausführliche 
Diskussion angeführt werden). 

Döllken (Leipzig; „Über Halluzinationen und Gedankenlaut- 
wcrden u , Archiv f. Psychiatrie, Bd. 44, Heft 2, S. 425—451, berichtet 
S. 430, 431: „Ein 33 jähriger Patient von akustisch-visuellem Misch¬ 
typus konnte von jeher abends im Bette bei fehlendem äußeren Reiz 
beliebige Personen und Szenen als lebende Bilder sehen. Nach Theater¬ 
vorstellungen u. dgl. zogen auch ohne sein Zutun die Szenen noch ein¬ 
mal an ihm vorüber, genau so plastisch, scharf und farbig wie vorher 
im Theater. Besonders lebhaft waren die Visionen vor einigen Jahren, 
als er im Geschäft seine Augen stärker anstrengen mußte. Die Unter¬ 
suchung ergab eine Hyperopie mäßigen Grades. Als er dann bei der 
Arbeit eine Brille trug, hörten die nächtlichen Spontanvisionen sofort 
auf. Die Fähigkeit, durch Aufmerksamkeitsspannung Halluzinationen zu 
erzeugen, blieb unverändert. 

Seit etwa 1003 erscheinen ihm, wenn er Gemütsbewegungen gehabt 
hat, abends im Bette die Köpfe der Leute, mit denen er tagsüber zu 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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tun hatte. Ungefähr 1904 linksseitiger Ohrenkatarrh, der chronisch wird. 
Einige Zeit nachher begannen die halluzinierten Köpfe und Personen zu 
sprechen, die Stimmen waren sehr laut und wurden nur auf dem linken 
Ohre gehört. 

Im April 1907 starke Aufregungen über die Frau. Nun sah er 
acht Tage jeden Abend im Bette die Köpfe stundenlang und hörte 
auf dem linken Ohre sie laut Verse rezitieren oder gleich- 
gütige Dinge sprechen. Er selbst mußte oft mitsprechen und 
antworten. Obwohl der Wirklichkeitscharakter der Halluzinationen sehr 

groß war-„ich sehe und höre es nicht anders, wie wenn ich im 

Geschäft mit den Leuten verkehre“, war er stets überzeugt, daß er 
Trugwahrnehmungen hat und knüpfte keinerlei Schlußfolgerungen daran. 
Der Schluß auf Sinnestäuschung, meint er, sei deshalb nicht schwer, 
weil er nur die Köpfe und nicht die ganze Situation sehe. Am Tage 
hörte er keine Stimmen, sah auch keine Bilder, hatte aber zeitweilig 
den ungewohnten Drang, viel zu sprechen, gelegentlich kamen Gedanken 
und Sätze dabei heraus, die er als fremdartig empfand, so daß er sehr 
erstaunt war. 

Im August 1907 hatte er wieder einen Ärger wegen einer alten 
Prozeßsache in Familienangelegenheiten (im Anschluß an welche vor 
l 1 /* Jahren ein Depressionszustand mit ängstlichen Befürchtungen durch 
sechs Wochen bestanden hatte). Im Geschäft war er zerstreut, die Stirn« 
mung war deprimiert, er schlief schlecht und hatte eigentümliche Sen« 
sationen in Kopf und Rücken. Einige Male hörte er nachts in 
der Stirn seinen Namen rufen und auch andere Worte: 
„ich will, was ich will.“ Visionen waren gleichzeitig nicht vor¬ 
handen. Volle Korrektur auch im Augenblick der Halluzination. Nach 
3—4 Tagen trat die Erscheinung nicht mehr auf. 

Nun ging es ihm sechs Wochen sehr gut, bis er im Oktober 1907 
wieder in einen Familienzwist hineingezogen wurde. Es wiederholte sich 
dieselbe Attacke wie im April 1907 und hielt fünf Tage lang an. 

Patient hat stets alle Halluzinationen vollkommen korrigiert und 
niemals Wahnvorstellungen gehabt, die in irgend einer Beziehung zu 
den Halluzinationen standen. Depressive Wahnvorstellungen (sc. er müsse 
wegen frischen Eides ins Gefängnis, obwohl er sicher keinen falschen 
Eid geschworen hatte, und er werde deshalb von Polizei und Staats¬ 
anwalt gesucht) haben überhaupt nur einmal vor l 1 /^ Jahren kurze Zeit 
bestanden.“ 


Für mein Kapitel über die Inadäquatheit der Reaktion auf Hal¬ 
luzinationen und für meine Aufstellung eines Grundgesetzes der Hallu¬ 
zinationen und Wahnideen kommt aus Döllkens Arbeit noch S. 449 
und 450 in Betracht. Er führt dort aus: „Die landläufige Ansicht von 
der übermäßig stärkeren Gefühlsbetonung der meisten Halluzinationen 
und von dem zwingenden Charakter der Gehörshalluzinationen gilt für 
unkomplizierte halluzinatorische Zustände ganz und gar nicht, sie ist 
aber auch für die Halluzinationen der Geisteskranken in der allgemeinen 


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Dr. Max Löwy. 


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Fassang nicht richtig. Die Halluzination hat im allgemeinen keine andere 
Gefühlsbetonung als die entsprechende reale Sinnesempfindung. Oft ist 
sie schwächer, well die Trugwahrnehmung als nicht real erkannt wird. 

Im allgemeinen spielt nicht die besondere Gefühlsbeto¬ 
nung der Halluzination allein die Hauptrolle. Auslösende Affekte, 
Zwangsvorstellungen, Wahnideen, begleitende Krankheitssymptome geben 
die Stimmungsgrundlage ab und beeinflussen weitgehend die Halluzina¬ 
tionen. Fall Be. hatte für die erregenden Unlustgefühle, die seine 
Zwangsvorstellungen und Halluzinationen begleiten, den subjektiven Aus¬ 
druck „Unwillen 4 *. 

Der selten vorkommende imperative Charakter einiger Gehörshallu¬ 
zinationen bei Fall Ack kann nur auf die vollkommene Realität und 
das Wirklichkeitsgefühl des betreffenden halluzinatorischen Auftrages 
zurückgeführt werden. Ein stärkerer oder aber auch nur veränderter 
Gefühlston der Halluzinationen gegen die normale Empfindung war nie 
vorhanden. 

Die Halluzinationen der Geisteskranken verhalten sich nicht anders. 
Der imperative Charakter vieler Gehörshalluzinationen findet seine Er¬ 
klärung in dem Wirklichkeitscharakter der Sinnestäuschung, besonders 
wenn bei Halluzinanten durch Wahnsinn, Amentix, epileptische Dämmer¬ 
zustände, weitgehende Schädigung des ganzen Gehirns, Bewußtseinsver¬ 
änderungen vorliegen. Oder Wahnrichtung, Schwachsinn, paralytische 
Kritiklosigkeit etc. bestimmen den zwingenden Einfluß der Halluzina¬ 
tionen . 

Ein sehr wichtiger Gefühlston, welcher nur Halluzinationen zu¬ 
kommt, u. zw. nur solchen, die keine vollkommene Verschmelzung mit 
normalen Sinnesempfindungen, bzw. Vorstellungen eingehen, ist das 

Fremdgefühl. Mindestens bedarf es der Untersuchung, ob nicht 

der halluzinatorischen Empfindung direkt ein Gefühlston des Fremd¬ 
artigen anhaftet. Geisteskranke Halluzinanten haben ungemein 

oft das Gefühl des Fremdartigen ihrer Sinnestäuschungen. Auch der 
zwingende imperative Charakter geht dieser Art der Halluzinationen 
nicht ab. 4 * 

Seite 444: „Zahlreiche halluzinatorische Zustände weisen je nach 
Beteiligung bestimmter Gebiete und nach dem einen oder andern vor¬ 
wiegenden Angriffspunkt der verursachenden Schädlichkeit lokale Zeichen 
(Lokalkolorit, Lokalton) auf. Liegt die Ausgangs- oder Angriffsstelle in 
der peripheren Hörbahn, kann die Halluzination im Flüsterton gesprochen 
werden <'s. Fälle Be., Ack). Weit häufiger ist beschrieben worden, daß 
die gequollene Bohne im Ohr, auch die Otitis mit sehr lauten Halluzi¬ 
nationen einhergehen. 4 * x ) 

l ) An anderer Stelle deutet Döllken das „leise gesprochen Er¬ 
scheinen 4 * von Gehörshalluzinationen sozusagen als ein mitigiertes Hallu¬ 
zinieren. Vgl. hiezu auch noch Kraepelins Hinweis auf die hallu- 
zinationsbefördernde Wirkung solcher Reize, die nicht imstande sind, 
scharfe Eindrücke zu vermitteln, sondern nur der Aufmerksamkeit die 


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Uber eine Unruheeracheinung etc. 


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DÖllken S. 447: „Jeder Angriff an irgend einer Stelle des 
überempfindlichen Leitungsbogens hat denselben Effekt“ (sc. Auslösung 
der Halluzination). 

S. 448: Darlegung: „daß je nach dem Krankheitsstadium und der 
Individualität etc. einerseits durch periphere, andererseits durch asso¬ 
ziative Beizung der übererregbaren Bahn derselbe Effekt erzielt werden 
kann.“ 

„Direkte aktive und passive Aufmerksamkeit auf das halluzinie¬ 
rende Organ kann zu gleicher Zeit ebenfalls Halluzinationen machen, 
doch versagt dieser Reiz sehr häufig.“ 

S. 451: „Die Halluzination als solche ist ein Herdsymptom, 
dessen subjektiver Charakter (sc. bei nicht geisteskranken Halluzinanten) 
sofort erkannt und gefühlt oder mit Hilfe weiterer Sinnesempfindungen 
erschlossen wird. Den Wert einer realen Sinnesempfindung und ihre 
Unkorrigierbarkeit bekommt sie erst durch die hinzutretende oder aus¬ 
lösende allgemeine Erkrankung des Gehirns.“ 


Aus dieser Wiedergabe von Döllkens nach verschiedenen Rich¬ 
tungen hin wichtigen Beobachtungen und Ausführungen ergeben sich zu 
meinem Thema mehrfache Beziehungen. Trotzdem sei auf eine Diskus¬ 
sion derselben hier nicht eingegangen, weil die Materien unserer Unter¬ 
suchungen doch verschiedene sind. Döllken untersuchte den Leitungs¬ 
bogen, die Ursprungsstätten der Halluzinationen und den Gefühlston, 
welchen die Halluzinationen tragen; ich untersuchte im Obigen den 
grundlegenden Gemütszustand, die Stimmungsgrundlage, aus welcher die 
Wahnideen und Halluzinationen entspringen, und weiter: wie sich das 
Verhältnis der Reaktion auf Halluzinationen und Wahnideen zu deren 
Inhalt und zu dem von mir als bestimmend angenommenen Gemüts¬ 
zustände (zum Gemütszustände vor und bei dem Auftreten von Hallu¬ 
zinationen und Wahnideen) gestaltet. 

Die Berührungspunkte liegen darin, daß der Gefühlston, welcher 
die Halluzinationen begleitet, natürlich Beziehungen zu der von mir 
besprochenen Grundstimmung hat, aus welcher die Halluzinationen er¬ 
wachsen, und darin, daß die Reaktion auf halluzinierte Inhalte natürlich 
Berührungspunkte hat zu dem Gefühlstone, welcher die Halluzinationen 
begleitet. Nicht beabsichtigt habe ich, wie schon im Kapitel B. betont 
wurde, eine Untersuchung des Wesens der Halluzinationen und jener 
Gründe, welche außer dem grundlegenden Gemütszustände dafür maß- 


Richtung auf ein bestimmtes Sinnesgebiet geben und so dessen Eigen¬ 
erregungen verstärken (Kraepelin, Psychiatrie I. Bd., Allgemeiner 
Teil, Kap. Sinnestäuschungen, S. 215). Mir scheint auch Bechterews 
Methode der Auslösung von Gesichtshalluzinationen beim Abklingen des 
Delirs durch Filierenlassen eines übernahen Gegenstandes zum Teil 
wenigstens durch Erzeugung von „Unbestimmtheit“ der Eindrücke zu 
wirken und sonach hieher zu gehören). 


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Dr. Max Löwy. 


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gebend sind, daß halluziniert wird und wie halluziniert wird (ob optisch 
oder akustisch, ganze Situationen, etc.). 


Im Zentralblatt für Nervenheilkunde und Psychiatrie (32. Jahr¬ 
gang 1909, 2. Juniheft) S. 421 berichtet W. v. Bechterew „Über 
halluzinierte Erinnerungen“. 

Eine ältere Jungfrau, welche nach einer Influenza ein Ohrenleiden 
mit schließlicher Nekrose beider Trommelfelle und stärkerer Abnahme 
des Gehörs akquirierte, und welche infolge der starken nervösen 
Spannung durch ihr Obrenleiden Illusionen und Halluzinationen und 
schließlich eine halluzinatorische Psychose chronischer Natur bekam, 
hörte in der Präg estube beim Anschlägen des Hammers 
Worte, schließlich ganze Sätze, hörte ihre Erinnerungen 
aussprechen. Auch ihren Namen hörte sie von den bei 
der Arbeit anwesenden Nonnen ausrufen etc. 


Gelegentlich der Besprechung der akuten Haftpsychosen berichtet 
K. Wilmanus „Über die Gefängnispsychosen“ Marhold, Halle a. S., 
1909, Altsche Sammlung zwangloser Abhandlungen, S. 37, 38: 

„Mehr schon den Charakter der Haftpsychose tragen leichte kurz 
dauernde Störungen, wie sie sich anscheinend aus hypnagogen Halluzi¬ 
nationen heraus entwickeln. Die Kranken, meist junge schwach begabte 
und zum erstenmal mit dem Gesetz in Konflikt geratene Personen, 
träumten zum Teil schon früher sehr lebhaft, sprachen und weinten auch 
sonst im Schlafe. Die Verhaftung, die Verhöre machten einen tiefen 
Eindruck auf sie, sie sind in starker innerer Erregung, essen wenig, 
schlafen schlecht und träumen sehr lebhaft. Eines Nachts werden 
sie ängstlich, schrecken oft und plötzlich auf, hören 
allerlei verdächtige Geräusche; der Ofen knattert eigen¬ 
tümlich, es klopft an den Wänden, sie hören Musik und 
Glockenläuten, ihren Namen rufen, die Stimme des Vaters 
auf dem Gange. Allmählich nehmen die Sinnestäuschungen bestimm¬ 
tere Gestalt an. Ein sexuell Perverser hört seine Frau vorwurfsvoll 
sagen: „Wenn du so was getan hast, hättest du mich nicht heiraten 
sollen;“ ein anderer die Stimme seiner Mutter: „Ich kann jetzt nicht 
mehr leben, ich muß vor Kummer sterben;“ ein dritter die Stimmen 
der Aufseher vor der Zelle: „Jetzt li *gt er im Bette, wir bringen ihn 
um,“ etc. Die Kranken fühlen sich beengt, haben häufig 
Präkordialangst, können keine Luft holen. Sie merken, daß 
eine Wolke in die Zelle schwebt, daß sie sich mit Schwefeldampf erfüllt, 
bisweilen treten auch plastische Gesichtstäuschungen ein: Der Gefangene 
sieht, wie seine Mutter wie lebend an sein Bett tritt, wie ihm der Vater 
die Hand aus dem Sarge reicht. Häßliche Tiere, Vogel, Schlangen, 
drängen auf ihn ein, der sich vor Angst nicht zu rühren wagt. Die 
Störungen sind nachts am häufigsten, tagsüber legt sich 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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die ängstliche Erregung. Die Kranken sind aber scheu, 
furchtsam, bisweilen etwas traumhaft benommen und 
klagen über Kopfschmerzen, Schwindel, Ohrensausen. 
Den nächtlichen Erlebnissen stehen sie zunächst oft einsichtig gegen¬ 
über oder aber sie halten an ihrer Realität fest, um so mehr, als sie 
eine gewisse subjektive Wahrscheinlichkeit besitzen. Bringt man die 
Kranken rechtzeitig in ein anderes Milieu, so gewinnen sie in kurzer 
Zeit bei starker Zunahme des meist sehr gesunkenen Körpergewichtes 
volle Einsicht. Wird die Haft nicht aufgehoben, dann scheinen diese 
leichteren Störungen die Einleitung für schwerere abgeben zu können. 


Bei Durchsicht der in meinem Besitze befindlichen älteren und 
neueren Lehrbücher der Psychiatrie: Leidesdorf 1865, Griesinger 
1876, Arndt 1883, Meynert klin. Vorlesungen 1890, Mendel 1902, 
Fuhrmann 1903, Binswanger-Simmerling 1904, Pilcz 1909, 
Kraepelin 1909, I. Bd., fand ich keine Erörterung etwaiger Besonder¬ 
heiten des halluzinierten Namensanrufes. Ausdrücklich erwähnt ist er bei 
zweien dieser Autoren. Simmerling, S. 172, führt bei der Besprechung 
der Amentia aus: „ Sehr intensiv sind die Gehörs- u. Gesichtshalluzinationen. 
Sie vernehmen dummes Gequatsch, alles durcheinander, hören Papageien 
sprechen, Tauben gurren, Löwen brüllen, schreien, ihren Namen 
rufen, die Stimme des Teufels. Aus dem Wasserrohr, aus der Wand, 
aus dem Bette, von draußen ruft es, Gestalten sehen sie schweben, 
fahren im goldenen Wagen, in der Eisenbahn, im Schiffe. Häufig er¬ 
scheinen die Gestalten Verstorbener, sprechen zu ihnen, 
rufen und winken._ 

Meynert (klinische Vorlesungen 1890, S. 89) berichtet vom 
Delirium tremens: „Bezüglich der Gehörshalluzinationen kommen die 
Stimmen aus den Wänden, vom Dach, aus dem Keller, beziehen sich 
meist drohend in Schimpfworten oder in kurzen Phrasen, „dort sitzt er,** 
„wir kriegen ihn,“ auf den Kranken. Wenn er im Freien geht, 
hört er aus dem Graben, neben sich aus der Wiese, von 
den Bäumen herab sich rufen, anreden, verspotten. Ja wie in 
der Antike ist alles belebt und besetzt von Menschenstimmen.** 


Meinen Beobachtungen ähnlicher sind die Angaben in der schönen 
Literatur. 

So hört sich in Kiplings indischem Roman „Kim“ der Titel¬ 
held, ein indischer Halbblutjunge, in gespanntester gefährlicher 
Situation halluzinatorisch mit seinem Vornamen „Kim“ 
rufen. _ 

Über eine Selbstbeobachtung Gogols, welche er dessen „Guts¬ 
besitzern der guten alten Zeit** entnimmt, berichtet Dimitri Mirisch- 
kowski, Zukunft 3./IV. 1909, 17. Jahrg., Nr. 27. Es handelt sich 
um „die Stimme Pans, vor der alles Lebende in namen- 


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losem Grauen entflieht*. Gogol kennt diese Stimme: „Ich 
habe dieses Rufen schon in meiner Kindheit gehört, 
manchmal hörte ich hinter mir ganz deutlich meinen 
Namen nennen. Das geschah in den heitersten sonnigen 
Tagen, als sich kein Blatt rührte, keine Grille die Ruhe 
störte und kein Mensch in der Nfihe war. Aber selbst die 
w 1 1 deste Gewitternacht konnte mich nicht so erschrecken 
wie diese grauenhafte Stille der Natur. Ich lie f keuchend 
und zitternd aus dem Garten und beruhigte mich erst, 
wenn ich irgend einem Menschen begegnete, dessen Ge¬ 
genwart mich von der schrecklichen seelischen Leere 
befreite.“ 


Über die gleiche Mittagsstimmung berichtet Otto mar 
Ke in dl in einem Feuilleton im Prager Tagblatt 16. XI. 1910: „Der 
unheimliche Schrei.“ Er erzählt von der „Polednicc“, der Mittagsfrau 
der tschechischen Volkssage: Jene sagenhafte Hexenfrau, die mittags 
umhergeht und den Müttern, die ihre Kinder nicht bewahren, diese gegen 
ihre eigenen, die man Wechselbälge nennt, austauscht.“ Er zitiert hie¬ 
bei Prof. Dr. Richard W e 11 r i c h s Buch : „ Christian Wagner, der 
Bauer und Dichter zu Warmbronn“ : „Das plötzliche Erschrecken 
des Herzens, das auch den Tapfersten einmal befallen 
kann, wenn er weitab von aller menschlichen Gesell¬ 
schaft inmitten einer ungewöhnlichen und schweigenden 
Naturszenerie lange verweilt. Dann geschieht es wohl einmal 
und geschieht insbesondere unter Einwirkung seltsamer Licht- und Luft¬ 
phänomene, daG ein großes Geheimnisvolles aus der Natur heraus uns 
rnit Dämonengewalt zu packen scheint. Solche Stimmungen überkommen 
uns auf hohen Bergwänden, auf öden Gletscherfeldern, an einsamen 
düster gefärbten, von Wald umschlossenen Seen und Teichen, an Ört¬ 
lichkeiten, wo ungewohnte Schatten über der Landschaft ein Spiel trei¬ 
ben und das feierliche anhaltende Schweigen der Natur plötzlich durch 
einen Vogelschrei, durch ein Binsengeknister oder durch einen Ton, des¬ 
sen Herkunft wir nicht bestimmen können, unterbrochen wird.“ W e 11- 
rieh berichtet über ein ähnliches Erlebnis, bei dem auch ihn ein 
Schauer erfaßte, so daG er sich beeilte, eine von Menschen began¬ 
gene StruGe zu erreichen. 

Weiter verweist Keindl auf Wilhelm Ra ab es Erzählung 
„Hastenbeck“, wo auf S. 199 die Waldangst erwähnt wird, die 
einen in der Stille und Wildnis überkommt. 

Tber sein eigenes Erlebnis berichtet Keindl im „unheimlichen 
Schrei “ : 

„ Dazu sc. zu den Örtlichkeiten, die ihm besonders lieb geworden 
waren und von denen der Knabe am Schlüsse seines Ferienaufenthaltes 
Abschied nimmt) gehörte auch eine vor dem Dorfe sich melancholisch 
hinziehende, von ausgetrockneten Rinnsalen durchkiüftete Talschlucht. 
Meiner Phantasie erschien die einsame unfruchtbare Öde wie 


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Golgatha, die Schädelstätte, wo einst der furchtbare Anklageschrei er¬ 
klang: „Eli, Eli, lama asaphtani?“ („Mein Gott, mein Gott, warum 
hast Du mich verlassen?“) In weiter Ferne kein Pfuhl, kein Baum, 
kein Strauch, nicht einmal Gras, alles wüst un d unsäglich 
traurig; selten umtaumelte wie betrunken ein Schmetterling die wenigen 
dort stehenden verdorrten Disteln; nach dieser Stelle, wo ich oft mut¬ 
terseelenallein vor mich hinträumte, zog es mich noch einmal hin. 
Es war gegen die Mittagszeit, der Himmel gelblich-fahl, von einer 
unheimlichen Helle; die Luft schwül und flimmernd; über 
das im stillen Sonnenbrand liegende Tal flog ein- oder zweimal* 
ein leichter Schatten, der doch von keiner Wolke kam, denn dis 
Firmament glühte einfärbig im Goldockerton ohne jede Schattierung. 
Es war die richtige Landschaftsstimmung für die Polednice, jene sagen¬ 
hafte Hexenfrau, die mittags umhergeht und den Müttern, die ihre Kinder 
nicht bewahren, diese gegen ihre eigenen, die man Wechselbälge nennt, 
austauscht. In der Mitte des Tales befand sich eine natürliche Steinbank, 
auf der ich niedersaß. Es war mir, als hätte ich um mich herum die 
ganz grandiose furchtbare Einsamkeit der Wüste, deren Schil¬ 
derung ich immer mit erschauerndem Genuß in mich aufgenommen 
habe — da auf einmal ertönt ein geller Schrei, ein fürch¬ 
terlicher Klageruf, wie ich ihn nie vorher und nie nach¬ 
her gehört habe; ein gräßlicher Laut, der nicht in dem 
Umfange der animalischen Schöpfung zu liegen schien. 
Ich träumte nicht, ich sah ganz deutlich jeden Stein, nirgends war ein 
Mensch oder ein Tier zu erblicken, kein Vogel in den Lüften. Das ganze 
Tal war leer, kein Busch war da, kein Gegenstand, der die Aussicht 
verdeckt hätte, mich ergriff ein großer, in besinnungslose 
Furcht scheuchender Schrecken. Blitzschnell kam und verging 
der Gedanke: „Das ist Pan, der Waldgott, der die Einsam¬ 
keit liebt und den Hirten plötzliches Grauen ein jagt, 
panischen Schrecken.“ Da erblicke ich oben auf der nach dem 
Dorfe hinab führenden Straßenserpentine den von Prag kommenden 
Stellwagen. In namenloser Aufregung lief ich so eilig als möglich 
aus der Talschlucht hinaus, dem Wagen entgegen und trottete dann 
hinter ihm, froh, nur Menschen nahe zu sein. Atemlos kam ich in der 
Mühle (seinem Ferienaufenthalte) an, woselbst ich mit keuchender Brust 
das Abenteuer erzählte. Man lachte mich aus und meinte, der Träumer, 
der Phantast sehe und höre allerdings manchmal mehr als die nüchter- 
sten Menschen mit ihren fünf Sinnen. Ich hätte aber mit tausend Eiden 
schwören mögen, daß ich nicht geträumt, daß ich jenen Mark und 
Bein durchdringenden entsetzlichen Jammerschrei wirk¬ 
lich gehört habe, und daß weit und breit kein lebendes Wesen zu 
erblicken war, sich auch nirgends versteckt halten konnte. Davus sum, 
non Ödipus. So kam ich denn mit dem ungelösten Rätsel nach Prag, 
wo man gleichfalls meine Erzählung mit Lächeln an hörte. 

Vier Jahrzehnte vergingen; ich hatte den unheimlichen Schrei 
nicht vergessen... erst im Jahre 1905 ist mir eine Aufklärung über 


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den unheimlichen Schrei geworden. Die „Münchner Neuesten Nach¬ 
richten“ brachten im August jenes Jahres aus ihrem Leserkreise mehrere 
Zuschriften, betreffend die Frage: „ob die Kröte schreit.“ Es wurden 
viele Fftlle erzählt, wo Kröten, von Nattern überfallen, in der Todes¬ 
angst so laute gräßliche, lang verhallende Schmerzeusschreie ausstießen, 
wie man sie niemals gehört, so daß die Leute vor Schreck davonliefen. 
Daß manche Vertreter der Krötenfamilien über eine recht kräftige 
Lunge verfügen und daß sie so furchtbare Angstschreie ausstoßen, habe 
ich dann auch von dem bekannten Naturforscher Hermann Löns in 
. der Monatsschrift der „Zoologische Garten“ bestätigt gefunden. Meine 
jugendliche Beobachtung dürfte sonach darauf zurückzuführen sein, daß 
in dem Steingerölle eine Kröte von einem Reptil angefallen wurde und 
daß der sonst schweigsamen Kreatur die Angst die Lippen entsiegelte. 
Sehen konnte ich diesen Vorgang nicht, da beide Tiere verhältnismäßig 
klein und in der Färbung dem Gestein ähnlich sind.“ 

Die gleiche Grundstimmung ist geschildert in den „Reisebriefen 
aus Afrika“ von Henryk Sienkiewicz (übersetzt von J. v. Innen¬ 
dorf, 1902) S. 322. 

In der Rekonvaleszenz von einem Tropenfieber, dessen dritten 
Anfall man dortzulande als unbedingt tödlich ansieht, und von dem er 
schon zwei Anfälle gehabt, sehnt sich Sienkiewicz im Spitale von 
Sansibar heftig nach der Heimreise: „Meine Sehnsucht nach dem 
Dampfer steigerte sich immer mehr, von früh bis spät 
zählte ich die Stunden. Da ich jeden Augenblick bereit sein 
wollte, begann ich meine Sachen einzupacken, was keine geringe Arbeit 
war, besonders bei der Temperatur Sansibars.“ 

„Die Nebel verringerten die Hitze nicht, sondern vermehrten nur 
die Feuchtigkeit der Luft. Manchmal während des Tages wußte man 
gar nicht, woher den Atem schöpfen; gegen die Mittagszeit ver¬ 
fiel das Spital in Totenstille und traurige Ruhe; man 
hatte dann die sonderbare Empfindung, als schwebe eine 
Katastrophe über der Stadt — und wenn dann in dem 
allgemeinen Schweigen die Uhren zwölf schlugen, glaubte 
man, es müsse jetzt und jetzt etwas Schreckliches ein- 
treten. Gegen drei Uhr wurde es ein wenig erträglicher, doch die 
Nächte waren noch schwüler als die Tage.“ 

Als Uegenstück zur Ei ns amk ei tssti m mung der Mittags¬ 
glut und Trope n gl ut sei auch eine Winter-, Abend- und 
T) unkol h eit s Stimmung mit ähnlichen Grundzügen wieder¬ 
gegeben: Nach Ludwig Korney, „Die Spur“, — „Österreichische 
illustrierte Zeitung“ 5./2. 1911, lieft 19, S. 473. Hier ist die Stimmung 
nicht einfach geschildert, sondern auch dazu verwertet, auf den tragischen 
Schluß vorzubereiten. Diese Skigeschichte endet nämlich mit der Auf¬ 
findung eines Selbstmörders dadurch, daß zwei Freunde auf Skiern in 
der Einsamkeit durch eine ganz gewöhnliche Fußspur, vorläufig noch 
ohne etwas zu vermuten, angelockt werden, „der Weg senkte sich, er 
führte an ein Grat, das wir undeutlich schimmern sahen. Einige 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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Zinken ragten wie Scheren in die Höhe. Es sah wie eine dunkle 
Schlangenlinie aus. Unsere Augen kämpften mit der Finsternis. W i r 
hatten das Gefühl, als erwarte uns ein namenloser Schreck. 
Die Finsternis fiel tief herein und ballte sich zu kab¬ 
balistischen Figuren zusammen. Flächen und Linien verbanden 
sich zu tollen Grimassen, unaussprechliche Physiognomien mit über¬ 
triebenem Ausdruck starrten uns entgegen. Überall hingen Nasen und 
Augen so groß wie schreckhafte Chimären, aufgesperrte Mäuler und 
rissige Zungen, grinsende Fratzen, die deutlicher wurden, je länger man 
auf sie hinsah, unter der Dunkelheit nahm alles eine Maske an.“ 

Eine ähnliche Einsamkeits-Abend- und Nebelstimmung 
schildert meisterhaft: „Das gefährliche Alter,“ Tagebuchaufzeichnungen 
von Karen Michaelis, 1910, Berlin, Concordia-Verlagsanstalt. 

S. 106: „Was habe ich nur einmal! Ich bin so nervös, daß ich 
kaum die Feder zu halten vermag, niemals habe ich den Nebel mit 
einer solchen Plötzlichkeit fallen sehen. Er ist jetzt so dicht, daß ich 
nicht die nächsten Bäume sehen kann, er drängt sich in das Haus her¬ 
ein, er hängt von der Decke herab, meine Kleider sind naßkalt, selbst 
die innersten, das Feuer ist ausgegangen, mich friert, es ist meine 
eigene Schuld, ich hätte nach Jeanne schellen oder selbst Brennholz 
auflegen können, aber ich kann mich zu nichts entschließen. 

Was soll das auch von Torp, daß sie den halben Tag fortbleibt, 
und wie soll sie nur einmal wieder nach Hause finden? Nicht mit 
20 Laternen kann sie zehn Ellen weit sehen. Die Lampe hier brennt, 
als sei Wasser in das Öl gegossen. Oben geht Jeanne auf und 
nieder, ich höre es wohl, obwohl sie leise geht, auch sie ist un¬ 
ruhig. Wir beeinflussen einander. Es ist nicht das erstemal, daß ich 
das merke. Wenn sie nur von selbst herunterkommen wollte, damit wir 
zu zweien wären. Weiß Gott, ich empfinde dieselbe Kälte im 
Rücken wie an jenem Abend, als mich Stine auf den Kirchhof hin¬ 
auslockte und ich glaubte, daß ich alle die Toten aus den 
Gräbern auferstehen sehe. Da war auch so ein Nebel. Ist 
es nicht sonderbar, daß man so weit zurückdenken kann und so scharf? 

Die Bäume rühren sich nicht, es ist, als lauschten 
auch sie nachetwas. Wonach ? Hier ist ja niemand weiter als ich und 
dann Jeanne. Ein andermal erlaube ich ihr nicht zu gehen! Will sie absolut 
in die Kirche, dann kann sie am Vormittag gehen.... Mir ahnt, daß 
Jeanne in Todesangst da oben sitzt. Herr Gott, weswegen nur? 
Ich sitze hier, die Feder in der Hand und wage nicht, sie hinzulegen; 
sie liegt in meiner Hand wie eine Waffe; könnte ich mich doch ent¬ 
schließen zu schellen! Es ist doch eine unheimliche Sache, so 
allein hier mitten im Walde zu wohnen, ohne auch nur einen Hund 
oder einen Mann in der Nähe zu haben. Passierte irgend etwas, so 
wäre man preisgegeben. 

So, so, so — meine Hand zittert wie Espenlaub, aber sie darf 
es nicht sehen, ich will tun, als sei nichts vorgefallen. Das arme 
Mädchen! Sie kam herabgestürzt und zu mir herein, ohne anzuklopfen, 


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leichenblaß und mit starren Augen. Sie klammerte sich 
an mich wie ein Kind, das einen schlechten Traum gehabt hat. Was 
fehlt ihr nur? Was fehlt mir nur? Wir sind beide gleich einge¬ 
schüchtert, der Nebel hat uns mit Wahnsinn geschlagen. 

Ich habe Lichter angezündet, sie flackern krampfhaft wie Jeannes 
Blick, der Nebel wird dichter, Jeanne sitzt auf dem Sofa, die Hand 
unter dem Herzen. Es ist mir, als könnte ich es schlagen hören, leb 
habe ein Gefühl, als wenn irgend jemand stürbe. Hier in 
meiner Nähe, hier in meiner Stube? Ach, ich bin ver¬ 
rückt, ich bin ja nicht abergläubisch, nur bange. Alle 
Türen sind verschlossen, alle Fensterkrampen sind übergehakt, es ist 
ganz still, ich höre auch nicht einen Laut da draußen, 
die Stille jagt uns Angst ein. Ja, das ist es. Jetzt schläft 
sie, ich kann sie kaum vor dem Nebel sehen, sie sitzt da wie ein 
Schatten, wie eine Geisterzeichnung, der Nebel liegt auf ihrem (sc. roten) 
Haar wie Rauch über dem Feuer. Nichts weiß ich von ihr, sie ist 
stumm in bezug auf ihre Angelegenheiten, wie ich mit den meinen, 
doch ist es, als hätte ich in dieser Stunde durch ihre grenzenlose Angst 
auf den Grund ihrer Seele hinabgesehen. Ich verstehe sie, weil wir 
beide Frauen sind, es ist die Unruhe des Blutes, die ewige 
q u a 1 v o 1 le Un r u h e desBlutes, dasBlut fordert sein Recht. 
Sie ist bis in ihr Innerstes eingeschüchtert, irgend je¬ 
mand hat ihr ein Leid zugefügt und sie kann nicht wie¬ 
der in Frieden leben. 

Der Nebel fängt an sich zu lichten, die Lichter brennen klarer. 
Ich sehe die Träume unter ihrer Stirne dahinziehen. Der Mund steht 
offen wie bei einer Toten. Jeden Augenblick fährt sie auf, aber wenn 
sie mich sieht, lächelt sie und schläft wieder ein. Guter Gott, wie er¬ 
schöpft sie von ihrer Angst ist — aberdaistjemand — da ist 
jemand — draußen zwischen den Bäumen — da geht je¬ 
mand — Torp — weiter niemand als Torp mit ihrer Laterne und 
die Näherin aus dem Dorf: im selben Augenblick, als sie die Keller¬ 
türe öffnete und ich ihre Stimme hörte, war ich wieder ich selbst. .. . 

Soviel habe ich aus dem Wahnsinn dieses Abends 
gelernt, daß ich mir so bald wie möglich ein männliches 
Wesen zu unserem Schutz auschaffe.“ 

In den angeführten Literaturangaben habe ich jene Stellen 
unterstrichen, welche Vergleichspunkte zu meinen Feststellungen 
im I. Teil, wie noch im folgenden II. Teil (Krankengeschichten und 
Tabellen) ergeben. 

„Im gefährlichen Alter“ von Karen Michaelis spielen eine 
ätiologische Rolle: Die Einsamkeit, die Stille: „die Stille jagt uns 
Angst ein,“ die Dunkelheit, der Nebel und die Kälte, auch das 
durch die Kälte erzeugte Frösteln, welches ganz, wie es Hoc he 
schildert (vergleiche im Kapitel „Unruhebilder“), mit einem Angst- 


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Über eiue Unruheerscheinung etc. 


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gefuhle sich assoziiert und auf diesem Wege Vorstellungen mit 
Angstbetonung, hier Friedhofserinnerungen, erweckt. Auch eine 
Freudsche Anschauung schlägt hier durch: die Beziehung der 
Angst zur unterdrückten Libido, „zur Unruhe des Blutes“ der Autorin 
und ihres Kammermädchens in der Einsamkeit. Diese Auffassung 
wird durch die im ganzen Buche geschilderte Situation der Tagebuch¬ 
verfasserin und durch die im Texte gleich anschließende, von mir 
nicht wiedergegebene Geschichte des Kammermädchens — sie sieht 
als Kind den Ehebruch der Mutter mit an — gestützt. 

Die Schilderung der Angstsymptome der beiden Frauen dieser 
Tagebuchaufzeichnungen bewegt sich zwischen Unruhe, unbestimmter 
Erwartung: „die Bäume rühren sich nicht, als lauschten sie,“ un¬ 
bestimmter Angst: „Todesangst, Herrgott, weswegen nur? Ich habe 
ein Gefühl, als wenn jemand stürbe, hier in meiner Nähe, hier in 
meiner Stube,“ und Bangesein (das ist ein Gefühl unbestimmter 
Erwartung, unbestimmter Angst, Unruhe, Beklommenheit) zugleich 
mit dem Gefühle eines Unheimlichen, eines Besonderen unbestimmter 
Art in der Einsamkeit, ängstlichem Auffahren aus dem Erschöpfungs¬ 
schlafe bis zur Bezeichnung als grenzenlose Angst. Nebenher geht 
ein Hinweis auf die Unentschlossenheit oder Hemmung durch die 
Angst, in der Unfähigkeit, sich zum Schellen aufzuraffen. Die kör¬ 
perlichen Begleiterscheinungen werden geschildert als Blässe, 
starre Augen, ängstliches Anklammern an den andern, krampfhaft 
flackernder Blick, Hand am Herzen, Herzklopfen, Erschöpfung 
durch die Angst. 

In Sienkiewiczs Reisebriefen kommen von ätiologischen 
Momenten der betreffenden Stimmung vor: die Furcht vor dem 
dritten, als tödlich geltenden Fieberanfall und der Aufenthalt in 
der Fremde — auch die aus beiden erwachsende Sehnsucht nach 
der Heimat kann als Angstmaske im Sinne Heckers (siehe oben 
Unruhebilder) betrachtet werden; weiter die Einsamkeit: „die Todes- 
stille und traurige Ruhe“ des Spitals in der Mittagszeit, die schwüle 
Hitze und die aufsteigenden Nebel, die Unterbrechung des all¬ 
gemeinen Schweigens durch das Schlagen der Mittagsstunde. Von 
Erscheinungen der betreffenden Stimmung lesen wir: Ein Gefühl 
drohenden Unheils, unbestimmter Erwartung, mit dem Gefühle des 
Sonderbaren (d. i. der Bedeutsamkeit), „die sonderbare Empfindung 
als schwebe eine Katastrophe über der Stadt“ und beim Zwölf- 

Jabrbfleher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 5 


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uhrschlag in der Mittagsstunde: „es muß jetzt und jetzt etwas 
Schreckliches passieren“ — vergleiche bei H o c h e (siehe oben) die 
Mitteilung über Schopenhauers vorahnende Erwartung, die ihn 
bei jedem Klopfen an der Türe fürchten ließ, „jetzt kommt es“. 


In K e i n d 1 s „unheimlichem Schrei“ trägt schon der Titel wie 
auch die geschilderte Landschaft den Stempel des Unheimlichen 
und des Besonderen, also der Bedeutsamkeit: „die melancholisch 
sich hinziehende durchklüftete Talschlucht.“ Dabei besteht der 
Eindruck, daß alles wüst und unsäglich traurig, einsam und furchtbar 
öde ist — dürr, wasserlos, baumlos, graslos, nur verdorrte Disteln 
— es ist heißer Mittag mit stillem Sonnenbrand und unheimlicher 
Helle, die Luft ist schwül und flimmernd, ein ungewohntes Spiel 
der Belichtung erhöht den Eindruck des Unheimlichen, der Be¬ 
deutsamkeit, es besteht ein Gefühl der Verlassenheit (vgl. dieses 
Gefühl auch bei einem meiner Fälle in Abteilung II). Gehört wird 
nun ein plötzlicher geller Schrei, ein fürchterlicher Klageruf, wie 
ihn K e i n d 1 nie vorher und nie nachher gehört hat, ein entsetzlicher, 
Mark und Bein durchdringender Jammerschrei, ein gräßlicher Laut, 
der nicht im Umfange der animalischen Natur zu liegen schien. 
Daraufhin ergreift den jungen Keindl ein in besinnungslose Flucht 
scheuchender Schreck mit dem blitzschnell auftauchenden Gedanken: 
„das ist Pan, der Waldgott, der die Einsamkeit liebt und den 
Hirten plötzlich Grauen einjagt, panischen Schrecken.“ In namen¬ 
loser Aufregung läuft er weg und beruhigt sich erst, bis er Menschen 
erreicht. Es kann hier nicht untersucht werden, inwieweit die nach¬ 
trägliche Deutung Keindls zureicht: der unheimliche Schrei 
sei ein Krötenschrei gewesen. Auffallend aber und für eine Angst¬ 
täuschung sprechend ist gewiß das Zusammentreffen zwischen dem 
gleichen Stiramungsgehalt der Situation und dem Stimmungsgehalt 
des in ihr gehörten unheimlichen Schreies. 

Keindl vergleicht nachdem Stimmungsgehalt seine Situation 
mit der Mittagsstille und Mittagsglut, in welcher die Mittagshexe 
umgeht und den Müttern schweres Unheil droht, die Kinder gegen 
Wechselbälge uratauscht. 

Keindl erwähnt noch die von Baabe geschilderte Wald¬ 
angst, die einen in der Stille und Wildnis überkommt 

Analog ist das von Keindl beigebrachte Erlebnis Weltrichs, 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


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den auch ein Schauer erfaßte, so daß er sich beeilte, eine von 
Menschen begaugene Straße zu erreichen. 

Erschöpfend ist die Schilderung, welche Weltrich von dem 
„plötzlichen Erschrecken des Herzens“ gibt. Dieses tritt ein: bei 
langem Verweilen in der Einsamkeit, in einer ungewöhnlichen und 
schweigenden Naturszenerie, besonders unter der Einwirkung selt¬ 
samer Licht- und Luftphänomene, an Örtlichkeiten, wo ungewohnte 
Schatten über der Landschaft ein Spiel treiben, auf hohen Berg¬ 
wänden, öden Gletscherfeldern, an einsamen, düster gefärbten, von 
Wald umschlossenen Seen und Teichen und wenn das anhaltende 
Schweigen der Natur plötzlich durch ein mehr minder unbestimmtes 
Geräusch unterbrochen wird. Es tritt ein, wenn in der Einsamkeit, 
Stille und Öde ein Gefühl des Ungewöhnlichen, Großen, Geheimnis¬ 
vollen aus der Natur heraus den Menschen packt. 

Vergleiche hiezu im Kapitel „Unruhebilder“ Hoch es Fest¬ 
stellungen von der Abhängigkeit objektloser oder in wechselnder 
Weise auf dieses oder jenes bezogener Angst und beklommener 
Stimmung von Barometerstand, Tageszeit (Dämmerung), Wind¬ 
richtung (Föhn), auch von der Himmelsbedeckung, Landschaft 
(Meer, Hochgebirge); und meine Feststellung des Gefühles erhöhter 
Importanz der Eindrücke in ungewohnter Situation. 


Die gleiche Stimmung von unbestimmter Angst, unbestimmter 
Erwartung und erhöhter Importanz in der Mittagsglut, zugleich 
auch mit dem halluzinierten Namensanruf hatte Gogol in voller 
Sonnenglut, an den heitersten sonnigen Tagen, in der Einsamkeit, 
in höchster Stille, so daß er in namenlosem Grauen, in panischem 
Schrecken davonlief, bis ihn die Anwesenheit eines Menschen von 
der schrecklichen seelischen Leere befreite. 


In gespanntester, gefährlicher Situation hört Kiplings „Kim“ 
seinen Namen rufen. _ 

Döllken ist geneigt, den Flüsterton einzelner Gehörshallu¬ 
zination auf die periphere Entstehung oder auf eine mitigierte 
Schädigung zurückzuführen. Flüstern, halblautes Auftreten, habe 
ich beim halluzinierten Namensanruf (s. o.) auf die Unbestimmtheit 
der Erwartung etc. zurückführen können. In etwas anderem Sinne, 
nämlich als Unbestimmtheit des Sinneseindruckes, scheint mir die 

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Unbestimmtheit wirksam in der von Eraepelin betonten hallu¬ 
zinationsbefördernden Wirkung unscharfer Eindrücke und in Bech¬ 
terews Versuch im Abklingen des Delirium tremens durch Filieren¬ 
lassen übernaher Gegenstände Halluzinationen auszulösen. Döllken 
betont , noch das Fremdgefühl bei den Halluzinationen, das ist ein 
Gefühl des Fremdartigen. Soweit dieses nicht durch Störungen der 
Aktionsgefühle bedingt ist (s. o.), möchte ich auch darin Beziehungen 
dieser Unbestimmtheit der Eindrücke zum Gefühle der Ungewißheit 
und Ratlosigkeit erblicken. 

Döllkens Fall mit halluziniertem Namensruf bekommt eine 
Attacke mit nächtlichem Gedankenlautwerden: „Ich will, was ich 
will,“ und nächtlichem Rufenhören seines Namens in seiner Stirn, 
als er sich in einem Zustande von Affekterregung, Depression, Zer¬ 
streutheit mit schlechtem Schlaf und eigentümlichen Sensationen 
von 3—4 Tagen Dauer befindet. In einer früheren Erregungsattacke 
hörte er die „hypnogog“ halluzinierten Köpfe gleichgiltige Dinge 
sagen. 


W i 1 m a n n s berichtet über schon der Haftpsychose verwandte 
leichte, kurz dauernde Störungen, welche sich aus hypnagogen Hal¬ 
luzinationen heraus entwickeln: bei jungen Leuten, welche zum Teil 
schon früher sehr lebhafte Träume, Sprechen und Weinen aus dem 
Schlaf zeigten. Die Verhaftung macht einen tiefen Eindruck bei ihnen, 
sie geraten in starke innere Erregung mit herabgesetzter Nahrungs¬ 
aufnahme und schlechtem Schlaf. Sie werden nachts ängstlich, 
beginnen nachts verdächtige Geräusche, „eigentümliches“ Knattern 
des Ofens, Klopfen an den Wänden, Musik und Glockenläuten zu 
hören, hören die Stimme des Vaters und hören ihren Namen rufen, 
tagsüber sind sie vielfach traumhaft benommen, klagen über Kopf¬ 
schmerzen, Schwindel, Ohrensausen (vgl. hiezu drei meiner Fälle von 
Namensruf, alle hysterischer Provenienz). Von körperlichen Angst¬ 
symptomen zeigen Wilma uns Fälle Präkordialangst und Been¬ 
gungsgefühl. Änderung des Milieus und Hebung des Körperzustandes 
erweisen sich günstig. 


Bechterews Fall mit Ohrenerkrankung zeigt starke nervöse 
Spannung durch das Ohrenleiden, Gehörsillusionen und Gedanken¬ 
lautwerden. Unter anderen halluzinierten Gehörseindrücken hört 
die Patientin auch ihren Namen rufen. 


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Über eine Unruheerscheinang etc. 


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Nicht mehr ganz die gleiche Bedeutung trotz gewisser Ähn¬ 
lichkeiten haben — weil inmitten anderer Gehörshalluzinationen 
inkohärenter Art auftretend — die Halluzination des Namensanrufes 
und das Kufen und Winken Verstorbener in Simmerlings Amentia- 
schilderung und ebenso der halluzinierte Namensanruf inMeynerts 
Schilderung des Delirium tremens, wo der Namensanruf neben andern 
Gehörshalluzinationen den Spaziergang begleitet, aus der Wiese, 
aus dem Graben, von den Bäumen herab ertönt 

Beide Erwähnungen beziehen sich eben auf einen Namens¬ 
anruf ohne selbständige Rolle mitten unter anderen reichlichen 
Gehörshalluzinationen bei Zuständen schwer gestörten Bewußtseins. 
Über den weitaus häufigeren Fall des halluzinierten Namensanrufes 
bei Gesunden oder im Initialstadium der Psychosen habe ich in 
den oben angezogenen Lehrbüchern nichts gefunden. 


F. 

Zusammenfassung und Schlußsätze. 

Sozusagen interkurrent wie eben in Simmerlings Amentia- 
Beobachtung und inMeynerts Beschreibung des Delirium tremens 
sind auch die oben (Kapitel B) erwähnten Anrufe „Mutter, Mutter“, 
bei melancholischen, presbyophrendeliranten oder amenten Müttern. 
Ähnlich verhält sich der Namensanruf eines Falles von Melancholie 
in Abteilung II (Krankengeschichten und Tabellen). Gelegentlich 
findet sich in einem meiner Fälle als Grundlage des halluzinierten 
Xamensanrufes eine ganz bestimmte Erwartung und Sehnsucht: dem 
nächtlich halluzinierten Namensanruf „Anna“ von der Stimme des 
unglücklich Geliebten folgte bald die halluzinierte Frage: „liebst 
du mich ?“ und ein' hysterischer Dämmerzustand (vgl. Abt. II). 

Immerhin spielte auch in meinen atypischen Fällen eine 
objektive oder subjektive unbestimmte Unruhe (z. B. in unerquick¬ 
lichen Verhältnissen begründet) oder das Gefühl unbestimmter 
Importanz usw. eine Bolle (s. Abt. H). 

Für die typischen Fälle, welche die Grundlagen meiner Fest¬ 
stellungen und die weitaus überwiegende Zahl bilden, ergibt sich 
folgende Analyse welche uns schon zur Einleitung gedient hat: 


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Zusammenfassung. 

Ausgehend von der Halluzination des eigenen Vornamens in 
Rufform, hat sich mir ein Parallelismus ergeben: zwischen dem 
halluzinierten Namensanruf, dem normalen Namensanruf und der 
diffusen Eigenbeziehung (dem Beachtungswahn). 

Dieser Parallelismus ergab sich bei der Analyse der zuge¬ 
hörigen Gemütszustände. Es erwies sich, daß der Parallelismus in 
der Konstitution, in der Zusammensetzung der zugehörigen Gemüts¬ 
zustände gegeben ist. 

Bei der Beachtung des zeitlichen Verhältnisses zwischen der 
betreffenden vorliegenden Erscheinung (Beachtungswahn, halluzi¬ 
niertem Namensauruf und normalem Namensanruf) und dem ihr 
zugehörigen Gemütszustände klang vernehmlich durch diese Parallele 
hindurch: ein Grundgesetz einer ganzen Gruppe von Wahnideeu 
und Halluzinationen. 

Das Grundgesetz betrifft die Genese der Wahnideen und 
Halluzinationen aus einem ihrem Inhalte „adäquaten Gemüts¬ 
zustände“. Es lehrt uns, daß den Wahnideen und Halluzinationen 
jener Gemütszustand zu Grunde liegt, welcher durch ein wirkliches 
Erleben der betreffenden Wahniuhalte, resp. Halluzinationsinhalte 
entstünde. 

So paradox es kiingt: Es fiel gleichzeitig ein Streiflicht von 
Seiten dieses Grundgesetzes vom „adäquaten Gemütszustände“ 
hinüber auf die „inadäquate Reaktion“ der Geisteskranken auf 
ihre Wahnideen und Halluzinationen. Es ließ sich gerade von da 
aus das Übermaß dieser Reaktion (im Vergleiche zur Reaktion 
beim Gesunden auf Gleiches, aber wirklich Erlebtes) erklären. . 

Durch die Analyse des zu Grunde liegenden Gemütszustandes 
erkannten wir den halluzinatorischen Namensauruf, den Beachtungs¬ 
wahn und die Vorahnungen gleicherweise als Unruheerschei¬ 
nungen. Daraus erfioß die Beachtung der „Uuruhebilder“ über¬ 
haupt. Deren Untersuchung innerhalb der verschiedenartigen 
Psychosen erwies die Unruhe (resp. die mit ihr nahe verwandte 
Angst) als eine durch fast alle psychischen Alterationen durch¬ 
gehende Erscheinung. 

Von den leichtesten Störungen des psychischen Gleichgewichtes 
beim Gesunden bis zu den schwersten Psychosen klingt die Unruhe 
mit ihren verschiedenen Ursachen und ihren verschiedenen Folge¬ 
erscheinungen mehr minder selbständig hindurch — vergleichbar 


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Über eine Unruheeracheinung etc. 


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einem mal versteckten, mal deutlichen und mal alles beherrschen¬ 
den Leitmotive. 

Als Etappen auf diesem Wege meiner Feststelluugen ergaben 
sich folgende Punkte: 

Zuerst haben wir kennen gelernt: 

Die „Unbestimmtheit“ als einen Grundzug im Erscheinungs¬ 
komplexe des halluzinierten Namensanrufes und die Bevorzugung 
des Vornamens in der Halluzination des Namensanrufes. 

Weiter: Daß diese Bevorzugung des Vornamens, des Ruf¬ 
namens ein Zeichen ist für die Bedeutung des Sichangerufen- 
glaubens, des Sichangerufenfühlens in dieser Gehörshalluzination. 

Die Analyse des Sichangerufenglaubens, des Sicliangerufeu- 
fühlens, des „Rufcharakters“ überhaupt — somit vor allem als 
normal-psychologische Erscheinung beim wirklichen Angerufenwerden 
— ergab: Das Sichangerufenglauben, das Sichangerufenfühlen ist eine 
Unterform des Sichgetroffenfühlens, gegeben beim wirklichen 
Angerufenwerden. Beim normalen Nameusanruf liefern ein Sich- 
getroffenfühlen, ein Erwartungsgefühl unbestimmter Art und ein 
Bedeutsamkeitsgefühl zusammen einen geschlossenen Gemütszustand, 
eben den Rufcharakter; das Sichangerufenfühlen, das Sichgetroffen- 
fühlen ist die Grundlage, das Erwartungsmoment, das Erwartungs¬ 
gefühl und das Bedeutsamkeitsgefühl sind die charakteristischen 
Komponenten des Rufcharakters, die Unbestimmtheit des Erwartungs¬ 
gefühles ist ein wichtiges Moment darin. 

Im Rufcharakter, im Gemütszustände des normalen Namens¬ 
anrufs, ist eine der am frühesten angelernten ursprünglichsten asso¬ 
ziativen Verknüpfungen eines Gehörseindruckes mit einem bestimmten 
Gefühlskomplexe und dieses Komplexes mit der Vorstellung der 
eigenen Persönlichkeit gegeben. 

Der Rufcharakter hat die soziale Funktion, die Aufmerksamkeit 
auf etwas Kommendes zu lenken, den betreffenden Angerufeuen 
(oder an der Schulter Berührten usw.) den Geschehnissen in seiner 
Umgebung zuzuwenden, ihn für sich, als von diesen Geschehnissen 
betroffen, zu charakterisieren und ihn etwas Kommendes, Unbestimm¬ 
tes von Importanz erwarten zu lassen. 

Der Gemütszustand des Beachtungswahus, der ditfusen Eigen¬ 
beziehung, und derjenige durch und nach wirklich erfolgtem Namens- 
anruf sind ähnlich zusammengesetzt. 


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Aber der Gemütszustand der Eigenbeziehung ist deren Ur¬ 
sache, der analoge des Namensanrufes ist dessen Folge. 

Der Gemütszustand vor und bei der Halluzination des An¬ 
rufes mit dem eigenen Namen gleicht dem Gemütszustände nach 
wirklich erfolgtem Namensanruf, dem Rufcharakter. Aber der Ruf¬ 
charakter ist die Folge des wirklich erfolgten Namensanrufes. 
Der gleiche, aus anderen Gründen gegebene Gemütszustand von Ruf¬ 
charakterart ist die Ursache des halluzinierten Namensanrufes 
solcher Fälle ebenso wie der Eigenbeziehung. Ein Gemütszustand, 
wie er dem wirklich erfolgten Nanensanruf zugehört, muß nicht 
immer durch einen Anruf (Vornamen, Wink usw.), er kann auch 
auf andere Weise entstehen — nämlich als Teilerscheinung von 
„Unruhebildern“ verschiedener Art. Der aus andern Gründen ge- 
gebeue Gemütszustand von Rufcharakterart kann seinerseits seinen 
assoziativen Verbandsgenossen, den Gehörseindruck des eigenen Vor¬ 
namens, erwecken. Durch diesen hinzuassoziierten Verbandsgenossen 
des betreffenden Gemütszustandes und durch das Fortbestehen dieses 
Gemütszustandes selber, des Rufcharakters, wird ein fälschliches Sich- 
angerufenglauben geliefert, eben der halluzinierte Namensanruf. 


Der jeweilige Gemütszustand, mit welchem die verschiedenen 
Halluzinationen und Wahnideen zusammen Vorkommen, ist schon 
vor ihnen da. 

Der gleiche Gemütszustand, welcher gewöhnlich die Folge 
bestimmter Eindrücke ist, kann, wenn er schon vorhanden und aus 
andern Gründen gegeben ist, unter bestimmten Umständen zur 
Ursache von Halluzinationen und Wahnideen werden, welche 
inhaltlich den betreffenden Eindrücken gleichen. So entspringt also 
eine große Gruppe von Wahnideen und Halluzinationen jenem 
Gemütszustände, welche ausgelöst würde, wenn das Halluzinierte 
oder wahnhaft Eingebildete wirklich erlebt würde: „dem adäquaten 

Gemütszustände.“ —-— 

Diese Adäquatheit, die Gleichartigkeit des vorbestehenden Ge¬ 
mütszustandes der Halluzinationen und Wahnideen mit dem Gemüts¬ 
zustände durch Erleben entsprechender wirklicher Eindrücke, ist 
nur qualitativ, nicht quantitativ. Auch die Inadäquatheit, die 
Übermäßigkeit der Reaktion auf Wahnideen und Halluzinationen, 
entspringt dem gleichen vorbestehenden Gemütszustände, wie die 
Wahnideen und Halluzinationen selber. 


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Aber die inadäquate Reaktion auf Wahnideen und Halluzina¬ 
tionen ist quantitativ adäquat dem zu Grunde liegenden Ge¬ 
mütszustände. 

Das Übermaß der Reaktion ist zugleich ein Produkt und ein 
Maß dieses Gemütszustandes und beruht auf seinem dauernden 
Vorbestehen und auf seinem Anstiege. 


Der Beachtungswahn, die Vorahnungen, der halluzinierte 
Namensanruf gehören zu den „Unruheerscheinungen“. 

Im Rahmen der toxisch und traumatisch ausgelösten akuten 
und subakuten „Hirnschädigungssyndrome“ und der chronischen „Hirn¬ 
prozesse“ (Demenzprozesse) entsprechen die Unruheerscheinungen 
meist einem mittleren Grade einsetzender, und zwar häufig plötzlich 
einsetzender „Hirnschädigung“. 


Die Unruhe kommt bei den verschiedenartigsten Psychosen 
vor. Sie hat den Charakter eines durchgehenden Zuges. Sie 
geht aber in ihrer Herkunft und in ihrer Ausdrucksform bei den 
verschiedensten Krankheiten eventuell eigene Wege und andere 
Wege als das betreffende Krankheitsbild, dem sie angehört. Die 
Unruhe hat also in der Gestaltung der Psychosen eine bedeutsame 
und zum Teil recht selbständige Rolle. Daraus erwächst die Be¬ 
rechtigung: von „Unruhebildern“ zu sprechen, ohne damit eine 
eigene Krankheit zu meinen. 


Zum Schluß seien nun die Ergebnisse dieses etappenreichen 
Weges nicht mehr nach der Reihenfolge, in welcher sie sich aus 
einander ergeben haben, sondern nach ihrer inneren Zusammen¬ 
gehörigkeit zu folgenden Schlußpunkten geordnet: 

1. Ein Tippen auf die Schulter, ein Wink, ein Ruf: He!, 
Hallo!, Ahoi!, ein Anruf mit dem Vornamen haben Verschiedenes 
gemeinsam. Sie haben alle eine „soziale“ Funktion, sie sind Ver¬ 
ständigungsmittel, wie viele andere Sinneseindrücke übrigens auch. 
Aber ihre Verständigungsfunktion ist eine spezifische, ist eine be¬ 
sondere Art der Verständigung, denn alle diese Eindrücke 
haben noch eine Gemeinsamkeit, die nämlich, daß sie 
einen Anruf bedeuten. 

Dem Sehen eines Winkes, dem Angetipptwerden an der Schulter, 
dem Hören dieser Seemanns-, Kutscher- und Telephonrufe, dem 


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Hören des eigenen Vornamens fällt nämlich die Aufgabe zu: den 
Betreffenden — Angerufenen, Angetippten, durch einen Wink Ge¬ 
meinten — den Geschehnissen in seiner Umgebung zuzuwenden, 
ihn darauf aufmerksam zu machen, daß etwas kommt, was ihn 
angeht, für ihn important ist, ihm aber noch unbekannt ist; kurz 
die Aufgabe, seine Aufmerksamkeit auf etwas Kommendes, Un¬ 
bestimmtes zu lenken und ihn etwas Unbestimmtes von Bedeutuug, 
von Importanz erwarten zu lassen. 

Diese Aufgabe wird erfüllt durch die Erweckung eines ganz 
bestimmten Gemütszustandes bei dem Angerufenen. Das Auf¬ 
tauchen dieses besonderen Gemütszustandes bewirkt, daß eine Laut¬ 
kombination als Anruf wirkt, daß man sich nicht bloß nennen hört, 
sondern sich angerufen fühlt. 

Erst durch die fixe assoziative Verknüpfung mit einem solchen 
Gemütszustände wird ein Gehörseindruck zum Anruf, denn nur 
die Besonderheiten dieses Gemütszustandes beinhalten den „Ruf- 
charakter“. In diesem Gemütszustände ist der „Rufcharakter“ der 
betreffenden Eindrücke gegeben. Dieser Gemütszustand „Ruf¬ 
charakter“, das Sichangerufenfühlen ist nun auch, entsprechend 
seiner Aufgabe, zusammengesetzt. Als diese Aufgabe haben wir 
kennen gelernt: den Angerufenen seiner Umgebung zuzuwendeu 
und ihm zu bedeuten, daß etwas kommt, was er nicht kennt, was 
ihn aber nahe angeht. Dieser seiner Aufgabe (den Betreffenden etwas 
Unbestimmtes von Importanz erwarten zu lassen) entsprechend, ist 
auch der Rufcharakter zusammengesetzt: 

Aus einem Gefühle des Persöulichgemeintseins, d. i. aus einem 
Sichgetrolfenfühlen, einem Gefühle unbestimmter Erwartung und 
einem Gefühle erhöhter Bedeutsamkeit (Importauzgefühl). 

Die allgemeine Grundlage in diesem Gefühlskomplex ist das 
.Sichgetroffeufühlen; das charakteristische Moment, das den Ruf¬ 
charakter ausmacht, besteht in dem Gefühle unbestimmter Erwartung 
und dem Importanzgeftihle. 

Die assoziative Verknüpfung dieses Gemütszustandes Rufcharak¬ 
ter mit dem Gehörseindruck des eigenen Vornamens ist von Jugend 
au eiugeschliffen, also sehr innig und beinahe singulär. Man ruft 
eben die Kinder fast nur mit dem Vornamen. 

2. Es ist eine Grundregel des psychischen Geschehens, daß der 
assoziative Verbindungsweg zwischen 2 assoziativen Verbandsgenossen 
in beiden Richtungen beschritten werden kann. Der assoziative Ver- 


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Über eine Uuruheerscheinung etc. 


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bindungsweg muß nicht immer von jenem Punkte aus betreten 
werden, von dem aus in der Regel der Yerbandsgenosse erweckt, 
ausgelöst wird. Der Verbindungsweg ist eben nicht nur in der ge¬ 
wohnten Richtung, sondern auch in umgekehrter Richtung gangbar. 

Ist nun ein Gemütszustand von „Rufcharakterart“ aus anderen 
Gründen gegeben, so ist er imstande, nun seinerseits den Eindruck 
des eigenen Vornamens zu erwecken und dies um so leichter, je 
inniger die assoziative Verknüpfung zwischen dem Gemütszustände, 
„Rufcharakter“ und dem Gehörseindruck ist. Bei Müttern kann durch 
den gleichen Gemütszustand von Rufcharakterart ein anderer innig 
assoziierter Gehörseindruck von der gleichen Bedeutung an Stelle 
des Vornamens erweckt werden, nämlich das Wort „Mutter“. Es 
wird also im Falle der Halluzination des Anrufes mit dem Worte 
Mutter oder des Anrufes mit dem eigenen Vornamen der assoziative 
Verbindungsweg in zur gewohnten entgegengesetzter Richtung be¬ 
gangen — eben von dem vorbestehenden Gemütszustände aus. 

Damit aber der assoziativ erweckte Gehörseindruck nicht ein¬ 
fach als gehört halluziniert wird, sondern als Anruf aufgefaßt wird, 
ist es nötig, daß der Gemütszustand von Rufcharakterart noch fort¬ 
besteht, nachdem er den Gehörseindruck erweckt hat. 

Es ist also für den Eintritt eines Sichangerufenfühlens, eines 
fälschlichen Sichangerufenglaubens, also für den Eintritt des halluzi¬ 
nierten Namensanrufes das länger dauernde Vorbestehen und das Fort¬ 
bestehen eines Gemütszustandes mit dem Gefühle unbestimmter 
Erwartung und erhöhter Bedeutsamkeit nötig. Die Gefühle un¬ 
bestimmter Erwartung und erhöhter Importanz liegen aber auch in 
den Gefühlen unbestimmter Unruhe, unbestimmter Angst, drohenden 
Unheils, in den Vorahnungen usw. 

Die Tatsache aber, daß der assoziativ erweckte Anruf nicht 
etwa einfach als Erinnerung oder als eigener Gedanke, sondern als 
etwas Fremdes, als scheinbarer Sinneseindruck, als Halluzination 
auftaucht, hat noch andere Ursachen. Diese Ursachen fallen zu¬ 
sammen mit den allgemeinen Momenten, welche darüber entscheiden, 
ob halluziniert wird oder nicht (darunter z. B. auch mit dem Vor¬ 
liegen eines Unruhezustandes). Diese allgemeinen Momente liegen 
nicht im Rahmen dieser Erörterung. Jedoch erleichtert auch gerade 
die innige und beinahe singuläre assoziative Verknüpfung (zwischen 
dem Rufcharakter und dem Gehörseindruck des eigenen Vornamens) 
das Auftreten des eigenen Vornamens direkt als Gehörseindruck, 


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somit als Halluzination. So kommt es, daß sich der halluzinierte 
Namensanruf mit Vorliebe, schon vor Eintritt schwererer Störungen 
(blühender Wahnbildung, reichlicher Halluzinationen, stärkerer 
Trübung des Bewußtseins) im Prodromal- oder Initialstadium der 
Psychosen einstellt und bei Geistesgesunden schon bei geringfügiger 
Störung des psychischen Gleichgewichtes vorzufinden ist. 

Der gleiche vorbestehende Gemütszustand von Rufcharakter¬ 
art ist auch bei entsprechender Dauer befähigt, diffuse Eigenbeziehung, 
einen Beachtungswahn auszulösen. 

Der halluzinierte Namensanruf und die diffuse Eigenbeziehung 
kommen daher uicht selten nebeneinander vor. Beide zusammen 
oder der Beachtungswahn allein findet sich besonders im Initial¬ 
stadium verschiedener Psychosen oder bei Geistesgesunden unter 
besonderen Umständen. 

3. Der halluzinierte Namensanruf und die Eigenbeziehung 
einerseits, der normale Namensanruf andererseits unterscheiden sich 
also bezüglich des zeitlichen Verhaltens zu ihrem zugehörigen sonst 
gleichartigen Gemütszustände. 

Das wirkliche Angerufenwerden, der normale Namensanruf 
erweckt erst den Rufcharakter. Er ist sozusagen die Ursache 
dieses Gemütszustandes. Der halluzinierte Namensanruf und der 
Beachtungswahn aber werden durch diesen Gemütszustand erweckt, 
sie sind die Folge eines vorbestehenden Gemütszustandes von 
Hufcharakterart. 

Dieses Verhältnis liefert den Schlüssel zu einem allgemeinen 
Grundgesetz einer großen Gruppe von Wahnideen und Halluzinationen: 
Wahnideen und Halluzinationen entspringen jenem Gemütszustände, 
welcher entstünde, wenn das wahnhaft Eingebildete oder Hallu¬ 
zinierte, kurz der betreffende Eindruck, wirklich erlebt wäre. Wahn¬ 
ideen und Halluzinationen entspringen einem ihrem Inhalte nach 
adäquaten, aber vorbestehenden Gemütszustände. 

4. Dem gleichen adäquaten Gemütszustände entspringt 
auch die inadäquate, die übermäßige Reaktion auf Wahnideen 
uud Halluzinationen, soweit die Übermäßigkeit nicht durch Demenz, 
Benommenheit usw. bedingt ist. 

Dieses scheinbar paradoxe Verhältnis erklärt sich dadurch, 
daß der vorbestehende Gemütszustand nur qualitativ dem Inhalte 
der Wahnideen und Halluzinationen adäquat ist, aber nicht quantitativ. 
Eine wirklich erlebte Beschimpfung und Bedrohung usw. erweckt 


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nur einen entsprechenden Affekt, welcher mehr minder rasch abfällt, 
sich jedenfalls beim Gesunden in absteigender Kurve bewegt. Die 
Halluzinationen und Wahnideen der Beschimpfung und Bedrohung 
aber entsprechen dem Gipfelpunkte eines hohen Angstzustandes 
usw. Sie sind das Produkt eines länger vorbestehenden und an 
Intensität steigenden Affektzustandes und dem entspricht denn auch 
die Reaktion auf sie. 

Es verhält sich bei Halluzinanten und Wahnkranken der 
wirklich vorliegende Gemütszustand zu jenem vergleichsweise heran¬ 
gezogenen, der entstünde, wenn — etwa wie gehäufter Groll zu 
einmaligem Ärger. 

Die Inadäquatheit der Reaktion auf Wahnideen und Hallu¬ 
zinationen ist also ein Produkt und zugleich ein Maß des vorbe¬ 
stehenden, dem Inhalte der Wahnideen und Halluzinationen adä¬ 
quaten Gemütszustandes. 

5. Aber nicht nur durch diese beiden allgemeinen Ergebnisse 
— bezüglich eines Grundgesetzes der Wahnideen und Halluzi¬ 
nationen und bezüglich der inadäquaten Reaktion auf Wahnideen 
und Halluzinationen — erweist sich die Analyse des Gemüts¬ 
zustandes bei der Halluzination des Anrufes mit dem eigenen 
Namen fruchtbar. Es ließ sich nämlich noch festlegen, daß dieser 
Gemütszustand zu einem „Unruhebilde“ gehört. Die Vorahnungen, 
der Beachtungswahn, der halluzinierte Nameusanruf sind Unruhe¬ 
erscheinungen, und zwar einer besonderen Gruppe. Sie gehören zu 
den leichteren Unruheerscheinungen (subjektive innere Unruhe) und 
können durch die verschiedensten zerebralen Störungen zustande 
kommeu. Vasomotorische Unruhe, klimakterische Unruhe, gewisse 
dyshumorale (innersekretorische) Störungen, exzessives Rauchen, 
Brunnenkrise, Phrenokardie, Angstneurose, Zwerchfellhochstand, 
Darmentleerungsstörungen, hysterische Dämmerzustände im Beginne, 
Psychasthenie und Melancholie, Enzephalopathia saturnina und 
Dementia praecox finden wir vertreten, also einfache nervöse 
Unruhezustände bis zu den schwereren Hirnschädigungen. 

Die Unruhe ist überhaupt ein Grundzug, welcher durch die 
verschiedensten Psychosen hindurch geht und sie in ihrer Er¬ 
scheinungsform nicht unwesentlich modifiziert. Sie kann derselben 
Hirnschädigung entspringen, welche auch die Psychose erzeugte. Sie 
kann aber auch bestimmten Folgeerscheinungen der Psychose, z. B. 
dem Wegfall der Hemmungen aus Demenz oder in der Benommen- 


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heit entspringen oder auch verschiedenen anderen mithineinspielenden 
Ursachen. Wo die Unruhe der Hirnschädigung selbst entspringt, 
entspricht sie einem mittleren Grade von „Hirnschädigung“ 
und deutet auf das Vorliegen eines solchen Mittelgrades zur Zeit 
der Unruheerscheinungen. 

Wegen einer gewissen Selbständigkeit der Unruheerscheinungen 
ist es berechtigt, von „Unruhebildern“ zu sprechen. 

Zwar müssen wir auseinander halten: die Unruhe durch be¬ 
kannte Hirnschädigung und die „Beunruhigung“ durch affektuöse 
Beeinflussung. Wie zu vermuten ist, geht auch letztere mit Hirn¬ 
schädigungen — vielleicht zirkulatorischer Natur — einher; diese 
Schädigungen sind aber zurzeit unbekannt. Trotzdem bestehen so 
viele Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Arten von Unruhe, 
daß wir einer dauernden Beunruhigung durch affektuös wirksame 
Einflüsse auch Hirnschädigungen von größerer Tragweite Zutrauen 
dürfen. Dann dürfen wir aber die Rolle unruhevoller, kampf- und 
affektgepeitschter Existenzen und Zeitalter in der Ätiologie „psycho- 
traumatischer“ Neurosen, „erworbener psychotischer Konstitutionen“ 
und auch für die Entstehung schwerer Hirnstörungen nicht zu 
gering anschlagen. Manche gegenteilige Statistiken wollen zeigen, 
daß die Zahl der Psychosen auch in unserem unruhevollen und 
gehetzten Zeitalter nicht zugenomraen hat. Trotzdem glaube ich, 
daß hier ein tieferes Eindringen in die Erscheinungen, Ursachen 
und Folgen der Unruhe an der Hand einzelner Fälle weiter führen 
kann als die Statistik — nicht nur theoretisch, sondern auch pro¬ 
phylaktisch und therapeutisch. 


Abteilung II: Tabellen. 

Die nun folgenden Fälle sind in mehrere Gruppen gegliedert: 
<i) Fälle mit dem halluzinierten Namensanruf; 
b) Fälle mit dem halluzinierten Namensanruf und mit diffuser 
Eigenbeziehung (Beachtungswahn); 

ci Fälle mit diffuser Eigenbeziehung bei dem Gemütszustände 
innerer Unruhe (unbestimmte Unruhe, unbestimmte Erwartung oder 
unbestimmte Angst. Gefühl erhöhter Importanz der Eindrücke, 
Gefühl drohenden Unheils); 

d\ „Unruhebilder“ mit dem Zustandsbilde der subjektiven oder 
subjektiven und objektiven unbestimmten Unruhe. 

Sonach sind natürlich nicht alle Arten von Unruhebildern und 


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von Beziehungswahn aufgenommen, sondern nur diejenigen, deren 
Gemütszustand verwandtschaftliche Beziehungen zu dem Gemüts¬ 
zustände des halluzinierten Namensanrufes hat. Dagegen habe ich 
alle Fälle von halluziniertem Namensanruf aufgenommen, deren 
ich habhaft werden konnte. Von den Fällen der Prager deutschen 
psychiatr. Klinik mit Namensanruf sind diejenigen zwei einbezogen, 
welche mir unterkamen, seit ich die Erscheinung des halluzinierten 
Namensanrufes direkt verfolge. Andere Erfahrungen, die ich an der 
Klinik vor dieser Zeit machte, z. B. über den halluzinierten Namens¬ 
auruf oder den gleichwertigen Anruf „Mutter“ bei Amenten und 
bei Presbyophrendeliranten, sind wohl im Haupttexte gestreift, aber 
hier nicht belegt. Da mir Notizen über den Namen dieser Kranken 
fehlen, wäre die Auffindung der Krankengeschichten ohne die aller¬ 
größte Mühe nicht möglich gewesen. Trotzdem scheint mir das 
hier beigebrachte, überwiegend der Privatpraxis entstammende, zum 
Teil recht eigenartige Materiale ausreichend. 

Eine ausführliche Darlegung der Krankengeschichten würde 
weit über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen. Daher sind sie 
auszugsweise in einer Tabelle dargestellt. Diese Tabelle ist derart 
geordnet, daß eine Vergleichung derselben Erscheinung bei den 
verschiedensten Fällen und eine geordnete vergleichende Übersicht 
aller wirksamen Momente eines Falles im Zusammenhalt mit denen 
aller Fälle möglich ist. 

Zu diesem Zwecke zeigt die Tabelle folgende Rubriken: 

A. Halluzination des Namensanrufes, die Eigenschaften dieser 
Halluzination und die Umstände ihres Eintretens. 

B. Die diffuse Eigenbeziehung (Beachtungswahn), ihre Aus¬ 
drucksformen und etwaige besondere Umstände ihres Eintretens. 

C. Der grundlegende, dominierende Gemütszustand des hallu¬ 
zinierten Namensanrufes und der Eigenbeziehung. 

D. Diagnose des Falles. 

E. Etwaige klinische Besonderheiten des Falles. 

F. Geschlecht. 

G. Alter. 

H. Nummer, Initialen, Stand. 

Es sind 41 Fälle in Vergleich gesetzt. Die Krankengeschichte 
des Falles Nr. 1. findet sich in einer Anmerkung des Haupttextes 
wiedergegeben. Die Wiedergabe der restlichen Fälle setzt also mit 
Fall Nr. 2. ein. Jedoch ist Fall Nr. 1 der Übersicht halber noch¬ 
mals vorangestellt. 


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106 Dr. Max Löwy. 



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Über eine Unruheerseheinung etc. 100 



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110 Dr. Max Löwy. 



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miefallen des Kopfes. einer Tliyr»oidinl>ehund- rioidinkrise (Analogon 

; lung kongestive Tliy- der Brunnenkrise, des 
I rioidinkriso. Brunnenransches). 



111 


Über eine Unniheerscheinung etc. 



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Unheils, 




112 


Dr. Max Löwy 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 


liozeichiietc, mir sich, „aas ist l asm», das wollte ich gar nicht, wio wann inan i 
in gespannter Si- sieh verspricht und dann verbessert und dann kommt er auf den | 
tuation auftrat). eigentlichen krankhaften (lodaukeugung (die Orientreise, den 
ViHonhau usvv.) zurück. In dienern Auftauchen unsinniger Worte, 

I d. Ij. solcher Worte und Gedanken, welche in diesem Zusammenhang 




Über eine 

Unruheerscheinung etc. 113 

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Unruhe mit 
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nach den 
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Wieder- 
hervortreten 
der Unruhe 
u. Gedanken¬ 
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seit wenig¬ 
stens einem 
Jahre nicht 
mehr bestan¬ 
den hatten. 


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Verstimmung mit 
hy pocho ndrischen 
Zügen, später eher 
depressiv neur- 
asthenisches Zu¬ 
standsbild, beides 
wohl Prodrom einer 
Taboparalyse. 
ßaderausch nach 
CO* Bädern. 

nicht am Platte sind und welche da stehen, ohne daß die Bedin¬ 
gungen ihrer Herkunft dem Denkenden klar sind, bei Gelegenheit 
des Buche ns eines verlorenen, affektuös betonten Gedankenfadens 
ist mit großer Wahrscheinlichkeit ein Unruhesymptom zu erblicken. 
Auch hat der Pat. gelegentlich eine momentane Gedankenleere 
(auch objektiv von mir gesehen und vielleicht auch aufzufassen 
als Unruhesymptom aflektuöser Gedankengänge). Deutlicher, mit 
motorischer Unruhe gemischt ist die Zerstreutheitserscheinung, daß 
er ohne Grund im Gespräch plötzlich die Straße überschreitet, als 
ob er drüben etwas zu besorgen hätte, wie magnetisch angezogen, 
und die Erscheinung, daß er zu Zeiten hoher geistiger Anspan¬ 
nung und an Verstimmungstagen es liebt, in rasendem Tempo 
Automobil zu fahren. 

Vor 2 Jahren, nach einem Todesfälle in der Familie zum ersten¬ 
mal im Leben traurig, unlustig, scheute die Gesellschaft, es freute 
ihn nichts, er war gleichgiltig und doch geängstigt, ohne 
zu wissen, wovor. War unruhig, so eine „Gedanken¬ 
flut“ gewöhnlicherGedanken,V erlangsaraung der geistigen 
Arbeit, des Ganges, der Sprache, Gefühl der Lähmung der Glieder, 
Gefühl von Schwäche nnd schwankendem Gang, Selbstvorwürfe 
über Vorfälle aus der Jugend. Jetzt Wohlbefinden, aber Wieder- 
hervortreten der Unruhe, der Gedankenflut, welche seit wenigstens 
einem Jahr nicht mehr bestanden hatte, u. zw. wiederholt nach 
CO* Bädern: unmittelbar nach dem Bade gereizter und reizbarer 
als sonst, Vibrieren im Kopfe und Mattigkeit. Am Nachmittag 
und in der Nacht dann unruhig. Diese Gedanke-nflut, 
viele Gedanken, eins nach dem andern, Familiengeschichten, 
gesellschaftliche Dinge, manchmal angenehmer, manchmal un¬ 
angenehmer Art ohne Vorwiegen des Unangenehmen, überwiegend 
gieichgiltiger Natur; dabei nicht ängstlich, nicht zornig, nur un¬ 
ruhig. Nachts der Schlaf unruhig, dämmernd, nicht so fest wie 
sonst, keine Kopfschmerzen, kein Schwindel, keine Schwäche, 
kein Herzklopfen. 


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Jahrbücher für Psychiatrie, XXXIII. Bd. 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


115 


Ergebnisse: 

Es sind hier lauter Fälle aus der Gruppe der „Unruhebilder“ 
angeführt, u. zw. bieten alle Patienten das Zustandsbild der 
subjektiv empfundenen, d. i. inneren, unbestimmten 
Unruhe. 

Den Kulminationspunkt des Lebens, die Grenze der Voll Wertig¬ 
keit möchte ich, um überhaupt eine Durchschnittszahl geben zu 
können, mit 40 Jahren ansetzen. Jenseits dieser Grenze befinden 
sich von meinen 41 Fällen 15 (36*6 %); im Aufstiege, resp. auf 
der Höhe ihrer Vollwertigkeit, somit auch überwiegend im Daseins¬ 
kämpfe, stehen die restlichen 26 Fälle (63-4%). 

Auffällig ist die Verteilung nach dem Geschlechte. Der weitaus 
größte Teil entstammt meiner Privatpraxis, die aus der Klinik heran¬ 
gezogenen einzelnen Fälle ändern nicht wesentlich das Zahlenver¬ 
hältnis. In meiner Privatpraxis (Psychiatrie, Neurologie und innere 
Medizin) überwiegt die Zahl der Männer um ein bedeutendes, da¬ 
gegen stehen unter den hier beigebrachten 41 Fällen mit innerer 
Unrohe 13 Männern 28 Frauen gegenüber. Nach Abzug der klini¬ 
schen Fälle ergibt sich ungefähr das Verhältnis 1:2, 33% Männer 
gegenüber 67% Frauen mit innerer Unruhe. 

Von den 13 Männern sind unter 40 Jahren 10 (77 %), dar¬ 
über 3 (23 %), von den 28 Frauen sind unter 40 Jahren 16 (57 %), 
darüber 12 (43 %). Sonach überwiegt unter meinen Fällen weitaus 
die Zahl der Frauen (67%) und das jüngere Lebensalter (63*4 %). 
Trotzdem sind es aber nicht die Frauen, bei denen das jüngere 
Lebensalter vorwiegt, sondern gerade die Männer stellen 77 % 
jüngere gegenüber 23% älteren und verschieben so die Gesamt¬ 
zahlen zu Gunsten der Beteiligung des jugendlichen Alters, denn 
unter den Frauen allein stehen 57% jüngeren schon 43% ältere 
gegenüber. Danach ergäbe sich: Die Momente, welche zum Zustands¬ 
bilde der inneren Unruhe Veranlassung geben, überwiegen weitaus 
bei den Frauen und wo dieses Zustandsbild bei den Männern vor¬ 
liegt, ist weitaus häufiger das jüngere Lebensalter betroffen. Von 
diesem wissen wir, daß es gerade beim Manne den Schädlichkeiten 
des Daseinskampfes und Reizmitteln (siehe unten) stärker unter¬ 
worfen ist. 

Nun ist zwar die Zahl der beigebrachten Beobachtungen in 
Anbetracht der Besonderheit und Neuheit des gemeinsamen Gesichts- 

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116 


Dr. Max Löwy. 


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Punktes — Zusammenstellung der verschiedenartigen Fälle mit 
innerer Unruhe — recht beträchtlich, aber zweifelhaft bleibt es 
immerhin, ob diese Zahl ausreicht, überhaupt statistische Schlüsse 
zu gestatten. Denn es konkurrieren für das Zustandekommen der 
inneren unbestimmten Unruhe so viele differente ätiologische Momente, 
daß ich diese Verhältniszahlen und die daraus gezogenen Schlüsse 
nur mit aller Reserve den Ergebnissen der Vergleichung der klini¬ 
schen Bilder vorausschicke. 

Itlologle der Unruhebilder: 

Die Fälle sind mit ihrer Nammernzahl in der Qrondtabelle be¬ 
zeichnet. Die Nummernzahl des Falles mit einer dem N angehängten 
Null bedeutet den halluzinierten Namensanruf; mit einem Strich nach 
dem N die diffuse Eigenbeziehung; N mit Null und Strich einen Fall 
mit beidem; das N mit einem Punkt dahinter bedeutet einen reinen 
Fall von Unruhe ohne diese beiden Erscheinungen. 

Neurasthenische Unruhe: 

Männer: No 1; N—23; 

Frauen: 0. 

Vasoneurose: 

Männer: Nü 18 (in Betracht kommt noch eine Mitwirkung 
von Dyshumorie [Basedow], entfernt noch von Abusus 
alcoholis und Meteorismus); 

Frauen: 0. 

Angstneurose, Herzneurose: 

Männer: 0; 

Frauen: No 4. 

Phrenokardie, Meteorismus: 

Männer: Nü 19 (event. noch wirksam Hysterie, Angstneurose, 
Alcoholabusus und Nicotinabusus); N. 30; 

Frauen: 0. 

Raucherunruhe, Rauchererwartungsunruhe: 

Männer: No 3; No 5 (Meteorismus spielt mit); 

Frauen: 0. 

Männer: N—25 (Meteorismus, aber hier ohne Einfluß); N—26 
(subakute Raucherparanoia, beginnend in kongestiven 
Unruheanfällen); 

Frauen: 0. 


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Uber eine Unraheerscheinung etc. 


117 


Hysterie: 

Männer: 0; 

Frauen: No 6 (prämenstruelle Verstimmungszustände); No 7; 
No 8; No 10; No 11 (im Beginn des Dämmer* 
Zustandes); Nü 17; N—27; N—28 (Angstneurose 
spielt mit); N—29 (event. Epilepsie). 

Melancholie, manisch-depressives Irresein, Zyklo¬ 
thymie: 

Männer: N. 39 (Angstneurose spielt mit); 

Frauen: No 12; N.2 20; N. 38; N.41 (Dyshumorie, Basedow 
vielleicht die Ursache der Zyklothymie). 

Dyshumorie (Myxödemverwandt, Basedow, Klimakte¬ 
rium,Klimax praecox, Wallungsunruhe, Thyrioidin- 
krise): 

Männer: 0; 

Frauen: No 9 (Dyshumorie, Klimakterium, vielleicht auch 
Hysterie mitspielend); N.2 16 (rein dyshumoraler 
Fall bei einem jungen Mädchen); N—24 (Dys¬ 
humorie, Klimakterium; Unruhe nur während der 
WaUung); N. 31 (nur während der Wallung); N. 32 
(Basedow); N. 33 (Klimakterium; Unruhe nur während 
der Wallung); N. 34 (reineDyshumorie bei 33jähr. 
Frau); N. 35 (Dyshumorie, Klimax praecox); N. 36 
(Dyshumorie, Klimakterium, auch Labyrinthstörung, 
Unruhe nur während der Wallung, resp. nur während 
dyshumoraler Schmerzen und Parästhesien und während 
einer Thyrioidinkrise). 

Kongestiver Brunnen rausch und Baderausch: 

Männer: N. 40 (Unruhe aber auch schon früher während einer 
Dysthymie als Prodrom (?) einer Taboparalyse); 

Frauen: No 2 (daneben ein nicht zum Brunnenrausch ge¬ 
höriges, schon gelegentlich früher aufgetretenes Sym¬ 
ptom der zerebral-arteriosklerotischen Unruhe). 

Labyrinthäre Unruhe: 

Männer: 0; 

Frauen: Nü 15 (Otosklerose, vielleicht spielt das Klimakterium 
mit). 


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Dr. Max Löwy. 


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Hirnschädigung durch zerebrale Arteriosklerose: 
Männer: 0; 

Frauen: N. 37. 

Hirnschädigung durch Dementia praecox: 

Männer: NÜ22; 

Frauen: No 14. 


Hirnschädigung durch Enzephalopathia saturnina: 
Männer: No 13 (oder Sclerosis multiplex, Coitus interruptus); 
Frauen: 0. 


Hirnschädigung durch Erysipel: 

Männer: 0; 

Frauen: N.2 21 (vielleicht spielt Anämie und hämorrhagische 
Diathese mit). 

Nach dieser Aufstellung finden wir als Hauptursache des 
Zustandsbildes der inneren unbestimmten Unruhe: 

Neurasthenie. 2 mal, darunter Frauen 0 

Vasoneurose. 1 „ „ „ 0 

Angstneurose, Herzneurose. 1 „ „ „ 1 

Phrenokardie, Meteorismus. 2 „ „ „ 0 

Exzessives Rauchen. 4 „ „ „ 0 

Hysterie. 9 „ „ „ 9 

Manisch-depressives Irresein. 5 „ „ „ 4 

Dyshumorie . 9 „ „ „ 9 

Brunnen-, resp. Baderausch. 2 „ „ „ 1 

Labyrinthaffektion. 1„ „ „ 1 

Zerebrale Arteriosklerose. 1 „ „ „ l 

Dementia praecox. 2 „ „ „ 1 

Enzephalopathia saturnina. 1 „ „ „ 0 

Hirnschädigung nach Erysipel .... 1 „ „ „ 1 

Weitaus am häufigsten sind in dieser Aufstellung die Hysterie 
(9 mal) und die Dyshumorie, die Störung im Gleichgewichte der 
Drüsen mit innerer Sekretion (9 mal). Beide Störungen in dieser 
Aufstellung durchwegs bei Frauen, obzwar sie sich in selteneren 
Fällen auch bei Männern finden (vgl. z. B. den Fall Nr. 19, einen 
Mann mit dyshumoraler Fettleibigkeit, seine Unruhe anders ver¬ 
ursacht). Dann folgt an Frequenz das manisch-depressive Irresein 
(5mal), das exzessive Rauchen (4mal). Die Beengungsbilder: 
Meteorismus, Phrenokardie, Angstneurose, Herzneurose sind zusam- 


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Über eine Unruheersoheinung etc. 


119 


men 3 mal vertreten, zwischen ihnen und den dyshumoralen Un¬ 
ruhebildern, die Überleitung vermittelnd, stehen die kongestiven 
Zustandsbilder der Vasoneurosen und des Brunnenrausches im ganzen 
3 mal aufgefunden. Die Unruhebilder durch chronische Hirnschädi¬ 
gung stellen auch f&r die Gruppe der inneren Unruhe vereinzelte 
Vertreter. 

Auffällig erscheint die geringe Beteiligung organischer Herz¬ 
störungen, insbesondere in Anbetracht der Ausführungen Hoches 
(zitiert im Haupttext) über die Koinzidenz von Herzstörungen und 
Angst. Diese Differenz dürfte sich durch die Besonderheit meines 
Materiales erklären. Es ist aus ganz schweren Konsiliarfällen und 
aus der ambulanten Sprechstundenpraxis gemischt. Höhere Grade 
von Dyspnoe sind in der ambulanten Praxis selten und die bett¬ 
lägerigen Herzkranken, welche durch meine Hände gingen, boten 
von psychischen Störungen schwerere Erscheinungen, als die sub¬ 
jektive Unruhe darstellt, nämlich Benommenheitszustände oder 
delirante Unruhezustände. In solchen Fällen tritt das subjektive 
Unruhegefühl wohl wegen der Bewußtseinstrübung gegenüber den 
objektiven Unruheerscheinungen, besonders gegenüber der motorischen 
Unruhe zurück. Zwar fehlen auch in dem Materiale, welches den 
obengegebenen Aufstellungen und Tabellen zu Grunde liegt, Herz¬ 
störungen nicht, aber sie sind es nicht, welche im Ensemble der 
Erscheinungen die Grundlage für die Unruhe abgeben. 

So findet sich im Fall No. 2 Cor myocarditicum, wahrschein¬ 
lich arterioscleroticum; im Fall No. 4 Herzneurose; im Fall No. 5 
exzessives Bauchen, Beklemmungsanfälle mit Unruhe, anfangs kon¬ 
gestiver Natur, später mit Blässe einsetzend, überdies spielt 
Meteorismus mit; im Fall No. 6 Cor suspekt; No. 9 kongestiver 
Habitus, Plethora universalis (?); im Fall No. 15 Cor adiposum; 
im Fall No. 17 Vitium cordis (Mitralinsuffizienz); im Fall No. 18 
kongestive Vasoneurose oder forme fruste de3 Basedow, Cor suspekt; 
im Fall No. 22 Mitralinsuffizienz nach Gelenksrheumatismus; im 
Fall No. 24 Cor suspekt; im Fall No. 30 Meteorismus mit schwerer 
Beengung; im Fall No. 33 Cor suspekt; im Fall No. 35 Cor suspekt, 
Myomherz; im Fall No. 37 Cor arterioscleroticum. Also in 14 Fällen 
(in 34%) Herzstörungen, wenn auch in keinem ausschlaggebend 
für die Erzeugung der Unruhe. 

Von den ätiologischen Momenten der Aufstellung verdienen 
eine gesonderte Hervorhebung: Die labyrinthäre Unruhe des 


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Dr. Max Löwy. 


Falles N15; labyrinthäre Störungen im Unruhezustande zeigen auch 
Fall N 86 und Fall N5 (Mikropsie). Weiter die dyshumorale 
Unruhe (gelegentlich zusammen mit der von mir hier aufgestellten 
dyshumoralen Pseudogicht) in den Fällen N 82, N 84, N85, 
N 86 und als Basedowunruhe im Falle N16. Mit der dyshumoralen 
Unruhe zusammen findet sich die verwandte Thyrioidinkrise 
im Falle No.86. Diese ist auch dem Brunnen-und Baderausch 
in No. 2 und No. 40 verwandt. Beine Wallungsunruhe zeigen 
die Fälle No. 81, N. 88. Neu aufgestellt ist hier auch die „sub¬ 
akute Raucherparanoia", hervorgewachsen aus kongestiven 
Anfällen der Baucherunruhe im Fall No.26. Die Raucher- 
unruhe zusammen mit „Bauchertremor“ besteht auch noch 
in andern Fällen No. 8, No.5, N.26. Zerebral-arteriosklero¬ 
tische Unruhe findet sich in den Fällen No.87, No.2. 

Auch gewisse Ausdrucksformen der Unruhe verdienen hier 
noch Erwähnung: so die „Gedankenflut“ gewöhnlicher Gedanken 
als Unruheerscheinung im Falle No. 40. Verwandt ist das Ans¬ 
malen der Verteidigung eines Angeklagten etwa im Stile der Tag¬ 
träumerei im Falle N 8. Stereotype Unruhebewegungen 
mit Parästhesien (zusammen mit Wallungen oder ohne diese 
letzteren) finden sich im Falle No. 85 als Reiben der Glieder aus 
Unruhe in den Gliedern mit dem Gefühle von „Brechen“ dort, 
kein Jucken, gelegentlich eine Wallung dabei. Ferner Unruhe¬ 
bewegungen in Fall No. 5 als Abnehmen des Hutes, Kratzen am Kopf, 
am Unterschenkel bis zum Bluten, „um die Nervosität zu beschäf¬ 
tigen,“ dabei Gefühl von Jucken am Unterschenkel. Ähnlich ist 
das Herausstrecken der Zunge gegen Fremde, die sie ansehen, aus 
Aufregung bei N.28. Dromomanische Unruhezüge zeigt Fall 
N. 11. N. 20 Fortdrängen aus dem Restaurant, dem Theater; 
event auch N. 26. Störungen der Aktionsgefühle, u. zw. 
in Form einer Störung des Denkgefühles als autochthoner Gedanke 
ohne Zutun mit dem Gefühle des Zwanges im Dreamy state auf¬ 
tauchende Vorstellung eines holländischen Blumenfensters zeigt 
Fall N. 29; in Form einer Störung des Wahrnehmungsgefühles, 
welche zum Verändertfinden der wahrgenommenen Objekte, zur 
Entfremdung der Außenwelt führt, findet sich eine Aktionsgefühls¬ 
störung im Beginne eines hysterischen Dämmerzustandes bei Fall 
No. 11 (Fremdvorkommen der Gassen und Neufinden altbekannter 
Häuser); ebenso zusammen mit Transitivismus und mit vielleicht 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


121 


labyrinthärer Mikropsie „Verändertvorkommen“, „Andersvorkommen“ 
der Menschen, „klein und krankhaft Erscheinen“ derselben, als ob 
die auch nicht recht im Kopf wären, Fehlen der „richtigen Vor¬ 
stellung“ von dem, was er sehe, obzwar er es gut erkennt und von 
den Menschen zu dieser Zeit, sie kommen „ihm nichtssagend und 
fad“ vor, widern ihn an, dabei fible Launen und Verdrießlichkeit 
(vielleicht also auch Fehlen des „F&hlgefühles“ und Transitivismus 
dieses Fehlens, Exoprojektion desselben) in kongestiven oder laby- 
rinthären Unruheanfällen eines Rauchers in Fall No. 5 . Anders 
begründet ist das „Fremdvorkommen“,- wie wenn er niemanden 
hätte, das Gefühl der „Einsamkeit“, Verlassenheit und Ratlosig¬ 
keit im Fall No. 22 (vielleicht hier Depressions- und wenigstens 
zum Teil ein direkteres Unruhesymptom). 

Auffassungsstörungen als subjektive Denkerschwerung, 
als Gefühl von Verwirrung und Benommenheit finden sich: Im 
Fall No. 1 (Benommenheit); im Fall No. 2 (als Nichtauffassen des 
Gelesenen und auf Fragen als unzutreffende Antwort „nichts“, d. i. 
Auffassungsstörung bei zerebraler Arteriosklerose als Zerstreutheits¬ 
und Unruhesymptom). In No. 5 besteht subjektive Denkunfähigkeit 
und das Gefühl im Unruhezustande, als ob ihm seine Leute nicht 
mit dem richtigen Respekt begegnen, ihm lau antworten, während 
er nachträglich weiß, daß er es selber ist, welcher während des 
Zustandes nicht ordentlich zuhört (Unaufmerksamkeit als Unruhe¬ 
erscheinung und Transitivismus der Unaufmerksamkeit, wie er auch 
Transitivismus der Aktionsgefühlsstörung hat). Weiter zeigt N. 20 
(Unruhe mit „Betäubung“ in leichtem Brunnenrausch); No. 26 (sub¬ 
jektive Denkunfähigkeit); No. 28 (Benommenheit, Gedankenleere); 
No. 29 (Gefühl subjektiver Verwirrung im Anschluß an Krampf¬ 
anfälle und nach dem Abklingen der objektiven postepileptischen 
Benommmenheit); No. 86 (Beduseltsein während einer Thyrioidin- 
krise); No. 89 (momentane Gedankenleere, auch objektiv bei affek- 
tuöser Inanspruchnahme gesehen). 

Das Gefühl der erhöhten Importanz der Ein¬ 
drücke im Unruhezustande zeigt der Fall No, 1. Weiter, 
und zwar als Folge der Schwerhörigkeit und als Ursache der 
Eigenbeziehung Fall, No. 15. In abendlicher Unruhe mit dem 
Gefühle drohenden Unheils, die Vorahnung konstituierend, findet 
es sich im Fall No. 16. Nur in Angstzuständen vorkommend und 
als Ursache der Eigenbeziehung wirksam im Fall No. 18. 


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122 Dv. Max LÖwy. 

Besonders bedeutungsvoll neben der unbestimmten Unruhe 
ist in dem hier erörterten Gefühlskomplex noch das Gefühl un¬ 
bestimmter Erwartung oder unbestimmter Angst oder das Gefühl 
drohenden Unheils. Ein Gefühl, daß etwas passiert sei, findet 
sich im Falle No. 5. Panphobie mit dem Gefühle drohenden Un¬ 
heils im Falle No. 9. Ungewisse Angst mit Panphobie No. 12. 
Attacken unbestimmter Erwartung eines Unangenehmen unbekannter 
Art mit dem Gefühle drohenden Unheils No. 13. Unbestimmtes 
Angstgefühl, daß etwas passiert, No. 14. Meist abends in der Ein¬ 
samkeit Angst in der Herzgegend, als ob plötzlich ein Unglück 
passieren sollte und das Gefühl unbestimmter Erwartung von etwas 
Unangenehmem, Gefühl drohenden Unheils in Attacken von l /* bis 
Vs ständiger Dauer im Fall No. 18. Nach etwa einjährigem Bestehen 
dieser Attacken auch das Gefühl, als ob er etwas angestellt hätte, 
wie wenn jemand hinter ihm her wäre, als ob er bei Gericht wäre 
und seitdem diese Modifikation hinzugetreten ist, und zwar nur in 
dem Momente, wo er sie hat, diffuse Eigenbeziehung (angesehen, 
besprochen, herangewinkt werden). Ähnlich findet sich Erwartungs¬ 
angst und zeitweilig das Gefühl drohenden Unheils, als ob ein 
Unglück passieren sollte, so ein Gefühl von etwas Bevorstehendem, 
als ob er ein böses Gewissen hätte und dabei in Gesellschaft das 
Gefühl des Besprochenwerdens im Fall No. 25. Während klimakte¬ 
rischer Wallungen, welche in den Kopf steigen, das Gefühl etwa 
so, wie wenn man zu Gericht müßte, ohne daß sie wüßte, was sie 
ängstigt, im Fall No. 31. Neben kongestiven Erscheinungen Angst¬ 
gefühl, als ob ein Unglück unbestimmter Art passieren sollte, 
No. 32. In Wallungen das Gefühl drohenden Unheils unbestimmter 
Angst und unbestimmter Unruhe im Falle No. 33. Treibende Un¬ 
ruhe, unbestimmtes Angstgefühl drohenden Unheils im Falle 
No. 84. Unbestimmte Ang3t und Unruhe mit dem Gefühle, „Gott 
weiß was ich noch durchzumachen haben werde, was noch pas¬ 
sieren kann,“ im Falle No. 36. Angstgefühl, als ob sie einen Mord 
begangen hätte, wie wenn sie verfolgt würde, als ob sie ein Ver¬ 
brechen begangen hätte und als ob ein Polizeimann hinter ihr her 
wäre, No. 87. Abends etwas Angstgefühl und manchmal, immer 
nur in der Einsamkeit, das unbestimmte Gefühl, daß Unheil droht, 
als ob etwas passieren sollte, in No. 41. 

Auch über „Ahnungen“ berichtet ein Teil der Patienten, und 
zwar wird darunter zweierlei verstanden, welches zwar verwandt 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


123 


ist, aber sich nicht ganz deckt. Unter „Ahnung“, „Ahnungen“, 
„Vorgefühl“, „Ahnungsträumen“ meinen die einen das Vorgefühl, 
die Erwartung von etwas Bestimmtem, dessen Eintreffen sie 
Voraussagen und behaupten, also im Sinne der Prophetie; die 
andern bezeichnen so einfach das Gefühl drohenden Unheils, 
unbestimmter Erwartung, unbestimmter Unruhe, un¬ 
bestimmter Angst. Es kommt auch beides nebeneinander vor. 

Als Ahnung bezeichnet das Gefühl unbestimmter Erwartung 
der Fall No. 3; von „unbestimmter Ahnung“ mit dem Gefühle 
drohenden Unheils berichtet Fall No. 4; sowohl „Ahnungsträume“ 
im Sinne der Prophetie bestimmter Ereignisse, als auch Vor¬ 
ahnungen in Form eines Gefühles drohenden unbestimmten Un¬ 
heils hat Fall No. 8 und bezeichnet sich als „Hellseherin“, als 
„Zigeunerin“ — halb scherzhaft; das Gefühl unbestimmter Er¬ 
wartung, ewiger Unruhe, als ob sie eine große Unannehmlichkeit 
erwarte, wie auch Vorahnungen bestimmter Ereignisse hat Fall No. 15 

— die Tochter der Pat. bezeichnet Pat. als „Hellseherin“ —, Pat. 
meint, es ist so eine Vorahnung; auch wenn es nicht eintrifft, 
muß man unwillkürlich daran glauben. Vorahnungen in abend¬ 
lichen Unruhezuständen als Gefühl drohenden Unheils und als 
Gefühl erhöhter Importanz hat Fall No. 17; Vorahnungen in Form 
des Gefühles, als ob etwas Schlimmes passiert, hat Fall No. 19, ob 
sie eintreffen (sc. ob nachher etwas passiert), hat er nicht beachtet; 
Vorahnungen als Gefühl drohenden Unheils, es müsse ein Unglück 
passieren, so daß sie nach Hause telephoniert, ob etwas passiert 
sei, hat Fall No. 20; Ahnungen als Erwartungsgefühl und un¬ 
bestimmte Unruhe ohne Angst hat Fall No. 24; immer schon 
„solches Vorgefühl“ prophetischen Inhalts vor Todesfällen und vor 
Verschlimmerungen in der Krankheit ihres Mannes hat Fall No. 28 

— sie wisse, daß das nervös sei. Ahnungen, so daß sie zu ihrem 
Mann sagt: „es wird irgend etwas passieren,“ das Gefühl drohen¬ 
den Unheils hat Fall No. 29 — die Ahnung sei zwar nie ein¬ 
getroffen, aber man hat immer wieder Angst; Ahnungsträume mit 
bestimmtem Hinweis hat Fall No. 80; Ahnungen in Form des 
Gefühles drohenden Unheils hat No. 88; unbestimmte Ahnung — 
als fixe Idee bezeichnet —, daß etwas kommt, ein Brief, eine An¬ 
sichtskarte, was ihn ablenkt und zerstreut, ferner bestimmte 
Ahnungen in der Form des Gefühles, daß dieses oder jenes ein¬ 
treffen wird, was dann wirklich eintrifft (wobei er eigene Kombi¬ 
nationstätigkeit zugibt), hat Fall No. 89. 


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Unter 41 Fällen mit dem subjektiven Gefühle unbestimmter 
innerer Unruhe sind sonach 27, welche noch ausdrücklich über 
das Gefühl unbestimmter Erwartung mit und ohne Angst und 
über das Gefühl drohenden Unheils berichten. Das entspricht in 
der Begel einem anfallsweisen Auftreten der Unruhe oder einer 
Exazerbation derselben. Von diesen 27 Fällen sind 8 Männer und 
19 Frauen, unter den 13 „Hellsehern“, welche über Ahnungen 
berichten, sind 4 Männer und 9 Frauen, was ungefähr dem Ver¬ 
hältnis der Geschlechter in der Zahl der Fälle mit dem Gefühle 
drohenden Unheils überhaupt und in der Gesamtzahl der Fälle 
von unbestimmter Unruhe entspricht. 

Diese Darstellung der „Ahnungen und Vorgefühle“ hat den 
Vorzug, daß sie wohl die erste ist, die eine gewisse Unbefangen¬ 
heit der Pat. garantiert, denn diese berichteten in der Schilderung 
ihres Gemütszustandes darüber, ohne damit irgend etwas beweisen 
zu wollen. Es zeigt sich zwar, wie schon oben hervorgehoben, daß 
die Frauen unter meinen Unruhefällen überwiegen, aber auch, 
daß die „Hellseherinnen“ unter den unruhigen Frauen keinen 
höheren Prozentsatz ausmachen als die „Hellseher“ unter den 
unruhigen Männern; eher haben die „Hellseher“ noch einen 
Vorsprung. 

Beine Fälle von innerer Unruhe, d. h. solche ohne die hervor¬ 
stechenden Folgeerscheinungen (halluzinierter Namensanruf und 
diffuse Eigenbeziehung) finden sich unter meinen 41 Fällen in 
nicht ganz 30% 12 Fälle. 

Dem geschilderten Gemütszustände der inneren Unruhe ent¬ 
springende diffuse Eigenbeziehung zeigen die Fälle No. 23—29 
(7 Fälle der Gruppe C) und die Fälle No. 15—22 (8 Fälle der 
Gruppe B — diffuse Eigenbeziehung plus halluziniertem Namens¬ 
anruf), zusammen 15 Fälle, und zwar 6 Männer und 9 Frauen, 
also mehr Männer als dem Geschlechterverhältnis in der Gesamt¬ 
zahl der Fälle von innerer Unruhe entspricht. Davon sind in der 
Gruppe der reinen diffusen Eigenbeziehung Gruppe C unter 7 Fällen 
3 Männer und 4 Frauen, also ein noch höherer Prozentsatz an 
Männern, in der Gruppe B unter 8 Fällen 3 Männer und 5 Frauen, 
was dem Geschlechterverhältnis der Gesamtzahl aller Unruhefälle 
ungefähr entspricht. Unter 40 Jahren sind 5 Männer und 7 Frauen, 
über 40 Jahre sind 1 Mann und 2 Frauen, im ganzen sind unter 
40 Jahren 12 Fälle (80%), über 40 Jahre 3 Fälle (20%), also 


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Über eine Unruheerscheinnng etc. 


125 


gegenüber der Gesamtzahl der Unruhefälle eine mäßige Bevor¬ 
zugung des jüngeren Lebensalters durch die Eigenbeziehung, dabei 
kommt den Männern im jüngeren Lebensalter noch eine kleine 
Eitrabegünstigung bezüglich der Neigung zur Eigenbeziehung zu. 

Von den 41 hier angeführten Fällen mit innerer Unruhe 
zeigen 15 Fälle (36*6 %) diffuse Eigenbeziehung. Der halluzinierte 
Namensanruf findet sich in 22 Fällen (53*6 %). Der halluzinierte 
Namensanruf findet sich rein in den Fällen No. 1—14 (Gruppe A) 
und zusammen mit diffuser Eigenbeziehung in Gruppe B No. 15—22, 
also 14 reine Fälle gegenüber 8 kombinierten. Davon sind in Gruppe A 
4 Männer und 10 Frauen, was ungefähr dem Geschlechterverhält¬ 
nisse der Unruhefälle überhaupt entspricht — eher noch einige 
Bevorzugung der Frauen. In Gruppe B 3 Männer und 5 Frauen, 
also eine Bevorzugung der Männer, die wir in noch höherem Maße 
bei der reinen Eigenbeziehung kennen gelernt haben. Überhaupt 
zeigen den halluzinierten Namensanruf 7 Männer und 15 Frauen, 
was dem Geschlechterverhältnisse der Unruhefälle überhaupt ent¬ 
spricht. Von den 22 Fällen mit halluziniertem Namensanruf sind 
unter 40 Jahren alt 16 Fälle (72-7 %), über 40 Jahre alt 6 Fälle 
(27*3%), in der Gesamtzahl der Unruhefälle stehen einander gegen¬ 
über 63-4% jüngere und 36*6 % ältere. Von allen Männern mit 
Unruhe sind über 40 Jahre alt 23%, von allen Frauen mit Un¬ 
ruhe sind über 40 Jahre alt 43 %, von allen 7 Männern mit hallu¬ 
ziniertem Namensanruf ist über 40 Jahre alt 1 (14%), von allen 
15 Frauen mit halluziniertem Namensanruf sind über 40 Jahre 
alt 5 (33%). 

Falls überhaupt aus solchen Zahlen Schlüsse gestattet wären, 
könnte man annehmen, daß unter den unruhigen Patienten die 
Männer mehr zur diffusen Eigenbeziehung, die Frauen mehr zum 
halluzinierten Namensanruf neigen, ferner daß die diffuse Eigen¬ 
beziehung leichter bei den unter 40 alten, den jüngeren 
Unruhepatienten eintritt als bei den älteren, und daß besonders 
bei den Männern der halluzinierte Namensanruf auf das Alter 
unter 40 fällt, ein Altersunterschied, der bei den Frauen nicht so 
hervortritt. 

Ich möchte diesen Berechnungen keine besondere Bedeutung 
beimessen, immerhin sind sie mitgeteilt, weil sie gewissen all¬ 
gemeinen Eindrücken entsprechen, die man bei längerer Tätigkeit 
in Irrenanstalten gewinnt. Es sind dies: die größere Häufigkeit 


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paranoischer Zustände in den Jahren unter 40, besonders in den 
30er Jahren und bei Männern; die größere Häufigkeit der Unruhe 
bei Geisteskranken in jüngerem Lebensalter, wenn man von den 
Presbyophrendeliranten absieht, die größere Häufigkeit der Unruhe 
bei Frauen, und zwar bei Frauen auch in höherem Lebensalter 
gegenüber gleichartigen männlichen Fällen. Also ist es immerhin 
nicht ganz ausgeschlossen, daß auch diese an einem besonderen 
und kleinen Materiale gewonnenen Zahlen eine Spiegelung all¬ 
gemeiner Verhältnisse sind. 

Nun bleibt uns noch die Aufgabe übrig, die Erscheinungen 
und Umstände des halluzinierten Namensanrufes selbst zu gruppieren. 


Der halluzinierte Namensanrnf findet sich: 

In abge grenztem, einmaligem Unruhezustande oder 
in Anfällen von Unruhe oder zusammen mit einem 
plötzlichen Bangigkeitsgefühl, Angstgefühl oder 
mit Exazerbationen der Unruhe in folgenden Fällen: 

Männer: N 1; N 3 (direkt abhängig von Nikotinmißbrauch); 
N 5 (direkt abhängig von Nikotinmißbrauch); N 13; 
N 18; N 19; 

Frauen: N 2; N 6; N 7; N8;N9;N10 (beim Einschlafen 
und als Anfalls-Aura); N 14; N 15, 16; N 20. 

Bei 6 Männern und 10 Frauen, zusammen in 16 Fällen 

von 22 (72-7 %). 

An Unruhetagen mit Beklommenheit oder in Unruhe¬ 
zeiten überhaupt: 

Männer: N 22 (atypischer Fall, Dementia praecox); 

Frauen: N 4 (ohne Angst, in Erwartungsunruhe und Be¬ 
klommenheit, besonders menstruell); N 11 (Beginn 
eines hysterischen Dämmerzustandes); N 12 (atypi¬ 
scher Fall, Melancholie); N 21. 

1 Mann und 4 Frauen, zusammen in 5 Fällen (22*7 ° /0 ). 

In der Einsamkeit, allein im Zimmer, in der Dämme¬ 
rung, im Dunkeln, nachts: 

Männer: N 3 (immer in der Einsamkeit, auch am hellen 
Tage); N 4; N 13; N 18; N 19; 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 


127 


Frauen: N 2 (allein auf der Straße); N 6; N 7 (allein oder 
in Gegenwart der Mutter); N 8; N 11; N 14; 
N 16; N 17 (gelegentlich auch allein auf der Straße); 
N 20 (nur in der Einsamkeit sowohl bei Tage als 
bei Nacht); N 21 (meist abends in der Dämmerung, 
aber auch auf der Straße); N 22. 

5 Männer und 11 Frauen, zusammen 16 Fälle (72-7 %). 

Unter Leuten: 

Männer: 0* 

Frauen: N 10 (in Anwesenheit der Schwester). 

Unter andern besonderen Umständen: 

Männer: N 1 (unmittelbar nach einer Aufregung im Tram¬ 
bahnwagen einer fremden Stadt); N 5 (bei Lärm, 
besonders Straßenlärm, gleichgültig, ob hell oder 
dunkel); 

Frauen: N 12 (im Delirium metabolicum einer Melancholie: 
beim jüngsten Gericht). 

Mit dem Vornamen: 

Männer: N 1; N 5; N 13 (Abkürzung des Vornamens); N 18 
(mit dem wahren Vornamen „Ignaz“ zu Hause, mit 
dem Saisonrufnamen „Franz“ in seinem Dienstposten); 
N 19 (gelegentlich auch mit dem Schreibnamen); 

Frauen: N 4; N 6; N 7; N 8; N 10; N 11; N 14 (mit dem 
Vornamen, mit den\ sie gerufen wird und der nicht 
ihrem Taufnamen entspricht); N 16; N 17; N 20 
(hier deutsch, in Frankreich französisch). 

5 Männer und 10 Frauen, zusammen 15 Fälle (68*2 %). 

Mit dem Schreibnamen: 

Männer: N 3 (wird in der Regel so genannt); 

Frauen: 0. 

Mit dem Vornamen und Schreibnamen: 

Männer: 0; 

Frauen: N 12 (atypischer Fall). 

Ununterscheidbar: 

Männer: 0; 

Frauen: N 9 (mit dem eigenen Namen, ohne angeben zu 
können, ob Vor- oder Schreibnamen); N 15. 


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128 Dr. Max Löwy. 

Mit einem Äquivalent des Vornamens (Mutter, Mama): 
Männer: 0; 

Frauen: N 2 (Mama); N 12 (Kinderschreien, atypischer Fall); 
N 15 (Mama). 

Vornamen, ununterscheidbar, und Äquivalent: zusammen 
20 Fälle (90-9 %). 

Unter vielen Gehörshalluzinationen: 

Männer: 0; 

Frauen: N 12 (atypisch). 

Leise: 

Männer: NI; N 13 (wie geflüstert); N 18 (mehr aus der 
Ferne); N 19; N 22 (wie zur Türe herein); 
Frauen: N 10 (wie aus der Ferne); N 11; N 20. 

5 Männer und 3 Frauen, zusammen 8 Fälle (36*4 %)• 

Halblaut: 

Männer: N 3; 

Frauen: N 2; N 6 (Gesprächston). 

Laut: 

Männer: N 5 (aus dem Straßenlärm heraus); 

Frauen: N 7 (ziemlich laut); N 12 (atypischer Fall); N 17. 

Ununterscheidbar, ob laut oder leise: 

Männer: 0; 

Frauen: No 16. 

Leise, halblaut und ununterscheidbar: zusammen 12 Fälle 
(54*5 %) gegenüber 4 Fällen mit lautem Anruf (18*2 %), über den 
Rest der Fälle keine genaueren Angaben. 

Von mehreren Stimmen: 

Männer: 0; 

Frauen: N 12 (zweifelhaft). 

Von einzelner, unbekannter Stimme, oder bekannt 
klingender Stimme, ohne doch zu wissen, wer es ist: 
Männer: N 1; N 5 (gelegentlich auch von der Stimme seiner 
Frau); N13 (bekannt scheinend und doch unbekannt); 
Frauen: N 4 (gelegentlich auch die Stimme der Dienst¬ 
herrin); N 7; N 8; N 10 (Freundin, aber unbekannt 
welche, oder auch von der Schwester); N 16, N 20. 
3 Männer und 6 Frauen, zusammen 9 Fälle (49 %). 


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Über eine Unrnheerscheintmg etc. 


129 


Einzelne bekannte (diagnostizierte) Stimme: 

Männer: N 3 (der Hausfrau); N 18 („Franz“ von den Kur¬ 
gästen, den Stubenmädchen und doch ununterscheid¬ 
bar, ob Männer- oder Frauenstimme, „Ignaz“ zu 
Hause von Mutter und Frau); N 22 (Mädchen¬ 
stimme); 

Frauen: N 2 (der Tochter); N 6 (des Mannes); N 11 (des 
Geliebten, nicht ganz typischer Fall); N 12 (Gottes 
Stimme, atypischer Fall); N 14 (von der gefürch¬ 
teten Schwiegermutter); N 15 (Stimme der Tochter 
oder des kleinen Sohnes — es ruft Mama — manch¬ 
mal aber auch ohne über die Art des Anrufes etwas 
angeben zu können); N 17 (Mutter oder Mann); 
N 21. 

3 Männer und 8 Frauen, zusammen 11 Fälle (50 %) nach 

Abzug der 2 atypischen Fälle und der besonderen Fälle N 18 

und N 15, zusammen 7 Fälle (31*8 %)• 

Männerstimme: 

Männer: 0; 

Frauen: N 6; N 16. 

Frauenstimme: 

Männer: N 1; N 22. 

Frauen: N 2; N 10; N 16; N 21. 

Ununterscheidbar, ob Männer- oder Frauenstimme: 

Männer: N 13; N 18. 

Frauen: N 20. 

Nur einmaliger Anruf: 

Männer: N 1 wohl auch N 3; N5; N 13 (manchmal auch 
zweimal hintereinander); N 18 (meist einmal, manch¬ 
mal auch zweimal hintereinander); N 22; 

Frauen: N 2; N4; N6; N8; N10 (später Wiederholung); 
N 11; N 14; N 15; N 16; wohl auch N 17; 
N 20; N 21. 

6 Männer und 12 Frauen, zusammen 18 Fälle (8U8 %)• 

Mehrmaliger Anruf: 

Männer: Gelegentlich N 13; gelegentlich N 18; 

Frauen: N 7; N 12 (atypischer Fall). 

Jahrb&eher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 9 


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Dr. Max Löwy. 


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Zwang, nachzuschauen, aufzustehen usw.: 

Männer: N 3; N 5; N 18; 

Frauen: N 4; N 10 (aus dem Bette, aus dem Hause drän¬ 
gend); N 12 (fortdrängend); N 14; N 20 (lauscht); 
N 21. 

3 Männer und 6 Frauen, zusammen 9 Fälle (49 %)• 

Mit dem Namensanrufe, resp. mit seinem Gemüts¬ 
zustände mehr oder minder in Beziehung stehende 
andere halluzinatorische Erscheinungen: 

Männer: 0; 

Frauen: N 7 (Visionen, nachts eine weiße Gestalt in ferner 
Ecke, an ferner Wand, tags Pferde in Bewegung); 
N 10 (Klopflaute an der Wand, welche zum Mit¬ 
gehen auffordern, ferner die Worte „Geh mit“ dialek¬ 
tisch für „Komm mit“ als Gedanke oder Gehörs¬ 
halluzination?); N 11 (an den Namensanruf an¬ 
schließend die Frage des Geliebten, „liebst du mich ?“); 
N 12 (dröhnende Klopflaute, Verlesung der Sünden 
beim jüngsten Gericht, Beschimpfungen); N 14 
(neben dem Anruf Gefühl des Geschlagenwerdens im 
Schlafe, Ohrenrauschen und auch Klopfenhören, wie 
wenn jemand hereingekommen wäre. Hypnagoge 
Gesichtshalluzination oder Nachbild der Decken¬ 
bemalung); N 17 (auch sonst halluzinierte oder 
illusionierte Gehörseindrücke unbestimmter Art: 
undefinierbare Geräusche, langsames Gehen, Schlei¬ 
chen, Gehen der Türe; überdies Hören tiefer Glocken¬ 
töne auf hoher See); N 20 (hypnagoge Gesichts¬ 
halluzinationen romantischen Inhalts, Stern im Frei¬ 
schütz, Schwan des Lohengrin, überdies einmal 
Klopfenhören nachts); N 21 (auch Hören der rufenden 
Klingel, Klopfenhören am Fenster, als ob jemand 
herein wollte, Fallen eines undeutlichen Gegenstandes 
mit dumpfem Ton von der Zimmerdecke; eine Katze 
läuft in der Dämmerung durch das Zimmer). 

Zusammen 8 Fälle (36-3 %) lauter Frauen (100 °, 0 ). Im 
Zusammenhalt mit der geringen prozentuellen Mehrbegünstigung 
der Frauen mit halluziniertem Namensanruf, vielleicht überhaupt 


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Über eine Unruheerscheinung etc. 131 

prozentuelle Präponderanz der Frauen bezüglich der Unruhe¬ 
halluzinationen. 

Im Hauptteite (Abt. I) finden sich die weiteren Resultate 
der Untersuchungen über den halluzinierten Namensanruf: Die 
Symptomatologie des halluzinierten Namensanrufes und ihre Wertung; 
die Analyse des Rufcharakters, d. i. des Gemütszustandes beim 
wirklich Angerufenwerden und bei der Halluzination des Anrufes 
mit dem eigenen Namen, wie beim Beachtungswahn; die Zusammen¬ 
setzung dieses Gemütszustandes 1. aus dem „ Sichgetroffenfühlen“, 
2. aus dem Gefühle unbestimmter Erwartung, resp. unbestimmter 
Unruhe oder unbestimmter Angst und 3. aus dem Gefühle erhöhter 
Importanz; weiter die Ableitung eines Grundgesetzes der Wahnideen 
und Halluzinationen aus ihrem Verhältnisse zu ihren zugehörigen 
Gemütszuständen: das Gesetz vom „adäquaten“ Gemütszustände 
als Ursache der Wahnideen und Halluzinationen; ferner die Er¬ 
klärung der „inadäquaten Reaktion“ auf Wahnideen und Halluzi¬ 
nationen aus dem Vorbestehen des adäquaten Gemütszustandes, 
welcher eben den Halluzinationen und Wahnideen zu Grunde 
liegt; endlich die Einreihung der Unruheerscheinungen und Zu¬ 
standsbilder mit innerer subjektiver Unruhe als Unterform einer 
ganzen Gruppe „Unruhebilder“ und die Klarstellung der Bedeutung 
der Unruhe im Rahmen der Geistesstörungen (vgl. hiezu in Abt. I 
das Kapitel F, Zusammenfassung und Schlußsätze). 


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Aua der Nervenklinik der Universität Halle a. S. 

Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 

Von 

Wilhelm Blosen, Assistent. 

Seit den grundlegenden Arbeiten Brocas und Wernickes 
über die Sprachstörungen ist die Literatur über diese Gehirn er kran- 
kungen ins Ungeheure gewachsen. Oft standen sich die verschiedenen 
wissenschaftlichen Bichtungen heftig gegenüber, und noch heute, 
nachdem der Streit fast ein halbes Jahrhundert lang geführt worden 
ist, haben sich die Gegensätze kaum gemildert. Durch unermüd¬ 
liches Forschen ist man immer tiefer in das Wesen der Sprach¬ 
störungen eingedrungen. Klinisches und anatomisches Material häufte 
sich unaufhörlich. Aber je mehr Erfahrungen man sammelte, um so 
mehr wurde man sich bewußt, wie außerordentlich kompliziert die 
Sprachstörungen und Sprachfunktionen sind. 

Eine Form der Sprachstörungen ist die Worttaubheit. Auch 
über sie gibt es eine kaum übersehbare Literatur. Auch ihr Wesen 
ist heute noch lange nicht durchschaut. Die ersten Autoren stehen 
sich heute noch uneinig gegenüber. Die Schule Wernickes hält 
an der schematischen Einteilung in transkortikale, kortikale und 
subkortikale sensorische Aphasie fest Bei der ersten Form hört der 
Patient alle gesprochenen Worte. Aber er kann ihren inhaltlichen 
Sinn nicht erfassen. Das klinische Hauptsymptom ist also das Fehlen 
des Wortsinn Verständnisses. Erhalten ist dagegen das Wortklang¬ 
verständnis. (Dieser Ausdruck ist wohl besser als das „Wortlaut- 
verstäudnis“ ; denn unter Wortlaut versteht man im allgemeinen 
die glossokinästhetische, unter Wortklang dagegen die akustische 
Wortvorstellung.) Infolgedessen ist das Nachsprechen ohne Ver¬ 
ständnis möglich. Begleitsymptome sind Echolalie, Paraphasie, Para- 
graphie, Paralexie und fehlendes Verständnis für Gelesenes. — Bei 


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Klinisches and Anatomisches über Worttaubheit. 


133 


der kortikalen sensorischen Aphasie ist das Wortklang Verständnis 
und infolgedessen auch das Wortsinnverständnis ausgefallen. Dem¬ 
entsprechend fehlt die Fähigkeit des Nachsprechens und auf Diktat 
zu schreiben. Begleitsymptome sind Paraphasie, Paragraphie, Para- 
lexie und eine Herabsetzung des Lesesinnverständnisses. — Bei der 
subkortikalen sensorischen Aphasie fehlt das Wortklang Verständnis 
und infolgedessen das Wortsinnverständnis, demnach auch das Nach¬ 
sprechen und Diktatschreiben, jedoch ohne andere Begleiterschei¬ 
nungen, besonders ohne Paraphasie. 

Dieser Wernickeschen Auffassung gegenüber verwirft Deje- 
rine die transkortikale Form ganz, während er die beiden anderen 
anerkennt. — P. Marie nimmt eine ganz isolierte Stellung ein. 
Er kennt überhaupt nur eine Aphasieform, die ungefähr der sen¬ 
sorischen Aphasie Wernickes entsprechen soll. Diese Aphasie soll 
jedoch keine eigentlichen sensorischen Elemente enthalten. Sie soll 
keine Störung der direkten akustischen Wahrnehmung sein. Viel¬ 
mehr erkennt Marie in der Aphasie nur eine Störung der allge¬ 
meinen und der speziell sprachlichen Intelligenz. — Bastian geht 
in seiner Klassifikation der sensorischen Apbasieformen vom ana¬ 
tomischen Standpunkt aus. Er unterscheidet erstens eine Amnesie 
infolge funktioneller Störung oder partieller Läsion seines linken 
akustischen Wortzentrums; zweitens eine komplette Worttaubheit 
infolge der Vernichtung des ganzen Zentrums; drittens eine Form, 
die der subkortikalen Aphasie Wernickes entspricht, infolge einer 
Isolierung des Zentrums von den zuführenden Stabkranz- und Kom¬ 
missurenfasern. — v. Monakow unterscheidet eine komplette Wort¬ 
taubheit mit vollem Ausfall des Wortklang- und Wortsinnverständ¬ 
nisses nebst Paraphasie, Agraphie und Alexie, und verschiedene 
Formen von partieller Worttaubheit. Die eine von ihnen, die „per- 
zeptive“, entspricht der Wernickeschen subkortikalen; nur zeigt 
sie als Begleiterscheinungen noch Paraphasie und Erschwerung des 
schriftlichen Ausdrucks. Die andere heißt die „assoziative“. Sie 
kommt der transkortikalen Wernickes nahezu gleich. Endlich 
gibt es noch eine dritte Form von partieller Worttaubheit, die ein 
im Einzeln verschiedenes Gemisch von perzeptiven und assoziativen 
Symptomen aufweist. 

Es ist nicht Zweck dieser Arbeit, unter Berücksichtigung der 
gesamten bisherigen Literatur ein lückenloses Bild aller Formen 
von Worttaubheit zu geben. Es sollen nur einige wichtigere klinische 


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Wilhelm Blosen. 


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und pathologisch-anatomische Punkte hervorgeholt und eingehender 
behandelt werden. Die klinischen Betrachtungen schließen sich 
hauptsächlich an die Untersuchungen eines Falles von Worttaubheit 
aus der Hallenser Nervenklinik an. Dieser Patient, Christian Braune, 
23 Jahre alt, zeigt das typische Bild der Wer nickeschen korti¬ 
kalen sensorischen Aphasie. 

Von den verschiedenen Formen der Worttaubheit soll die so¬ 
genannte transkortikale oder assoziative, auch interkortikale genannte 
Form unberücksichtigt bleiben. Es soll sich nur um die kortikale 
und um die subkortikale oder „reine“ Worttaubheit handeln. 


Unter Worttaubheit versteht man die Unfähigkeit, die Sprache 
akustisch wahrzunehmen, ohne daß die Wahrnehmung von Tönen 
und Geräuschen erheblich gestört ist. Abgesehen von Intensitäts¬ 
differenzen kann man zwei Hauptarten von Worttaubheit unter¬ 
scheiden. Bei der ersten Form werden die akustischen Sprachklänge 
selbst gut wahrgenommen; aber der betreffende Patient kann mit 
ihnen keinen Sinn verbinden. Es fehlt also das Wortsinn Verständnis, 
während das Wortklangverständnis erhalten ist Bei der zweiten 
Form fehlt umgekehrt das Wortklangverständnis. Schon die einzelnen 
Buchstabenklänge werden nicht scharf unterschieden. Das Wortsinn¬ 
verständnis ist jedoch nicht, wie Wernicke meint gestört Es wird 
nur durch das fehlende Wortklang Verständnis verdeckt. Daß es tat¬ 
sächlich vorhanden ist, beweist die häufige Fähigkeit der Wort- 
tauben, den Best des Wortklangbildes, den sie scharf wahrgenommen 
haben, durch Erraten zu vervollständigen. Das heißt, die Lucken 
in der wahrgenommenen oder unmittelbaren Wortklangvorstellung 
füllen sie durch Elemente der reproduzierten Wortklangvorstellung 
aus. Sobald der Worttaube aber ein Wort richtig erraten hat, kann 
er mit ihm auch stets den richtigen Sinn verbinden. 

Die Worttaubheit läßt sich auf verschiedene Weise bei einem 
Patienten nachweisen. Auf das Vorhandensein des Wortsinn Verständ¬ 
nisses prüft man am besten, indem man mündliche Fragen beant¬ 
worten läßt oder dem Patienten mündliche Befehle gibt. Das Fehlen 
des Wortklangverständnisses erkennt man am leichtesten, indem 
man den Patienten ohne Rücksicht auf Verständnis nachsprechen 
läßt. Da das Wortsinn Verständnis durch den Mangel des Wort¬ 
klangverständnisses verdeckt wird, so kann man dieses mit einiger 


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Klinisches und Anatomisches über VVorttaubheit. 


135 


Vorsicht auch vermittels mündlicher Fragen und mündlicher Be¬ 
fehle untersuchen. 

Wie schon erwähnt, soll es sich hier nur um die kortikale 
und reine Worttaubheit handeln. Der Kürze wegen soll deshalb 
der Ausdruck „Worttaubheit“ im Verlauf der Ausführungen nur für 
diese beiden Formen gebraucht werden. — Es zeigt sich nun in 
der überwiegenden Mehrzahl der bekannten Fälle von Worttaub¬ 
heit, daß das Wortklangverständnis nicht vollständig verschwunden 
ist, sondern daß noch einige Beste erhalten sind. Eine eingehendere 
Untersuchung über die Art und das Wesen dieser Beste scheint 
bisher in der Literatur wenig oder gar nicht ausgeführt worden zu 
sein. Gleichwohl ist eine solche von nicht zu unterschätz ender Be¬ 
deutung für die Auffassung der Sprachstörungen. Man findet bei 
den zahlreichen Publikationen nur einzelne diesbezügliche Bemer¬ 
kungen. 

In jeeinem Falle vonDej erine und Thomas (XXI) 1 ) und von 
Magnan (XLIV) ist angegeben, daß der Patient nur seinen eigenen 
Namen verstand. Ein Patient von Edgren (XXII) erkannte nur ab 
und zu ein einzelnes gesprochenes Wort. Ein anderer von Pick 
(LX) konnte nur einzelne kurze und leichte Worte richtig nach¬ 
sprechen. öfter wird erwähnt, wie bei C. S. Freund (XXXVIII), Mi- 
rallie (XLVI), Oppenheim (XLVm, LI), Pick (LVIII, LIX), Syriern 
(LXVI), Dejerine (XVII, XIX) und Quensel (LXII), daß der Patient 
nur allereinfachste Fragen und Aufforderungen verstand und nur 
alltägliche, kurze Worte nachsprechen konnte. Bei einem Fall von 
Bonvicini (VIII) und einem von Ziehl (LXXIII) wurden nur einige 
einzelne gesprochene Buchstaben richtig aufgefaßt. Etwas genauer 
hat Liepmann (XLI) bei seinem Fall Gorstelle das Wortklangver- 
stäudnis geprüft. Er gibt an, daß schon die einzelnen gesprochenen 
Buchstaben und Silben mangelhaft aufgefaßt würden. Die Buch¬ 
staben und Silben würden teils verwechselt, teils durch subjektive 
Zutaten verfälscht. Vor allem würden die Konsonanten schlecht — 
schlechter als die Vokale nachgesprochen. Das fehlende Verständnis 
für Fragen und sprachliche Aufforderungen leite sich daher schon 
von dem mangelnden Wortklangverständnis der einzelnen Buch¬ 
staben ab. 

Bei unserem Patienten Christian B. ist das akustische Sprach- 


*) Siehe Anhaug. 


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136 


Wilhelm Blosen. 


Verständnis besonders eingehend untersucht worden. Vor allem ist 
eine ausführliche Prüfung des Nachsprechens angestellt worden. 
Bemerkenswert ist, daß bei diesem Patienten die Worttaubheit kon¬ 
stant blieb und nur hier und da einige Schwankungen aufwies. Die 
Untersuchung erstreckt sich auf die ganze bisherige Zeit des Auf¬ 
enthaltes des Patienten in der Hallenser Nervenklinik, d. h. auf 
mehr als l 1 /* Jahre. Nur an einigen Tagen wurde eine besonders 
ausführliche Prüfung angestellt. Um aber das Resultat nicht durch 
Ermüdung ungünstig zu beeinflussen, wurde vielfach mit der Art 
der Prüfung gewechselt. Auch wurden häufig Pausen eingelegt. Noch 
ein anderer Umstand drohte das Prüfungsergebnis des Nachsprechens 
zu fälschen. Der Patient hatte nämlich im Laufe der Zeit gelernt, 
vom Mund des Sprechenden die Worte abzulesen. Um das zu ver¬ 
hüten, wurde fast stets mit verdecktem Munde vorgesprochen. 

Beim Nachsprechen wurde unterschieden zwischen Nach¬ 
sprechen 1. von einzelnen Buchstaben, 2. von einsilbigen, 3. zwei¬ 
silbigen, 4. dreisilbigen, 5. vier- und mehrsilbigen Wörtern, 6. von 
kleineren Sätzen und 7. von besonders komplizierten Wörtern. Von 
den Buchstaben wurden alle, Konsonanten, Vokale und Diphthonge, 
mehrfach geprüft. Die Wörter wurden aus allen Wortklassen, den 
Substantiva, Verba, Adjektiva und Adverba, genommen. Die Gesamt¬ 
resultate wurden in je drei Gruppen zusammengestellt, in erstens 
fehlerlos Nachgesprochenes, in zweitens deutlich klangähnlich und 
drittens falsch Nachgesprochenes. 

Die Prüfung auf Nachsprechen einzelner Buchstaben ergab: 
von 230 Buchstaben wurden 


richtig nachgesprochen.62% 

klangähnlich.16% 

fälsch.22%. 


Irgendwelche Grenzen innerhalb der Buchstabenreihen ließen 
sich nicht ziehen. Weder war das Nachsprechen der Vokale besser 
gegenüber den Konsonanten, noch umgekehrt. Auch wurden nicht 
etwa die einen Buchstaben stets richtig, andere stets falsch nach¬ 
gesprochen. Nur einige wenige Buchstaben machten hier eine Aus¬ 
nahme. So wurden stets richtig nachgesprochen: m (6 mal), k (12 mal) 
t (6 mal), au (7 mal). Stets falsch wurde nur j (3 mal) nachge¬ 
sprochen. Diese Ausnahmen sind aber sicher zufällige und hingen 
wohl von subjektiven Momenten ab, wie Größe der Aufmerksamkeit, 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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Deutlichkeit des Vorsprechens u. a. Sie haben daher keine beson¬ 
dere Bedeutung. 

Das Nachsprechen von einsilbigen Wörtern zeitigte folgendes 
Resultat: Von 72 einsilbigen Wörtern wurden 


richtig nachgesprochen.31% 

klangähnlich.33% 

falsch.36%. 


Auch innerhalb dieser und der folgenden Wörter ließen sich 
keine prinzipiellen Grenzen ziehen. Weder Pronomina noch Sub- 
stantiva noch Verba usw. zeigten allein einen Vorrang. Nur waren 
unter den richtig nachgesprochenen Wörtern auffallend viel all¬ 
tägliche, bzw. dem' Patienten besonders geläufige Wörter. 


Von 81 zweisilbigen Wörtern aller Wörterklassen wurden 


richtig nachgesprochen.27% 

klangähnlich.• . 22% 

falsch.51%. 


Von 49 dreisilbigen Wörtern wurden 

richtig nachgesprochen.0% 

klangähnlich.24% 

falsch.76%. 


Von 33 vier- und fünfsilbigen Wörtern wurden 


richtig nachgesprochen.3% 

klangähnlich.33% 

falsch.64%. 


Von 22 kleinen, einfachen Sätzen wurden 


richtig nachgesprochen.0% 

klangähnlich.18% 

falsch.82%. 


Von 18 absichtlich langen und schwierigen Wörtern wurden 


richtig nachgesprochen.0% 

klangähnlich.17% 

falsch.83%. 


Sicher ist die Grenzbestimmung zwischen klangähnlichem und 
ganz falschem Nachsprechen schwierig. Die ganze Rechnung soll 
überhaupt nur in ihren rohsten Zügen einigen Wert haben. Einige 
bemerkenswerte Tatsachen über die Worttaubheit lassen sich jedoch 
feststellen: 


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Wilhelm Blosen. 


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1. Die Worttaubheit kommt dadurch zustande, daß schon da3 
Klangbild der einzelnen gesprochenen Buchstaben mehr oder weniger 
ungenau oder falsch wahrgenommen wird. 

2. Je länger oder komplizierter ein Wort oder Satz ist, um so 
schlechter wird es von einem Worttauben wahlgenommen. 

3. Bei der Worttaubheit werden nicht etwa bestimmte ge¬ 
sprochene Buchstaben oder Wörter stets, andere nie richtig wahr¬ 
genommen. 

4. Es besteht kein Unterschied in der Wahrnehmung einzelner 
Wortklassen, wie Substantiva, Verba usw. 

5. Besonders alltägliche und dem Patienten besonders geläu¬ 
fige Wörter werden leichter als andere nachgesprochen. 

Daß der Worttaube nur ein unklares Klangbild schon der ein¬ 
zelnen Buchstaben wahrnimmt, zeigen folgende Beispiele: Unser 
Patient verwechselte besonders häufig klangverwandte Buch¬ 
staben. So war es ihm unmöglich, trotz recht deutlichen Vorsagens 
ü und ö zu unterscheiden. Ebenso war eine Verwechslung von i 
und e oder von e und ö, von u und o, von o und ö, von ä und ö 
sehr häufig; weiter von f und w — er sagte fe statt we —, von 
n und m, von p und b, von ch und sch. 

Der Hauptgrund, weshalb ein Worttauber ein gesprochenes 
Wort nicht versteht, liegt also darin, daß er schon von den ein¬ 
zelnen Buchstaben nur ein unklares Klangbild wahrnimmt. Wenn 
er aber ein Wort wirklich verstanden hat, so kann man nicht an¬ 
nehmen, daß dieses Wortklangbild, das er wahrgenommen hat, ein 
scharfes war. Viel wahrscheinlicher ist es, daß auch dieses bis zu 
einem gewissen Grade verwischt war. Nur reichte der Grad der 
Bildschärfe eben aus, um das Bild zu erkennen. Die verwischten 
feineren Linien aber mußte der Patient erraten. In der Tat scheint 
das Erraten bei einem Worttauben eine außerordentlich wichtige 
Rolle zu spielen. Wenn er ein Wort hört, sucht er aus dem Wort¬ 
schatz seiner „inneren Sprache“, wie die Franzosen sagen, sich das 
aus, was mit dem unklar gehörten Worte die größte Ähnlichkeit 
hat. Überzeugend zeigen das folgende Beispiele: Unser Patient 
sagte beim Nachsprechen statt tun: tot, statt Schatz: Schank, statt 
Reis: Preuß, statt Fächer: Feger, statt Augen: Ausgang, statt ober: 
Ohren, statt Fliegentöter: Fliegefetter u. a. 

Wörter, die einem Worttauben besonders geläufig sind, werden 
viel leichter verstanden. Solche Wörter liegen ihm viel näher. Er 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


139 


kommt daher beim Erraten viel leichter auf sie. So erkennt unser 
Patient seinen eigenen Namen stets. Als früherer Kellner versteht 
er auch die Wörter: Kellner, trinken, Bier leicht. Dasselbe gilt für 
das Wort Tinte, das in allen Untersuchungen häufig vorkam. 

Bei vielen Fällen völlig falschen Nachsprechens konnte man 
deutlich merken, daß der Patient, weil er das unklar Gehörte augen¬ 
blicklich nicht zu einem ihm bekannten Wort durch Hinzuraten 
vervollständigen konnte, absichtlich etwas ganz Klangunähnliches 
blindlings hinsagte. Das trat ein, wenn er z. B. statt wo: nach 
sagte, statt Bing: Grund, statt Würmer: Morgen, statt Bächer: 
Kreuz, statt Seidel: Köln, statt Übermut: und so weiter. 

In einigen Fällen mußten grobe Fehler offenbar auf unge¬ 
nügende Aufmerksamkeit zurückgeführt werden. In anderen Fällen 
strengte der Patient sich absichtlich nicht an und gab aus Unwillen 
über die häufigen Untersuchungen absichtlich falsche Antworten. 
Selbstverständlich mußte dann abgebrochen werden. Einige Male 
sagte er selbst, daß seine Antwort nicht dem Vorgesprochenen ent¬ 
spreche. 

Vielfach wird bei Worttauben noch die Fähigkeit besonders 
untersucht, die Zahl der Silben eines vorgesprocheneu Wortes zu 
erkennen. Man kann diese Fähigkeit kaum als eine selbständige 
psychische Leistung betrachten. Da in unserer Sprache jede Silbe 
einen eigenen Vokal hat, so hängt jene Fähigkeit in erster Linie 
davon ab, daß Vokale von Konsonanten unterschieden werden 
können. Verwechslungen solcher haben sich bei der Untersuchung 
unseres Patienten nur sehr wenige ergeben. Immerhin kommen hier 
und da einige vor. Man wird daher geneigt sein anzunehmen, daß 
die Fähigkeit, die Silbenzahl zu erkennen, zwar ebensowenig unver¬ 
sehrt ist, aber dennoch unvergleichlich besser erhalten ist, als die 
akustische Wortwahrnehmung. In der Tat bestätigen die Unter¬ 
suchungen unseres Patienten diese Annahme vollauf. Die Silben¬ 
zahl war beim Nachsprechen von einsilbigen Wörtern unter 72 Fällen 
60 mal die gleiche. Beim Nachsprechen von zweisilbigen Wörtern 
unter 81 Fällen 41 mal die gleiche, 23 mal eine andere, 17 mal un¬ 
bestimmbar; bei dreisilbigen Wörtern unter 49 Fällen 15 mal gleich, 
24mal falsch, 10mal unbestimmbar; bei vier- und fünfsilbigen 
Wörtern unter 33 Fällen 10 mal gleich, 10 mal falsch, 13 mal un¬ 
bestimmbar. Diese Zahlen sind unvergleichlich günstiger gegenüber 
den früher erwähnten. 


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Wilhelm Blosen, 


Weniger instruktiv als das Nachsprechen, aber doch von ei¬ 
nigem Interesse sind die Untersuchungen der Worttaubheit in Form 
von allgemeinen Fragen oder mündlich gegebenen Befehlen. Auch 
solche Untersuchungen sollen an der Hand unserer Krankengeschichte 
einer genaueren Erörterung unterzogen werden. 

Es ist auffallend, daß bei dem relativ großen Unvermögen 
unseres Patienten, richtig nachzusprechen, das Sprachverständnis in 
der Unterhaltung ganz entschieden besser ist. Von 68 im Laufe der 
U/s Jahre an den Patienten gestellten und aufgezeichneten Fragen 
wurden nicht weniger als 34, also genau die Hälfte, sinngemäß be¬ 
antwortet. In gleicher Weise wurden von 112 Befehlen 45 richtig 
ausgeführt Vergleicht man hiermit die völlige Unfähigkeit des Pa¬ 
tienten, auch nur einen ganz einfachen Satz richtig nachzusprechen, 
so scheint man vor einem Widerspruch zu stehen. Bei genauerer 
Betrachtung findet dieser jedoch seine Erklärung. 

Einmal beantwortet der Patient anamnestische Fragen meist 
richtig, so Fragen nach seinem Namen, Alter, Geburtstag, seiner 
Heimat, seinem Beruf u. a. m. Das gleiche gilt für Fragen nach 
seinem gegenwärtigen Gesundheitszustand und nach seinen Zukunfts¬ 
plänen. Ebenso beantwortet er Fragen viel leichter, die in unmittel¬ 
barem Zusammenhang mit der bisherigen Unterhaltung stehen. 
Endlich gehören noch besonders häufige, alltägliche, dem Patienten 
besonders geläufige Fragen hierher. Alle diese Fragen haben das 
gemeinsam, daß der Gefragte sie leicht, ohne sie ausreichend ver¬ 
standen zu haben, aus der Art und dem Zusammenhänge der Unter¬ 
haltung erraten kann. Der Gefragte braucht daher unter Umständen 
nur ein einziges Wort der ganzen Frage mehr oder weniger deut¬ 
lich zu verstehen und er erkennt sofort den Sinn der Frage. Daß 
dem so ist, beweist schon der Umstand, daß umgekehrt unvermutete 
Fragen, auch wenn sie noch so einfach sind, nur sehr selten richtig 
beantwortet werden. Bei mündlichen Befehlen zeigen sich ganz 
ähnliche Verhältnisse. Recht häufig geübte, einfache Befehle werden 
meist richtig befolgt, so: Aufstehen! Hinsetzen! Augen schließen 
oder öffnen! Nase oder Ohren oder Stirn usw. zeigen! Alle längeren 
oder komplizierteren Aufträge aber werden ganz oder wenigstens 
fast ganz falsch ausgeführt. Der Patient fängt eben nur hier und 
da ein einzelnes Wort auf, das bei komplizierteren Befehlen nicht 
zum Verständnis derselben ausreicht. Ganz außerordentlich schlecht 
fielen die mündlichen Rechenaufgaben aus. Selbst die allerein- 


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fachsten, wie 2 2 oder 3X3 oder 4x4 kann er meist nicht 

lösen. Der Grund hierfür liegt nicht etwa in einem großen intellek¬ 
tuellen Defekt. Eine Rechenaufgabe ist eine Frage, von der jedes 
einzelne Wort, ja jede einzelne Silbe unbedingt notwendig zum 
Verständnis ist. Keine einzige Silbe darf daher falsch oder schlecht 
verstanden werden. Und das ist gerade die Schwäche eines Wort¬ 
tauben. Nur die Wahrnehmung der Buchstaben und Wörter ist ge¬ 
stört. Die Rechenaufgaben zu lösen reicht sein Intellekt vollauf aus. 


Was ist nun auf Grund der bisherigen Ergebnisse bei Wort¬ 
taubheit vom psychologischen Standpunkt aus gestört? Zwecks Be¬ 
antwortung dieser Frage ist es notwendig, den Vorgang der aku¬ 
stischen Wortwahrnehmung genauer ins Auge zu fassen. Vermittelst 
unseres Gehörorgans gelangen zunächst die einfachsten akustischen 
Elemente als einfachste, unmittelbare akustische Empfindungen zur 
Wahrnehmung. Unter Empfindungen sollen hier die einfachsten, 
nicht weiter zerlegbaren Elemente der sinnlichen Vorstellungen ver¬ 
standen werden. Diese wahrgenommenen Elemente werden durch 
Assoziationsvorgänge zu simultanen und sukzessiven Einheiten ver¬ 
schmolzen, nämlich zu den akustischen Sprachvorstellungen. Die 
sukzessiv einfachsten Einheiten sind zunächst die Klangvorstellungen 
einzelner Buchstaben. Sie werden wiederum durch Assoziationsvor¬ 
gänge zu sukzessiv höheren Einheiten, den Klangvorstellungen ein¬ 
zelner Worte verschmolzen. Diese werden endlich zu den Klang¬ 
vorstellungen ganzer Sätze assoziiert, den sukzessiv kompliziertesten 
Einheiten. Auf diese Weise entsteht die sprachliche akustische Ge¬ 
samtvorstellung. An den Vorgang der Bildung der Vorstellung 
schließt sich der der Begriffsbildung. Unter Begriff verstehen wir 
die Assoziation der verschiedenen sinnlichen — opt., akust., takt. 
usw. — Vorstellungen ein und desselben Objektes zu einer Einheit, 
deren Hauptbindeglied die betreffende Wortvorstellung ist. Sobald 
sich an die akustische Wortvorstellung der psychische Vorgang der 
Begriffsbildung angeschlossen hat, hat der Hörende das Wort „ver¬ 
standen“. Zum Wesen des Wortsinnverständnisses gehört also nicht 
nur die Wortklang Vorstellung, sondern auch der zum Wort gehörige 
Begriff. 

Welches Glied dieser ganzen Kette akustischer Sprachfunk- 
tionen ist nun bei Worttaubheit gestört? Die Wahrnehmung der 
einfachsten akustischen Empfindungen zunächst ist erhalten. Die 


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Untersuchungen mit Bezolds kontinuierlicher Tonreihe haben bei 
keinen Fällen ohne anderweitige Komplikationen Defekte in der Ton¬ 
skala ergeben, wenigstens nicht im Bereich der zur Sprachwahr- 
nehmung notwendigen Bezoldschen Sexte. Dieser Nachweis ist in 
der Literatur erbracht in zwei Fällen von Bon vicini, in einem von 
C. S. Freund, dem Fall Gorsteile von Liepmann, in einem 
von Ziehl und einem von Quensel. Nur ließ sich in manchen 
Fällen eine geringe Herabsetzung der Hördauer, also eine geringe 
zentrale Schwerhörigkeit feststellen, welche jedoch zur Erklärung 
der Worttaubheit in keiner Weise herangezogen werden kann. 

Dagegen läßt sich nachweisen, daß die Assoziation der ein¬ 
fachsten Empfindungen zu den sprachlichen Klangvorstellungen im 
hohen Grade gestört ist. Schon die Klangvorstellung des einzelnen 
Buchstabens ist mehr oder weniger ungenau. Keineswegs ist jedoch 
diese Assoziation ganz ausgefallen. Sie ist gewissermaßen nur ein 
bald mehr, bald weniger verwischtes Bild, in dem man die gröberen 
Linien größtenteils noch erkennt, während die feineren unkenntlich 
sind. Je größer und komplizierter aber diese akustischen Assozia¬ 
tionen sind, um so ungenauer, verworrener fallen sie aus. 

Man muß nun aber bei der Worttaubheit einen Unterschied 
machen zwischen unmittelbaren und reproduzierten akustischen 
Wortvorstellungen. Die angeführten assoziativen Störungen finden 
sich nur bei den unmittelbaren Vorstellungen. Die reproduzierten, 
die zum Begriff der „inneren Sprache“ der Franzosen gehören, sind 
vollkommen intakt. Schon W er nicke gibt in seinem Aphasieschema 
an, daß abgesehen von Paraphasien die spontane Sprache intakt ist. 
Die spontane Sprache ist aber der Ausdruck der inneren Gedanken. 
Dieses innere Denken, innere Sprechen ist jedoch ohne die repro¬ 
duzierten akustischen Sprachvorstellungen undenkbar. Ja, diese 
bilden ganz überwiegend den Hauptbestandteil der inneren Sprache. 
Durch Selbstbeobachtung kann jeder leicht feststellen, daß beim 
inneren Denken die akustischen Wortklangbilder die erste Rolle 
spielen. Hiergegen wendet Levvandowsky ein: „Daß eine arti¬ 
kulierte Sprache ohne Wortklangbilder möglich ist, beweist die Sprache 
der unterrichteten Taubstummen.“ Dem ist aber entgegenzuhalten, 
daß diese für den Mangel an Wortklangvorstellungen einen aus¬ 
reichenden Ersatz in den optischen Vorstellungen der Lippen- und 
Fingerbewegungen haben. Diese sind es dann, die dem Taubstummen 
beim Sprechen unentbehrlich sind. 


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Nun hebt Wundt mit ßecht hervor, daß man keinen prin¬ 
zipiellen Unterschied zwischen unmittelbaren und reproduzierten 
Vorstellungen finden kann. Ja, es ist Oberhaupt unmöglich, irgend 
eine schärfere Grenze zwischen beiden Arten zu ziehen. Es gibt 
in unserer Erfahrung keine einzige unmittelbare Sinnesvorstellung, 
in die nicht irgendwelche reproduktive Elemente eingehen. Daher 
ist auch die Annahme hinfällig, bei der Worttaubheit seien die 
reproduzierten Wortvorstellungen erhalten, während die unmittel¬ 
baren ausgefallen seien. Diese sind wohl vorhanden; nur sind die 
Empfindungen, aus denen sie zusammengesetzt sind, gewissermaßen 
in einen verschiedenen Grad von Verwirrung und Unordnung geraten. 

Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt v. Monakow, wenn er 
sagt: „Was bei der sensorischen Aphasie ausgefallen ist, das sind 
nicht die Erinnerungsbilder der Klänge selbst, sondern nur die 
Fähigkeit, jene auszulösen, oder sie von der ersten kortikalen 
Eintrittspforte der zentralen Akustikausstrahlung aus zu wecken.“ — 
In gleichem Sinn meint Flenhsig: Bei der Worttaubheit „handelt 
es sich nicht, wie Wernicke meint, in erster Linie um einen dauern¬ 
den Verlust von Wortklangerinnerungsbildern, sondern um die Un¬ 
fähigkeit, die in einem Wort aufeinander folgenden Laute ausein¬ 
anderzuhalten, die Tonintervalle zwischen Silben und Worten richtig 
zu unterscheiden“. 

Zusammenfassend könnte man also sagen: die Worttaubheit 
ist eine unvollständige Störung der Assoziation der unmittelbaren 
einfachen akustischen Empfindungen zu unmittelbaren sprachlichen 
Klangvorstellungen. Die Größe des erhaltenen Bestes dieser Asso¬ 
ziationen steht im umgekehrten Verhältnis zur Kompliziertheit der 
genannten Vorstellungen. 


Die meisten Autoren unterscheiden bei der Worttaubheit — 
abgesehen von der transkortikalen — eine kortikale und eine sub¬ 
kortikale Form. Beiden Formen gemeinsam ist das Hauptsymptom, 
der Ausfall des Wortklangverständnisses und infolgedessen auch der 
Fähigkeit des Nachsprechens und Diktatschreibens. Die weiteren 
Symptome der kortikalen Worttaubheit sind in schwankendem Maße 
Paraphasie oder Jargonaphasie, Paragraphie, Paralexie und eine 
Herabsetzung des Lesesinnverständnisses. All diese Begleitsymptome 
fehlen der subkortikalen Form. Wernicke sagt ausdrücklich, daß 


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bei ihr die spontane Sprache absolut korrekt und frei von Para¬ 
phasien ist. 

Wir haben in der Literatur insgesamt 25 Fälle finden können, 
die das Bild der reinen Worttaubheit zeigen sollen. Aber wirklich 
„rein“, d. h. frei von jeglichen Störungen des Sprechens, Lesens und 
Schreibens, kann man nur 10 von ihnen nennen, nämlich einen 
Fall von Dejerine nud Thomas (XXI) *), zwei Fälle von C. S. Freund 
(XXV, XXVI), einen von Qiraudeau (XXX), einen von Helot, Honde- 
ville und Halliprö (XXXII), einen von Käst (XXXVI), einen von 
Lichtheim (XL), einen von Liepmann (XLI), einen von Strohmayer 
(LXVIII) und einen von Veraguth (LXIX). Aber auch bei diesen 
10 Fällen sind die Untersuchungen zum Teil unzureichend. Bei 
einigen erstrecken sie sich nicht auf die ganze Zeit der Krankheit 
Es mögen also manche leichtere oder anfängliche Symptome von 
Paraphasie usw. nicht bemerkt worden sein. Die 15 anderen Fälle 
sind von 1. Adler (I), 2. Bernard (V), 3. Bernhardt (VI), 4. und 
5. Bonvicini (VIII, IX), 6. Cramer (XVI), 7. Edgren (XXII), 8. van 
Gehuchten und Goris (XXIX), 9. Kahler und Pick (XXXVII), 10., 
11. und 12. Pick (LH, LVII, LVÜI), 13. Schmidt (LXV), 14S4rieux 
(LXVI) und 15. Ziehl (LXXVU1). In diesen Fällen finden sich 
in verschiedenem Grade paraphasische oder jargonaphasische oder 
paragraphische oder paralexische Störungen oder auch Störungen 
des Lesesinn- oder des akustischen Wortsinn Verständnisses. Im 
letztgenannten Fall von Pick liegt sogar außer Paraphasie und Para- 
lexie eine fast komplette zentrale Taubheit vor. Es geht wohl 
kaum an, hier noch von reiner Worttaubheit zu reden. 

Fälle von kortikaler Worttaubheit fanden wir 35 in der 
Literatur, nämlich von 1. Amidon (II), 2. Bastian (IV), 3. und 
4. Bruns (XIH, XIV), 5. Claus (XV), 6. und 7. Dejerine (XVII, 
XVHI), 8. Dejerine und Thomas (XX), 9. Eisenlohr (XXIV), 10. und 
11. C. S. Freund (XXVH, XXVIII), 12. Heilly et Chantemesse 
(XXXI), 13. Henschen (XXXIH), 14 Inedite (XXXV), 15. Kußmaul 
(XXXIX), 16. und 17. Luciani und Sepilli (XLII, XLIH), 18. Magnan 
(XLIV), 19. Miralliä (XLVI), 20. bis 24. Oppenheim (XLVH bis 
LI), 25. bis 27. Pick (LIV, LIX, LX), 28. bis 30. Quensel (LXII 
bis LXIV), 31. und 32. Wernicke (LXX. LXXI), 33. Dejerine (XIX), 
34. Hitzig (XXXIV), 35. Probst (LXI). 


l ) Siehe Anhang I. 


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In 11 von diesen Fällen findet sich neben dem Ausfall des 
Wortklangverständnisses entweder nur Paraphasie oder außerdem 
noch Paragraphie oder Herabsetzung des Lesesinnverständnisses 
oder Jargonaphasie. Die übrigen zeigen Kombinationen mit moto¬ 
rischer Aphasie oder Agraphie oder Alexie, wobei diese drei Symptome 
bald einzeln, bald zusammen Vorkommen. 

Ein Vergleich der Fälle von reiner mit denen von kortikaler 
Worttaubheit zeigt also, daß zwischen ihnen keine scharfe Grenze 
gezogen werden kann. Sie zeigen nur Intensitätsunterschiede. Im 
Grunde genommen sind sie also ein und dieselbe Erkrankungsform 
und unterscheiden sich nur durch das Vorhandensein von mehr oder 
weniger zahlreichen Nebensymptomen. Über diese sagt Freund mit 
Hecht: „Es liegt nahe, die Paraphasie im weitesten Umfange für 
ein rein funktionelles Symptom, für ein Zeichen minder exakter 
Leistungsfähigkeit des Sprachassoziationsapparates anzusehen.“ Die 
Paraphasie gehört daher keineswegs unbedingt zum Wesen der 
Worttaubheit. 


Daß mit der Worttaubheit das Wer nicke sehe Zentrum, d. h. 
etwa das hintere Drittel der ersten linken Schläfewindung, in irgend 
einer Beziehung steht, darüber herrscht heutzutage kein Zweifel 
mehr. Strittig ist dagegen die genauere Begrenzung, ob z. B. nicht 
die Flechsigsche Querwindung mithinzugerechnet werden muß, 
oder ob sie sogar die Hauptrolle spielt. Strittig ist ferner, was 
man eigentlich unter diesem „Zentrum“ zu verstehen hat. Um in 
das Wesen dieses Zentrums tiefer einzudringen, ist es zweckmäßig, 
zunächst den gesamten Hörapparat kurz ins Auge zu fassen. 

Betrachten wir zunächst das periphere Gehörorgan und seine 
Funktion. Sein wesentlichsterBestandteil, die Schnecke, besteht in 
der Hauptsache aus den kortischen Bögen und der Basilarmembran. 
Nach Helmhol tz muß man annehmen, daß diese kortischen Bögen 
mit den ihnen zugehörigen Fasern der Basilarmembran für ganz 
bestimmte Tonhöhen abgestimmt sind. Jeder einzelne Bogen gerät 
in Schwingung, wenn sich in der Gesamtheit von Tonelementen 
eines akustischen Heizes auch seine ganz bestimmte Tonhöhe befindet. 
Da es nun etwa 3000 bis 4000 Cortische Bögen gibt, die Basilar¬ 
membran sogar aus 16.000 bis 20.000 Querfasern besteht, so sind 
die anatomischen Bedingungen vollkommen ausreichend für die 

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Unterscheidung sämtlicher Tonhöhen selbst eines noch so feinen 
musikalischen Gehörs. 

Es findet also in der Schnecke eine Zergliederung jedes akusti¬ 
schen Reizes nach seinen Tonhöhen statt. Da nun die Fasern des 
Nervus cochlearis längs der Reihe der Cortischen Bögen endigen, 
so muß man annehmen, daß auch sie einzeln für die Fortleitung 
je einer ganz bestimmten Tonhöhe, nämlich derjenigen ihres zu¬ 
gehörigen Bogens, bestimmt sind. 

Verfolgen wir den Weg weiter, den ein akustischer Beiz nach 
seinem Eintritt in den Nervus cochlearis nimmt. Die Fasern dieses 
Nerven gelangen zunächst in das im Felsenbein gelegene Ganglion 
spirale. Das Ganglion entspricht den Spinalganglien des Rücken¬ 
marks. Seine Elemente sind Bipolarzellen mit einem peripheren 
und einem zentralen Ausläufer. In ihm findet also keine Veränderung 
in der Verteilung der Beizelemente statt. Die peripheren'Ausläufer 
sind die aus der Schnecke kommenden Nervenfasern. Der weitere 
Verlauf der zentralen Ausläufer gestaltet sich außerordentlich 
kompliziert. Es ist vor allem das große Verdienst von Bechterew, 
Flechsig, Held und v. Monakow und ihren Schülern, hierüber 
Klarheit geschaffen zu haben. Nach ihren Untersuchungen ist der 
Sachverhalt folgender: 

Die Nervenfasern der ganzen Hörbahn teilt man in zwei 
Gruppen, nämlich in Fasern erster Ordnung oder Wurzelfasern und 
in Fasern zweiter Ordnung. Zu den ersteren rechnet man die Fasern, 
die ununterbrochen vom Ganglion spirale aus aufwärts verlaufen. 
Fasern zweiter Ordnung sind solche, die von den Endigungsstellen 
der Wurzelfasern, den grauen Kernen, aus zentralwärts ziehen. 

Die überwiegende Mehrzahl der Wurzelfasern endigt in den 
grauen Kernen. Ein kleiner Teil jedoch soll nach Flechsig als' 
direkte akustische Bindenbahn durch das Mittelhirn bis zum Endhirn 
ziehen. Doch wird ihre Existenz von vielen bestritten. 

Die grauen Kerne, die für die zentrale Hörbahn in Frage 
kommen, sind erstens der Nucleus a nterior = Meynert (s.late¬ 
ralis s. ventralis) und zweitens der Nucleus Tuberculi acustici, kurz 
das Tuberculum acusticum, auch Nucleus dorsalis genannt. 
Zwischen den beiderseitigen Nuclei anteriores von ihrer medialen 
Seite aus zieht sich eine starke quere Faserplatte hin, die beide 
Kerne miteinander verbindet. Sie wird Trapezkörper genannt. Er 
enthält jederseits einen Kern, den dritten zur Hörbahn gehörigen 


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Kern, den Trapezkern. Dorsal, unmittelbar neben dem Trapez¬ 
körper liegt viertens der obere Olivenkern. Diese vier Kerne 
liegen alle im Boden des vierten Ventrikels und werden alle un¬ 
gefähr durch einen Querschnitt getroffen, der durch den unteren 
Rand der Brücke geführt wird. Weiter zentral werden auf einem 
Querschnitt durch den unteren Vierhügel in der lateralen Schleife 
fünftens der Kern der lateralen Schleife und sechstens der 
Kern des unteren Vierhügels sichtbar. Von diesem aus 
führt das Brachium quadrigemium inferius siebentens zum medialen 
Kniehöcker mit seinem grauen Kern. 

Die Wurzelfasern ziehen alle zunächst zum Tuberculum 
acusticum und zum Nucleus anterior. Dort endigt ein großer Teil 
der Faserraassen unter Entwicklung von Endbäumchen um die zahl¬ 
reichen Ganglienzellen dieser Kerne. Ein anderer Teil soll durch 
den Nucleus anterior durchtreten. Er findet größtenteils, teils 
gekreuzt, teils ungekreuzt, sein Ende im Trapezkern, dem oberen 
Olivkern, dem Kern der lateralen Schleife und dem unteren Vier¬ 
hügel, indem er dort gleichfalls Endbäumchen um Ganglienzellen 
bildet. Ein kleiner Rest der Wurzelfasern soll nach Flechsig un¬ 
unterbrochen durch den hinteren Vierhügel am medialen Kniehöcker 
vorbei und durch die innere Kapsel bis zur Rinde verlaufen. 

Nervenfasern zweiter Ordnung entspringen in dem Nucleus 
anterior, dem Tuberculum acusticum, dem Trapezkern, dem oberen 
Olivenkem und dem Kern der lateralen Schleife. Sie vereinigen 
sich mit den direkt verlaufenden Wurzelfasern und endigen in dem 
hinteren Vierhügel teils der gleichen, teils der anderen Seite. Nur 
ein kleiner Teil endigt wahrscheinlich dort nicht, sondern zieht 
ununterbrochen durch die hinteren Vierhügel bis zum Endhirn. 

Von dem hinteren Vierhügel aus zieht die Hörbahn durch das 
Brachium quadrigeminum inferius. Die große Masse der Fasern 
verliert sich dann im medialen Kniehöcker. Ein kleinerer Teil zieht 
an diesem vorbei, um sich aber im weiteren Verlauf wieder mit 
den Fasern aus dem medialen Kniehöcker zu vereinigen. 

Von da ab verläuft die Hörbahn nach Flechsig in Gestalt 
zweier Bündel durch das hintere Viertel der inneren Kapsel direkt 
bis zum Schläfelappen der gleichen Seite. Das eine Bündel nähert 
sich der Hörsphäre von hinten und oben, das andere zieht sich eine 
Strecke weit zusammen mit den Optikusbahnen längs der lateralen 
Wand des Hinterhorns des Seitenventrikels, biegt von unten und 

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hinten mn die Fissura Sylvii herum und steigt im Schläfelappen 
selbst längs der zweiten und dritten Windung zu den Gyri trans- 
versi empor, wo es mit dem ersten Bündel zusammen die Rinde 
erreicht. 

Die zentrale Hörbahn ist der Hauptmasse nach eine gekreuzte 
Fortsetzung der Gehörsnerven, zum kleineren Teil eine ungekreuzte. 
Die Kreuzungen finden statt in den grauen Kernen, und zwar vom 
Nucleus anterior an bis zum hinteren Vierhügel einschließlich. 

Da jeder der beiden Nervi cochleares sowohl zur linken wie 
zur rechten Rinde Fasern sendet, so ist die Annahme einer Teilungs¬ 
stelle nötig, in der sich die Cochlearisfasern in einen linken und 
einen rechten Ast teilen. Diese Teilungsstelle muß in den 
grauen Kernen der zentralen Hörbahn gesucht werden, d. h. vom 
Nucleus anterior an bis zum hinteren Vierhügel einschließlich. 
Bastian leugnet eine solche Teilung und nimmt eine totale Kreuzung 
der beiden Nervi cochleares an. Da jedoch in beiden Hemisphären 
jeder cochlearis vertreten ist, so soll jeder indirekt, vermittelst der 
Kommissuren des Endhirns mit der anderen Hemisphäre verbunden 
sein. Dem widerspricht aber der Umstand, daß selbst bei totaler 
Zerstörung nur der einen Hörsphäre oder Hörbahn einschließlich 
der zugehörigen Kommissurenfasern niemals Taubheit auf dem Ohr 
der andern Seite beobachtet worden ist. 

Vermittelst der grauen Kerne geht die Hörbahn zahlreiche 
Verbindungen ein, welche augenscheinlich reflektorische Leitungen 
darstellen. Nach Ramon y Cajal teilen sich alle Cochlearisfasern 
im Nucleus anterior in je einen aufsteigenden und einen absteigenden 
A3t. Der aufsteigende soll den Reiz zentralwärts leiten, während 
der absteigende mit seinen zahlreichen Kollateralen den Weg für 
akustisch-motorische Reflexe darstellt. Weiter gelangen in den 
vorderen Vierhügel akustische Faserzüge zu Zellen, welche den 
absteigenden Systemen zum Ursprung dienen, aber auch zu den 
Fasern des Optikus Beziehungen haben. Aus den Trapezkörpern 
begeben sich ferner Kollateralen und Fasern zum Facialiskern und 
zur Formatio reticularis. Endlich senden die oberen Oliven einen 
Faserzug zu dem homolateralen Abducenskern. 

Es steht heutzutage außer jedem Zweifel, daß für das Aus¬ 
breitungsgebiet der zentralen Hörbahn in der Rinde nur der Schläfe¬ 
lappen in Betracht kommt, bzw. die in der hinteren Sylvischen 
Grube gelegenen Rindenabschnitte. Über die genauere Begrenzung 


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herrschen jedoch noch manche Uneinigkeiten. So betrachtet Flechsig 
nur die beiden Querwindungen in der Fossa Sylvii, von denen noch 
die erste den Vorrang hat, als die eigentliche „Hörrinde“. Von 
der ersten Schläfewindung soll nur ein ganz kleines, ein bis zwei 
Quadratzentimeter großes Stück, das sich unmittelbar an die Quer- 
Windungen anschließt, dazu gehören, y. Monakow sieht mehr die 
hintere Hälfte von TI als Hauptanteil der Hörsphäre an. Naunyn 
nimmt von vorn gerechnet das dritte und vierte Fünftel der ober¬ 
flächlichen Schläfewindungen, besonders der ersten, hierfür in 
Anspruch, eine Rindenpartie, die sich unmittelbar an die Flechsig- 
schen Querwindungen anschließt. — Welche Teile des Schläfelappens 
auch immer als Ausbreitungsgebiet des Nervus cochlearis in Frage 
kommen, das eine steht unumstößlich fest, daß es überhaupt ein 
solches Ausbreitungsgebiet gibt, und zwar im Schläfelappen. 


Von besonderem Interesse ist die Frage nach der feineren 
Funktion der Hörsphäre. Einmal könnte man sie als eine phy¬ 
siologisch homogene Partie' ansehen, die bei der Aufnahme eines jeden 
akustischen Reizes als ein einheitliches Ganzes funktioniert. Anderer¬ 
seits könnte sie auch nach physiologischen Gesichtspunkten qualitativ 
differenziert sein, so daß nicht jeder Reiz die ganze Hörsphäre in 
gleichmäßiger Weise in Anspruch nähme. Allein die Tatsache, daß 
alle akustischen Reize im peripheren Gehörorgan in die einzelnen 
qualitativen Elemente zerlegt werden, läßt die Vermutung auf- 
kommen, daß ein gleiches oder doch ähnliches Moment auch für 
die Hörrinde in Frage kommt. Es würde die Zweckmäßigkeit einer 
solchen peripheren Zergliederung in Zweifel gestellt, wenn sie zentral, 
für die Rinde, wieder aufgehoben würde. 

Bei weitem die meisten Fasermassen, wahrscheinlich sogar 
alle Fasern der zentralen Hörbahn, werden von den früher ge¬ 
nannten grauen Kernen unterbrochen. Es erhebt sich nun die Frage, 
welchen Zweck diese Unterbrechung hat, und welche Veränderung 
die Hörbahn in diesen Kernen erleidet. Die Möglichkeit, daß hier 
die streng isolierte Leitung der verschiedenen Tonhöhen bis zu einem 
bestimmten Grade wenigstens aufgehoben wird und einer anderen, 
noch unbekannten, vielleicht höheren Anordnung und Gruppierung 
Platz macht, ist jedenfalls nicht ohneweiteres von der Hand zu 
weisen. 


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Von einer Aufgabe dieser Kerne kann man jedoch heute schon 
ziemlich bestimmt reden, nämlich von der, reflektorische Bahnen 
von der zentralen Hörbahn abzuleiten. Sie ist schon vorher erwähnt 
worden. Ferner muß man, wovon gleichfalls schon die Rede war, 
in den Kernen eine Teilungsstelle der akustischen Nervenfasern in 
einen linken und einen rechten zentralwärts verlaufenden Ast 
suchen. Ob aber alle zur Hörbahn gehörigen grauen Kerne keine 
andere, bzw. keine weitere Funktion haben, darüber läßt sich heute 
noch nichts Sicheres sagen. 

Nun haben Munk und Larinow durch Experimente nachge¬ 
wiesen, daß im Schläfelappen des Hundes die Tonhöhen verschieden 
lokalisiert sind. Und zwar sind die hohen Töne im vorderen Teil, 
die mittleren Töne im mittleren und die tiefen Töne im hinteren Teil 
der Rinde beider Schläfelappen lokalisiert. Es liegt kein Grund 
vor, eine derartige, beim Hunde vorhandene getrennte Lokalisation 
für den Menschen zu leugnen. Welche Teile des menschlichen 
Schläfelappens jedoch denen des Hundes entsprechen, das läßt sich 
bisher noch nicht entscheiden. Auch die Annahme vonTourner und 
Ferrier ist nicht sicher erwiesen, daß nämlich das hintere Viertel 
von T 2 des Hundes der ganzen zweiten Schläfewindung des Menschen, 
das hintere Drittel von T3 des Hundes der ganzen ersten Schläfe¬ 
windung des Menschen, die hintere Hälfte von T 4 des Hundes der 
hinteren Querwindung der Insel beim Menschen entspricht. 

Von ganz besonderem Interesse würden die Fälle von doppel¬ 
seitiger Läsion der Hörsphäre sein, wenn sie genügend klinisch wie 
pathologisch-anatomisch untersucht worden wären. Es ist nicht aus¬ 
geschlossen, daß in diesem oder jenem Fall die eine Hörsphäre 
ganz zerstört worden ist, während ein Teil der andern Hörsphäre 
mit seinen Projektions- und Assoziationsfasera verschont geblieben 
ist. Nach unserer Auffassung von der Hörsphäre müßte dieser Rest, 
der zur Wahrnehmung ganz bestimmter Tonhöhen dient, vermittelst 
der Bezoldsehen kontinuierlichen Tonreihe nachgewiesen werden 
können. Leider sind aber solche Untersuchungen bisher noch nicht 
angestellt worden. 

Lewandowsky führt gegen die Munk-Larinowschen Er¬ 
gebnisse die neueren Versuche von 0. Kalischer an, welcher Hunde 
so dressierte, daß sie nur beim Hören bestimmter Töne ihr Futter 
nahmen. Diese Hunde sollen nach Exstirpation beider Temporallappen 
in der von Munk für seine Hörsphäre angegebenen Ausdehnung das 


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Tongedächtnis sowohl für hohe, als für tiefe Töne intakt gezeigt haben. 
Sie sollen kaum etwas von ihrer Dressur eingebüßt haben. Daraus 
schließt nun Le wando wsky, daß, da der Schläfelappen auf jeden 
Fall mit dem Hören etwas zu tun habe, die Hörsphäre des Hundes 
sehr viel ausgedehnter ist, als Munk annimmt. Es hält selbstver¬ 
ständlich schwer, ohne jede eigene praktische Erfahrung über solche 
Experimente zu urteilen. Immerhin läßt sich soviel sagen: Experi¬ 
mente mit verschiedenen Tonqualitäten an Hunden sind außer¬ 
ordentlich schwierig. Die Ergebnisse von Munk und L a r i n o w lassen 
sich keineswegs einfach wegleugnen. Die auffallende Taubheit für 
ganz bestimmte Tonhöhen bei Exstirpation bestimmter Teile der 
Hörsphären verlangt doch irgend eine anatomische Erklärung. Ne¬ 
gative Ergebnisse können viel eher auf Versuchsfeldern oder auf 
anderen, noch unbekannten Momenten beruhen. Immerhin können 
die M u n k-L a r i n o w sehen Experimente keinen Anspruch auf absolute 
Gültigkeit machen. Aber die Wahrscheinlichkeit, daß ihre Erklärung 
im Sinne Munks zu Recht besteht, ist eine recht große. 


Um das wahre Wesen des Wer nick eschen Zentrums zu er¬ 
kennen, bedarf es noch einer weiteren wichtigen Erörterung. Es 
handelt sich darum, was man überhaupt in einem Rindenzentrum 
„lokalisieren“ kann. Unter den Neuropathologen lokalisieren Wer- 
n icke, Bastian, Dejerine und andere Autoren ganze Vorstellun¬ 
gen in relativ kleine umschriebene Zentren, so z. B. die akustischen 
Wortklangbilder ins W e r n i c k e sehe Zentrum. W e r n i c k e sagt: „Die 
Erinnerungsbilder sind in der Rinde mosaikartig verteilt, und zwar 
nach den Territorien der Nervenendigungen. Jeder andere über 
diese einfachsten Annahmen hinausgehende psychische Vorgang, 
wie die Verknüpfung verschiedener Vorstellungen zu einem Begriff, 
ist nicht mehr zu lokalisieren.“ „Das sensorische Sprachenzentrum 
ist der Ort, an welchem, entsprechend der zentralen Endigung des 
Nervus acusticus, die Erinnerungsbilder der gehörten Sprachlaute, 
die Klangbilder derselben, ihr anatomisches Substrat in den Ganglien¬ 
zellen der Hirnrinde besitzen.“ Aber mit vollem Recht wendet 
v. Monakow dagegen ein, daß ein akustisches Wortklangbild durch¬ 
aus nichts „Einfaches“ ist, sondern ein viel zu komplizierter Vorgang 
ist, als daß man ihn in eine einzige umschriebene Rindenstelle 
lokalisieren könnte. In der Tat ist es ein äußerst gewagtes Unter- 


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nehmen, überhaupt irgend eine noch 30 einfache psychische Funktion 
zu lokalisieren. Man muß Goltz recht geben, wenn er sagt, daß 
zu jeder psychischen Funktion unbedingt das Zusammenwirken der 
verschiedensten Hirngebiete gehört. 

Ein psychischer Vorgang ist eine Tätigkeit, ein Geschehen. 
Ein solches kann man aber nicht lokalisieren. Es kann nicht irgend¬ 
wo „deponiert“ sein. Denn es existiert ja gar nicht in der Kühe. 
Mit einer jeden sinnlichen Vorstellung ist auch eine zeitliche Vor¬ 
stellung der Dauer und der Geschwindigkeit verbunden. Der „Zeit¬ 
sinn“ ist eine allgemeine Eigenschaft aller Arten von Vorstellungen 
und Gemütsbewegungen, also des gesamten Bewußtseinsinhaltes. 
Und schon aus diesem Grunde ist mehr als eine einzige Kindenstelle 
für den Ablauf einer Vorstellung erforderlich. Lokalisieren kann 
man seihst nicht die allereinfachsten psychischen Vorgänge, die 
einfachen Empfindungen. So gehört z. B. zur Empfindung eines 
einzelnen leuchtenden Punktes außer der unmittelbaren Licht¬ 
empfindung noch die räumliche Vorstellung der Richtung und Ent¬ 
fernung, sowie die zeitliche Vorstellung der Wirkungsdauer. 

Von Lokalisation kann man nur bei physiologischen Prozessen 
reden. Auf die Frage, was man sich z. B. in der Hörsphäre loka¬ 
lisiert denken soll, antwortet v. Monakow: „Eine Lokalisation 
kann nur in dem Sinne angenommen werden, daß eine erste, kurz¬ 
dauernde Registrierung der Schallwellen in einer räumlich schärfer 
begrenzten Region stattfindet.“ Kurzdauernd nennt v. Monakow 
diese Registrierung, weil jeder Reiz dem nachfolgenden sofort den 
Platz einräumen muß. Mit anderen Worten: Die akustischen Reize 
— physiologische Prozesse — gelangen nur als eine unbestimmte 
Summe einfachster, nicht weiter zerlegbarer Tonelemente in die 
Hörsphäre. Zu den psychischen einfachen Elementen, den Emp¬ 
findungen, und gar erst zu bestimmten sprachlichen, musikalischen 
oder geräuschlichen Vorstellungseinheiten werden sie erst durch 
das Zusammenwirken zahlreicher und großer Rindenteile. 

Zur Lokalisation hoher psychischer Funktionen ist man durch 
die Beobachtung verleitet worden, daß infolge eines umschriebenen 
Herdes solche Funktionen ausfielen. „Die eigentlichen Werkstätten 
aber“, sagt v. Monakow, „für die ausgefallenen Funktionen können 
weitverzweigte, multiforme, unter Umständen auch ganz andere» 
als die lädierten Rindenregionen sein. Die lädierte Stelle kann 
eine Schraube der komplizierten Maschine sein. Man kann also 


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diese begrenzten Rindenfelder nur als Prädilektionsstellen oder 
Reaktionsstellen betrachten." An einer anderen Stelle sagt v. Mona¬ 
ko w: „Die sogenannten Wortklangbilder schwinden total selbst nicht 
nach völligem Defekt beider Hörsphären (also bei zentraler Taubheit); 
sonst wäre eine schriftliche Verständigung unmöglich." Also können 
diese hohen psychischen Gebilde auch nicht dort „lokalisiert" sein. 

Wernicke nennt die sinnlichen Vorstellungen einfachste psy¬ 
chische Gebilde. Um in das Wesen einer akustischen Wort Vorstellung 

— nur sie interessiert uns — näher einzudringen, ist es zweckmäßig, 
auf eine genaue Zergliederung der akustischen Empfindungen ein¬ 
zugehen. Man unterscheidet Tonempfindungen und Geräuschemp¬ 
findungen. Tonempfindungen: Ein einfacher Ton — ohne Obertöne 

— ist die Empfindung, die durch vollständig gleichmäßige Schwin¬ 
gungen — von bestimmter Geschwindigkeit — kleinster Luftteilchen 
vermittelst des Gehörorganes ausgelöst wird. Er zeigt eine bestimmte 
Intensität, d. h. eine bestimmte Größe der Schwingungsamplitude, 
und eine bestimmte Qualität, d. h. eine konstante Zahl von Schwin¬ 
gungen in einer gegebenen Zeiteinheit. Durch das menschliche 
Gehör wahrnehmbar sind die Töne von einer Schwingungszahl 
zwischen etwa 30 bis 24.000 in der Sekunde. — Geräuschempfin¬ 
dungen: Ein einfaches reines Geräusch ist die Empfindung, die 
durch eine qualitativ wie intensitiv unregelmäßige Schwingung kleinster 
Luftteilchen vermittelst unseres Gehörorganes ausgelöst wird. 

Die einfachen Empfindungen sind nur Abstraktionen und 
kommen isoliert nie vor. Sie treten in verschieden großen Kom¬ 
plexen auf, die man „Vorstellungen“ nennt. Unter den Gehörs¬ 
vorstellungen unterscheidet man erstens Klangvorstellungen, d. h. 
Kombinationen von einfachen Tönen, von denen einer der Haupt¬ 
oder Grundton ist. Zweitens Geräuschvorstellungen: Sie zeigen 
einen sehr variablen Charakter. Reine Geräusche, d. h. solche, in 
denen man keine auch nur annähernd bestimmbare Tonhöhen unter¬ 
scheiden kann, gibt es nur selten. Die meisten lassen mehr oder 
minder eine solche erkennen. Den meisten Geräuschen sind also mehr 
oder weniger zahlreiche, unregelmäßig sich kreuzende Klangbestand¬ 
teile beigemischt. 

Typische Formen von Geräuschvorstellungen sind die Sprach- 
laute. Bei ihnen wiegen bald die Geräuschelemente, bald die 
Klangbestandteile vor. Niemals aber fehlt eins von beiden. Eine 
scharfe Grenze läßt sich in dieser Hinsicht zwischen den einzelnen 


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Sprachlauten nicht ziehen. Die Geräuschelemente der Sprachlaute 
unterscheiden sich jedoch von den allgemeinen Geräuschen durch 
eine gewisse Regelmäßigkeit. L. Hermann hat die Sprachlaute 
graphisch dargestellt. Die Geräuschkurve für den Vokal „a“ sieht 
z. B. folgendermaßen aus: 



Die Tonhöhen der Sprachlaute sind natürlich individuell ver¬ 
schieden. Auch ist sie bei jedem einzelnen Menschen nicht konstant, 
sondern schwankt in gewissen Grenzen. Nach Bezold liegen die 
Grundtöne der Vokale zwischen b 1 und g n einschließlich (B e z o 1 d- 
sche Seite). 

„Zum Sprachverständnis“, sagt Bonvicini, „ist ein viel feineres 
Auffassungs- und Unterscheidungsvermögen nötig. Die Kompliziertheit 
und Verschiedenheit der sprachlichen Eindrücke und die geradezu 
enorme Wichtigkeit ganz geringfügiger Unterschiede (z. B. bei klang¬ 
ähnlichen, aber inhaltlich total verschiedenen Worten) kann kaum 
verglichen werden mit der relativen Einfachheit gewöhnlicher Ge¬ 
räusche, die eine ziemliche Veränderung ihrer physikalischen Kom¬ 
ponenten (z. B. einzelner Partialtöne) vertragen, ohne dadurch an Ver¬ 
ständlichkeit einzubüßen. Auch stellt die Sprache eine außerge¬ 
wöhnlich rasche Aufeinanderfolge von Schallelementen dar. Es sei 
nur daran erinnert, daß bei der Sprachperzeption in einer Sekunde 
20 und mehr Laute in bestimmter Kombination aufgefaßt werden 
müssen (Bleuler). Das gesprochene Wort ist also die für das 
Ohr komplizierteste Reizform.“ 

Damit nun diese verwickelte Geräuschform als Wortvorstellung 
zum Bewußtsein gelangt, ist eine noch verwickeltere psychische 
Tätigkeit erforderlich. Zunächst müssen, wie schon erwähnt, die 
simultanen Elemente eines Sprachklanges zu einer simultanen Ein¬ 
heit verschmolzen werden. Weiter müssen die simultanen Einheiten 
in richtiger zeitlicher Reihenfolge sukzessive Einheiten werden. 
Gleichzeitig wird die räumliche Vorstellung von der Richtung und 
der Entfernung der Schallquelle wach. Unsere Raum Vorstellung 
ist aber vorwiegend eine optisch-taktile. In dieses Raumbild tragen 
wir erst unsere Vorstellungen von den räumlichen Beziehungen der 
akustischen Reize ein. Damit wir endlich eine klare, einheitliche 


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Vorstellung erlangen, müssen wir das Klangbild des Wortes, wenig¬ 
stens seiner Elemente, als ein bekanntes erkennen. D. h. in uns 
muß infolge der Wahrnehmung die akustische Vorstellung des ge¬ 
bürten Wortes gleichzeitig reproduziert, in der Erinnerung wacb- 
gerufen werden. Es ist nun eine bekannte Tatsache, daß man ein 
Wort, wie auch eine Melodie, in jeder Tonhöhe wiedererkennt. Es 
bleiben also nicht die einfachen akustischen Empfindungen als solche 
in erster Linie im Gedächtnis als Besiduen zurück, sondern nur 
ihr simultanes und sukzessives Verhältnis zueinander, nämlich die 
Tonintervalle. Ein weiterer wichtiger Bestandteil des allgemeinen 
Wortgedächtnisses ist das Gedächtnis des Taktes und der Intensitäts¬ 
unterschiede. Zum Wiedererkennen eines Wortes gehört unbedingt, 
daß die langen Vokale oder Konsonanten eines Wortes auch lang, 
die betonten Silben oder Buchstaben auch betont ausgesprochen 
gehört werden. Erst in letzter Linie erinnert man sich auch der 
Tonhöhe, in dem ein Wort von diesem oder jenem Menschen aus¬ 
gesprochen worden ist. Dabei ist diese Erinnerung nur eine sehr 
ungenaue. 

Es ergibt sich also, was für ein außerordentlich komplizierter 
Vorgang es ist, wenn ein gehörtes Wort zur Vorstellung wird. Und 
es klingt höchst unwahrscheinlich, daß dieser ganze psychische Prozeß 
sich in einem einzigen umschriebenen Binden Zentrum abspielen soll. 

Wir können also vom psychologischen Standpunkt aus nur in 
dem Sinn eine Lokalisation im W e r n i c k e sehen Zentrum anerkennen, 
als dort eine erste, kurz dauernde Begistrierung der einfachsten, 
nicht weiter zerlegbaren akustischen Beizelemente stattfindet. Die 
Empfindungen und Vorstellungen selbst sind nicht örtlich lokalisier¬ 
bar, sondern zu ihrem Zustandekommen ist das Zusammenwirken 
zahlreicher, großer Bindenteile nötig. 


Es hat sich gezeigt, daß man im Schläfelappen eine Hörsphäre 
annehmen muß, in der eine kurz dauernde Begistrierung der akusti¬ 
schen Beizelemente stattfindet. Dabei werden die einzelnen ein¬ 
fachsten Beizqualitäten an räumlich getrennten Punkten der Hör¬ 
sphäre registriert. Es hat sich ferner gezeigt, daß die akustischen 
Wortvorstellungen nicht in einem einzigen Binden Zentrum, wie in 
dem Wernickesehen Zentrum lokalisiert werden können. Nun findet 
man bei den verschiedenen Autoren alle möglichen Arten von akusti¬ 
schen Zentren angegeben. So wird neben der primären Hörsphäre, 


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als dem unmittelbaren Einstrahlungsgebiet der zentralen Hörbahn, 
noch die Existenz eines sekundären Sprachzentrums und eines be¬ 
sonderen Tonzentrums angenommen. Nur ein gesondertes Zentrum 
für die Wahrnehmung der allgemeinen, nicht sprachlichen Geräusche 
ist bisher noch von keinem behauptet worden. Dabei ist die Auf¬ 
fassung der verschiedenen Zentren eine außerordentlich wechselnde. 

Sollte es wirklich getrennte Zentren für die akustische Wahr¬ 
nehmung der Sprache, der Musik und eventuell noch der allgemeinen 
Geräusche geben, so liegen drei Möglichkeiten vor. Entweder tritt 
diese Scheidung schon im peripheren Gehörorgan oder zweitens 
irgendwo im Verlauf der zentralen Hörbahn oder drittens erst nach 
der Einstrahlung in den Schläfelappen ein. 

Eine derartige Scheidung der akustischen Reize ist überhaupt 
nur möglich, wenn die sprachlichen, musikalischen und geräusch- 
lichen Reize physiologisch scharf voneinander getrennt werden 
können. Das ist aber unmöglich. Einmal ist nämlich eine absolute 
Grenze zwischen reinen Tönen und reinen Geräuschen nicht zu 
ziehen. Künstlich zieht man sie im allgemeinen so, daß man zwei 
aufeinanderfolgende, gleichmäßige ganze Schwingungen noch zu den 
Tönen rechnet, weniger aber als zwei ganze nicht mehr. 

Schon aus diesem Grunde ist eine Annahme, bereits im peri¬ 
pheren Gehörorgan würden die Geräusche von den Tönen getrennt, 
unmöglich. Wir kennen kein Organ, das diese Aufgabe haben könnte. 
Es liegt nichts der Möglichkeit im Wege, daß die Geräusche ebenso 
wie die Töne vermittelst der Cortischen Bögen und der Basilar- 
membran in den Nervus cochlearis geleitet werden. Andererseits 
ist es unwahrscheinlich, daß die elastischen Fasern der Basilar- 
raembran nur von regelmäßigen, nicht aber von unregelmäßigen 
Luftschwingungen in Schwingung versetzt würden. Man muß daher 
annehmen, daß auch die Geräusche in der Schnecke in ihre ein¬ 
fachsten simultanen und sukzessiven Bestandteile zerlegt werden, 
und daß diese einzeln vermittelst der Cortischen Bögen und der 
Membranfasern, die durch sie angesprochen werden, fortgeleitet 
werden. 

Weiter sind die Sprachlaute, wie schon oben nachgewiesen, 
nur eine Kombination von Tönen und Geräuschen. Sie machen in 
der Schnecke den gleichen Prozeß durch wie die anderen Töne und 
Geräusche. 

In der Schuecke findet also nur eine Zerlegung aller akusti- 


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Klinisches und Anatomisches über YVorttaubheit. 


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sehen Reize in ihre einfachsten Elementarbestandteile statt. Eine 
Scheidung aber nach speziellen Gesichtspunkten, wie in sprachliche, 
musikalische und geräuschliche, kann nicht angenommen werden. 

Ebenso klingt es unwahrscheinlich, daß eine derartige Scheidung 
im Verlauf der zentralen Hörbahn, also in den grauen Kernen, zu¬ 
stande komme. Überhaupt ist diese Scheidung eine reine Abstrak¬ 
tion, die gar nicht mit anatomischen und physiologischen Momenten 
rechnet. Wie sollte eine Ganglienzelle dazu kommen, den einen 
Teil ihrer qualitativ vollständig gleichartigen Reize nur in den 
einen, einen anderen Teil nur in den anderen Ausläufer zu ent¬ 
senden? Derselben Ansicht ist Bleuler: „Es ist äußerst unwahr¬ 
scheinlich, daß die akustischen Wortbilder durch andere Fasern zur 
Hirnrinde, bzw. zum Bewußtsein gelangen, als die übrigen Schall- 
qalitäten.“ 

Larinow nimmt an, daß schon im Verlauf der zentralen 
Hörbahn eine funktionelle Zweiteilung eintrete, indem sich eine 
Bahn abzweige und zu einem kortikalen Zentrum für Töne und 
Geräusche im Sinne unserer Hörsphäre ziehe, während eine zweite 
selbständige Bahn unmittelbar zu einem kortikalen akustischen 
Wortzentrum verlaufe. Er stützt sich hierbei auf die Tatsache, daß 
Flechsig zwei getrennte Bahnen hat feststellen können. Aber 
einmal vereinigen sich nach Flechsig beide wieder in der Quer¬ 
windung. Außerdem ist eine anatomische Trennung keineswegs 
schon ein Beweis für eine funktionelle Verschiedenheit. 

Ebenso vertritt Edgren den Standpunkt, dem sich auch Ba¬ 
stian anschließt, daß man in der Rinde neben einem akustischen 
Wortzentrum ein selbständiges akustisches Tonzentrum annehmen 
muß. Eine Unabhängigkeit beider Zentren voneinander ist aber nur 
denkbar, wenn beide je eine gesonderte Projektionsiaserung besitzen. 
Demnach müßte — allerdings geht Edgren nicht weiter darauf 
ein — die Scheidung schon subkortikal zustande kommen. Zu der 
Annahme einer derartigen Scheidung führt ihn die klinische Tat¬ 
sache, daß die Tontaubheit eine gewisse Selbständigkeit gegenüber 
der Worttaubheit besitzt. Zum Beweis führt er erstens eine Anzahl 
von FäUen mit Worttaubheit ohne Tontaubheit, zweitens solche 
mit Kombination beider und drittens Fälle von Tontaubheit ohne 
Worttaubheit an. 

Die Fälle von Worttaubheit ohne Toutaubheit können nicht 
zum Beweis für seine Annahme dienen. Denn dieses Bild ist das 


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gewöhnliche und erklärt sich so, daß die Töne und einfachen Melo¬ 
dien zur Wahrnehmung auch den Weg über die rechte Hörsphäre 
benutzen können, worauf wir später noch zu sprechen kommen 
werden. 

Auch die Fälle von Worttaubheit mit Tontaubheit ermangeln 
der ausreichenden Beweiskraft. Nach unserer Auffassung der aku¬ 
stischen Zentren müßten solche Fälle klinisch das Bild einer totalen 
oder partiellen zentralen Taubheit, anatomisch aber eine zweiseitige 
totale oder partielle Läsion der Hörsphäre zeigen. Nun ist aber nur 
bei zwei von den angeführten Fällen eine Sektion gemacht worden. 
Und auch diese Sektionen sind nur grob makroskopisch. Bei dem 
Oppenheim sehen Fall (38 jähriger Arbeiter) fand>ich in der linken 
Hemisphäre u. a. eine partielle Läsion des Schläfelappens; der 
rechte soll unversehrt gewesen sein. Eine genaue Hörprüfung etwa 
mit Bezolds kontinuierlicher Tonskala ist aber nicht angestellt 
worden. Ja, es ist nicht einmal sicher, daß der Patient auch wirk¬ 
lich tontaub ist. Denn es ist nur angegeben, daß er nicht zu ver¬ 
stehen gibt, ob er Verständnis für Melodien hat. Man kann daher 
ebensogut nur eine allgemeine Unaufmerksamkeit gegen akustische 
Reize annehmen, wie sie bei Worttauben häufig angetroffen wird. 

In dem andern, zur Sektion gekommenen Fall von Sörieux 
(Frau, 51 Jahre) entstand allmählich eine zunächst partielle Wort¬ 
taubheit. Die Symptome nahmen stetig zu. Hinzu traten Tontaub¬ 
heit und musikalische Amnesie. Kurz vor dem Tode trat die Wort¬ 
taubheit hinter der allgemeinen Taubheit immer mehr zurück. Bei 
der Autopsie zeigte sich beiderseits eine Atrophie, besonders der 
oberen Schläfewindungen. Die beste anatomische Erklärung dieser 
Kombination von Worttaubheit und Tontaubheit, die allmählich 
immer mehr in allgemeine Taubheit übergingen, ist die tatsächlich 
konstatierte zweiseitige Atrophie der Hörsphären. 

Der Fall von Lichtheim (55 jähriger Lehrer) ohne Sektion, läßt 
sich anatomisch so erklären, daß bei den mehrfachen apoplektischen 
Insulten die linke Hörsphäre ganz zerstört ist, die rechte dagegen 
entweder durch Nachbarherde oder durch eigene kleinere Herde 
diffus oder partiell geschädigt ist. Jedenfalls ist die Intaktheit des 
rechten Schläfelappens keineswegs erwiesen. 

Ähnliches gilt für den Fall von Kahler und Pick (55jäh¬ 
riger Taglöhner). Außerdem fehlt bei diesem wie bei dem Fall 
Bernhardt (46jähriger Schuhmacher) die Angabe, daß sie früher 


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musikalisches Verständnis besessen haben. Bekanntlich kommt der 
völlige Mangel eines solchen physiologisch gar nicht selten vor. 

An dritter Stelle führt Edgren Fälle von Tontaubheit ohne 
Worttaubheit an. Bei den drei Fällen von Br a zier, alle drei ohne 
Sektion, kann man wohl nur rein funktionelle Tontaubheit an¬ 
nehmen, da sie alle drei sehr schnell sich vollständig restituierten. 

Bei dem Fall von Bernard (Frau, 49 Jahre) ist durch die 
nur makroskopische Sektion nicht die völlige Intaktheit der rechten 
Hörsphäre, bzw. der rechten zentralen Hörbahn erwiesen. Außerdem 
fehlt eine genaue Hörprüfung und die Angabe, ob die Patientin vor 
der Erkrankung genügend musikalisches Verständnis besessen hat. 

Dagegen scheint der Fall, den Edgren selbst beobachtet hat 
(34jähriger Bäcker), außerordentlich für seine Theorie zu sprechen. 
Infolge eines Traumas wurde der Patient worttaub wie tontaub. Die 
Worttaubheit besserte sich mit der Zeit, während die Tontaubheit 
drei Jahre bis zum Tode unverändert bestehen blieb. Der Patient 
besaß vor dem Trauma ein gut musikalisches Gehör. Bei der makro¬ 
skopischen Sektion ergab sich links eine Erweichung des vorderen 
Zweidrittels der ersten und der vorderen Hälfte der zweiten Tem¬ 
poralwindung ; rechts u. a. eine Erweichung der hinteren Hälfte der 
ersten Temporalwindung. Die kurzdauernde Worttaubheit erklärt 
sich leicht aus der Nach bar Wirkung des linken Herdes auf den in¬ 
takten hinteren Teil der ersten Temporalwindung. Die Tontaubheit 
braucht nicht, wie Edgren annimmt, notwendig die Folge des 
linken Herdes in der vorderen Hälfte von T 1 zu sein. Es treten 
dann Schwierigkeiten auf bei der Erklärung, warum nicht wenigstens 
eine partielle Restitution durch kompensatorisches Eintreten des in¬ 
takten rechten „Tonzentrums“ zustande gekommen wäre. Auch ist 
eine erforderliche genaue Hörprüfung nicht vorgenommen worden. 
Die dauernde Tontaubheit läßt sich folgendermaßen gut erklären: 
Die beiden Herde links und rechts haben verschiedene Lage. Ge¬ 
meinsam nehmen sie nur ein kleines Stück ungefähr in der Mitte 
der ersten Schläfewindung ein. Dieses Stück könnte nun gerade ein 
für die Wahrnehmung der Musik wichtiger Teil der Tonskala, etwa 
oberhalb der Bezoldschen Sexte, sein. Außerdem muß man wohl 
stets eine schädigende Wirkung der Herde auf ihre Nachbargebiete 
annehmen. Vor allem aber zerstören grobe kortikale Herde meist 
auch benachbarte weiße Substanz. Und so werden auch manche für 
die Wahrnehmung der Tonskala wichtige interkortikale Bahnen 


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(Assoziationsfasern) zerstört sein. Jedenfalls ist in beiden Schläfe- 
lappen ein homologer Teil zerstört, der möglicherweise weniger bei 
der Wahrnehmung der Sprache als der Musik von wesentlicher Be¬ 
deutung ist. Eine isolierte linksseitige Lokalisation der akustischen 
Amusie würde nur dann erwiesen sein, wenn ein rein linksseitiger 
Herd einmal Amusie ohne Worttaubheit zur Folge hätte und weiter 
mikroskopisch nachweislich die hintere Hälfte der ersten Schläfe¬ 
windung und die Flechsigschen Querwindungen freiließe. 

Auf dem gleichen Standpunkt wie Edgren steht Probst. 
Für die Fälle, die er außer den von Edgren schon erwähnten zum 
Beweise anführt, gilt im Grunde dasselbe wie für die Edgrens. 
Auch er hat keinen Fall mit den erwähnten Voraussetzungen an¬ 
geführt. — 

Wenn nun weder im peripheren Gehörorgan noch in der zen¬ 
tralen Hörbahn eine Trennung nach den erwähnten psychologischen 
Gesichtspunkten möglich ist, so bleibt eine solche Möglichkeit nur 
noch für die Rinde selbst übrig. Dann wäre zunächst die Annahme 
einer allgemeinen Hörsphäre als primäre Endigungsstelle der zen¬ 
tralen Hörbahn erforderlich. Von ihr aus müßten dann Bahnen zu 
irgendwelchen benachbarten, sekundären, psychologisch höher¬ 
wertigen Hörzentren verlaufen. 

Einer derartigen Auffassung begegnet man bei Zieht Er 
nimmt zwei verschiedene akustische Sprachzentren an. Im ersten 
soll die „simultane Assoziation verschiedener Gehörsempfindungen 
oder deren Verschmelzung zur Vorstellung eines Lautes, resp. eines 
Tones“ ihr physiologisches Korrelat finden. Das zweite Zentrum soll 
dem ersten übergeordnet sein. Seine Aufgabe soll die „sukzessive 
Assoziation der Laute zu Wort-, resp. der Töne zu Musikvorstel¬ 
lungen“ sein. Das erste oder das „Lautklangzentrum“ soll beider¬ 
seits innerhalb der Hörsphäre liegen. Das zweite oder das „Wort¬ 
klangzentrum“ ist nur linksseitig bei Rechtshändern angelegt. Es 
st ht mit beiden Lautklangzentren in direkter Faserverbindung. 

Abgesehen davon, daß diese rein theoretische Annahme jeg¬ 
licher anatomischen Stütze entbehrt, muß vor allem betont werden, 
daß die Z i e h 1 sehe Scheidung der simultanen und sukzessiven As¬ 
soziation eine durchaus ungenaue ist. Das Klangbild eines einzelnen 
Buchstabens ist keineswegs eine rein simultane Einheit. Es ist nicht 
minder, wie schon früher erwähnt, sukzessiv höchst kompliziert zu¬ 
sammengesetzt. Im sogenannten „Lautklangzentrum“ müßten also so- 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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wohl simultane wie sukzessive Assoziationen zustande kommen. Außer¬ 
dem ist die Scheidung in Buchstaben einerseits und Wörter anderseits 
doch rein grammatikalisch. Sowohl phylogenetisch wie ontogenetisch 
sind die einzelnen Wörter ursprünglich wohl einheitliche, nicht weiter 
zerlegbare Komplexe. Die Unterscheidung einzelner Buchstaben im 
Wort ist erst bei relativ hochentwickelter Intelligenz möglich. 

Gleichfalls entbehrt die Annahme Quensels einer bewei¬ 
senden Grundlage, welcher behauptet, die Flechsigsche Quer¬ 
windung sei die primäre Hörsphäre, T 1 aber enthalte in seiner 
hinteren Hälfte das — sekundäre — Zentrum, dessen Zerstörung 
Worttaubheit hervorrufe. Einmal gibt er selbst zu, daß die Zer¬ 
störung der Querwindung dieselbe Folge habe. Dann ist die An¬ 
nahme, daß auch T 1 zur primären Hörsphäre gehöre, bisher noch 
nicht widerlegt. Bei der unmittelbaren Nachbarschaft der Quer¬ 
windung und der ersten Temporalwindung liegt es viel näher, nur 
ein einfaches Zentrum, nämlich die primäre Hörsphäre, anzunehmen, 
die vielleicht die Gebiete Flechsigs und Wernickes zusammen 
einnimmt. Auch mag es individuelle Schwankungen geben, so daß 
bald mehr T 1, bald mehr die Querwindung im Vordergrund steht. 

Wernicke sagt einmal in seinem „Aphasischen Symptomen- 
komplex“ vom Jahre 1903, das ganze Hörvermögen umfasse acht 
Oktaven. Davon brauchten im sensorischen Sprachzentrum nur zwei 
lokalisiert zu sein. Der linke Schläfelappen müßte also bei Wort¬ 
taubheit für die Töne b 1 bis g lr (Bezoldsche Sexte) wirklich taub 
sein. Daß aber bei diesem Defekt eine Worttaubheit und nicht eine 
wirkliche, wenn auch partielle Taubheit für bestimmte Töne resul¬ 
tiere, finde darin seine Erklärung, daß die betreffende Teilfaserung 
des Akustikus auch in den rechten Schläfelappen gelangt und da¬ 
selbst die Wahrnehmung der gleichen Töne vermittelt. 

Für das Sprachverständnis ist nicht die ganze wahrnehmbare 
Tonskala notwendig, sondern nur B e z o 1 d s Sexte, d. h. die Töne 
b I bis g“, oder mit Liepmann vorsichtiger ausgedrückt: noch 
je eine Oktave ober- und unterhalb von ihr. Infolgedessen ist zur 
Wahrnehmung der Sprachlaute auch nur ein relativ kleiner Teil 
der ganzen Hörsphäre nötig. So liegt es denn nahe, für die korti¬ 
kale Entstehung von Worttaubheit die Läsion eines ganz bestimmten 
Teils der Hörsphäre verantwortlich zu machen, nämlich des Teils, 
der zur Aufnahme der Bezol dsehen Sexte bestimmt ist. Und dieser 
mag gerade in dem hinteren Drittel von T 1 gelegen sein, ohne 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 21 


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daß man jedoch vorläufig Genaueres darüber aussagen könnte. Der 
gleichen Meinung istWernicke: „Ich sehe mich zu der Annahme 
gedrängt, daß das sensorische Sprachzentrum mit der Endstätte der 
Projektionsfaserung der Be z old sehen Seite zusammenfällt.“ Aller¬ 
dings geht er dann zu weit, indem er in derselben Bindenstelle die 
Verschmelzung der sprachlichen Klangelemente zu den akustischen 
Wortvorstellungen zustande kommen läßt. 

Wir können also zusammenfassend sagen: Wir kennen in der 
Hirnrinde — abgesehen von den motorischen Zentren — nur eine 
Reihe von Sinneszentren, die zur ersten kurz dauernden Aufnahme 
physiologisch einfachster sinnlicher Elemente bestimmt sind. Im 
akustischen Zentrum findet diese Aufnahme der einfachsten Ton¬ 
qualitäten an räumlich getrennten Punkten statt, die in dem Zen¬ 
trum mehr oder weniger regelmäßig verteilt sind. Von einem Zen¬ 
trum kann nur im Sinne eines wichtigen Knotenpunktes die Rede 
sein, insofern die zentrale Hörbahn unmittelbar in ihm endigt und 
von ihm aus durch Assoziationsfasem nach den verschiedensten 
Richtungen mit allen möglichen anderen Rindenteilen in Verbindung 
tritt. Zum Zustandekommen selbst der einfachsten akustischen Emp¬ 
findungen, erst recht der Vorstellungen, ist das Zusammenwirken 
zahlreicher noch unbekannter Rindenabschnitte mit der Hörsphäre 
nötig. Diesen ist also hei Zerstörung der Hörsphäre, wie Freud 
mit Recht betont, nur der Zufluß der akustischen Reizelemente von 
außen abgeschnitten. Daß nun bei der Entstehung der Sprachvor- 
stellungen, wie Freud annimmt, das Rindengebiet zwischen der 
dritten Stirn- und der ersten Schläfewinduhg, bzw. dem Gyrus 
parietaüs einschließlich in Frage kommt, mag immerhin eine ge¬ 
wisse Wahrscheinlichkeit haben. Denn man wird wohl annehmen 
müssen, daß die Rindenteile, die einer gemeinsamen Funktion dienen, 
auch räumlich nahe beieinander liegen. Ob aber außerdem nicht 
noch andere Rindenteile hinzugerechnet werden müssen, etwa irgend 
ein Flechsigsches Assoziationszentrum oder Rindenabschnitte, die 
für die Entstehung der zugehörigen Raumvorstellung in Frage 
kommen, oder noch andere, unbekannte Gebiete, darüber läßt sich 
vorläufig nichts Sicheres aussagen. 

Die dargelegte Auffassung deckt sich zum Teil mit der F1 ecli- 
sigs. Auch er hält seine primäre Hörsphäre und dasWernicke- 
sche akustische Wortzentrum für ein und dasselbe. „Eine unhalt¬ 
bare Annahme ist,“ sagt er weiter, „daß die Erinnerungsbilder 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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(akustischen Vorstellungen) sämtlich an die Hörsphäre gebunden 
sind.Insbesondere die Erfahrungen bei der sogenannten am¬ 

nestischen Aphasie zeigen, daß die akustische Worterinnerung an 
eine weit ausgedehntere, sich bis in den Angularis erstreckende Zone 
geknüpft ist. Ich zweifle nicht, daß man auf eine multiple Lokali¬ 
sation jeder Vorstellung und so auch der Wortvorstellungen wird 
zurückkommen müssen, daß schon die Gedächtnisspuren jedes ein¬ 
zelnen Wortklangs sich auf eine große Anzahl von Bindenfeldern 
erstrecken.“ 

Ebenso nimmt v. Monakow nur eine primäre Hörsphäre an, 
„in der natürlich Baum vorhanden ist für eine Lokalisation nach 
der Tonhöhe (Schwingungszahl).“ — „Die weitere Verarbeitung aber 
des primitiven Schallbildes zu einem sprachlich besonders zu ver¬ 
wertenden Zeichen, überhaupt zu einem Verständigungsmittel (Sym¬ 
bol), dürfte unter Mitwirkung der Hörsphäre im ganzen Kortex sich 
abspielen. Schon das Unterscheiden der verschiedenen Schallein¬ 
drücke und vollends das Erkennen bekannter Klänge muß als Pro¬ 
dukt einer mannigfaltigen Wechseltätigkeit sehr verschieden lokali¬ 
sierter Stellen aufgefaßt werden.“ 

Auch Heinrich Sachs erkennt die eigentlichen Sprachzentren 
nicht an. Sie decken sich auch nach ihm mit den gemeinsamen 
Sinneszentren. Das „Lesezentrum“ ist nichts anderes als das Seh¬ 
zentrum, das Wer nicke sehe Zentrum nichts anderes als das 
Hörzentrum usw. Nicht im Klangzentrum selbst, sondern in der 
Verbindung desselben mit den anderen Zentren liegt nach Sachs 
das Wesentliche des „sensorischen Sprachzentrums“. Nicht auf 
die Zellen im Gehörzentrum soll es ankommen, sondern auf die 
Fasern, die das Klangzentrum mit den anderen Zentren verbindet. 


Für die Frage nach dem Verhältnis der beiden Hörsphären 
untereinander sind von besonderem Interesse die Fälle von zwei¬ 
seitiger Läsion der Schläfelappen. Wir haben in der Literatur im 
ganzen 14 Fälle finden können, nämlich je einen Fall von 1. Anton 
(ID) 1 , 2. Bischoff (VII), 3. Edgren (XXII), 4. Kahler und Pick 
(XXXVHI), 5. Mills (XLV), 6. bis 10. Pick (LHI, LVIII, LIX, LIV, 
LVI), 11. Syriern (XXVI), 12. Shaw (LXVH), 13. Strohmayer 
(LXVIH) und 14. Wernicke und Friedländer (LXXH). 


Siehe Anhang I. 

11 * 


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Bei elf von diesen 14 Fällen nahmen die Herde zum Teil 
gleiche Teile der Schläfelappen ein. Im Fall von Anton waren beider¬ 
seits T 1 und T 2 mit ihren Fortsetzungen nach hinten und mit 
dem unteren Scheitelläppchen zerstört. Bi sc hoff gibt in seinem Fall 
eine hochgradige Atrophie beider Schläfelappen an. Im Fall von 
K ahlerund Pick waren beiderseits T 1 und T2 erweicht. Im Fall 
von Mills waren links die hinteren Zweidrittel von TI und das 
hintere Viertel von T2; rechts u. a. T 1 und T2 ganz erweicht 
Pick gibt in seinem ersten Fall an, daß Mark und Binde beider 
Temporallappen hochgradig verändert waren. In seinem zweiten Fall 
fand sich je ein Erweichungsherd in beiden Lappen. Im dritten Fall 
war links der Gyrus supramarginalis mit den angrenzenden Par¬ 
tien von T 1 erweicht, rechts saß je ein Herd im Gyrus supramar¬ 
ginalis und im hintersten Band von T 1. Im Fall von Sörieux war 
die Binde beider Schläfelappen, besonders der oberen Schläfewin¬ 
dungen atrophiert. Mikroskopisch bezog sich die Atrophie besonders 
auf die peripheren Zellschichten der Binde. Im Fall von Shaw 
waren genau symmetrisch links und rechts der größte Teil von TI, 
vom Gyrus angularis, vom Lobus marginalis und vom oberen Pa¬ 
rietallappen zerstört. Beim Fall vonStrohmayer fanden sich beider¬ 
seits im Schläfelappen frische luetische Entzündungen, die in der 
Binde am ausgeprägtesten waren. Wernicke und Friedländer 
geben bei ihrem Fall links eine Zerstörung der hinteren Hälfte von T 1 
und T2 und eines kleinen Teils von T3; rechts eine Zerstörung 
des hinteren Endes von T 1 und des Gyrus angularis an. — In all 
diesen Fällen findet sich eine Läsion des hintersten Teils von TI 
beiderseits. 

Das Charakteristische dieser Fälle ist, daß sie alle, wenigstens 
kurz vor dem Tode, das klinische Bild einer absoluten zentralen 
Taubheit boten. Da nun aber niemals nach noch so ausgedehnten 
einseitigen Herden zentrale Taubheit beobachtet worden ist, auch 
nicht auf einem Ohr allein, so ergibt sich die Schlußfolgerung, daß 
in beiden Hemisphären eine Hörsphäre liegt, und daß jede Hör¬ 
sphäre unabhängig von der anderen der akustischen Wahrnehmung 
dient. 

Es bleiben noch drei Fälle von zweiseitiger Schläfenlappen¬ 
läsion übrig. Im Fall von Edgren war nur ein kleines Stück in 
der Mitte von T 1 links und rechts gemeinsam zerstört. Dagegen 
war das hintere Drittel von T 1 links erhalten, deshalb fehlte auch 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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die totale zentrale Taubheit. Ähnliches gilt auch vom Fall LIV von 
Pick. Der Fall LVI von Pick endlich zeigte das klinische Bild 
der zentralen Taubheit. Der linke Herd hatte die Insel, T 1, Gyrus 
supramarginalis und Gyrus angularis zerstört; der rechte die Insel, 
das Claustrum, den Nucleus caudatus und das Mark der beiden 
Zentralwindungen. Da die Binde von T1 rechts erhalten war, wird 
man annebmen müssen, daß die zentrale Taubheit rechts durch die 
Unterbrechung der zentralen Hörbahn in der inneren Kapsel oder 
im subkortikalen Mark hervorgerufen ist. 

Woher kommt es nun, daß nach Zerstörung der linken Hör* 
Sphäre Worttaubheit entsteht, während nachweislich keine zentrale 
Taubheit für bestimmte Töne, auch nicht für die Bezoldsche 
Sexte besteht? Warum entsteht ferner nicht nach Zerstörung der 
rechten Hörsphäre bei Rechtshändern Worttaubheit? 

Zunächst muß hervorgehoben werden, daß genaue Hörprüfungen 
bisher noch recht wenig gemacht worden sind. Gleichwohl haben 
einige Autoren bei Worttaubheit eine geringe zentrale Schwerhörig¬ 
keit in Form einer mäßigen Verkürzung der Hördauer feststellen 
können. Die Erklärung hierfür läßt sich in den anatomischen Ver¬ 
hältnissen leicht finden. Wie schon erwähnt, ist nämlich die zen¬ 
trale Hörbahn keine vollständig gekreuzte Bahn. Infolge der Zer¬ 
störung der linken Hörsphäre werden daher die Töne nur vermittelst 
der rechten Hörsphäre wahrgenommen, was wohl eine mäßige Her¬ 
absetzung der zentralen Hörschärfe zur Folge hat. 

Der Grund, weshalb nur nach linksseitiger Läsion bei Rechts¬ 
händern Worttaubheit entsteht, nicht aber nach rechtsseitiger, liegt 
in dem eigenartigen Verhältnis zwischen linker und rechter Hemi¬ 
sphäre. Auch hier hat die anatomische Forschung uns wieder eine 
wenn auch vorläufig noch unvollkommene Grundlage geschaffen 
Einmal bat Bastian gefunden, daß das spezifische Gewicht der 
grauen Rinde der linken Hemisphäre von Rechtshändern größer ist, 
als das der rechten. Daraus wird auf den größeren Gehalt der linken 
Hemisphäre an Nervensubstanz geschlossen. Weiter hat Flechsig 
auf Frontalschnitten nachgewiesen, daß die in die linke Hörsphäre 
eintretende Hörstrahlung erheblich stärker ist als die rechte; dafür 
jedoch, daß auch die Größe der beiden Hörsphären entsprechend 
variiert, hat Flechsig bisher keine Beweise auffinden können. 

Klinische und anatomische Betrachtungen zwingen uns, einen 
gewissen Vorrang der linken Hemisphäre gegenüber der rechten bei 


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Rechtshändern anzunehmen. Einfachere sinnliche Eindrücke können 
vermittelst jeder der beiden Hemisphären wahrgenommen werden. 
Ebenso können einfache Bewegungen von beiden ausgehen. Aber 
kompliziertere Funktionen, wie alle sprachlichen, ferner alle kom¬ 
plizierteren Bewegungen sowohl der linken wie auch der rechten 
Körperhälfte sind an die linke Hemisphäre gebunden. 

So muß man auch annehmen, daß einfachere akustische Reize 
vermittelst jeder Hörsphäre, kompliziertere aber nur vermittelst der 
linken Hörsphäre zur Wahrnehmung gelangen können. Die bei 
weitem kompliziertesten akustischen Reize sind aber die sprachlichen. 
Schon früher wurde eingehender darauf hingewiesen. Dagegen sind 
einzelne Töne durchaus einfache gleichmäßige Gebilde. Nicht minder 
sind die nichtsprachlichen Geräusche im gewissen Sinne unkompli¬ 
zierte Gebilde. Die Vorstellung eines bestimmten Geräusches ist 
höchst ungenau und unklar. Ein Geräusch zeigt einen außerordentlich 
variablen Charakter. Ja, man kann sagen, es gibt überhaupt kaum 
zwei gleiche Geräusche. Man erkennt in einem solchen ein früher 
gehörtes gleichen Ursprungs selbst bei recht beträchtlichen Unter¬ 
schieden. Und es wäre viel zu schwierig, irgend ein bestimmtes 
Geräusch in Form einer Kurve graphisch darstellen zu wollen. 

Zur Wahrnehmung der komplizierten sprachlichen akustischen 
Reize muß also die Bahn über die linke Hörsphäre, zur Wahrnehmung 
einfacher Töne und allgemeiner Geräusche braucht nur die Bahn 
beliebig über die linke oder rechte Hörsphäre frei zu sein. Die 
Bahn „über“ die Hörsphäre und nicht zu ihr; denn die anatomische 
Grundlage der einseitigen Lokalisation ist weniger die feinere Diffe¬ 
renzierung der Hörsphäre selbst, obgleich auch sie sicher von Be¬ 
deutung ist, als vielmehr die, daß die Rindenteile, die zur Ent¬ 
stehung von akustischen Sprachvorstellungen unerläßlich sind und 
außerhalb der Hörsphäre zu suchen sind, in der linken Hemisphäre 
viel vollkommener ausgebildet sind, als in der rechten. 

Über den Zweck dieser einseitigen Lokalisation komplizierter 
psychischer Prozesse lassen sich natürlich nur Vermutungen aus¬ 
sprechen. Es liegt nahe, an folgendes zu denken: Für einfachere 
geistige Vorgänge, sei es wahrnehmender oder expressiver Natur, ist 
ehe größere Anspannung der Aufmerksamkeit, eine schärfere gei¬ 
stige Konzentratioa nicht nötig. Je schwieriger, komplizierter aber 
geistige Vorgänge sind, um so intensiver muß die Konzentration der 
Aufmerksamkeit sein. Man kann sich nun vorstellen, daß auch hirn- 


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physiologisch eine zweiseitige — linksseitige und rechtsseitige — Lo¬ 
kalisation bei komplizierten psychischen Prozessen nicht mehr zweck¬ 
mäßig, sondern der scharfen Konzentration hinderlich ist. Aus diesem 
Grunde wird allmählich die eine Hemisphäre die andere in ihrer 
Entwicklung immer mehr überflügelt haben. 

„Es ist in letzter Zeit auch behauptet worden, daß das Musik¬ 
verständnis sich ebenso wie das Sprachverständnis an die linke 
Hemisphäre knüpft. In der Tat ist in einigen Fällen von linksseitiger 
Zerstörung (zugleich mit Worttaubheit) trotz Erhaltung der Fähig¬ 
keit, Töne zu hören, ein Verlust des Melodieverständnisses beob¬ 
achtet worden. Aber ganz sicher gilt das nicht für alle Menschen. u 
(Lewandowsky.) Man kann sich etwa folgendes vorstellen: Für 
die Wahrnehmung einzelner Töne ist sicher keine einseitige Zen¬ 
tralisation nötig. Einfachere Melodien sind zwar weniger kompliziert 
als Sprachklänge. Immerhin mag für ihre Wahrnehmung eine be¬ 
ginnende einseitige Konzentration von Vorteil sein. Infolge indivi¬ 
dueller Schwankungen, die wohl auch von der persönlichen musi¬ 
kalischen Begabung abhängen, kommt es denn, daß die einen 
Worttauben gehörte einfache Melodien gerade noch leidlich verstehen, 
die anderen nicht mehr. Gegen die Behauptung, daß bei reiner 
Worttaubheit das Melodienverständnis stets fehlt, spricht ein Fall 
von Bonvicini. Außerdem ist das frühere musikalische Verständ¬ 
nis bei Worttauben viel zu ungenügend bisher berücksichtigt worden. 
— Für das Verständnis verwickelterer musikalischer Produktionen 
dagegen ist sicher eine einseitige Konzentration unerläßlich. 

Die Frage, weshalb gerade die linke und nicht die rechte Hemi¬ 
sphäre den Vorzug hat, ist schon mehrfach Gegenstand der Diskus¬ 
sion gewesen. Nicht in allen Fällen aber ist die linke die bevor¬ 
zugte. Bei einigen wenigen Prozenten aller Menschen ist es die 
rechte Hemisphäre. Es hat sich nun herausgestellt, daß diese Menschen 
auffallend häufig, ja fast alle, Linkshänder sind. Man hat daher — wohl 
mit Recht — die Rechtshändigkeit oder Linkshändigkeit als bestim¬ 
mendes Moment angesehen. Aber es bleiben immer noch einige wider¬ 
sprechende Fälle übrig, bei denen Rechtshändigkeit mit Prävalenz der 
rechten Hemisphäre oder umgekehrt Linkshändigkeit mit Prävalenz 
der linken Hemisphäre verbunden ist. Für sie muß man wohl an¬ 
dere noch unbekannte, vielleicht entwickelungsgeschichtliche Ursachen 
annehmen. 

Die ausgesprochene Rechtshändigkeit der meisten Menschen 


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ist also sehr wahrscheinlich die Ursache der „Linkshirnigkeit“. Als 
Ursache der linksseitigen Lokalisation der Sprachfunktionen kommt 
vor allem das rechtshändige Schreiben in Betracht. Daß dieses von 
einem linksseitigen Zentrum ausgehen muß, ist wegen der voll¬ 
ständigen Kreuzung der Pyramidenbahnen selbstverständlich. Man 
kann nun annehmen, daß die übrigen sprachlichen Funktionen sich 
nach diesem motorischen Zentrum richten. Man spricht im allge¬ 
meinen nicht buchstabierend. Ebenso hört man beim gesprochenen 
Wort weniger die einzelnen Buchstaben, als den nicht scharf diffe¬ 
renzierten Klang des ganzen Wortes. Beim Schreiben jedoch klingt 
sowohl das akustische wie das glossokinästhetische Bild jedes ein¬ 
zelnen Buchstabens mit, zumal das Schreiben auch viel langsamer 
vonstatten geht als das Sprechen. Es sind also beim Schreiben die 
linksseitigen Rindenabschnitte, die bei dieser Handlung in Funk¬ 
tion treten, in steter Wechselwirkung mit den Rindenteilen, durch 
die die feinste Differenzierung der akustischen und glossokinästhe- 
tischen Wortvorstellung zustande kommt. Es läßt sich nun annehmen, 
daß zwischen Rindenteilen der gleichen Hemisphäre viel leichter 
eine Wechselwirkung stattfinden kann, als zwischen solchen, die in 
verschiedenen Hemisphären liegen. Deshalb mögen während des 
Schreibens in erster Linie in der linken Hemisphäre die akustischen 
und glossokinästhetischen Wortvorstellungen mitklingen. Hierbei 
werden dann die zugehörigen Bahnen der linken Seite immer mehr 
„ausgeschliffen“. Vor allem aber wird ihre feine Zergliederung links 
immer mehr — man könnte sagen: eingeübt. Auf diese Weise 
kommt immer mehr eine Prävalenz der linksseitigen Sprachgebiete 
gegenüber den rechtsseitigen, besonders hinsichtlich der Ausbildung 
der feinsten Diß'erenzierungen zustande. 

Die Prävalenz der linken Hemisphäre wird zu einer Zeit be¬ 
ginnen, in der der Mensch zuerst schreiben lernt, in der frühen 
Jugend. In dieser Zeit ist auch die Entwicklungsfähigkeit des Ge¬ 
hirns noch eine recht große. Vergegenwärtigt man sich, wie Kinder 
schreiben lernen, so weiß man, daß sie beim Malen der einzelnen 
Buchstaben einen jeden immer wieder laut vor sich hinsprechen, 
und daß sie so auch jeden einzelnen Buchstaben fortwährend ge¬ 
sprochen hören. Dabei spannen sie ihre Aufmerksamkeit aufs Äußerste 
an. Buchstabierend Sprechen, Hören und Schreiben sind daher drei 
Tätigkeiten, die bei Kindern unter schärfster geistiger Konzentration 
gleichzeitig Vorkommen. Da liegt es denn nahe anzunehmen, daß 


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entsprechend der linksseitigen Lokalisation der Schreibbewegungen 
auch die gleichzeitige akustische und glossokinästhetische Kompo¬ 
nente sich vorwiegend in der linken Hemisphäre ausbildet, zumal 
wie gesagt eine einseitige Lokalisation für eine scharfe Konzentration 
der Aufmerksamkeit günstig, vielleicht sogar erforderlich ist. 

Man kann aber kaum annehmen, daß die Sprachfunktionen 
alle lediglich in der linken Hemisphäre zustande kommen. Es ist 
selbstverständlich, daß die sprachlichen akustischen Beize wie alle 
anderen akustischen auch in die rechte Hörsphäre gelangen. Und es 
klingt unwahrscheinlich, daß siedort von selbst erlöschen und nicht 
etwa in entsprechende Bindenteile wie links gelangen sollten. Viel¬ 
mehr kann man diese ebensowenig für die rechte Hemisphäre leugnen. 
Man muß nur annehmen, daß sie rechts weniger vollkommen sich 
ausbilden als links. Die akustischen Wortvorstellungen, die in der 
rechten Hemisphäre entstehen, sind nur unklar, verschwommen. Ein¬ 
fache sprachliche akustische Beize mögen auch hier zur Wahr¬ 
nehmung gelangen. Je komplizierter aber die Sprachklänge sind, 
um so weniger reicht die rechte Hemisphäre zu ihrer Wahrnehmung 
aus. In der Tat zeigt das klinische Bild der Worttaubheit genau 
dieses Verhalten, wie schon früher ausgeführt ist. 

Daß die rechte Hörsphäre von Bechtshändern bei der akustischen 
Wahrnehmung speziell der Sprache nur eine untergeordnete Bolle 
spielt, beweisen die zahlreichen Fälle von Zerstörung des rechten 
Schläfelappens, die alle ohne die geringste Störung der akustischen 
Wahrnehmung verlaufen. Als Beispiel sei nur ein Fall von E d i n g e r 
kurz erwähnt. Bei einem Bechtshänder wurde wegen Sarkombildung 
der rechte Schläfelappen total exstirpiert. Nach der Operation hatte 
sich niemals bis zum Tode des Patienten, der 27s Monate später 
erfolgte, auch nur die geringste Störung der akustischen Wahrnehmung 
gezeigt. Eine genaue Prüfung der Hördauer ist nicht erwähnt. 


Wernicke nimmt auf Grund seines Schemas an, daß kor¬ 
tikale Worttaubheit durch Bindenläsionen im Bereich der nach ihm 
benannten Stelle entstehe, subkortikale dagegen durch einen unter 
diesem Binden Zentrum gelegenen Markherd, der die Binde wie auch 
alle Assoziationsbahnen unversehrt läßt, transkortikale endlich durch 
reine Unterbrechung der mit dem Wern ick eschen Zentrum in 
direkter Verbindung stehenden Assoziationsbahnen, ohne daß die 
Stabkranzfasern verletzt würden. 


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Es fragt sich zunächst: Ist überhaupt eine isolierte Unter¬ 
brechung erstens der Projektionsbahnen und zweitens nur der Asso- 
ziationsbahnen des Wern ick eschen Zentrums möglich? Zur ersten 
Möglichkeit äußert sich Heinrich Sachs: „Eine isolierte Unter¬ 
brechung des Stabkranzes aus dem linken Schläfelappen kann, ohne 
daß mit Notwendigkeit andere wesentliche Störungen ein treten, 
beim Austritt dieser Bahn aus der inneren Kapsel, zwischen dem 
hinteren Stück des unteren Randes vom Linsenkern und dem unteren 
Rand vom Schwanz des Nucleu3 caudatus vorhanden sein. u Dieses 
Gebiet ist aber nur ein relativ kleiner Teil des ganzen in Frage 
kommenden Markes. Schon frühzeitig vermischen sich mit den Fasern 
aus der inneren Kapsel solche der Commissura anterior und des 
Tapetums und Assoziationsfasern, die von allen Seiten, von F 3, von 
der Insel, vom Gyrus centralis anterior und Gyrus centralis posterior, 
von T 2 und T 3, vom Gyrus supramarginalis und Gyrus angularis 
und vom Hinterhauptslappen aus zur Hörsphäre ziehen. Die Mög¬ 
lichkeit also, daß ein subkortikaler Herd nur Projektionsfasern unter¬ 
bricht, kann nur mit großer Einschränkung eingeräumt werden. 
Erstens müßte ein solcher Herd relativ klein sein und zweitens 
müßte er den bei weitem größten Teil des Markes verschonen und 
unmittelbar an der Austrittsstelle der zentralen Hörbahn aus der 
inneren Kapsel liegen. Die Bezeichnung „subkortikal“ ist daher 
durchaus ungenau. 

v. Monakow sagt einmal: „Eine auch nur halbwegs elektive 
Zerstörung von Fasern bestimmter Kategorien durch einen noch so 
scharf umgrenzten Herd ist im ganzen Mark faserarchitektonisch 
unmöglich.“ Dieser Satz gilt ganz besonders von den Assoziations¬ 
fasern. Die zahlreichen bekannten Fälle von transkortikaler sen¬ 
sorischer Aphasie sind daher nach dem Wer nickeschen Schema 
ganz unerklärlich. 

Herde im Mark des linken Schläfelappens, die die Rinde ver¬ 
schonen, sind gar nicht so selten. Entsprechend der beschriebenen 
Art des Faserverlaufes müßten sie aber in der weitaus größten 
Mehrzahl der Fälle Nervenfasern aller drei Kategorien zugleich 
unterbrechen. Infolgedessen müßte, wenn Wernickes Schema den 
Tatsachen entspräche, isolierte transkorti&ale sensorische Aphasie nie 
Vorkommen, isolierte subkortikale außerordentlich selten sein, da¬ 
gegen die Kombination von transkortikaler und subkortikaler senso- 


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rischer Aphasie recht häufig sein. Auch dem widerspricht die ganze 
Literatur. 

Die Behauptung Wernickes, daß subkortikale sensorische 
Aphasie durch einen die Binde verschonenden Markherd hervor¬ 
gerufen werde, ist bisher keineswegs sichergestellt. Der Nachweis, 
daß die Binde nicht auch in Mitleidenschaft gezogen ist, läßt sich 
nnr mikroskopisch fuhren. Bisher ist aber nur sehr selten bei Sek¬ 
tionen Worttauber das Gehirn in Serienschnttie zerlegt worden. Wir 
haben nur neun derartige Sektionsergebnisse finden können, nämlich 
1. und 2. von Dejerine (XVII, XVIII) 1 ), 3. von Dejerine und Thomas 
(XX), 4. von Inödite (XXXV), 5. von Liepmann (XLI), 6. von Probst 
(LXI), 7. von Sörieux (LXVI), 8. von Strohmayer (LXVIII) und 
9. von Veraguth (LXIX). Fälle von reiner Worttaubheit waren hier¬ 
unter nur die von Liepmann, Sörieux, Strohmayer und 
Veraguth. 

Der Fall von Liepmann beweißt einmal, daß ein linksseitiger 
Herd jenseits der grauen Kerne genügt, um reine Worttaubheit her¬ 
vorzurufen. Die Lage des Herdes im Bereiche der zentralen Hör¬ 
bahn ergibt sich au3 der sekundären Degeneration des Tapetums. 
Da die Binde nicht verletzt ist, so ist hiermit zweitens der Beweis 
geliefert, daß eine Bindenläsion nicht notwendig ist bei reiner Wort¬ 
taubheit. 

Die Patientin von Se r ie ux zeigte fünf Jahre lang das Bild 
der reinen Worttaubheit, das dann allmählich in komplette Wort¬ 
taubheit und endlich in stete Abnahme des allgemeinen Hörvermögens 
überging. Bei der Sektion fand sich beiderseits nur eine hochgradige 
Bindenatrophie des Schläfelappens, besonders der oberen Schläfe¬ 
windungen. Von der Binde zeigten sich mikroskopisch am stärksten 
die peripheren Zellschichten atrophiert. Durch diesen Fall wird un¬ 
widerleglich das Wer nicke sehe Schema umgestoßen. Zur Ent¬ 
stehung von reiner Worttaubheit ist keineswegs ein Markherd not¬ 
wendig. Diese kann also auch bei reinem Bindenherd im Gebiete 
der Wernickeschen Zone entstehen. 

Das gleiche gilt für den Fall von Strohmayer. Auch hier 
handelt es sich um einen Fall von reiner Worttaubheit, die all¬ 
mählich in gleicher Weise fortschritt, wie bei S^rieux. Bei der 
mikroskopischen Sektion fanden sich in beiden Schläfelappen lue- 


J ) Siehe Anhang I. 


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tische Entzündungsprozesse, die in der Binde am ausgeprägtesten 
waren. 

Der Fall von Yeraguth zeigt, wie der Autor selbst angibt, 
nur das Bild einer funktionellen, transitorischen reinen Worttaubheit. 
Bei der Sektion fand sich infolgedessen auch keine Erkrankung im 
Bereich des gesamten zentralen Hörsystems. Es lag nur eine all¬ 
gemeine Hirnatrophie vor. Dieser Fall kann daher übergangen werden. 

Aus den drei ersten Fällen kann man folgende Schlußfolge¬ 
rungen ziehen: 

1. Beine Worttaubheit kann durch reinen kortikalen Herd 
hervorgerufen werden. 

2. Beine Worttaubheit kann auch infolge reinen Markherdes 
entstehen. Infolgedessen ist 

3. weder die Unversehrtheit der Binde, noch die des Markes 
eine notwendige Voraussetzung der reinen Worttaubheit 

4. Zur Entstehung der reinen Worttaubheit genügt ein ein¬ 
seitiger linker Herd bei Bechtshändern im Bereich der 
Hörsphäre. — 

27 Fälle von kortikaler Worttaubheit mit Sektionen haben 
wir in der Literatur finden können, nämlich je einen Fall 1. von 
Amidon (H) 1 ), 2. von Bastian (IV), 3. und 4. Bruns (XIII, XIV), 

5. Claus (XV), 6., 7. und 8. Dejerine (XVII bis XtX), 9. Dejerine 
und Thomas (XX), 10. Eisenlohr (XXIV), 11. und 12. C. S. Freund 
(XXVII, XXVIII), 13. Heilly et Chantemesse (XXXI), 14. Henschen 
(XXXIII), 15. Hitzig (XXXIV), 16. Inödite (XXXV), 17. Kußmaul 
(XXXIX), 18. und 19. Luciani und Sepilli (XLII, XLIH), 20. Mag- 
nan (XLIV), 21. Oppenheim (XLVIII), 22. bis 24. Pick (LIV, LIX, 
LX), 25. Probst (LXI), 26. Quensel (LXII), 27. Wernicke (LXXI). 

Von diesen zeigten 25 eine Zerstörung entweder der Binde 
der Wernick eschen Stelle allein — nur selten — oder noch des 
zugehörigen Marks, bzw. noch der inneren Kapsel. Nur in zwei 
Fällen beschränkten sich die Herde auf das Mark, nämlich in den 
Fällen von Bruns (XIV) und C. S. Freund (XXVHI). Leider 
sind beide nicht mikroskopisch untersucht worden. Sie wären sonst 
von außerordentlichem Interesse. Man darf daher nur mit großer 
Wahrscheinlichkeit die Unversehrtheit der Binde annehmen. Unter 


*) Siehe Anhang I. 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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dieser Voraussetzung zeigen sie eklatant, daß bei kortikaler Wort¬ 
taubheit die Kinde nicht unbedingt zerstört sein muß. 

Es ergibt sich demnach, daß es keinen lokalisatorischen Unter¬ 
schied zwischen reiner und kortikaler Worttaubheit gibt. Beide 
können sowohl durch einen kortikalen, wie reinen Markherd hervor¬ 
gerufen werden. Da es nun ferner, wie wir früher dargetan haben, 
auch klinisch keinen prinzipiellen Unterschied zwischen beiden gibt, 
so liegt die Vermutung nahe, daß man es nur mit Intensitätsdiffe¬ 
renzen zu tun hat. In der Tat zeigen einige progressive Fälle, wie 
je einer von Pick(LVII), von Sörieux (LXVI) und Giraudeau 
(XXX), erst reine, dann komplette kortikale Worttaubheit. Daß die 
Begleitsymptome Paraphasie, Paragraphie usw. bald vorhanden sind, 
bald nicht, mag durch individuelle Momente bedingt sein. Es mag 
der plötzliche Ausfall der sprachlichen akustischen Wahrnehmungen 
bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger nachteilig auf die 
Funktionen des Sprechens, Schreibens und Lesens wirken. Anderer¬ 
seits mag die von Fall zu Fall verschiedene Beeinträchtigung all¬ 
gemein psychischer Funktionen, wie Aufmerksamkeit, Merkfähigkeit 
usw., verschieden stark jene Funktionen stören. Endlich wird vor 
allem auch ein größerer Herd schwerer die Tätigkeit des übrigen 
Gehirns schädigen, als ein kleinerer. 

Über die Lokalisation der Worttaubheit gehen die Ansichten 
der Autoren außerordentlich auseinander. Der einzige Punkt, den 
bisher niemand angezweifelt hat, ist der, daß bei Kechtshändern 
durch einen linksseitigen Kindenherd in der Wer nick eschen Zone 
kortikale Worttaubheit entstehen kann. Daß sie hierdurch entstehen 
muß, wie Wer nicke und viele andere annehmen, ist widerlegt 
durch die beiden Fälle von Serieux und Strohmayer, bei denen 
trotz isolierter Kindenläsion nur reine Worttaubheit vorlag. Daß 
nach Wer nicke kortikale Worttaubheit nur durch kortikale Herde 
entstehen kann, dagegen sprechen mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit 
die Fälle von Bruns und C. S. Freund. Die weitere Behauptung 
Wernickes, daß reine Worttaubheit nur durch einen Markherd 
hervorgerufen werden kann, wird durch die genannten Fälle von 
Sörieux und Strohmayer gleichfalls umgestoßen. 

Pick, Freund, Dejerine, Veraguth u. a. nehmen an, 
daß reine Worttaubheit durch partielle Schädigung der linken und 
der rechten Hörsphäre zusammen entstehe. Nach Pick soll sie eine 


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Vorstufe zur zentralen Taubheit sein. Aber die Fälle, die er zum 
Beweis anführt, sind keineswegs überzeugend. Das gilt vor allem 
für den Fall LV1II, bei dem sich links und rechts je ein Erweichungs¬ 
herd im Schläfelappen fand. Einmal hält es schwer, den Fall über¬ 
haupt für einen von „reiner“ Worttaubheit zu halten. Denn neben 
dem Ausfall des Wortklangverständnisses zeigte die Patientin noch 
Paraphasie, Paralexie und eine starke Beschränkung der willkür¬ 
lichen Sprache. Außerdem lag eine wahrscheinlich absolute zentrale 
Taubheit vor. Das gleiche gilt für die anderen Fälle. Bei zwei¬ 
seitiger totaler Zerstörung der Hörsphäre findet sich stets komplette 
zentrale Taubheit. Zweiseitige partielle Schädigung ruft entweder 
zentrale Schwerhörigkeit oder zentrale Taubheit nur für einen Teil 
dar wahrnehmbaren Tonskala hervor. Wenn dann zugleich Wort¬ 
taubheit vorliegt, so ist sie völlig unabhängig vom rechtsseitigen 
Herd entstanden. Dieser erscheint hinsichtlich der Worttaubheit nur 
als ein zufälliger Nebenbefund. 

Hinsichtlich der peripheren Entstehungsweise der Worttaubheit 
ist die Arbeit von C. S. Freund: „Labyrinthtaubheit und Sprach- 
taubheit“ von ganz besonderem Interesse. Freund sucht an einer 
Reihe von Fällen von unzweifelhafter peripherer Gehörserkrankung 
nachzoweisen, daß Worttaubheit nicht stets zerebralen Ursprunges 
zu sein braucht. In all diesen Fällen findet sich mit Ausnahme des 
bekannten Falles „Hentschel“ ein zweiseitiger Defekt der Be- 
z old sehen Sexte. Leider ist, abgesehen vom Fall H ent sc hei, in 
keinem Fall eine Sektion möglich gewesen. Beim Patienten Hent- 
s c h e 1 ergab eine genaue Hörprüfung auf dem rechten Ohr absolute 
Taubheit. Das linke Ohr war nur leidlich schwerhörig und die Ton¬ 
reihe zeigte einen Ausfall der hoben Töne. Dieser Hördefekt genügt 
aber nicht zur Erklärung der fast totalen Worttaubheit. Mit Recht 
schließt daher Liepmann, daß bei diesem Patienten die Wort¬ 
taubheit durch einen zerebralen Herd bedingt sein muß, während 
die gleichzeitige periphere Gehörserkrankung für die Worttaubheit 
von keiner Bedeutung ist. Aus der etwas imsicheren Anamnese 
geht hervor, daß die Worttaubheit infolge eines Falles auf den 
Hinterkopf entstanden ist. Außerdem hat der Patient hinterher noch 
mehrere Apoplexien erlebt. Neuerdings hat Liepmann das mikro¬ 
skopische Sektionsergebnis dieses Falles veröffentlicht (30 *). Es fand 


') Siehe Anhang II. 


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Klinische» und Anatomisches über Worttaubheit. 


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sich im Mark des linken Schläfelappens ein sehr ausgedehnter alter 
Herd, teils aus fibrösem Gewebe; teils aus verknöcherter Masse be¬ 
stehend. Liepmann fand also seine Vermutung durch die Sektion 
vollauf bestätigt. Der Fall Hentschel kann daher nicht als Beweis 
einer peripheren Entstehungsmöglichkeit von Worttaubheit gelten. 

Über den zweiten Fall „Hubert Frank“ kann man im Zweifel 
sein. Die genaue Hörprüfung ergab links absolute Taubheit. Rechts 
fand sich ein Totaldefekt für höchste Töne. Die Stimmgabeltöne 
wurden durch die Luftleitung gar nicht, durch die Knochenleitung 
nur als Vibration ohne bestimmte Tonhöhe wahrgenommen. Während 
der Patient früher gut musikalisch gewesen war, konnte er jetzt 
z. B. nicht mehr seine Geige stimmen. Intervalle von ganzen Tönen 
unterscheidet er noch, nicht aber solche von halben Tönen. Melo¬ 
dien und Tonleitern erkennt er nicht, wohl aber Takt und 
Rhythmus. Es ist nicht ausgeschlossen, daß diese ziemlich starken 
Hörstörungen peripheren Ursprunges sind und die Worttaubheit her¬ 
vorgerufen haben. Anderseits ist aber auch die Möglichkeit eines 
zerebralen Ursprunges nicht auszuschließen. Denn es wird ausdrück¬ 
lich eine „Schwäche im rechten Arm“ zur Zeit der Attacke ange¬ 
geben, die die Annahme einer zerebralen Erkrankung sehr nahe legt. 
Eine Sektion fehlt. 

Die anderen sieben erwähnten Patienten sind Taubstumme. 
Im Fall 3 ergab die Untersuchung mittelst Bezolds kontinuierlicher 
Tonreihe: 

Gehört wurden die Töne aufwärts: bis d. 

Daran schloß sich ein Defekt der Töne: dis bis g'. 

Wieder gehört wurden die Töne: gis' bis c". 

Weiter bestand ein Defekt von cis" bis zu den Tönen der Galton¬ 
pfeifen, die wieder gehört wurden. Von der Bezoldsehen Sexte 
fehlten also die Töne cis" bis g". 

Im Fall 4 waren alle mittleren und hohen Töne ausgefallen, 
die Be zold sehe Sexte also gleichfalls. 

Im Fall 5 war das linke Ohr ganz taub. Die Untersuchung 
des rechten ergab: 

Gut gehört wurden die Töne aufwärts: bis d". 

Ein Defekt bestand von dis" bis zu den Tönen der Galtonpfeifen, 
die wieder gut gehört wurden. Von der Sexte fehlten also die Töne 
cis" bis g". 

Im 6. Fall ergab die Untersuchung: 


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Wilhelm Blosen, 


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Links eine Hörfähigkeit für die Töne P bis e", 
einen Defekt von: f" bis zu den Galtonpfeifen, die wieder gut ge¬ 
hört wurden. 

Rechts lag ein Defekt von a" aufwärts vor. Aber auch der erhaltene 
Hörrest war beiderseits stark beeinträchtigt. Intervalle, die kleiner 
als eine kleine Terz waren, wurden nicht unterschieden. 

Der 7. Patient war allgemein mäßig schwerhörig, besonders 
für die tieferen Töne. Intervalle von halben Tönen unterschied er 
nicht mehr sicher. Ein Defekt in der Tonreihe bestand nicht. Ent¬ 
sprechend der geringen Hörstörung bestand auch nur eine relativ 
geringe Worttaubheit. 

Der 8. Fall ist einer von Arnaud. Eine ausreichende Hör¬ 
prüfung ist nicht angegeben. Es bestand eine doppelseitige erheb¬ 
liche Schwerhörigkeit, welche, wie Freund und Freud im Gegen¬ 
satz zu Arnaud annehmen, durchaus eine ausreichende Erklärung 
der „Wortschwerhörigkeit“ gibt. 

Der 9. Fall zeigt das gleiche Bild wie der vorhergehende. 

Alle diese neun Patienten haben ein ausgesprochen besseres 
Gehör für Geräusche als für die Sprache. Der Grund liegt, wie 
schon früher einmal erwähnt, darin, daß das akustische Bild eines 
Geräusches außerordentlich wandelbar ist. Es kann daher selbst bei 
relativ großen Abänderungen oder Defekten noch erkannt werden. 
Dagegen sind die sprachlichen akustischen Bilder höchst kompliziert 
und scharf umgrenzt. Die Fähigkeit, sie zu erkennen, leidet daher 
schon bei geringen Defekten. 

Die gleiche Auffassung wie Freund vertritt endlich auch 
Bleuler. Er nimmt ebenfalls an, daß Worttaubheit nicht immer 
notwendig zerebralen Ursprunges zu sein braucht; sie kann auch 
durch beiderseitige Störungen im peripheren Gehörorgan hervor¬ 
gerufen werden. _ 


C. S. Freund gibt in seiner Arbeit über „Labyrinthtaubheit 
und Sprachtaubheit“ folgende einheitliche Erklärung der verschie¬ 
denen Arten von Sprach- und Worttaubheit: „Es handelt sich um 
ein Symptom von Seiten des akustischen Apparates, welches keinen 
absoluten topischen Wert besitzt. Die veranlassende Läsion ist nicht 
an eine bestimmte Stelle der verschiedenen Abschnitte der Hörbahn 
gebunden; sie kann im Gehirn, im Akustikusstamm oder im Laby¬ 
rinth des inneren Ohres, sogar unter Umständen im Mittelohr loka- 


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Klinisches und Anatomisches über 'Worttaubheit. 


177 


lisiert sein und den gleichen Funktioosausfall veranlassen. Seine 
lokale Färbung erhält das Symptom der Sprachtaubheit erst durch 
die gleichzeitig vorhandenen anderweitigen Symptome.“ 

Auf Grund unserer klinischen und anatomischen Ergebnisse 
kommen wir zu einem ähnlichen Schluß wie C. S. Freund. Faßt 
man den gesamten akustischen Sprachapparat ins Auge, so kommen 
folgende Herdlokalisationen bei der Entstehung der Worttaubheit 
in Frage: Erstens sind es die noch unbekannten Rindenteile, die 
bei der assoziativen Verschmelzung der einfachen sprachlichen aku¬ 
stischen Empfindungen zu Vorstellungen unbedingt notwendig sind. 
Da dieses Rindengebiet wahrscheinlich von erheblichem Umfange 
ist, so kämen nur ungewöhnlich große Herde in Betracht. Ob eine 
solche isolierte Läsion möglich ist, ohne daß andere wichtige Hirn¬ 
teile mit zerstört werden, und ohne daß infolgedessen das Krank¬ 
heitsbild durch andere Krankheitssymptome verdunkelt oder gar 
unkenntlich wird, darüber läßt sich vorläufig nichts Sicheres aus- 
sagen. Der Möglichkeit, dieses Gebiet näher festzustellen, liegt wohl 
auch der Umstand im Wege, daß höchstwahrscheinlich die Hör¬ 
sphäre mitten in diesem Gebiete liegt. Seine isolierte Zerstörung ohne 
Verletzung der Hörsphäre ist also schwer denkbar. Sobald diese 
aber mit zerstört ist, kann die entstehende Worttaubheit allein schon 
durch den Funktionsausfall der Hörsphäre hervorgerufen sein. 

Zweitens kann Worttaubheit dadurch entstehen, daß der zur 
Wahrnehmung der Sprache notwendige und zur linken Hörsphäre 
gelangende Teil der Tonskala irgendwo innerhalb der gesamten 
peripheren wie zentralen Hörbahn unterbrochen wird. Auf diese Weise 
würde der akustische Weg abgeschnitten, der zum Sprachgebiet der 
linken Hemisphäre führt. 

Die zur linken Hörsphäre gelangenden Fasern der zentralen 
Hörbahn stammen von beiden Cochlearisnerven ab. Die Teilungs¬ 
stelle der Cochlearisfasern in einen linken und einen rechten auf¬ 
steigenden Ast muß in den grauen Kernen gesucht werden. Man 
kann daher die ganze Hörleitung in drei Abschnitte zerlegen. Im 
ersten, periphersten Abschnitt verlaufen die Fasern noch ungekreuzt. 
Die zur linken Hörsphäre verlaufenden Fasern sind also noch in 
der linken wie in der rechten Bahn zu suchen. Dieser Abschnitt 
reicht von der Schnecke bis zum vorderen Cochleariskem und zum 
Tuberculum acusticum. Der zweite Abschnitt umfaßt die Teilungs¬ 
und Kreuzungsstellen der Hörbahn, reicht also von den genannten 

Jahrbücher für Psychiatrie, XXXIII. Bd. 12 


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beiden Kernen bis zum hinteren Vierhügel. In ihm verlaufen die 
zur linken Hörsphäre gelangenden Hörfasern teils in der linken, 
teils in der rechten Hirnhälfte. Der dritte Abschnitt reicht vom hin¬ 
teren Vierhügel bis zur Rinde. In ihm ist die Teilung und Kreuzung 
schon vollendet. Die zur linken Hörsphäre verlaufenden Fasern sind 
dort alle in der linken Hemisphäre zu finden. 

Wenn nun die Annahme richtig ist, daß Worttaubheit durch 
Unterbrechung der zur linken Hörsphäre ziehenden Hörbahn ent¬ 
steht, so kann im ersten der drei Abschnitte Worttaubheit nur durch 
zweiseitigen Herd hervorgerufen werden. Denn in ihm verläuft diese 
eine Hörbahn noch in beiden Hälften. Eine solche zweiseitige Läsion ist 
also erstens in den Schnecken, zweitens in den beiden Nervi coch- 
leares mit ihrem Ganglion spirale und drittens in dem vorderen 
Cochleariskeru und dem Tuberculum acusticum links und rechts 
möglich. 

In allen drei Fällen müßten beiderseits die Nervenfasern unter¬ 
brochen sein, die der Fortleitung der Bezoldschen Sexte ein¬ 
schließlich ihrer Nachbaroktaven dienen. Infolge dieser zweiseitigen 
Unterbrechung müßte der betreffende Patient aber für die genannten 
Töne auf beiden Ohren taub sein, was sich vermittelst B e z o 1 d s konti¬ 
nuierlicher Tonreihe sofort nachweisen ließe. Es genügt aber auch 
eine stärkere Schädigung jener Nervenfasern, so daß für die Töne 
der Sexte eine ausgesprochene Schwerhörigkeit resultierte. Wenn in 
solchen Fällen die Hördauer nicht geprüft wird, so kann es den 
Eindruck machen, als wenn Worttaubheit peripher ohne allgemeine 
Hörstörung entstehen könnte. „Wir sind heute noch nicht im Stande“, 
sagt Bonvicini, „das zum Sprachgehör unbedingt erforderliche 
Minimum an quantitativem Tongehör präzise anzugeben. Es wird 
daher ratsam sein, besonders in jenen Fällen, wo Verdacht auf eine 
Labyrintherkrankung besteht und die Hördauer für die Sprachsexte 
erheblich verkürzt ist, sehr vorsichtig zu sein bei der Entscheidung, 
ob das für das Sprachverständnis notwendige Gehör vorhanden ist.“ 
— In den beiden Nervi cochleares und in den beiden genannten 
Kernen wird eine derartige Unterbrechung oder Schädigung prak¬ 
tisch kaum möglich sein, da sie wegen ihrer Zartheit durch die zer¬ 
störenden Gewalten wohl eher total vernichtet werden und da in¬ 
folgedessen eher allgemeine absolute Taubheit entstehen wird. Da¬ 
gegen ist eine solche Störung in beiden Schnecken sehr gut möglich. 

Schwieriger ist die Frage, ob Worttaubheit ohne allgemeine 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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Taubheit entstehen kann infolge eines Herdes innerhalb des zweiten 
Abschnittes, also im Bereich der grauen Kerne. Dort ist die Ver¬ 
mischung der linken und rechten Hörbahn und die Faserkreuzung 
eine derartig komplizierte, daß es bisher noch nicht gelungen ist, 
alle Bahnen genau zu verfolgen. Immerhin ist die Möglichkeit nicht 
von der Hand zu weisen, daß ein oder mehrere kleinere Erkrankungs¬ 
herde vorwiegend Fasern der linken Hörbahn, insbesondere ihre 
tler Fortleitung der Sexte dienenden Fasern träfen. Auch könnte 
ein langsam wachsender, komprimierender'Tumor zuerst diese Fasern 
am stärksten schädigen. In der Tat ist ein solcher Fall von Pick 
veröffentlicht worden (LV1I). In diesem Fall ging die Worttaubheit 
infolge des steten Wachstums des Tumors allmählich in totale Taub¬ 
heit über. Das Sarkom hatte von der dorsalen Seite aus die Medulla 
stark komprimiert und schließlich zum Teil erweicht. 

Am einfachsten gestalten sich die Verhältnisse im dritten Ab¬ 
schnitt der Hörbahn. Hier kann Worttaubheit nur durch linksseitige 
Herde entstehen. Hier macht es auch keinen Unterschied, ob nur 
die der Fortleitung der Sexte dienenden Fasern oder ob die ganze 
linke Hörbahn unterbrochen wird. Taubheit oder Schwerhörigkeit 
für irgendwelche Töne entsteht auf keinen Fall. Die Unterbrechung 
kann stattfinden erstens im linken Brachium quadrigeminum inferius, 
zweitens im linken inneren Kniehöcker, drittens in der inneren 
Kapsel, viertens in der Marksubstanz des linken Schläfelappens und 
fünftens in der linken Hörsphäre selbst. Die iu der Literatur be¬ 
kannten, zur Sektion gekommenen Fälle von Worttaubheit sind fast 
alle hinsichtlich der Lokalisation des Herdes nur schlecht zu be¬ 
werten, da die Sektionen fast alle nur grob makroskopisch sind. 
Infolgedessen mögen manche wichtige kleinere Herde in der inneren 
Kapsel oder unterhalb dieser übersehen sein. Vor allem ist die Aus¬ 
dehnung des Herdes in der Marksubstanz stark vernachlässigt 
worden. Von 35 brauchbaren Fällen von Worttaubheit mit Sektion 
zeigten nur drei sicher isolierte Rindenläsion ohne größere Mark¬ 
läsion im Bereich der Hörsphäre. Dagegen waren bei 28 Fällen Rinde 
und Mark zugleich zerstört. In einem Falle fand sich nur ein Herd 
im Mark, während die Rinde erhalten war. In einem anderen Fall 
war gleichfalls die Rinde erhalten; ein Herd zerstörte aber das Mark 
und die innere KapseL 

Zentralwärts der Teilungsstelle der Hörfasern in einen linken 
und rechten Ast, also jenseits der grauen Kerne, rufen linksseitige 

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Herde Worttaubheit ohne allgemeine Hörstörung hervor, abgesehen 
von einer sehr geringen Verminderung der Hördauer. Es entsteht 
dann also Worttaubheit im eigentlichen, engeren Sinn des Wortes. 
Worttaubheit infolge von Herden peripher von den Kernen und 
wohl auch in deren Bereich selbst aber sind stets entweder mit 
totaler Taubheit oder doch hochgradiger Schwerhörigkeit im Bereich 
mindestens der Bez old sehen Sexte verbunden. Derartige Fälle 
können also nur im weiteren Sinne des Wortes als Fälle von Wort¬ 
taubheit aufgefaßt werden. 

Zum Schluß erlaube ich mir, Herrn Geh. Med.-Rat Prof. Dr. 
Anton für die bereitwillige Überlassung des Falles und die liebens¬ 
würdige Anregung und Unterstützung meinen verbindlichsten Dank 
auszusprechen. 


Die der Arbeit zu Qrunde gelegenen Krankenfalle. 

I. Adler: 47jähr. Arbeiter; subkort. sensorische Aphasie (57) 1 ). 

II. Amidon: 60 jähr. Frau; kortikale sensorische Aphasie (31;. 

III. Anton: 69jähr. Sennerin; zentrale Taubheit (2). 

IV. Bastian: 52jähr. Frau; totale Aphasie (4). 

V. Bernard: 49jähr. Frau; subkort. sensorische Aphasie (57 . 

VI. Bernhardt: 46jähr. Mann; subkort. sensor. Aphasie 57 . 

VII. Bi sc ho ff: 35 jähr. Beamter, zentrale Taubheit (6). 

VIII. Bonvicini: 63jähr. Mann; subkort. sensor. Aphasie (8). 

IX. — 54jähr. Mann; subkort. sensorische Aphasie (8). 

X. Brazier: Opernsänger; Tontaubheit (13). 

XI. — Klavierspieler; Tontaubheit (13). 

XII. — 51 jähr. Mann; Tontanbheit (13). 

XIII. Bruns: 32 jähr.; kortikale sensorische Aphasie (31;. 

XIV. — 60jähr. Mann; kortikale sensorische Aphasie (31). 

XV. Claus: 68jähr. Mann; kortikale sensorische Aphasie (4). 

XVI. Gramer: 62jähr. Oberförster; subkort. sensor. Aphasie (57). 

XVII. Dejcrine: 76jähr. Schneider; kort, sensor. Aphasie '31 1 . 
XVIII. — 73jähr. Mmn; kortikale sensorische Aphasie (31). 

XIX. — 63jähr. Mann; kortikale sensorische Aphasie (4). 

XX. Dejcrine u, Thomas: 78jähr. Frau; kort. sens. Aph. (12 . 

XXI. — 11 jähr. Junge; subkortikale sensorische Aphasie (8;. 

XXII. Edgren: 34jähr. Bäcker; subkort. sensor. Aphasie \l3 . 
XXIII. Edinger: Operative Entfernung d. rechten Lob. tempor. 8). 
XXIV. Eisenlohr: 43jähr. Mann; kortikale sens. Aphasie (31). 


*) Die arabischen Zahlen weisen auf die im Anhang II zusammen- 
gestellte Literatur, in der die Krankenfälle beschrieben sind. 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


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XXV. 

XXVI. 

XXVII. 

XXVIII. 

XXIX. 

XXX. 

XXXI. 

XXXII. 

XXXIII. 
XXXIV. 
XXXV. 
XXXVI. 
XXXVII. 
XXXVIII. 
XXXIX. 
XL. 
XLI. 
XLII. 
XLIII. 
XLIV. 
XLV. 
XLVI. 
XL, VII. 
XLVIII. 
XLIX. 
L. 
LI. 
LII. 
LIII. 
LIV. 
LV. 
LVI. 
LVII. 

LVIII. 

LIX. 

LX. 

LXI. 

LXII. 

LXIII. 

LXIV. 

LXV. 

LXVI. 


C. S. Freund: Fall Hentschel; subkort. eens. Apbasie (18). 

— 22jähr. Uhrmacher; subkortikale sensorische Aphasie (18). 

— .; kortikale sensorische Aphasie (3l). 

— 73jfihr. Frau; kortikale sensorische Aphasie (19). 

van Gebuchten u. Goris: 40jfihr. Mann; subkortikale 
sensorische Aphasie (8). 

Giraudeau: 40jfthr. Frau; subkortikale sens. Aphasie (4). 
Heilly et Chantemease: 24jähr. Frau; kortikale sen¬ 
sorische Aphasie (4). 

Hälot, Hondeville, Hallipr4: 32jähr. Krämer; sub¬ 
kortikale sensorische Aphasie (8). 

Henschen: 72jähr. Mann; kortikale sensor. Aphasie (31). 
Hitzig: Alte Dame; kortikale sensorische Aphasie (43). 
Inädite: 21jähr. Mann; kortikale sensor. Aphasie (31). 
Käst: 34jähr. Mann; subkortikale sensor. Aphasie (8). 
Kahler u. Pick: 55jähr. Mann; subk. sens. Aphasie (57). 

— 42jährige Frau; zentrale Taubheit (4). 

KuÜmaul: 66 jähr. Mann (Linkser); kort. sens. Aphasie (31). 
Lichtheim: 55jähr. Mann; subkort. senBor. Aphasie (13). 
Liepmann: Gorstelle, 6 7 jähr.; subk. sens. Aph. (28 u. 29). 
Luciani u. Sepilli: 50jähr. Frau; kort. sens. Aph. (4). 

— 51jährige Frau; kortikale sensorische Aphasie (4). 

Magnan: 54jähr.; kortikale sensor. Aphasie (31). 

Mills: 46jähr. Frau; zentrale Taubheit (4). 

Miralliä: 43jähr. Frau; kortikale sensor. Aphasie (31). 
Oppenheim: 56jähr. Frau; kortikale sensor. Aphasie (13). 

— 38jähr. Arbeiter; kortikale sensorische Aphasie (13). 

— 32jähr. Mann; kortikale sensorische Aphasie (13). 

— 31 jähr. Frau; kortikale sensorische Aphasie (13). 

— 29jähr. Mann; kortikale sensorische Aphasie (13). 
Pick: Anton M.; 24jähr. subkortikale sensor. Aphasie (39). 

— 27jähr. Frau; zentrale Taubheit (4). 

— 68jähr. Frau; kortikale sensorische Aphasie (39). 

— 62jähr. Dienstmann; zentrale Taubheit (42). 

— 58jähr. Tagelöhnerin; zentrale Schwerhörigkeit (42). 

— 52jähr. Tagelöhner; erst subkortikale sensorische Aphasie, 
später zentrale Taubheit (42). 

— 68jähr. Frau; erst subkortikale sensorische Aphasie, 
später zentrale Taubheit (39). 

— Christine Zimmermann; kortikale senBor. Aphasie (39). 

— 74jähr. Kaufmann; kortikale sensorische Aphasie (40). 
Probst: 55jähr. Frau; totale Aphasie (43). 

Quensel: 46jähr. Tischler; kortikalo sensor. Aphasie (44). 

— 55jähr. Mann; kortikale sensorische AphaBie (44). 

— 58jährige Frau; kortikale sensorische Aphasie (44). 

J. B. Schmidt: 25jähr. Frau; subkort. sensor. Aphasie (57). 
Sörieux: 51 jähr. Frau; subkortikalc sens. Aphasie (11). 


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Wilhelm Blosen. 


LXVJI. Shaw: 34 jähr. Frau; zentrale Taubheit (4). 

LXVIII. Strohmayer: 36 jähr. Arzt; subk. sens. Aphasie (8 u. 49). 
LXIX. Veraguth: 42jähr. Mann; subk. sens. Aphasie (8 u. 50). 
LXX. Wer nicke: Frau, 59 Jahre alt; kort. sens. Aphasie (13). 
LXXI. — 75jähr. Frau; kortikale sensorische Aphasie (4). 

LXX1I. Weruicke u. Friedländcr: 43jähr. Frau; zentrale 
Taubheit (4). 

LXXIII. Ziehl: 75jähr. Kaufmann; subkortikalc sens. Aphasie (57 i. 


Literaturverzeichnis. 

1. Anton: Über einen Fall von Worttaubheit. (Wiener klinische 

Wochenschrift Nr. 38; 1888.) 

2. — Über Selbstwahrnehmung bei Rindentaubheit. (Archiv für Psychi¬ 

atrie, I3d. 32; 1899.) 

3. — Wiederorsatz der Funktion bei Erkrankung des Gehirns. (Monats¬ 
schrift für Psychiatrie, Band 19; 1906.) 

4. Bastian: Über Aphasie und andere Sprachstörungen. (1902. Leipzig. 

Engelmauu.) 

5. Bechterew: Leitungsbahnen des Gehirns. (Bd. 1; 1896.) 

6. Bischoff: Beitrag zur Lehre von der sensorischen Aphasie etc. 

(Archiv für Psychiatrie, Bd. 32, 1899; pag. 730.) 

7. Bleuler: Zur Auffassung der subkortikalen Aphasien. (Neurologisches 

Zentralblatt, 1892, Bd. 11.) 

8. Bonvicini: Über subkortikalc sensorische Aphasie. (Jahrb. für 

Psychiatrie, Bd. 26; 1905.) 

9. Bruns: Demonstration des Falles von sensorischer Aphasie. (Neuro¬ 

logisches Zentralblatt, Bd. X, 1891 ; pag. 347.) 

10. Dejcrine: L’aphasie sensorielle. (Traite de Pathologie generale 

von Bouchard Tome V: Semiologic.) 

11. Dcjerinc et Serieux: Un cas de surdite pure termine pai 

aphasie sensorielle suivi d autopsic. (Revue mcdic. 1893, Bd. 13. 
pag. 7 33.) 

12. Dcjerinc et Thomas: De Taphasie sensorielle. (Revue neurolog.; 

15 «out 1904.) 

13. Edgrcn: Ainusie. ('Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. 6; 1895.» 

14. Flechsig: Einige Bemerkungen über die Untersuchungsmethoden 

der Großhirnrinde. (Archiv für Anatomie und Physiologie, Ana¬ 
tomische Abteilung. 1905, pag. 337.) 

15. — Lokalisation der geistigen Vorgänge. (1896.) 

16. — Bemerkungen über die Hörsphäre des menschlichen Gehirns. 

(Neurologisches Zentralblatt, 1908, Nr. 1 und 2.) 

17. Freud: Zur Auffassung der Aphasien. (Wien, 1891.) 

18. C. S. Freund: Lnbyriiithtaubh. u. Sprachtaubh. (Wiesbaden, 1895. > 

19. — Klinische anatomische Beiträge zur Pathologie des linken Schläfe¬ 

lappens. (Neurologisches Zentralblatt, 1904, Bd. 23.) 


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Klinisches und Anatomisches über Worttaubheit. 


183 


20. Hartmann: Aphasie, Asymbolie, Apraxie. (Vortrag, 1907.) 

21. Hcilbronner: Über Asymbolie. (Wernickes Psychiatrische Ab¬ 

handlungen, 1897.) 

22. Heilbronner: Aphasie und Geisteskrankheit. (Wernickes Psychi¬ 

atrische Abhandlungen, 1897.) 

23. — Zur Symptomatologie der Aphasie. (Archiv für Psychiatrie, 

Bd. 43; 1908.) 

24. Käst: Zur Kenntnis der Beziehungen zwischen Schwerhörigkeit und 

Worttaubheit. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. 18, 
1900; pag. 180.) 

25. Kuß maul: Störungen der Sprache. (1877.) 

26. Larinow: Über die musikalischen Zentren des Gehirns. (Pflügers 

Archiv für Physiologie, Bd. 76, pag. 608; 1899.) 

27. Lewandowsky: Die Funktionen des zentralen Nervensystems. 

(1907, Jena.) 

28. Liepmann: Fall von reiner Sprachtaubheit. (Wernickes Psychi¬ 

atrische Abhandlungen, 1897.) 

29. Liepmann und Storch: Der mikroskopische Befund bei Fall 

Gorstelle. (Monatsschrift für Psychiatrie, Bd. 11; 1902.) 

30. Liepmann: Zum Stand der Aphasiefrage. (Neurologisches Zentral¬ 

blatt, Bd. 11, 1909; pag. 449.) 

31. Miralli£: De l’aphasie sensorielle. (1896.) 

32. v. Monakow: Gehirnpathologie. (2. Auflage.) 

33. — Über den gegenwärtigen Stand der Frage nach der Lokalisation 

in der Großhirnrinde. (Ergebnis der Physiologie, 1907.) 

34. — Aphasie und Diascbisis. (Neurologisches Zentralblatt.) 

35. — Aphasie und Apraxie. (1907.) 

36. Moutier: L’aphasie de Broca. (Paris, 1908.) 

37. Munk: Über die Funktion der Großhirnrinde. (1881—1890.) 

38. Nothnagel und Naunyn: Über die Lokalisation der Gehirn¬ 

krankheiten. (Wiesbaden, 1887.) 

39. A. Pick: Beiträge zur Pathologie des Zentralnervensystems. (1898.) 

40. — Fortgesetzte Beiträge zur Pathologie der sensorischen Aphasie. 

(Archiv für Psychiatrie. Bd. 37, pag. 216 und 468.) 

41. — Beiträge zur Lehre von den Störungen der Sprache. (Archiv für 

Psychiatrie, Bd. 23, 1892; pag. 909.) 

42. — Neue Beiträge zur Pathologie der Sprache. (Archiv für Psychi¬ 
atrie, Bd. 28, 1896; pag. 1.) 

43. Probst: Über die Lokalisation des Tonvermögens. (Archiv für 

Psychiatrie und Neurologie, Bd. 32, 1899; pag. 387.) 

44. Quensel: Erscheinungen und Grundlagen der Worttaubheit. 

(Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, Bd. 35; 1908.) 

45. Räuber: Lehrbuch der Anatomie des Menschen. (1903.) 

46. Rothmann: Die supranukleäre Gehörsleitung. (Beiträge zur Ana¬ 

tomie, Physiologie, Pathologie und Therapie des Ohres, der Nase 
and des Kehlkopfes. Herausgegeben von Passow und Scbaefer; 
1908, Bd. 1, H. B.) 


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47. Sachs Heinrich: Gehirn und Sprache. (Auszug aus: Jahresbericht 

über Neurologie und Psychiatrie von Mendel und Jakobssohn, 
1906, Berlin.) 

48. Siebenmann: Zentrale Hörbahn. (1896.) 

49. Strohmayer: Zur Kritik der subkortikalen sensorischen Aphasie. 

(Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, 1902, Bd. 21, p. 371.) 

50. Veraguth: Fall von transitorischer reiner Worttaubheit. (Deutsche 

Zeitschrift für Nervenheilkunde, 1900, Bd. 17.) 

51. Wernicke: Der aphasische Symptomenkomplex. (1874.) (Wcrnickes 

gesammelte Aufsätze.) 

52. — Einige neuere Arbeiten über Aphasie. (1893.) (Wernickes ge¬ 

sammelte Aufsätze.) 

53. — Aphasie und Geisteskrankheit. (1893.) (Wernickes gesammelte 

Aufsätze.) 

54. — Der aphasische Symptomenkompl. (1903.) (Deutsch. Klinik, 1903.) 

55. Wundt: Grundzüge der physiologischen Psychologie. (1903.) 

56. Ziehen: Aphasie. (1894.) 

57. Ziehl: Über einen Fall von Worttaubheit = subkortikale sensorische 

Aphasie. (Deutsche Zeitschrift für Nervenheilkunde, 1896, Bd. 8.» 


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Aus der k. k. neurolog.-psychiatr. Klinik in Innsbruck. 

(Vorstand: Prof. Dr. Carl Mayer.) 

Tuberkulöse Meningitis mit den Erscheinungen einer 
schweren aufsteigenden spinalen Querschnittsläsion; 
nebst Bemerkungen über die Degeneration der hin¬ 
teren Wurzeln. 

Von 

Dr. Georg Stiefler, Nervenarzt in Linz, ehern. Assistent der Klinik. 

Mit 5 Abbildungen iin Text and Tafel I. 

Es sind zerebrale Symptome, die in der weitaus überwiegen¬ 
den Mehrzahl der Fälle von tuberkulöser Meningitis das Krank¬ 
heitsbild einleiten, wenn auch im weiteren Verlaufe spinale Sym- 
tome, bzw. spinale Wurzelsymptome wohl niemals ausbleiben. Sie 
treten klinisch zumeist auf unter dem Bilde der Reizerscheinungen 
wie die bekannten Symptome der Nackenstarre, Nackenschmerz¬ 
haftigkeit, dei Spasmen, Hyperästhesien, Druckempfindlichkeit (die 
besonders an den Muskeln der unteren Extremitäten diagnostisch 
wertvoll sein kann), und in der Regel nur im bescheidenen Um¬ 
fange als Ausfallserscheinungen: Störungen von Seiten der Blase, 
Paresen der Beine, Verlust der Sehnenreflexe in den unteren Extre¬ 
mitäten. 

In seltenen Fällen sehen wir die basilare Meningitis beginnen 
mit schweren spinalen Ausfallserscheinungen, mit den Symptomen 
einer spinalen Herderkrankung, wodurch zunächst ein Krankheitsbild 
geschaffen wird, das geeignet ist, diagnostische Schwierigkeiten zu 
bereiten und das erst durch späteres Hinzutreten von zerebralen 
Symptomen sich klärt. 

Einen Fall dieser Art hatten wir Gelegenheit an der obgenannten 
Klinik vor mehreren Jahren zu beobachten, der klinisch dadurch aus¬ 
gezeichnet war, daß die motorischen und sensiblen Ausfallserscheinun¬ 
gen an den Beinen beginnend, unter unsern Augen nach obenhin im 
Verlauf von wenigen Tagen aufsteigend, alle Züge einer Querschnitts- 


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läsion darboten. Die Zahl der bisher beschriebenen Fälle von aul¬ 
steigender tuberkulöser Meningitis mit eingehender histologischer 
Bearbeitung ist eine sehr geringe und wir glauben uns deshalb zur 
Publikation unseres Falles berechtigt, zumal er durch Einzelheiten 
des anatomischen Befundes ein gewisses Interesse beansprucht. 

H. S., 37jährige Bäuerin, früher immer gesund; seit 3. November 
diffuse Kopfschmerzen, in den nächsten Tagen zunehmend, so daß Pat. 
am 5. November die Arbeit aussetzen mußte; dabei allgemeine Schwäche, 
einige Male Erbrechen. Am 7. November Auftreten von heftig reißenden 
Schmerzen in der mittleren Kreuzbeingegend, die beiderseits nach vorne 
in die Leistengegend und nach unten in die Beine bis zu den Zehen aus- 
strahlten. Zugleich Schwäche und Schwere in den Beinen, so daß die 
Kranke nur mehr mühsam gehen konnte. Am 10. November sank Pat., 
als sie früh das Bett verlassen wollte, in die Knie und ist seither bett¬ 
lägerig. Seit 8. November retentio urinae et alvi. 

Status praesens vom 17. November: Sensorium frei; Pat. 
klagt über eingenommenen Kopf und gelegentlich heftigen Kopfschmerz, 
ferner über Gürtelschmerzen in der oberen Bauch- und unteren Brust¬ 
gegend, über Gefühle des Eingeschlafenseins und Totseins in den Beinen. 

Objektiv : Herabgesetzter Ernährungszustand, Hirnnerveu frei, Motili¬ 
tät und Sensibilität der oberen Extremitäten vollständig intakt. Vollkom¬ 
mene Paralyse der Bein- und Bauchmuskulatur, gänzliches Fehlen aller 
Haut- und Sehnenreflexe der untern Extremitäten. Auch die Bauchdecken¬ 
reflexe nicht auslösbar. Es besteht schwere Empfindungsstörung an den Bei¬ 
neu, am Abdomen, die in Nabelhöhe scharf abschneidet. Die Grenze der 
Sensibilitätsstörungen entspricht etwa dem X. Dorsalsegment und ver¬ 
läuft in typischer Weise zirkulär um den Leib; innerhalb dieses Gebietes 
schwer gestörte Empfindungen: Streichen mit Nadelkopf und leichtes 
Stechen werden gar nicht wahrgenommen, starkes Stechen als Berührung 
gemeldet. Die Störung begreift auch die tiefe Sensibilität. Die Lymplidrüsen 
in der Submaxillargegend und am hinteren Rande des Sternokleidomastoideus 
sind beiderseits als ziemlich derb sich anfühlende, erbsen- bis bohnen- 
große Knoten, teils einzeln stehend, teils zu Paketen formiert zu palpiereu. 

Die Lungen, sowie die übrigen inneren Organe ohne nachweisbare 
Veränderung. Temperatur abends 37-7° C. 

18. November. Bewußtsein andauernd frei, leichte Kopfschmerzen, 
reißende Gürtelschraerzen über dem unteren Thoraxanteil beiderseits; reten- 
tio urinae. Einführung des Katheters wird nicht empfunden. Objektiv 
derselbe Befund wie gestern. Temperatur beträgt in den Vormittagsstunden 
38*4° C, abends 37-4° C. 

19. November. Pat. klagt über starke Schmerzen im Hinterkopf, 
die bis in den Nacken ausstrahlen, sowie über reißende Schmerzen an 
beiden Schulterblättern und Armen, besonders rechts; ferner über Kälte¬ 
gefühl am ganzen Leibe liinaufreichend bis in die Höhe der Brustwarzen. 
Hirnnerven sind vollkommen frei, keine Nackensteifigkeit, aber leichte 
Druckschmerzhaftigkeit der Nackenmuskulatur. Motilität und Sensibilität 


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der oberen Extremitäten frei, nur eine allgemeine Herabsetzung der rohen 
Kraft merkbar« Die gestern geschilderte Sensibilitätsstörung besteht heute 
noch fort, doch ist ihre Grenze bis in die Höhe des Processus xyphoides 
nach aufwärts gerückt, entspricht etwa dem VI. Dorsalsegment. 

Gegen Abend leichte Benommenheit, die morgendliche Temperatur 
36*7° C steigt gegen Mittag auf 37*4° C an und fällt gegen Nachmittag 
auf 36-2° C. 

20. N o v. Zunahme der Benommenheit, doch kommt die Kranke 
noch den einzelnen Aufforderungen nach. Beiderseits Ptosis, rechts stärker 
als links. Linke Pupille etwas weiter als rechte, Reaktion auf Licht und 
Konvergenz beiderseits erhalten. 

Heute deutliche Nackensteifigkeit und Druckschmerzhaftigkeit der 
Nackenmuskulatur. 

Auch ist eine deutliche Parese beider oberen Extremitäten zu 
erkennen, die sich trotz des ungünstigen Zustandes des Sensoriums noch 
feststellen läßt. Pat. kann die Arme nur langsam und nicht in vollem 
Ausmaße erheben. Sie kann den rechten Arm zum Ergreifen einer Nadel 
nicht genügend hoch bringen; dabei klagt sie über Schmerzen an der 
Außenseite des rechten Oberarmes. Befund an den unteren Extremitäten 
unverändert, nach wie vor Fehlen der Reflexe. Die Empfindungsstörung 
hingegen ist wesentlich nach oben gerückt und ihr oberes Niveau ent¬ 
spricht jetzt der Halsrumpfgrenze. Temperatur erhebt sich heute nicht 
über 36-2° C. 

21. November. Starke Zunahme der Benommenheit, die Kranke 
ist ausgesprochen soporös, gibt auf Fragen keine Antwort mehr, ange¬ 
rufen versucht sie die Augenlider zu öffnen, es bleibt jedoch beim Ver¬ 
suche. Rechter Mundwinkel steht etwas tiefer als der linke, Philtrum 
nach links verzogen, Nadelstiche am Stamme und Extremitäten lösen 
keine Reaktion aus. 

Beim Stechen im Gesichte hie und da Abwehrbewegung, Haut- und 
Sehnenreflexe fehlen. Die Temperatur bewegt sich zwischen 37*3° C und 
37*8°. Die Kranke mußte seit ihrer Aufnahme an die Klinik täglich 
katheterUiert werden. 

22. November. Heute früh exitus letalis. 

Fassen wir die Krankengeschichte zusammen, so sehen wil¬ 
den Beginn der Erkrankung sich einleiten mit allgemeinen Sym¬ 
ptomen: Schwäche, Kopfschmerzen, hie und da Erbrechen, daran¬ 
schließend Parästhesien in beiden Fußsohlen, lanzinierende Schmer¬ 
zen in beiden Beinen, Gürtelgefühl; nach vier Tagen schlaffe Parese 
der unteren Extremitäten und der Bauchdeckenmuskulatur, die nach 
einigen Tagen in vollkommene Paralyse übergeht. Fehlen der 
Sehnenreflexe, Anästhesie für Oberflächenempfindungeu mit oberer 
Grenze im XII. Dorsalsegment, Störung der tiefen Sensibilität, reten- 
tio urinae et alvi, Schwellung der Halslymphdrüsen. 


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Wir dachten zunächst an eine akute Myelitis im Dorsoluin- 
balmark, womit auch die zu Beginn der Erkrankung aufgetretenen, 
unbestimmten Allgemeinerscheinungen allenfalls in Einklang gebracht 
werden konnten, freilich war verdächtig die Schwellung der Hals- 
lymphdrüsen, die auf einen tuberkulösen Prozeß hin wies; aber die 
rasche Entwickelung sprach gegen die Annahme eines Tumors. 
Schien uns nun in den nächsten zwei Tagen, als die Parästhesien und 
Schmerzen in den Beinen verschwanden, gürtelförmige Schmerzen 
in der Höhe der unteren Thoraxapertur auftraten, die Empfindungs¬ 
störungen bis in die Höhe des VI. Dorsalsegmentes hinaufrückten, die 
Vermutung einer nach oben fortschreitenden Myelitis an Wahrschein¬ 
lichkeit zu gewinnen, so konnten wir freilich, als einen Tag später 
neben lanzierenden Schmerzen in den Schulterblättern, Paresen 
der oberen Extremitäten, Weiterschreiten der Anästhesie bis an die 
Halsrumpfgrenze, ausgeprägte Somnolenz, deutliche Nackensteifig¬ 
keit, Druckschmerzhaftigkeit der Nackenmuskulatur, Ptosis, Pupillen¬ 
differenz und schließlich eine Fazialisparese sich einstellten, nicht 
mehr zweifeln, daß wir es in unserem Falle mit einem atypischen 
Verlaufe einer tuberkulösen Meningitis zu tun hatten. Der patho¬ 
logisch-anatomische Befund bestätigte auch unsere Annahme. 

Die fünf Stunden post mortem vorgenommene Obduktion (Doz. 
Dr. E. v. Hibler) ergab u. a.: 

Trocken verkäste Tuberkel in zahlreichen vergrößerten Lymph- 
drüsen zu beiden Seiten des Halses, an der Trachealteilung und au 
den Baucheingeweiden. 

Die Dura mater im Bereiche des Gehirns und Rückenmarks glatt 
und glänzend. Die Pia an der Konvexität des Gehirns hie und da über 
den Furchen leicht rötlich getrübt, starke Trübung der Meningen an 
der Basis und zwar im Gebiete der Oblongata, des Pons und besonders 
im Bereiche des Chiasma, wo dieselben grausulzig infiltriert und von 
stecknadelkopfgroßen Knötchen durchsetzt sind. Seitenventrikel auffallend 
weit, in denselben trübe, opake Flüssigkeit, das Gpendym leicht gekörnt. 
Foramen Monroi ziemlich weit, auch IV. Ventrikel erweitert, sein 
Ependym sulzig und körnig. Graue Substanz ist blaßbläulich, reich an 
Flüssigkeit. 

Schon vor Eröffnung der Dura fühlt sich ihr Inhalt im Dorsolumbal- 
gebiet mächtiger an, als der Norm entspricht. Man fühlt das Rücken¬ 
mark wurstartig verdickt durch. Nach Spaltung der Dura, die wie 
außen so auch an der Innenfläche glatt ist und keine Auflagerung 
erkennen läßt, erscheint die Araclmoidea entsprechend der ganzen dorsalen 
Oberfläche sowie auch im größten Teil ihrer vorderen Fläche vollkommen 
undurchsichtig, zum Teil durch fibrinöse Auflagerungen netzartig gefel¬ 
dert. An Querschnitten erkennt man, daß die Verdickung des dorso- 


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lumbalen Rückenmarkabschnitts durch mächtige plastische Exsudatbildung 
bedingt ist, die das Rückenmark besonders in seinem dorsalen Anteile 
umgreifend und nach vorne sich verjüngend, mächtig verdickten und 
sulzig infiltrierten zarten Häuten entspricht, die ein gelatinöses Gewebe 
darstellen, in dem die Nervenwurzeln und Gefäße eingebettet liegen. 
Im Gebiete der schwersten Veränderungen im Lumbalmark und unteren 
Dorsalmark beträgt die Verdickung der Häute bis fünf Millimeter. Sie 
nimmt gogen den conus terminalis an Mächtigkeit ab und es ist an 
der cauda equina außer eiuer leichten Verklebung der Wurzelfasern 
nichts mehr zu bemerken. Nach oben hin ist die Infiltration vom 
XI. Dorsalsegmente an eine weniger intensive; es handelt sich hier 
hauptsächlich um eine, besonders an der hinteren Rückenmarksperipherie 
erkennbare Trübung der weichen Häute, leichte Verwachsung und Ver¬ 
dickung derselben; diese Veränderungen halten sich durch das ganze 
Zervikalmark in gleicher Höhe, um gegen die Oblongata zu etwas ab¬ 
zunehmen. Immer ist es die rückwärtige Peripherie des Rückenmarkes, 
an der die Veränderungen stärker ausgebildet sind als an der vorderen, 
doch sind sie auch hier makroskopisch deutlich erkennbar. 

Das in Mülle rischer Flüssigkeit gehärtete Rückenmark zeigt im 
Sakralmark am Querschnitt nichts Auffälliges, auch im Lumbalmark ist 
die Zeichnung des Gesamtquerschnittes tadellos erhalten; die graue 
Substanz hebt sich in normaler Schärfe ab, nur die Seitenstränge zeigen 
eine deutliche Randdegeneration, die an mehreren Stellen in etwa Milli¬ 
meterbreite keilförmig nach innen vorspringt. 

Im unteren Dorsalmark ist an Querschnitten eine schmale Randdegene¬ 
ration zu erkennen, die dis ganze Gebiet der Vorderseitenstränge umsäumt, 
überdies ist der Hinterstrang beiderseits leicht aufgehellt, gegen den Rand 
zu etwas deutlicher und rechts mehr als links. Diese leichte Aufhellung 
des Hinterstranges hat an manchen Schnitten einen streifigen unregel¬ 
mäßigen Charakter. Im X. Dorsalsegment sieht man überdies im Hinter¬ 
seitenstrang einige punktförmige Fleckchen über den Querschnitt verstreut. 
Im Übergang vom IX. zum VIII. Segmente Randdegeneration und Verände¬ 
rung im Hinterstrang wie früher, überdies aber entsprechend der Basis des 
rechten Hinterhornes ein weißliches, ziemlich scharf begrenztes Herdchen 
von Hirsekorngröße, ferner im rechten Hinterseitenstrang eine Aufhellung 
zapfenförmig drei Millimeter weit in die Marksubstanz eindringend, so 
ziemlich der Gegend der Pyramidenseitenstrangbahn entsprechend. In der 
Höhe des VIII. Dorsalwurzelfächers verschwindet diese Aufhellung, dafür 
hebt sich jetzt im linken Hinterstrang ein Herd durch seine grauweiße 
Farbe deutlich ab, etwa in zwei Millimeter Breite, ventralwärts sich 
verschmftlernd, von der hinteren Peripherie bis an die Basis des Hintor- 
hornes reichend, nach innen zu scharf abgegrenzt. Dieser Herd läßt sich 
weiter nach aufwärts verfolgen durch das ganze Gebiet des VIII. Dorsal¬ 
segmentes, um im VII. Dorsalsegment zu verschwinden. Im VI. Dorsal¬ 
segment findet sich eine gleiche Verfärbung auch wieder scharf gegen 
die Umgebung abgesetzt, keilförmig den ganzen Hinterstrang einnehmend, 
ferner in den caudalen Abschnitten des VI. Dorsalsegmentes eine auf- 


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fallende Aufhellung der Hinterseitenstranggegend beiderseits, innerhalb 
wolcher einzelne noch etwas hellere, von der Peripherie nach einwärts 
ziehende Streifen zu erkennen sind. Auch im oberen Dorsalmark sowie 
am Übergang zum Zervikalmark sieht man eine keilförmig von der 
Peripherie nach vorne innen ziehende Aufhellung in den Hinterseiten¬ 
strängen, ungefähr in der Gegend der Pyramidenbahn. In der Hals¬ 
anschwellung nimmt die Randdegeneration merkbar ab, die Aufhellung des 
Hinterstranges beschränkt sich nur mehr auf die Gegend der Gollschen 
Stränge und ist auch hier nur mehr sehr schwach angedeutet. Im übrigen 
Zervikalmark ist eine Randdegeneration nicht mehr zu erkennen, Auf¬ 
hellungen im Stranggebiete vollkommen verschwunden. 

In sämtlichen Querschnittshöhen des Rückenmarkes hebt sich die 
graue Substanz in normaler Zeichnung ab und ist, abgesehen von den 
einzelnen kleinen Herden, die an die Basis des Hinterhornes hcranreichen. 
scharf gegen die weiße Substanz abgesetzt. 

Zur mikroskopischen Untersuchung des Rückenmarkes wurden 
behufs Herstellung von Querschnitten Scheibchen aus dem VI. Z. S., III., 
V., VI., VII., VIII., XI. D. S. und dem gesamten Lumbal und Sakralmark 
genommen und die Schnitte nach Marc hi, van Gieson, Wcigert- 
Pal gefärbt. 

Entsprechend den schon makroskopisch sichtbaren Randdegene¬ 
rationen und den sonst im Querschnitte aufgetretenen helleren Stellen 
der weißen Substanz finden wir im van G i eson-Präparate die peripheren 
Anteile des Rückenmarks fast in seiner ganzen Ausdehnung besonders 
vom oberen Lumbal- bis mittleren Dorsalmark, und zwar vorwiegend in 
den Hinterseitensträngen und in den Hintersträngen kleinzellig infiltriert 
sowie auch kleine Rundzellennester regellos zerstreut im Inneren der 
^weißen Substanz; die in dieselbe einstrahlcnden Bindegewebssepta an 
ihrem peripheren Abschnitte verbreitert und mit Rundzellcn infiltriert, 
die in ihnen liegenden Gefäßchen prall mit Blut gefüllt, deren Wände 
verdickt und mit Rundzellen durchsetzt. In diesen peripheren Anteilen 
sowie auch in den mehr zentral gelegenen helleren Stellen sind einzelne 
Gliamasclun erweitert, teilweise mit Fehlen der Nervenfasern, einzelne 
Achsenzylinder oder kleine Bündel derselben gequollen oder krümelig 
aufgelöst; die Mehrzahl der Nervenfasern ist gut erhalten; die graue 
Substanz des Rückenmarks erscheint vollkommen intakt. 

Irn P a 1-Präparate treten die an den Müller Präparaten erkennbaren 
Aufhellungen schon makroskopisch als hellere Stellen deutlich zu Tage’; 
sie zeigen mikroskopisch neben normalen Fasern Markscheiden, die 
ihren regelmäßigen konzentrischen Ringkontur und ihre tiefblaue Farbe ver¬ 
loren haben, teils vergrößert, oval verzogen mit unregelmäßig dickem 
Saume, teils zu krümeligen und körnigen, bald tiefschwarzen, bald 
farblosen Resten destruiert sind. Die Achsenzylinder iu diesen Markschei¬ 
den erscheinen als gequollene Massen oder sind überhaupt nicht mehr in 
den scholligen Markgcbilden zu erkennen, die Zwischenräume zwischen 
den einzelnen Nervenfasern sind verbreitert, das Markgewebe erscheint 
dadurch aufgelockert. 


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An M a r c h i schnitten ist eine stärkere Ansammlung von Myelin¬ 
schollen in den Randpartien der weißen Substanz wahrzunehmen, vor¬ 
nehmlich in den Hinterseitensträngen und den Hintersträngen, im Sakral¬ 
mark ganz leicht angedeutet, im oberen Lumbal- und Dorsalmark stärker 
ausgebildet und im Halsmark wieder mehr zurück tretend. Ferner finden 
sich auch im Innern der weißen Substanz kleine umschriebene An¬ 
häufungen von Myelinklümpchen in durchwegs unregelmäßiger Verteilung, 
so einzelne zerstreute Herdchen in den liinterseitensträngen und Hinter¬ 
strängen des Dorsalmarkes, während das Sakrolumbal- und Zervikalmark 
von groben Myelinschollen fast vollkommen frei erscheint. Ferner sehen 
wir im Sakrolumbalmark die Hinterstränge ganz diffus von feinen und 
feinsten Körnchen und Pünktchen bestreut, während im Dorsalmark mehr 
die dorsalen, im Zervikalmark mehr die mittleren Anteile betroffen sind. 
Sowohl im Sakrolumbalmark als im unteren Dorsalmark sieht man leichte 
Anhäufung von schwarzen Kügelchen in den einstrahlenden Wurzeln an 
der Innenseite der Hinterhörner. Diese feinsten Veränderungen kommen 
weder im Pal- noch im van Gieson-Präparate zum Ausdrucke 

Wir finden also, wenn wir die wesentlichen Züge des anato¬ 
mischen Markbefundes hervorheben, an dem in Müllerscher Flüssigkeit 
gehärteten Rückenmarke makroskopisch eine Aufhellung der 
peripheren Randpartien der weißen Substanz, eine Randdegeneration, 
die zuerst im Lumbalmarke sichtbar wird, nach aufwärts bis zum 
oberen Dorsalmark deutlich erkennbar ist, um dann nach oben hin 
wieder zu verschwinden. Ferner sehen wir im Innern der weißen 
Substanz Aufhellungen, vorwiegend in den Hinterseitensträngen und 
in den Hintersträngen in Form von Streifchen und kleinen Fleckchen, 
welche sich an die Randpartien anlehnen, und zwar fast ausnahms¬ 
los im Brustmarke, besonders in dessen mittlerem Anteile, während 
die Stranggebiete des Sakrolumbal- und Zervikalmarkes fast voll¬ 
kommen verschont sind. Die histologische Untersuchung ergibt 
entsprechend diesen erhobenen Veränderungen eine diffuse kleinzellige 
Infiltration und seröse Durchtränkung der peripheren Anteile der 
weißen Substanz mit leichter Quellung oder krümeliger Auf¬ 
lösung einzelner Achsenzylinder und Markscheiden (Perimyelitis), 
ferner im Innern der weißen Substanz einzelne zerstreute kleiue 
myelitische Herde mit kleinzelliger Infiltration, Quellung des 
Zwischengewebes, Zerfall oder Quellung von Achsenzylindern und 
Markscheiden. Graue Substanz vollkommen intakt. 

Erscheinen uns nun diese Veränderungen schon an und für 
sich nicht ausreichend, um die schweren klinischen Ausfall¬ 
erscheinungen erklären zu können, so müssen wir eine andere 
anatomische Begründung für diese schon darum suchen, weil wir 


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nach der Lokalisation der myelitischen Herde in den verschiedenen 
Höhen des Seitenstranges, im Gebiete der Pyramidenbahn gelegen, 
wohl eine spastische Parese, nicht aber eine schlaffe Lähmung zu 
erwarten hätten. Auch die einzelnen, fast in jedem Segmente anders 
lokalisierten Herdchen im Hinterstrange können uns die schweren 
Anästhesien ebensowenig erklären, wie die diffuse feine Bestreuung 
der Hinterstränge mit Marchistaub im Sakrolumbalmark dafür ver¬ 
antwortlich gemacht werden kann. Auch der ganze klinische Ver¬ 
lauf steht mit dem Markbefunde im Widerspruche; denn zu 
Beginn der Erkrankung trat eine schwere schlaffe Lähmung der 
Beine auf, während das Lumbalmark selbst, ausgenommen die 
leichte Banddegeneration in den Seitensträngen, sich intakt erwies. 
Hingegen finden die klinischen Symptome ihre volle Erklärung in 
den schweren Veränderungen der extramedullären Wurzeln. 
Schon makroskopisch sehen wir das Bückenmark in seiner ganzeu 
Ausdehnung von einem gelatinösen Gewebe umschlossen, das 
besonders an seiner Dorsalfläche von bedeutender Mächtigkeit ist 
und seine größte Ausdehnung im Lumbodorsalmark aufweist, um 
nach unten und oben an Intensität abzunehmen. Dieser gelatinöse 
Mantel ist gebildet von mächtigen Exsudatmassen, die zwischen 
den verdickten weichen Häuten eingelagert sind, die Arachnoideal- 
mas^hen vollstopfen und die extramedullären Nervenwurzelbündel 
vollkommen einscheiden. Die mikroskopische Untersuchung bestätigt 
die schon makroskopisch erhobenen meningitischen Veränderungen; 
wir sehen diese am mächtigsten entwickelt im Lumbodorsalmark, 
von hier allmählich nach unten und oben zu abnehmend, wobei 
immer die Dorsalhälfte sich stärker von der tuberkulösen Ent¬ 
zündung ergriffen zeigt als die ventralen Anteile. 

v a n G i e s o n-Präparate (s. Tafel I) lassen die Einzelheiten der 
meningitischen Bilder besonders klar hervortreten. Die Pia erscheint auf 
das 3—4fache verdickt, mit Lymphocyten auf das dichteste infiltriert. 
In den weiten Maschen der verbreiterten arachnoidealen Bindegewebszflge 
liegen scrös-fibrinos-zellige Exsudationen, die besonders in der Umgebung 
der Gefäße und der Nervenwurzeln und namentlich der hinteren Nerven- 
wurzeln an Mächtigkeit zunehmen; die bindegewebigen Scheiden der 
letzteren sind verdickt und stellen besonders im Lumbalmark infolge 
ihrer reichen Infiltration blaue Bänder dar, die die Nervenwurzeln um¬ 
kleiden. Auch die perineuralen und endoneuralen Septen sind verdickt 
und dicht mit Rundzellen besetzt. Die Lumina der Gefäße sind auf das 
4 - 5fache erweitert, alle Schichten der Gefäßwände diffus infiltriert, ihre 
Intima läßt stellenweise thrombotische Auflagerungen erkennen. Auch 


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finden sich in den Gefäßwänden herdförmige Infiltrate, die die Muscularis 
vollkommen verdrängen können. Neben dem vorwiegend rein infiltrierenden 
Typus finden sich aber auch ausgeprägte miliare Tuberkel, so klein¬ 
zellige Tuberkel im arachnoidealen Gewebe zwischen den Nervenwurzeln 
und der Pia, sowie kleinzellig-miliare Tuberkel in den Wänden der 
Gefäße und in den perivaskulären Lymphräumen, sowie auch in den 
Nervenbündelscheiden und auch innerhalb einzelner Nervenwurzelbündcl, 
besonders an ihrer Peripherie. 

Was nun die nervösen Elemente selbst anbetrifft, so finden wir 
in den Nervenwurzeln, in den hinteren vielleicht etwas stärker als in 
den vorderen, kaum ein Bündel, das auf seinem Querschnitte nicht er¬ 
krankte Fasern zeigt; ja wir finden, daß die Zahl der erkrankten Fasern 
weitaus überwiegt über die der gesunden, was zunächst durch den etwas 
helleren Farben ton der extramedullären Nervenfasern in Vergleich mit 
dem Markgewebe zum Ausdrucke kommt. Schon bei schwacher Ver¬ 
größerung sehen wir im van Gieson-Präparate, wie sich einzelne 
Teile der Nervenwurzelbündel in kleinen weißen Scheibchen abheben, 
während andere wieder eine mehr rötliche verwaschene Zeichnung er¬ 
kennen lassen; in vereinzelten Wurzclbündeln sind die Nervenfaserquer¬ 
schnitte dicht aneinandergepreßt, polygonal abgeplattet, in den meisten 
liegen zwischen den einzelnen Faserquerschnitten Fibrinnetze und Rund¬ 
zellen; bei stärkerer Vergrößerung treten mannigfaltige Bilder von Ent¬ 
zündung und Zerfall der Achsenzylinder und Markscheiden zu Tage, 
nur sehr wenige Faserquerschnitte — von 100 vielleicht 3—4 — lassen 
einen normalen, dunkclroten, hellaufleuchtenden, scharf kontuiierten 
Achsenzylinder erkennen; die meisten Achsenzylinder sind verändert, 
entweder auf das 3—4fache ihres Volumens angeschwollen, oder sie 
erscheinen in der Markscheide als ein kaum erkennbares, hellrotes 
Pünktchen; wieder andere zeigen zwar normale Größe, zeigen aber nur 
mehr eine Spur einer blassen, rötlich trüben Färbung und heben sich 
mit ihrem Kontur sehr undeutlich von der Markscheide ab; in manchen 
Nervenfaserquerschnitten ist der Achsenzylinder überhaupt nicht mehr 
zu erkennen; die Markscheiden selbst haben durchaus ihren normalen, 
gelblichen Farbenton verloren, sind in der überwiegenden Mehrzahl von 
normaler Größe; wir finden aber auch gequollene, oval verzogene 
Scheibchen sowie unregelmäßig gestaltete Markscheidenreste. Schon 
bei schwacher Vergrößerung sehen wir in vielen 
Markscheiden kleine rote Pünktchen, die sich bei stär¬ 
kerer Vergrößerung (s. Tafel I Fig. 2) als feines rötlich 
tingiertes Gitterwerk repräsentieren, das an einzelnen 
Faserquerschnitten, die keine gröberen Zerstörungen 
des Achsenzylinders und der Markscheide aufweisen, in 
überaus regelmäßiger Weise wie Speichen eines Rades 
die Markscheide in Sektoren abschnitte ein teilt, während 
wir in Querschnitten, deren Achsenzylinder schon unter¬ 
gegangen oder deren Markscheiden stark verändert sind, 
das Netzwerk entweder gar nicht, oder in Form von rege 1- 
Jahrbücbor für ?*ych!atr!e. XXXIII. Bd. 13 


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los durcheinandergeworfenen Fäserchen und Pünktchen 
erkennen können. 

An Längsschnitten sehen wir gequollene Achsenzylinder mit vari¬ 
kösen Auftreibungen; die meisten sind in kurze Stückchen zerfallen, 
stellen oft nur mehr schmale, hellrote Fädchen oder Körner dar; die Mark¬ 
scheiden sind meist in perlschnurartig aneinander gereihte Ballen und 
Kugeln zerfallen. Die Reste des rötlich fingierten Fasergewirres zeigen 
zwischen den einzelnen Faserbündeln und auch den einzelnen Fasern 
selbst ausgedehnte Blutungen, größere und kleinere Anhäufungen von 
Rundzellen, sowie serös-fibrinöse Gerinnung. 

Wir sehen also im van G i e s o n - Präparate das klassische 
Bild einer tuberkulösen Entzündung der weichen Bückenmarkhäute 
mit Schwellung und Infiltration des Bindegewebes, mit Bildung vou 
serös-fibrinös kleinzelligen Exsudatmassen und von miliaren Tuberkeln 
und mit den typischen Gefäßveränderungen; die extramedullären 
Nervenwurzelbündel, auf das dichteste von den Exsudatmassen um¬ 
scheidet, zeigen ausgesprochen neuritische Veränderungen, sowohl 
interstitiellen als parenchymatösen Charakters: Schwellung uml 
Infiltration im Peri- und Endoneurium, Quellung, krümelige Auf¬ 
lösung, vollkommener Untergang von Achsenzylindern; die Mark¬ 
scheiden teils zerfallen oder gequollen, größtenteils zwar in ihrer 
Form erhalten, aber unscharf konturiert von hellrötlicher bis weißer 
Färbung (s. Tafel I.). 

Von Interesse ist das Auftreten des rötlich tingierten feinen 
Faserwerkes, das iu den besser erhaltenen Markscheiden einen regel¬ 
mäßigen radiären Aufbau zeigt ('s. Tafel I, Fig. 2); es handelt sich 
offenbar um das Neurokeratingerüst, das zuerst Ewald und 
Kühne an Nervenfasern zur Darstellung brachten, deren Mark durch 
Kochen mit Alkohol und Äther erschöpft war und das in neuerer Zeit 
von Kaplan durch eine elektive Tinktion an peripherischen Nerven 
sichtbar gemacht wurde. Die Frage, ob das Neurokeratingerüst als 
ein Kun3tprodukt aufzufassen oder ob es schon in der lebenden 
Nervenfaser vorgebildet ist, kann nach dem bisher vorliegenden 
Beobachtungsmateriale, das viele sich widersprechende Befunde 
enthält, nicht mit Sicherheit entschieden werden. In Beziehung zu 
unserem Falle haben nun jene Beobachtungen für uns besonderes 
Interesse, die das Sichtbarwerden des Neurokeratingerüstes, bzw. 
Veränderungen desselben in erkrankten Nervenfasern nachweisen. 
Kühne und Ewald sahen das Gerüstwerk an Nervenfasern, deren 
Mark nach Durchschneidung zerfallen war oder zu schwinden 
begann. Westphal fand es in enzephalitischen Herden und schloß 


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daraus auf degenerative Veränderungen der Nervenfasern. Kaplan 
fand bei Anwendung seiner elektiven Färbemethode das Neuro¬ 
keratingerüst bei Durchschneidung des Nerven im zentralen Stumpf 
schön ausgebildet, im distalen hingegen nur mehr in kümmerlichen 
Kesten vorhanden. Westphal sah bei parenchymatöser Neuritis 
das Auftreten von Neurokeratingerüsten bei van G i e s o n färbung, 



Fig. 1. Wurzelbündel aus dem Sakralmark (Wcigert-Pal). 


und zwar waren die Neurokeratinnetze in Fasern, welche keine 
ausgesprochenen Zerfallserscheinungen darboten, in regelmäßiger 
radiärer Bildung vorhanden, während sie in Fasern, deren Achsen¬ 
zylinder zu Grunde gegangen waren, unvollständig oder überhaupt 
nicht mehr sich vorfanden. Westphal wirft daher die Frage auf, 
ob in seinem Falle, wo von einer elektiven Färbung nicht die 

13 * 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



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tüi'.'l« in X •!'.vaiii^n-qui'rsObftitten .tmdei.i.-*.ii" «m de«» VprumPTnajm 
«t.-ro-H.ei) hei van ft mson-Färbung in Kmigniousj zu bringe« sind. 

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UMVERSITY OF MICHf 




Tuberkulose Meningitis etc. 


197 


Bei makroskopischer Besichtigung sämtlicher Querschnitte mit 
Palfärbung ist vor allem auffallend der abnorm blasse, kaum ein 
hellstes Blau erkennen lassende Farbenton der exstramedullären Nerven¬ 
fasern im Gegensatz zu der schwarzgefärbten Marksubstanz, während 
wir ja im normalen P a 1-Präparate die Nervenwurzelbündel dünkler 
als die Marksubstanz zu sehen gewohnt sind; schon bei schwacher 
Vergrößerung sehen wir die weitaus überwiegende Anzahl der Nerven- 



Fig. 3. Hintere Wurzel aus dem untersten Sakralmark (Weigert-Pal). 


fasern schwer verändert; so sehen wir bei Nachfärbung mit Karmin 
an Querschnitten blasse Scheibchen, die zweifellos den Nervenfasern 
entsprechen und in denen man an der Markscheide eine konzentrische 
Schichtung erkennen kann, und auch den zerfallenen Achsenzylinder unter¬ 
scheidet, der an einigen Scheibchen dunkler hervortritt, an anderen wieder 
durch einen helleren Reflex erkennbar ist; von einer scharfen Grenze 
zwischen Achsenzylinder und Markscheide ist aber keine Rede; der 
ganze Querschnitt hat einen hellen lichtgrauen Farbenton neben einer 
rötlichen Grundfärbung, die vom Karmin herrührt; nicht an allen Quer- 


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Original fro-rn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



198 


Georg Stiefler. 


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schnitten ist ein Achsenzylinder, wenn auch nur andeutungsweise, zu 
sondern, manche Querschnitte stellen sich als homogene, blaßrötliche 
Scheibchen dar, an anderen Querschnitten sieht man noch eine schwarze 
Tüpfelung oder halbmondförmige Reste von geschwärzter Markscheide, 
sowie außerhalb von Querschnitten einzelne runde bräunliche Ringelchen 
und Körner. (Figur 1—3.) 

An Längsschnitten durch Nervenwurzelbündol, welche den Konus 
umhüllen, treten die Markveränderungen viel stärker zu Tage als an 
den Querschnittbildern, wo sich doch hie und da scheinbar eine 
gesunde Faser zeigte, während wir diese auf den Längsschnitten voll- 



Fig. 4. Längsschnitt durch Wurzelfasern der Cauda equina (Weigert-Pal). 

kommen vermissen. Wir finden den hellgrauen Scheibchen entsprechend 
auf den Längsschnitten (Figur 4 u. 5), die Markscheiden als hellgraue 
ungleichmäßig geformte Bänder, bald mächtig augeschwollcn, bald zu 
schmalen Streifen verjüngt; die Randpartien hie und da noch in leichter 
Schwärzung, auch im Innern der Faser stellenweise dunkelgraue Mark¬ 
kugeln, die Kontur meist sehr undeutlich. An anderen Fasern sehen wir 
Markkugeln und Schollen, rosenkranzartig aneinandergereiht, welche 
auf dunkelgrauem Grunde schwarze Körnchen und Kügelchen zeigen, 
wo ei stellenweise der Kontur nicht mehr zu sehen ist uud uns die reihen¬ 
weise Anordnung der Markkugeln und Schollen den Faserlängsschnitt 
ei ennen läßt; ziemlich zahlreich sind hellbraune, schmale, kurze Fasern, 


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Original fro-m 

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Tuberkulose; Mdii'tt.dtis rur 


• päraltyt ?meüu>tvdt*r '.gdhgfcri. jtiiHi:.. tiiid. rite' Wir häufig io den 
\ivhlm' »*w*r besser Markte beide lUmrgelito üeheu, es hiud 

u uW\ ; ; : R^*fe; von M>aksehvid»au w^^rsebeinüdt Äaudpartieir der#elb£ii;- 
dU uni den mU nU hr a u uh c h eR u j irelebt?n ent^o^eii^e^cfeii 

^bd v iTui iire herum sehe« v;ir madige Äfthrtwfungen r-üi 

Htn^zeHßfu dift wir vtfrdwftjdjt und io kleiner, Ncaterii auch zwischen 
<Uti eiuzehuM/ Nervenfasern Tor%jdc?i. 

Ad M m r c h i~Pröpft£at#sr w ztrnilch^t db^ FHidnm^ der cKrJraGtedrildirc'n 
Xemnitaacrn eine mifinilemi hoHsethr. wahrend «iafi Rilcketinmk tiic? 
uemiide Hriimmng der Marchitftikium «uftr-cibt. . Wir rtöhea am <£aevv 


l4ihgs*ehiii£t durch Wurzelfasern der C.*mdft equintt 


Weiter f-Pül 


«cbiUUe in «Jeu einzeUnm Ncrvcnwtt r z e lbdudeln Aui:hctt;u vuii MyeliiH 
>ebrVjif>M, das efitechuden reichlicher,, ala man ».lies s*»n<d in normale?» 
Wurzelquer^cimirtffn zu .sehen bekommt; .auch diegruppötfW^ 

Aöm'dmm*i darauf bin, difr der HefUud kein zuifiUi^'‘V t sömicru 

«‘in paHudviii^eher i*V, o. j?y f Vehen wiv Sdmitem and ICHinipehöii i»i»‘hr 
kr den iiiidcretj Anteüin der Xercete*örzdfefJtkkd. fite AVcbwih) der 
U ,,h ^dbundeiqiu rsrlniitJe d>;r !*Gr Tmmiebst her Äc:h^uv.l»er '\%T.er0.lioran.n 
.fceUtt?n scharfch Krmtur gr&u-^dbliekm 

y4t wüsdiebe Flftdre ;dai\ dnr sieb fchrf bd vl£€u; 0 > 
iu h'briuMi, vTölliire Rldüdbriv Bjufk-rV)»erchen v ^rqmdkmc* Bi!idi*g-;«*.«?»dn* 
muf iu di^ r«W|i2orsrliiiit!t uuHom wdcbr-- ».her . I»< i MArkcrer 


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200 


Georg Stiefler. 


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Vergrößerung in ihrer Gestaltung nur undeutlich sich abheben, vielmehr 
ein mehr verschwommenes Bild darbieten: heilgrau-lichtgelbliche Quer¬ 
schnitte, die in konzentrischer Anordnung meist Scheide und Achsen¬ 
zylinder zwar erkennen lassen, doch so, daß die Grenze zwischen denselben 
meist undeutlich, ja in vielen Fasern überhaupt nicht mehr zu bestimmen ist; 
manche Markscheiden sind oval verzogen, blasig aufgetrieben, die 
Achsenzylinder gequollen oder nur mehr in einzelnen krümeligen Resten 
vorhanden; normale Faserquerschnitte sind nur mehr in sehr geringer 
Anzahl vorhanden. 

Die Marc hi- und Pal färbung (Fig. 1—5) zeigt uns also 
ebenfalls in den extramedullären Nervenfasern entzündlich degene- 
rative Veränderungen: Quellung und körnige Auflösung von Achsen¬ 
zylindern, Zerfall der Markscheiden in Stäbe, Kugeln und Körner, 
Quellung und Infiltration des Zwischengewebes; neben diesen uns 
bekannten Veränderungen der Markscheiden und Achsenzylinder finden 
wir nun ganz eigenartige Befunde: Wir sehen nämlich Markscheiden, 
die in ihrer Form zwar mehr oder minder erhalten, aber unscharf 
konturiert sind, den Achsenzylinder nur undeutlich oder gar nicht 
erkennen lassen und die weder Marc hi- noch Pa 1 reaktion geben, 
sondern grau-gelblich, bzw. blaßbläulich gefärbt sind; vergleichen 
wir ein und dasselbe Nervenwurzelbündel in Marc hi- und Palfär¬ 
bung, so finden wir, daß die Markscheiden, die M a r c h i reaktion 
geben, sich nach P a 1 schwärzen, und daß die blassen, verwaschenen 
Nervenfaserquerschnitte auf dem P a 1-Präparate keine M a r c h i reak¬ 
tion geben, sondern ebenfalls ein undeutliches diffuses Aussehen auf¬ 
weisen ; vergleichen wir weiters hiemit vanGieson bilder, so glauben 
wir finden zu können, daß diese Nervenfasern, die auf March i und 
Pal nicht reagieren, regelmäßige Neurokeratingerüste aufweisen. 

Soweit ich selbst in der Lage war, habe ich analoge Befunde 
noch nie gesehen. Wie könnte mau sich nun ihr Entstehen erklären? 
Was zunächst die M a r c h i färbung betrifft, so wissen wir durch 
Neubauer, daß bei verschiedenen, chemisch ganz ähnlich zusammen¬ 
gesetzten Stoffen nur dann die Osmiumschwärzung auftritt, wenn 
ihre chemische Konstitution eine doppelte Bindung des C-Atoms 
aufweist, u. zw. geht die Eigenschaft der Schwärzung durch Osmium- 
saure verloren, sobald durch Umlagerung der Atome die vorher 
doppelte Bindung in einfache übergeht. So vermutet N e u b a u e r auch. 
daß das Wesen der Osmiumschwärzung beim Markscheidenzerfall 
derart sei, daß aus dem Lecithin, das den C in einfacher Bindung 
enthält, Neurin entsteht, das zwei doppelte Bindungen aufweist. 


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Tuberkulöse Meningitis etc. 


201 


Das Ausbleiben der Marchi- und Palreaktion berechtigt 
uns zur Annahme bestimmter chemischer Veränderungen im 
Nervenmarke; wir haben vermutlich eine bestimmte Phase eines 
Markzerfalles vor uns, indem sich ein Chemismus in den Mark¬ 
scheiden abspielt, der unterschieden werden muß vom Chemis¬ 
mus der sekundären Degeneration und dem der echten Neuritis, in 
deren primären Stadien Marchi- und W e i g e r treaktion unweigerlich 
positiv sind. In unserem Falle sehen wir zunächst die weichen Rückeu- 
markshäute, das Peri- und Endoneurium als Sitz einer produktiv exsu¬ 
dativen Entzündung und wir konnten daher die entzündliche Degene¬ 
rationsveränderung der in ihnen liegenden Nervenwurzeln als fortgelei¬ 
tete Neuritis ansprechen; mit dieser örtlichen Schädigung können 
wir uns wohl die uns bekannten Bilder der Quellung und des Zerfalls 
von Markscheiden und Achsenzylinder bei positiver Marchi- und Pal¬ 
reaktion erklären, wie wir sie an einem verhältnismäßig kleinen Teil 
von Nervenfasernquerschnitten sehen, nicht aber dieses eigentümliche 
Verhalten eines großen Teils der Nervenfasern, das zweifellos in 
einem ganz eigenartigen Chemismus begründet ist. Letzterer ist 
wahrscheinlich auf einen spezifischen toxisch entzündlichen Prozeß 
zurückzuführen, wobei wir uns vorstellen könnten, daß die Invasion 
von Tuberkelbazillen und ihrer giftigen Stoffwechselprodukte, die 
im Bindegewebe produktive exsudative Entzünduugserscheinungen 
hervorrufen, auch den Chemismus der Nervenfasern durch direkte 
Einwirkung verändern können oder daß analog der infektiösen peri¬ 
pheren Polyneuritis (Rosenheim) die chemischen Veränderungen 
im Nervenmarke auf dem Wege einer toxämischen Infektion zustande 
kommen würden. 

Auch die Tierversuche von Homön und Laitinen über die 
Wirkung von Streptokokken und ihrer Toxine auf periphere Nerven, 
Spinalganglien und Rückenmark müssen hier erwähnt werden. Diese 
Forscher fanden nämlich an Querschnitten von Nervenwurzelbündelu 
eine diffuse Alteration der Nervenfasern, dadurch charakterisiert, 
daß zufolge veränderten Verhaltens gegen die gewöhnlichen Farb¬ 
stoffe an den Markscheiden die konzentrischen Schichten und Ringe 
nicht mehr deutlich hervortreten, die Achsenzylinder sich nicht 
mehr scharf abheben, so daß der ganze Nervenfaserquerschnitt sich 
nicht mehr deutlich von den angrenzenden Partien unterscheidet. Diese 
„diffuse Alteration“ der Nerveufaser scheint wohl ebenfalls in einem 
durch die Streptokokkeninvasion bedingten veränderten Chemismus 


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202 Georg Stieflcr. 

des Nervengewebes begründet zu sein, in ähnlicherWeise, wie wir 
es für die Tuberkelbazilleninfektion unseres Falles in Anspruch 
nehmen möchten. 

Die Arbeit von Homen-Laitinen interessiert uns noch 
in anderer Hinsicht. Sie zeigt uns nämlich, daß die Streptokokken 
hauptsächlich längs der Lymphwege und der großen serösen Bäume 
des Nervensystems sich ausbreiten und bei ihrem Anstiege zum 
Rückenmark sich sehr schnell über die intermeningealen Räume des 
ganzen Rückenmarkes ausdehnen, wobei sie den Weg ungleich 
mehr längs der hinteren als der vorderen Wurzeln nehmen. Beginn 
und Entwicklung der klinischen Erscheinungen in unserem Falle, 
ferner das ungleich stärkere Befallensein der Hinterwurzeln würde 
für eine analoge Ausbreitung des Tuberkelbazillus, bzw. seines 
Giftes bei der Entzündung der weichen Rückenmarkshäute sprechen. 

Klärt nun in unserem Falle der pathologisch-anatomische Befund 
den Verlaut der klinischen Symptome vollkommen auf: den Beginn mit 
schwerer Paraplegie und Anästhesie der uuteren Extremitäten und ihr 
Ansteigen gegen die oberen Körperabschnitte? Gewiß, denn es ist 
wohl die Annahme gerechtfertigt, daß die tuberkulöse Erkrankung 
der Häute an der Stelle ihrer mächtigsten Entwicklung, dem Lumbo- 
dorsalmark, ihren Anfang genommen hat. Die Parästhesien in den 
Beinen, die heftigen lanzinierenden Schmerzen sind ja zweifellos 
als Wurzelsymptome aus dieser Gegend zu deuten, aber auch die 
schwere Lähmung und die spinale Anästhesie müssen wir auf 
Schädigungen der Wurzeln zurückführen, da ja im Lumbal- und 
unteren Dorsalmark eine schwere Schädigung der weißen Substanz 
nicht vorhanden war und die daselbst nachweisbaren Veränderungen, 
wie die im March i-Präparat sichtbare, leichte diffuse Erkrankung 
der Hinterstränge in keinem Verhältnisse steht zur Masseuschädigung 
der Nerveuwurzelu, die, weil in den weichen Rückenmarkshäuten 
gelegen, in erster Linie von der tuberkulösen Entzündung er¬ 
griffen wurden. 

Das Aufsteigen der Querschnittsläsion bis zum Eintritt von 
Hirnnervenlähmungen haben wir uns zu erklären mit der Aus¬ 
breitung des ineningitisehen Prozesses von unten nach oben und 
dem allmählichen Intensiverwerden desselben, dem parallelgehend 
die Wurzelneuritis von unten nach oben aufstieg. 

Die im Vordergründe stehende Erkrankung der Wurzeln er¬ 
klärt es uus auch, daß die in den einzelnen Abschnitten des 


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Tuberkulöse Meningitis etc. 


203 


Rückenmarkes unregelmäßig zerstreut liegenden myelitischen Herde 
klinisch keine Symptome bedingten, weil die eventuellen Ausfalls¬ 
erscheinungen bei gleichzeitigem Bestehen der Wurzelneuritis nicht 
zur Geltung kommen konnten und die Veränderungen an den 
Xervenwurzeln wahrscheinlich früher bestanden haben, als die im 
Innern der weißen Substanz gelegenen myelitischen Herde. 

Mit der Annahme, daß die schweren Schädigungen der extra¬ 
medullären Nervenwurzeln klinisch die Ausfallserscheinungen auf 
motorischem und sensiblem Gebiete bedingen, befinden wir uns im 
Einklänge mit den Ausführungen Scbultzes, der als erster das 
Verhalten des Rückenmarks und der Rückenmarknervenwurzeln bei 
akuter Basilarmeningitis beschrieb und Bilder fand, die im Wesen 
mit dem in unserem Palle erhobenen Befunde übereinstimmen. Doch 
fehlten in seinen Fällen spinale Lähmungserscheinungen und es 
bestanden nur spinale Reizerscheinungen, wie Muskelstarrheit, Kon¬ 
trakturen, Hyperästhesien, die Schultze auf die Veränderungen 
der Nervenwurzeln zurückführt, wobei er die Ansicht ausspricht, 
daß die Veränderungen der die Meningen durchsetzenden Nerven¬ 
wurzeln exzentrische Schmerzen in den Extremitäten, Hyper¬ 
ästhesien hervorrufen konnten, und daß bei etwas längerer Dauer 
des meningitischen Prozesses durch die völlige Zerstörung der 
Nervenfasern Lähmungen und Anästhesien hätten entstehen müssen. 

In unserem Falle können wir wühl von einer völligen Zer¬ 
störung der Nervenfasern in den Nervenwurzelbündeln sprechen; 
finden wir doch auf Längsschnitten durch dieselben keine gesunde 
Faser erhalten; in den Schultz eschen Fällen aber waren die 
Läsionen entschieden geringer; nur in einem Falle war Quellung 
und krümelige Auflösung vieler Achsenzylinder in den Nerven¬ 
wurzeln deutlich ausgeprägt, während sie in seinen übrigen Fällen 
weniger stark bervortraten, bzw. kaum angedeutet waren. Jeden¬ 
falls findet die Annahme dieses Autors, daß ein längerer Bestand 
der meningitischen Erkrankung, bzw. eine intensivere Entfaltung 
desselben schwere Ausfallserscheinungen hätte bedingen müssen, 
durch unseren Fall ihre Bestätigung. 

Wir haben also einen Fall von akuter Basilarmeningitis vor 
uns, der nach leichten Allgemeinerscheinungen unter dem Bilde 
einer totalen Querschnittsläsion im Lumbalmark auftrat und den 
Verdacht auf umschriebene HerJerkrankung des Rückenmarks er¬ 
weckte, und durch seinen weiteren Verlauf, durch das Ansteigen 


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204 


Georg Stiefler. 


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der Querschnittsläsion und Hinzutreten der zerebralen Symptom© 
»ich als eine Meningitis erwies. 

Bei Durchsicht der Literatur linden wir nun eine Reihe von 
einschlägigen Beobachtungen; so haben Chantemesse, Crocq, 
Fischer, Hensen, Hoche, Jakobaeus, Londe und Brouar- 
del, Oddo und Olmer, Reinhold spinale Herdsymptome bei 
tuberkulöser Meningitis beschrieben. In diesen Fällen sehen wir zu 
Beginn der Erkrankung meist ein mehrtägiges Vorstadium mit Kopf¬ 
schmerzen, Schwindelgefühl, allgemeiner Schwäche, Fieber, das Sich 
vereinzelt mit Schüttelfrost einleitet (Hensen, Jakobaeus); 
dann Auftreten von spinalen Symptomen, Schmerzen, Lähmungen und 
Empfindungsstörungen im Lumbodorsalgebiet, sowie Blasenstörungen, 
die bezüglich ihrer Reihenfolge einen bestimmten regelmäßigen Verlauf 
nicht erkennen lassen; immerhin finden wir in den meisten Fällen 
als eines der ersten Symptome eine retentio urinae (Chantemesse, 
Fischer, Hensen, Hoche, Jakobaeus, Oddo und 01 mer>, 
sowie ausgesprochene Gürtelempfindung und heftig reißende Schmer¬ 
zen, oft von lanzinierendem Charakter in der Kreuzbeingegend und 
in den Beinen (Chantemesse, Hensen, Hoche, Jakobaeus), 
dann folgt eine Parese der Beine mit Fehlen der Sehnenreflexe, die 
später in vollkommene Paraplegie übergeht; in einigen Fällen 
(Chantemesse, Hensen) sind bei Eintritt der Paresen die Seh¬ 
nenreflexe erhöht, um dann zu verschwinden; bei 0 d d o und Olmer 
fand sich Babinski. Die Prüfung der Sensibilität ergab in den 
einzelnen Fällen ein sehr wechselndes Verhalten und war manchmal 
durch den somnolenten Zustand der Kranken sehr erschwert (Oddo 
und Olmer). Es fand sich bei Chantemesse, Hoche (Fall 2) 
und Jakobaeus Hyperästhesie für Berührung und Schmerzempfin¬ 
dung in den Beinen, die bei Chantemesse in Hypästhesie, bzw. 
Anästhesie überging; bei Crocq und Hensen schwere Anästhesie, 
bei Londe und Brouardel, sowie bei Chantemesse (Obs. 38» 
war die Sensibilität normal. In einigen wenigen Fällen ergriff die 
Lähmung auch die oberen Extremitäten; so finden wir Andeutung eiuer 
leichten Parese im rechten Arm bei H o c h e (Fall 1), Lähmung beider 
Arme bei Oddo und Olmer, Herabsetzung der groben Kraft bei 
Chantemesse (Obs. 39). Die Sensibilität in den Armen war hiebei 
vollkommen intakt; nur bei Hoche (Fall 1) ist ein Ansteigen der 
Sensibilitätsstörung in der Weise vorhanden, daß die zu Anfang 
bestandene Hyperästhesie für Tast- und Temperatursinn in uuterer 


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Tuberkulöse Meningitis etc. 


205 


uml mittlerer Brustregion in Hypästhesie überging und mit ihrer 
oberen Grenze die vierte Rippe erreichte, die Störung aber keine 
andauernde gewesen zu sein schien, da schon am nächsten Tage 
Hyperästhesie am ganzen Rumpfe vorgefunden wurde und die 
anfänglich bestandene Analgesie bis zur Nabelhöhe im Verlaufe 
der Erkrankung verschwand, und sogar Hyperalgesie knieabwärts 
bestanden zu haben schien. Bei Fischer trat einige Tage nach der 
initialen retentio urinae eine vollständige motorische und sensible 
Lähmung auf, die bis zu den Brustwarzen reichte, daneben Inkon¬ 
tinenz von Urin und Kot. 

Treten zerebrale Symptome auch in der Mehrzahl der Fälle 
in dem Endstadium der Erkrankung stärker hervor, so finden wir 
sie doch vereinzelt auch schon im Beginn der Erkrankung, so 
rechtsseitige Ptosis bei Oddo und Olmer, eine Abduzensparese 
bei Hensen, die allerdings später wieder verschwand, Fazialispa¬ 
rese bei Fischer, ferner bei Chantemesse und Hoche delirante 
Zustände; hingegen treten andere typische meningitische Symptome, 
wie Nackenstarre, Druckschmerzhaftigkeit der Nackenmuskulatur erst 
in den letzten Tagen auf; nur bei Hensen bestand schon zu Beginn 
der Erkrankung eine Druckempfindlichkeit des Atlantooceipitalgelen- 
kes. Sämtliche Fälle endeten tödlich, die Krankheitsdauer betrag 
durchschnittlich 2—3 Wochen, am kürzesten mit 8 Tagen bei 
Chantemesse (Obs. 37), am längsten bei Crocq mit mehreren 
Monaten. 

In Gegenüberstellung dieser Beobachtungen ist unser Fall 
dadurch ausgezeichnet, daß die das Krankheitsbild schon zu Beginn 
beherrschende scheinbare Herdläsion im Lumbalmark, die Trias der 
Symptome einer Querschnittsläsion — Verlust von Motilität und Sensi¬ 
bilität, retentio urinae — umfaßte, also einer vollkommenen Quer¬ 
schnittsunterbrechung zu entsprechen schien und die schweren 
Funktionsausfälle Schritt für Schritt, Segment nach Segment er¬ 
greifend nach oben anstiegen, wie ich es sonst in keinem Fall 
beschrieben gefunden habe. 

Sehen wir uns nun die pathologische Anatomie dieser Fälle 
an, so finden wir jedesmal eine ausgeprägte tuberkulöse Entzündung 
der weichen Rückenmarkshäute, die sich längs des ganzen Rücken¬ 
markes erstreckt, gewöhnlich im Lumbalanteile am mächtigsten 
entwickelt ist und stärker die dorsale als ventrale Hälfte befällt; 
wie in unserem Falle sind auch hier die extramedullären Nerven- 


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206 


Georg Stiefler. 


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wurzelbündel, besonders die hinteren, von massigen Exsudatmassen 
umschlossen und entzündlich degenerativ verändert; die weiße 
Substanz selbst ist in verschieden intensiver Weise in Mitleiden¬ 
schaft gezogen; so bestand bei Hensen in dem mittleren Brust- 
mark ein mächtiger Zerfallsherd, der nur mehr andeutungsweise 
Spuren einergrauen Substanz erkennen ließ; bei Hoche (Fall 1) 
war die Querschnittzeichnung in der Höhe de3 7.—9. Dorsalnerven 
verwischt und es fand sich ein solitärer Tuberkel in der Medulla 
oblongata. Auch bei Crocq, Oddo und Olm er bestanden schwere 
Läsionen der weißen und grauen Substanz; in einem Falle von 
Chantemesse (Obs. 39) im Niveau der Lendenanschwellung eine 
leichte oberflächliche Erweichung. Bei Fischer fand sich ein 
Erweichungsherd im Schläfelappen und eine Leptomeningitis 
spinalis. 

Versuchen wir nun die klinischen Symptome mit dem pathologisch¬ 
anatomischen Befunde in Einklang zu bringen, so ist es wohl klar, 
daß so schwere Schädigungen der weißen Substaoz wie bei Hoche 
und Hensen Ausfallserscheinungen bedingen mußten (Lähmungen, 
Empfindungsstörungen, retentio urinae). Aber sie erklären uns doch 
nur einen Teil der klinischen Erscheinungen; denn eine Lähmung 
der Arme (Hoche), eine Abduzens- und Fazialisparese (Hensen.' 
kann durch einen Herd im untern Brustmark nicht erklärt werden. 
Die Fälle von Schultze und Williams zeigen uns ferner, daß 
kleiuere myelitisehe Herde, sowie Randdegenerationen im Rücken¬ 
mark bestehen können, ohne daß es deshalb klinisch zu Ausfalls¬ 
erscheinungen kommt; damit steht auch in Übereinstimmung der 
Fall Jakobaeus, dessen mikroskopische Untersuchung eine ausge¬ 
prägte Randdegeneration im Halsmark ergab, ferner der Fall 2 von 
Hoche, wo sich kleine myelitische Herde in den Gollschen 
Strängen des oberen Brust- und Halsmarkes und in den Pyramiden¬ 
seitensträngen des Lendenmarkes fanden, während klinisch eine 
schlaffe Lähmung mit Fehlen der Sehnenreflexe in den unteren 
Extremitäten sich lokalisierte; diese Symptome sind wohl zweifellos auf 
die bestandenen neuritischen Veränderungen der extramedullären Ner¬ 
venwurzeln zurückzuführen, die bei Hoche in keinem segmentären 
Abschnitte fehlen und die Jakobaeus besonders im Lumbalmark 
deutlich hervortreten sah; daß die Wurzelläsionen die Grundlage der 
spinalen Symptome sind, geht auch aus den Fällen von Chante¬ 
messe hervor, in denen, soweit aus dem makroskopischen Befund * 


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Tuberkulöse Meningitis etc. 


207 


zu erkennen ist, das Rückenmark intakt befunden wurde, während 
mächtige Exsudatmassen in den weichen Häuten die Nerven wurzel¬ 
bündel umgaben und zwischen dieselben eindrangen. Schließlich 
erwähnen wir noch die Beobachtung Kahl ers, der in einem Falle 
von akuter Basilarmeningitis totale Oculomotorius parese und schwere 
neuritische Veränderungen in diesem Nerven feststellte. 

über die Bedeutung der Veränderungen am Rückenmark und 
den zarten Häuten bei Basilarmeningitis briugt auch die Literatur 
der letzten Jahre einige interessante Beiträge. Tinel berichtet 
ausführlich über Wurzelläsionen bei zerebrospinalen epidemischen und 
tuberkulösen Formen von Meningitis, die er als toxisch bedingt an¬ 
sieht, sei es infolge entzündlicher Vorgänge, durch die Mikroben 
verursacht, sei es infolge der durch die gegebenen Zirkulations¬ 
verhältnisse bedingten hochgradigen Ansammlung von Leukocyten, die 
Giftstoffe mit sich führen. Er beobachtete auch Fälle mit sekundären 
tabiformen Strangerkrankungen sowie nicht selten mit Randdegenera¬ 
tion, die er als primär toxisch bedingt auffaßt. 

Nach Liebermeister und Lebsanft bestehen rücksichtlich 
der spinalen Veränderungen bei den verschiedenen Meningitisformen 
kaum qualitative Veränderungen; bei der Meningitis tuberculosa 
ist die an sich sehr häufige Mitbeteiligung des Rückenmarks eine 
verschieden starke, je nachdem die Rückenmarkshäute entzündet 
sind oder nicht. 

Achelis und Nunokawa schildern eiuen Fall von tuber¬ 
kulöser Meningitis, der klinisch unter den gewöhnlichen Symptomen 
einer zerebrospinalen Erkrankung verlief, bei der Autopsie aber 
am Gehirne makroskopisch einen negativen Befund ergab, während 
im lumbosacralen Anteile des Rückenmarkes starke Verdickungen, 
Trübung und Hyperämie der inneren Meningen bestand, deren 
tuberkulöse Natur durch die histologisch-bakteriologische Unter¬ 
suchung erwiesen wurde. 

Wir finden also unserer Beobachtung analoge 
Fälle in der Literatur vor, die uns zur Annahme be¬ 
rechtigen, daß die bei den sogenannten spinalen For¬ 
men der tuberkulösen Meningitis auftretenden Herd¬ 
erscheinungen in erster Linie auf neuritische Ver¬ 
änderungen der extramedullären Nervenwurzelbüu- 
del zurückgeführt werden müssen. 


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Georg Stiefler. 


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Literatur. 

Ach e 1 is-Nuuokawn: Über eine wesentlich in der Pars lumbo- 
sacralis des Rückenmarks lokalisierte Meningitis tuberculosa mit klini¬ 
schen Erscheinungen einer zerebrospinalen Meningitis. Münchner med. 
Wochenschrift. 1910, S. 187. 

Chantemesse. Etüde sur la möningite tuberculeuse de l'adulte. 
Paris 1884. Herausgegeben bei A. Delahaye und E. Lecrosnier. Place 
de Ticole de medecine. 

Crocq. Un cas de m£ningo-my61ite tuberculeuse aiguö avec 
autopsie. Journ. de Neur. 1901, Nr. 4, p. 61. Ref. Jahresbericht für 
Neurologie und Psychiatrie. 1901, p. 412. 

Ewald und Kühne. Über einen neuen Bestandteil des Nerven¬ 
systems. Verhandlungen des naturhistorisch-medizinischen Vereins zu 
Heidelberg. 1877, Bd. 1, p. 457. 

Fischer: Über tuberkulöse Meningitis. Münchner med. Wochen¬ 
schrift. 1910, S. 1061. 

Hensen. Über Meningomyelitistuberkulose. Zeitschrift für Ner¬ 
venheilkunde. 21. Bd. 1902, p. 240. 

Hochc. Zur Lehre von der Tuberkulose des Zentralnervensystems. 
Archiv für Psychiatrie. 1888, Bd. 19, p. 200. 

Homen und Laitinen. Die Wirkung von Streptokokken und 
ihrer Toxine auf periphere Nerven, Spinalganglien und das Rückenmark. 
Zieglers Beiträge 1899 Bd. XXV, S. 1. 

Jakobaeus. Beitrag zur Lehre von der tuberkulösen Meningitis 
spinalis und von der akuten Leukomyelitis. Zeitschrift für klinische Medizin. 
35. Bd., 1898, p. 355. 

L. Kaplan. Nervenfärbung. Archiv für Psychiatrie. 35. Bd., 1902. 
p. 825. 

Liebermeister und Lebsanft: Über Veränderungen der 
nervösen Elemente am Rückenmark bei Meningitis cerebrospinalis epi¬ 
demica. Münchner med. Wochenschrift. 1909, S. 914. 

L o n d o und Brouardel. Note sur un cas de m6ningo-my<$lite 
tuberculeuse. Arch. de med. expörim. 1895, Nr. 1. Ref. Zentralblatt für 
Nervenheilkunde. 1895, p. 200. 

Neubauer. Über das Wesen der Osmiumschwärzung. Neurologi¬ 
sches Zentralblatt. 1902, p. 981. 

Oddo und O 1 m e r. Totale Augenmuskellähmung und aufsteigende 
Lähmung in einem Falle von tuberkulöser Meningitis. Neurologisches 
Zentralblatt. 1901, p. 874. 

Rein hold. Klinische Beiträge zur Kenntnis der akuten Miliar¬ 
tuberkulose und tuberkulöser Meningitis. Deutsches Archiv für klinische 
Medizin. 1891. 

Rosen heim. Zur Kenntnis der akuten infektiösen multiplen 
Neuritis. Archiv für Psychiatrie. Bd. 18, 1887, p. 782. 

Schul tze. Über das Verhalten des Rückenmarks und der 
Rückenmarksnerven bei akuter Basilarmeningitis. Berliner klinische 
Wochenschrift. 1876, Nr. 1. 


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Tuberkulöse Meningitis etc. 


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Schnitze. Leptomeniugitis acuta tuberculosa cerebrospinalis. Vir- 
chowß Archiv. Bd. 68, 1876, p. 111. 

— Zur Symptomatologie und pathologischen Anatomie der tuber¬ 
kulösen und entzündlichen Erkrankungen und der Tuberkel des zerebro- 
spinalen Nervensystems. Deutsches Archiv für klinische Medizin. 25. Bd., 
1880, p. 297. 

Tinel. Les läsions radiculaires dans les mäningites. Revue neurolog. 
1909, Nr. 12. 

— Les läsions de lamoelle dans les meningites. Ibidem 1910, Nr. 13. 

Westphal. Über apoplektiforme Neuritis. Archiv für Psychiatrie. 
40. Bd., 1905, p. 64. 

— Über die Bedeutung von Traumen und Blutungen in der 
Pathogenese der Syringomyelie. Archiv für Psychiatrie. 36. Bd., 1903, 
p. 659. 

Williams. Das Verhalten des Rückenmarks und seiner Häute 
bei tuberkulöser und eitriger Basilarmeningitis. Deutsches Archiv für 
klinische Medizin. 25. Bd., 1880, p. 292. 

Die Abbildungen wurden von Herrn med. Streiter gezeichnet, 
wofür ihm an dieser Stelle bestens gedankt sei. 

Tafelerkl&nmg. 

Fig. 1. Hintere Wurzel des Lumbalmarks, (van Gieson; Ocul. 12; 
Obj.: 4*0 mm; Apert. 0*95). 

Fig. 2. Hintere Wurzel des Lumbalmarks, (van Gieson; Ocul. 4; 
Obj.: 16*0 mm; Apert. 0’30; Tubuslänge 160 mm. 


Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 


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Referate. 


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Obersteiner Heinrich. Anleitung beimStudium desBaues 
der nervösen Zentralorgane. Fünfte, vermehrte und 
umgearbeitete Auflage. Leipzig und Wien, 1912. Franz Deuticke. 
Preis geh. M. 24’ —, geb. M. 26’50. 

Das bekannte Buch von Obersteiner liegt nun in 5. vermehrter 
und umgearbeiteter Auflage vor. Es ist wohl überflüssig, die Vor¬ 
züge dieses klassischen Buches hervorheben zu wollen. Es sei nur 
betont, daß sich der Autor bemüht hat, sein Buch auf der Höhe 
der modernen Forschung zu erhalten und demselben die in den 
letzten Jahren gemachten Fortschritte auf dem Gebiete des Zentral¬ 
nervensystems einzuverleiben. Dies ist ihm auch im vollen Ausmaß 
gelungen, ohne besondere Vermehrung des Umfanges des ganzen 
Werkes, eine Tatsache, welche im Zeitalter der dickleibigen Folianten 
als rühmenswert hervorgehoben werden muß. Schließlich sei noch 
angeführt, daß auch die Zeichnungen vermehrt und eine Reihe ver¬ 
alteter durch neue zweckentsprechend ersetzt wurden. Das Studium 
<les Baues der nervösen Zentral Organe wird unter dieser Anleitung 
erfolg- und genußreich. Julius Tandler. 

Boedecker, Prof, und Falkenberg, Dr.: IV. internationaler 
Kongreß zur Fürsorge für Geisteskranke. Berlin. 
Oktober 1910. Offizieller Bericht. Halle a. S. 1911. 
Carl Marhold. 

In einem stattlichen Bande von 1027 Seiten ist festgehalteu. 
was in der Zeit vom 3.— 7. Oktober 1910 zu Berlin am Psychiater¬ 
kongresse an wissenschaftlicher Arbeit und nicht nur an dieser ge¬ 
leistet wurde: man braucht nur die lange Reihe klingender Namen 
zu lesen, die den wissenschaftlichen Teil einleitet. Von einer Auf- 
zähluug der 55 Vorträge darf Ref. wohl absehen; es sind Themata 
der theoretischen und praktischen Psychiatrie behandelt und viel¬ 
seitig diskutiert worden. W T em die Berliner Tage noch in frischer 
Erinnerung sind, wird gern in dem Bande blättern, weitere Kreise 
können in Muße studieren, was Fachmänner des In- und Auslandes 
an Erfahrungen zum Kongresse brachten. 

H. Boruttau, Prof.: Leib und Seele. Leipzig 1911, Quelle und 
Meyer. 

Ein Heftchen aus der Sammlung: Wissenschaft und Bildung. 
Grundzüge der Physiologie des Nervensystems und der physiologischen 


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Referate. 


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Psychologie in neun Kapiteln, hervorgegangen aus einer Serie 
Vorträge, welche Verf. in einem Volkshochschulkurse zu Berlin 
gehalten hat. In möglichst elementarer Darstelliingsweise sieht Verf. 
von allen Vorkenntnissen ab und erreicht damit gewiß seinen Zweck, 
die Wissenschaft zu popularisieren. 

G. Aschaffenburg, Prof. Dr.: Handbuch der Psychiatrie. 
Spezieller Teil, 6. Abteilung. Erwin Stransky, Priv.- 
Doz. Dr.: Das manisch-depressive Irresein. Leipzig 
und Wien 1911, Franz Deuticke. 

Eine auf der Höhe ihrer Aufgabe stehende, voll ausgewach¬ 
sene Monographie. Nach einer kurzen historischen Einleitung gibt 
Verf. die Begriffsbestimmung, widmet einen eigenen Abschnitt der 
Stellung Kraepelins zur Entwicklung des Krankheitsbegriffes, faßt 
selbst den Begriff des manisch-depressiven Irreseins enger als Krae- 
pelin. ln der allgemeinen Symptomatik beschäftigt Verf. sich ein¬ 
gehend mit der klinischen Schilderung der depressiven Zustands¬ 
bilder. die breit angelegt und ebenso vollständig durchgeführt wird 
wie die der expansiven und die der Mi sch zustande. Das Kapitel 
-Verlauf“ bietet insoferne Schwierigkeiten, als irgend eine Hegel 
und damit eine Voraussicht im konkreten Falle nicht gegeben 
werden kann, auf Grund des weiten Rahmens des Krankheits¬ 
begriffes. Stransky hebt aber zwei wohlcharakterisierte Verlaufs¬ 
typen heraus, die Zyklothymien und die chronischen Verstimmungen. 
Auf eine reichhaltige Zusammenstellung der körperlichen Symptome 
folgt das interessante Kapitel „Grenz- und Streitfragen“. Verf. an¬ 
erkennt das Vorkommen krankhafter Affektzustände außerhalb des 
manisch-depressiven Irreseins. Er läßt die verschiedensten Ansichten 
zu Wort kommen, um offenbar irrtümliche zu widerlegen, so 
Spechts Versuch, die Paranoia und den Querulantenwahnsinn im 
manisch-depressiven Irresein aufgehen zu lassen — gewiß nur die 
Verallgemeinerung einzelner Beobachtungen. Nach S. muß von der 
Epilepsie scharf geschiedeu werden; für die Katatonie sei trotz 
eines eventuell remittierenden, ja zirkulären Verlaufes die schizo¬ 
phrene Störung ausschlaggebend. Im Kapitel „Pathogenese“ entwickelt 
S. seine Theorie, nach welcher das manisch-depressive Irresein auf 
Stoffwechselgifte, auf eine Dysfunktion jenes Drüsenapparates zu 
beziehen wäre, in dessen Kette die Schilddrüse ein wichtiges Glied 
bildet, diese Gifte in Gegenwirkung zu Schutzmechanismen, die nur 
gelegentlich überflutet, bis zu einem gewissen Grade erholungs¬ 
fähig sind. Seine Ausführungen basiert Verf. auf ein reiches Ma¬ 
teriale, das mit Aufwand großer Mühe weiterverfolgt wurde. Er¬ 
bringt in extenso 11 Krankengeschichten, 3 aus seiner forensischen 
Praxis, hängt ein vollständiges Literaturverzeichnis an, Pulskurven, 
tabellarische Zusammenstellungen über 87 Manisch-Depressive, 
namentlich übersichtlich in graphischer Darstellung des Verlaufes 

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dieser Fälle. Alles iu allem ein Buch, das den gegenwärtigen 
Bestand psychiatrischen Wissens in der Frage der Affektpsychosen 
festlegt und am angelegentlichsten gerade von jenen studiert 
werden muß, die nicht ganz mit der Stellungnahme Stranskys zu 
dem Begriffe manisch-depressives Irresein übereinstimraen. 

Robert Sommer, Prof.: Klinik für psychische und ner¬ 
vöse Krankheiten. Halle a. S., Carl Marhold. 

Das vorliegende 2. Heft des VI. Bandes bringt an erster Stelle 
J. Pfahl-Ahrweiler, die genauere Untersuchung der verschiedensten 
Bewegungsvorgänge, namentlich der willkürlichen Bewegungen 
mittels graphischer Methoden. Verf. bezieht sich auf einen vor¬ 
angegangenen 1. Teil; namentlich interessant sind die Kurven, die 
er mittels seines Registrierapparates erhält bei langsamen Beuge- 
und Streckbewegungen und bei willkürlichen Zitterbewegungen. Er 
hofft, daß die Analysen von Zitterkurven über die Glaubwürdigkeit 
von Klagen Unfallverletzter bestimmtere Antwort zu geben vermögen 
werden. — Helmut, Müller-Dösen, zur Ökonomie des Lernens bei 
geistesschwachen Personen, hat speziell im Hinblick auf praktische 
pädagogische Zwecke das Verfahren, im Ganzen zu lernen, ver¬ 
glichen mit dem Verfahren, den Stoff in Hälften zu teilen; dabei 
ergab sich nun, daß in guter Übereinstimmung mit den Erfahrungen 
der Lehrer an Schwachsinnigenschulen das Ganzverfahren gegen¬ 
über dem Teilverfahren mindere Resultate ergab. — M. Margulies- 
Gießen, zur Frage der Hystero-Epilepsie, versucht an einem Falle 
durch eingehende psychologische Analyse darüber Klarheit zu ge¬ 
winnen, welche Erscheinungen der epileptischen und welche der 
hysterischen Komponente entspriugen, er glaubt, daß zur Objekti¬ 
vierung einer hystero-epileptischen Anlage eine Kombination ver¬ 
schiedenartiger Untersuchungsmethoden, vielleicht unter Heran¬ 
ziehung der motorischen Methoden Sommers, zweckmäßig sein dürft**. 

Hans Laehr. Allgemeine Zeitschrift für Psychiatrie 
und psychisch-gerichtliche Medizin. Herausgegeben 
von Deutschlands Irrenärzten. Berlin W, Georg Reimer. 

Von der altbekannten Zeitschrift liegt das vierte Heft des 
«58. Bandes vor, das wiederum eine reiche Sammlung wissenschaft¬ 
licher Aufsätze und unter den Versammlungsberichten jenen über 
die Jahresversammlung des deutschen Vereines für Psychiatrie 
bringt. Aus dem Inhalte seien hervorgehoben: A. D. Kozowsky- 
Bessarabien, Zur Pathologie des Delirium acutum. Verf. führt dies** 
Erkrankung auf verschiedenartige Toxine zurück, läßt sie entstehen, 
nach vorheriger Schädigung des Zentralnervensystems, negiert eine 
bestimmte anatomische Struktur. Dr. W. Heinicke-Waldheim 
bringt einen Fall von manisch-depressiver Psychose und hysterischem 
Irresein bei einer und derselben Krankeu. G. Saiz-Triest stellt iu 


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Referate. 


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seinem Aufsatz Dementia praecox und Paranoia halluzinatoria 
chronica fließende Übergänge fest zwischen Dem. praecox — Dem. 
paranoides — Paranoia, andererseits zwischen Dem. praecox — 
manisch-depressivem Irresein — krankhaften, entarteten Persönlich¬ 
keiten, zum dritten zwischen dem praecox-Schwachsinn. Eine exakte 
Abgrenzung dieser Krankheitsgruppen verspricht er sich darum erst 
von der pathologischen Anatomie. Dr. Erich Wendt-Zschadraß, ein 
Beitrag zur Kasuistik der „Pseudologia phantastica“ plädiert wohl 
hauptsächlich aus Gründen seines persönlichen Gefühls dafür, seinen 
Pat. unter den Schutz des § 51 d. St. G. zu stellen, wiewohl Yerf. 
schließlich selbst zugibt, daß der Irrenarzt ihn nicht heilen, die 
Internierung auch nicht anders wirken kann, als durch die Drohung 
einer dauernden Freiheitsberaubung im Wiederholungsfälle. Würde 
dieser erziehliche Einfluß durch Anregung der Selbstbeherrschung 
nicht noch besser mit der Strafe erreicht werden, von der morali¬ 
schen Wirkung der Generalprevention selbst ganz abgesehen? 
Eine warme Propaganda entfaltet Klinke-Lublinitz, Ausbreitung und 
Zusammenschluß der Hilfsvereine. 

Das folgende 5. Heft bringt eine sehr interessante Arbeit von 
Max Serog aus der psychiatrischen und Nervenklinik in Greifswald, 
die psychischen Störungen bei Hirntumoren und die Beziehungen 
des Stirnhirns zur Psyche. Verf. teilt drei Fälle von Stirnhirntumoren 
mit, knüpft daran kritische Erörterungen über Bedeutung und Patho¬ 
genese der einzelnen Symptome, um schließlich zu erklären, daß 
es bestimmte, für eine Schädigung des Stirnhirns charakteristische 
psychische Symptome wahrscheinlich nicht gebe. Witzelsucht, Be¬ 
nommenheit und Korsakoff seien als ein durch die Hirndrucksteige¬ 
rung bedingtes Allgemeinsymptom aufzufassen. Baller-Owinsk, 
Spannungserscheinungen am Gefäßsystem und ihre ditferentialdia- 
gnostische Verwertbarkeit für die Dementia praecox, analogisiert 
die vasomotorischen Störungen im Krankheitsbilde der Dementia 
praecox mit der Katalepsie der Körpermuskulatur; jene seien schuld, 
wenn nicht gar der Grund, daß es so verhältnismäßig schnell zur 
Verblödung komme. Prof. Ernst Emil Moravcsik-Budapest, Diagno¬ 
stische Assoziationsuntersuchungen, kommt auf Grund eingehender 
und mühsamer Prüfungen zu dem Resultate, daß Reizworte und 
Reizsätze in gewissen Fällen ein Reagens auf pathologische Zustände 
sein können, wie er des näheren ausführt; sie bringen manchmal 
sogar verborgene Halluzinationen und Wahnideen ans Licht. Otto 
Juliusburger-Steglitz, Die Homosexualität im Vorentwurf zu einem 
deutschen Strafgesetzbuch geht diesem Vorentwurf recht scharf zu 
Leibe. Verf. selbst wäre dafür, die Schutzgrenze möglichst hoch 
hinaufzusetzen, etwa auf das 20. Jahr, die Beziehungen erwachsener 
Menschen aber ausschließlich unter die Gesetze der Ästhetik und 
Ethik zu stellen. Buder-Winnental, Unsere Stellung zur Organi¬ 
sation des Krankenpflegepersonals. Med. R. E. Thoma-Illenau, Unter¬ 
suchungen an Zwangszöglingen iu Baden. Verf. kommt zum Schlüsse. 


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Referate. 


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daß sich in der Zwangserziehungsanstalt ein großer Prozentsatz 
geistig minderwertiger Individuen finde; ein Teil derselben eigne 
sich nicht für die gemeinsame Erziehung und müsse ausgeschieden 
werden, wozu Psychiater vonnöten sind. Soweit die Kranken nicht 
in eine Epileptiker-, Idioten- oder Irrenanstalt gehören, wären sie 
am zweckmäßigsten in einem unter ärztlicher Leitung stehenden 
Annex der Zwangserziehungsanstalt unterzubringeu. Er befürwortet 
weiter möglichst freie Behandlungsweise, lehnt Strafvollstreckung 
an geistig Minderwertigen ab. Den Beschluß des Heftes bilden 
ebenfalls Verhandlungen psychiatrischer Vereine, des Vereines der 
Rheinprovinz, des nordostdeutschen und des norddeutschen Vereines 
für Psychiatrie und Neurologie. 

William Hirsch, Dr.: R e 1 i g i o n und Zivilisation vom 
Standpunkte des Psychiaters. München 1910, E. W. 
Bonseis & Ko. 

Mit einer Verwahrung, daß Fragen wie die vorliegenden nicht 
vom emotionellen, sondern lediglich vom intellektuellen Staud- 
puukte aus entschieden werden sollen, tritt Verf. den Beweis an, 
daß die Patriarchen und Propheten des Alten Testamentes, ebenso 
Jesus und Paulus Paranoiker waren. Daran knüpft H. eine un¬ 
barmherzige Kritik aller Religionen und ihrer Bekenner mit kon¬ 
sequenter Durchführung bis zum Äußersten; ja er verspricht sich 
eine weitere Entwicklung der Zivilisation nur auf den Trümmern 
des „religiösen Aberglaubens“. 

Hermann Haymann, Dr.: Selbstanzeigen Geisteskranker. 
Halle a. S., 1911, Carl Marhold. 

In dieser zwanglosen Abhandlung aus den juristisch-psychia¬ 
trischen Grenzfragen registriert Verf. zunächst, daß es auch physio¬ 
logische Selbstbeschuldigungen geben kann, aus ethischen, intellek¬ 
tuellen Motiven heraus; der Psychiater hingegen hat reichlich 
Gelegenheit, pathologische Selbstbezichtigungen zu studieren. Eine 
Anzahl interessanter Beispiele, ihre klinische und forensisch-psychia¬ 
trische Wertung macht den Inhalt der Studie aus. Verf. plädiert 
dafür, in jedem Falle von Selbstbeschuldigung einen Sachverständigen 
beizuziehen. 

Franz Mugdan, Dr.: Periodizität und periodische 
Geistesstörungen. Halle a. S. 1911, Carl Marhold. 

Verf. geht den Begriff der periodischen Geistesstörungen von 
der mathematischen Seite an, kommt so nebenbei auf Fließ zu 
sprechen als Vertreter der Theorie von der Periodizität als dem 
regulativen Prinzip aller biologischen Vorgänge. Er lehnt diese 
Lehre als a priori trivial ab, da sich sämtliche Zahlen unserer 
Zahlenreihe durch 23 und 28 darstellen lassen. Der größte gemein¬ 
schaftliche Teiler dieser beiden Zahlen ist 1 und es ist selbst- 


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verständlich, braucht nicht erst entdeckt zu werden, daß bei Zu¬ 
grundelegung des Tages als Zeiteinheit alle Lebensvorgänge als 
Funktionen der Zeit betrachtet, periodische Funktionen mit der 
Periode 1 sind. Gut, daß das einmal so klar herausgesagt wurde! 

Es gibt hingegen wirklich periodische Geisteszustände in Form 
der Zyklothymie, des manisch-depressiven Irreseins, eines periodi¬ 
schen Schwankens der Hirnfunktion. Mugdan warnt vor einer Fusion 
des Periodizitäts- mit dem Multiplizitätsbegriffe, betont, daß eine 
scharfe begriffliche Unterscheidung des Periodischen vom Aperiodi¬ 
schen natürlich niemals dazu führen dürfe, klinisch zusammen¬ 
gehörige Krankheitsbilder auseinanderzureißen. Er resümiert seine 
Definition des Periodizitätsbegriffes dahin: „Einem Systeme von 
Ereignissen kommt die Eigenschaft der Periodizität zu, wenn in 
zeitlich gesetzmäßigen Intervallen logisch verwandte Ereignisse ein- 
treten aus Gründen, die lediglich in der Organisation des Betroffe¬ 
nen liegen, ohne daß dafür ein äußerer Anlaß oder doch ein ent¬ 
sprechender äußerer Anlaß vorläge.“ Bei ihrer Anwendung auf 
die Psychiatrie muß die Mathematik sich also doch ein klein wenig 
akkommodieren. 

A. J. Storfer-Zürich : Zur Sonderstellung des Vater¬ 
mordes. Eine rechtsgeschichtliche und völkerpsychologisclie 
Studie. Leipzig und Wien 1911, Franz Deuticke. 

Der Schriften zur angewandten Seelenkunde 12. Heft mit 
reichem kulturhistorischen Inhalt. Yerf. berichtet über die Vielfäl¬ 
tigkeit und die Wandlungen in den Anschauungen über sexuelle 
Beziehungen unter Verwandten, Auffassungen von Mord und Vater¬ 
mord bei den verschiedensten Völkern aller Zeiten, die Tiersymbolik 
bei Bestrafung des Vatermörders im alten Kom, deren Erklärung 
auf jede mögliche Weise versucht werden darf. Ob die psychoana¬ 
lytische des Verf. überzeugend ausgefallen, soll der Leser entschei¬ 
den; ßef. möchte nur glauben, daß es ein historisch Gewordenes 
gibt, das rückschauend also wieder histoxisch entwickelt werden muß. 

Oswald Feis, Dr.: Hector Berlioz. Eine pathographische Studie. 
Wiesbaden 1911, J. F. Bergmann. 

Der Autor entschuldigt seine Publikation damit, daß eine Patho- 
graphie zwar dem Wesen des Genies nicht näher bringt, aber den 
Schüssel geben kann für manch schwer erklärliches Handeln eines 
genialen Menschen, für tieferes Verständnis seiner Werke. Aus den 
über Berlioz zusammengestellten biographischen Daten, sowie Urteilen 
seiner Zeitgenossen entscheidet sich Feis nicht so bestimmt, wie 
wohl der Leser für die Diagnose Hysterie. 

Engen Wilhelm, Dr., Amtsgerichtsrat a. D.: Beseitigung der 
Zeugungsfähigkeit und Körperverletzung de lege 


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Referate. 


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lata und de lege ferenda. -- Die künstliche Zeu¬ 
gung beim Menschen und ihre Beziehungen zum 
Recht. Halle a. S. 1911, Carl Marhold. 

Der erste der beiden Aufsätze untersucht, ob, warum und 
wann der Arzt ein Recht hat, eioe Person unfruchtbar zu machen, 
ferner, wann eine strafbare Körperverletzung und was für eine in 
der betreffenden Operation liegt, des weiteren, ob der Arzt auch 
aus sozialen und sozialpolitischen Gründen die Zeugungsunfähigkeit 
herbeiführen darf; speziell werden der deutsche, der schweizerische 
und der österreichische Vorentwurf kritisch erörtert. Daran schließt 
der Abschnitt: Die amerikanischen Gesetzesvorschläge und schon 
erlassenen Gesetze über die Beseitigung der Zeugungsfähigkeit aus 
sozialpolitischen Gründen. Namhafte Schriftsteller haben zu dieser 
Frage Stellung genommen; Verf. selbst wünscht ausdrückliche An¬ 
erkennung und Regelung der sozialen Indikation zur Sterilisierung 
der Frau in ihrem (sanitären und wirtschaftlichen) Interesse, der 
Sterilisierung von Frau oder Mann aus sozialpolitischer Indikation 
bei hochgradig Schwachsinnigen, chronisch Geisteskranken, schweren 
Epileptikern, Gewohnheitsverbrechern und Gewohnheitstrinkern, wenn 
Entlassung aus den öffentlichen Anstalten in Frage kommt. 

Im zweiten Aufsatz verlassen wir den Boden der Wirk¬ 
lichkeit. Eigentlich ist es traurig, zu sehen, daß die offenbare 
Fiktion einer Ehebrecherin drei Instanzen bis zum Reichsgericht 
hinauf vor die schwierigsten juristischen Probleme stellen konnte. 
Man wird wohl einen Mann als Vater anzuerkennen haben, wenn 
sein Sperma mit seinem Wissen und Willen künstlich eingeführt 
wurde; wo er aber gar nicht mitwirkt, und auch mit der Einführung 
nicht einverstanden ist, kann Vaterschaft und Unterhaltspflicht nicht 
entstehen. 

Noch komplizierter wird die Sache, wenn eine Frau mit ein¬ 
gepfropftem fremdem Ovarium ein Kind gebärt; welcher Mutter 
gehört dann das Kind? Und wenn es erst gelingen würde, männliche 
Kastraten wieder zeugungsfähig zu machen, durch Implantation 
fremden Hodens? Es ist einfach nicht auszudenken! 

Hans W. Maier-Burghölzli, Dr.: Die nordamerikanisehen 
Gesetze gegen die Vererbung von Verbrechen und 
Geistesstörung und deren Anwendung. 

Emil Oberholzer-Breitenau-Schaffhauson, Dr.: Kastration und 
Sterilisation von Geisteskranken in der Schweiz. 
Halle a. S. 1911, Carl Marhold. 

Zwei zwanglose Abhandlungen aus den juristisch-psychiatrischen 
Grenzfragen. Es ist gewiß kein Zufall, daß gerade in der Schweiz 
sozialökonomische Gedanken fruchtbaren Boden finden, wie son^t 


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Referate. 


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nur in dem nüchtern verstandsmäßig vorgehenden Amerika, während 
bei uns zulande historische Mächte, GefAhlsgründe, Sentimentalität, 
ja auch Schlagworte die Erörterung moderner naturwissenschaftlicher 
Probleme hindern. Was wir alle wissen, wird durch ein Beispiel 
aus Amerika sinnfällig. Dugdal hat von einem Verbrecher binnen 
75 Jahren 1200 Nachkommen verfolgt; von diesen waren 310 Ge¬ 
wohnheitsbettler, die zusammen 2300 Jahre in Armenhäusern ver¬ 
pflegt wurden, 50 waren Prostituierte, 7 Mörder, 60 Gewohnheits¬ 
diebe und 130 andere Verbrecher; diese Familie bat in 75 Jahren 
der Öffentlichkeit 1,300.000 Dollarn gekostet, von dem sonstigen 
physischen und moralischen Schaden ganz abgesehen. „Unsere huma¬ 
nitären Einrichtungen sind auf der einen Seite wohl ethisch und 
sozial sehr wertvoll, auf der anderen aber schaffen und begünstigen 
sie gerade das, was sie zu bekämpfen suchen .... Wenn es den 
gewaltigen Bemühungen gelingt, Abnorme zu bessern und dem 
sozialen Leben wiederzugeben, so begüustigen wir damit die Er¬ 
zeugung einer Nachkommenschaft, welche der Gesellschaft die Für¬ 
sorge für ihre Väter und Mütter durch eine vielfach stärkere 
Belastung vergilt.“ So berechnete man für Indiana für die letzten 
15 Jahre eine Vermehrung der öffentlichen Lasten aus diesem Titel 
um 56.000 Verpflegsjahre. Wie weit sind wir nun im voraus- 
setzungsloseu Amerika? In sechs Staaten bestehen Gesetze zur 
Verhinderung der Eheschließung von Geisteskranken, Schwachsinnigen. 
Epileptikern und teilweise schweren Trinkern. Es ist schon oft genug 
betont worden, daß diese Maßregel daneben zielt. Die eigentliche 
Kastration ist nur im Staate Kalifornien für Verbrecher eingeführt; 
sie hat sich dort als vorderhand praktisch undurchführbar erwiesen 
und wird wohl mit der Zeit, in eine Sterilisationsbestrebung im 
Sinne Indianas umgeändert werden. In diesem Staate sind seit 1907, 
der Annahme eines gut formulierten Sterilisationsgesetzes 873 Defekte, 
meist Verbrecher fortpflanzungsunfähig gemacht worden. Maier 
nennt das eine Kulturtat, deren Nutzen und Bedeutung für die 
Zukunft nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Connecticut 
hat die Bestimmungen von Indiana übernommen und auch auf ge¬ 
wisse Kategorien von Geisteskranken ausgedehnt. 

An diese Zusammenstellungen Maiers knüpft Dr. Emil Ober¬ 
holzer. Wenn man als richtig anerkennt, was Verf. an die Spitze 
seiner Ausführungen stellt, daß das Zeugen kranker und entarteter 
Kinder eines der schwersten Vergehen ist, das Menschen begehen 
können, dann ist wohl auch die juristische Grundlage gefunden 
für eine Vorbeugung solcher Zeugung. 0. bringt nicht weniger als 
19 Fälle aus Burghölzli und dem Kantonasyl Wil, Gutachten, Mei¬ 
nungsäußerungen von Behörden, besonders interessant, wenn die 
durchsichtigsten formalistischen Scheingründe der klaren Logik des 
gesunden Menschenverstandes gegenübertreten. Tatsächlich bestehen 
in der Schweiz Schwierigkeiten nur mehr in dem Sinne, daß mau 
von der Zustimmung zu vieler und der zweifelhaften Einwilligung 


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der Kranken abhängig ist; es geht alles, wenn man soziale Indi¬ 
kationen wo nur möglich als medizinische auffaßt. 

Otto Hinrichsen, Dr., Priv. - Doz.: Zur Psychologie und 
Psychopathologie des Dichters. Wiesbaden 1911. J. 
F. Bergmann. 

Der sehr belesene Autor stellt in seinem ersten Kapitel den 
Dichter mit dem pathologischen Schwindler zusammen, beiden eignet 
eine träumerische Grunddisposition. Aber nicht das Krankhafte 
macht den Dichter; auch wenn psychopathische Züge beim Dichter 
komplizierend hinzukomraen, es entscheidet für den Wert der Per¬ 
sönlichkeit das Zusammenwirken der Kräfte in der Psyche. Verf. 
glaubt, daß man durch Koutrolluntersuchungen die Bedeutuug 
der Psychopathie für das Geniale und Talentierte in ihrer Wirkung 
auf das Produktive hin einschätzen könnte. Nicht jeder produktive 
oder visionäre Erregungszustand sei psychiatrisch zu werten; viel 
scheidet den Träumer vom objektiv und kunstmäßig gestaltenden 
Dichter. Schließlich wendet Verf. sich gegen die psychologischen 
Erklärungsversuche des Wahnsinns dichterischer Geschöpfe, sowie 
gegen die Verallgemeinerung des Begriffes Psychopathie. Sind 
alle Menschen mehr oder minder Psychopathen, so ist es der Dichter 
und jeder andere geistig Produktive natürlich auch. Damit hört 
das Problem auf, eiu solches zu sein. 

Sigmund Freud, Prof. Dr.: Über Psychoanalyse. Fiinf 
Vorlesungen gehalten zur 20jährigen Gründungsfeier der Clark 
university in Worcester Mass. Sept. 1909. Zweite unveränderte 
Auflage. Leipzig und Wien 1912, Franz Deuticke. 

Es erübrigt die erfreuende Feststellung, daß die erste Auflage 
vergriffen ist. 

Josef Rosenberg-Berlin. Dr. nied.: Neue Behandlungsweise 
derEpilosie unterBerüe ksiehtigung der hy steril 1 - 
und neurasthenieähnlichen Krankheitscr sch i- 
n ungen. Berlin 1912, Leonhard Simion Nf. 

B. wendet sich mit seiner Behandlungsweise der Epilepsie au 
die Öffentlichkeit; es müssen das aber sehr weite Kreise sein, denn 
in einem angehängten Kommentar, eigentlich Fremdwörterlexikoa 
linden sich Worte ins Deutsche übersetzt, wie: exakt, Harmonie. 
Intervall, Maximum, Physik, Postulat, Problem usw. Ganz un¬ 
abhängig von diesen Popularitätsbestrebungen natürlich ist die von 
B. propagierte Therapie, die er der ^Schulbehandlung“ gegenüber¬ 
stellt. Wenn er unter Schulbehandlung jene versteht, die an deu 
Universitätskliniken gelehrt und deshalb auch von den Ärzten 
praktisch ausgeübt wird, so hat dieser Gegensatz wohl iu dem 


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Momente aufgehört, da auch in die Therapie der Wiener Kliniken das 
Epileptol aufgenommen worden ist. Und da es tatsächlich ein 
gutes Mittel darstellt, wird man auch in dem vorliegenden, über 
330 Seiten starken Bande über die philosophischen Kapitel, die 
Versöhnung der mechanischen Weltordnung mit dem Sittengesetz 
und der Willensfreiheit rasch hinweggleiten, um sich über Dosierung 
und Anwendungsweise des Epileptols näher zu informieren, die B. 
von Blutdruck und Pulszahl abhängig macht. Angehängte 15 Kranken¬ 
geschichten geben wesentlich Therapeutisches wieder. R. 

J.DejerineetE. Oauckler. Les manifestationsfonctionelles 
des Psychonevroses. LeurTraitementparla Psycho¬ 
therapie Paris, Masson et Cie. 1911. 

Aus seiner mehrere Jahrzehnte umfassenden Erfahrung hat 
Dejerine, bei der Redaktion von Gau ekler unterstützt, ein hi 
jeder Beziehung beachtenswertes Werk über die Psychoneurosen 
— Neurasthenie und Hysterie — verfaßt. Schon im ersten Abschnitte, 
der Semiologie, die nach Organen abgehandelt wird, merkt man 
an den vielen ungemein instruktiven Krankengeschichten, die kurz 
angeführt das Gesagte erläutern und bestätigen, wie viel die 
Autoren aus Eigenem beobachtet haben. Man ist im Zweifel, ob es 
das klassische Land der Neurosen ist, das ihnen das alles zu sehen 
ermöglichte, oder nicht vielmehr die Vertiefung der Autoren in dem 
Gegenstand, die sie all das herausfinden ließ. 

Man wird darum eine gewisse Subjektivität begreiflich finden, 
die insbesondere in dem zweiten, dem Mechanismus der Symptoma¬ 
tologie gewidmeten Abschnitt zum Ausdruck kommt. Die Neurasthenie 
setzt sich aus einem Ensemble von Phänomenen zusammen, welche 
aus der Nichtadaptation des Wesens (de l’etre) an eine kontinuier¬ 
liche emotive Ursache und aus dem Streite des Wesens um diese 
Adaptation resultiert. Es muß immer eine emotive Ursache vorhanden 
sein; freilich wirkt diese nur bei Disponierten. All das wird natür¬ 
lich des näheren besprochen und begründet; allein es ist ebenso 
nur eine Umschreibung, nicht eine Definition der Neurasthenie, wie 
das, was von der Hysterie noch unpräziser gesagt wird. Es ist 
eben die theoretische Erörterung eines psychologischen Problemes 
lediglich aus klinischer Beobachtung nicht sehr fruchtbringend. 

Was aber voll und ganz den Beifall der erfahrenen Neuro¬ 
logen finden dürfte, ist die Besprechung der Therapie. Freud ist 
ihnen Quantite nögligeable — in einer Fußnote wird die Psycho¬ 
analyse als therapeutischer Faktor wegen der „unbestreitbaren Ge¬ 
fahren“, die sie bietet, abgelehnt. Die Suggestion, und zwar die 
direkte (Hypnose) und indirekte (Persuasion) sind die wesentlich¬ 
sten in Frage kommenden therapeutischen Faktoren. Unterstützt 
wird die Behandlung durch Isolation, Ruhe und Überernährung. 
Den Endzweck des Ganzen setzt Dejerine in der grandiosen Vorrede 


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auseinander. On ne guörit pas un hysterique, on ne gu£rit pas un 
ueurasthönique, on ne change pas leur ötat mental par des raisonne- 
meuts, par des syllogismes. On ne les guörit que lorsqu’ils arrivent 
ä croire en vous. Und damit hat Dejerine die Zustimmung der 
Mehrheit der Neurologen. 

Ungemein graziös geschrieben, übersichtlich angeordnet mit 
vielen feinen Details, die dem Erfahrenen gewiß wertvolle Dienste 
leisten werden, gehört dies Werk trotz seiner Subjektivität zum 
Besten, was in letzter Zeit über die Psychoneurosen geschrieben 
wurde. M. 

Otto Dornblüth, Dr. Die Psychoneurosen, Neurasthenie. 
Hysterie, Psychasthenie. Ein Lehrbuch für Studierende 
und Ärzte. Leipzig, Veit & Comp., 1911. 

Der bekannte Verfasser mediz. Kompendien hat hier ein 
Thema bearbeitet, das sonst nur von Männern mit besonderer Er¬ 
fahrung oder solchen, die einen neuen Gesichtspunkt in die Frage 
tragen, bearbeitet zu werden pflegt. Wenn man auch den großen 
Fleiß des Autors nicht verkennen wird, so ist doch mit diesem 
allein die Berechtigung, ein 700 Seiten fassendes Buch über die 
Psychoneurosen zu schreiben nicht gegeben. Ein solches Werk soll 
nicht eine Aufzählung der Erscheinungen allein enthalten, man 
möchte auch über deren Mechanismen aufgeklärt sein, über innere 
Zusammenhänge, wie dies jetzt z. B. bei den Vagus-Sympathikus- 
ueurosen der Fall ist. 

Neurasthenie und Hysterie sind dem Autor krankhafte Ände¬ 
rungen des Gefühlslebens; die erstere besteht in einer Steigerung 
depressiver Gefühlsvorgänge und ihrer körperlichen Ausdruckserschei¬ 
nungen, die letztere in einer erhöhten Affektibilität und Störung 
der normalen Verknüpfung der Gemütsbewegungen mit bestimmten 
Ausdnickserscheinungen. Die dritte der Psychoneurosen. unter der 
man sich je nach den verschiedenen Autoren etwas anderes vor¬ 
zustellen hat, die Psychasthenie umfaßt die Zwangsvorstellungen 
und Hamllungen, die krankhaften Triebe — wobei der Tick, die gauze 
sexuelle Pathologie, die Süchtigen abgehandelt werden und nur die 
eigentlichen Psvchastheniker nicht, jene vielfach verkannten Labilen, 
denen z. B. Heller eine kleine ausgezeichnete Studie gewidmet 
hat. Daß hier auch der moral insanity ein Platz gebühre, wird man 
bei der Ausdehnung des Begriffes nur recht finden. 

Es ist schließlich bei der Besprechung der Theorien der 
Psychoneurosen, die «gleichfalls nahezu kritiklos aneinander gereiht 
werden (wobei u. a. die von Rai mann nicht zu Worte kommt) 
nicht klar zu erkennen, wie die selbständige eigene Meinung ist. 
Sie erscheint am ehesten als eklektische, die aus jeder Theorie das 
auf Affekte Bezughabende reklamiert und zusammenfaßt. Auch die 
Therapie enthält ui;hts. was dem Spezialisten nicht längst ge¬ 
läufig wäre. M. 


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Fedor Krause, Prof. Dr. ChirurgiedesGehirnsundRücken- 
marks nach eigenen Erfahrungen, H. Bd. Mit 122 Fi¬ 
guren im Text, 36 farbigen und einer schwarzen Tafel. Urban 
und Schwarzenberg, Berlin—Wien, 1911. 

Im klinischen Teil — dem zweiten Bande des monumental 
angelegten Werkes — bespricht Krause zuerst die Chirurgie der 
Epilepsie, wobei er genuine, Jackson- und Reflexepilepsie sondert. 
— Gerade diese Fälle ermöglichten es ihm, der Hirnlokalisation 
große Dienste zu leisten, indem er durch einpolige faradische 
Reizung eine ganze Reihe von Foci genau bestimmen konnte und 
auch von neuem den Beweis erbrachte, daß nur die vordere Zentral¬ 
windung der Motilität diene. Freilich ist dieses Experimentieren 
am Menschen nicht sehr zu empfehlen, da Krause selbst es als 
gefährlich bezeichnet. 

Bei der genuinen Epilepsie starben von 32 Operierten 2 im 
Anschluß an die Operation — von 24, die sich weiter verfolgen 
ließen, blieben 15 unverändert, 4 zeigten eine Verschlimmerung, 
5 eine Besserung. Von Heilung der Anfälle ist nichts erwähnt. Bei 
der Jackson-Epilepsie starben 4 von 49, resp. mit Einschluß kürz¬ 
lich operierter Fälle von 56 gleich nach der Operation. Von 
29 Fällen, die sich weiter verfolgen ließen, blieben 11 unverändert, 
3 zeigten Verschlechterung, 8 zeigten Besserung, 4 komplette Hei¬ 
lung, wobei diese nicht nur die Anfälle, sondern auch die Ver¬ 
blödung betrifft. Dabei ist freilich zu bedenken, daß in 3 dieser 
Fällen Cysten gefunden wurden, der vierte Fall sich im Anschluß 
an Nephritis entwickelt hatte, daß also von absolut reiner Jackson- 
Epilepsie hier kaum die Rede sem kann. 

Überlegt man nun, daß doch immerhin direkt durch den 
Eingriff Todesfälle Vorkommen, daß ferner neben der event. Narbe 
oder Cyste auch das primär krampfende Zentrum entfernt werden 
muß, wodurch unter Umständen Ausfallserscheinungen entstehen, so 
wird man sich kaum entscheiden, eine genuine Epilepsie im Sinne 
Krauses operieren zu lassen, insbesondere dann nicht, wenn man 
weiß, daß selbst verzweiflungsvolle Fälle unter streng durchge- 
führtem Regime überraschende Resultate zeitigen. Die medikamen¬ 
töse Therapie kann gleich der chirurgischen die epileptische Dis¬ 
position der genuinen Epileptiker nicht nehmen, sie sucht eben auch 
nur gleich der chirurgischen durch Herabsetzung der Erregbarkeit 
der krampfenden Zentren zu wirken; daß das auch bei Jackson-Epilep¬ 
sie möglich ist, wird jeder Neurologe bestätigen. Man hätte bei dieser 
letzteren, wo doch ein Substrat für die Anfälle vorliegt, auf bessere 
Resultate gerechnet, als die angeführten. Abgesehen vor den selbstver¬ 
ständlich auszuschließenden durch Intoxikation, akute Enzephalitis, 
Hysterie (?) bedingten Jackson-Epilepsie ist nach Krause jede zu 
operieren, was für die bei Tumoren, Cysten wohl gelten darf, nicht 
aber für jene bei zerebraler Kinderlähmung. Man wird sich hier 


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der Forderung K r a u s e s wohl nicht ohneweiters anschließen und 
eher bei letzterer nur dann die Operation empfehlen, wenn wie in 
einem der zitierten Fälle Oppenheims „die zu Grunde liegende 
Herderkrankung eine umschriebene oder relativ umschriebene“ zu 
sein scheint. 

Bei den Hirntumoren ist die Symptomatologie nur aphoristisch 
angeführt, offenbar nur zur Orientierung für den Chirurgen be¬ 
stimmt. Insbesondere auffällig erscheint hier der Mangel radiologi¬ 
scher Befunde, die heute wohl kaum mehr in der Diagnostik der 
Hirntumoren fehlen dürfen. Die angeführten Beispiele sind meist 
charakteristisch und illustrieren das Angeführte. Aber gerade bei 
den Hirntumoren macht sich der Mangel an Berücksichtigung 
fremder Erfahrungen geltend. So wird man bei Hypophysistumoren 
kaum die Methode Krauses, sie von der Seite anzugehen, jener 
von Sehloffer-Eiselsberg oder Hirsch vorziehen, wenn man 
die an mehr als 30 Fällen erprobten Resultate der letzteren be¬ 
rücksichtigt. Auch bei den Tumoren des Kleinhirnbrückenwinkels 
überraschen die schlechten Resultate. Aber das können Zufälligkeiten 
sein. Was jedoch der Neurologe von eigenen Erfahrungen des 
Chirurgen fordert, ist nicht, ihm eine minutiöse Lagebestimmung 
eines Tumors zu ermöglichen. Auf die kommt es bei der Größe 
der Trepanöffnungen zumeist nicht an. Die Frage ist eher, welche 
Tumoren eignen sich zur Operation und wie groß darf ein Tumor 
sein, um eine Operationsmöglichkeit zu gewähren. Lassen die klinischen 
Erscheinungen Schlüsse auf den Charakter der Geschwulst (Sarkom, 
Gliom usw.j zu; wie weit muß man im Gesunden operieren, um 
ein Gliom radikal zu entfernen und ist letzteres überhaupt möglich? 
Hat doch gerade Krause gezeigt, daß die Grenzen eines Tumors 
leicht zu bestimmen sind aus der fehlenden Anspreclibarkeit bei elek¬ 
trischer Reizung über dem Tumorgebiet. Ferner wäreu die Chancen 
der Palliativtrepanationen zwecks Verhütung der Amaurose von Inter¬ 
esse. Auch scheint mitunter der wirklich bewundernswerte Chirurg, 
der wiederholt die Eröffnung des Seitenventrikels ohne Schädigung 
ausführte, der sogar einen Patienten mit eröffnetem 4. Ventrikel 
5 Tage am Leben erhielt (Deckung durch die beiden Kleinhirn- 
hemisphären) in einzelnen Dingen zu weit zu gehen, so z. B. bei 
der Resektion des Akustikus bei Ohrensausen (Exitus nach der 
Operation), sowie in dem Falle der Unterbindung des sinus trans- 
versi und des sinus rectus, was gleichfalls den Exitus zur Folge 
hatte. Dinge, durch die mau leicht die ohnehin noch nicht sehr 
lest fundierte Hirnchirurgie schädigen könnte. 

Von den 44 Kranken, denen der Wirbelkanal eröffnet wurde, 
starben 9 im Anschluß au die Operation. Es fanden sich 20 mal 
Tumoren, 11 mal chronische Meningitis serosa spinalis. Von den 
35 überlebenden Patienten sind 20 als geheilt zu bezeichnen, davon 
14 als völlig geheilt. Es ist wichtig, daß nach Operationen am 
Dorsalmark ti komplette Heilungen sich fanden, erstere also offen- 


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bar die beste Chance geben. Von großem Interesse ist hier die 
Häufigkeit der Meningitis serosa circumscripta. Lues, Tuberkulose, 
Trauma, auch Gonorrhöe sollen ihre Ursache sein. Obwohl die große 
Häufigkeit, mit der diese Affektion gefunden wurde, wundernimmt, 
bedenkt man, daß insbesondere bei der Tuberkulose kollaterales 
Odem auch im Rückenmark auftritt und so Erscheinungen 'von 
Querschnittsaffektion hervorbringt, so ist prinzipiell dagegen kaum 
etwas einzuwenden. Anders die Arachnitis. Die Arachnoidea hat 
keine Blutgefäße und dürfte keineswegs, wie Krause meint mit 
der Liquorabsonderung in Beziehung stehen; hier bedarf es wohl 
noch eingehenderer hist .»logischer Studien, um die Verhältnisse 
umschriebener Liquoransammlungen, die durch die Arachnoidealver- 
klebungen bedingt sind, festzustellen. 

Daß ein so bedeutender Chirurg wie Krause auch nicht vor 
intraspinalen Operationen zurückschreckt, wird nicht wundernebraen. 
Er geht dabei durch die hintere Fissur (nicht Kommissur, wie der 
Autor meint) ein. Auch hier wird das Arbeitsgebiet ein sehr be¬ 
schränktes bleiben und man wird sich wohl, bevor die Diagnostik 
nicht einwandfreier ist, auch hier zurückhaltender aussprechen 
müssen als Krause. 

Eines aber geht aus allen Darlegungen hervor und wird von 
dem Autor selbst betont. Der Chirurg kann des Zusammenarbeitens 
mit dem Neurologen nicht entraten, insbesondere darum nicht, weil 
der chirurgische Eingriff nicht die ultima ratio sein darf. Daß 
sie selbst wenn letzteres der Fall ist, doch noch gute Resultate 
zeitigt, dankt sie dem Geschick der großen Chirurgen, die sich der 
Neurochirurgie angenommen haben, in deren erster Reihe Krause 
steht, dessen Buch dankenswerte Grundlagen zu weiterer Forschung 
geschaffen hat, und das durch seine ausgiebigen, oft sehr charak¬ 
teristischen Illustrationen auch Fernerstehenden eine Orientierung 
ermöglicht. M. 

P. Salzer, Prof. Dr. Diagnose und Fehldiagnose von Ge¬ 
hirnerkrankungen aus der Papilla nervi optici. 
München, 1911, J. F. Lehmann. 

Auf zwei sehr instruktiven Tafeln mit 29 Papillenbildern 
werden Varianten in der Färbung, Begrenzung und im Relief der 
Papille dargestellt, die zum größten Teil ins Bereich des Normalen 
fallen und insbesondere dem Neurologen wertvoll sein dürften, da 
ihre Kenntnis manche Fehldiagnose verhüten wird. Der kurze in¬ 
struktive Text ist nur Erläuterung der Abbildungen. M. 

J. Benario, Dr. Über Neurorozidive nach Salvarsan und 
nach Quecksilberbehandlung. Ein Beitrag zur Lohre 
von der Frühsyphilis des Gehirns. München, 1911, J. F. Lehmann. 

An der Arbeit Benarios muß man vor allem den immensen 


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Fleiß bewundern, mit welchem hier alle erreichbaren Fälle von 
Salvarsan- und Quecksilberneurorezidive zusammengetragen sind. 
Das Neurorezidiv leitet sich — nach Salvarsan hauptsächlich zwei 
Monate nach der Injektion — durch Kopfschmerzen ein, führt dann 
zur .Affektion von Hirnnerven, und zwar Akustikus, Optikus, Fazialis 
oder zu Hemiplegie oder anderen schweren nervösen Erkrankungen. 
Es zeigt sich, daß Neurorezidive nach Quecksilberinjektionen nahezu 
gleich häufig Vorkommen als nach Salvarsan und nahezu gleich 
auch in bezug auf die Affektion der Gehirnnerven. Ferner ist zu 
bedenken, daß Salvarsan bei keiner anderen Affektion als der 
Syphilis Neurorezidive hervorruft und auch nicht bei schon bestehen¬ 
der zerebraler Affektion. Deshalb ist es höchst unwahrscheinlich, 
das Neurorezidiv auf Intoxikation zurückzuführen. Man muß eher 
eine Sterilisatio non completa, eine Regeneration, resp. neuerliche 
Vermehrung von Spirochaeten an Stellen annehmen, die das Mittel 
nicht genügend erreicht hat (Meat. auditor., Canal, opticus). Inte¬ 
ressant ist das Eintreten für eine kombinierte Quecksilber-Salvarsan- 
therapie. Es ist nicht zu leugnen, daß die vorgebrachten Argumente 
eine gewisse Bedeutung besitzen. Wenn man sich aber der Debatte 
über dieses Thema am Kongreß deutscher Nervenärzte erinnert, 
dann muß man die Bedenken Fingers teilen, daß man mit Sal¬ 
varsan behandelten Fälle jenen Millionen von Quecksilber behan¬ 
delten kaum gegenüberstellen kann und daß durch Rundschreiben 
gewonnene Statistiken dem dauernd zur Verfügung stehenden kli¬ 
nischen Materiale mit seinen genauen Beobachtungen kaum an die 
Seite gesetzt werden können. 

Jedenfalls erreicht das Buch seinen Zweck, über die Neuro¬ 
rezidive zu orientieren. M. 

Erich Becher, Prof. Dr. Gehirn und Seele. (Die Psychologie 
in Einzeldarstellungen.) Heidelberg, Winter 1911. 

Ein gut geschriebenes, übersichtlich geordnetes Buch, das 
gemeinverständlich zunächst den Bau des Nervensystems beschreibt, 
dann die einzelnen Funktionen nach Tierexperimenten und Unter¬ 
suchungen am kranken Menschen schildert. Es gibt ferner eine 
vollständige Darstellung der physiologischen Psychologie und ist 
bemüht, die modernsten Erfahrungen (Monakows Diaschisis, Kali- 
schers Dressurversuche, um nur einiges zu nennen) zu verwerten. 

Um sich in Kürze eine gute Übersicht über das in Rede 
stehende Thema zu verschaffen, ist das Werkchen bestens zu 
empfehlen. 


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Streifzüge durch die ältere deutsche 
Myelitis-Literatur. 

Von 

Professor Dr. Max Neuburger (Wien). 

Die Lehre von der Myelitis bildet die historische Wurzel der 
Lehre von den Kückenmarkskrankheiten. Ja, die gesamte geschicht¬ 
liche Entwicklung der Rückenmarkspathologie läßt sich ungezwungen 
in zwei Hauptepochen zerlegen, von denen die ältere durch eine 
beständig wachsende Subsumtion neu bekannt werdender Affektionen 
unter den weltumspannenden Begriff der „Rückenmarksentzündung“ 
gekennzeichnet ist, während sich die jüngere gerade durch eine 
gegensätzliche wissenschaftliche Bewegung charakterisiert, nämlich 
anfangs durch eine immer reichere Differenzierung des Begriffs der 
Rückenmarksentzündung, später durch eine immer schärfere Ab¬ 
trennung gewisser Krankheitsbilder vom klinischen Urtypus der 
„Myelitis“. 

Wie groß war das Terrain der „Myelitis“ noch vor wenigen 
Dezennien und wie sehr ist es durch die fortschreitende Forschung 
eingeengt worden! 

Die vielfachen Wandlungen, welche der Begriff „Myelitis“ im 
Laufe der Zeit erfahren hat — Wandlungen, die auch heute noch zu 
keinem völligen Abschluß gelangt sind —, bringen es mit sich, daß 
die Handbücher der Neurologie gerade im Kapitel der „Myelitis“ 
dem geschichtlichen Werdeprozeß der Wissenschaft in reicherem 
Maße als sonst Rechnung zu tragen pflegen, freilich meist nur in 
der gewohnten Art, d. h. durch Aufzählung einiger älterer Autoren, 
durch Nominierung der Titel einiger älterer Schriften. Eine bloße 
Annalistik gewährt aber keinen genügenden Einblick in das Wachs¬ 
tum der wissenschaftlichen Erkenntnis, in die sukzessive Modifikation 
der Lehrmeinungen. Sie verschleiert auf unserem Gebiete einerseits das 

Jahrbücher für Psychiatric. XXXIII. Bd. 15 


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I)r. Max Neuburger. 


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Faktum, daß man in einer verhältnismäßig nicht gar so weit 
zurückliegenden Vergangenheit klinisch wie anatomisch unter 
„Myelitis“ etwas ganz anderes als heute verstand; sie verrät anderer¬ 
seits wenig davon, daß manche aktuelle Probleme nicht erst in der 
Gegenwart, sondern viel früher aufgerollt wurden. 

Da unter dem Einflüsse der temporären Vorherrschaft der 
französischen Neuropathologie besonders die ältere deutsche 
Myelitis-Literatur beinahe der Vergessenheit anheimgefallen 
ist, so ist es vielleicht nicht ganz wertlos, wenn im folgenden die 
wichtigsten Dokumente derselben auszugsweise zusammengetragen 
werden. Mindestens dürfte diese, auf Vollständigkeit keinen Anspruch 
erhebende Materialiensammlung einer künftigen historischen Be¬ 
arbeitung des Themas von einigem Nutzen sein. 

I. 

Die Pathologie der Kückenmarksaffektionen 
empfing den ersten Anstoß zu ihrer kontinuierlichen Entwicklung 
durch den großen Peter Frank, der in seiner 1791 zu Pavia 
gehaltenen Rede „De vertebralis columnae in morbis 
dignitate“ die Aufmerksamkeit der ärztlichen Welt auf das damals 
nahezu gänzlich brach liegende Arbeitsfeld lenkte. In dieser Rede 
hypostasiert der Altmeister unter anderen spinalen Affektionen auch 
schon die Existenz einer Rückenmarksentzündungim weitesten 
Sinne des Wortes, indem er es für wahrscheinlich hinstellt, daß 
Spondylitiden, Karies und Tumoren der Wirbelsäule häufig mit einer 
Entzündung der Medulla verbunden seien und daß von einer 
solchen die serösen oder eitrigen Ergüsse herrühren, welche man 
bei Nekropsien bisweilen im Wirbelkaual finde 1 ). Im 2. Buche 
seiner Epitome de curandis hominum morbis widmet 
Frank der Entzündung des Rückenmarks im Anschluß an die 
Encephalitis eine kurze Besprechung (§ 141 ff.), wobei er als Haupt¬ 
symptome den außerordentlich heftigen Rückenschmerz, der 
sich beim Beugen der Wirbelsäule, weniger beim Druck auf die 
Wirbel steigere, ferner Fieber und Angstgefühl anführt; je 
nach dem Sitze der Att'ektion in einer oder der anderen Rücken¬ 
markspartie würden die Brust- oder Bauchorgane in Mitleidenschaft 


*) Vgl. meinen Aufsatz „Johann Peter Frank als Begründer der 
Rückenmarkspathologie“, Wiener klin. Wochenschr. 1909, Nr. 39. 


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Streifzüge durch die Ältere deutsche Myelitis-Literatur. 227 


gezogen oder es entstehe das Gefühl von Taubsein in den Schenkeln, 
unvollkommene Lähmung derselben. Der Kranke liege fast beständig 
auf dem Rücken, ln der Folge komme es zu Paralysen der unteren 
Extremitäten, der Blase oder des Mastdarms. Von Sektionsbefunden 
sind serös-eitrige Exsudate im Wirbelkanal, Röte des Rückenmarks 
und seiner Häute, Abszesse erwähnt; die scharfe Jauche derselben 
bewirke entweder durch Korrosion der Wirbel Krümmung des Rück¬ 
grats oder sie erzeuge durch Druck auf die Nerven Lähmung der 
Harnblase, des Mastdarms, der Schenkel und Brand. In der Ätiologie 
sind Traumen, Metastasen, besonders auch die „rheumatische Schärfe“ 
genannt. In der Therapie spielt im Beginne die Blutentziehung 
(Venäsektion, Schröpfköpfe an der Wirbelsäule, Skarifikationen, 
Blutegel ad anum) die Hauptrolle, später kommen ableitende Mittel 
(kühlende Umschläge, lauwarme Fußbäder, Vesikantien), gelinde 
Abführmittel in Betracht. 

Wie weit die mitgeteilte Schilderung von dem Krankheits¬ 
bilde der Myelitis im heutigen Sinne entfernt ist, bedarf keiner 
Darlegung; fehlt doch schon von vornherein selbst der leiseste 
Versuch, Affektionen der Meningen von denen der Medulla zu 
sondern; wird doch sogar der schwere Fehler begangen, die Karies 
der Wirbel mit ihren Konsekutiverscheinungen zur direkten Folge 
einer Rückenmarkseutzündung zu machen! Um diese merkwürdige 
Umkehrung des tatsächlichen Verhältnisses zu verstehen, muß man 
sich erinnern, daß das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrliuuderts 
durch Pott u. a. erweckte Studium der Wirbelerkrankungen eigent¬ 
lich den Hauptaulaß zur Beschäftigung mit der Pathologie des 
Rückenmarks gegeben hatte. Und wie es nicht selten geschieht, 
führte der Kausaltrieb zunächst auf eine falsche Fährte, d. h. mau 
erblickte in den Destruktionen der Wirbel das Produkt einer Au- 
ätzung durch Exsudate, das Endergebnis eines langwierigen, vom 
Rückenmark entspringenden (entzündlichen) Prozesses. Eine Stütze 
fand diese Ansicht scheinbar darin, daß in Fällen von klinisch nicht 
erkennbarer Wirbeldestruktion, von fehlender Deformität, eben die 
Kompressionserscheinungen des Rückenmarks ausschließlich das 
klinische Krankheitsbild zusammensetzen. 

Frank beherrschte mit seinen Auffassungen die Myelitis- 
Literatur der nächsten Dezennien völlig; was sie bietet, sind im 
Grunde nur Paraphrasen. In der Krankheitsbeschreibung dominieren 
meningitische Symptome; in der Ätiologie der Kückenmarks- 

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Dr. Max Neuburger. 


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entzündung stehen Traumen der Wirbelsäule undMedulla, 
Erschütterung derselben, Metastasen, unterdrückte 
Blutflüsse im Vordergrund; unter den pathologisch-anatomischen 
Befunden sind hauptsächlich krankhafte Veränderungen der 
Meningen, serös-fibrinös-eitrige und hämorrhagische 
Exsudate im Wirbelkanal, „Abszesse“ des Rücken¬ 
marks (worunter Abszesse im Wirbelkanal gemeint sind), Wir¬ 
belkaries erwähnt. Über den Standpunkt der Forschung am 
Ausgang des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts orientieren 
die einschlägigen Kapitel, z. B. in S. G. Vogels „Handbuch der 
praktischen Arzneiwissenschaft“ (IV. Teil, 2. Kap.) und in K. G. 
Schmalz’ „Versuch einer mediz.-chirurg. Diagnostik in Tabellen.“ 
Den besten Einblick gewährt eine der frühesten Spezialschriften, 
Haefners Diss. de medullae spinalis inflamiuatione 
(Marburg 1799), welche in mehrfacher Hinsicht von Interesse ist. 

Haefner definiert die „Inflammatio medullae spinalis“ 
folgendermaßen. Inflammatio autem, quam pertractare mihi libet, vel in 
ipsamet medulla spinali vel in ejus integumentis membranaceis vasis sangui- 
feris praeditis vel in ligamentis, quibus vertebrae connectuntur, vel in verte- 
brarum periosteo locum habet. Harum autem partium inter se connexarnm 
inflammatio conjunctim pertractari debet. Eine Trennung der Entzündung 
des Rückenmarks, der Meningen, der Ligamente und des Wirbelperiosts 
hält er wogen des Ineinandergreifens für äußerst schwierig. Difficillimum 
enim dijudicatu esse eredo, queanam harum partium inflammatione laboret. 
Alteriu8 quoque partis inflammatio ad alteram serius vel citius progreditur. 
Am passendsten wäre als Bezeichnung für die Krankheit das Wort 
rachitis, obzwar es eigentlich Entzündung des Rückgrats bedeute, doch 
sei dieser Krankheitsname eben schon längst, seit Glisson, für eine andere 
Affektion vergeben. Die inflammatio med. spiu. biete je nach dem Sitze 
ein verschiedenes Krankheitsbild, gemeinsame Hauptsymptome seien 
der Schmerz, das dem Grade der Entzündung entsprechende Fieber, die 
Alterationen des Pulses und der Respiration, Hcrzpalpitation und Angst¬ 
gefühl. Den Schmerz charakterisiert er auf folgende Weise: Inter sympto- 
mata, quac medullae spinalis inflammationem comitantur, principem tonet 
locum dolor vehemens continuus atque ardens, quem aegrotus vel per 
totam medullae spinalis, qua patet, longitudinem extensum vel in aliqua 
tantum ejus regione fixum percipit. Spina dorsalis, in cujus medulla later, 
quidem impedit, quo minus externus loci dolentis attactus augeat dolorem, 
quem quilibet contra aegroti conatus columnam vertebralem flectendi vel 
potius se erigendi ad sumnuim evehit gradum, propterea aegrotus, non 
nisi in situ supino continuo cubans, doloris remissionem sentit. Iste quoque 
doloris in aliqua spinae dorsalis regione fixi sensus nobis plerumque est 
indicio, in ista regione inflammationem versari. Symptome der inflamm, 
med. spin. c e r v i c a 1 i s : Nackenstarrc, Pulsation der Karotiden, Scklaf- 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 


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sucht, Delirien, Erschwerung des Sprechens und Sehlingens; Delirien 
gehen später in Furor über. Tonische Krämpfe der Gesichts- und Nacken¬ 
muskulatur, Konvulsionen der oberen Extremitäten, schließlich Nachlassen 
des Fiebers und der Delirien, Sopor, Schlinglähmung, Paralyse der 
Extremitäten. Symptome der inflamm, med. spin. dorsalis: Krämpfe oder 
Lähmung der Interkostalmuskeln, daher Respirationsstörungen, Unregel¬ 
mäßigkeit der Herztätigkeit, Pulsanomalien, akutes Fieber, Angst- und 
Erstickungsgefuhl, Rückenschmerz. Symptome der inflamm, med. spin. 
lumbalis: Konvulsionen, Paresen, Paralyse, Torpor der untern Ex¬ 
tremitäten, Dysurie, Ischurio, Störungen der Darmfunktionen. Verlauf oft 
sehr schleichend, anscheinend fieberlos, oft scheinbare totale Remission, 
besonders wenn nur die Meningen ergriffen sind. Differentialdiagnostisch 
kämen in Betracht: Rheumatismus der Hals-, bzw. Lendengegend, Sup¬ 
pression der Hämorrhoiden oder der Menses, Bleikolik. Ätiologie. 
Äußere Ursachen: Luxationen, Frakturen, heftige Erschütterung, zu starkes 
Beugen der Wirbelsäule, Verletzungen, die bis in den Wirbelkanal reichen. 
Innere Ursachen: Fortschreiten einer Gehirnentzündung, Rheumatismus, 
Gicht, Erysipel, Skrophulose und Syphilis (der Wirbel), Blattern, Masern, 
Skabies, Tinea, Milchmetastasen, Unterdrückung der Hämorrhoiden oder 
der Menses. (Haefner macht die Bemerkung, daß man nach heftiger 
Erschütterung der Wirbelsäule mit konsekutiven Lähmungserscbeinungen 
oftmals in der Leiche keine Spuren von Rückenmarksentzündung fand.) 
Therapie: Venäsektion, Schröpfköpfe, Blutegel, Umschläge mit einer 
Kältemischung (kaltes Wasser, Weinessig, Salpeter, Ammoniak); bei Wirbel¬ 
eiterung Erzeugung künstlicher Geschwüre, Vesikantien. Heilung ist nicht 
ganz ausgeschlossen. Ungünstige Ausgänge: Induration des Rm. mit kon¬ 
sekutiver Schlaffheit und Schwund der vom Rückenmark versorgten Teile, 
Hydrorachitis, Gangrän, Vereiterung der Wirbel. Unter den Sektions¬ 
befunden sind Verdickungen und Verwachsungen der Meningen, Exsudate 
im Wirbelkanal, Abszesse, Wirbelkaries aber auch entzündliche Röte, 
Gefäßinjektion, derbere Konsistenz der Rückenmarks¬ 
substanz hervorgehoben: Ipsa medullae spinalis substantia rubet et 
innumeris vasis sanguine distentis, quae in ejus statu incolumi oculorum 
acumen effugiunt, perrepta conspicitur. Interdum quoque firmior, quam 
in statu sano esse solet. 

Einen neuen Impuls empfing die deutsche Forschung etwas 
mehr als ein Jahrzehnt später durch die Arbeit des Italieners Brera 
(Deila rhachialgite, Livorno 1810), welcher das Gebiet der von ihm 
als „Rhachialgitis“ bezeichneten Affektion wesentlich ausdehnen zu 
können glaubte, indem er eine ganze Reihe in der Literatur nieder¬ 
gelegter pathologisch-anatomischer oder klinischer Fakten als Folgen 
einer Rückenmarksentzündung deutete l ). Was ihm als anatomisches 


*) Brera war der Nachfolger Franks in Pavia und durch ihn 
inspiriert. 


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Substrat der „Kückenmarksentzündung“ galt, läßt sich aus den iu 
der Arbeit enthaltenen drei Sektionsbefunden entnehmen. 

Im ersten Falle fand sich im Wirbelkanal seröses und eitriges 
Extravasat, die Meningen waren an vielen Stellen mit eiterartiger Flüssig¬ 
keit überzogen, das Rückenmark dünn, weich, welk und hie und da 
vereitert. Im zweiten Falle fand sich ein serös-jauchig-blutiges Extra¬ 
vasat, das Rückenmark zeigte Merkmale von Kongestion und Eiterung, 
war äußerst weich und zu jauchiger Auflösung geneigt. Im dritten Fall«» 
war das Rückenmark erweicht, destruiert, mit jauchigem Serum bedeckt. 

Breras Schrift wurde beifälligst vou einem der Vorkämpfer 
der Neurologie in Deutschland, dem Erlanger Professor Christ. Friedr. 
Harless, aufgenommen und 1813 in deutscher Übersetzung, unter 
Hinzufügung einiger Anmerkungen, veröffentlicht 1 ). 

Es seien hier die Anmerkungen erwähnt, welche Harless zur 
Abhandlung von Brera macht. Zu der Stelle, wo der italienische Autor 
den Namen „Rhachialgitis“ vorschlägt, bemerkt Harless: „Man 
könnte auch wohl noch bezeichnender für die Entzündung des Rücken¬ 
marks selbst den Namen Myelitis wählen, um so füglicher, weil (iusXo^ 
bei Ilippokrates, Galen und anderen griechischen Ärzten häufig ohne den 
Zusatz des Beiwortes vumaio«; (dorsalis) zur Bezeichnung des Rücken¬ 
marks gebraucht wird. — Die Ansicht Breras, daß die Rückenschmerzen 
bei fieberhaften Affektionen von einer gleichzeitigen Entzündung des 
Rückenmarks herrühren könnten, sucht Harless wesentlich einzuBchr&nken. 
— Harless erwähnt auch, daß er schon längst in seinen praktischen 
Vorlesungen eine eigene, gar nicht seltene „Apoplexia medullaris 44 auf- 
gestellt habe. 

An die Übersetzung der italienischen Schrift reihte Harless 
seine eigene Abhandlung über die ßückenmarksentzönduug, unter 
dem schlichten Titel: Noch einige praktische Bemerkungen 
über die Myelitis 2 ). Diese Arbeit, weiche längere Zeit autoritativ 
blieb, stützt sich auf selbständige Beobachtung und verhältnis¬ 
mäßig ansehnliche Erfahrung, sie läßt auch nirgends eigenes Urteil 
vermissen, schließt sich aber in den klinischen und pathologischen 
Grundauschauungen nur allzu eng an Brera an. Die meisten der 
darin ausgesprochenen Ideen wurden zu Leitsätzen für die Entwick¬ 
lung, welche die Rückenmarkspathologie in Deutschland zunächst 
genommen hat. 

Harless verweist darauf, daß in der Literatur zwar ver- 

1 ) Harless’ Jahrbücher der tentschen Medizin II. 

2 ) Übersetzung und Originalnrbeit erschienen auch als Broschüre : 
Brera und Harless, Über die Entzündung des Rückenmarks. Nürn¬ 
berg 1814. 


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Stroifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 231 

schiedene Alfektionen der Wirbelsäule, Fälle von Verletzungen des 
Rückenmarks und deren Folgen, ja sogar mannigfache Desorgani¬ 
sationen der Medulla spinalis beschrieben sind, daß man aber 
dabei gerade das wichtigste ursächliche Moment 
außeracht gelassen habe, nämlich die diesen Krank¬ 
heitszuständen zumeist zu Gründe liegende Entzün¬ 
dung des Rückenmarks und seiner Häute. Überhaupt 
erstrecke sich seiner Ansicht nach das Gebiet der Rückenmarks¬ 
pathologie viel weiter, als bisher vermutet wurde. Wie es eine im 
Gehirn sitzende Apoplexie und Epilepsie usw. gäbe, so existiere auch 
eine Apoplexia medullaris, eine Epilepsia e medulla spinali oriunda 
usw. Manche konvulsivische Leiden seien unter Umständen nicht 
zerebralen, sondern spinalen Ursprungs, gingen aus einer ent¬ 
zündlichen oder plethorischen Affektion des Rückenmarks hervor 
oder beruhten auf Extravasaten, so insbesondere der Tetanus, gewisse 
Fälle von Hysterismus und Veitstanz. Wahrscheinlich verberge sich 
auch hinter manchen, mit Rückenschmerz verbundenen Unterleibs¬ 
leiden eine Rückenmarksentzündung. 

Als Substrat der „Myelitis“ betrachtet Har 1 ess die 
gleichen pathologisch-anatomischen Befunde, die für Brera aus¬ 
schlaggebend waren, klinisch unterscheidet er — nicht im heutigen 
Sinne, sondern nach der Krankheitsdauer — eine akute und eine 
chronische Form. Letztere komme nicht so selten vor, werde 
aber gewöhnlich verkannt. 

Die akute Myelitis — von der Harless übrigens selbst noch 
keinen Fall beobachtet zu haben angibt, entstehe durch mechanische Läsio¬ 
nen der Wirbelsäule (Verwundung, Distorsion, Subluxation, vielleicht auch 
heftige Erschütterung), falls dieselben mit bedeutender Gewalt, plötzlich 
einwirken und eine Kongestion nach sich ziehen. Andere als traumatische 
Ursachen wären kaum wahrscheinlich, da die Beschaffenheit der Wirbel¬ 
säule sowie die geschützte Lage der Medulla das leichte oder häufige Ent¬ 
stehen hitziger, idiopathischer Entzündung des Rückenmarks hindere, und 
sich die Entzündung des Gehirns nicht so leicht auf das Rm. verbreite. 
Der Verlauf der akuten Myelitis sei sehr schnell, ihre Diagnose sehr schwie¬ 
rig und unsicher, der Ausgang meistens tödlich durch „schnell eintretenden, 
paralysierenden oder apoplektisch endigenden Sphacelismus“. — «Die 
chronischen M y e 1 i t i d e n sind, insofern sie idiopathisch im Rücken¬ 
mark Vorkommen, die Wirkungen teils eines langsamen Druckes auf 
einzelne Teile d$s Rückenmarks und insbesondere auf lymphatische 
Gefäßpartien desselben und der von diesem Druck abhängigen Reizung 
und Überfüllung dieser Gefäße selbst, teils einer durch örtliche Reize 
unverhältnismäßig erhöhten Vegetationskraft solcher einzelner Saugader- 


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und Drüsenpartien an den Membranen, die das Innere des Rückenmarks- 
kanals umkleiden, teils krankhafter metastatischer Sekretionsprozesse 
oder auch metastatisch und konsensuell von anderen Organen (namentlich 
von den Unterleibsorganen) auf die Blutgefäße des Rückenmarks über¬ 
tragener Reizungen, teils endlich unmittelbaren Kommunikationen von 
örtlichen Krankheiten (entzündlichen Geschwülsten, kariösen Geschwüren, 
Vereiterungen usw.) des knöchernen Rückenmarkskanals oder der ihn 
äußerlich umkleidenden ligamentösen, membranösen und vaskulösen Teile 
mit dem Rückenmark. Sie können gleich den serös-erysipelatösen Ent¬ 
zündungen anderer häutig-lymphatischer Gebilde und analog den venös- 
und lymphatisch-asthenischen Entzündungen im Hirne eine Reihe von 
Stufen durchwandern von dem untersten Grad einer mit simplem Gefä߬ 
erethismus ohne wahrhaft vermehrte Irritabilitäts- und Propulsivkraft 
auftretenden Kongestion bis zu der höchsten Stufe der Irritabilitäts¬ 
und Sensibilitätslähmung mit septischer Masseauflösung oder des Sphace- 
lismus. Doch wird dieses letzte Extrem, nach allen Erfahrungen zu 
schließen, nur in dem unteren oder Abdominal- und Lumbarteil des 
Rückenmarks eintreten können, schwerlich aber je in der obern 
oder Pektoral- und Zervikalpartie desselben, in welcher schon ein viel 
geringerer Grad von Myelitis (auch der chronisch-serösen) hinreicht, den 
Gesamttod schneller, als jenes sphacelüse Extrem eintreten könnte, 
herbeizuführen. tt 

Bemerkenswert ist es, daß er den chronischen Myelitiden auch 
die „Tabes“ unterzuordnen geneigt ist 1 ). 

„Ich glaube nicht zu irreu, wenn ich die wahre Rückendarre, die 
inan wohl nur von dem ihr oft ähnlichen chronisch-rheumatischen Rücken¬ 
schmerz schwacher und hektischer Subjekte unterscheiden muß und die 
man mit der Notalgia haemorrhoidalis nicht leicht verwechseln kann, in 
ihrem ersten Stadium für eine Art langsamer unvollkommener (venös- 
seröser) Entzündung des untern und mittlern Teiles des Rückenmarks 
erkläre . . . die anfänglich nur prickelnd-stechende (wie Ameisenlaufen), 
nach und nach brennend-sclimerzende Empfindung längs dem Rückgrat 
und deutlich im Innern desselben, bei Samenverschwendern nach jeder 
Samenergießung oder auch nur bei jeder wollüstigen Anstrengung dazu ; 
die in der Folge ununterbrochen fortwährenden stumpfen und drückenden 
Schmerzen im Rückgrat, die besonders bei jeder nur etwas andauernden 
Bewegung desselben unerträglich werden; das Gefühl einer trockenen 
widrigen Hitze, zuweilen wie von brennenden Kohlen, in dem Lumbar¬ 
teil des Rückgrats beim Liegen auf demselben und beim längeren Stehen; 
der fieberhaft werdende Puls; die Schwäche der Füße, die oft sehr 
schnell zunimmt, das Stehen versagt und wohl endlich in Lähmung 

l ) Die „Tabes“ war, wie hier hervorgehoben werden muß, inzwi¬ 
schen schon als „Myelophthisis“ aufgefaßt worden, vgl. die Ab¬ 
handlung Williardts (praes. Ploucquet, Diss. exhibens historiam morbi 
singularis paralytici, Tubing. 180(>). 


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übergeht; die langsame Abmagerung des Körpers, die besonders am 
Rücken auffallend wird, die sichelförmige Krümmung des Rückgrats, 
die mit dem verfallenen leblosen Gesiebt und dem welken, kachektischen, 
kraftlosen Körper dem jungen Siechling das Ansehen eines abgelebten 
Greises gibt; all dieses drückt bei diesen Unglücklichen nur zu deutlich 
das Leiden desjenigen Organs aus, das in Verbindung mit seinen Gan¬ 
glien, als Zentralwerkstätte des Nervenlebens des Rumpfes noch in näherem 
und mehr unmittelbarem Zusammenhang mit dem Zeugungsapparat steht 
als das Hirn. Und daß dieses Leiden in seiner ersten oder Entwicklungs¬ 
periode in allen den Fällen, wo eine begünstigende Diathesis durch 
Jugend, größere Reizbarkeit, Vollsäftigkeit usw. vorhanden ist, ein ent¬ 
zündliches sei (in der oben angegebenen weiteren Bedeutung), wird man 
kaum bezweifeln können. Dadurch soll übrigens nicht gesagt werden, 
daß die Rückendarre auch in ihrem weiteren Verlauf, auch nicht, daß 
sie jedesmal und in allen Individuen einen entzündlichen Charakter 
behaupten müsse. Doch möchte ich glauben, daß die wahre Rückendarre 
auch in solchen Subjekten, die ihrer Konstitution und Lebensweise nach 
von entzündlicher Anlage am meisten entfernt sind, dennoch nicht ohne 
alle subinfiammatorische Degeneration des Rückenmarks entstehen könne, 
und daß ihre Entwicklungsperiode sich auch in diesen Individuen auf 
ähnliche Art wie jede Phthisis eines anderen Eingeweides, die in ihrem 
ersten Stadium eine entzündungsartige Affektion der venös-lymphatischen 
Gefäße zu Grunde hat, verhalten werde.“ 

Das Krankheitsbild der „Myelitis“ ist nach Harless ein wech¬ 
selndes, je nach dem Grade der Entzündung, dem Sitze derselben, 
je nach den ätiologischen Faktoren und Komplikationen. Gemeinsam 
ist allen Fällen die Lähmung, welche zuerst die untern, später die 
obern Extremitäten ergreift — die Myelitis cervicalis bewirkt aller¬ 
dings absteigende Lähmung. Harless ist der Ansicht, daß die 
Lähmung erst dann in Erscheinung trete, wenn die 
eigentliche Entzündung schon abgelaufen, wenn es schon 
zu einer Desorganisation der Medulla gekommen ist. Dies ergebe sich 
aus den von älteren und neueren Beobachtern beschriebenen Fällen, 
wo man bei der Nekropsie partielle KoDSumption, Hämorrhagie, 
Vereiterung oder Verjauchung im Rückenmark, seröse Ergüsse im 
Wirbelkanal usw. fand —, als Konsequenz einer vorausgegangeneu 
Entzündung der Medulla, wie Harless eben ohne Bedenken an¬ 
nimmt. 

Die Symptome der „Myelitis“ sind nach seiner Darstellung 
folgende: Heftiger, tiefsitzender Schmerz am Rückgrat, Gefühl 
trockner Wärme oder Hitze am Rücken, am meisten dort, wo der 
Schmerz sitzt, Fieber, krampfhafte Bewegungen, Konvulsionen der 
Extremitäten, Lähmung der Extremitäten, der Darm- und Blasen- 


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funktion, „Narcosis“ der Glieder, der Bauch- und Kückenmuskeln 
(Vorbote der Lähmung). 

Was den Rückenschinerz anlangt, so ist er zwar oft über 
die ganze Wirbelsäule verbreitet, doch stets an einer bestimmten 
Stelle am stärksten. Auf Druck nimmt er nicht zu, hin¬ 
gegen steigert er sich beim Beugen der Wirbelsäule, 
ausstrahlend nach der Brust und Schulter, nach den Hypochondrien 
und dem Becken. Das Fieber ist ein anhaltendes, in seiner Intensität 
vom Grade der Entzündung abhängig, mit stärkeren oder schwächeren 
Remissionen, in chronischen Fällen von schleichendem Charakter. Die 
Zuckungen der Extremitäten treten meist erst im späteren Verlauf 
der Krankheit ein, wenn sich schon Extravasate oder Abszesse 
ausgebildet haben. Als Vorstadium kompletter Lähmungen mache 
sich eine auffallende Unbeholfenheit und Unsicherheit der Be¬ 
wegungen (Wanken, Straucheln) bemerkbar. 

Bei der Differentialdiagnose sind — darin kommt der damalige 
Zustand der Medizin zum Ausdruck — zahlreiche Affektionen zu 
berücksichtigen, insbesondere Oesophagitis, Pleuritis, Diaphrag- 
matitis postica, Nephritis, Psoitis, Rheumatismus, Hämorrhoidal- 
schmerz, Bleikolik, welch letztere sich übrigens mit einer Myelitis 
verbinden könne. „Ein geübter Blick und praktischer Takt, der 
das Charakteristische der äußeren Physiognomie der Rückenmarks- 
entzüudungen bald erkennen wird, muß dann, wie überall, beson¬ 
ders hier, das Dunkel erleuchten helfen.“ 

Die „Myelitis“ erstreckt sich in ihrem Verlauf oft über mehrere 
Monate, spontan kann sie auf dem Wege der Resorption in seltenen 
Fällen zur Heilung kommen, der Tod erfolgt durch Lähmung der 
Herztätigkeit (bedingt durch „Lähmung des Gangliarsystems“). 
Von therapeutischen Maßnahmen (Antiphlogose) kann man sich 
nur in der ersten Periode der Entzündung Nutzen versprechen; in 
Betracht kommen Blutegel an den Seiten der Wirbelsäule, am- 
mouiakalisch-ölige Einreibungen, zerteilende Kataplasmen, Vesikau- 
tien, interne ableitende Mittel. 

Zur Illustration des Krankheitstypus „Myelitis“ teilt Harless 
die Krankheitsgeschichte zweier Fälle mit (Ätiologie: Sturz auf die 
Wirbelsäule), und am Schlüsse seiner Abhandlung sucht er auf 
Grund eigener Erfahrungen die Ansicht zu verteidigen, daß bei 
Kindern die „Myelitis“ häufig fälschlich als Brust- und Abdominal- 
atfektion, als Hirnleiden, als „Nervenleiden“ diagnostiziert würde, daß 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 235 


insbesondere manche Fälle von „Fraisen“, von „stillem Jammer“, 
von chronischen Konvulsionen mit allmählich zunehmender Lähmung, 
auf seröse Ergießungen im Wirbelkanal zurückzuführen seien. 

Inhaltlich sehr nahe der Harlessschen Abhandlung steht die¬ 
jenige, welche Klohss 1823 unter dem Titel: Über die Ent¬ 
zündung des Rückenmarks (Myelitis) veröffentlichte 1 )* Wie 
Harless leitet auch er die bekanntgewordenen Entartungen des 
Rückenmarks von einer Entzündung desselben ab. Als anato¬ 
misches Substrat der Myelitis gibt er folgenden Befund an: „Das 
Rückenmark selbst erscheint entweder allein rot und mit einer 
Menge von mit Blut überfüllten Gefäßen bedeckt oder nur seine 
Häute oder beide zu gleicher Zeit.... Mitunter erscheint das 
Rückenmark fester als im natürlichen Zustande und seine Häute 
zeigen sich dicker und stärker.“ Allerdings rechnet er aber auch 
Fälle von Blutextravasaten im Wirbelkanal, Auflagerung von Kalk¬ 
plättchen auf die Meningen, schwammige Auswüchse des Rücken¬ 
marks, Eiterergüsse zur „Myelitis“. Die Entzündung beginne 
in der Regel in den Meningeu und gehe erst dann auf 
das Mark über, selten umgekehrt, bei den Sektionen 
habe man neben der Medulla fast stets auch die 
Häute, die letzteren überdies oft allein, entzündet 
gefunden. Die während der Entzündung selbst beobachteten 
Motilitätsstörungen „hält er durchaus für keine wahren, wirklichen 
Lähmungen, sie seien vielmehr bloß durch die Schmerzen erschwerte 
Bewegungen“ 8 ); wahre Lähmungen kämen gewöhnlich nur durch 
die Entzündungsprodukte (Exsudate) zustande. 

Klohss hält „eine mehr oder weniger chronische Entzündung des 
Rückenmarks und seiner Häute“ für das wichtigste Kausalmoment, aus 
dem viele chronische Affektionen der Medulla spinalis z. B. Hydrorrhachis, 
Geschwülste und Auswüchse, Spina bifida, Tabes dorsalis und andere 
hergcleitet. werden könnten. Er verwirft die Bezeichnungen Rachialgia 
(Fr a n k), Spinitis (N i e 1), Spinodorsitis (Schmalz), Rachinlgitis (Br er a) 
und entscheidet sich für den von Harless vorgeschlagencn Krankheits¬ 
namen Myelitis. Die Lokalisation der Entzündung, die Beteiligung der 
Meningen und verschiedene andere Umstände bedingen verwirrende Dif¬ 
ferenzen in der Symptomatologie der Myelitis, weshalb die akute Form 


l ) Hufelands Journal N. F. XVI. Bd. Die Arbeit erschien schon 
vorher als Dissert. de Myelitide, Halae 1820. 

*) Diese Behauptung hatte zuerst Reydcllct (Dict. des Sciences 
in<$dicalc8 XXXIII) aufgestellt. 


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als Typus zu wählen, die übrigen Arten als Varietäten aufzufassen seien. 
Hauptsymptome sind Fieber, Rückenschmerz, Bewegungs¬ 
störungen; nebstdem tritt noch eine Menge konsensueller oder idiopathi¬ 
scher Beschwerden auf, besonders in denjenigen Teilen, welche zum Rücken¬ 
mark in näherer Beziehung stehen. Der Schmerz ist ein sehr heftiger, bren¬ 
nender und anhaltender, den der Kranke entweder längs der ganzen Wirbel¬ 
säule oder bloß an einem bestimmten Teil derselben empfindet, je nach¬ 
dem die Entzündung ausgebreitet oder lokalisiert ist. Er charakterisiert 
sich als tiefsitzend, ständig (nicht herumwandernd wie der rheumatische), 
strahlt nach Brust, Hypochondrien, Schenkel, Becken aus, und wird 
durch Biegung der Wirbelsäule, Lage Wechsel gesteigert. Mit dem 
Schmerz ist Hitzegefühl verbunden. Das Fieber ist heftig, in der Regel 
anhaltend, der Puls zeigt erhöhte Frequenz. Die Lähmung sei für 
die Myelitis als solche nicht pathognomonisch, sondern 
eine Kompressionserscheinung, bedingt durch den Druck, 
welchen eines der Endprodukte der Entzündung (Exsu¬ 
date usw.) auf das Rückenmark ausüben. „Nur auf eine Art“, 
sagt Klohss, „scheinen mir während der Entzündung Lähmungen ent¬ 
stehen zu können, nämlich durch eine so große Überfüilung und Aus¬ 
dehnung der Blutgefäße des Rückenmarkskanals, daß sie durch Ver¬ 
engung desselben das Rückenmark selbst zusammendrücken.“ Die Sympto¬ 
matologie nach dem Sitze der Entzündung ist folgende. Im oberen 
Teil des Halsmarks: Beteiligung des Sensoriums, Erschwerung des 
Sehlingens und Sprechens, Krämpfe, gehinderte Bewegung der Arme, 
Aussetzen von Puls und Herzschlag, Lähmung des Sehlingens und 
Sprechens, Lähmung der oberen Extremitäten, Bewußtlosigkeit. I m 
mittleren Teil des Rückenmarks: Gehinderte Aktion der Inter- 
kostalmuskeln, daher Atmungsstörung, Palpitatio cordis, Präkordialangst, 
Schmerz im mittleren Teil des Rückens, Erstickungsgefahr. Im Lenden¬ 
teil: Schmerz in der Gegend der Lendenwirbel, Dysurie, Ischurie, Darm¬ 
affektionen, schmerzhafte Bewegung der Schenkel, „Narcosis“ der unteren 
Extremitäten. Der Verlauf der Myelitis ist ein akuter, sub¬ 
akuter oder chronischer. Die chronische Myelitis komme weit öfter 
vor, als man gewöhnlich glaube, sie biete große Verschiedenheit in ihren 
Symptomen, sie werde meistens nicht erkannt. „Meist vom Lenden-, selten 
vom Rücken- und noch seltener vom Halsteile des Rückenmarks aus¬ 
gehend und auf wenig bemerkbare, aber nur um so gefährlichere Art den 
Erkrankten befallend, erscheinen ihre Symptome anfangs sehr gelinde und 
dem Unerfahrenen kaum beachtenswert. Die sehr mäßigen Schmerzen 
werden bloß durch Biegung des Rückgrats, nicht durch Druck vermehrt: 
die in der akuten Entzündung quälenden Martern fehlen, der Kopf ist 
frei, nicht eingenommen, und der Kranke merkt kaum, daß er etwas 
fiebert. Langsam wächst das Übel, die Schmerzen nehmen mit den 
übrigen Symptomen anfangs mäßig, später bedeutend zu, der Kranke 
kommt nach und nach von Kräften, magert ab, leidet an Schwäche der 
Fiiße; zuletzt kommt Lähmung der untereu, später der oberen Extremi¬ 
täten hinzu, endlich der Tod. Bei der Myelitis cervicalis indes werden 


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die obern Extremitäten früher als die untern gelähmt.“ Klohss meint, 
daß Harless u. a. nicht mit Unrecht von einer Myelitis 
auch die Pottschen Lähmungen, die nach Verletzung des 
Rückenmarks eintretenden Folgen, Vereiterung, Gangrän 
hergeleitet haben, ebenso auch die Tabes. „Mit dem größten 
Rechte gehört aber wohl die Rückendarre hieher, eine wahre Rücken¬ 
marksschwindsucht, Myelophthisis, wie sie Ploucquet sehr bezeichnend 
nennt, da sie in der Tat nichts anderes ist, als eine chronische Myelitis. 

.Werden nicht auch andere Organe durch Phthisis verzehrt und 

schwinden sie nicht auch durch chronische Entzündungen, wie dies im 
Rückenmarke die Sektionen der an Tabes dorsalis Verstorbenen bezeugen? 
Können Degenerationen im Rückenmarke wohl auf andere 
Weise als durch ihnen vorausgegangene Entzündungen 
entstehen, wie dies die Entartungen anderer Organe nach vielfältigen 
Erfahrungen beweisen?“ 

K. bekämpft die Ansicht, daß die Myelitis stets Folge einer Ge¬ 
hirnentzündung sei, erklärt die relative Seltenheit der Affektion aus 
der geschützten Lage der Medulla und den zahlreichen Gefäßanastomosen 
und hält jugendliche, kräftige Individuen für besonders prädisponiert. 
Die ätiologischen Momente zerfallen in äußere und innere. Zu den er- 
steren rechnet er heftige Stöße auf die Wirbelsäule, Herabfallen von 
bedeutender Höhe auf den Rücken, Luxation oder Fraktur der Wirbel, 
rasch entstehende Verkrümmung der Wirbelsäule, starke Erschütterung 
des Rückenmarks (durch schnelles Reiten, Fahren usw.), Verletzung der 
Wirbelsäule und des Rückenmarks, Onanie (durch Reizung der Sakral- 
und Lumbaluerven, die sich mit dem Plexus seminalis verbinden). Was 
die inneren Ursachen betrifft, so bezweifelt er die rheumatische 
und gichtische Ätiologie, die Herleitung der Myelitis 
von Erysipel, Skrophein, Milchmetastase; er erwähnt unter¬ 
drückte Hämorrhoiden und Katamenien als auslösendes Moment, legt aber 
auf infektiöse Agentien das Schwergewicht: „Richtiger aber darf 
man wohl zu den die Krankheiten erregenden Momenten 
sowohl die akuten als chronischen Exantheme rechnen, 
da von diesen fast kein Organ verschont bleibt, und auch die Materie 
der Syphilis möchte diesen zuzuzählen sein, obgleich sie wohl nicht leicht 
eher das Übel erregen wird, als nachdem sie schon sehr bedeutende 
Zerstörungen der Wirbel und ihrer Ligamente, Karies, Geschwüre usw. 
veranlaß te.“ 

Die Ausgänge der Riickenmarkscntzündung können folgende sein: 
Zerteilung und Heilung (selten), Übergang der akuten in die chronische 
Form, Eiterung oder Brand (äußerst selten), Exsudation einer serösen 
oder lymphatischen Feuchtigkeit, welche die Lähmung der Extremitäten 
und anderer Organe bewirkt (häufig, besonders als Konsequenz einer 
chronischen Myelitis). 

Bei der Diffcrentialdiagnose (Gehirnentzündung, Oesophagitis, Pleu¬ 
ritis, Diaphragmatitis postica, Angina pectoris, Nephritis, Hämorrhoiden, 
Bleikolik, Entzündung der Muskeln und Ligamente der Wirbelsäule, 


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Exostosen und Veroiterung der Wirbel) berücksichtigt K. besonders den 
Rheumatismus und führt als Hauptunterscheidungsmerkmal den Schmerz 
an, der beim Rheumatismus nicht so heftig und brennend, mehr nach' 
lassend und wandernd sei und durch äußeren Druck eher gesteigert 
werde. Die Prognose der schweren, aber nicht absoluten unheilbaren 
Krankheit hänge von sehr verschiedenen Umständen ab; sie sei günstiger 
bei der akuten Form, bei äußerer als iunerer Krankheitsursache, gün¬ 
stiger bei Meningitis spin. als bei Entzündung der Rückenmarkssubstanz, 
ungünstiger in dem Maße, als der Prozeß ausgebreiteter ist und sich dem 
Gehirn nähert. Selbst nach der Zerteilung der Entzündung bleibe eine 
Reizbarkeit zurück; besondere Gefahr brächten seröse Exsudate wegen 
ihrer Folgezustände, blutige oder eitrige Ergüsse mit sich. 

Von der Therapie hofft Khloss. daß sie durch fernere Erfahrun¬ 
gen die nötige Sicherheit gewinnen könne. Im allgemeinen seien anti¬ 
phlogistische Maßnahmen indiziert, Aderlässe, topische Blutentziehung, 
Sinapismen, Vesikantien, reizende Fußbäder, kalte Umschläge an der 
Wirbelsäule (Mischung aus kaltem Wasser, Nitrum und Salmiak; Eis), 
Diaphoretica, interne Antiphlogistica (Salpeter, Salmiak), Klysmen, Di¬ 
gitalis, blande Diät, säuerliche Getränke; außerdem sei bei bekannter 
Ursache (z. B. Rheumatismus. Gicht, unterdrückten Menses oder Hämor¬ 
rhoiden usw.) die entsprechende ätiologische Therapie einzuleiten. Immer¬ 
hin sei bei der Antiphlogose mit Rücksicht auf die Individualität und 
auf die Eigentümlichkeit des Nervensystems Vorsicht vonnöten. Bei 
chronischen Formen kämen spirituöse, ätherische, balsamische Um¬ 
schläge oder Einreibungen längs der Wirbelsäule, eventuell Kalomel mit 
Opium in Betracht, bei Exsudationen Vesikantien, Fontanellen, Glüheisen 
Kalomel mit Diureticis; in der Rekonvaleszenz Einreibungen an der 
Wirbelsäule, kalte, allgemeine Bäder, Fußbäder, gelinde erregende, ro- 
borierende Mittel, entsprechende Diät, Vermeidung aller schädlichen 
physischen und psychischen Reize. 

Außer der Abhandlung Breras waren es auch Schriften 
Bergamaschis, welche den italienischen Einfluß auf die deutsche 
Myelitisforschuug vermittelten. Bergamaschi veröffentlichte über 
den Gegenstand: Osservazioni sulla inflammazione della spinale 
medolla e delle sue membrane (Paria 1810) und Sulla myelitide 
steuica e sul tetano; loro identitä (Pavia 1820). Der italienische 
Arzt strebte in diesen Arbeiten danach, die Entzündung des 
Rückenmarks und seiner Häute zu differenzieren, 
anderseits den Nachweis zu erbringen, daß Tetanus 
und Myelitis identisch seien, beziehungsweise nur 
graduelle Verschiedenheiten darbieten. Beide Tenden¬ 
zen sehen wir auch in der deutschen Myelitis-Literatur der ersten 
Dezennien des 19. Jahrhunderts vertreten. 

Was die k 1 i n i s c h e I) i f f e r e n z i e r u n g der Myelitis 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 239 


und Meningitis (damals gewöhulich als Arachnoitis aufgefaßt) 
anlangt, so wäre hier namentlich Dzondi zu erwähnen. (Beiträge 
zur Vervollkommnung der Heilkunde. Über Nervenentzün¬ 
dung, insonderheit über Entzündung des Rücken¬ 
marks, Halle 1816.) Auch Romberg machte schon damals die 
Bemerkung: „Man habe bisher bei den Entzündungen wenig darauf 
Rücksicht genommen, ob sie im Mark oder in den Meningen ihren 
Sitz haben, welcher Umstand Verschiedenheit der Symptome bedin¬ 
gen müsse.“ (Horns Arch. f. mediz. Erfahrung 1823, I, 263.) 

Der Hauptvertreter der Identität desTetanus und der 
Myelitis war Michael Funk, dessen Schrift „Die Rücken¬ 
marksentzündung“ (Bamberg 1819, 1825, 1832) sich längere 
Zeit hindurch großer Beliebtheit erfreute. „In allen angeführten 
Fällen“, sagt er, „zeigten sich bei der Leichenöffnung die offenbaren 
Spuren vorhanden gewesener Entzündung; bei den meisten Blut¬ 
ergießungen in der Höhle des Rückenmarks zwischen der harten Haut 
und dem Bandapparate waren beträchtliche Quantitäten Lymphe 
innerhalb der harten Haut, dieses Serum selbst blutig, mit unter¬ 
mischten Flocken von plastischer Lymphe; die Gefäße auf der 
Medulla sehr entwickelt, selbst an mehreren Stellen Extravasate 
bildend; die Substanz des Rückenmarks rötlich mit vermehrter 
Konsistenz.“ Funk meint auch, daß die Hydrophobie auf Ent¬ 
zündung, und zwar der Medulla oblongata beruhe 1 ). 

Unter dem Einfluß der neu gewonnenen Orientierung beginnt 
in Deutschland schon während des dritten Dezenniums des 19. Jahr¬ 
hunderts eine reichere kasuistische Literatur über „Myelitis“ einzu¬ 
setzen. Aus derselben sei insbesondere die Arbeit von Sonnenkalb 2 ) 
hervorgehoben, weil sie ein Beispiel davon gibt, daß damals noch 
ausgezeichnete Beobachter hie und da Fälle von Tumoren der 
Medulla oder ihrer Hüllen oder selbst der Wirbelsäule als chroni¬ 
sche Rückenmarksentzünduug aufzufassen pflegten. Es hing 
das eben mit der noch gänzlich unentwickelten Lehre von den Ge- 


*) Eine ausgezeichnete Widerlegung der Behauptungen Berga- 
maschis und Funks über den Tetanus brachte das Buch von Curling, 
A treatise on Tetanus. London 1836. 

3 ) Eine eigene und ganz besondere Krankheit des 
Rückenmarks nebst einigen Bemerkungen über die Ent¬ 
zündung desselben, in Zeitschr. f. Natur- und Heilkunde, III. Bd., 
lieft 1, Dresden 1823. 


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schwülsten überhaupt zusammen. Ein gleichwertiges Probestück dieser 
irrigen Betrachtungsweise, welche sich natürlich in der Konstruktion 
des ganzen Krankheitsbildes der Myelitis genugsam äußern mußte, 
bietet die Abhandlung von Ludw. Wolff: „Beobachtung einer 
chronischen Entzündung des Bückenmarks mit unge¬ 
wöhnlichem Ausgange, nebst Bemerkungen darüber. 4, 
(Hamburg 1824.) Die genannte Schrift ist übrigens deshalb nicht 
ohne Wert, weil sie die bisherigen Ergebnisse zusammenfaßt. 

Der Verlauf der akuten Entzündung, die nur selten vorkommt, ist 
schnell; die chronische kann wochen-, monate-, jahrelang dauern. Die 
Myelitis ist entweder einfach oder mit anderen Krankheiten verbunden, idio¬ 
pathisch oder sympathisch; meist sporadisch, doch soll sie auch epidemisch 
geherrscht haben. Ihre Erscheinungen sind nicht immer dieselben und 
richten sich nach den Modifikationen, die sie durch ihren Sitz, ihre 
Ursachen, Ausbreitung und Komplikationen annimmt. Besonders bietet 
die chronische Rückenmarksentzündung große Verschiedenheiten dar. 
Ihre Symptome erscheinen anfangs sehr gelinde, dem weniger Erfahrenen 
oft kaum beachtenswert, das Übel wächst langsam und kann eine Reihe 
von Stufen durchwandern vom untersten Grade einer simplen, mit Kon¬ 
gestion verbundenen Gefäßreizung bis zum höchsten der Lähmung und 
brandigen Auflösung. Niemals aber wird sie von so heftigen Symptomen 
begleitet als die akute Rückenmarksentzündung. Die Erscheinungen sind 
hauptsächlich folgende. Ein heftiger, brennender und anhaltender Schmerz, 
entweder längs der ganzen Wirbelsäule oder in irgend einem Teile derselben. 
Dieser Schmerz wird durch äußeren, selbst ziemlich starken Druck nicht 
vermehrt, wohl aber durch die Rückenlage, besonders in Federbetten, und 
durch Biegung der Wirbelsäule, besonders nach hinten. Er verändert seine 
Stelle nicht und ist nicht aussetzend wie der rheumatische oder hämorrhoi- 
dalische, sondern bleibt fixiert an seinem Orte. Er breitet sich aus, erregt 
mancherlei Beschwerden, oft Konvulsionen und Krämpfe in der Brust und 
dem Unterleibe. Der Kopf bleibt meistens verschont, wird jedoch auch in 
einzelnen Fällen mit ins Leiden gezogen. Dabei ist jedesmal die Emp¬ 
findung einer trockenen Wärme, selbst Hitze im Innern des Rückens, 
besonders da, wo der Schmerz am heftigsten empfunden wird. Diese 
Zufälle werden von einem Fieber begleitet, das im ganzen nicht so heftig 
als bei der Hirnentzündung, doch oft stark genug und anhaltend oder 
remittierend ist. Der Puls ist hart und schnell, groß, klein, weich, zuweilen 
langsam gefunden worden. Hiezu treten noch mehrere andere krankhafte 
Beschwerden, durch Konsensus, Sitz und Größe der Entzündung modi¬ 
fiziert. Bei Ergriffenseiu des Halsteils des Rückenmarks : Eingenommen¬ 
heit des Hinterhaupts, Unbeweglichkeit des Halses, verstärktes Klopfen 
der Karotiden, Blutandrang zum Gehirn, Kopfschmerz, Störung der 
Sinnesfunktionen, Mangel des Schlafs, Leiden des Sensorii, Behinderung 
des Schluckens und Sprechens, Delirium, Raserei, Krämpfe der Gesichts¬ 
und Halsmuskeln, wahre Konvulsionen, Abwesenheit des Geistes, Schlaf- 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 241 


sucht, Coma vigil, Unbeholfenheit und Unsicherheit in den Bewegungen, 
Lähmung der Gliedmaßen und der Baucheingeweide. — Bei Ergriffensein 
des Rückenteils: Erschwerte Respiration, Druck in den Präkordien, Herz¬ 
klopfen, Erstickungsgefahr; der innere und die äußeren Sinne bleiben 
frei. — Bei Ergriffensein des Lendenteils: Ischurie, Dysurie, Verstopfung, 
Durchfall, Kolik; gehinderte, schmerzhafte Bewegung der Schenkel, Ein¬ 
schlafen der Glieder und der Bauch- und Rückenmuskeln. Ausgänge der 
Entzündung: Vollständige Zerteilung und Heilung (selten), Eiterung, Aus¬ 
schwitzung einer serösen und lymphatischen Feuchtigkeit, Schwinden des 
Rückenmarks (Tabes dorsalis), Brand. Leichenöffnungen: Mannigfaltige 
Spuren von Entzündung des Rückenmarks, nach dem Grade, Sitze, Verlauf 
usw. derselben; das Rückenmark selbst mehr oder weniger gerötet, mit von 
Blut überfüllten Gefäßen bedeckt oder nur die Häute desselben oder beides 
zu gleicher Zeit; Zeichen von Entzündung der Anfänge der Nerven. Blut¬ 
extravasate, welche den ganzen Kanal oder einen Teil desselben anfüllcn; 
das Rückenmark erschien fester als im natürlichen Zustande, fast knorpelig, 
die Häute dicker, stärker; man hat die äußere Fläche der Häute des Rücken¬ 
marks längs der ganzen Wirbelsäule mit knöchernen Schuppen, Knochen¬ 
blättchen bedeckt gefunden; ausgeschwitzes Serum, meist unter der Dura 
mater; gallertartige Ergießungen; eiterartiges Serum; geschwundenes 
Rückenmark. Ursachen: Gehinderter Blutumlauf im Rückenmark, Anhäu¬ 
fung und dadurch Druck aufs Rückenmark; Jugend und starke Konstitution; 
heftige Stöße auf das Rückgrat, starke Schläge und Fälle auf den Rücken; 
Verdrehungen, Verrenkungen, Brüche der Wirbel; Erschütterung des 
Rückenmarks; Tragen schwerer Lasten; Sonnenhitze; Wunden, die in 
die Wirbelhöhle dringen; Onanie und unmäßiger Beischlaf; Metastasen 
(besonders rheumatische), Gicht, Rose, Exantheme, Skropheln, Syphilis; 
zurückgehaltene oder unterdrückte Blutflüsse; langes Liegen auf dem 
Rücken. Die Vorhersage ist insofern nicht durchaus ungünstig, als bei zeitiger 
und schleuniger Anwendung zweckmäßiger Mittel Hilfe wohl möglich ist. 

Die Verwechslung von Tumoren mit Myelitis bedeutet aber 
noch einen kleinen Lapsus im Vergleich zu einem anderen, weit 
größeren Fehler, nämlich zu der Sucht vieler Ärzte, in leicht¬ 
fertigster Weise auf Grund höchst vager Symptome die schwer¬ 
wiegende Diagnose einer Rückenmarksentzündung zu stellen. Auch 
das erklärt sich aus dem Zustande der damaligen Medizin; bildeten 
doch die ersten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts das Zeitalter, wo 
man fast in allen Krankheiten EntzündungsVorgänge sah, fast alle 
Affektionen als „Entzündung“ betrachtete. Auf unser spezielles Ge¬ 
biet übertragen, man vermutete in den meisten Fällen, 
wo Kückenschmerzen undParästhesienbestanden, wo 
auf Druck oder (nach dem Vorgang Copelands)beim Über¬ 
streichen mit einem in heißes Wasser getauchten 
Schwamm Empfindlichkeit von Wirbeln nachgewiesen 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII Bd. IG 


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werden konnte, eine— Rückenmarksentzündung oder 
doch wenigstens eine Rückenmarksreizung. Daß z. B. 
die bei gewissen fieberhaften Krankheiten vorkommenden Rücken¬ 
schmerzen auf eine Affektion der Medulla spinalis zurückzuführen 
seien, war bereits von Autoren des 18. Jahrhunderts 1 ) mehr oder 
minder apodiktisch hingestellt worden, im Laufe der Zeit vergrößerte 
sich aber immer mehr der Umkreis der als larvierte Rücken¬ 
marksentzündung in Frage kommenden Affektionen (z. B. 
Nierenkolik, Bleikolik), ja er umspannte weite Gebiete der gesamten 
Pathologie, was bei der Trüglichkeit des diagnostischen Zeichens 
(Empfindlichkeit einzelner Wirbel) nur zu begreiflich ist. In sehr 
beträchtlicher Weise erweiterte sich dementsprechend auch die Zahl 
der ätiologischen Faktoren, beschrieb man doch skrophulöse, 
arthritische 8 ), syphilitische u. a. Formen der Myelitis. 

Erfreulicherweise fehlte es aber nicht ganz an oppositionellen 
Stimmen. Am entschiedensten, leider ohne durchgreifenden Erfolg, 
erhob Carl Wenzel Einspruch in den letzten Kapiteln seines, in 
mehrfacher Hinsicht hervorragenden Werkes „Über die Krank¬ 
heiten amRückgrathe“ (Bamberg 1824). Darin wird übrigens 
nicht bloß die klinische, sondern auch die damalige pathologisch¬ 
anatomische Begründung der „Myelitis“ in Zweifel gezogen. 

In der Vorerinnerung zu seinem Werke sagt Wenzel: .Hie Er¬ 
forschung der Krankheiten des Rückenmarkes, der Nerven, die aus ihm 
entspringen, der membranösen Überzüge, die ihm angehören, ist seit 
einiger Zeit eine wichtige Angelegenheit der Arzte geworden. Man hat 
die Beobachtungen, welche uns die Zergliederer aus angestellten Unter¬ 
suchungen und Versuchen mitteilten, benützt, um sich Erscheinungen zu 


*) Auf die Rückenschmerzen, welche gewisse Affektionen begleiten, 
lenkte zuerst Chr. Gottl. Ludwig mit seiner Abhandlung Tractatio 
de doloribus ad spinam dorsi (in Adversaria medico-practica. Vol. I, 
Pars IV, Lips. 1770) die Aufmerksamkeit. S. G. Vogel sagt in seinem 
Handbuch, manche mit Fieber verbundenen heftigen Rückenschmerzen 
würden oft für ein Accidens des Fiebers gehalten, während sie doch 
das Wesen der ganzen Krankheit ausmachten. Indem Maße, als man 
es unternahm, bei den verschiedensten Affektionen die Empfindlichkeit 
der Wirbel zu prüfen, ließ man sich zur voreiligen Annahme von zu¬ 
grundeliegenden Rückenmarkslciden verleiten, sei es, daß man Reizung 
flrritatio) oder wirkliche Entzündung supponierte. 

8 j Einer der ersten, der die bei Arthritikern angeblich auftretende 
Rückenmarksentzündung schilderte, war v. Vering (Die Heilung der 
Gicht. Wien 1832). 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelytis-Literntur. 243 

erklären, die wir bei den mannigfaltigen Krankheiten am Rückgrate 
sehen, and es möchte wohl kaum zu bezweifeln sein, daß unsere An¬ 
sichten über das Leiden des Rückenmarkes und der Nerven, die aus 
ihm entspringen, dadurch an Umfang gewonnen haben; aber selbst wenn 
wir alle die angegebenen Tatsachen als sichergestellt annehmen wollten, 
was wir wenigstens jetzt noch nicht mit Zuverlässigkeit können, so ist 
das wahre Verhältnis des Rückenmarkes und der Nerven als Ursache 
oder Wirkung der verschiedenen Krankheiten durch Untersuchungen an 
Leichen derjenigen, die an Übeln des Rückgrates litten, durchaus nicht 
erwiesen; unsere Ansichten darüber bleiben Vermutungen und die Kon¬ 
struktionen dieser vielfältigen Krankheiten, wie sinnreich sie auch immer 
sein mögen, werden uns nicht zu einem gründlichen, auf die wahre Natur 
dieses Übels gestützten Heilplan führen. Es bliebe unter diesen Krank¬ 
heiten die Lehre über die Entzündung des Rückenmarks in 
der Tat ein wichtiger Gegenstand der Berichtigung. Ich habe, wie ich 
glaube, nicht unbedeutende Zweifel gegen die Meinung derjenigen ge¬ 
äußert, welche diese Verfassung als eine häufige Krankheit an dem 
Rückenmarke angenommen und eine Reihe krankhafter Erscheinungen 
aus einer Entzündung des Rückenmarks hergeleitet haben, worin wir 
sie wohl nicht suchen können ... Alle Konstruktionen dieser Art be¬ 
weisen, daß man unbedingt einer angenommenen Meinung der Zeit seinen 
Beifall schenkt, ohne sich um das zu bekümmern, was gründlich zu er¬ 
weisen ist. Diese willkürlich aufgestellten Erklärungen und eine große 
Reihe von Bemerkungen, die man uns über die Entzündung des Rücken¬ 
marks und über die krankhaften Affektionen dieses Teiles überhaupt mit¬ 
teilte, beweisen am sichersten, wie weit wir in der Untersuchung der 
Krankheiten dieses Teiles zurückgeblieben sind.“ — 

Kap. XCVIII handelt von der Entzündung des Rückenmarks, 
Racheomyeliti8. Wenzel polemisiert hier gegen die Ansicht jener, 
„welche die Racheomyelitis als eine häufige Krankheit annehmen und 
eine Menge krankhafter Erscheinungen als Folgen der Entzündung des 
Rückenmarks betrachten, die wohl nicht dafür zu halten sind.“ Von 
seinen 38 Thesen seien die folgenden hervorgehoben, welche zeigen, 
daß der Verfasser zwar die Hauptschwächen der Beweisführung zu 
Gunsten der Myelitis erkannte, aber selbst oft weit über das Ziel schoß 
und in andere Irrtümer verfiel. 

„Hat eine wahre Entzündung des Rückenmarks statt, so müssen 
die Folgen dieses Leidens für die tierische Ökonomie ungeheuer groß 
und beständig für das Leben zerstörend sein. Daß man die Mög¬ 
lichkeit einer partiellen Entzündung des Rückenmarks in der Hals-, 
sowie Rücken-, Lenden- und Kreuzgegend glaubt, scheint hinlänglich 
zu beweisen, daß von einer wahren Entzündung dieses Teiles die 
Rede nicht sein kann, daß man wenigstens eine krankhafte Affektion 
des Rückenmarks für eine wahre Entzündung desselben nahm.“ — 
„Daß man einen crysipelatösen Charakter dieser Entzündung als den 
gewöhnlichen annimmt, könnte schon an und für sich beweisen, daß von 
einer wahren Entzündung des Rückenmarks in den wenigsten Fällen, die 

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man dafür erkannte, die Rede war, sondern von einer krankhaften Ver¬ 
fassung der membranösen Überzüge dieses Organs. Die Beobachtung des 
hochachtbaren verewigten Frank, der die Entzündung des ganzen 
Rückenmarks in Leichen gefunden hat, kann ich aus Achtung für meinen 
verewigten Lehrer nicht bestreiten, indessen müssen wir augestehen, daß 
wir weder daraus noch aus andern gemachten Untersuchungen in ähn¬ 
lichen Fällen einen bestimmten Charakter des entzündeten Rückenmarks 
kennen. Weniger bestimmt noch und als deutlich erwiesene Folge einer 
wahren Entzündung des Rückenmarks ist die Beschaffenheit desselben 
angegeben, wenn die Entzündung dieses Organs in der Hals-, Rücken¬ 
oder Lendengegend partiell statthatte. Die Schädlichkeiten, die man 
als Ursachen einer wahren Racheomyelitis angibt, sind in der Tat «o 
weit hergeleitet, daß man entweder die wahre Rückenmarksentzündung 
als eine der häufigsten Krankheiten betrachten oder bezweifeln muß, ob 
jemals eine der angegebenen eine Racheomyelitis erzeugte. Rheumatische 
syphilitische Metastasen, heftige Krampfkoliken, Anschwellungen der 
Leber, der Milz, der Bauchspeicheldrüse, Unterdrückung des Monats¬ 
flusses oder habituell gewordener Hämorrhoiden, Vorfälle des Uterus, 
Rückwärtsbeugungen dieses Organs, langes Liegen auf dem Rücken, sollen 
Racheomyelitis erzeugen können! Besonders ist es eine große Menge 
von äußern und mehr lokal wirkenden Ursachen, welche die Veranlassung 
zu einer partiellen und örtlichen Entzündung des Rückenmarks geben, 
und unter diesen nehmen mechanische Potenzen die erste Stelle ein“ . . . 
„Willkürlich nimmt man doch wohl an, daß eine langsame Entzündung 
des Rückenmarks die Ursache der Kyphosis paralytica sei.. . Pott nahm 
einen Druck des Rückenmarks als bedingende Ursache der Zufälle an, 
die wir bei dieser Art von Krümmung des Rückgrats finden. . . Die Un¬ 
richtigkeit der beharrlich beibehaltenen Behauptung Potts ist nicht nur 
aus Leichenöffnungen bewiesen, sondern aus einer großen Reihe von Er¬ 
fahrungen widerlegt, indem Kranke bei ungeheuren Verunstaltungen des 
Rückgrats aus dieser Ursache ihr Leben fortsetzen. . . Die Ungewißheit, 
in der wir uns überhaupt in Hinsicht der Beschaffenheit des Rückenmarks 
befinden, die man als Folge der Entzündung desselben ansieht, beweist aller¬ 
dings, daß unsere Lehre über die Entzündung dieses Teiles, wie positiv 
man sie auch ausspricht, auf sehr unvollkommenen Erfahrungen beruht. 
Man betrachtet als Folge der Entzündung die Erweichung des Rücken¬ 
marks, wovon uns Olli vier Beobachtungen mitteilt. Eheuso sieht man 
die Verhärtung eines Teiles des Rückenmarks als Folge der Entzün¬ 
dung an. Diese verschiedenartigen und sich entgegengesetzten Erschei¬ 
nungen können wir doch unmöglich als das Resultat einer und derselben 
Krankheit, am allerwenigsten der Entztinduug betrachten. Denn diese 
wird tödlich sein oder in Eiterung oder Brand übergehen. Es gibt 
keine andern Ausgänge der wahren Entzündung. Die in 
Leichen Vorgefundene Erweichung des Rückenmarks und seine Verhärtung, 
die mannigfaltigen Arten der krankhaften Abweichungen von seinem 
natürlichen Baue, die Veränderungen, die wir bald in der ganzen Dicke 
des Rückenmarks, bald nur an den Seitenteilen, bald nur au seiner 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 245 

vordem, bald nur an seiner hintern Fläche, bald an dem Nacken-, 
Rücken-, Lenden- oder Sakralteile des Rückenmarks finden, sind als 
isolierte Tatsachen wichtig, erlauben uns aber, so weit jetzt unsere Kennt¬ 
nisse reichen, noch keineswegs eine Konstruktion der Krankheiten, 
welche in diesen Veränderungen bedungen lagen . . . Alle Untersuchungen 
des Rückenmarks in Leichen, wovon wir in der Tat wenig gründliche 
besitzen, sind von denen, welche die Häufigkeit der Racheomyelitis ernst¬ 
lich zu beweisen bemüht sind, wunderbar benutzt worden, um die 
Richtigkeit ihrer Behauptung herzustellen, aber in der Tat ist man aus 
Leichenuntersuchungen oft nicht zu erraten imstande, welcher Teil der 
ursprünglich leidende war, ob die Wirbelsäule oder das Rückenmark 
oder die Nerven, die aus ihm entspringen oder von welcher Natur die 
Krankheit war, welche das Leiden bestimmte. Die Zusammenstellung der 
Tatsachen, die man im allgemeinen als Beweise einer Rückenmarks¬ 
entzündung betrachtet, beweist nur, daß bei verschiedenen Krankheiteu 
eine große Reihe mannigfaltiger Zufälle mit oder ohne Lähmung statt¬ 
hatte, bei welchen man nach dem Tode krankhafte Aftektionen des 
Rückenmarks fand, die man als Folge einer Entzündung dieses Organs 
betrachtete. Ist in diesen Fällen eine krankhafte Affektion einzelner 
Nerven, die aus dem Rückenmark entspringen, nicht hinreichend, die 
Zufälle zu erklären, die wir an den Kranken finden und kann diese 
Affektion, wenn sie lange gedauert hat, nicht an der Ursprungsstelle der 
leidenden Nerveu im Rückenmarke selbst krankhafte Veränderungen 
zur Folge haben?“ . . .„Wenn man den ältern Ärzten den Vorwurf macht, 
daß sic die Entzündung des Rückenmarks fast ganz außer acht ließen 
oder sie mit sehr unschicklichen Namen belegten, so möchten die neuern 
sich zwar unbestreitbar das Verdienst aneignen können, eine richtige 
Benennung für diese Krankheit aufgefunden zu haben, der Folgezeit 
wird es indessen Vorbehalten sein, unsere Ansichten darüber zu berich¬ 
tigen und die erste möchte darin bestehen, daß wir eine in der Tat 
seltene Krankheit viel zu häufig gesehen zu haben wähnen. . . Die 
mannigfaltigen Leiden des Rückenmarks, die wir als Ursachen verschie¬ 
dener krankhafter Erscheinungen betrachten, die sich langsam ausbilden, 
bei welchen wir nach dem Tode pathologische Veränderungen finden, 
haben wir in der Mehrzahl als Folge krankhaft gesteigerter Kongestionen 
des Blutes in diesen Teilen oder als Fehler der Ernährung derselben, 
die sich aus mannigfaltigen Ursachen bilden können, zu betrachten, wo¬ 
von uns auch anatomische Tatsachen überzeugen.“ — Kap. XCIX be¬ 
kämpft die Ansicht, daß Tetanus, Trismus, Opisthotonus, Emprostho- 
tonus, Chorea, Hydrophobie u. a. Affektionen auf Rückenmarksentzünduug 
beruhen. 

Sehr richtig sagte auch Schreiter (Heilverfahren auf der 
mediz. Klinik f. Wundärzte, Prag 1831) von der „Rückenmarks¬ 
entzündung“ : „Unstreitig gehört die bessere Einsicht in das Wesen 
ihrer Erscheinungen zu den glücklichsten Bereicherungen der Kunst. 
Eben darum aber muß man sich hüten, in den entgegengesetzten 


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Fehler, der so häufig bei neuangeregten Untersuchungen zum größten 
Nachteile der Sache vorzukommen pflegt, zu verfallen, überall nur 
dieser Krankheitsform zu begegnen und ihr einen monokratischen 
Einfluß vindizieren zu wollen.“ 

Ein Hauptvertreter der Richtung, welche der „Rückenmarks¬ 
entzündung“ einen maßlos ausgedehnten Spielraum einräumte, war 
der Linzer Professor der Geburtshilfe Hinterberger 1 ,) ein erstaun¬ 
lich fleißiger, aber wenig kritischer Beobachter, der sich unter 
anderem zu der Behauptung verstieg, daß das Wesen der Cholera 
in einer Entzündung des Rückenmarks zu suchen sei (1832). 
Seine kuriosen Argumente besitzen freilich nur mehr historisches 
Interesse. 

Hinterberger veröffent lichte in der Sa Ixburger medizinisch- 
chirurgischen Zeitung 1832 (Nr. 27 ff.) den Aufsatz: „Beschreibung 
der Sektion einer C h o 1 e r a 1 e i c h e, wobei vorzüglich Ent¬ 
zündung der weichen R ü c ken m a r ks h au t gefunden wurde 
und wodurch vielleicht einer der wichtigsten Auf¬ 
schlüsse über den Sitz der Cholera erlangt werden 
könnte,“ In seinem Fall bildete die weiche Rückenmarks!)aut um das 
ganze Rückenmark ein hellrotes Gefäßnetz, durchschlängelt mit einigen 
schwarzen, roten und veilchenblauen Gefäßen; der ganze Pferdeschweif 
hatte ein hell- und dunkelrotes Aussehen, welches bei genauer Besichti¬ 
gung von Blutgefäßen herkam, die denselben durchzogen. Er verweist 
darauf, daß schon früher einige Arzte in Choleraleichen Injektion und 
Hyperämie der Meningen beobachtet hätten, und auf die Ansicht Funks, 
wonach Trismus auf Entzündung der Pia beruhe. Während sich bei 
Trismus und Cholera eine Entzündung der Pia vorfinde, liege der akuten 
Myelitis nach seinen Erfahrungen meistens eine Entzündung der Dura 
zu Grunde. — Die Vermutung, daß das Wesen der Cholera in einer 
Entzündung des Rückenmarks (mit Beteiligung des Vagus) bestehe, hatte 
er schon ein Jahr zuvor in seinem Buche, Abhandlung über Ent¬ 
zündung des Rückenmarks und Beiträge zur Erforschung 
d. Cholera morbus (Linz 1831) zu begründen versucht, indem er 
eine Analogie der klinischen Symptome (Schwindel, Schmerz im Kopf, 
Nebel vor den Augen, Harthörigkeit, Angstgefühl, Zittern, Herzklopfen, 
krankhafte Empfindung in der Herzgrube, Schmerz in der Nabelgegend, 
Sehnenhüpfen, Schmerz in den Extremitäten usw.) zwischen der Cholera 
und der „Myelitis“ aufgedeckt zu haben glaubte. Die Rückenmarks¬ 
entzündung charakterisierte er durch die drei Merkmale: „Eine vorherr- 

l ) Hinterberger war, wie er selbst sagt, namentlich durch einen 
Aufsatz von Meissner (in Siebolds Journal für Geburtshilfe, Bd. 7) 
angeregt worden, der über eine eigentümliche Rückenmarksaffek¬ 
tion der Schwangeren und G ebäreuden Mitteilung machte. 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 247 


sehende Krankheitsform, unter welcher sic sich gleichsam ausspricht, 
ferner einen Schmerz in der Herzgrube oder unter dem oberen Teil der 
weißen Bauchlinie und endlich einen immer konstanten Schmerz in einer 
oder der anderen Partie der Stachclfortsätze des Rückgrats, welcher dem 
vorherrschenden Leiden entspricht.“ „Bei der Sektion von akuten Fällen 
findet man dio harte Rückenmarksbaut mehr oder minder gerötet, ja 
auch ziegelrot, die weiche von einem reichhaltigen Gefäßnetze durch¬ 
zogen, das Rückenmark stellenweise erweicht, den hintern Teil des 
Wirbelkanals außer den Häuten mehr oder minder vom Blute strotzend, 
oft ganz schwarz, als sei eine Blutergießung geschehen; die Aorta und 
Cava . .. sind mehr oder minder entzündet... In allen Brust- und Bauch- 
eingeweiden finden sich endlich deutliche Spuren von Entzündung.“ 
Hinterbergers 12 Krankengeschichten, in denen er die Diagnose 
verborgene Rückenmarksentzündung stellte, lediglich auf Grund der 
Empfindlichkeit einzelner Wirbel bei Fingerdruck oder 
bei der Untersuchung mit einem heißen Schwamm, schildern 
Fälle von Kopfaffektion, Amaurose, Brustaffektion, malignem Wechsel¬ 
fieber, Puerperalfieber, Erbrechen, Bleikolik, Ruhr, Spondylarthrokake usw. 

Zum besseren Verständnis der uns heute ganz seltsam anmu¬ 
tenden Verirrung möge hier darauf hingewiesen werden, daß der 
damalige klinische Begriff „Myelitis“ — gegründet auf 
das Phänomen der Wirbelempfindlichkeit — zum Teil die pri¬ 
mitive Vorstufe des späteren Begriffs „Spinalirrita¬ 
tion“ bildete. Tatsächlich wird auch in Stillings bekanntem 
Werke über die Spinalirritation gerade Hinterberger als einer 
der wichtigsten deutschen Vorläufer rühmend hervorgehoben. 

Die außerordentliche Unklarheit des Krankheitsbildes der 
„Myelitis“, dem die mannigfachsten Affektionen ihre Züge leihen 
mußten, die verschwommenen Vorstellungen über die anatomischen 
Grundlagen spiegeln sich deutlich wieder in Lehr- und Handbüchern 1 ), 
in den akademischen Probeschriften der Zwanziger- und Dreißiger¬ 
jahre. Wir wollen insbesondere auf Josef Franks Praxeos medicae 
universapraecepta, beziehungsweise auf das einschlägige Kapitel darin, 
DeRhachialgitide (1. c. Pars H, Vol. I., Sect. II., Lips. 1821), hin¬ 
deuten, wo sich zwar eine Fülle von literarischen Angaben, manche 
gute Eigenbeobachtung, eine pedantisch genaue Verwertung aller 
inzwischen aufgestapelten Erfahrungen, aber bei allem Reichtum 
an Einzeldaten keine scharfe symptomatische Abgrenzung der Myelitis 
vorfindet. 


*) Vergleiche z. B. diejenigen von Hildenbrand, Raimann, 
Schönlein. 


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Auch die 2. Auflage (Lips. 1841) des Buches, welche wir 
benützten, bietet nur Erweiterungen, aber keinen vorgerückteren Stand¬ 
punkt. Frank definiert die Rückenmarksentzündung als inflammatio 
medullae spinalis et meningum eam ambientium, febre, dolore spinae et 
affectionibus multifariis partium ab illa nervös accipientium, stipata. Bei 
der Darstellung des Symptomenkomplexes sind unter anderem auch die 
Beobachtungen stark herangezogen, welche in F&llen von Zerebrospinal- 
meningitis der Kinder gemacht worden waren. Als Sektionsbefund ist 
folgender angeführt: Cranio a specu vertebrali separato serum cruentum, 
purulen tum, prosiliit. Sedes illius nunc inter vertebras et meninges, nunc 
inter meninges et medullam, nunc ubique locorum, ita ut specus inun- 
dationem coramhabere dixeris. Observatapraeterea fiiere: periosteum verte- 
brarum erosum, vertebrae friabelesetquandoque carie detentae: meninges 
extenuatae, longe vero saepius, ut vidiraus incrassatae, rubellae, matcrie 
puriformi obductae, cum ossificatione magnitudinis seminis cucumeris, cum 
punctulis caitilagineis cretae instar albis: m e d u 11 a punctis rubris notata. 
vasis veluti arte injectis, emollita, firmior, scirrhosa, lynipha coagulabili 
vel gelatina tremula obducta, suppuratione detenta, variis in locis consumta 
aut degenerata. Nervi ischiadici et crurales phlogosi correpti. Cerebrum 
saepe normale, alias inprimis cum cerebello inflammatum. Den Unter¬ 
schied zwischen der Rhachialgia und der Rhachialgitis, dem Rücken¬ 
schmerz und der Rückenmarksentzündung betont F. zwar kräftig (differential - 
diagnostisch komme namentlich das Fieber in Betracht), doch läßt er es 
unentschieden, ob nicht der größte Teil der Rhachialgien auf chronischer 
Entzündung beruhe. Er unterscheidet als Formen der Rhachialgitis die 
R. rhachialgica, tremefaciens, convulsiva, tetanica, paralytica*, der Ätio¬ 
logie nach die R. traumatica, inflammatoria, rheumatica, gastrica, arthritica. 
nervosa, unter den chronischen Arten zählt er auch die R. syphilitica auf. 

Noch weniger präzis ist die Charakteristik, die Ludw. Willi. 
Sachs in seinem Handbuch des natürlichen Systems der praktischen 
Medizin (Leipzig 1828/29) von der Myelitis entwirft. Dieser etwas 
natur-philosophisch angehauchte Autor erblickte das Wesen derselben 
in einer gestörten Harmonie zwischen Hirn und Rücken¬ 
mark, zwischen Rückenmark und Gangliensystem, er 
erklärte demgemäß die Symptome aus Funktionsstörungen des Vagus, 
Phrenicus und Sympathicus. Im Krankheits verlauf unterschied er 
vier Stadien. 

Sachs charakterisiert die Krankheit folgendermaßen: Schmerz im 
Rückgrat, unwillkürliche stoßweise Bewegungen einer oberen oder unteren 
Extremität, Gefühl wie von durchkreuzenden heftigen elektrischen Schlägen, 
heftige Unruhe und Angst, Unordnung und Verwirrung des Herz- und 
Arterienpulses, lange ausbleibende Nieren- und Darmsekretion, Trieb 
dazu, Taubsein und Kricbeln in den Extremitäten, eigentümliche Delirien, 
erschwerte Inspiration, Verwirrung und Verfall der Sprache, Lähmungen, 
durch Zuckungen unterbrochen, Fieber. 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 24f> 

Gegen diese Charakteristik erhob Jahn (Mediz. Conversations- 
blattl831) Einw&nde, indem er darauf hinwies, daß manche der Symptome, 
wie namentlich die Alterationen der Herztätigkeit, die Angst und Unruhe 
auch in den Anfangsstadien anderer Krankheiten, z. B. der exanthema- 
tischen, Vorkommen. 

Beeinflußt von Sachs ist die Wiener Dissertation von Winternitz, 
De myelitide (1834), aber ohne der nüchternen Kritik zu entbehren (im 
übrigen folgt der Verfasser hauptsächlich Jos. Frank und Hilden¬ 
brand). W. tadelt es, daß die meisten Anhänger von Sachs in ein¬ 
seitigster Weise fast alle Krankheiten auf Rückenmarksentzündung zurück- 
führen. Er verweist auf die Verwechslungen mit Spondylitis, „Neurilem¬ 
ms titis et Myositis rheumatica“, Hysterismus, Affektionen innerer Organe, 
Hämorrhoidal- und Menstrualstörungen. Myelitis könne möglicherweise 
von Meningomyelitis dadurch unterschieden werden, daß bei erstercr 
Druck auf die schmerzhafte Stelle am Rücken den Schmerz nicht steigere. 
Ausgänge der Krankheit seien: Heilung, konsekutive Affektionen (Hydro- 
rhachis, Verwachsung der Meningen, Eiterung, Tabes), Tod durch Apoplexia 
medullaris. Die Autopsie ergebe außer krankhaften Veränderungen der 
Meningen, Erweichung des Marks, Verflüssigung derselben (Zusammen¬ 
fließen der weißen und grauen Substanz „in massam flavescentem grisearn“), 
Induration. In der Symptomatologie und Pathologie stützt sich W. auf 
Sach 8. Die Meningomyelitis hält er für die häufigste Form, daher 
den Versuch, die Meningitis von der Myelitis zu sondern, praktisch für 
wertlos, auch meint er, daß die Symptome der Myelitis cervicalis, dorsalis, 
lumbalis in einander übergehen; zu den ätiologischen Faktoren rechnet 
er auch den Genius epidemicus (epidemisches Auftreten hauptsächlich 
meningo-myelitischer Formen). Außere Ursachen der Erkrankung seien 
Traumen, unzweckmäßige reizende Heilmittel an der Wirbelsäule appliziert, 
Insolation, Refrigeration. Innere Ursachen: Wirbelaffektionen, körperliche 
und geistige Überanstrengungen, Kachexien, Rheuma, Scharlach, Rötel. 
Unter den der Dissertation angchängten Thesen sind die beiden folgenden : 
Myelitis non adeo rarus, ac vulgo creditur, morbus . . . Divisio in myeli- 
tidem et meningo-myelitidem sterilis. 

Den Hauptideen von Sachs begegnen wir auch in der Dissertat. 
von ßud. Leonhardi de Myelitide (Lips. 1830), welche eine aus¬ 
gezeichnete und dabei kritische Übersicht über den erreichten Wissens¬ 
stand bietet. Nicht nur die physiologischen Fortschritte in der 
ßückenmarkslehre, sondern auch die schon durchsickernden patho¬ 
logisch-anatomischen Ergebnisse der französischen Forschung finden 
in dieser Arbeit Verwertung oder doch mindestens Erwähnung. Ein 
freilich noch nicht berechtigter Enthusiasmus leuchtet aus deu 
Worten hervor: „Nostra demum aetas gloriam sibi vindi- 
cavit, hunc morbum, cui ipsum nomen hucusque 
deerat, accuratius inquirendi clariusque il lus trandi. u 


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Nicht wenige Fehldiagnosen der Vorgänger, welche z. B. Tumoren 
oder Spondylarthrokake mit Myelitis zusammenwarfen, weist 
Leonhardi treffend nach, und unter Berücksichtigung der damaligen 
Wissensstufe können seine Ausführungen wirklich als sehr gelungen 
bezeichnet werden. Die „Tabes“ betrachtet auch er als eine Form 
der chronischen Myelitis. 

Leonhardi bespricht, nach einer Einleitung über die Fortschritte 
in der Physiologie und Pathologie des Rückenmarks, kritisch die Haupt¬ 
ansichten in der Myelitis-Frage, „novo quasi morbo nuper demum accu- 
ratius descripto, cujus symptomata, natura at ipsum nomen vel ante 
decem lustra nondum erant satis nota ac perspicua et nostro quoque 
aevo novam quasi morbi repraesentant imaginem.“ Hinsichtlich des Vor¬ 
kommens schlägt er den Mittelweg ein, indem er die Krankheit zwar 
für keine alltägliche, aber auch nicht seltene erklärt. Die Trennung der 
inflammatio meningea von der inflammatio medullaris hält er für praktisch 
undurchführbar — „forsitan futura aetas signa, quibus inflammatio 
medullae ab inflammatione thecarum ejus distingui possit, certiora quam 
quae adhuc constant, inveniet“. 

Nach Sachs seien vier Stadien zu unterscheiden, nämlich das 
stad, irritationis s. incipientis inflammationis, das stad, 
excultae inflammationis s. aeme morbi, das stad, inci¬ 
pientis exsudationis, das stad, conformatae paralyseos. 
Die Symptome der 4 Stadien sind folgende. Erstes Stadium: Nach all¬ 
gemeinem Unwohlsein tiefsitzeuder Schmerz in der Wirbelsäule, der durch 
Beugung oder Drehung, nicht aber durch Druck vermehrt wird, Hitze¬ 
gefühl, ausstrahlender Schmerz nach Rumpf und Extremitäten, Unruhe, 
Angstgefühl, beschleunigter Puls, geringes, mauchmal heftiges Fieber, 
manchmal Nackenstarre, Sprachstörungen, Respirationsbeschwerden, Stö¬ 
rungen der Blasen- und Darmfunktion. Zweites Stadium: Steigerung des 
Rückenschmerzes, besonders bei Beugung, weshalb Patient unbeweglich 
auf dem Rücken liegt, Ameisenlaufen vom Rücken nach den Gliedern, 
Temperatur wechselnd, Hitzegefühl im Rücken, Erschwerung des 
Atmens und Sprechens, der Bewegung der Extremitäten, der Harn- 
und Stuhltätigkeit, bisweilen Konvulsionen in den Extremitäten, 
Einschlafen und Starrheit der Finger, unregelmäßiger Puls, Angst¬ 
gefühl, Unruhe, manchmal Zerebralerscheinungen. Drittes Stadium: Ab¬ 
nahme der Schmerzen, des Hitze- und Angstgefühls, Zunahme der 
Steifigkeit in Händen und Füßen, Formikation, später Parese der Ex¬ 
tremitäten, Zeichen von Schling- oder Sprachlähmung, Blasen- und 
Uektumlähmung, leichte Delirien, kleiner unregelmäßiger Puls, Angst¬ 
gefühl, Kräfteabnahme. Viertes Stadium: Freisein von Schmerz, aber 
Erschlaffung, Respirationsstöruugen, Incontinentia uriuae et alvi, Facies 
Hippocratica, zuweilen Zittern des ganzen Körpers, zuweilen Stupor, der erst 
auf Reiben weicht. Symptome der Myelitis cervicalis: Nackenstarre, 
Erschwerung der Armbewegung, Hinterhauptschmerz, Sopor oder Coraa 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur« 251 


vigil, Erschwerung des Sprechens und der Atmung, Zuckung der Gesichts¬ 
muskeln, des Nackens, der Arme, später Lähmung. M. cerv. sehr selten. 
Myelitis dorsalis: Torpor der Bauchmuskeln, Erschwerung der Be¬ 
wegung der oberen Extremitäten, Schmerz in der Brust und den Armen, 
in den Hypochondrien, Dyspnoe, Angstgefühl, Herzpalpitation, Dyspepsie 
usw. Myelitis lumbalis: Schmerz in der Inguinalgegend, im Becken 
und in den Schenkeln, Ischias, Störung der Bewegung der unteren Ex¬ 
tremitäten, Affektion des Darmes, der Niere, der Blase (Ischurie, Dysurie, 
Inkontinenz), Abmagerung. Myel. lumb. häufigste Form. Was die 
Myelitis chronica anlangt, so erstreckt sich dieselbe oft über mehrere 
Jahre, die Symptome treten langsamer ein und sind milder: Rücken- 
schmerz, chronische Neuralgien in der Abdominalgegend, krankhafte 
Erscheinungen seitens der Brust- und Bauchorgane, Zuckungen, Zittern, 
Erschlaffung der Kniegelenke, Schwäche der Beine und Lähmung der¬ 
selben, Kräfteverfall. Eine Form derselben sei die Tabes. Leonhardi 
weist darauf hin, daß manche Autoren das Krankheitsbild der Myelitis 
verwirrten, weil sie in Fällen von Tumor, Abszeß usw. fälschlich die 
Diagnose auf Myelitis gestellt hatten. Nach seiner Meinung sind die 
Hauptsymptome: Kontinuierlicher, tiefsitzender Rückensehmerz, der sich 
bei Drehung oder Beugung, nicht aber auf Druck steigere, Hitzegefühl 
im Rücken, Schwäche und Steifigkeit der Gelenke und der Bauch¬ 
muskulatur, zuletzt Lähmung, verschiedene Affektionen der vom Rücken¬ 
mark innervierten Organe, Angstgefühl, Fieber, Pulsalterationen. Der 
Verlauf ist abhängig von dem Grade und der Akuität der Entzündung, 
von den Komplikationen; besonders rascher Verlauf bei Kindern. 
Ausgänge: Bisweilen Heilung in kritischer oder lytischer Weise, 
Steigerung der Entzündung, Apoplexia spinalis, seröse oder lymphatische 
Exsudate (Hydrorhachitis), Erweichung, Abszeß, Gangrän; manchmal 
Induratio medullae, besonders bei Tabes. — Die Symptome der Myelitis 
erklären sich aus der physiologischen Mittelstellung, welche das Rücken¬ 
mark zwischen Gehirn und Gangliensystem einnehme. Hauptsymptome: 
Bewegungsstörungen, sei es Lähmungen, sei es Konvulsionen, dann 
Störungen in der Funktion des Gangliensystems. 

Ätiologie: Besonders neigen zur Erkrankung an Myelitis Men¬ 
schen von schwacher und reizbarer Konstitution, forsitan qui genitalia 
h ibent facillimo excitauda eaque idcirco saepe excitant. Gelegenheits¬ 
ursachen: Verletzung und Erschütterung der Wirbelsäule, Abusus veneris, 
Überanstrengung (Lastentragen), starke Abkühlung, Suppression der 
Hämorrhoiden oder Menses, unterdrückte Exantheme (besonders Scharlach, 
Blattern, Erysipel), Arthritis, Syphilis, Karies der Wirbelsäule u. a. — 
Leonhardi kritisiert die Ansicht mancher Autoren, welche Tetanus, 
Chorea, Epilepsie, Hydrophobie, Bleikolik auf Myelitis zurückführen, hält 
es aber bezüglich letzterer für möglich, daß die Medulla manchmal durch 
Gifte affiziert werde, auch meint er, daß Beriberi, Raphanic und eine 
in Brasilien einheimische Krankheit in die Gruppe der Rückenmarksent¬ 
zündung gehöre. 

Was die pathologisch-anatomischen Befunde anlangt, so 


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führt er auf Grund der Literatur die folgenden an: Entzündung der Meningen, 
Blutungen, seröse Exsudate, Hydatiden im Wirbelkanal; im Mark selbst 
entweder bloß rote Punkte oder weit ausgebreitete Röte, Erweichung oder 
selten Induration (besonders bei Tabes), Hypertrophie, Atrophie, Höhlen¬ 
bildung (cava sunt in ea sc. mcdulla formata), Tumoren. Nach Andral 
seien vier Grade der Erweichung zu unterscheiden, 1. nur durch das 
Messer, 2. durch das Auge erkennbar, 3. liquor floccidus, 4. fluidum. 

Therapie: Kausale Therapie beiSpondylarthrokake, Krümmung der 
Wirbelsäule, bei unterdrückten Exanthemen, unterdrücktem Hämorrhoidal- 
oder Menstrualfluß. Antiphlogose in frühen Stadien (Aderlaß, Schröpf¬ 
köpfe, Blutegel in loco affectionis, kalte Umschläge am Rücken, Kalomel 
mit Digitalis), ableitende Mittel (Senffußbäder, Vesikantien, Mercur- 
Digitnlissalbe am Rücken, ammoniakalische Einreibungen bei akuter 
Myelitis; Haarseile, Moxen, ferrum candens, Duschen bei chronischer 
Myelitis), Roborantien, kalte Bäder, diätetisches Regime, Behandlung 
der einzelnen Symptome, besonders der gestörten Harn- und Stuhl¬ 
entleerung. 

Eine vorzügliche Gesamtdarstellung der Myelitisfrage gibt das 
1834 in Schmidts Jahrbüchern publizierte Sammelreferat Fried¬ 
reichs. Was uns in demselben am meisten auffällt, ist die Tat¬ 
sache, daß die inzwischen von französischen Forschern erzielten 
pathologisch-anatomischen Ergebnisse auf die in Deutschland herr¬ 
schenden Anschauungen über die Rückenmarksentzündung nur 
wenig umgestaltend eingewirkt hatten. Und doch war seit dem 
ersten Erscheinen von Olliviers berühmter Schrift „de la moelle 
^piniere et de ses maladies“, ja seit der Veröffentlichung einer 
deutschen Übersetzung derselben durch Just. Radius bereits ein 
volles Jahrzehnt verflossen! 

In dieser Übersetzung (Leipzig 1824) lautet die wichtigste Stelle 
über Myelitis: „In vielen Beobachtungen, die als Beispiele dieser Krank¬ 
heit aufgeführt werden, ist der Sitz derselben nicht genau beschrieben, 
so daß man nicht weiß, ob die Substanz des Marks allein ergriffen 
war oder ob es seine Häute oder beide zugleich waren. Unbezweifelt 
hat man unter dem Namen von Rückenmarksentzündung viele Fälle 
von einfacher Entzündung der Spinnwebenhaut desselben beschrieben: 
Gewöhnlich findet man das Mark erweicht, mehr oder weniger desorgani¬ 
siert und bisweilen in eine gelbliche, eiterähnliche Flüssigkeit verwandelt. 
Die Erweichung begreift bald den ganzen Querdurchmesser des 
Rückenmarks, bald nur einen größeren oder kleineren Teil einer Seiten¬ 
hälfte. Bald ist sie nur auf der vorderen, bald nur auf der hinteren 
Fläche zu finden; bisweilen nur an der Kopfwende oder an irgend einer 
einzelnen Stelle des Halses. In manchen Fällen ist der Umfang des 
Markes an der erweichten Stelle vergrößert. Mehrere Ärzte, und unter 
ihnen Re ca mi er, betrachten diese Erweichungen als ein eigentümliches 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 253 

Leiden des Nervensystems, gänzlich unabhängig von Entzündung. Man 
findet in der Tat häufig Erweichungen der Rückenmarkssubstanz ohne 
irgend eine wahrnehmbare Spur von örtlicher Blutanhäufung, aber häufig 
sind auch die umgebenden Häute an der leidenden Stelle rot und ver¬ 
dickt und ihre Gefäße mit Blut erfüllt; ja man nimmt bisweilen sogar 
die zur Marksubstanz gehenden, in dem naturgemäßen Zustande nicht 
sichtbaren Gefäße deutlich wahr, wodurch eine mehr oder weniger 
dunkelrote Farbe des Markes entsteht. Unter diesen Umständen 
kann man nich t zweifeln, daß die Erweichung Folge einer 
wahren Entzündung sei. Die Lenden- und nach ihr die Hals¬ 
anschwellung werden unter allen Teilen des Rückenmarks am häufigsten 
erweicht und desorganisiert gefunden. Sie enthalten die größte Menge 
grauer Substanz und mithin die zahlreichsten Blutgefäße. Diese Beob¬ 
achtung scheint zu Gunsten der Schriftsteller zu sprechen, welche die 
Erweichung als Folge der Entzündung ansehen . . . Schon lange ist es 
bekannt, daß die Entzündung nicht in allen verschiedenen Geweben die¬ 
selben Veränderungen hervorbringt. In dem Nervensysteme bringt sie 
zwei sehr verschiedene und durch die pathologische Anatomie dargetane Ver¬ 
änderungen hervor, Erweichung, von der wir soeben gesprochen haben, 
und Verhärtung, welche mehr oder weniger bedeutend und bisweilen 
mit beträchtlicher Umfangsvermehrung verbunden ist. .. Wenn die Ver¬ 
härtung beträchtlich ist, so gleicht die Nervensubstanz hinsichtlich ihrer 
Konsistenz, Dichtigkeit und äußeren Ansehens dem durch Kochen er¬ 
härteten Eiweiß. Man bemerkt kein Gefäß in der Mitte des veränderten 
Teiles. In vielen Fällen beobachtete man auch Verhärtung ohne irgend 
eine Gefäßerfüllung weder des Marks noch seiner Hüllen, woraus her¬ 
vorgeht, daß diese Veränderung unabhängig von Entzündung war. . . 
Wenn Verhärtung Folge von Entzündung ist, so scheint cs, daß nach 
den angeführten Beobachtungen, daß letztere chronischer Art gewesen 
sein müsse, denn man hat diese Affektion nur an solchen Personen ge¬ 
funden, welche lange Zeit vor ihrem Tode Symptome von Nervenleiden 
zeigten. Den nämlichen Charakter hat oftmals auch die Entzündung, 
welche Erweichung hervorbringt, ungeachtet diese andere Male Folge 
einer akuten und sehr schnellen Verlauf machenden Entzündung der 
Nervensubstanz ist.“ 

Zur Auffassung 011 i v i e r s, hinsichtlich des Zusammenhangs 
der Myelitis und der Myelomalacie, schwang sich die deutsche 
Nervenheilkunde im 3. und 4. Dezennium des 19. Jahrhunderts nicht 
empor, hauptsächlich aus dem Grunde, weil eben pathologisch¬ 
anatomische Begriffe im medizinischen Denken die 
traditionellen vagenklinischenKrankheit'stypennoch 
nicht zu verdrängen vermochten. Wir begegnen ja der 
gleichen Erscheinung auch auf allen übrigen Gebieten der deutschen 
Medizin dieser Epoche. 

Es soll keineswegs bestritten werden, daß man von den Er- 


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rungenschafteu der französischen und englischen Neuropathologie 
verhältnismäßig rasch Kunde empfing und davon auch Gebrauch 
machte; auch muß zugegeben werden, daß in der deutschen Literatur 
Fälle von Rückenmarkserweichung schon früh vereinzelt beschrieben 
worden sind, ja unter den mannigfachen Sektionsbefunden der 
„Rückenmarksentzündung“ wird hie und da sogar ausdrücklich der 
Erweichung gedacht (z. B. von Funk und Leonhardi); was aber 
das Wichtigste ist, die von Olli vier vertretene Idee von dem 
engen Zusammenhang der Begriffe Myelomalacie und 
Myelitis drang noch nicht durch. Beide, die Myelomalacie 
und die „Myelitis* im älteren überkommenen Sinne, fanden einst¬ 
weilen jede für sich ihre eigene Darstellung. 

Es sind namentlich zwei Werke, welche dieses Verhältnis 
beleuchten. Hess es Schrift Über die Erweichung der Ge¬ 
webe und Organe (Leipzig 1827) und Ph. Fr. Wilh. Vogts 
Abhandlung Über die Erweichung des Gehirns und des 
Rückenmarks (Heidelberg und Leipzig 1840). 

Hesse schließt sich eng an die französische Pathologie an, 
aber er entscheidet sich im Gegeusatz zu Ollivier in der Malacie- 
frage für den Mittelweg, indem er eine entzündliche und 
eine nichtentzündliche Erweichung unterscheidet 1 )* „Bei 
unbefangener Erwägung der Erfahrungen über die Rückenmark— 
erweichung sieht man sich genötigt, eine entzündliche und eine 
nichtentzündliche Art derselben anzunehmen. Es ist aber dabei 
noch wohl zu bedenken, daß die Entzündung nicht bloß ursächliches 
Moment der Erweichung, sondern in manchen Fällen auch Folge 
derselben sein kann, indem die Natur entweder durch die ihr fremd 
gewordene Desorganisation zur Erweckung des entzündlichen Pro¬ 
zesses gereizt wird oder die erweichte Substanz gleichsam dadurch 
abzustoßen sucht, ähnlich dem Hergang, welcher beim Brande eiu- 
tritt.“ — „Die Krankheit kann sicher auch, wie die des Gehirns, 
auftreten, ohne daß Zeichen der Entzündung, wie ausgespritzte 


*) In der französischen Pathologie machten sich übrigens drei 
Richtungen in der Malaciefrage geltend. Eine Gruppe von Forschern 
(Lallemand, Bouillaud, Ollivier) betrachtete die Erweichung 
stets als Eutzündungsfolge, eino zweite iRecamier u. a.) sahen sie als 
einen von der Entzündung verschiedenen Vorgang, eine dritte endlich 
(Andral, Cal m eil, Rost an) unterschied eine entzündliche und eine 
nichtcntzündliehe Erweichung. 

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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 255 


Gefäße, Eiter, ausgeschwitzte Lymphe usw., in den erweichten 
Stellen oder in den benachbarten Teilen des Rückenmarks oder in 
seinen Häuten oder im Kückenmarkskanale Vorkommen oder ohne 
daß Blutaustretungen und die genannten Abweichungen im Rücken* 
marke vorgefunden werden, wobei zugleich auch die Symptome der 
Rückenmarksentzündung fehlen... Gewiß ist auch bloße entzünd¬ 
liche Röte nicht immer ein so fester Beweis für Entzündung, wie 
man gewöhnlich annimmt.“ 

In der Einleitung zu seiner Monographie über die Erweichung sagt 
Hesse: „Es gehört zu den größten Hereicherungen, welche die Arznei¬ 
kunde unserer Tage der immer herrlicher aufblühenden pathologischen 
Anatomie verdankt, daß sie uns zur Entdeckung der Erweichung als 
einer neuen Krankheitsgattung geführt hat.“ Was die Myelomalacie an¬ 
langt (S. 63—87), so hält er die gelbe Erweichung für die häufiger 
vorkommende, die dunkelrotc für die seltenere Form (wegen der 
Seltenheit von Blutaustritt in den Wirbelkanal und in die Rückenmark¬ 
substanz). Die dunkelrote Farbe der Erweichung finde sich noch am 
häufigsten nach Verletzung des Rückenmarks. Die Medulla ist entweder 
nur weniger weich als gewöhnlich oder die Weichheit steigert sich selbst 
bis zum Flüssigwerden; je höher der Grad der Erweichung, desto mehr 
verschwindet der Unterschied zwischen grauer und weißer Substanz. Die 
Erweichung ist ganz selten total, bisweilen disseminiert, zumeist 
nur partiell, manchmal nur auf einer Seite oder nur in der vorderen 
oder hinteren Hälfte des Rückenmarks, die Lenden- und Halsanschwellung 
ist am häufigsten ergriffen. Der Erweichungsprozeß verbreitet sich ent¬ 
weder auf die benachbarte gesunde Substanz oder die Umgebung zeigt 
Spuren von Gefäßausschwitzung, oder wirkliche Entzündung oder Verhärtung. 
Die Erweichung kommt vor: 1. zusammen mit akuter 
oder chronischer Entzündung des Rückenmarks allein 
oder zugleich seiner Häute oder selbst des Rückgrats; 
2. mit aus innern Ursachen entstandenen Blut¬ 
ergießungen in den Wirbelkanal; 3. mit Tuberkeln, Ver¬ 
härtung des Rückenmarks, Hy drorrh achis; 4. allein. Die 
in Fällen von Verletzung der Wirbelsäule oder des Rückenmarks vor¬ 
kommenden erweichten Stellen haben ein mehr oder weniger entzündetes 
Aussehen, sind rötlich gefärbt und zeigen sich von Blutgefäßen injiziert 
oder sie erscheinen dunkelrot bis schwarz infolge des ausgetretenen, 
beziehungsweise in die Substanz des Marks infiltrierten Blutes. Erweichung 
werde auch nach Erschütterung des Rm. beobachtet. Ob die Blutung 
Ursache oder Folge der Erweichung sei, lasse sich nicht entscheiden, 
möglicherweise könne eie beides sein. Ätiologie: Traumen, seröse oder 
hämorrhagische Exsudate, Tumoren, Exostosen der Wirbelsäule; innere 
Ursachen, und zwar Alkoholismus, Rheumatismus, Erkältung, psychische 
Affekte, Unterdrückung der Menses, Onanie. Die Myelomalacie kommt 
in jedem Lebensalter vor, nur lieget! über diejenige bei Greisen noch 


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wenige Beobachtungen vor. Hesse vermutet, daß sich Rückenmarks¬ 
erweichung auch als Folge langwieriger Krankheiten, bösartiger „Nerven¬ 
fieber“ entwickeln könne und daß sie zu ihrem Entstehen eine gewisse 
Kachexie, körperliche oder psychische Schwächung voraussetzen. Aus¬ 
gänge: Einmal eingetretene Desorganisation mache die Restitution wahr¬ 
scheinlich unmöglich, Ausheilung könne nur in noch wenig entwickelten 
Fällen erfolgen; ist der Prozeß noch nicht weit vorgeschritten, so könne 
er in Atrophie oder Verhärtung übergehen. Bezüglich der Therapie 
bemerkt Hesse, daß sie wohl nie eigentlich kurativ, sondern nur pro¬ 
phylaktisch sein könne, denn, wenn einmal Lähmung eingetreten, so 
sei die Behandlung erfolglos. „Man weiß überhaupt noch gar 
nicht, welchen Erfolg irgend eine Behandlung in dieser 
Krankheit gehabt hat.“ In akuten Fällen kämen antiphlogistische 
Maßnahmen, in chronischen ableitende, reizende Mittel (aromatische 
Umschläge, Duschen, Reihungen, Rubefacientia, Ätzmittel) in Betracht. 

Im Hinblick auf die spätere Entwicklung, namentlich auf 
Virchows Nachweis der Erweichung als nekrobiotischen Prozeß, 
noch mehr im Lichte moderner Erkenntnis ist es gewiß sehr be¬ 
merkenswert, daß man schon so früh eine entzündliche und eine 
nichtentzündliche Form der Myelomalacie hypostasierte — in der 
kritischen Beurteilung darf man aber nicht außer acht lassen, daß 
die damalige anatomische Begründung nur unzureichend sein konnte 
und einstweilen bloß zu dem Versuch führte, eine klinische 
Differenzierung der „Myelitis“ und der Myelomalacie 
zu konstruieren. 

Hesse schildert das Krankheitsbild der, Myelomalacie auf 
Grund seiner Zusammenstellung folgendermaßen. Was zunächst die 
Schmerzen betrifft, so werden sie von manchen Autoren erwähnt, 
von andern nicht. Zerebrale Symptome kamen bei begleitendem 
Fieber o ler iu Fällen, wo das Gehirn in Mitleidenschaft gezogen 
war, zur Beobachtung: die motorischen Störungen bestanden bald 
darin, daß iu allen Extremitäten zugleich oder nur in den oberen 
oder unteren, meist schmerzhafte Steifigkeit, Kontraktionen auftraten, 
bald darin, daß die Beweguugslähigkeit geschwächt war oder daß 
Konvulsionen, welche sich bis zur „Epilepsie“ steigern können, 
stattfaudeu (in einigen Fällen Trismus oder Tetanus). Den Beschluß 
machte gewöhnlich völlige Lähmung, die aber nicht immer Kon¬ 
vulsionen zu Vorläufern hatte. Die Empfiudungsstörungen bestanden 
in Herabsetzung der Sensibilität, Gefühl des Einschlafens, Taubseiu 
der Glieder oder völliger Anästhesie. Das Empfindungsvermögen litt 
meistens in geringerem Grade als die Motilität und später als 


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Streifztige durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 257 

diese. Die Bewegungs- und Empfindungslähmung ist gewöhnlich 
eine aufsteigende, selten eine absteigende. Manchmal tritt zuerst 
auf der einen Seite Formikation, Kontraktur, Konvulsion, Lähmung 
auf, welche Symptome erst im weitern Verlaufe auf die andere 
Seite übergehen. Am seltensten fehlte die Lähmung, häufiger 
dagegen Konvulsionen und Empfindungsanomalien. Selten wurde 
erhöhte Reizbarkeit der Sinne, häufiger erschwertes Schlingen 
beobachtet. Harn- und Stuhltätigkeit waren anfangs erschwert, 
später trat Inkontinenz auf. Bisweilen erstreckten sich die Konvul¬ 
sionen auch auf die Bauchmuskulatur, wurde Schmerzhaftigkeit 
des Unterleibs und Gürtelgefühl unter den Symptomen angeführt. 
Konvulsionen der Gesichtsmuskeln, Respirationsstörungen fanden 
sich, wenn eine höhere Partie des Rückenmarks ergriffen war. Bei 
akutem Verlauf der Rückenmarkserweichung beobachtete man Fieber. 

Vogts Abhandlung über die Myelomalacie beruht auf reicher 
Literaturkenntnis, eigener praktischer Erfahrung und steht vorzugs¬ 
weise unter dem Einflüsse Andrals. Wir finden manche Bemerkung 
darin, welche von dem verhältnismäßig weit vorgerückten Stand¬ 
punkt des Verfassers Zeugnis gibt. 

Vogt unterscheidet drei Stadien im Krank hei ts verlauf der 
Myelomalacie: 1. das Stadium der beginnenden, 2. der ausgebildeten 
Krankheit, 3. der eintretenden allgemeinen Lähmungen. 

Symptome des 1. Stadiums. Schmerz an irgend einer Stelle 
der Wirbelsäule, dem manchmal, aber selten, leise Störungen der Motilität 
vorangehen. Der Rückenschmerz entspricht dem Krankheitssitz, 
dehnt sich aber nach auf- und abwärts aus, ist remittierend, exazer- 
bierend, steigert sich bei anhaltendem Aufrechtsitzen, bei Bewegungen 
(besonders wenn die Meningen in Mitleidenschaft gezogen sind), bei der 
Applikation des heißen Schwammes, aber nur ausnahmsweise durch 
äußeren Druck. Leichte Störungen der Beweglichkeit (zu¬ 
gleich mit dem Auftreten des Schmerzes, vor demselben oder nachher), 
verminderte Kraft und Ausdauer, leichtes Ermüden beim Gehen. Gefühl 
von Erstarrung in den Fingern und Zehen. Gang wird schwankend, 
schleppend und unsicher, die Beine vazillicren, die Hände und Arme 
können nicht mehr zu exakten Bewegungen gebraucht werden, oft auch 
nicht mehr zu gröberen gewohnten Arbeiten. Schwächere Funktion der 
Brustmuskeln (vorwiegend Bauch atmen), beginnende Störungen der Harn- 
und Stuhltätigkeit. Bei Mitbeteiligung der Meningen veitstanzähnliche 
Zuckungen, wenn Bewegungen auszuführen versucht wird, Zittern, 
anfallswcise Erschütterungen wie von elektrischen Schlägen, Ausbildung 
von Kontrakturen. Oft noch gar keine Empfindungsstörungen, bisweilen 
aber Formikation und Kriebeln in den Extremitäten oder ein undeutliches 
Gefühl, als ob die Gegenstände nicht unmittelbar die Haut berühren. 

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Nichtkonstante konsensuelle Störungen der Respiration, Zirkulation, der 
Darm-, Nierenfunktion. Fieber bei chronischer Myelomalacie fehlend oder 
mehr von lenteszierendem Charakter, bei akuter M. Reizfieber. 

Symptome des 2. Stadiums. Allmähliche Verstärkung, und 
Ausbreitung der bisherigen Symptome oder plötzliche Verschlimmerung 
(totale Lähmung — Apoplexia spinalis — Irregularität der Atmung 
und Zirkulation — Erbrechen, Koliken — Krämpfe), oft wieder darauf¬ 
folgende Remission der Erscheinungen. Hauptsymptome: Verstärkung des 
Rückenschmerzes und Irradition desselben, komplette Lähmung der 
Extremitäten, beziehungsweise der Muskeln (bei hohem Krankheitssitz 
der äußern Respirationsmuskeln), Verstopfung ohne oder mit gleichzeitiger 
Ischurie oder Incontinentia urinae, tetanische Steifigkeiten, besonders in 
den untern Extremitäten, Kontrakturen. Klonische Krämpfe selten, dagegen 
fast immer tetanische Spannungen, namentlich wenn die Meningen mit¬ 
beteiligt sind. Empfindungsvermögen oft nicht gestört, oft stumpfer, oft 
erhöht, das heißt bis zu starken Schmerzen in den gelähmten Teilen 
gesteigert. Schwäche und Abmagerung. In akuten Fällen typhöses Fieber, 
in chronischen zumeist lenteszierendes Fieber. 

Symptome des 3. Stadiums. Lähmungen und Kontrakturen 
immer bedeutender, Sinken der Kräfte, adynamisches Fieber, Ernährungs¬ 
störungen, oft Dekubitus, Gangrän oder Unterleibsaffektionen, Dyspnoe, 
welche den Exitus herbeiführen oder letaler apoplektischer Anfall. 

Der Verlauf der Myelomalacie bietet große Verschiedenheiten dar. 
Es gibt Fälle von bloß stundenlanger Dauer und solche, die sich über viele 
Jahre erstrecken. Die Variationen beziehen sich hauptsächlich auf die 
Sensibilitätsstörungen und Schmerzen, seltener auf die Motilitätsstörungen, 
bei den chronischen Formen bemerkt man eher ein gewisses Schwanken 
der Symptome mit zeitweiliger Remission, stoßweise Verschlimmerung. 

Symptomatologie, je nach der Lokalisation. Im 
Zervikalteil des Murks: Schmerz im Nacken, Motilitäts- und Sensi¬ 
bilitätsstörungen in sämtlichen Extremitäten (besonders in den oberen), 
bulbäre Funktionsstörung des Sprechens und Sehlingens, eventuelle 
zerebrale Symptome, Funktionsstörung der Brust- und Bauchmuskeln 
(Dyspnoe), der Blase und des Mastdarms, Priapismus oder Impotenz. 
Exitus durch Respirationslähmung. Im Dorsalmark: Motilitätsstörungen 
hauptsächlich in den unteren Extremitäten, Blase und Mastdarm, Hyp- 
ästhesie oder Anästhesie abwärts vom Sitz der Krankheit. Störungen der 
Thoraxbewegung, wenn der Krankheitssitz dem Zervikalteil naheliegt, 
Lähmung der Blase und des Mastdarms, wenn die Affektion im mittleren 
Teil des Marks sitzt. Im Lumbarteil: Häufigster Krankheitssitz, 
meist chronischer Krankheitsverlauf. Motilitätsstörung betrifft fast allein 
die unteren Extremitäten. Beginn mit Gefühl von Schwere, Schlaffheit, 
leichtem Ermüden. Einschnappen der Beine, unsicherem Gang. Allmähliche 
Zunahme der Schwäche bis zur Lähmung, durchschießende Schmerzen, 
Formikationsgefühl, Hypästhesie in den Beinen, selten wirklich klonische 
oder tonische Krämpfe, nur in der Minderzahl der Fälle Kontrakturen 
der Zehen. Das Übel schreitet aufwärts, später erst Lähmung der Blase 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literätur. 259 

und des Mastdarms usw. Betrifft die Affektion die Vorderstränge, so 
bildeten bei intakter Sensibilität, Motilitätsstörungen und Kontrakturen 
die Hauptsymptome; ausschließliche Affektion der Hinterstränge, das 
heißt reine Sensibilitätslähmung sei selten; meist seien sowohl Vorder- 
wie Hinterstränge beteiligt. V. glaubt nicht, daß die Erweichung in den 
meisten Fällen von der grauen Substanz ausgeht. „In drei Fällen von 
chronischer Erweichung des Rm., welche ich zergliedern konnte, waren 
die vorderen Markbündel allein erweicht, in einem Falle und den beiden 
andern ging die Erweichung durch die ganze Masse ziemlich gleich¬ 
förmig hindurch.“ 

Komplikationen der Myelomalacie. Mit Meningitis cere- 
bralis und Encephalitis (wobei meist das Rm. den Ausgangspunkt 
bilde), mit Meningitis spinalis (die Myelomalacie ist in der Regel 
mit Mening. spin. verbunden, gekennzeichnet durch heftigeren, ausstrah¬ 
lenden Schmerz, der sich bei Bewegung und äußerem Druck vermehrt, 
Spannung der Nacken-Rückenmuskel, tonische Krämpfe, welche 
durch Bewegung oder Berührung gesteigert werden, Zuckungen wie elek¬ 
trische Stöße, seltener krampfhaftes Erzittern der Glieder mit veitstanz¬ 
ähnlichen Bewegungen, Fieber, rascherer Krankheitsverlauf), mit Blut¬ 
kongestion im Rm. (anfallsweise oder andauernd, im ersteren Falle 
plötzliche Lähmung der Extremitäten, im letzteren Falle konsekutive 
Reizung der Rückenmarksnerven, Störungen der Zirkulation, der Respiration 
und der Funktion der Bauchorgane, ein gewöhnlich als Irritatio spinalis 
bezeichneter, besonders bei Weibern und jugendlichen Personen vorkom¬ 
mender Begleitzustand, dessen Symptome bei Druck auf die Wirbel eine 
Steigerung erfahren), mit Apoplexia spinalis, Hämatorrhachis (unter 
Zunahme und Ausbreitung des Schmerzes und der Krampfanfälle, Steige¬ 
rung oder plötzlicher Eintritt von Lähmungen), mit serösem Exsudat, 
mit Affektionen der Nieren, der Blase, der Geschlechtsorgane, mit Rück¬ 
grats- und Rückenmarksaffektionen (Verletzung oder Quetschung 
des Rm. führt zu einer Art von Erweichung, welche sich zur spontanen ver¬ 
hält wie eine akute liqueszierende Entzündung zu .einer chronischen liques- 
zierenden Entzündung, dabei vorwiegend venöses Fieber, in der Leiche 
Ergüsse von halbzersetztem Blut und hydrosulfuröser Geruch der zerstörten 
Rückenmarkspartien. Chron. Erweichung durch Rückgratsvcrletzung und 
durch alle Übel, welche eine anhaltende Kompression ausüben, Mal. 
Pottii, Tumoren, Karies der Wirbel; hier entsteht die Myelomalacie teils 
als Druckwirkung, teils durch das Fortschreiten der chron. destruktiven 
Entzündung; Tuberkel des Rm. und seiner Häute erzeugt Krämpfe, später 
auf dem Wege der Erweichung Lähmungen). 

Bei der Differentialdiagnose sind zu berücksichtigen : Gehirn¬ 
krankheiten, besonders Zerebromalacie, Lähmungen, die von einer Affektion 
der Nervenstränge oder von einem dynamischen Leiden des Rm. ausgehen, 
Rheumatismus, anfangende Rückgratsverkrümmung und Pottschcs Übel, 
Leiden der Brust- und Bauchorgane, Hämorrhoidalaffektion, blutige Ergüsse 
in den Wirbolkanal, Spinalapoplexie, Tuberkel und andere Geschwülste 
des Rm. uud der Meningen, Atrophie des Rm. „Wo nur halbseitige 

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Affektionen ohne Spur eines Gehimleidens obwalten, kann man ziemlich 
sicher in den Nervensträngen den Sitz des Übels suchen.“ „Daß Para¬ 
plegien, und zwar ganz gleichförmig ausgebildete, wo kein Schmerz beim 
Druck oder Neuralgie oder sonst ein lokales Symptom auf das Leiden 
der Nervenstränge hinweist, auch ohne irgend ein Leiden des Rückenmarks 
bestehen kann, ist ganz zu bezweifeln. Völlige Heilung beweise nichts 
dagegen, weil auch restitutio ad integrum im Rm. erfolgen konnte; nur 
das lasse sich sagen, daß noch keine Erweichung zu Grunde lag, sondern 
höchstens der Anfang der Erweichung oder eines anderen Übels, wenn 
bei Paraplegien die Sensibilität intakt blieb, keine Blasen- und Mastdarm¬ 
lähmung, keine Kontrakturen, kein Schmerz, keine Abmagerung der gelähmten 
Teile eintrat.“ — Für die DiagnosedcrMyelomalacie seien besonders 
folgende Symptome entscheidend: „1. Der Schmerz ist bei jeder entzünd¬ 
lichen Affektion des Rückenmarks, seiner Häute und des Knochen- und 
Bänderapparats vorhanden. Bei der Myelomalacie ist er in der Regel mehr 
stampf und drückend, durch Druck und Bewegung weniger vermehrt, 
weniger radiär den Nervenstämmen und ihren Ausbreitungen folgend und 
nicht so heftig wie bei den Affektionen der Häute und der Bänder. 
Besonders aber beachte man seine Verbindung mit den Lähmungen. Er 
fehlt bei den Lähmungen von Atrophie des Rückenmarks, von Wasser¬ 
ergüssen in der Wirbelsäule, auch größtenteils bei den Lähmungen 
von andern organischen Krankheiten im Rückenmark — dagegen fehlt 
er selten nur bei der Myelomalacie. 2. Die Lähmungen sind in der Regel 
auf beiden Seiten gleich und verbinden sich bei weiterem Fortschritt mit 
Verminderung des Gefühls, mit Kontrakturen und mit Lähmungen der 
Blase und des Mastdarms. In den Fällen, wo die Erweichung von oben 
nach abwärts oder von unten nach oben fortschreitet, bemerkt man auch 
die Fortschritte der Lähmungen von den obern auf die untern Extremi¬ 
täten und umgekehrt. In den Fällen aber, wo die Erweichung mehr 
lokal bleibt, vergrößern sie sich nur intensiv, und zwar geschieht diese 
extensive und intensive Vergrößerung häufig stoßweise. Dies ist bei 
andern Rückenmarkskrankheiten nur dann der Fall, wenn sie plötzliche 
Ergüsse machen oder auch mit momentanen Kongestionen sich verbinden. 
Die Kontrakturen deuten ziemlich sicher auf die Myelomalacie, fehlen 
nur häufig im Anfang derselben und bei den akuteren Fällen. Bisweilen 
gehen ihnen Krampfbewegungen und Abnormitäten der Sensibilität, aber 
nicht gerade Lähmungen voraus. Dies ist besonders der Fall, wenn die 
hintern Partien der Riickenmarkshäute zuerst ergriffen werden. Lähmun¬ 
gen von Druck auf das Rückenmark, von Wasserergüssen usw. kommen 
gewöhnlich entweder gar nicht oder sehr spät zu Lähmungen der Blase 
und des Mistdanns, dagegen zeigen sich in diesen Organen schon früh 
bei der Myelomalacie mindestens Trägheiten. 3. Die Anfälle von Apo¬ 
plexia spinalis mit den plötzlichen reinen Lähmungen ohne gleichzeitige 
Krämpfe sind nur der Myelomalacie und dem wirklichen Blutaustritt in 
das Rm. selbst eigen, vielleicht auch noch einer heftigen momentanen 
Kongestion. In dem letzteren Fall gehen aber die Lähmungen nach 
den Anfällen wieder ganz vorüber, während sie in den beiden ersteren 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 


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Fällen bleibend sind. 4. Die Größe und Ausdehnung der konsekutiven 
Affektionen in den andern Organen, sowie endlich 5. das Schwinden der 
gelähmten Teile sind auch Umstände von Wichtigkeit, indem sie jeden¬ 
falls ein bedeutenderes, nicht bloß dynamisches Leiden des Rm. beurkun¬ 
den, wobei man dann insoweit eine Erweichung vermuten darf, als 
die Zeichen anderer Affektionen fehlen. u — Differentialdiagnose gegen¬ 
über den chronischen exsudativen Formen der Meningitis spinalis. Bei 
diesen fast nie komplette Lähmung, keine Blasen- und Mastdarmlähmung. 
„In manchen Fällen bildet sich aus dieser Meningitis spinalis eine förm¬ 
liche Wassersucht des Rückgrats, die von Joh. Peter Frank be¬ 
schriebene Hydrorrhachis incolumis, dann werden Lähmungen und An¬ 
ästhesie immer stärker, fast ganz komplett und verbinden sich mit Paralyse 
der Blase und des Mastdarms, steigen allmählich herauf, befallen auch 
die obern Extremitäten und verbinden sich mit konsekutiven Erscheinungen 
der Affektion des Zervikalteils des Rm., Ödemen an den Füßen und an 
der Wirbelsäule tt . Kongestionszustände des Rm. Dieselben verlieren 
sich wieder ohne Hinterlassung bedeutender Symptome oder führen zu serösen 
Exsudaten, die auch wieder verschwinden oder zur Hydrorrhachis incolumis 
werden. Die Hämatomyelie läßt sich nur dann von der Myelomalacie 
unterscheiden, wenn diese letztere erst mit anderen Symptomen beginnt 
und später Apoplexia spinalis eintritt. Reine Apopl. spin. führt oft sekundär 
Malacie herbei und die reine Erweichung beginnt nicht selten mit spi¬ 
naler Apoplexie. Auf Tuberkel- und andere Geschwülste leiten Reiz¬ 
symptome (Krampf), sonst, wenn sie nur durch Druck wirken, fehlen 
außer der Lähmung alle andern Symptome. Atrophie des Rm. ist 
Folge von langdauernder Lähmung, Alter, Erschöpfung, Exzessen in venere, 
se gehen ihr daher die Symptome des Grundleidens voran. „So ist es 
auch namentlich bei der oft, aber keineswegs immer mit Atrophie des 
Rm. endenden Tabes dorsalis der Fall. Hier gehen die Erschöpfung und 
mancherlei Rückwirkungen dem öfteren Samenverluste vorher und dann 
erst treten die unvollkommenen Lähmungen der untern Extremitäten ein. 
Über diese Stufe der unvollkommenen Lähmungen, wobei Mastdarm und 
Blase noch frei bleiben, keine Kontrakturen entstehen und die ander¬ 
weitigen Zeichen der Tabes fortdauern, geht es nur in wenigen Fällen 
hinaus, wenn nicht eine materielle Veränderung im Rückenmark nun als 
Folge eintritt. Ist diese Veränderung Atrophie, so werden allmählich die 
Lähmungen komplett, ohne daß sich Kontrakturen bilden. Ist sie aber 
eine Malacie, so treten nun die Kontrakturen und die übrigen Zufälle ein.“ 

Ausgänge der Myelomalacie. V. hält Heilung für möglich, wenn 
die Erweichung eine beschränkte und wenn sie nicht bis zur voll¬ 
kommenen Zerfließung vorgeschritten ist; die Zystenbildung in der Um¬ 
gebung der erweichten Stelle betrachtet er als eine Art von unvollständigem 
Heilungsprozeß. Exitus letalis erfolgt durch Dekubitus und konsekutive 
Erscheinungen, Lähmungen innerer Organe, Apoplexia spinalis, Verbreitung 
des Prozesses auf Meningen und Gehirn, interkurrierende Krankheiten. 

Ätiologie. V. betont die Anlage, da die Krankheit größtenteils 
nur bei Personen vorkomme, deren Körper durch andere Krankheiten 


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schon geschwächt sei oder die an allgemeiner Dyskrasie leiden. Zu den 
prädisponierenden Ursachen zählt er 1. angestrengte und anhaltende 
Muskeltätigkeit; 2. Gicht, Rheumatismus, Hämorrhoiden, wenn dieselben 
schon zu einer gewissen Kachexie geführt haben; 3. Störungen der 
weiblichen Sexaalfunktion (Bleichsucht, Menstrua profusa, beschwerliche 
Schwangerschaften usw.); 4. Exzesse in venere und Masturbation; 

5. Rühren und Typhen; 6. Erblichkeit. Gelegenheitsursachen sind Ver¬ 
letzung und Erschütterung des Rückgrats, Pseudokrisen von akuten und 
chronischen Krankheiten (Exantheme, Bauchfieber), Suppression von 
Schweißen und Geschwüren, Metastasen syphilitischer Affektionen. — 
Heftigere, das Rückenmark unmittelbar treffende Verletzungen erzeugen 
eine andere Art von Malacie, die leichteren Verletzungen, welche nur 
Blutaustritt in den Wirbelkanal erzeugen, führen zur chronischen Ent¬ 
zündung des Rückenmarks. 

Prognose abhängig vom Stadium, vom Sitz und der Ausbreitung 
des Prozesses (am günstigsten bei Lokalisation im Lendenmark), von der 
Intensität und Ausdehnung der Symptome, den Komplikationen, den 
ätiologischen Faktoren (am ungünstigsten beim Bestehen einer Dyskrasie 
oder erblichen Anlage), von der Konstitution, dem Alter und der Pflege. 

Therapie. V. ergeht sich weitläufig über die Behandlung, wobei 
er nicht nur den einzelnen (von ihm unterschiedenen) Stadien des 
Krankheitsprozesses, sondern auch den konstitutionellen Verhältnissen 
des Patienten Rechnung zu tragen sucht. Im 1. Stadium Antiphlogose 
(Blutegel, Schröpfköpfe, Abführmittel, Rubefacientia,Vesikantia, Fontanellen, 
Moxen usw., Klysmen), im 2. Stadium Übergang von den antiphlogistischen 
zu den spezifisch reizenden Mitteln. Hauptmittel: Jod, Nux vomica, 
Secale cornutum, Duschen auf die Wirbelsäule, Salzsoolen-, animalische 
Bäder, Elektrotherapie usw. 3. Stadium Behandlung der Lähmungen 
durch innere Excitantia (Phosphor, Kampfer usw.) und äußerliche Mittel, 
namentlich Hautreize, Akupunktur, Elektrizität, Bewegungstherapie. 
In jedem Stadium Behandlung der einzelnen Symptome und Komplikations¬ 
zustände, Sorge für Ernährung und Kräfteerhaltung. 

Das Krankheitsbild, welches Vogt von der Myelomalacie ent¬ 
wirft, deckt sich in den Hauptpunkten mit dem der akuten Myelitis^ 
und wie es daher nicht anders zu erwarten ist, kommt bei diesem 
Autor schon die Erkenntnis zum Durchbruch, daß der auf schwan¬ 
kenden Grundlagen aufgebaute traditionelle Krankheitstypus der 
„Rückenmarksentzündung“ (im Sinne von Brera und Harless) 
nicht mehr zu halten sei. Freilich setzte die endgültige Fixierung 
des Begriffs „Myelitis“ in modernem Sinne alle die wesentlichen 
Wandlungen voraus, welche die Lehre von der Entzündung, also 
die Pathologie überhaupt, durchzumachen hatte. 

Vogt weist darauf hin, daß die Vorgänger die verschieden¬ 
sten Rückenmarksaffektionen zusammenwarfen und nicht einmal 


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Streifzüge durch die filtere deutsche Myelitis-Literatur. 


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daran dachten, die Erweichung von der „Blutentzündung des 
Rückenmarks“ abzutrennen. „Myelomalacie ist nur eine 
chronische liqueszierende Myelitis.“ Schon die anatomi¬ 
sche Trennung der mehr „akuten Blutentzündung“ von der „chro¬ 
nischen lymphatischen Entzündung“ des Kückenmarks sei schwierig, 
klin isch aber gäben höchstens das heftigere Fieber, der in¬ 
tensivere Schmerz, der schnellere Verlauf, die bald 
eintretenden zerebralen Erscheinungen, Anhalts¬ 
punkte zur Unterscheidung. Es gäbe aber Übergänge, denn manch¬ 
mal kämen auch bei der mehr chronischen Form der Entzündung 
Fieber und rascher Verlauf vor. Außer der „Blutentzündung“ des 
Rückenmarks und der Myelomalacie habe man noch die chroni¬ 
schen indurierenden Formen der Myelitis zu unter¬ 
scheiden. Aus den bisherigen Beobachtungen lasse sich schließen, 
daß die indurierenden Formen seltner Vorkommen und einen noch 
mehr chronischen Verlauf zeigen; der Fortschritt der Lähmungen 
und der Sensibilitätsstörungen erfolge nicht stoßweise, sondern 
sehr allmählich; an den gelähmten Teilen mache sich Kälte, 
Atrophie und gänzliches Aufhören der Hautausscheidungen bemerk¬ 
bar. Während bei der Myelomalacie tetanische Spannungen und 
Kontrakturen, nur ausnahmsweise konvulsivische Bewegungen, klo¬ 
nische Krämpfe auftreten, kämen gerade diese letzteren bei der 
indurierenden Form häufig vor. 

Von der Malacie gebe es drei Grade. Beim 1. Grad sehe 
man noch deutlich die Faserung und Verschiedenheit der Rinden- 
und Marksubstanz, aber es sei mehr Feuchtigkeit vorhanden und 
die Masse lasse sich leicht zu Brei zerdrücken. Beim 2. Grad sei 
die Faserung nicht mehr zu erkennen, die Farbe der beiden Sub¬ 
stanzen verwischt, die Masse noch weit mehr erweicht. Beim 3. Grad 
sei sie bereits in eine breiige Masse zerflossen. Die Verschiedenheit 
der Färbung — rote oder weiße Erweichung — besitze keine 
wesentliche Bedeutung. 

Je nach der Blutausschwitzung und den verschiedenen Graden der 
Zersetzung finde man weiße oder rote Erweichung mit zahlreichen Mittel¬ 
stufen. Die Färbung der erweichten Masse ist an den einzelnen Stellen 
ganz verschieden, nttmlich rot an der einen, weiß an der andern Stelle. 
Zwischen der Akuität des entzündlichen Verlaufs und der Farbe besteht 
kein Zusammenhang. Die Erweichung betrifft sowohl die weiße wie die 
graue Substanz und kann von innen wie von außen ausgehen, im letz¬ 
teren Falle sind die Meningen mehr ergriffen und bilden wahrscheinlich die 


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Ursprungsat&tte. Die vordem Stränge werden öfter primär ergriffen als 
die hintern Stränge, weshalb die Motilität konstanter leidet als die Sen¬ 
sibilität, den häufigsten Sitz der Erweichung bilde der Lumbarteil, den 
seltensten der Dorsalteil. Die Bewegungs- und Empfindungsstörungen 
lassen nicht immer den Sitz der Erkrankung in den vordem oder hintern 
Strängen erkennen, ebenso lassen sich manche Affektionen der Organe 
aus dem pathologisch-anatomischen Befund nicht erklären. Die Ausdehnung 
des Prozesses stimme nicht immer mit der Intensität und Ausbreitung 
der Symptome überein. Die erweichte Masse besitze oft gar keinen oder 
einen säuerlich fötiden Geruch, bei der durch Rückgratsverlet¬ 
zung entstandenen Erweichung, welche Vogt nicht identisch 
mit der entzündlichen hält, beobachtete man einen hydrosulfuri- 
schen Geruch. In manchen Fällen von Myelomalacie sind die Meningen 
ganz intakt, in andern Fällen finden sich seröse Ergüsse unter der Dura 
und in der Pia, Gefäßinjektion, Verdichtungen, Ablagerungen. Bisweilen 
habe man bei der Nekropsie auch Atrophie der Nervenstränge gefunden, 
aber auch an einzelnen Stellen das Nervenmark völlig zerstört und auf¬ 
gelöst; es könnten dabei die Nerven unter der erreichten Stelle atro¬ 
phisch geworden sein, vielleicht habe man aber auch die Malacie der 
Nerven selbst übersehen. Vogt glaubt, daß es peripherische 
Lähmungen gebe, denen Malacie der Nerven zu Grunde 
liege und konstruiert als Symptome dieser Affektion, welche durch 
Einwirkung einer allgemeinen Schädlichkeit oder metastatisch entstehen 
solle, Schmerz (spontan oder auf Druck an einer bestimmten Stelle 
des Nervenstammes), Parästhesien, Kälte und Schwund der 
Extremitäten. 

Die Monographie Vogts sucht nicht wenige der in der 
Myelitisforschung begangenen Fehler aufzudecken *) und betont, 
daß manche der von ihm aufgeworfenen Probleme nur durch mikro¬ 
skopische Untersuchungen gelöst werden könnten. Anerkennens¬ 
wert ist es schließlich, daß der Verfasser entsprechend seiner patho¬ 
logischen Anschauung, welche von der „Blutentzündung“ des 
Rückenmarks die Myelomalacie sondert, in der Therapie dieser 
Affektion ein allzu stürmisches antiphlogistisches Verfahren verwirft. 

n Es unterliegt keinem Zweifel,“ sagt Vogt, „daß in der 
neueren Zeit Enz, Griff in u. a. viel zu weit gegangen sind und 
vieles als Folge einer Rückenmarksaffektion angesehen haben, was durch¬ 
aus nicht eine solche war. Wo diese Zufälle ohne deutliche Lähmung, 
ohne anhaltenden Schmerz im Rückgrat, ohne Vermehrung der Sym¬ 
ptome beim Druck auf die schmerzhafte Stelle vorhanden sind und nicht 
erst nach der Rückenaffektion auftraten und mit derselben nun gleichen 
Schritt gehen, kann man sie nicht als Symptome eines Rückenmark¬ 
leidens anerkennen.“ 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 


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Vogt hält die bei fieberhaften Krankheiten vorkommenden Bücken¬ 
schmerzen und die lähmungsartige Abgeschbigenheit, die man von einer 
Rückenmarksreizung oder -entzündung herleiten wollte, nur für etwas 
Sekundäres, bedingt durch Kongestion. Tatsächlich sei nur bei typhösen 
Fiebern ein anatomisches Substrat erwiesen, nämlich eine typhöse Ent¬ 
zündung der Meningen (starke Injektion der venösen Gefäße und wäs¬ 
seriger Erguß). Klinisch werde in solchen Fällen lähmungsartige Schwäche 
der Extremitäten und Rückenmuskeln, verbunden mit unfreiwilligem Ab¬ 
gang des Harns und Stuhls. „In mehreren Fällen von Typhus, wo außer¬ 
dem noch auffallendes Leiden der Sprache im Artikulieren der Worte, 
krampfiges Zittern der obern Extremitäten und des Gesichts, Rückwärts¬ 
beugen des Kopfes bei passivem Aufrichten, beständige Unruhe der 
Glieder wahrgenommen wurde“, fand V. an der Basis des Kleinhirns 
und in der Umgebung der Medulla oblongata Wassererguß und venöse 
Injektion, sich besonders stark und weit in den Zervikalteil des Rücken¬ 
marks erstreckend, in der Rückenmarksubstanz selbst gewöhnlich keine 
Veränderung, sondern nur in den Häuten. Wohl aber könne Myelomalacie 
sekundär nach Typhus und Dysenterie auftreten. 

Was Trismus, Tetanus, Chorea und Epilepsie anlangt, so seien 
die gelegentlich dabei gemachten Befunde von Myelomalacie etwas In¬ 
konstantes, Zufälliges. Den idiopathischen Krämpfen liege eine noch 
gänzlich unbekannte Ursache zu Grunde. 

Einige Jahre, bevor Vogts Abhandlung erschien, hatte Alb ers 
die Aufmerksamkeit auf eine eigenartige Form der Myelomalacie 
zu lenken gesucht, zugleich mit der Schilderung der entspre¬ 
chenden Symptomatologie. In seiner Schrift „Beobachtungen 
auf dem Gebiete der Pathologie und pathologischen 
Anatomie“ I. Teil (Bonn 1836) gibt er (pag. 73 ff.) folgendes an: 
„Es gibt eine Erweichung des Rückenmarks, welche in der grauen 
Substanz, dem Anscheine nach in der Umgehung des Halbkanals 
(Falte) beginnt, sich nur langsam nach auswärts auf die weiße 
Substanz, weit rascher dagegen nach aufwärts, immer die Mitte 
haltend, verbreitet. Diese Erweichung beginnt in der Regel in der 
Cauda equina und erreicht im Verlauf mehrerer Jahre, langsam 
sich aufwärts erstreckend, die Medulla oblongata; ja sie soll sich 
bis in die Hirnventrikel ausdehnen. Diese partielle Erweichung 
ist schon durch die eigentümliche Ausbreitung von unten nach 
aufwärts hinreichend ausgezeichnet. Nichtsdestoweniger sind die 
Symptome, der ganze langwierige Krankheitsverlauf merkwürdig.... 
Bis jetzt von den Beobachtern übersehen, haben auch die Schrift¬ 
steller ihrer noch nicht gedacht.“ 

Albers beschreibt zwei Fälle „der zentralen Erwei¬ 
chung“ des Rückenmarks, welche sich intra vitain fol- 


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gendermaßen gekennzeichnet hätten: 1. Störungen der Mo¬ 
tilität (Schwäche der Bewegung, Unsicherheit des Ganges, Nach¬ 
schleppen, Schlaffheit der Muskeln; nach 2—10 Jahren völlige 
Lähmung der Bewegung, der Blasen- und Mastdarmfunktion); 
2. Störungen der Empfindung (Empfindungslähmung tritt 
später und in geringerem Grade auf als die motorische Lähmung, 
Anästhesie erst nach völliger Paralyse der Extremitäten; Temperatur¬ 
sinn bleibt erhalten); 3. Parästhesien (Taubsein, Formikation, 
Frostgefühl, später heftige Schmerzen in den gelähmten Teilen, 
besonders nach „rheumatischen Reizen“, wahrscheinlich durch Fort¬ 
pflanzung des Prozesses auf die peripherischen Nerven bedingt); 
4. Kontrakturen (Klumpfußstellung); 5. Gürtelgefühl; 
6. Dysurie; Incontinentia urinae, Sphinkterenlähmung, Atrophie der 
Extremitäten, Oedema scroti, endlich Gangrän, Dekubitus; 7. sehr 
langsamer Krankheitsverlauf. 

Differentialdiagnostisch führt A. an, daß die totale, nicht bloß auf 
die graue Substanz beschränkte Erweichung schnell und unter Reiz¬ 
erscheinungen entstehe, sie führe rasch zur Paraplegio und zu baldigem 
Exitus. Auch bei Geschwülsten zeigen die Lähmungen rascheren Verlauf, 
in wenigen Monaten trete komplette Lähmung ein, Gangrän und Exitus 
viel früher als bei zentraler Erweichung. Geschwülste könnten jedoch 
vermöge ihres Sitzes eine partielle Erweichung herbeiführen und dadurch 
ähnliche Symptome hervorrufen wie die zentrale Erweichung. — Bei der 
zentralen Erweichung kämen manchmal Gebirnsymptome (Diplopie) vor, 
es finde sich Verdickung der Pia besonders dort, wo die Erweichung 
am stärksten ist und wo die weiße Substanz daran partizipiert. A. hält 
die Erkrankung der Meningen für das Sekundäre; ob die Erweichung 
durch Erkrankung der Rückenmarksarterien verursacht wird, läßt er un¬ 
entschieden. Als ätiologische Momente führt er Onanie, sexuelle Exzesse, 
Erkältung, Krätze an. Aus den Symptomen zieht er für die Physiologie 
den Schluß, daß die weiße Substanz des Rückenmarks für die Be¬ 
wegung und Empfindung wichtiger sei als die graue. 

Die „zentrale Erweichung“, wie sie AIbers beschreibt, wurde 
dezennienlang in der neurologischen Literatur zitiert — freilich 
ohne daß von späteren, ganz gleichen Befunden berichtet werden 
konnte —, in neuerer Zeit aber ist sie bekanntlich als kadaveröse 
Erscheinung erklärt worden. 

Wie die Malacie wurde im Anschluß an Olli vier, Cru- 
veilhier, Carswell u. a. auch die Induration (Sklerose) von 
deutschen Forschern studiert. Eine besondere Darstellung des 
Gegenstands enthält z. B. die Dissertation von Joh. Theod. Ludw. 
Müller, De induratione medullae spinalis (Bonn 1842), 


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Streifzüge durch die «ältere deutsche Myelitis-Literatur. 267 

eine Arbeit, die deshalb sehr bemerkenswert ist, weil der Verfasser 
darin den Standpunkt vertritt, daß die Induration nicht nur 
als Ausgang von Entzündung des Rückenmarks, son¬ 
dern auch als Folge anderer Affektionen und als 
selbständiger Prozeß vorkomme 1 ). Letzterer Form ist 
seine Abhandlung gewidmet. 

Das Krankheitsbild, welches M. von der Induration, als selb¬ 
ständiger Affektion, entwirft, umfaßt die folgenden Symptome: 
Dolor levis cum sensu formicante in medulla aut in membris. 
Tangendi facultas diminuta cum minori cutis temperie. Movendi 
difficultas aut paralysin aut cum convulsionibus alternantem prae- 
bens. Nonnisi in fine morbi diminuta totius corporis nutritio. Sen- 
suum (excepto tactu) et mentis vires non turbatae. Decursus lentus, 
regularis, cum febre non conjunctus. 

Müller warnt vor Verwechslung der von ihm ins Auge gefaßten 
Induration mit derjenigen, welche mit der Atrophie des Greisengehirns 
verbanden ist, denn letztere sei eine Nutritionsstörung, aber keine Krank¬ 
heit. Die Induration kommt in jedem Lebensalter vor, oft mit Ent¬ 
zündung, besonders chronischer, bisweilen auch ohne solche, sie nimmt 
öfter nur einen Teil des Rückenmarks, nicht das ganze ein. Infolge der 
mangelhaften pathologisch-anatomischen Abgrenzung sei das entsprechende 
Krankheitsbild nur schwer zu fixieren. Müller unterscheidet drei Stadien: 
1. st. evolutionis morbi, 2. st. morbi perfecti, 3. st. paralysis. Beginn 
mit ganz unscheinbaren Symptomen. Zuerst leichter Schmerz in der 
Wirbelsäulengegend entsprechend dem Sitz der Affektion, bald kommend, 
bald vergehend, durch Bewegung und Druck nicht steigerbar; späterhin 
länger andauernd und intensiver, den Kranken in seinen Bewegungen 
hindernd (besonders, wenn Entzündung des Rückenmarks und seiner 
Häute schon von Anfang her vorhanden war oder im weiteren Verlauf 
der Krankheit auftritt). Manchmal fehlt übrigens der Rückenschmerz 
gänzlich und statt seiner machen sich leichte, herumziehende Schmerzen 
in jenen Körperteilen bemerkbar, welche von der erkrankten Rücken¬ 
markspartie innerviert werden. Meist beginnen diese Schmerzen in den 
Fingern oder Zehen und gehen allmählich auf die Arme, bzw. Schenkel 


l ) Quanquam usque ad hunc diem ab Omnibus fere scriptoribus 
admissa erat sententia, indurationem nonnisi infiammatione effici posse, 
tarnen et analogia et observationes indurationem, cum aliarum partium, 
tum medullae, ahsque infiammatione exoriri posse probant, quod quidem 
saepius forsan, quam putamus, accidit, sed ea de causa non cognoscitur, 
quod cum seriore tempore in circuitu indurationis inflammatio facta sit, 
in secandis cadaveribus utramque invenientes, effectum cum efficiente 
permutamus. 


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Dr. Max Neuburger. 


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über. In anderen Fällen besteht nur Jucken oder Kriebeln in Fingern 
oder Zehen, Gefühl von Kälte und Starrheit, Herabsetzung der Tast¬ 
empfindung, niedrigere Hauttemperatur in den afiizierten Extremitäten. 
Gleichzeitig oder ein wenig später geringe Bewegungsstörungen, leichte 
Rigidität, Schwäche in den Händen oder Füßen, welche Schwäche wie 
früher die Sensibilitätsanomalien allmählich intensiver wird und zentral- 
wärts aufsteigt. Oft macht sich jetzt auch Zittern in den Gliedern be¬ 
merkbar und schnell wieder verschwindende Spasmen. Alle diese Motilitäts- 
und Sensibilitätsstörungen beginnen gewöhnlich derart, daß zuerst die 
Spitzen der Extremitäten, dann diese selbst ergriffen werden, und der 
ganze Prozeß verläuft schneller, wenn die Affektion im oberen Teil des 
Rückenmarks sitzt. Nach einer wochen-, monate- oder jahrelangen Dauer 
erfolgt der Übergang zum zweiten Stadium der Krankheit, zumeist all¬ 
mählich, seltener durch plötzliche Verschlimmerung. Der Schmerz im 
Rücken erfährt eine Steigerung und größere Ausbreitung oder er ver¬ 
schwindet ganz, um schmerzhaften Sensationen in den Gliedern Platz 
zu machen (besonders wenn mit der Induration Hypertrophie verbunden 
ist). Besteht Hyperalgesie der Extremitäten, so treten bei Berührung 
heftige Schmerzen und Zuckungen auf, besteht dagegen Unterempfindlicb- 
keit oder Unempfindlichkeit, was in Fällen reiner Induration gewöhnlich 
beobachtet wird, so geht diese Anästhesie allmählich auf den Rumpf 
über. Die Motilitätsstörungen sind verschieden. Die oberen Extremitäten 
vermögen die gewohnten Beschäftigungen nicht auszuführen, die Kranken 
können aber noch eine oder die andere Extremität bewegen; bisweilen 
wird das Körpergewicht nicht mehr ertragen; teils spontan, teils auf 
Reizung oder Berührung oder bei Bewegungsversuchen treten in den 
erkrankten Gliedern Konvulsionen auf, die auch auf den Rumpf über¬ 
gehen. Oft erfolgt schon in diesem Stadium unwillkürlicher Abgang des 
Harns und der Fäzes, auch zeigen sich Störungen der Respiration. Bei den 
meisten Patienten sind die Extremitäten kalt, schlaff, atrophisch, nach 
und nach werden auch andere Muskeln ergriffen, daher Erschwerung 
des Sehlingens, Sprechens usw., Dysurie und Verstopfung. Geistes- 
funktionen intakt, kein Fieber, keine allgemeinen Ernährungsstörungen. 
Manchmal interkurrierender apoplektischer Insult. Im 3. Stadium kommt 
es zu gänzlicher Bewegungsunfähigkeit, Erschwerung des Sehlingens, 
Störungen der Respiration und Herztätigkeit, der Blasen- und Darm¬ 
funktion, bisweilen treten die heftigsten Konvulsionen auf. Bis zum Ende 
herrscht Geistesklarheit, der Tod erfolgt durch einen apoplektischen 
Insult, durch Entzündung innerer Organe oder durch Dekubitus. Patho¬ 
logische Anatomie: Medulla ipsa saepius ad partem tantura quam 
tota indurata reperitur. Raro induratio sola adest, sed saepissime cum 
ea adest hypertrophia aut atrophia vel in indurato vel in alio loco, inter- 
dum etiarn mollities alius partis medullae animadvertitur. Raro quoque 
nil nisi pars posterior vel anterior, pars cinerea vel alba, sed in plurimis 
cisibus medulla toto circuitu eo modo indurata est, ut substantia alba 
magis quam cinerea ab eo morbo affecta sit. Interdum etiam nervi a 
medulla provenientes majorem vel minorem ad partem correpti sunt. 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 269 

Tela nervea in loco indurato eo magis albida est eoque minora vasa 

praebet, quo densior est atque durior. Durities varia est: in uno casu 

talis est, qualis invenitur, si medulla per aliquod tempus in acido nitrico 
diluto reservata est, in alio tanta intelligitur, quantam in cartilagine 
fibrosa videmus. In tali indurata parte medullae spinalis nec vasa neque 
fibras dignoscere nobis licet et tela nervea, albumini ovi elixi similis, 
massam compactam et quasi inorganicam praebet. 

Die Diagnose der Induration sei schwierig, weil sie gewöhnlich mit 
Entzündung des Rückenmarks und seiner Häute, mit Atrophie oder 

Hypertrophie der Medulla verbunden ist. Entzündung kann als sekundärer 
Vorgang auftreten: facile est intellectu, indurationem solam in pluriinis 
casibus non diu existere, sed mox partes propinquas ab ea irritatas 

inflammari; quo fit, ut signa, inflammationis cum indurationis signis 
conjungantur. Differentialdiagnostisch kommen folgende Zustände in 
Betracht. Funktionelle Störungen (functio mutata medullae spinalis 
a scriptoribus malum dynamicum dicta) — dabei geringerer Grad der 
Symptome, Fehlen schwerer Komplikationen in Brust- und Bauchorganen, 
Heilerfolge der Kuren. Entzündung des Rückenmarks und 
seiner Häute — akute Myelitis gekennzeichnet durch akuten Beginn, 
Fieber, heftige Schmerzen; bei chronischer Myelitis heftige Schmerz¬ 
empfindlichkeit in der Wirbelsäule (nachweisbar durch Bestreichen mit 
dem heißen Schwamm, durch den Versuch seitlicher Bewegung der Wirbel, 
durch elektrische Reizung), tetanische Krampfanfälle. Exsudate im 
Wirbelkanal — dabei rasches Eintreten von Konvulsionen oder 
Lähmungen. Apoplexia spinalis — plötzlicher Beginn. Hyper¬ 
trophie des Rückenmarks — dabei erhöhte Reizbarkeit; Berührung, 
Belbst schon Entblößung bewirkt Konvulsionen, heftigsten Schmerz. 
Atrophie des Rückenmarks — langsam eintretendc unvollkommene 
Lähmungen ohne Komplikationen seitens innerer Organe. Myelomalacie 
— heftiger Schmerz, tetanische Krämpfe, Kontrakturen, rascherer Verlauf. 
Tumoren der Medulla — lanzinierende Schmerzen, Kachexien. 

Der Verlauf der Induration ist immer chronisch, er erstreckt sich 
bisweilen auf 15—20 Jahre. Ätiologie: Die Entstehungsursachen 
sind ziemlich unbekannt, möglicherweise spielt die hereditäre Disposition 
eine Rolle und Überanstrengung — die Affektion kommt vorwiegend in 
niedrigen Ständen vor (et praecipue in iis inveniri, qui a prima juventute 
gravi manuum pedumque labore onerantur e. g. in bujulis, fabris ignariis 
etaliis); Gelegenheitsursachen: Erschütterung, Kontusion, Verletzung der 
Wirbelsäule und des Rückenmarkes, und zwar die leichteren Läsionen, 
welche um so mehr chronische Entzündung des Rückenmarkes mit Induration 
herbeiführen können, je öfter sie sich wiederholen; unterdrückte Hämor¬ 
rhoiden, Menses, Ausschläge, Geschwüre; exanthematische, syphilitische 
Metastasen — alle diese Ursachen erzeugen aber eigentlich chronische 
Myelitis mit Induration. 

Therapie. Im 1. Stadium: ätiologische Therapie (z. B. Be¬ 
förderung der unterdrückten Sekretionen und Exkretionen, Bekämpfung 
der Dyskrasie), Fernhaltung körperlicher Anstrengung und seelischer 


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I)r. Max Neuburger. 


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Erschütterung (aber nicht völlige Abstinenz von körperlicher oder geistiger 
Tätigkeit), Antiphlogose (Blutentziehung, Vesikantien, Fontanellen, Merkur¬ 
salbe), laue Bäder, abführende, sedative Mittel, später Jod, Quecksilber, 
Alkalien. Im 2. Stadium: Fortsetzung der bisherigen Behandlung, wenn 
nötig; von inneren Mitteln kommen iu Betracht: Nux vomica, Jod, 
Senega, Akonit, Stramonium, Rhus toxicodendron, Arnika usw,, von 
äußeren: Moxen an der Wirbelsäule, Elektrizität, Galvanismus, Akupunktur, 
Soolbäder, animalische Bäder usw., symptomatisch Belladonna, Aqua 
Lauroccrasi usw. Im 3. Stadium: roborierende Diät, Tonica und Exzitantia 
wie Liq. Ammon, carb., Moschus, Kampfer, Chinin sulf., Phosphor usw. 

Zur Abgrenzung der „Induration 4 * als selbständiges Krankheits¬ 
bild fehlten damals noch alle Voraussetzungen, war doch kaum der 
erste Ansatz zu einer begründeten Differenzierung der chronischen 
Rückenmarksaffektionen gemacht worden, beschrieb man doch unter 
dem Sammelnamen der chronischen Myelitis die verschiedensten 
Zustände. 

Welche Unklarheit in der Erkenntnis der chronischen Er¬ 
krankungen des Rückenmarks überhaupt herrschte, beweisen die 
gebräuchlichen vagen Termini wie Paralysis medullaris 
(Hufeland) oder Paralysis reptans (Mari) zur Genüge. 

H u fe 1 a n d verstand unter dem Namen Paralysia medullaris 
eine von sichtbarer Strukturveränderung unabhängige spinale Lähmung 
und suchte dieselbe von der „Tabes“ abzugrenzen (Hufei. Journ. Bd. 62, 
Nr. 2, pag. 115). Ihm folgten Scheu (1. c. 1828), Zargel (1. c. 1830), 
Vogelsang (Diss. de natura et aetiologia paralysis medullaris, Dorpat 
1831). Marx (Zur Lehre von der Lähmung der untern Gliedmaßen, 
Karlsruhe und Baden 1838) verstellt aber unter diesem Terminus, an 
dessen Stelle er die Bezeichnung Paralysis reptans setzen will, 
Fälle spinaler Lähmungen mit chronischem Verlauf und vorwiegend mit 
anatomischem Substrat. Sagt er doch in einer Anmerkung zu seiner 
Schrift: „Wenn die Beobachtung, daß die zentrale Erweichung (A Ibers) 
einen äußerst langsamen Verlauf habe, während die totale rasch unter 
Zufällen der Reizung und Entzündung entstehe, sich bestätigt, so würde 
die Bezeichnung „schleichende Lähmung“ gleich auf den Sitz und den 
Umfang des Übels hiudeuten.“ Bei dem von ihm ausführlich beschrie¬ 
benen Falle fanden sich „in dem vergrößerten, blutreichen, mehr homogen 
gewordenen Rückenmark Stellen von der Größe einer Erbse und darüber, 
die mehr gerötet und von härterer Konsistenz waren, beim Einschneiden 
eine Höhlung zeigten, angefüllt mit einer weichen, graurötlichen Masse, 
altem Blutkoagulum ähnlich. Die weiße und graue Substanz waren nicht 
mehr deutlich voneinander zu unterscheiden“. 

Wie oft mußte die bloß makroskopische Untersuchung eine 
normale Beschaffenheit des Rückenmarks vorspiegeln, wie oft verleiteten 
andererseits kadaverüse Veränderungen zu gauz falschen Annahmen 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 271 


UDd darauf gebauten Konklusionen! Einen Fortschritt in der 
Rückenmarkspathologie und insbesondere in der Lehre von der 
„Myelitis“ konnte nur das Mikroskop anbahnen — das erkannten 
am Schlüsse des vierten Dezenniums alle Einsichten. Und gerade 
Deutschland war es, wodie mikroskopische Unter¬ 
suchung des Rückenmarks zunächst und für lange 
die wichtigsten Pflegestätten fand. 

II. 

Mit dem 5. Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts hebt in der Ent¬ 
wicklung der Lehre von der Myelitis eine neue Epoche an, welche 
sich durch eminente pathologisch-histologische und klinische Errungen¬ 
schaften charakterisiert und zu einer immer schärferen Umgrenzung 
des Krankheitsbegriffes auf exakter Basis führt. 

Diese Epoche ragt noch in die Gegenwart hinein, so daß wenigstens 
für die Endergebnisse die für ein abschließendes historisches Urteil nötige 
Distanz fehlt. Hieristes lediglich unsere Aufgabe, die Myelitis¬ 
forschung in den allerfrühesten Stadien der zweiten 
Entwicklungsstufe zu beleuchten, wobei wir uns auf die hervor¬ 
stechendsten Momente beschränken wollen. 

* * 

* 

Der Aufschwung, den die Lehre von der Myelitis im 5. Dezen¬ 
nium nahm, läßt sich im letzten Grunde auf die bedeutenden 
Wandlungen der allgemeinen Pathologie (Entzündungstheorie), auf 
die Fortschritte in der Kenntnis vom Bau und den Funktionen des 
Zentralnervensystems zurückführen. Gehen wir aber ins Spezielle 
ein, so sind es insbesondere folgende Umstände gewesen, welche 
eine genauere Bestimmung des bis dahin noch so verworrenen 
Krankheitsbildes der Myelitis ermöglichten. 

Vor allem war es für die Klinik der Rückenmarksentzündung 
von nicht geringer Wichtigkeit, daß ein neugeschaffener Krankheits¬ 
typus, die Spinalirritation, nunmehr das Sammelbecken einer 
Unsumme von Affektionen wurde, die man früher wegen des ge¬ 
meinsamen Symptoms der Wirbelempfindlichkeit mit einer suppo- 
nierten Myelitis in mehr oder minder nahe Beziehung zu bringen 
pflegte. 

Wie ich an anderer Stelle (vgl. Jahrb. f. Psychiatrie u. Neurologie, 
XXXI. Band, Ludwig Türck als Neurologe) bemerkt habe, regte der 


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Dr. Max Neuburger. 


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Krankheitsbegriff „Spinalirritation“ — so verfehlt er an sich gewesen 
sein mag — die anatomisch-physiologische Bückenmarksförschnng mäch¬ 
tig an; er wirkte aber auch, was bisher übersehen worden zu sein 
scheint, förderlich auf die Pathologie, und zwar in der Hinsicht, daß 
fortan mit der schärferen Trennung der organischen und funktionellen 
Bückenmarksaffektionen begonnen wurde. Nicht am wenigsten in An¬ 
lehnung an den Begriff Spinalirritation entwickelte sich der Begriff der 
Neurosen in modernem Sinne. Allerdings darf es nicht unterlassen 
werden, darauf hinzuweisen, daß man ursprünglich für die Spinalirritation 
eine anatomische Grundlage, nämlich Kongestion, Stase supponierte und 
sie erst nach und nach als bloß funktionelle Erkrankung auffaßte. 

Wurde durch den Kollektivbegriff „Spinalirritation“ eine 
Menge von krankhaften Zuständen eliminiert, die vorher wenigstens 
von manchen Autoren fälschlich als Rückenmarksentzündung auf¬ 
gefaßt worden waren, so klärte sich andererseits das Krankheits¬ 
bild der „Myelitis“ immer mehr auch dadurch, daß man die von 
Entzündung der Meningen herrührenden Symptome 
als solche zu erkennen und ursächlich zu verstehen lernte. Um die 
Symptomatologie der Meningitis spinalis hat sich am frühesten der 
Jünger Rombergs, Henoch, Verdienste erworben. Seine Arbeit 
„Beitrag zur Pathologie der Meningitis spinalis“ (Caspers Wochen¬ 
schrift für die ges. Heilkunde 1845, Nr. 41—43) wurde zur Basis 
für alle späteren. 

Auf die einschlägige Literatur, welche, abgesehen von einer Arbeit 
von A Ibers 1 ), in Deutschland erst um 1845 einsetzt — in Frankreich 
schritten Parent-Duchatelct und Martinet um mehr als zwei 
Dezennien voran —, kann hier nicht eingt gangen werden. 

Henoch kam durch seine Untersuchungen zum Ergebnis, daß 
viele Fälle von Meningitis spinalis seitens früherer 
Beobachter irrtümlich als „Myelitis“ gedeutet worden 
seien, daß wahre Myelitis fast niemals allein, sondern bei¬ 
nahe immer in Verbindung mit Spinalmeningitis vor¬ 
komme. Infolgedessen entstehe ein Gemisch von Symptomen, welche 
teils die Meningitis spinalis, teils die Myelitis bewirkt 3 ). Im all- 

*) A Ibers beschrieb zwei Fälle von angeblicher „Entzündung der 
harten Haut des Rückenmarks 4 ' mit Sektionsbefund. (Gräfe und 
Walthers Journal der Chir. XIX, Bd. 1833.) 

*) Vgl. Canstatts Spezielle Pathol. u. Therap. Supplementband 
zur 1. u. 2. Auflage (Erlangen 1854). Als Symptome der akuten Menin¬ 
gitis spinalis sind angegeben: Schmerz in den entsprechenden Teilen 
der Wirbelsäule, noch intensiver in den unteren Extremitäten, gesteigert 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 273 

gemeinen finde man bei der Myelitis ähnliche Erscheinungen 
wie bei der Meningitis spinalis, nur pflegen bei ersterer, abgesehen 
von den tetanischen Muskelkontrakturen, noch mehr oder minder 
heftige konvulsivische Zuckungen in den betreffen¬ 
den Teilen, zumal in den unteren Extremitäten vor¬ 
zukommen, und der Übergang in das Stadium der An¬ 
ästhesie und Lähmung trete hier wegen der rasch vor sich 
gehenden Desorganisation des Bückenmarks viel rascher ein. 

Wenn auch infolge der noch unzulänglichen TJntersuchungs- 
weise die Meningitis spinalis eine Zeitlang allzusehr in den Vorder¬ 
grund gerückt, ja, wie dies aus Köhlers Monographie der 
Meningitis spinalis (Leipzig 1861) erhellt, fast zum Mittel¬ 
punkt der Rückenmarkspathologie gemacht wurde, so wirkte doch 
diese vorübergehende Übertreibung wenig schädlich und hinderte 
nicht, daß die Linienführung im klinischen Grundriß der Meningo¬ 
myelitis an Sicherheit zunehmend gewann. Als beste Darstellung 
des Krankheitsbildes der Myelitis kann in der Mitte der Sechziger¬ 
jahre diejenige Hasses bezeichnet werden (Virchows Handb. 
der spez. Pathol. und Therap. IV/1, Krankheiten des Nervenappa¬ 
rates, Erlangen 1855, pag. 635—643); sie stützt sich auf eigene 
und kritisch verwertete fremde Erfahrung, sie steht noch in innigem 
Zusammenhang mit der älteren Literatur und deren Grundanschau¬ 
ungen, ist dabei aber gleichzeitig das mustergültige Vorbild für alle 
späteren Schilderungen. Die Vorzüge von Hasses Darstellung 
kommen allerdings vorwiegend dem Symptomenkomplex der akuten 
Myelitis zugute, während die Züge der „chronischen Myelitis“ 
begreiflicherweise an Verschwommenheit leiden. 

durch jeden Versuch zur Bewegung des Rumpfes oder der Gliedmaßen, 
weniger durch Druck auf die Wirbelsäule; krampfhafte Kontraktur der 
Rücken- und Nackenmuskeln, selten anhaltend, meist remittierend, Un¬ 
beweglichkeit des Rückens und der Extremitäten durch strangartige 
Spannung und Kontraktur der Muskeln (nicht durch Paralyse); bisweilen 
Dysurie und Retontio urinae durch Krampf des Sphincter vesicae, 
brettartige Spannung der Bauchmuskeln, stoßweise, elektrischen Erschütte¬ 
rungen gleichende Zuckungen; mehr oder minder starkes Fieber. Bei 
der chronischen Meningitis spinalis schleichender Verlauf, Rückenschmerz 
gering oder nur bei Bewegung, schmerzhafte Empfindungen in den 
untern oder obern Extremitäten, über den Leib oder die Brust zirkel¬ 
förmig ausgebreitet. Den beschriebenen Symptomen der akuten und 
chronischen Spinalmeningitis folgen als zweites Stadium der Erkrankung 
Lähmung und Anästhesie. 

Jahrbücher für Tsychiatrle. XXXIII. Bd. 


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Dr. Max Neuburger. 


Hasse führt die Abtrennung der Myelitis von den Wirbelerkran¬ 
kungen, von der Meningitis spinalis, der Spinalirritation, der Spinalapo- 
plexie streng durch, widmet der Myelomalacie, der Sclerosis medullae 
spinalis, den Tumoren des Rückenmarks, der langsamen Kompression 
desselben, kurze Abschnitte. Er unterscheidet eine akute und eine 
chronische Form der Myelitis, zu welch letzterer „die mehr latent 
beginnenden, vielleicht von Anfang schon schleppenden, und endlich 
diejenigen Fälle gezählt werden, in denen der akute Anfang einer 
mäßigen Entzündung zu einer allmählich sich mehr und mehr aus¬ 
breitenden Entartung (Erweichung, Eiterbildung, Verhärtung und narbige 
Atrophie) des Markes führte“. Meningitis und Myelitis kämen häufig 
gleichzeitig vor, natürlich sei dann die letztere Krankheit die Hauptsache. 
Zahlreiche Fälle von Myelitis seien übrigens von jeher als Myelomalacie 
und bei chronischem Verlauf als „Tabes dorsalis“ bezeichnet worden. 
Wie man aus dieser Bemerkung ersieht, war „Tabes“ damals noch ein 
Kollektivbegriff (trotz Horn, Steinthal, Rombergs Arbeiten). 
Was die Malacie anlangt, so verweist H. auf Fälle von Erweichung, 
die nicht als Folge von Entzündung, Apoplexie und Hydrorrhachis auf¬ 
traten; in ihren Symptomen glichen sie fast gänzlich der chronischen 
Myelitis; die differentialdiagnostischen Angaben der Autoren erklärt er als 
nicht verläßlich. Der Abschnitt über Sklerose des Rückenmarks ist 
fast ausschließlich pathologisch-anatomischen Inhalts. Die Rücken¬ 
markssklerose werde sich niemals von ähnlichen Krankheiten, namentlich 
von der atrophischen Schrumpfung, während des Lebens unterscheiden 
lassen. Von einigen werde überhaupt die Sklerose mit der primären 
Atrophie des Rückenmarkes für identisch angesehen. 

Frerichs (Haesers Archiv f. d. gesamte Medizin, X, 1849) hatte 
einen Fall von zerebrospinaler Sklerose beschrieben, sein Schüler V a l e n t i- 
ner (Deutsche Klinik 1856) hatte auf Grund mehrerer Fälle die diagnosti¬ 
schen Kennzeichen zu bestimmen gesucht. Hirsch (Prager Vierteljahrsschr. 
f. die prakt. Heilk. 1854), führte seinen Fall auf Trauma zurück und machte 
für die Entstehung der Sklerose einen chronisch-entzündlichen Prozeß 
verantwortlich. 

In der deutschen Kasuistik der Myelitis, welche die Folgezeit 
brachte, ragen insbesondere die von Virchow (Ges. Abhandlungen, 
Frankf. 1856, pag. 683), Oppolzer (Wiener med. Wochenschr. 
1860, Spitalsztg. Nr. 1), Gleißner (Diss. de myelitide acuta, 
Lips. 1861), Köhler (1. c.), Levy (Diss. de myelitide spinali acuta, 
Berol. 1863), S. R. Kirchheim (Diss. Über Entzündung des Rücken¬ 
marks, Würzburg 1864) mitgeteilten Fälle hervor. 

Oppolzer führte seinen Fall von akuter Entzündung mit 
partieller Erweichung des Rückenmarks auf Erkältung zurück, 
entwickelte eingehend die Symptomatologie sowie die Differentialdiagnose 
der Myelitis und schloß daran die Nekropsie, welche sowohl die makro¬ 
skopische wie die mikroskopische Untersuchung einschloß. 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 


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Gleißners Arbeit entstammt der Schule Wunderliche und 
Btellt analoge Fälle aus der Literatur (besonders aus den Schriften 
Olliviers und Abercrombies) zusammen. 

Köhler (Monographie der Meningitis spinalis, Krankengeschichte 
XVII, XVIII). Dieser Autor unterscheidet: 1. akute oder subakute 
Entzündung des Bückenmarks — rote Erweichung — 
mit oder ohne Substanzverlust; 2. chronische Myelitis 
— fettige Degeneration — gelbe Erweichung. Sein 
Fall von „Myelitis acuta“ betrifft eine rote Erweichung mit Sub- 
stanzverlust in Gestalt eineB, mit einer bindegewebigen, an vielen 
Stellen maschige Netzwerke bildenden Membran ausgekleideten und mit 
Serum erfüllten Kanales. (Syringomyelie!) Sein Fall von „Myelitis 
chronica“ betrifft eine gelbe Erweichung im Halsteil und „amyloide“ 
Entartung im Lumbarteil des Rm. 

Die Arbeit Levys ist aus der Schule Frerichs hervorgegangen 
und vertritt in der Ätiologie, klinischen Untersuchung und Differential - 
diagnose bereits einen mehr vorgerückten Standpunkt. 

Kirchheims Dissertation ist auB der Schule Bambergers; 
der mitgeteilte Fall, in welchem die Diagnose Myelitis chronica 
gestellt wurde, wäre wohl als Sklerose aufzufassen. 

Das dritte Moment, welches für den unleugbaren Aufschwung 
der Lehre von der Myelitis seit dem 5. Dezennium des 19. Jahr¬ 
hunderts in Betracht kommt, ist die beginnende mikroskopische 
Forschung. Daß der Nachweis der Konsistenzabnahme allein 
nicht genügt, einen entzündlichen Vorgang wie Myelitis anzunehmen, 
daß eine anatomische Destruktion des Markes mikroskopisch auf¬ 
gedeckt werden müsse, diese Einsicht war bereits Gemeingut. 
Einen Hauptanstoß zur Entwicklung der Histologie der Myelitis 
gab schon im Anfang der Vierzigerjahre Gluge, dessen 
Abhandlungen zur Physiologie und Pathologie, bzw. „Anato¬ 
misch-mikroskopische Untersuchungen“ (Jena 1841) auch 
einen Abschnitt über die Erweichung des Rückenmarks 
(1. c. pag. 35) enthalten. Hier wurden zum ersten Male die von ihrem 
Entdecker als „Entzündungskugeln“ bezeichnetenKörnchen- 
zellen im myelomalacischen Herd beschrieben. Wir lassen die 
bedeutungsvolle Stelle in extenso folgen und fügen auch die Tafel 
bei, welche Glug es mikroskopischen Befund bei Gehirn- und 
Rückenmarkserweichung wiedergibt. (Taf. H.) 

„Eine Frau von 30 Jahren, Wäscherin, erkrankte zwei Monate 
vor ihrem Tode. Die Eirankheit begann mit allmählicher Lähmung 
der untern Extremitäten; zu dieser gesellte sich Inkontinenz des 
Urins und der Fäzes. Kurze Zeit vor ihrem Tode wurden auch 
die obern Extremitäten gelähmt und die Frau starb asphyktisch 

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durch Lähmung der Atmungsmuskeln. Die Sensibilität war fast ganz 
in den peripherischen Teilen erhalten. Die Affektion war also von 
dem untern nach dem obern Teile des Rückenmarks vorgeschritten. 
Digestion und Intelligenz waren in dem ganzen Verlaufe der Krankheit 
unverletzt.“ 

„Autopsie nach 36 Stunden. Das Blut flüssig, wie gewöhnlich 
in der Asphyxie. Das Gehirn gesund. Die Häute des Rückenmarks 
waren sämtlich gesund. Das Rückenmark selbst zeigte folgende 
Veränderungen: Am Hals- und Lendenteil zeigten sich zerfließend 
weiche Stellen, im Lenden teil waren die vorderen Stränge bei weitem 
mehr erweicht als die hintern; in den Zwischenräumen war das 
Rückenmark von anscheinend normaler Konsistenz, doch fiel die 
grauliche Färbung des ganzen, auch des anscheinend gesunden 
Rückenmarks auf. Übrigens war die Erweichung im Lendenteil am 
stärksten.“ 

„Bei der mikroskopischen Untersuchung wurde ein gesundes 
Rückenmark verglichen. In den erweichten Stellen zeigte sich eine 
so große Menge von zusammengesetzten Entzündungskugeln, daß 
ein kleines Tröpfchen der erweichten Masse, unters Mikroskop 
gebracht und ausgebreitet, undurchsichtig davon ward und es zur 
Isolierung der Verdünnung mit Wasser bedurfte. Leicht ließen sie 
sich von den gewöhnlich im Rückenmark vorkommenden Ganglien¬ 
kugeln unterscheiden. Übrigens bemerkte ich hier zum erstenmal 
bei einigen zusammengesetzten Kugeln eine Art Hülle, wahr¬ 
scheinlich späteren Ursprungs. Die Nervenröhren waren an den 
erweichten Stellen nur in Bruchstücken vorhanden. Daß man aber 
mit dem bloßen Auge nicht die ganze Ausdehnung einer Veränderung 
erkennen könne, zeigte sich auch hier wieder. Wie ich dies schon 
bei Gehirnerweichungen beobachtet, erstreckte sich das Produkt der 
Entzündung eine Strecke über die Erweichung hinaus, wo höchstens 
die graue Färbung auf einen Beginn der krankhaften Veränderung 
schließen ließ.“ 

Anm. „Das Rückenmark habe ich auch im Tetanus einer 
Frau, der wahrscheinlich nach Erkältung entstanden, untersucht 
und die umhüllenden Häute gesund gefunden. An einigen Stellen 
schien die Oberfläche des Rückenmarks weicher als gewöhnlich, 
mit dem Mikroskop war aber keine Veränderung in den wohl¬ 
erhaltenen Nervenröhren zu beobachten, noch irgend eine exsudierte 
Masse sichtbar.“ 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 277 


Cr lug es äußerst wertvolle Entdeckung eröffnete eine ganze 
Reihe von Untersuchungen über die Genese und Bedeutung der 
„Entzündungskugeln“, deren anfängliche Bezeichnung freilich 
in dem Maße an Berechtigung einbüßte, als die Forschung fortschritt. 
Auf die verschiedenen Anschauungen, auf die Streitfragen und 
Lösungsversuche kann hier um so weniger eingegangen werden, als 
damit weit über unser Thema hinaus ein Hauptkapitel aus der 
Geschichte der Entzündungslebre aufgerollt werden müßte. Nur 
so viel sei gesagt, daß die Bedeutung der Körnchenzellen 
für den Nachweis der Myelitis eine Zeitlang weit 
überschätzt worden ist. Man glaubte nämlich, das Vorkommen 
der Körnchenzellen genüge an sich als Beweis dafür, daß in der 
betreffenden Rückenmarkspartie eine Destruktion entzünd- 
lichenUrsprungs bestehe. Diese Ansicht wurde später bekanntlich 
widerlegt, ganz im allgemeinen durch die Arbeiten Reinhardts» 
der die vermeintlichen „Entzündungskugeln“ als Produkte einer 
fettigen regressiven Metamorphose der Zellen aufzufassen lehrte, 
und sodann auf unserem speziellen Gebiete durch die Forschungen 
T ü r c k s, der den durch das Auftreten von Körnchenzellen charak¬ 
terisierten Prozeß der sekundären Degeneration im Fortgang seiner 
Untersuchungen als einen nicht entzündlichen erkannte. Immerhin 
ist G1 u g e s Leistung in der Geschichte der Myelitisforschung nicht 
gering einzuschätzen, wenn sie auch eine andere Bedeutung besitzt, 
als ihr Urheber meinte, wenn sie auch im ursprünglichen Sinne 
bloß ein „lehrreicher Irrtum“ war. 

Da sich die Unzulänglichkeit der auf das Vorhandensein der 
Körnchenzellen gestützten Beweisführung herausstellte, mußte nach 
anderen, dem entzündlichen Prozesse eigentümlichen Veränderungen 
gesucht werden. Die Aufmerksamkeit der Forschung lenkte sich 
nunmehr mit Vorliebe auf das Verhalten der Bindesub stanz» 
der Neuroglia, und es war zunächst die Histologie der subakuten, 
der chronischen Form der „Myelitis“, welche unter Führung der 
großen pathologischen Anatomen Fortschritte machte. Die hervor¬ 
ragendste, weithin anregende Arbeit dieser Richtung wurde im 
6. Dezennium von Rokitansky geliefert. 

Von historischem Interesse and zum großen Teil von bleibendem 
Werte sind übrigens auch schon die Absätze, welche in Rokitanskys 
klassischem Handbuch der'' pathologischen Anatomie 
die Entzündung, Erweichung und Sklerose des Rückenmarks behandeln. 
In der ersten Auflage (Band II, Wien 1844, png. 861 ff.) heißt es: 


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Dr. Max Neuburgor. 


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„Die Entzündung betrifft bald die weißen Stränge, bald die graue 
Substanz, bald beide zugleich. Ausgezeichnet und einer besonderen Er¬ 
wähnung wert ist jedoch die Entzündung der grauen Substanz, wenn 
sie dieselbe in einer großen Strecke oder in ihrer ganzen Ausdehnung 
betrifft; sie ist ihrer Beschränkung auf die graue Substanz, des aus 
deren Erweichung mit Volumszunahme hervorgehenden Verhaltens des 
Rückenmarks und ihres gelegentlichen Ausganges in einen eigenartigen 
Hydrops medullae wegen höchst merkwürdig. Die sie begleitende, je 
nach den Umständen ins Schokoladebraune, Zwetschkenbrühfarbige, 
Rostbraune, Hefengelbe sich nuancierende rote Erweichung der grauen 
Substanz ist A Ibers’ zentrale Erweichung des Rückenmarks.“ Zur 
Illustration beschreibt R. sodann 3 Fälle, die er als die fortschreitenden 
Stadien desselben Prozesses auffaßt. „Man erblickt in diesen Fällen der 
Reihe nach: im ersten Falle einen sehr intensiven, der Menge und der 
Gerinnfähigkeit seiner Produkte nach ausgezeichneten Entzündungs- 
(roten Erweichungs-) Prozeß in der grauen Rückenmarkssubstanz mit 
Volum8zunahme derselben und Ausdehnung der umgebenden Markstränge; 
im zweiten beginnende Absorption eines Teiles der Produkte und der 
Substrate des genannten Prozesses, während ein anderer Teil der ersteren 
eine zellstoffige Gewebsumstaltung eingeht und der Sitz von seröser 
Infiltration bleibt; im dritten das Endglied des Prozesses, eine von 
einem Anteil seiner zu Gewebe gewordenen Produkte ausgeklcideten 
Lücke an der Stelle der grauen Substanz, Dieser Zustand stellt einen 
seiner Grundlage und Natur nach ganz eigenartigen Hydrops der Medullae 
spinalis dar. u Die sogenannte weiße Erweichung erklärt R. als 
eine seröse Infiltration des Rückenmarks mit Lockerung seiner Textur. 
Die rote Erweichung ist ihm Myelitis. Die gelbe Erweichung 
könne als primitive und selbständige Vorkommen, doch habe er sie 
immer nur als sekundäre in Entzündungsherden und in deren Umgebung 
beobachtet. Als Sklerose, deren Sitz vorzugsweise die Markstränge 
sind, kommen Verdichtungen minderen Grades ohne sichtliche ander¬ 
weitige Anomalie im Gefolge allgemeiner Krankheiten vor, ferner die 
mit Atrophie kombinierten Verdichtungen höheren Grades, endlich die 
partiellen Verhärtungen und Schwielen im Gefolge von Entzündung mit 
dem Ausgang in luduration. — In der dritten Auflage des Lehrbuches 
(Wien 185G, pag. 487 ff.) beschreibt R. als zentrale Erweichung, bzw. 
deren Ausgang folgenden Befund; „An der Stelle der zu einem in 
verschiedener Nuance roten Breie zertrümmerten grauen Substanz, welche 
die ausgedehnten Markstränge in Form eines zylindrischen, teigig anzu- 
fühlcnden, fluktuierenden Schlauches umfassen, bleibt endlich ein von 
einem zarten Fach werke durchsetzter oder ein fast einfacher von einem 
zarten, hie und da zu vorspringenden Leisten auswachsenden Binde- 
gewrbsstratum ausgekleideter Hohlraum zurück, welcher von klarem 
Serum ausgefüllt ist.“ Unter der Gruppe Afterbildungen beschreibt R. 
die Bi n d e ge w eb8-N e ub i 1 d u n g. „Sic ist als Wucherung der Binde¬ 
re webssubstanz der Nervenzentra im Rückenmark sehr häufig, indem 
sie nicht nur sehr oft als primäre, sondern auch oft als eine sekundäre, vom 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 279 


Gehirn oder von den Spinalnerven fortgesetzte vorkommt . . . Sie betrifft als 
primäre Erkrankung entweder einzelne Stränge an Stellen von verschiedener 
Ausdehnung oder mehr oder weniger gleichförmig das sämtliche Mark . . . 
Sie erscheint ursprünglich als eine Einlagerung einer halb flüssigen, 
graulichen, klebrigen Substanz, welche die Elemente 
des Markes in größeren Massen auseinanderdrängt und die gleichförmige 
Weiße desselben dahin abändert, daß diese als eine weiße Striemung 
auf einem mattgraulichen Grunde erscheint. Das Verhalten eines in 
exquisitem Grade erkrankten Markes aus dieser Periode besteht in fol¬ 
gendem : das Rückenmark erscheint prall, straff von der Pia mater 
umschlossen; auf dem Querdurchschnitte überwallt dasselbe den Rand 
des Durchschnittes ringsum in einer ungewöhnlichen Weise. In der 
überwallenden Masse wird man eine grauliche durchscheinende feuchte 
Substanz gewahr, mit weißlichen Striemen durchsetzt, welche von dem 
auseinandergeworfenen und zertrümmerten Marke herrühren. Die graue 
Substanz erscheint normal oder sie bietet eine blaßrötliche, ins Fahle 
ziehende Färbung dar und ist unter das Niveau des über wallenden 
Markes eingesunken. In Fällen von minderem Intensitätsgrade ist die 
Wucherung außerordentlich leicht zu übersehen und der Nachweis der 
Erkrankung erfordert die Besichtigung mit der Lupe und die mikro¬ 
skopische Untersuchung. Diese weist das Vorhanden¬ 
sein einer zähen halbflüssigen, von kleinen granu¬ 
lierten Kernen durchsetzten Substanz nach, daneben 
Varikosität und Zerfall der Nervenröhrchen und die 
aus ihnen hervorgegangenen Fettkör n chen-Agglo m er ate, 
Kolloid- und Amyloidkörperchen. Diese Substanz geht all¬ 
mählich die Umstaltung zu einer graulichen, fahlen, mattem Glase 
ähnlichen starren Masse oder zu einer opaken rötlichweißen, weißen 
Schwiele ein. Demgemäß erscheint das Rückenmark an einzelnen Stellen 
verschiedener Ausdehnung, in ganzen einzelnen Strängen, in seiner 
Gesamtheit hart, geschrumpft, wobei es im letzteren Falle einen schwie¬ 
ligen, öfters wegen der ungleichförmigen Degeneration und der ungleich¬ 
förmigen Retraktion knotigen Strang darstellt. Die graue Substanz ist 
bei solcher vorgeschrittener Degeneration des Markes zu einer spärlichen 
rötlichweißen, unter die Durchschnittsfläche einsinkenden Masse reduziert 
und endlich völlig untergegangen. Andererseits hat sich die Degeneration 
auf die Spinalnerven fortgesetzt. Diese Degeneration konstituiert die 
unter dem Namen der Tabes dorsalis bekannte gewöhnliche Rücken¬ 
marksatrophie.“ 

Rokitansky hatte im Anschluß an Cruveilhiers „Trans¬ 
formation grise avec induration“ die Sklerose des Rückenmarks, 
die graue Degeneration 1 ) in der 3. Auflage seines Lehrbuchs 


*) Türck hatte bereits 1855 aus anatomisch-physiologischen 
Gesichtspunkten Fälle von Rückenmarkssklerose geschildert (vgl. seine 
Schrift „Beobachtungen über das Leitungsvermögen des Rückenmarks“). 


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Dr. Max Neuburger. 


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der pathologischen Anatomie 1856 makro- und mikroskopisch 
beschrieben, auch hatte er bereits im Jahre 1854 seine Auffassung 
über die Rolle der Bindegewebswucherung im Entzündungsprozeß 
in einer eigenen Abhandlung dargelegt. Auf dieser zwiefachen 
Grundlage, zu der noch zahlreiche mikroskopische Untersuchungeu 
einschlägiger Fälle hinzukamen, erhebt sich die im Jahre 1857 
in den Sitzungsberichten der Wiener Akademie der Wissenschaften 
(Mathemat.-naturw. Klasse, Baud 24) publizierte Abhandlung „Über 
die Bindegewebswucherung im Nervensysteme“. 

Sein Befund geht dahin, daß im Rückenmark häufig, teils in 
größerer Verbreitung, teils mehr herdweise, an die Stelle der 
weißen Substanz eine formlose, kernhaltige Binde¬ 
substanz tritt, die anfangs eine weiche, halbflüssige Beschaffenheit 
hat, bei ihrer häufig tumultuarischen Entwicklung 
die Nervenfasern auseinanderwirft, ihre Mark¬ 
elemente zertrümmert und der fettigen und amyloiden 
Degeneration entgegenführt. Mit der Zeit nimmt diese an 
die Stelle des normalen Gewebes getretene Masse eine festere 
Beschaflenheit an, sie wird zur Schwiele und besteht aus verfilzten 
Fibrillen statt aus formloser Bindesubstanz oder diese letztere hat 
eine festere bornartige Beschaffenheit angenommen, während gleich¬ 
zeitig die aus der regressiven Metamorphose des Marks hervor¬ 
gegangenen Elemente verschwunden oder nur in verhältnismäßig 
geringer Zahl vorhanden sind. Es handle sich demnach bei der 
grauen Degeneration mit weicher Beschaffenheit der 
grauen, durchscheinenden Substanz und bei den 
Schwielen nicht um verschiedene Vorgänge, sondern um zwei 
Stadien eines und desselben Prozesses. 

Rokitansky erblickte in den entarteten Partien das Produkt 
einer Wucherung der normal zwischen den Nerven¬ 
fasern vorhandenen Bindesubstanz und stützte sich dabei 
auf die Massenzunahme des Rückenmarks, auf die Ähnlichkeit der 
formlosen Substanz mit den Ependymforraationen sowie darauf, daß 
die letztere die Nervenfasern auseinandergedrängt und sich dadurch 
schon als neugebildet dokumentiert hat. 

Unter denjenigen Krankheitsformen, als deren wesentliches 
anatomisches Element die Bindesubstanzwucherung betrachtet werden 
müsse, hebt Rokitansky vorzugsweise die folgenden hervor: 
Paraplegien und viele Fälle der „progressiven 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 281 


Muskelatrophie“, akute und chronische Konvulsionen 
(akute Chorea und Tetanus), akute und chronische, all¬ 
gemeine und örtliche Hyperästhesie der Haut und 
der Muskeln, Geisteskrankheiten, namentlich para¬ 
lytischen Blödsinn. 

Rokitanskys Anschauung, daß eine Wucherung des normal 
vorhandenen Bindegewebes mit konsekutivem Schwund der großen 
Mehrzahl der Nervenfasern das Wesen der grauen Degeneration 
ausmache, trat später Leyden entgegen, welcher den Schwund der 
Nervenfasern als das Primäre und die Vermehrung der Binde¬ 
substanz nur für scheinbar erklärte, bedingt durch ein dichteres 
Zusammenliegen der Fasern infolge der eingetretenen Schrumpfung. 

Wiewohl im Beginne der Sechzigerjahre das Studium der 
grauen Degeneration und namentlich der Degeneration der Hinter¬ 
stränge die neurologische Forschung vorzugsweise beherrschte, ging 
doch auch die Myelitis nicht leer aus. Ja, schon ein Jahr nach den 
grundlegenden Tabesarbeiten Leydens, Friedreichs und Eisen¬ 
manns, wurde auch die erste klassische Beschreibung eines bei Leb¬ 
zeiten erkannten Falles von Myelitis acuta von dem Assistenten 
Frerichs, von Emil Mannkopf, geliefert. (Berliner Klin. 
Wochenschr. 1864.) 

Der Symptomenkomplex des Falles, in welchem Frerichs die 
richtige Diagnose gestellt hatte, war folgender rRückenschmerz, 
exzentrische Schmerzen — Parese — motorische und 
sensible Lähmung der unteren Körperhälfte; Reflex¬ 
erregbarkeit sogleich, elektrische Erregbarkeit erst 
später erloschen; Obstipation, Blasenlähmung, Deku¬ 
bitus. Anfälle von Kollaps, in einem solchen er¬ 
folgte der Tod. 1 ) Die Sektion ergab Erweichung der 


') Aus der anfänglichen Erhaltung der elektrischen Erregbarkeit zog 
Frerichs den Schluß, daß es sich nicht um eine peripherische Aflektion 
handeln könne. Bluterguß in den Wirbelkanal wurde ausgeschlossen, 
weil die Erscheinungen dann viel rapider aufgetreten wären, auch Reiz¬ 
erscheinungen nicht gefehlt hätten. Gegen Meningitis sprach der Umstand, 
daß ohne vorangehende Reizerscheinungen vollkommene Lähmung eintrat. 

In dem beschriebenen Falle erfolgte vollständige Lähmung zirka 
14 Tage, der ExituB 6 Wochen nach dem Beginn des Leidens. Das 
Erlöschen der elektrischen Erregbarkeit führte Frerichs auf das Fort- 
schreiten des Prozesses von der Medulla auf die Nervenwurzeln zurück. 


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ÜJvMas. Neuburger, 


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ctfebii mir • Vör.ftUix^lfc. «amkirdbhc ?m ihrtfraAustritt am dem H ticken eHok 
diirchisehiiilth^h oaeh4*w fituadin/tdden 

feine wei.»ni»dijjTaii<: Pathmig und Wenge RonsiäfcenÄ äfkeiröcn iie.Gen, !>?,•« 
ftückfeuuiark. hatte in «!vr W.S'teUüung eme geringe Kon£m*it». 

I ui HaJkreH ze%te dl*- Schnitdlnche bteXlmwwxi* nur .jjgfciitb Injektion 
der grau dir Siibsfcauz. Itn obereu 1iruaifcef 1 wo ibto «icb feefta ßucc&schnilt 
na einer/ Steile? de? liukeu Hälfte der gr.'i woo S u h s t;* ü a entsprechend. 
4to* bUiÜgrane Masse /htifxözi die aföfi;-'-’&?i«4 'feil mif 

iriinerlahenag meiner ziemlich glaftwamiige« Höhte- heriüiepöl^a : JfaÄ; ■ -JA 
weiter nuaji toöch untau vorselmtt, deatö ; watfel,i<sy'Sttbsf-nn.« fcr 
MedMÜa und überuH quoll ^ie uuge^hhulrch hock «her den ^aeischnitt 
^xöjiur. ildber ehern faiiden aieli ^^rclukehtv graue> uud br^ivu * 

•liehe FieeUclieiJi; darin trat ; eine ^ igruue Ptoktierung; titt- .J.^ßK 

♦m* Stelle e«sprechend, wo sich dir. ersten AasrhwrHiiuixeu der Ncttcü- 


fÄHiGAN 






Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur, 


Anschwellung fort. Dann boten die ft 

Nervenfasern ein, soweit man es bei ^t 

der vorgeschrittenen Fäulnis beurtei- i; 

len konnte, normales Ansehen dar. 

Eiterkörperchen wurden weder in der 

Medullu noch in den Nerven wurzeln & 

Pfunden.“ 

Iü demselben. Jahre wie M ann- 
k o p f beschrieb F rommanu (Ü u- 
tersuchungeu über die üor- ; ■ \ 

male und pathologische 
Auatomiedes Rückenmarks 
I. Jena, 1864) einen Fall be- p . 

ginnender Myelitisim Puer¬ 
perium mit genauem mikroskopischem Befunde, (Karminfär¬ 
bung). 

„Ich erhielt durch Zufall ein Rückenmark, iu welchem sich Ver¬ 
änderungen verlanden, die mich auf eine beginnende Myelitis oder wenig¬ 
stens auf einen Reizungszustand der Zellen der weißen Substanz schließen 
ließen, Behufs anderweitiger Untersuchungen batte ich das Rückenmark 
einer 30jährigen Frau heravisgenommen, die sehr bald nach ihrer 
bis dahin ganz normal verlaufenen Entbindung an einer profusen inneren 
Oebärmutterbiutung gestorben war. Bei Untersuchung des Len den teile» 
wurde ich schon an den ersten (gefärbten) Schnitten überrascht durch 
die Vergrößerung einer sehr großen Anzahl von Bindegewebszellen der 
weißen Substanz, die zum Teil einfache und nur vergrößerte, teils 2 


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284 


l)r. Max Neuburger. 


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und seltener 3 Kerne enthielten. Dabei fand sieh an vielen Stellen eine 
Erweiterung der Zellausläufer in ihrem unmittelbar an die Zelle stoßen¬ 
den Abschnitt, außerdem aber eine deutlich hervortretende Karminfärbung 
eines sehr großen Teils der Fasern und Zellausläufer, die von den stär¬ 
keren derselben mit abnehmender Tiefe sich bis auf die feineren fort- 
setzte and nur die feinsten unbeteiligt ließ, so daß das gesamte Faser- und 
Zellnetzwerk der weißen Substanz in viel größerer Ausdehnung gefärbt 
erschien, als ich es unter normalen Verhältnissen je gesehen habe und 
auf dem Querschnitt einen außerordentlich schönen Anblick bot.“ — „An 
einzelnen Stellen fand sich außerdem eine Erweiterung der vereinzelt 
von der Rindenschicht und radiär nach innen strahlenden Fasern, beson¬ 
ders deutlich an der Peripherie des hinteren Drittels der Seitenstränge, 
wo die Erweiterung innerhalb der von 2—3 aufeinanderfolgenden Stamm¬ 
fortsätzen der Rindenschicht eingeschlossenen Felder von Q Q fast alle 
der erwähnten Fasern traf. Die stärksten derselben erreichten einen 
Durchmesser von nahezu 0*004 mm, so daß ich anfangs glaubte, es handle 
sich um mehrere dicht zusammengelagerte Fasern, die bei ihrer tiefen 
Färbung sich nicht deutlich voneinander sondern ließen, bis mich eine 
fortgesetzte Untersuchung vom Gegenteil belehrte. In geringerem Grade 
waren auch die Verzweigungen dieser Fasern und andere sie quer und 
schräg durchsetzende und an der Schließung der Maschen für die (•) Q 
sich beteiligende erweitert. — Es scheint mir außer Zweifel zu sein, 
daß die weitgehende Färbung der Bestandteile des Retikulum von einer 
ungewöhnlich starken Füllung derselben mit einem für die Karmin- 
imbilition empfänglichen Material herrührt; indessen ob diese Füllung eine 
Folge des Reizungszustandes der Zellen oder nicht vielmehr durch die 
Verblutung der Kranken und eine dadurch bewirkte stärkere Bewegung 
und Stoffaufnahme in dem feinen Röhrensystem der Bindesubstanz bedingt 
worden ist, wage ich nicht zu entscheiden. Das letztere ist mir aus 
dem Grunde wahrscheinlicher, weil bei Myelitis in den ersten Graden 
der Veränderung ich eine solche mehr gleichmäßige Färbung nicht wahr¬ 
nahm, die Füllung der Röhrchen mit einem feinkörnigen Material und 
ihre Karminfärbung auf die Gebiete der einzelnen Zellen beschränkt 
war, sich mehr oder weniger weit in ihre Ausläufer hineinstreckte, aber 
dabei oft ziemlich scharf begrenzt war. Dagegen kann man die Ver¬ 
größerung der Zellen und die Kernvermehrung nicht wohl auf Rechnung 
der Metrorrhagie setzen, die jedenfalls nur kurze Zeit gedauert hatte und 
mögen sie die Anfänge einer Myelitis bezeichnen oder vielleicht nur als 
ein Reizungszustand aufzufassen sein, der während des Puerperiums an¬ 
hält und das anatomische Substrat einer während seiner Dauer bestehen¬ 
den Prädisposition zu Myelitis abgibt. Die beschriebenen Veränderungen 
fand ich ziemlich in gleicher Weise in den verschiedenen Abschnitten 
der weißen Substanz vom Anfang bis zur Höhe der Lenden an Schwellung» 
Rückenhalsteile waren gar nicht mit herausgenommen worden. In der 
grauen Substanz konnte ich eine Vergrößerung der Zellen und Ver¬ 
mehrung der Kerne nicht konstatieren. Die Häute des Rückenmarks 
waren gesund.“ (L. c. pag. 80, 81). 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 285 


Den einstweiligen Abschluß der Forschung bildete das zusammen¬ 
fassende Referat, welches E.Mannkopf über dieakuteMyelitis 
im Jahre 1865 erstattete. (Vortr. geh. in der mediz. Sektion der 
40. Vers, deutscher Naturf. und Ärzte zu Hannover 1865.) 

Mannkopf stützte sich auf die Untersuchung von 7 Fällen 
aus der Klinik Frerichs, hei welchen die Meningen gar nicht oder 
nur sehr wenig in Mitleidenschaft gezogen waren. Als Symptome 
der akuten Myelitis gibt er die folgenden an: 

Schmerz im Verlauf der Wirbelsäule meistens, aber nicht 
immer vorhanden, mäßig (Ziehen, Überrieseln), konstant oder 
paroxysmatisch, an einer umschriebenen Stelle oder über die ganze 
Wirbelsäule verbreitet, durch Druck mitunter, aber nicht in allen 
Fällen, zu steigern. Der Sitz der Schmerzempfindlichkeit entspricht 
manchmal, aber nicht immer der affizierten Stelle. 

Exzentrische Empfindungen (Kriebeln,Stechen, seltener 
ein von der Wirbelsäule nach den Schenkeln ausstrahlender Schmerz), 
meist im Beginne der Krankheit vorhanden, den Störungen der 
Motilität vorangehend. Im späteren Verlaufe tritt an ihre Stelle 
Anästhesie, nur das Reifengefühl persistiert auch noch bei Paraplegie 
der untern Extremitäten. 

Anästhesie und Analgesie meistens, aber nicht in allen 
Fällen vorhanden. Die verschiedenen Modifikationen der Sensibilität 
sind nicht immer in gleicher Weise krankhaft verändert. So war 
z. B. in einem Falle die Empfindlichkeit gegen elektrische Reize 
und Temperatur gestört, während der Tasterzirkel normale Maße 
ergab und die Lokalisation richtig war. 

Krämpfe, in der Minderzahl der Fälle vorkommend. Sie 
treten erst nach vollkommener Ausbildung der Lähmungen auf und 
sind von klonischem Charakter, hervorgerufen durch äußere oder 
im Innern des Körpers entstandene Reize. 

Lähmungen. Im Verlaufe der Krankheit konstantes 
Symptom; gewöhnlich rasch eintretende Paraplegien. 

Elektrische Erregbarkeit, anfangs normal, später all¬ 
mählich abnehmend. Erlöschen meist in der dritten Woche nach 
dem Beginne der Lähmung. (Hauptursache Degeneration der 
Muskeln.) 

Dysurie, später Inkontinenz; Darmlähmung. 

Reflexerregbarkeit. Bisweilen anfangs gesteigert, später 
herabgesetzt. In einigen Fällen bei bestehender Anästhesie herab- 


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Dr. Max Neuburger. 


gesetzt oder erloschen (infolge von Entzündung der peripherischen 
Nerven). 

Dekubitus, oft sehr früh auftretend (wahrscheinlich infolge 
von Lähmung der vasomotorischen Nerven). 

Temperatur der gelähmten Körperhälfte um 1° niedriger, 
in dem beobachteten Falle bildete sich auch ein Odem der gelähmten 
Teile aus. 

Schweißsekretion. Mitunter Ausfall derselben an den 
gelähmten Teilen, in anderen Fällen sogar reichliche Schweiße. 

Zystitis, Pyelonephritis im späteren Verlaufe. 

Fieber, stets gering im Beginne der Erkrankung, später 
bei Dekubitus Fröste und hektisches Fieber. 

Der Exitus erfolgt durch Lähmung der Respiration, Dekubitus, 
Fieber, Albuminurie, Blasendiphtheritis, mangelhafte Ernährung 
Kollaps. 

Die kürzeste Krankheitsdauer betrug 23 Tage, die längste 
207i Wochen. Ätiologisch konnte meist Erkältung nachgewiesen 
werden, einmal Erschütterung der Wirbelsäule. Therapie: Leichte 
Antiphlogose, (Schröpfköpfe, Vesikantien, Koloquinten), später sympto¬ 
matische Behandlung. 

In der von Mannkopf gegebenen Krankheitsschilderung lassen 
sich die inzwischen gemachten klinischen Fortschritte, namentlich 
hinsichtlich der Untersuchungstechnik (Prüfung der 
Reflexerregbarkeit, der elektrischen Erregbarkeit, des Tastsinnes usw.) 
erkennen. 

Auf Grund der pathologisch-anatomischen und mikroskopischen 
Untersuchung (Härtung) kam Mannkopf dahin, im Krankheitsprozeß 
der akuten Myelitis drei Stadien zu unterscheiden. Im ersten 
Stadium: Makroskopisch nichts Besonderes, nur eine geringe Ver¬ 
änderung der Konsistenz und Färbung. Mikroskopisch nur eine 
bedeutende Kernwucherung in der Adventitia der 
Gefäße, nach Erhärtung Vermehrung der Bindesubstanz, Ver¬ 
breiterung der Interstitien. Im zweiten Stadium: Makroskopisch 
kleine Blutextravasate oder größerer Bluterguß, blutige Infiltration 
des Mai kge wehes mit Erweichung. Mikroskopisch stärkere Ver¬ 
änderungen um dieGef äße, Verfettung derKapillaren 
und der Grundsubstanz. Im dritten Stadium gesellt sich eine 
wesentliche Beteiligung der Nervensubstauz hinzu, eine große 
Menge von Körnchenzellen, Myelindetritus und verfettete Ganglien- 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 287 

zellen (gelbe Erweichung), die Zellen und Kerne der Neuroglia in 
allen Stadien der Verfettung. Hiezu kommt die auf- und absteigende 
Degeneration. Mitunter nehmen auch die Nervenwurzeln teil und 
zeigen knotige Anschwellungen mit Verfettung und Kern Wucherung 
der Schwannschen Scheide. 

„Am Rückenmark selbst bemerkt man in den ersten Stadien 
der Erkrankung, die sich entweder ausschließlich oder neben weiter 
vorgeschrittenen Veränderungen vorfinden, bei makroskopischer Be¬ 
trachtung oft gar nichts Auffallendes oder man sieht so unbedeutende Ver¬ 
änderungen in bezug auf Konsistenz, Feuchtigkeitsgrad, Rlutverteilung 
und Färbung, wie man sie auch bei ganz normalem Verhalten der Medulla 

zu beachten Gelegenheit hat.Bei mikroskopischer Untersuchung 

der frischen Präparate bleibt das Ergebnis wie bei der makroskopischen 
Betrachtung oft ganz negativ. . . . Niemals habe ich mich bei frischer 
Untersuchung von einer Zunahme der Bindesubstanz überzeugen 
können, namentlich nicht von einer auffallenden Vermehrung der Keime. 
Es ist dieses negative Ergebnis sicherlich die Ursache, daß man wirk¬ 
liche Erkrankungen der Medulla übersah, weil sich die Beobachter danach 
nicht veranlaßt fühlten, eine Untersuchung nach Erhärtung des Rücken¬ 
marks folgen zu lassen. Und doch würde man auch oft schon bei 
frischer Untersuchung eine auffällige Veränderung gefunden haben, wenn 
man auf die Gefäßwandungen mehr geachtet hätte. Ich fand nämlich, 
nachdem ich einmal darauf aufmerksam geworden war, stets in der 
Adventitia vieler die Medulla durchziehender Gefäße eine bedeutende 
Kernwucherung, während ich mich an den Kapillaren von einer 
Kern Vermehrung, wenigstens in diesen Stadien, nicht überzeugen konnte. 

Nach der Erhärtung der Medulla waren aber, außer dieser auch 
noch jetzt zu erkennenden Kemwucherung der Gefäßadventitien, weitere 
Veränderungen zu bemerken. Es betrafen diese die stützende Binde¬ 
substanz, während auch jetzt weder an den Nervenfasern, noch Ganglien¬ 
zellen sich Abnormitäten erkennen ließen. Man ermittelte mit Sicherheit 
eine Vermehrung der Kerne der Bindesubstanz. In der grauen Substanz 
lagen sie oft zu 3, 4 und mehr in Haufen zusammen; in der Rinden¬ 
substanz waren sie wenigstens mitunter deutlich vermehrt und in den 
weißen Strängen konnte man namentlich an Längs-, aber auch an Quer¬ 
schnitten, die Vermehrung und selbst Teilungen der Kerne beobachten. 
Mitunter sah ich um einen oder selbst um zwei Kerne einen fein¬ 
granulierten Protoplasmahof so deutlich wie niemals unter normalen Ver¬ 
hältnissen. Die Interstitien zwischen den Nervenquerschnitten sind unge¬ 
wöhnlich breit und scheinen durch Karmin intensiver gefärbt zu werden 
als an normalen Stellen desselben Rückenmarks; nicht minder ist die 
Rindenschicht oft deutlich verbreitert. Von diesen Veränderungen kann 
man sowohl, wenn man Querschnitte, die dicht übereinander gelegen 
haben, als auch, wenn man verschiedene Stellen eines Querschnittes ver¬ 
gleicht, dicht bei einander verschiedene Grade beobachten. . . . 

Ist der entzündliche Prozeß weiter vorgeschritten, so findet man 


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Dr. Max Neuburger. 


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mitunter schon bei makroskopischer Betrachtung eine auffallende Abnor¬ 
mität und möchte ich dies als zweites Stadium der Erkrankung 
bezeichnen. Man erkennt auf dem Querschnitt kleine Blutextravasate oder 
selbst einen etwas größeren Bluterguß und verschiedene Grade der blutigen 
Infiltrationen, so daß die weiße Substanz eine rötliche oder gelblich¬ 
grüne Färbung annimmt. Bei der mikroskopischen Untersuchung ergaben 
sich in solchen Fällen dieselben Befunde, wie wir sie vorher besprachen; 
nur die Gefäße zeigten weitere Veränderungen. Sowohl in den größeren 
Gefäßen wie in den Kapillaren erkannte man mäßige Grade der Ver¬ 
fettung, sowohl der Kerne als auch besonders der Grundsubstanz. Man 
fand übrigens diese mäßigen Grade der Verfettung ebensowohl wie die 
später zu besprechenden bedeutenderen Grade auch in Fällen, wo es 
nicht zu Blutungen gekommen war. Wo diese letzteren eingetreten waren, 
hatte die durch die Verfettung bewirkte Morschheit der Wandungen 
zu Zerreißung und Blutaustritt Gelegenheit gegeben. Diese Blutergüsse 
bilden den Übergang zur roten Erweichung. 

Im weiteren Verlaufe erkennt man — und betrifft dies meist Fälle, 
die langsamer zum Tode führten — neben vorgeschritteneren Veränderungen 
der Bindesubstanz und der Gefäße eine sehr wesentliche Beteiligung der 
Ner vensubstanz und läßt sich dies wohl als drittes Stadium 
der Erkrankung bezeichnen. Ich berichte zunächst von zwei Fällen, in 
denen dieses vorgerückte Stadium vorzugsweise in einem zirkumskripten 
Herde in der Mitte des Brustteiles des Rückenmarks gefunden wurde. 

In dem einen Falle fand sich ein etwa 2 Zoll langer, die Hinter¬ 
stränge und in verschiedener Ausdehnung auch die Hinterhöroer und 
hintern Partien der Seitenstränge durchsetzender Herd vor, sehr unregel- 
mäßig gestaltet; offenbar war auch die Grundsubstanz nach einer Zunahme 
ihrer Menge stellenweise einer Verfettung anheimgefallen. Besonders an 
der Rindenschicht und im Verlaufe der Gefäße ließ sich eine beträcht¬ 
liche Verbreiterung der Bindesubstanz erkennen; es mag diese teils durch 
Wucherung, teils aber auch durch Zusammenfallen der Maschen nach 
Resorption der verfetteten Nervenfasern bewirkt worden sein. 

„Die Gefäße waren enorm verfettet; ein breiter Fettmantel um¬ 
hüllte die größeren und kleineren Gefäße bis zu den Kapillaren. Nach 
Karminfärbung und Behandlung der Präparate mit Alkohol waren in 
den Fettmassen immer noch die zahlreichen Kerne erkennbar. Ich fand 
nach der Erhärtung Stellen, wo offenbar infolge dieser Verfettung der 
Zusammenhang zwischen den inneren und äußeren Häuten der Gefäße 
so gelockert war, daß, nachdem die Intima einen Einriß erfahren, sich 
Blut zwischen die Häute ergossen hatte (Aneurysma dissecans). 

Sehr interessant ist, daß außer den Blutungen sich die übrigen 
Veränderungen von dem Herd aus weiter durch das Rückenmark erstreckten, 
und zwar ließen sie sich nach unten in den Vordersträngen bis etwa 
auf l T /a” von der Spitze und nicht ganz so tief in den Seiten¬ 
strängen, nach oben dagegen in den hinteren Strängen, zuletzt nur 
in den Gollschen Keilsträngen erkennen. In der grauen Substanz 
fanden sich hier überall nur gute Ganglienzellen vor. In den meisten 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 289 


Strängen waren, je weniger Körachenkugeln bemerkt wurden, desto mehr 
gut ausgehende Nervenfasern vorhanden. Außerdem konnte man auch 
die früheren Stadien der Entzündung nach unten zu auf einer Strecke 
an den nicht verfetteten Partien der Medulla beobachten.“. 

„ An die pathologisch-anatomischen Veränderungen der Marksubstanz 
schließe ich das, was sich in einigen Fällen an den peripherischen 
Nerven auffinden ließ. Schon vorher sprach ich von einem Fall, in 
welchem viele Ursprünge von Nervenwurzeln- eine geringe knotige An¬ 
schwellung zeigten. Eine Veränderung der Nervenfasern selbst konnte 
ich hier nicht erkennen. Dagegen fanden sich dreimal eingreifende Ver¬ 
änderungen der peripherischen Nerven vor. ... In zwei Fällen habe 
ich die Veränderungen genauer verfolgt. Man sah hier alle Stadien der 
Verfettung der Nervenfasern von dem Auftreten kleiner Fettbäufchen 
bis zu der vollkommenen Erfüllung der Schwannschen Scheide mit Fett¬ 
massen. In früheren Stadien war der Achsenzylinder noch deutlich zu 
erkennen; bei vollkommener Verfettung war er, wie man sich namentlich 
auf Querschnitten überzeugen konnte, unzweifelhaft zu Grunde gegangen. 
Außerdem fand sich eine bedeutende Wucherung der Kerne der Schwann¬ 
schen Scheiden, und zwar desto stärker, je weiter die Verfettung vor¬ 
geschritten, indem eine gelbe, zähflüssige Masse über die Schnittfläche 
hervorquoll (gelbe Erweichung). Die frische mikroskopische Untersuchung 
ergab in diesem Abschnitt des Rückenmarks aber an allen Stellen des 
Querschnittes dieselben Veränderungen wie an der erweichten Partie. 
Worin der Unterschied der Färbung und Konsistenz beruht, konnte bis¬ 
her nicht erkannt werden. Die bisherige mikroskopische Untersuchung 
ergab folgendes: Die Gefäße zeigten wiederum bedeutende Kernwucherung 
und mäßige Verfettung. Außerdem aber fanden sich fast gar keine 
Nervenfasern vor, man sah nur Myelindetritus und vor allem große 

Mengen von Fettkörnchenkonglomeraten . Nach vielen 

Untersuchungen habe ich die Überzeugung gewonnen, daß diese Fett¬ 
körnchenmassen wenigstens zum allergrößten Teil aus dem Zerfall der 
Nervenfasern herrühren. Es mag dazu immerhin auch etwas eine Ver¬ 
fettung der Grundsubstanz beitragen; und auch an den Kernen und 
Zellen der Grundsubstanz habe ich alle Übergänge und Stadien der Ver¬ 
fettung beobachtet, aber niemals bilden diese alleiu solche große Fett¬ 
haufen. Kehren wir zu dem speziellen Fall, von dem wir ausgingen, 
zurück, so habe ich nur hinzuzufügen, daß man dieselben Veränderungen 
wie in dem Horde noch weiter nach oben und unten verfolgen konnte, 
obwohl die makroskopische Betrachtung hier keine Abnormität, auch nicht 
die geringste Farbeveränderung hatte erkennen lassen. Namentlich in 
üen Seitensträngen erstreckte sich die Erkrankung, allmählich geringer 
werdend, nach unten bis in den Lendenteil, aber nicht ganz bis zur 
Spitze und nach oben bis zum Halsteil; in den anderen Partien der 
weißen Substanz war sie nicht so weit zu verfolgen, und zwar in den 
Hintersträngen nur etwas nach oben, in den Vordersträngen nur etwas 
nach unten. 

In dem anderen hieher gehörigen Fall fand sich im oberen Brust- 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 19 


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Dr. Max Neuburger. 


teil ein etwa 1 " langer Herd roter Erweichung mäßigen Grades. Da» 
Mark hatte geringe Konsistenz, quoll ziemlich über den Schnitt hervor,, 
die Piafortsätze der weißen Substanz traten deutlich hervor und endlich 
fanden sich zahlreiche kleine Blutextravasate auf dem Querschnitt. 

Das Mikroskop ergab bei Untersuchung der frischen und der 
erhärteten Präparate: 

1. in allen Teilen des Rückenmarkes Fettkörnchenkonglomerate; 

2. neben Myelinmassen unzweifelhaft spärliche, gut aussehende 
Nervenfasern; 

3. viele wohlerhaltene Ganglienzellen und spärliche, die unzweifel¬ 
haft verfettet waren. Ich hebe hervor, daß die Ganglienzellen sehr wider¬ 
standsfähig zu sein scheinen, und daß das der einzige Fall ist, in dem 
ich den Vorgang der Verfettung an ihnen mit Sicherheit beobachtete; 

4. was die Bindesubstanz anbetrifft, so konnte man die früher 
erörterten Veränderungen in bezug auf Kerne und Zellen und alle Stadien 
der Verfettung derselben beobachten. Die Grundsubstanz der weißen 
Stränge hatte ihr zierliches normales Aussehen verloren. Die Lücken 
des Netzwerkes waren von viel mehr wechselnder Größe als die Fäden 
desselben. In den früheren Stadien schien die Verfettung meistenteils 
von den Kernen auszugehen. Auch die Gefäße der Nervenwurzeln zeigten 
Kernwucherung. Ich fasse diesen Vorgang als eine vom 
Mark auf die Nerven übergehende Entzündung auf. 

Von den übrigen pathologisch-anatomischen Veränderungen erwähne 
ich nur hier noch, daß ich häufig eine feinkörnige Degeneration der Muskeln 
der gelähmten Teile vorfand; daß diese feinen Körnchen aber sich gar 
nicht oder nur zum kleinsten Teile wie Fetttröpfchen, dagegen zumeist 
wie eine eiweißartige Masse verhielten. Außerdem bestand stets eine, 
sogar bedeutende Wucherung der Sarkolemmakerne.“ 

Wie Mannkopf unterschied auch Frommann (Unter¬ 
suchungen über die normale und pathologische Anatomie des 
Rückenmarks, I, Jena, 1864 pag. 81 ff.) bei seinen ungemein feinen, 
an gefärbten und mit Terpentin behandelten Präparaten angestell- 
ten Untersuchungen drei Grade der myelitischen Verän¬ 
derungen. Im ersten ist die Mehrzahl der Bindegewebszeilen 
vergrößert, enthält zwei bis drei Kerne, zeigt erweiterte Aus¬ 
läufer, während die Nervenfasern etwas komprimiert, aber nicht 
weiter verändert sind; im zweiten ist die Menge der Zellen erheblich 
vermehrt, ihre Ausläufer stark erweitert, anastomosiert und bilden 
ein Netz feiner Kanäle und Fasern. Im ganzen hat das Bindegewebe 
an Masse erheblich zugenommen und eine große Anzahl Nerven¬ 
fasern ist komprimiert und verkleinert; im dritten Grade noch 
stärkere Ausdehnung der Ausläufer, der größte Teil des Maschen¬ 
gerüstes ist wie mit Kernen injiziert. Die Nervenfasern zeigen 
Verengerungen und Erweiterungen ihres Durchmessers; die Erweite- 


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Streifzüge durch die ältere deutsche Myelitis-Literatur. 291 


rungen kommen überall im 2. und 3. Grade vor, neben den er¬ 
weiterten liegen komprimierte Fasern. Das Nerveumark solcher 
Fasern ist in Bruchstücke zerfallen, die Achsenzylinder oft von 
normalem Aussehen, zuweilen körnig, in beginnendem molekularen 
Zerfall. 

Unter den unmittelbar folgenden Schriften wäre insbesondere 
die ausgezeichnete Arbeit von H. Engelken (Beitrag zur 
Pathologie der akuten Myelitis, Inauguraldissertation, Zürich, 1867), 
aus der Klinik Biermers stammend, hervorzuheben und 
die kritische Zusammenfassung alles bisher Geleisteten in der 
2. Auflage von Hasses Krankheiten des Nervensystems (Erlan¬ 
gen, 1869). Dieses Werk bilde den Grenzpfahl für unsere Wanderung 
durch die ältere deutsche Myelitisliteratur. 

Wir schließen mit den Worten Virchows: „Die 
Geschichte zeigt, daß die Anschauungen derSpäteren 
immer wieder auf Punkte zurückkommen, welche die 
frühere Beobachtung schon erledigt zu haben 
glaubte, und gerade in unsererZeit, wo so wenige die 
Muße finden, die Wissenschaft historisch zu 
studieren, ist es vielleicht eher gerechtfertigt, das 
Ältere wieder in den Gesichtskreis der nachwach¬ 
senden Generation zu rücken.“ 


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(Aus der k. k. psychiatrischen und Xervenklinik der Wiener Universität. 

Vorstand Hofrat Professor Wagner v. Jauregg.) 

Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit 

Epilepsie. 

Von 

Dr. Otto Glaser, k. u. k. Regimentsarzt, 

z. Z. kommandiert zur Klinik. 

(Mit 3 Abbildungen im Text und Tafel III.) 

Immer mehr lösen sich vom großen Gesamtbegriff der Epilepsie 
Formen los, bei denen sich eine organische Ursache früher oder 
später als unzweifelhaft, oft sogar anatomisch greifbar darstellt, und 
die sich also als Herdepilepsien erkennen lassen. (Wir verweisen, 
da eine detaillierte Zitierung nicht im Rahmen dieser Arbeit liegt, 
nur kurz auf v. Wag Der, Freud, Redlich u. a. Autoren.) 

Und wenn auch — um gleich auf die traumatisch ausgelöste 
Epilepsie einzugehen — bei einer großen Zahl dieser Fälle die 
durch das Trauma gesetzten anatomischen Veränderungen keines¬ 
wegs immer direkt palpabel sind, sondern oft eigentlich nur sup- 
poniert werden, so gelingt es doch in vielen Fällen durch genauere, 
z. B. speziell oft erst durch radiologische Untersuchungen l ), diskreter 
umschriebene, aber doch sehr deutliche Veränderungen im Schädel- 
innern nachzuweisen, die als Relikte des vorhergegangenen Traumas 
aufzufassen sind. 

Es kann in dieser kurzen Mitteilung nicht unsere Aufgabe 
sein, auf die reiche Literatur dieses Kapitels irgendwie in extenso 
einzugehen. Wir wollen uns hier, dem Charakter der unten mit- 

J ) Redlich- Schüller: Über Röntgenbefunde am Schädel von 
Epileptikern. Fortschr. a. d. Geb. d. Röntgenstrahlen, Bd. XIV. 


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Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit Epilepsie. 293 


zuteilenden Fälle entsprechend, nur auf eine kleine umschriebene 
Gruppe traumatisch ausgelöster Epilepsien beschränken, in denen 
es sich zwar um ziemlich grobe Läsionen handelt, die aber gleich¬ 
wohl erst bei genauerer Untersuchung gefunden wurden, und zwar, 
galten alle drei Fälle, die nachstehend mitgeteilt werden sollen 
vor der eingehenden klinischen Untersuchung als schlichte trau¬ 
matische Epilepsien, entpuppten sich jedoch später — und das ist 
das sie gemeinsam Kennzeichnende, als „traumatische Poren- 
c ephalien“. 

Zunächst seien die Fälle ausführlicher mitgeteilt 1 ): 

Fall 1. 

M. P., aufgenommen am 11. Februar 1909. Damals 10y 8 jähr. 
Mädchen. Im Alter von 2 Jahren Sturz auf den Schädel aus 3 m 
Höhe. Seit dem 7. Lebensjahr epileptische Anfälle, die sich in der 
letzten Zeit bis zu 10 Anfällen in 24 Stunden häuften. Sie wurde 
vom Gemeindearzt zwecks Operation als traumatische Epilepsie an 
das Allg. Krankenhaus gewiesen. 

Die körperliche Untersuchung ergab bei der Aufnahme einen 
7 cm hinter der linken Ohrmuschel beginnenden, entlang der linken 
Hälfte der Lambdanaht verlaufenden, ungefähr 8 cm langen und bis 
zu l 1 /*breiten Knochendefekt, der an seinem hintern Ende von 
einem steilen knöchernen Wulst umgeben war. Innerhalb des 
Knochendefektes waren Pulsationen weder sicht- noch fühlbar. 
Sonstiger Befund: etwas unausgiebig reagierende gleiche Pupillen, 
eine leichte Parese des r. Fazialis und der r. o. E., choreatische 
Bewegungen beider r. E., Differenz der mittleren und unteren BDR 
(l.>r.), keinen Babinski. Außerdem bestand rechtsseitige Hemi¬ 
anopsie. 

Die radiologische Untersuchung ergab folgenden Befund 
(Dr. Schüller): Hinterhaupt in toto ziemlich stark vorgewölbt, 
stellenweise blasig aufgetrieben, so daß die Wand ganz dünn er¬ 
scheint. Hinterhauptloch infolge geringer Ausbildung der 1. Hinter¬ 
hauptschuppe asymmetrisch nach links ausgeweitet, Defekt im Be¬ 
reiche der 1. Hinterhauptschuppe und des 1. Scheitelbeins entspre¬ 
chend der sichtbaren Vertiefung. 


J ) Fall 1 und 2 finden sich kurz mitgeteilt in der bereits zitierten 
Arbeit von Redlich-Schüller. 


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Dr. Otto Glaser. 


Das Krankheitsbild beherrschten anfangs gehäufte (bis zu 
103 täglich) epileptische Anfälle von Jacksoncharakter, die im 
r. Fazialis oder der r. o. E. begannen und öfters in allgemeine 
Krämpfe mit Bewußtseinsverlust übergingen. Nach den Anfällen 
rechtsseitige spastische Parese der o. E. und u. E. mit Babinski. Bei 
entsprechender Medikation nahmen die Anfälle nach zirka einer 
Woche allmählich an Häufigkeit und Intensität bedeutend ab (1 bis 
2 in der Woche). Die Hemianopsie blieb dauernd bestehen, des¬ 
gleichen der rechtsseitige Babinski, die choreatischen Bewegungen 
sistierten vollends. 

Eine Operation wurde aus äußeren Gründen nicht vorgenom¬ 
men und das Kind nach 17 Tagen entlassen. Eine Katamnese des 
Falles war leider nicht zu erhalten. 

Fall 2. 

F. B., 20jähriger Hilfsarbeiter. Bis zum 7. Lebensjahre gesund. 
Keine Fraisen. Im Alter von 7 Jahren schweres Schädeltrauma 
durch einen 5 m tiefen Sturz; Erscheinungen schwerster Gehirn¬ 
erschütterung mit 8 tägiger Bewußtlosigkeit, angeblich auch Fieber. 
Nachher habe er mehrere Monate gebraucht, bis er wieder ordentlich 
gehen, 1 Jahr, bis er wieder die Schule besuchen konnte. Er habe 
nach dem Unfall nicht mehr so leicht gelernt und sei ein schwacher 
Schüler geblieben. Erst im 11. oder 12. Lebensjahr traten epileptische 
Anfälle auf, und zwar gehäuft beinahe täglich 7—8 hintereinander 
mit intervallär erhaltenem Bewußtsein. Die Anfälle dauerten bis 
zum 14. Lebensjahre und zeigten keinen bestimmten Typus, es 
waren allgemeine Konvulsionen. Manchmal seien die Anfälle durch 
Filieren des Kopfes mit der Hand zu kupieren gewesen, fast immer 
bestand „Wasserschlucken“ und Spucken bei denselben. Nach dem 
14. Lebensjahr sistierten die Anfälle spontan bis zum 19., dann 
traten sie 4 Wochen nach einem im Streite erhaltenen Schlage auf 
den Kopf wieder auf, zuerst als petit mal: starres Aufblicken, Wasser¬ 
schlucken, Spucken, Amnesie, und zwar 1—2 mal täglich mit mehr¬ 
tägigen Pausen. Seit dem letzten 1 / a Jahr traten dieselben jedoch 
fast täglich 3—4 mal und nunmehr in sehr schwerer Form auf. 
Wegen derselben wurde er ärztlicherseits an die Klinik gewiesen, 
25. Oktober 1905. 

Psychisch bot hier Pat. das Bild einer vorgeschrittenen Demenz, 
gleichmäßiger psychomotorischer Hemmung. Die Sprache war leise, 


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Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit Epilepsie. 295 


skandierend, zuweilen mit Andeutung von Paraphasie, pathetisch, 
weinerlich; geschraubte Redeweise, immer wieder tauchten religiöse 
Vorstellungen auf von Engeln, Kirche, dem Willen Gottes usw., 
ohne daß es jedoch zu einer wahnhaften Verfälschung der äußeren 
Eindrücke, zu einer Vermengung jener Vorstellungen mit den Sinnes¬ 
wahrnehmungen von der Außenwelt kam. Orientiertheit oft mangel¬ 
haft; keine Halluzinationen. 

Einer der epileptischen Anfälle, die sich mehrmals täglich 
wiederholten und einander mehr oder weniger glichen, hatte nach¬ 
stehenden Typus: Krampfhaftes Verziehen des Gesichtes, das den 
Ausdruck des Weinens annimmt, dann drehen sich die Bulbi 
gleichsinnig nach rechts, die rechte u. E. hebt sich sodann zu kurzen, 
rhythmischen Bewegungen, die wie Intensionsbewegungen erscheinen. 
Gleich darauf gerät die r. o. E. in Unruhe, und zwar zeigt sich 
auch hier eiu an Willkürbewegungen erinnerndes Wischen, Kratzen 
und Herumtasten. Dieselbe motorische Unruhe ergreift dann nach¬ 
einander auch die 1. o. E. und 1. u. E., während sich zugleich der 
Kopf und die Bulbi in extreme Rechtsdeviation gestellt haben. 
Nach einigen Augenblicken beginnen Ruktus, Schluckbewegungen, 
mehrmaliges Ausspucken und kurz darauf tritt eine Änderung des 
Gesichtsausdruckes in ein heiteres, wie verklärtes Lächeln ein. 
Pat. sinkt dann auf die Unterlage zurück und gibt dabei wie 
zwangsmäßig unverständliche Laute und Silbengemengsel von sich. 
Der Anfall läuft in zirka 3 1 /, Minuten ab. Der Puls hat sich während 
des Anfalls nicht geändert und die Pupillen reagierten zwar uu- 
ausgiebig, aber doch deutlich auf Licht. 

Der status somaticus bei der Aufnahme ergab eine Differenz 
der durchwegs gesteigerten Sehnenreflexe (1. > r.) und der motorischen 
Kraft (r. > 1.) Pehlen der B D R und C R und nachstehenden äußeren 
Befund am Schädel: Über der größten Prominenz der Hinterhaupt¬ 
schuppe, die der Lage nach etwa der Stelle des Haarwirbels ent¬ 
spricht, besteht ein etwa zehnhellerstückgroßer, dellenartig ver¬ 
tiefter Defekt, in dessen Grunde Pulsation deutlich zu sehen, aber 
nicht zu fühlen ist, und der in eine schmale, von unregelmäßig 
gezackten, steil abfallenden Rändern begrenzte Knochenrinne über¬ 
geht, die, ungefähr dem Verlaufe der Lambdanaht folgend, etwa 
1 cm oberhalb und 2 cm vor dem rechten Meatus aud. ext. in 
flacherem Verlaufe endigt. Auch im Bereiche dieser Rinne ist 


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Dr. Otto Glaser. 


Pulsation, wenngleich undeutlicher und uur zeitweilig, zu sehen. 
Diesem palpatorischen Befund entsprach das Röntgenbild. 

Eine Gesichtsfeldaufnahme ist aus äußeren Gründen leider 
unterblieben. 

Bei der am 7. November 1905 auf der Klinik v. Eiselsberg 
vorgenommenen Operation zeigte es sich, daß nach Durch trennung 
der den Knochendefekt verschließenden, als derbe Membran impo¬ 
nierenden Dura eine weite, mit serösem, klarem Inhalt angefüllte 
Zyste zu Tage trat, die mit dem rechten Seitenventrikel kommuni¬ 
zierte und in deren Tiefe das Ammonshorn zu sehen war, eine 
in vivo wohl recht seltene Aussicht! 

Am Tage nach der Operation trat Intentionstremor der linken 
Hand, linksseitige Steigerung der Reflexe und schwere Störung der 
Stereognose der 1. Hand ein; links war auch die taktile Empfind¬ 
lichkeit für feinere Berührungen herabgesetzt. Nachts Erbrechen. 
Am nächsten Tage früh ein Anfall von klonischen Zuckungen der 
u.E. Tagsüber Kopfschmerzen, Temperatursteigerung (37-9 °), Nacken¬ 
steifheit, Störung der Tiefensensibilität der 1. o. E. ausgesprochener 
als am Vortage, linksseitiger Babinski. Im weiteren Verlaufe reich¬ 
licher Liquorabfluß, Syasmen der u. E., Kernigsches Symptom, Er¬ 
löschen des Haut- und des Babinskischen Reflexes, tiefe Benommen¬ 
heit und Exitus 6 Tage post operationem. Obduktionsbefund: Defekt 
des knöchernen Schädeldaches in Form eines schlitzförmigen, schief 
von hinten oben nach vorne unten rechts ziehenden, 4 cm lateral von 
der Sagittalnaht beginnenden, 8 cm nach abwärts sich erstreckenden 
Lücke, die in der Richtung von der Vereinigungsstelle der Pfeil- und 
der Hinterhauptsnaht zum rechten Meatus and. ext. verläuft. Narbige 
Aulötung der Hirnoberfläche au die Schädelinuenfläche und Osteophy- 
tenbilduug in diesem Bereich. Handtellergroßer Defekt des rechten 
S heitellappens in dessen hinterstem Abschnitt. Breite Kommuni¬ 
kation der Höhle mit dem r. Seitenventrikel. In der Tiefe der Höhle 
ist der plexus chorioideus sichtbar. Chronischer Hydrocephalus, 
chronisches Hirnödem, mit Abflachung der Hirnoberfläche; keinerlei 
meningitische Veränderungen. Beginnende lobulär-pneumonisch- 
hämorrhagische Herde beider Unterlappen 1 ). 

1 ,i Das Hirnpräparat stund zwecks Reproduktion leider nicht mehr 
zur Verfügung. 


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Zur Kcnutui» der traumatischen Porencephalic mit Epilepsie. 297 


Fall 3. 

A. K., 28jähr. Bauerntochter mit belangloser Familien¬ 
anamnese ; als Kind keine Fraisen. Sie erlitt im Alter von 2 Jahren 
durch Sturz auf eine Steintreppe vom Arme ihrer damals 12jähr. 
Schwester eine seinerzeit als Schädelfraktur konstatierte Verletzung 
mit darauffolgender 3 tägiger Bewußtlosigkeit. Einige Zeit darnach 
traten kurze Anfälle von Übelkeit und Schwindel auf, die nach der 
Schulzeit, während welcher Pat. den Ansprüchen an ihre intellek¬ 
tuellen Fähigkeiten vollends genügte, stärker und häufiger wurden 
und in deren Folge jetzt auch die geistige Frische abgenommen 
haben soll. 

Im Alter von 22 Jahren traten epileptische Krampfanfälle 
universellen Charakters in halbjährigen bis dreiwöchigen Intervallen 
auf, die bisweilen von einer kurzen Aura von Übelkeit eingeleitet 
und von Kopfschmerzen gefolgt waren. 

Zur operativen Behandlung der Epilepsie an die Klinik 
v. Eiseisberg empfohlen, wurde sie von dort an die Nervenklinik ge¬ 
wiesen und am 3. April 1911 aufgenommen. Die Untersuchung 
ergab folgenden Befund: In der Gegend der linken Hinterhaupt- 
sehuppe, sich auf die hintersten Partien des Parietalbeins erstreckend, 
findet sich ein ca. 7 X 4 cm großer, annähernd birnförmiger, die 
Mittellinie nicht überschreitender Defekt des Schädelknochens, dessen 
Ränder dickwulstig aufgetrieben sind. Im Lumen desselben ist 
Pulsation deutlich zu seheu, doch nur imdeutlich fühlbar. Bei 
Neigung des Kopfes nach hinten wird die Pulsation deutlicher und 
es scheint sich hiebei auch diese Partie vorzuwölben. (Röntgenbild 
siehe Taf. III.) 

Weiters fand sich Pupillendifferenz (1. > r.), unausgiebige Re¬ 
aktion der rechten Pupille, geringer Strabismus concomitans, keine 
Paresen oder Reflexdifferenzen. Die Aufnahme des Gesichtsfeldes 
ergab das Bestehen einer in ihren Grenzen etwas schwankenden 
rechtsseitigen unteren Quadrantenanopsie, die sich, wie aus 
Fig. 1 A, B ersichtlich, einer rechtsseitigen Hemianopsie nähert 
zeitweise bestand auch vorübergehend Hemianopsie). 

Weiterhin ergab sich eine geringe Blickparese in der Richtung 
des Gesichtsfeldausfalls, so daß Pat. beim Blicke nach rechts unten 
oft Schwindel und Schmerzen verspürte und die Bulbi nicht lange 
in der entsprechenden Stellung fixieren konnte. Oft trat dabei 
Nystagmus auf. Die beiden letztangeführten Symptome waren 


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Dr. Otto Gtlftser, 


Schwankungen iitiinf^rne unterworfen, uVi ~ 

mftist aß T^in f da Pak ftlwr ^ 4t% i‘«r 

fast krtmplefcfeÄ Hfcffiiaohpiäie erweitert*: fbfft ^ÄuiteDtilwbea dos 
zentral«« Sehens), und anderweit« Si&kpa^e an solchen 


m 1 |i ; i''T!ir.ofr.(' vo-in.' 1.1, Mar/ »iuh*. • 

•«%••* fA' J** U'-nji, .. »»'.in-J-r..t. 

Tag»« dentliclier in EränlinihMjg lia-it «ralfrehjil .oii. ftlre'f- 
-bä»|*i g.iü>t t'eiili*'. oit nur «iijf'.ii jü. Jnuii'' If fase«..*vriMg d»-< 
Blickes »ach wiimu i ^siv»^ ier uhere» .^^©uijidjfrj 

büm>ifmu.*n werden konnte. frühes j ,:.|...;.} 4 der Blick suvii links 

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Ztir Kenutiiis der traumatischen F«>reacep^ft.lr‘ö mit EpUepsic; 29t) 

Die.'Sehschärfe war uomistl, es bestand kein« SeelenbüMlteit, 


keine Aleiie, Mitie Störung des l’fefeiiseköiit. Augenspiegeibefuttd 
(Df. Ifuliii); Beiderseits die terüpörateu Sehherveuäbschnitte blässer 


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300 


Dr. Otto Glaser. 


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anzunehmende tiefere Läsion der dorsalen Kalkarinalippe oder der 
zu derselben ziehenden Sehsfcrahlungsbahnen (oder beider) und die 
naheliegende Annahme einer Kontinuität dieser Läsion mit dem 
sichtbaren Knochendefekt ließen an die Möglichkeit denken, daß 
es sich auch in diesem Falle um einen der seltenen Fälle von 
traumatischer Porencephalie des Hinterhauptlappens handelt 
und Pat. wurde mit dieser Wahrscheinlichkeitsdiagnose zwecks 
Operation auf die Klinik v. Eiseisberg transferiert. Bei der 
daselbst am 7. April 1911 vorgenommenen Operation zeigte sich 
denn auch nach Durchtrennung der den Knochendefekt nach außen 
verschließenden Decke ein großer porencephaler Defekt, der mit 
dem Ventrikel in Kommunikation stand, aus dem sich eine reich¬ 
liche Menge Liquors entleerte. 

Hirnrinde und -häute, die an den Rändern des Defektes überall 
angelötet waren, wurden als Ganzes abgelöst und in der Mitte über 
dem Porus vereinigt. Der Knochendefekt wurde mittels einer 
Zelluloidplatte geschlossen. 

Nach normalem Wundverlauf, während dessen eine zweimalige 
Entleerung unter Kopfschmerzen aufgetretener Hämatome über der 
eingelegten Platte notwendig gewesen war, zeigte Pat. nachstehen¬ 
den, bis zu der anfangs Juni erfolgten Entlassung gleichbleibendeu 
Befund: 

Über dem ursprünglichen Kuochendefekt, in dessen Lumen 
die Zelluloidplatte deutlich fühlbar ist, befindet sich jetzt eine, 
durch einen Flüssigkeitserguß — und zwar, wie eine noch au der 
chirurgischen Klinik ausgeführte Punktion ergab: liquor cerebro¬ 
spinalis — zwischen Deckplatte und weichen Schädeldeckeu ent¬ 
standene, deutlich pulsierende und fluktuierende Geschwulst. Bei 
Druck auf dieselbe treten Kopfschmerzen, Puls verlangsam img und 
Sausen im rechten Ohre auf. Letzteres Phänomen soll auch nachts 
im Liegen auftreten. 

Bei der Aufnahme des Gesichtsfeldes zeigte sich, daß jetzt 
vorwiegend eine komplette rechtsseitige Hemianopsie 
besteht, während der rechte obere Quadrant nur mehr zeitweilig 
in der annähernd gleichen Ausdehnung wie vorher ins Gesichtsfeld 
tritt. Auffallend ist jedoch nun dabei die deutlich nachweisbare 
Tatsache, daß Pat. bei Prüfung auf das Farbengesichtsfeld oft 
„Blau“ im rechten oberen Quadranten in annähernd 
normaler Ausdehnung sieht, während zu gleicher Zeit für 


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Zur Kenntnis d^r traHmöfcischeu lV>reneej*halie mit Epi]*:p$m 


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302 


Dr. Otto Glaser. 


abnormale Verteilung der Farbenausfälle im Gesichtsfelde läßt sich 
derzeit keine befriedigende Erklärung finden. — Der sonstige körper¬ 
liche Befund war bei der im August d. J. erfolgten Entlassung 
unverändert. 

Pat. ist weiters bis November 1911 anfallsfrei geblieben, 
welcher Umstand jedoch in Anbetracht der bereits vorher so seltenen 
Anfälle naturgemäß zunächst als ein therapeutischer Effekt in dieser 
Richtung nicht angesprochen werden kann. Ende November berichtete 
sie brieflich über einen leichten Anfall. 

Rückschauend auf diese 3 Fälle, seien zunächst einige dia¬ 
gnostische Erwägungen gestattet. Die Diagnose Porencephalie 
wurde im Falle 1 aus dem klinischen Befunde gestellt, und zwar 
mit Rücksicht auf die Ätiologie, ferner den gerade in diesem Falle 
so gewichtig mitsprechenden Röntgenbefund des Knochendefektes 
und des sonstigen Schädels, und vor allem im Hinblick auf die 
dauernde Ausfallserscheinung, und zwar der Hemianopsie. 

Im Falle 2 w'urde die Porencephalie erst bei der Operation 
entdeckt, vorher war ein traumatischer Defekt des Schädeldaches 
mit Knocheuirapression als Ursache der Epilepsie vermutet worden,, 
und es wurde deswegen die Indikation zur Operation gestellt 
Wenn auch in diesem Falle dauernde Halbseitenerscheinungen, Re- 
tlexdifferenzen etc. etc. eine gewisse Rolle spielten, so konnten diese 
allein noch nicht zur Annahme eines so bedeutenden Defektes wie 
es die Porencephalie ist, berechtigen. Es gibt doch genug andere 
Fälle von Epilepsie, in denen leichte Dauererscheinungen ständig 
bestehen, nicht zu reden von den sogenannten Erschöpfungssympto¬ 
men, bzw. stärker akzentuierten Ausfallserscheinungen im postparo- 
xysmellen Stadium. Eine Gesichtsfelduntersuchung war in diesem 
Falle leider unterblieben. Es fehlte also in diesem Falle irgend ein 
Anhaltspunkt für die Annahme einer größeren Tiefenausdehnung 
des supponierten Herdes. Der Röntgenbefund allein konnte unter 
diesen Umständen auch nicht die richtige Erklärung liefern. 

Im 3. Falle endlich wurde die Wahrscheinlichkeitsdiagnose 
auf eine traumatische Porencephalie schon vor der Operation gestellt 1 ) 
und mit Rücksicht auf die günstige Erfahrung anderer Autoren 


V’i Siehe Sitzungsbericht d. V. f. Psych. u. Neur. in Wien vom 
14. Mürz 1911. Jnhrb. f. Psych. u. Neur. Bd., XXII Heft 3, p. 433. 


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Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit Epilepsie. 305 


die Indikation zum operativen Eingriff gestellt. Der dauernde 
Gesichtsfeldausfall, die Quadrantenhemianopsie, schien trotz 
des Fehlens anderweitiger Herdsymptome für eine größere Tiefen¬ 
ausdehnung des supponierten Herdes zu sprechen und die 
Schwankungen des besagten Defektes sowie der Blickstörungen 
unabhängig von Anfällen schienen auf Hydrocephalus, dem so 
häufigen Begleiter der traumatischen Porencephalie, hinzuweisen. 
Der Röntgenbefuud ergab lediglich das Vorhandensein eines Knochen¬ 
defektes. Allein im konkreten Falle kam der palpatorische, der In¬ 
spektionsbefund sowie der klinische Befund für die Stellung der 
Diagnose in Betracht, die denn auch am Operationstisch ihre volle 
Bestätigung fand. 

Beobachtungen, wie die voranstehenden, sind zwar nicht häufig, 
doch kann man nicht sagen, daß die Literatur keine gleichartigen 
oder doch ähnlichen Präzedenzfälle enthielte. Selbstredend ver¬ 
stehen wir darunter immer nur — unserem engeren Thema ent¬ 
sprechend — Fälle traumatisch entstandener Porencephalie mit 
Epilepsie. (Auf die Porencephalie, im allgemeinen einem Sammel¬ 
begriff für Fälle sehr verschiedenartiger Herkunft, zu deren häu¬ 
figsten Symptomen auch die Epilepsie gehört, gehen wir hier nicht 
ein. Wir verweisen nur kurz auf Sommer 1 ), Kahlden 2 ), Kund¬ 
rat 8 ), Danneberg 3 ) und andere Autoren.) Zu der hier behan¬ 
delten Frage gehört vor allem der Fall von Böttger 4 ): 66jähr. 
Frau, mit 17 Jahren schweres Schädeltrauma, in dessen Gefolge 
Epilepsie, Demenz, Kontraktur der r. o. E., rechtsseitige Hemiparese. 
Obduktion: ausgedehnter porencephaler Defekt der 1. Hemisphäre. 
Graanboom 5 ) berichtet folgenden Kasus: 

1 Jahr 8 Monate altes Kind, im 2. Monat Schädeltrauma, 
18 Monate später Krämpfe und Petit-mal; am 1. Scheitelbein Kno¬ 
chendefekt und Pulsation; bei der Explorativoperation lokale Ver¬ 
wachsung der Hirnhäute mit dem Perikranium, darunter taubenei¬ 
große Höhle in der Hirnsubstanz mit pigmentierten Wänden, Kom¬ 
munikation mit dem Seitenventrikel. Die Operation hatte einen 

*) Porencephalie und zerebrale Kinderlähmung. Zur psychopatho- 
logischen Nomenklatur. Monatschr. f. Psych. u. Neur. Bd. XV, 11. 3. 

2 ) Über Porencephalie. Zieglers Beitr. Bd. XV1IT, 1895. 

8 ) Porencephalie. Graz 1882. 

*) Klinik f. psych. u. nerv. Kr. Bd. I. Heft 1, p. 100. 

5 ) Zitiert nach d. Jahresber. f. Psych. u. Neur. 1897. 


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günstigen therapeutischen Effekt, die Krämpfe sistierteu, die In¬ 
telligenz hob sich. 

Ein 2. Fall von demselben Autor: 

2 jähr. Kind, im Alter von 8 Monaten Schädeltrauma (Fraktur), 
10 Monate darauf Krampfanfälle, blieb geistig zurück, sprach nicht. 
Operation: Knochendefekt, unter demselben nach Eröffnung der 
Dura mit dem Ventrikel kommunizierende Zyste. Entleerung, Naht. 
Erfolg: Besserung der Intelligenz, Sistieren der Krämpfe. 

Ähnliche Verhältnisse liegen in dem von Tubental 1 ) be¬ 
obachteten Falle (Trauma, Knochendefekt mit Sequestern, schwere 
epileptische Krämpfe; Operation — Heilung), sowie in dem Ko¬ 
ch er sehen Falle*) vor: 

73 jähr. Mann, Schädeltrauma mit Fissur des Stirn- und Scheitel¬ 
beins und totaler rechtsseitiger Hemiparese, 6 Wochen darauf epi¬ 
leptische Anfälle. Nach 8*/s Jahren Operation: Extraktion eines 
in das Gehirn durch die Dura eingedrungenen Knochenstückes. 
Darnach nur Seltenerwerden der Anfälle. 67s J. p. oper. Exitus 
an akzidentellen Leiden. Autopsie: großer, mit dem Seitenveutrikel 
kommunizierender, zystischer Defekt des Stirnhirns. Landouzy 
und Labb6e 3 ) berichten über folgende Beobachtung: 

20 jähr. Mädchen, mit 17s Jahren Schädeltrauma, im 16. Le¬ 
bensjahre Auftreten epileptischer Anfälle (Jacksontypus, Hemiplegie, 
Aphasie), spontanes Sistieren derselben, Wiederauftreten im 20. Le¬ 
bensjahre. Bei der Operation wurde ein Defekt im linken Parietal¬ 
knochen, darunter ein typischer porencephaler Defekt gefunden. 
(Über den Effekt der Operation ist in dem mir zugänglich gewesenen 
Auszug im Jahresberichte nichts zu entnehmen.) 

Schließlich seien noch die 2 Fälle Kaijsers 1 ) mit Epilepsie 
und traumatischer Porencephalie, sowie der in der bereits angezo¬ 
genen Arbeit von Kahlden zitierte Fall von Monakow und 
endlich der diesem ähnliche von Gibson und Turner 5 ) publi¬ 
zierte Kasus nur beiläufig erwähnt, bei denen das Trauma der 
Zangengeburt eine im späteren Lebensalter aufgetretene Epilepsie 

') D. Med. Wochenschr. 1890 Nr. 31, p. 514. 

7 Graf, Trepanation bei träum. Jacksonepilepsie. Langcnbecks 
.Archiv. Bd. LVI. Fall Nr. 98. 

3 ) Zitiert nach dem Jahresber. f. Psych. 1900. 

4 ) Jahresber. f. Psych. u. Ncur. 1903. 

5 ) Jahresber. f. Psych. u. Neur. 1899. 


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Zur Kenntnis der traumatischen Porencephalie mit Epilepsie. 305 


vorbereitete, die sich dann am Operationstisch als Symptom einer 
wohl auch in diesen Fällen als traumatische anzusprechenden Po¬ 
rencephalie manifestierte. 

Die voranstehende Übersicht erhebt nicht Anspruch darauf, 
die allerdings nicht allzugroße Zahl der in der Literatur an ver¬ 
schiedenen Stellen verstreuten Einzelbeobachtungen einschlägiger 
Art zu erschöpfen. Sie wurde nur herangezogen, um nicht allein 
an der Hand unserer eigenen Beobachtungen darzutun, daß Fälle 
dieser Art richtig diagnostiziert und einer operativen Therapie unter¬ 
worfen werden können, die unter Umständen auch günstige Dauer¬ 
resultate zu erzielen vermag. Die Schwierigkeiten scheinen im all¬ 
gemeinen mehr auf der diagnostischen Seite zu liegen. Die Ana¬ 
mnese, in manchen Fällen der Röntgen- und der palpatorische Be¬ 
fund des Knochens und nicht in letzter Linie die Palpation des 
Knochenlumens werden wichtige Fingerzeige für die Art des Krank¬ 
heitsprozesses abgeben können. Doch alle diese Dinge gewinnen 
erst im Zusammenhänge mit den klinischen Symptomen ein Relief, 
welches die Wahrscheinlichkeitsdiagnose auf traumatische Poren¬ 
cephalie gestattet. Ganz besonders wäre da, außer auf die Symptome 
eines, die Poreucephalien recht häufig begleitenden Hydrocephalus 
noch auf solche Symptome zu achten, die eine erhebliche Aus¬ 
dehnung der Läsion in der Tiefe vermuten lassen. Ein solches 
Leitsymptom war in zweien unserer Fälle der dauernde partielle 
Gesichtsfeldausfall. — 

Die relative Seltenheit solcher Fälle und insonderheit die 
svmptomatologisch so ganz besonders interessante Konstellation in 
unserm Falle 3 rechtfertigen wohl zur Genüge die voranstehende 
Mitteilung und es erübrigt mir nur noch, Herrn Hofrat Prof, 
v. Wagner für die Überlassung des Materials und die Förderung 
dieser Arbeit meinen ganz ergebensten Dank auszusprechen. 


Jahrbücher für I'isNohiativ. XXXIII. I!-l. 


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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hunde- 
familien (mit Berücksichtigung des Geschlechts und 

der Entwicklung) 

Ausgeführt uuter Leitung von Prof. Dr. J. P. K a r p I u s im physiologischen 
Institut der Wiener Universität 
von 

Dr. Juljusz Mor&wski, 

gew. I. Assistenzarzt der psychiatrischen Universitätsklinik in Lausanne. 

(Mit 55 Abbildungen.) 

Es schien mir von einem gewissen Interesse zu sein, au Katzeu- 
und Hundegehirnen einige Fragen zu verfolgen, welche schon 
längere Zeit verschiedene Forscher beim menschlichen Gehirne 
beschäftigen. Zu diesen Fragen gehören die folgenden: 

a) Bei unentwickelter Furchung: 1. Wann und in 
welcher Reihe entwickeln sich die Großhirnfurchen? 2. Die Ge¬ 
schlechtsunterschiede bei der Furcheueutwicklung. 

b) Bei vollendeter Furchenentwicklung: 1. Varia¬ 
bilität der Furchen; 2. Übereinstimmung beider Hemisphären iu 
Bezug auf diese Variabilität; 3. Ähnlichkeit der Furchenkontigura- 
tion bei Mitgliedern einer Familie und 4. Geschlechtsunterschiede 
in der Furchengestaltung. — Gerade für die Frage der Geschlechts¬ 
unterschiede schienen Untersuchungen an Karnivorenfamilien mit 
ihren zahlreichen Jungen aus demselben Wurf aussichtsvoll. 

Dazu kommen noch die Gewichtszahlen (Körper- und 
Gehirngewicht, relatives Gehirngewicht und das spezifische Gehiru- 
gewicht). 

Im folgenden geben wir (I.) eine kurze Darstellung der Unter¬ 
suchungsmethode; dann beschreiben wir in den beiden Haupt¬ 
abschnitten die Verhältnisse bei Ratzen (II.) und bei Hunden (III.), 
zunächst die einzelnen Familien, daun die Gesamtergebnisse be¬ 
sprechend. Am Schlüsse folgt eine kurze Zusammenfassung. 


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Geliirnuntersuchungeu bei Katzen- und Hundefamilien. 


307 


I. 

Nach Notierung der äußeren Ähnlichkeit der jungen Tiere 
untereinander und mit der Mutter wurden alle Mitglieder einer 
Familie an demselben Tage abgewogen und bis zum Tode narkotisiert 
(nur in zwei Hundefamilien wurden die Jungen zu verschiedenen 
Zeiten getötet). Das Gehirn wurde (mit Kleinhirn und Stamm) heraus¬ 
genommen, abgewogen, die Hemisphären vom Stamm getrennt und 
in 10 % Formol fixiert (bei zwei Familien in Formol-Alkohol). Das 
relative Gehirngewicht wurde in % des Körpergewichts bestimmt. 
Das spezifische Gewicht des Gehirns wurde nur bei einigen Familien 
an frisch herausgenommenen Gehirnen bestimmt, meistens geschah 
es nach längerer Fixierung in 10% Formol (spezifisches Gewicht 
des letzteren 1*011 —1012). Abgesehen von der Beeinflussung 
der Resultate durch längeres Verbleiben in Formol, verlieren diese 
Bestimmungen (des spezifischen Gewichts) noch mehr an Wert 
dadurch, daß die Gehirne mehrere Male herausgenommen wurden 
(zur Furchenbeschreibung) und daß die dabei nicht überall gleich¬ 
mäßig eindringenden Luftbläschen die Resultate veränderten. Aus 
diesen Gründen kommen nur die am frischen Material gewonnenen 
Resultate der Wahrheit nahe. 

Das spezifische Gewicht des Gehirns wurde mit jedesmal frisch 
zubereiteten Kochsalzlösungen von verschiedener Konzentration 
bestimmt. Auch hier entstehen Fehler, welche durch verschiedene 
Faktoren verursacht werden (ungleiche Zerschneidung der Gehirn¬ 
teile, verschiedene Blut- und Lymphfiillung, eindriugeude Luft- 
bläscheu usw.). Bei zwei Familien wurde das spezifische Gewicht 
des Gehirns nicht näher bestimmt: die Gehirne waren in einer 
Mischung von Alkohol und Formol fixiert und die Resultate der¬ 
artiger Untersuchungen scheinen nicht verwertbar. 

Nach kürzerer oder längerer Fixierung der Gehirne wurden 
die Furchen derselben in möglichst einheitlicher Weise beschrie¬ 
ben. Da aber für die obenerwähnten Fragen nur das Variable her¬ 
vorzuheben war, wurde bei dieser Beschreibung alles Konstante und 
Unvariable weggelassen; bei vollständiger Furchenbeschreibung 
würden die Unterschiede weniger hervortreten (abgesehen von 
der Vergrößerung der ohnedies schon umfangreichen Arbeit'. Bei 
der Beantwortung der Frage über die Furchenähnlichkeit bei Mit¬ 
gliedern einer Familie war es mir möglich, einige Familien 

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308 


Dr. Juljusz Morawski. 


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heranzuziehen, welche Karplus in seiner Arbeit x ) beschrieben hat, 
da die vorliegende Arbeit in demselben Laboratorium entstanden ist. 
Um eine gewisse zahlenmäßige Vorstellung über die Seltenheit der 
Furchenvarietäten zu gewinnen, habe ich die Furchen von 30 Katzen- 
gehirneu (nichtfamiliäres Material) studiert (hier nicht im einzelnen 
beschrieben, nur in der Varietätentabelle verwertet und bezeichnet ). 
Bei der Schlüsseziehung wurde von irgend einer %-Berechnung 
absichtlich Abstand genommen, da mein ziemlich reiches Material 
doch zu diesem Zwecke zu klein ist. 

Der näheren Besprechung einzelner Familien schicke ich eine 
kurze Beschreibung des typischen (am häufigsten von verschiedenen 
Autoren gefundenen) Verhaltens der Furchen voraus, beschränke mich 
aber dabei auf die Furchen, welche für die Beantwortung der Fragen 
von Interesse sind, d. h. stets vorhanden, aber in der Ausbildung 
variabel sind. 


II. Katzen. 

Das typische (d. i. am häufigsten gefundene) Verhalten der 
von mir beschriebenen Furchen ist folgendes-): 

Fiss. Sylvii zieht von der Fiss. rhinalis 6—12 mm 
weit nach hinten oben, ohne Anastomosen. 

Fiss. cruciata zieht auf der Lateraltiäche 5—9 mm lang, 
bleibt auf der Medianfläche von der Fiss. splenialis entfernt. 

Erste Bogen furche (Fiss. ectosylvia) besteht aus 
2 Furchen, anterior und posterior; die Ectosylvia media fehlt. 
Ohne Auastoraos *u. 

Zweite Bogenfurche (Fiss. suprasylvia) — einheit¬ 
lich, ohne Anastomosen. 

Dritte Bogen furche besteht aus 2 Furchen, wobei die 
Fiss. coronalis selbständig ist und die Fiss. lateralis in die 
Fiss. me di lateralis übergeht. Fiss. lateralis ist am 


') J. I’. Karplus. Zur Kenntnis der Variabilität und Vererbung 
am Zentralnervensystem des Menschen und einiger Säugetiere. 1907. 
Leipzig und Wien. Deuticke. 

-j Zur Aufstellung des Typus habe ich außer meinem nicht familiären 
Material natürlich auch die Angaben der Literatur hcrangezogen. (Zu- 
sammengestcllt bei F1 a t a u - J a c o b s o h n : Handbuch der Anatomie und 
vergleichenden Anatomie des Zentralnervensystems der Säugetiere. I. Makro¬ 
skopischer Teil. Berlin 1S99). 


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Geliirnuntersucliungen bei Katzen- und Hundefumilien. 


309 


vorderen Ende gegabelt, der untere Ast der Gabelung ist die 
Fiss. ansata. Ohne Anastomosen. 

Fiss. splenialis — ohne Anastomosen. 

Fiss. postsplenialis und supraspleuialis — olme 
Anastomosen. 

Fiss. diagonalis — ohne Anastomosen. 

Familie I. 

Eine hochträchtige Katze wurde bis zum Tode narkotisiert, 
aus dem Uterus 7 Föten herausgenommen. Sie waren ziemlich 
unreif, näher wurde ihr Alter nicht bestimmt. Es waren 5 cf 
und 2 ?. 



J 5 d 72 | 2-30 3 1!» 


J K J GS i 2-1!* 3 22 

i I 

J. 2 i 65 | 2-30 | 3 54 

Die beiden Weibchen sind leichter als die Mäuuchen (Körper¬ 
gewicht und Gehirngewicht), die Unterschiede aber im Körpergewicht 
der einzelnen Föten gehen nicht immer parallel mit den Gehiru- 
gewichtsunterschieden; z. B. hat das Weibchen mit 65 g Körper¬ 
gewicht 2-30 g Gehirngewicht, während ein Männchen mit 72 g 
Körpergewicht dasselbe Gehirngewicht hat und das zweite Weib¬ 
chen mit 68 g Körpergewicht nur 2-19 g Gehirugewicht hat usw. 

Das relative Gehirngewicht (in °/o des Körpergewichts be¬ 
rechnet) liegt zwischen 2-86 und 3-54. Spezifisches Gewicht ('iu 
frischem Zustande gemessen) des Gehirns mit Stamm uud Kleinhirn 
war bei allen Föten zwischen 1030—1032. 


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bv Google 


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Dr. Juljusz Morawski. 


Alle Gehirne sind fast ganz glatt; nur die Fissurae cruciata, 
rhinalis und splenialis sind sehr schwach angedeutet. 


Familie II. 

Alte Katze mit sechs eintägigen Kätzchen. 





Körper¬ 
gewicht g 

Gehirn¬ 
gewicht g 

Relatives 

Spezifisches Gewicht 



Haut 

( Gehirn¬ 
gewicht 

Gehirn 

| Stamm und 
Kleinhirn 

i 

AiteKatzeL 

i 


3700 

27-20 

0*735 

; 1046—1047 

1 

1046—1047 

•i, 

<f j 

gelb mit 
weißlichem 

100 

1 

4 70 

4-70 

i 

I 

1030—1031 

i 

1030—1031 

j 2 

rf i 
J 1 

1 

Unter- ! 
grund, 1 
untereinan¬ 

90 

1 

4:50 

4-40 J 

4*777 

1026—1(127 

1028—1021* 

Ja 

rT ' 

der gleich 

so 


4*944 

1030—1031 

W—4, 

öS 

1 

i—i 

1 

Js 

£ 


s;j | 

4 50 

5 421 

1031 

1032—1033 

J 5 

, i 

+ 

| vorwiegend 
[ .schwarz, 
ganz wenig 


4 - H» 

i 

fr m 

1026—1027 

1028-1020 

J. 


weiß u.gelb 

75 

4-i7 ; 

5*55 

102(5-1027 

1030-1031 


Auch in dieser Familie waren die ? leichter als die cf 
(Körpergewicht uud Gehirngewicht), auch hier aber gehen die 
Gewichtsunterschiede des Körpers und Gehirns nicht immer parallel. 
Das spezifische Gewicht des Gehirns und des Stammes mit Klein¬ 
hirn wurde an dem in Formel längere Zeit gehärteten Material 
gemessen (das spezifische (Jewicht des Formols war 1011). 


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LV • * / ^ , . i. x ö i .. Dio der Fissura rhinalis entsprechende 

Fissura cruciata (und rissura splenialis). 1« issura Sylvn. Rinne 1 


Gehirnuutersuchungeu bei Katzen- und Hundefamilien 


311 


Linke Hemisphäre. 



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312 


Dr. Juljusz Morawrfki 



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Fissurn cruciata (uud Fissurn splenialia). Fissurn Sylvii. Dio dor Fissura entsprechende 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


313 


Rechte Hemisphäre. 



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314 


Dr. Juljusz Morawski 



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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


315 


Die Gehirnfurchen bei den Kätzchen der Familie II sind schon 
ziemlich weit entwickelt, noch nicht aber mit denen der alten Katze 
vergleichbar; deswegen wurde die letztere bei der Furchenbeschreibung 
weggelassen. Bei den Kätzchen sind die Furchen an der vorderen 
Hälfte der Gehirnoberfläche bei allen Jungen angedeutet oder gut ent¬ 
wickelt, während die Furchen der hinteren Hälfte meistens fehlen. Es 
bestehen aber ziemlich große Unterschiede in der Furchenentwick¬ 
lung einzelner Kätzchen: am besten sind die Furchen bei J t entwickelt, 
danach folgen J 8 und J 4 , während die übrigen drei weniger ent¬ 
wickelte Furchen haben. Die Entwicklung der Furchen geht aber 
nicht durchwegs parallel mit den Gewichtsunterschieden (J 4 d hat 
besser entwickelte Furchen als J a d ). Bei den ? sind die Furcheu 
weniger entwickelt als bei den d . Schon auf dieser Entwicklungs¬ 
stufe finden wir an einigen Furchen ausgesprochene Varietäten 
(Anastomose der Fiss. cruciata mit der Fiss. splenialis, Anastomose 
der Fiss. ectosylvia anterior mit der Fiss. suprasylvia, Anastomose 
zwischen der Fiss. coronalis und Fiss. lateralis). Die erste von 
diesen Varietäten wiederholt sich bei zwei äußerlich sehr ver¬ 
schiedenen Jungen auf derselben Seite, die zweite ist bei einem 
Jungen rechts, bei einem anderen beiderseits zu finden (äußerlich 
sind diese Jungen gleich). 

Fiss. postsplenialis und Fiss. suprasplenialis fehlen noch. Fissura 
rhinalis ist an drei Hemisphären von der Fiss. praesylvia getrennt, 
es ist aber fraglich, ob wir es mit einer Varietät oder mit Unreife 
zu tun haben. 

Familie III. 


Drei dreitägige Kätzchen. 



Körper¬ 
gewicht g 

Gehirn- 
gewicht g 

Relatives 
Ge¬ 
ll irrige wicht 

Spezifisches Gewicht 

Gehirn 

Stamm und 
Kleinhirn 

J, d 

1 

130 

5-go 

4-307 



J-2? 

120 

5*85 | 

4'875 

1020—1027 

1 1028—1020 

J, 11 

1 

110 

5 • BO 

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Die Weibchen haben hier kleineres Körpergewicht als das 
Männchen, ihr Gehirngewicht aber ist größer als beim Männchen. Das 
spezifische Gewicht war auch hier an dem in Formol längere Zeit 
gehärteten Material bestimmt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



316 


Dr. Juljusz Morawski 



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Original fro-m 

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Gehirnunteiäuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


317 


Unke Hemisphäre. 



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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 




318 


J)r. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Anterior — eine 4 mm lange gut ent-| Out entwickelte? Furcht?: von ihrem Eine 2 mm lange seichte 
wickelte, nach vorn konkave Furche. Ende eine seichte Kinne zurj Kinne. 

Media fehlt. S p 1 e n i a 1 i s. 

Posterior — 3 mm lange, seichte Kinne. | j 



Dritte Bogenfurche 

(Vord. Schenkel: Fissura coronalis, Zweite Bogenforche 

Fissura diagonalis. Fissura splenialis. mittlerer Schenkel: Fissura lateralis (Fissura suprasylvia anterior, niedia 

[mit Fissura ansata], hinter. Scheu- und posterior), 

kel: Fissura medilateralis). 


Gehirnunteraucbungen bei Katzen- und Hundefamilien 


319 


Rechte Hemisphäre. 


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320 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Die Furchen sind bei den Weibchen schon besser entwickelt 
als bei den eintägigen Kätzchen der Familie II, beim Männchen 
gleichen sie den letzteren (sogar den weniger entwickelten von 
ihnen). Hier also entsprechen die Gewichtsunterschiede nicht der 
Furchenentwicklung: das schwerere (Körper- uud Gehirngewicht) 
Männchen bleibt entschieden zurück in Bezug auf die 
Furchenentwicklung. Von den Varietäten finden wir hier die Anasto- 
mose zwischen der Fiss. cruciata uud Fiss. splenialis bei J 3 beider¬ 
seits und die Anastoinose der Fiss. coronalis mit der Fiss. lateralis 
bei J... Auch hier ist die vordere Hälfte der Gehirnoberfläche überall 
viel besser entwickelt als die hintere Hälfte, die Fiss. post- und 
suprasplenialis fehlen bei allen Kätzchen. 


Fam ilie IV. 

Alte Katze mit 4 fünftägigen Kätzchen. Die Alte war grau¬ 
braun, die Jungen weiß-schwarz. 


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Beide Weibchen haben kleineres Körpergewicht als die Männ¬ 
chen; die Unterschiede aber im Körpergewicht entsprechen nicht 
denen im Gehirngewicht: das schwerere Männchen (J t ) hat um 
0-29 g weniger Gehirnsubst inz als das Weibchen (J s ), welches um 
25 g leichter ist. 

Das spezifische Gewicht wurde gleich nach dem Tode der 
Tiere bestimmt, und zwar für die Hemisphären. Stamm und Rücken¬ 
mark. Für die Hemisphären war es bei der alten Katze 1 044—104 6, 
bei den Jungen 1032—1034. 


Gck igle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Fissura crueiata. Füaura Öylvii. 


321 


Gchirnuntersucliungcn bei Katzen- und Hundefamilien. 


Linke Hemlsphlre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zweite Bo^onfurclic Erste Bogenfurche 

(Fishiim suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, media, posterior). 


322 


Dr. Juljusz Morawski 


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Linke Hemisphäre. 


Alte Katze 


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Gohirnunterßuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


323 


Linke Hemisphäre. 


Alte Katze 


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324 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


fornt, auf der Lateral fl flehe — 4 mm lang. 



Zweite Bogenfurche Erste Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, media, posterior). 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


325 



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Original fro-rn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



326 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


327 


Die Furchung der Gehirnoberfläche ist bei dieser Familie schon 
viel weiter vorgeschritten als bei Familie III; wir Anden hier bei 
den besser entwickelten schon alle Furchen, nur sind einige von 
ihnen seicht. Nach der Furchenentwickluug bleibt das Junge 3 ? 
(zweites nach dem Gehirngewicht) entschieden zurück. Am besten 
sind die Furchen bei J t d (drittes nach dem Gehirngewicht) ent¬ 
wickelt. Von den Furchenvarietäten wiederholt sich die Anastomose 
der Fiss. ectosylvia ant. mit der Fiss. suprasylvia bei der alten Katze 
an beiden Hemisphären, bei J x links, bei J 4 beiderseits. Die dritte 
Bogenfurche ist bei der alten Katze beiderseits gleich, verschieden 
von derselben Furche bei allen Jungen. 


Familie V. 

Alte Katze mit vier siebentägigen Jungen. 




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1044—1046 

1042-1044 

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1034—1036 

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1042-1044 

schwarz¬ 

grau 

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1034—1036 

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1042—1044 

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1034—1036 

1038—1040 

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5-86 

1034-1036 j 

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1038-1040 

1042—1044 

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Auch hier sind die d schwerer, ein Weibchen aber hat trotz 
des geringeren Körpergewichtes ein schwereres Gehirn als jedes von 
beiden Männchen. Deshalb hat dieses ? das höchste relative Gehirn¬ 
gewicht. Das spezifische Gehirngewicht wurde gleich nach dem Tode 
der Tiere bestimmt. Die Zahlen sind etwas höher als bei den fünf¬ 
tägigen Kätzchen. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 












Zweite Bogenfarclie 1 Erste Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). | (Fissura ectosylvia anterior, medin, posterior). 


(rehirnuntersuchuDgen bei Katzen- und llundefamilien 


329 


Linke Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




330 


Dr. Juljusz Morawski 

Linke Hemisphäre. 


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Alte Katze 


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UNIVERSETY 0F MICHIGAN 




Fissura cruciata. Fissura Svlvii. 


331 


Geliirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




332 


Dr. Juljußz Morawski 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


Posterior «eicht. 



Gehirmmtersuchuagen bei Katzen- und Hundefaiuilieu 


333 


Rechte Hemisphäre. 









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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






334 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Alle Furchen sind schon bei den Jungen vorhanden und ziem¬ 
lich gut entwickelt, nur bei J 4 9 sind einige von ihnen etwas seichter. 
Es ist bemerkenswert, daß die Fiss. sylvii bei allen Kätzchen dieser 
Familie weniger entwickelt zu sein scheint als bei den fünftägigen 
der Familie IV. Das leichteste (Körper- und Gehirngewicht) Kätzchen 
— J 4 9 bleibt auch in der Furchenentwicklung zurück. Von den 
Furchenvarietäten wiederholen sich einige bei einem Individuum 
beiderseits, seltener bei zwei oder mehr Individuen. Es besteht eine 
gewisse Ähnlichkeit in der Furchengestaltung tni. ßogenfurche) bei 
der alten Katze, J! und J 3 , welche auch äußerlich untereinander 
ähnlich sind. 


Familie VI. 


Alte Katze mit fünf achttägigen Kätzchen. 



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1032-1034 

1030—1038 


In dieser Familie sind die 9 schwerer und haben schwereres 
Gehirn als diecf. Auch ihr relatives Gehirngewicht ist dasselbe wie 
bei d oder größer. Das schwerere (138#) d hat um 0‘25 g weniger 
Gehirnsubstanz als das andere (mit 130# Körpergewicht). Das 
spezifische Gewicht des Gehirnes (gleich nach dem Tode der Tiere 
bestimmt; ist bei dieser Familie kleiner als bei den siebentägigen 
Kätzchen der Familie V. Es entspricht demjenigen bei fünftägigen 
Kätzchen. (Familie IV. i 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Fisaura cruciata. I Fissura Sylvii. 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


335 


Linke Hemisphäre. 



Digitized by Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





336 


I)r. Juljusz Morawski 


Unke Hemisphäre. 







Gehiruuntersuchungen bei Katzen* und Hundefamilicn 


337 


Unke Hemisphäre. 



Jahrbücher für Psychiatrie. XXX[U. Bd. 22 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




338 


Dr. Juljusz Morawaki 


Reckte Heaiepkire. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


fernt, auf der Latcraltl/icho — 4 mm lanp. 



Zweite Hogoufurcho I Erste Hogenfurche 

(Fissurn Buprasylvin anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, modia, posterior). 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen* und Hundefamilien 


339 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UMIVERSITY OF MICHIGAN 



340 Dr. JuljuBz Morawski. 

Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Lateralis selbständig, 
Mcdilateralis gut entwickelt. 



Gehirnuutersucbungeu bei Katzen- und Hundefainilien. 341 

Nach der Furchenentwicklung stehen diese achttägigen Kätzchen 
zwischen den fünftägigen der Familie IV. und den 
siebentägigen der Familie V. Das Jj d bleibt in der 
Furchenentwicklung entschieden zurück. Zwei Furchenvarietäten 
(Anastomose der Cruciata mit der Splenialis und Anastomose der 
Ectosylvia ant. mit der Diagonalis) wiederholen sich auf der linken 
Hemisphäre bei der alten Katze und bei J 6 $ (auch äußerlich ähn¬ 
lich): eine andere Varietät (Selbständigkeit der Fiss. lateralis) 
finden wir bei den Jungen siebenmal (von den 10 Hemisphären). 


Familie VII. 

Alte Katze mit vier zehntägigen Jungen. Alle Kätzchen waren 
von der Mutter verschieden, J x , J 3 und J 4 untereinander sehr ähnlich, 
vom J 3 verschieden. 



Körper¬ 
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Goliirn- 
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Ge¬ 

hirngewicht 

Spezifisches Gewicht 

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Sphären 

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1042—1044 

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1034—103« 

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1034—1036 

1040—1042 

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1034—1036 

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1034-103»! 

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1040-1012 


Das einzige d war das schwerste nach dem Körpergewicht, nach 
dem Gehirngewicht nimmt es die zweite Stelle, nach dem relativen 
Gehirngewicht die letzte unter den Jungen ein. Das spezifische Ge¬ 
hirngewicht (gleich nach dem Tode der Tiere bestimmt) war dem¬ 
jenigen der siebentägigen der Familie V. gleich. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



342 


Dr. Juljusz Morawski 


Ulke Heaispkire. 


Alte Katze d" J ; } J 3 J J 4 } 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Zweite ßogenfurche | Krsto Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, media, posterior). 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilieu. 343 

Unke Hemisphäre. 



Difitized by Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



344 


Dr. Juljusz Morawaki 


Linke Hemisphäre. 



Alte 

Katze 

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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Fissura cruciata. Fissura Sylvii. 


Gebirnuntersucliungen bei Katzen- und Hundefamilicn 


345 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



346 


Dr. Juljosz Morawski 


Rechte Heaisphire. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersucliuugen bei Katzen- und Hundefamilien. 347 

Rechte Hemisphäre. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




34« 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Alle Furchen sind gut entwickelt, nur die Fiss. Sylvii und 
Fiss. medilateralis ist bei einigen seichter. Das J 3 ? (das dritte nach 
dem Gehirngewicht) ist etwas besser entwickelt als alle anderen. 

Von den Furchen Varietäten wiederholen sich einige an beiden 
Hemisphären desselben Individuums oder bei zwei (sogar drei) 
Individuen. Keine Ähnlichkeit der Furchenvarietäten zwischen den 
Jungen und der Alten; die Gehirnoberfläche dieser ist fast „typisch“ 
gefurcht. Die Ähnlichkeit der Furchenvarietäten bei den Jungen ent¬ 
spricht nicht der äußeren Ähnlichkeit der Tiere untereinander. 


Familie VIII. 

Alte Katze mit vier zwölftägigen Kätzchen. 



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1034—1036 

1040—1042 


Das einzige Weibchen ist leichter als zwei von den d , nach 
dem absoluten Gehirngewicht nimmt es die zweite Stelle, nach dem 
relativen die dritte ein. Das schwerste d nimmt nach dem absoluten 
Gehirngewicht die dritte Stelle, nach dem relativen Gehirngewicht 
die letzte ein. Das spezifische Gehirngewicht (gleich nach dem Tode 
der Tiere bestimmt) war demjenigen der zehntägigen Kätzchen der 
Familie VII fast gleich. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Fissura crucinta. Fissura Sylvii. 


Gohimuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


349 



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350 


Dr. Juljusz Morawski 


Linke Hemisphäre. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Posterior oben und unten leicht gegabelt. 




Gehirnuntersucliuiigen bei Katzen- und Huudefamilien 


351 


Linke Hemisphäre. 


Alte Katze 



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MSMira eruiM/iia. 1 Fissura Sylvii 


352 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Zweite Bogen furche Erste Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura eetosylvia anterior, media, posterior). 


Gehirnuutersucbungen bei Katzen- und Hundefamilicn 


353 


Rechte Hemisphäre. 



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354 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Gehimuntersuehungcn bei Katzen- und Hundefamilien. 355 


Die Fiss. Sylvii stellt bei J 4 cf an beiden Hemisphären eine 
seichte Rinne dar, während sie bei den anderen Jungen gut ent¬ 
wickelt ist. Alle anderen Furchen bei Ji sind ebenso tief wie bei 
den anderen Kätzchen. Nur bei J 4 ist die Fiss. medilateralis tiefer 
als bei den drei d. Die Furchenvarietäten sind nicht zahlreich, einige 
von ihnen wiederholen sich bei zwei oder drei Mitgliedern der 
Familie auf derselben oder der gekreuzten Hemisphäre. 


Familie IX. 

Alte Katze mit drei zweiwöchigen Kätzchen. Alte Katze schwarz¬ 
grau, die Jungen schwarz. 



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1042—1044 

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Von der alten Katze wurden die Zahlen nicht bestimmt. Das 
einzige Männchen nimmt nach dem Körpergewicht die zweite Stelle, 
nach dem Gehirngewicht (absoluten und relativen) — die erste 
Stelle ein. Das spezifische Gewicht des Gehirnes, gleich nach dem 
Tode der Tiere bestimmt, erreicht fast die Zahlen einer erwachse¬ 
nen Katze. 

23* 


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356 


Dr. Juljusz Morawski 


Linke Hemisphäre. 



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Posterior gut entwickelt. zieht auf der LateralflÄche ge- nach hinten oben. 

Media fehlt. radlinig 6 mm weit herab. 



Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


357 



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358 


Dr. Juijusz Morawski 

Rechte Hemisphäre. 



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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


linig 6 mm weit herab. anastom. ganz 

Postcruciata deutlich. ober fl. mit Ec- 

tosylvia ant. 




Dritte Boirenfurelie 


Gehirnuntersuehungen bei Katzen- und Hundefamilien. 359 

Rechte Hemisphäre. 



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3G0 


Dr. Juljusz Morawski. 


Alle Furchen sind vollständig entwickelt und tief. Zahlreiche 
Furchenvarietäten, von denen einige sich beiderseits bei demselben 
Individuum oder bei zwei Milgliedern der Familie auf derselben 
oder der gekreuzten Hemisphäre wiederholen. 


Familie X (mit Abbildungen Fig. 1— 12 ). 
Alte Katze mit fünf zwei Monate alten Jungen. 



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Das schwerste Männchen (J x ) nimmt nach dem absoluten 
Gehirngewicht die dritte Stelle, nach dein relativen Gehirngewicht 
die letzte ein. Das leichteste Junge (cf 3 ) hat das schwerste Gehirn 
und nimmt deswegen auch nach dem relativen Gehirngewicht die 
erste Stelle ein. Die beiden $ haben hohes absolutes und relatives 
Gehirngewicht. 

Die Gehirne wurden längere Zeit in Alkohol-Formol fixiert 
und ihr spezifisches Gewicht war nach der Härtung < 1 ; näher 
wurde es nicht bestimmt. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Fissura crnciata. Fissura Sylvii. 


Gehirnuntersucbungen bei Katzen- und Hundefamilien 

Unke HemisphSre. 


361 


Alte 

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362 


Dr. Juljusz Morawski. 

Linke Hemisphäre. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersucliungeu bei Katzen- und Hundefamilien. 

Linke Hemisphäre. 



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oben). i Postsplenialis. 




364 


Dr. Juljußz Morawski. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Zwoite Bojjeiifurche : Erste Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, mcdia, posterior). 


365 


Gehirnuuterauchungen bei Katzen- und Hundcfamilien. 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 





360 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 









Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 369 


Sehr viele Furchenvarietäten, vou denen nur wenige vereinzelt 
auftreten. Die Skizzen beider Hemisphären zeigen viele Wieder¬ 
holungen der Varietäten auf beiden Hemisphären eines Individuums 
oder bei zwei oder drei Mitgliedern der Familie: Ausgesprochene 
Übereinstimmung beider Hemisphären und familiäres 
Auftreten der Varietäten. 


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In dieser Familie war ein Weibchen schwerer als zwei d . Das 
sehr leichte (440 g) Weibchen .J t war sehr abgeraagort. Das J, d 
nimmt mit seinem Körpergewicht die vierte Stelle, mit dem Gehirn¬ 
gewicht aber die zweite Stelle ein. Das relative Gehirngewicht 
nähert sich beim Weibchen $ demjenigen ganz junger Tiere, 
auch sein Gehirngewicht ist sehr niedrig im Vergleich mit dem 
zweiten Weibchen und den besser entwickelten Männchen. Das 
spezifische Gewicht des Gehirnes wurde nach längerer Härtung in 
Formol bestimmt. 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. B«l. 21 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





370 


Dr. Juljusz Morawski 


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UNIVERSETY 0F MICHIGAN 







Gehirnuntersucliungen bei Katzen- und Hundefamilien. 371 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





372 


Dr. Juljusz Morawski 

Linke Hemisphäre. 



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UNIVERSflY OF MICHIGAN 




Fisüura cruciata. I Fissura Sylvii. 


(Tehivnuntcrsuchungen bei Katzen- und Jlundefamilien 


373 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 






Zweite ß >jroiifurcho Er>fcc ßoffenturchc 


374 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Einheitlich. Ant. und Post, gut entwickelt. 

Media läuft der Mantclkante parallel nach hinten, j Anterior gibt zwei seichte Nebemlstc. 
keine Seitenäste. , Media fehlt. 





Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundcfamilicn 


375 


Rechte HemisphBre. 


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UNIVERSETY OF MICHIGAN 






l)r. Juljuaz Morawski. 


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37(5 


Wiederholt finden sich hier dieselben Varietäten an den beiden 
Hemisphären eines Gehirnes: andererseits wiederholen sich mehrere 
Varietäten bei den verschiedenen Mitgliedern der Familie, und zwar 
teils auf der gleichseitigen Hemisphäre, teils auf der gekreuzten. 

Zusammenfassung (Katzen). 

a) Gewichtsverhältnisse. Die jüngsten, von mir unter¬ 
suchten Kätzchen waren ziemlich unreife Föten. Ihr Körpergewicht 
lag zwischen 65 und 82 g, das Gehirngewicht zwischen 2-19 und 
2-40 < 7 , das relative Gehirugewicht zwischen 2*86 und 3-54. 

Bei eiutägigen Kätzchen beträgt das Körpergewicht 75—100 g, 
das Gehirngewicht 410—4*70 g, das relative Gehirngewicht *) — 
4-70-5-56. 

Wenn wir die Veränderungen der Gewichtszahlen bei älteren 
Tieren verfolgen, finden wir folgendes: das Körpergewicht nimmt 
mit dem Alter ziemlich rasch zu, es bestehen aber oft große Unter¬ 
schiede zwischen einzelnen Mitgliedern einer Familie, dagegen aber 
nicht immer bedeutende Unterschiede zwischen Kätzchen von ver¬ 
schiedenem Alter (z. B. Körpergewicht der zweieinhalbtägigen Kätz¬ 
chen beträgt 110—130 <j, der fünftägigen 153—180/7, der sieben¬ 
tägigen 112—180 g, der achttägigen 130—171 g). Nach zwei Wochen 
wiegen die Kätzchen 225—320 g, nach drei Monaten 775—1100 g 
(andere Familie 440—805/7), während die alten Katzen 2370 bis 
3207 g Körpergewicht haben. 

Im allgemeinen finden wir keine strenge Regelmäßigkeit iu den 
Körpergewiehtsunterschicden (große, vielleicht von frühesten Eut- 
wickluugssiadieu bestehende, individuelle Unterschiede und verschie¬ 
dener Ernährungszustand \ 

Stetiger erscheinen au unserem Material die Veränderungen 
des absoluten Gehirngewichtes: die Föten haben 2*19—2'40 g Gehirn- 
Substanz, die eintägigen Kätzchen 4-10—4*70 g usw., die zweiwöchi¬ 
gen 15-67—17*78 ff, die drei Monate alten 20-70—23-25 <7 (andere 
Familie 19-40—24-20//), die alten Katzen 23*10—29*10//. Auch hier 
aber linden wir bemerkbare Unterschiede zwischen verschiedenen 
.Mitgliedern einzelner Familien. 

Das relative Gehirngewicht zeigt iu seinen Veränderungen 
große Schwankungen, welche denjenigen der absoluten Gewichte 
1 Körper- und Gehirn-) entsprechen. 

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bestimmt. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




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378 


Dr. Juljusz Morawski. 


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In der nebenstehenden Tabelle sind die Gewichtsverhältnisse 
meines Materials graphisch dargestellt, wobei bei den Jungen jeder 
Familie nur die höchsten absoluten Körper- und Gehirngewichte 
und das niedrigste relative Gehirngewicht berücksichtigt wurden, bei 
den alten Katzen die höchsten und die kleinsten Zahlen. 

Bei näherer Betrachtung dieser Tabelle finden wir folgendes: 
Bei den Jungen bemerken wir keine großen Körpergewichtsunter¬ 
schiede bis zu den zweiwöchigen; nach zwei Wochen — ziemlich 
rasche Steigerung; mit drei Monaten steht das schwerste Kätzchen 
bei 1100 < 7 , während die leichteste alte Katze 2370 g, die schwerste 
3207 g hat. 

Das absolute Gehirngewicht steigt langsam in den ersten zwei 
Wochen bis 17-78 <7 (bei den eintägigen 4 70^;; bei drei Monate 
alten Katzen finden wir als Maximum 24-20 g, während das kleinste 
Gehirngewicht der alten Katze 23-10 ^ beträgt, das höchste 29-10 g. 

Man kann an nehmen, daß die Katze mit drei 
Monaten die untere Grenze des Gehirngewichtes des 
erwachsenen Tieres erreicht, während ihr Körper¬ 
gewicht sich noch mindestens verdreifachen kann. 

Das relative Gehirngewicht nimmt in der Zeit von der fötalen 
Periode (nur eine Familie untersucht) bis zu der Geburt zu, daun 
sinkt es allmählich (mit verschiedenen Schwankungen) in den ersten 
zwei Wochen, rascher in späteren Zeiten. Auch bei den erwachsenen 
Katzen aber finden wir große Schwankungen, 0-8—1’09. 

Es muß aber noch einmal hervorgehoben werden, daß (beson¬ 
ders in den ersten zwölf Tagen) in den näher zueinander liegenden 
Zeiten keine strenge Regelmäßigkeit in den Gewiclitsveränderuugeu 
herrscht. 

Die Unterschiede bestehen auch zwischen einzelnen Mitgliedern 
einer Familie, wobei die Körpergewichtsunterschiede nicht immer 
parallel mit den Gehirngewichtsunterschieden gehen. In acht Fami¬ 
lien hat ein d das höchste Körpergewicht und das kleinste relative 
Gehirngewicht, in sechs Familien das höchste absolute Gehirngewicht 
(wobei in der Familie X das schwerste d nur um 0-05/7 mehr Gehirn- 
substinz hat als das nach dem Gehirngewicht nächststehende $ ). 
Die Unterschiede sind überall verhältnismäßig klein, auch bei 
gleichgeschlechtlichen Geschwistern sind sie vorhanden. Überblickt 
man die Zahlen, für Körpergewicht, für absolutes und relatives 
Gehirngewii'ht, so ergibt sich der Schluß, daß die vorhandenen 


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Gchirnuntcrsuchuugen bei Katzen- und Hundefamilieu. 


370 


Unterschiede nicht durch den Geschlechts unterschied 
bedingt sind. 

Was endlich das spezifische Gewicht des Gehirnes betrifft, 
können wir nur folgendes sagen: Das spezifische Gewicht des Gehirnes 
steigt bei den Katzen ziemlich parallel dem Gehirngewichte bis 
zur Reife. Als Grenzwerte, welche wir am frischen Material bekommen 
haben, können die Zahlen 1030—1032 für das fötale Gehirn und 
1044—1048 für die Gehirne der erwachsenen Katzen angegeben 
werden. 

b) Furchen. 1. Furchenentwicklung. Bei den ziemlich 
unreifen Föten der ersten Katzenfamilie finden wir nur schwache 
Andeutungen der Fiss. coronalis, rhinalis und splenialis. 
Bei den eintägigen sind nicht nur diese drei Furchen ziemlich gut 
entwickelt, sondern auch Fiss. ectosylvia anterior, supra- 
sylvia anterior (mit media) und Fiss. coronalis. Fiss. 
lateralis stellt meistens eine kurze seichte Rinne dar, die Fiss. 
Sylvii ist nur bei einigen Jungen als eine seichte Rinne vorhan¬ 
den. Fiss. diagonalis nur angedeutet. Im allgemeinen kann 
man über die Furchengestaltung bei eintägigen Kätzchen sagen, 
daß die Furchen an der vorderen Hälfte der Gehirnoberttäche schon 
ziemlich weit entwickelt sind, während der hintere Teil noch glatt 
ist. (Die Fiss. medilateralis, suprasylvia posterior 
und ectosylvia posterior fehlen noch, der hintere Teil der 
Fiss. lateralis und splenialis ist sehr seicht.; Bei den zwei¬ 
einhalb- bis fünf- usw. tägigen Kätzchen sind die Furchen der vor¬ 
deren Hälfte der Gehirnoberfläche immer besser entwickelt (sie 
werden länger und tiefer), es erscheinen und vertiefen sich die bei 
eintägigen Kätzchen fehlenden Furchen der hinteren Hälfte der 
Gehirnoberfläche, so daß mit 12 Tagen schon alle Furchen vorhan¬ 
den und ziemlich gleich tief sind und die Furchencutwicklung als 
vollendete betrachtet werden kann. 

Die beigefügten fünf Skizzen der linken Hemisphären von 
ein-, zweieinhalb-, fünf-, sieben- und achttägigen Kätzchen (Fig. 13 
bis 17) können uns annähernd die einzelnen Stufen der Furchenent¬ 
wicklung zeigen. 

Es soll aber auch hier hervorgehoben werden, daß es unmög¬ 
lich ist, eine Entwicklungsreihe der Furchen von Tag zu Tag zu 
konstruieren: es besteht keine strenge Regelmäßigkeit des Erscheinens 
und der Vertiefung verschiedener Furchen, wenn wir überall alle 


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380 


Dr. Juljusz Moruwski. 


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Jungeu ansehen. Es ist z. B. klar, daß im ganzen die achttägigen 
Kätzchen in unserem Material nach der Furchenentwicklung zwischen 
den fünf- und siebentägigen Kätzchen stehen. Das Vorauseileu 
der Furchenentwicklung auf dem vorderen Hemi¬ 
sphärenanteil gilt aber ausnahmslos. 

Aber auch zwischen den einzelnen Mitgliedern einer Familie 
bestehen oft große Unterschiede in der Furchenreife. 


SS I. 




Linke Hemisphäre von außen bei jungen Kätzchen. Fig. IM. 1-tägiges Kätzchen. 
Fig. 14. o-tägiges Kätzchen. f.Sy. — Fissura Sylvii. es.a. - Fissura ecto- 
sylvia anteriur. cs.p. — Fissura ectosylvia posterior. ss. — Fissura suprasylvia. 
c. — Fissura coroualis. J. ... Fissura lateralis. • Zweifache Vergrößerung.! 


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ßchirnuntersuchungcn bei Katzen- und Huudefamilien. 


381 



Fig. 15. 


SS l. 



Linke Hemisphäre von außen bei jungen Kätzchen. Fig. 15. 5-tägiges Kätzchen. 
Fig. 16. 7-tägiges Kätzchen. /. Sy. = Fissura Sylvii. e*.a. — Fissura ecto- 
sylvia anterior, es.p, = Fissura ectosylvia posterior, ss. = Fissura suprasvlvia. 
c. = Fissura coronalis. I. = Fissura lateralis. (Zweifache Vergrößerung.) 


Bei genauerem Vergleich der Unterschiede in der Furchen¬ 
entwicklung mit den Geschlechts- und Gewichtsunterschieden finden 
wir folgendes (erste sieben Familien): 

Familie I: Furchen nur schwach angedeutet. 

Familie II: Hier entsprechen die Furcheueutwickluugsuuter- 
schiede den Gehirngewichtsuuterschieden, nicht genau aber den 
Körpergewichtsunterschieden. 


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382 


Dr. Juljusz Morawski. 


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ss. t. 



Linke Hemisphäre von außen bei jungen Kätzchen. Fijr. 17. S-triirijj.-n Kätzchen. 
/. Sy. r— Fissura Sylvii. cs.d. — Fissura eetosylvia anterior, cs.]/. — Fissura 
eetosylvia posterior. ,s,s. = Fissura suprasylvia. c. = Fissura corunalis. /. — Fis¬ 
sura lateralis. (Zweifache Vergrößerung:.) 

Die J bleiben in der Furcheneu twickluug zurück. 

Familie III: Die Furchenentwicklungsunterschiede entsprechen 
den Gehirngewichtsuuterschieden, nicht aber den Körpergewichts- 
uuterschieden. 

Das d bleibt in der Furcheneutwickluug zurück. 

Familie IV: Die Furcheneutwickluugsuuterschiede entsprechen 
nicht den Gewichtsunterschieden i Körper- und Gehirugewicht). 

Entschiedenes Vorauseilen eines d in der Fureheuentwickluug. 

Familie V: J 4 ? , das leichteste nach Körper- und Gehirnge¬ 
wicht, bleibt in der Furchenentwicklung zurück, sonst keine großen 
Unterschiede. 

Familie VI: Jj d\das schwerste nach Körpergewicht und leich¬ 
teste na h Gehirugewicht, bleibt in der Furcheneutwicklung ent¬ 
schieden zurück; sonst keine großen Unterschiede. 

Familie VII: Keine großen Unterschiede in der Fureheneut- 
wickluug. 

Es scheint also, daß die Furchencntwicklungs- 
unterschiede fast immer den Ge hirngewichtsunter¬ 
schieden. selten den Körpergewichtsunterschieden 
e n t s p r e c h e u. 

Dabei kein V o r a u s e i 1 e n eines von den Ge¬ 
schlecht e r u i n d e r F u r c h e u e n t w i c k 1 u n g. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefiunilien. 385 

2. Furcheuvariabilität. Furchenvarietäten finden wir 
schon au den Gehirnen der eintägigen Kätzchen (Anastomose der 
Fiss. ectosylvia mit Fiss. suprasylvia). 

Die nebenstehende Tabelle ist eine Zusammenstellung von 
Avichtigen Furchenvarietäten (Selbständigkeit der Furchen, Anasto- 
mosen), die an der Lateralfläche der beiden Hemisphären bei 100 
Katzen gefunden wurden, und zwar: 

1. 30 Katzengehirne — nicht familiäres Material. 

2 . 19 Katzengehirne — die in der Arbeit von Karplus 1 ) 
beschriebenen vier Katzenfamilien. 

3. 51 Katzengehirne — die von mir beschriebenen zehn Katzen¬ 
familien. 

Vor näherer Betrachtung dieser Tabelle muß bemerkt werden: 

a) Nur die Varietäten wurden bezeichnet, das Typische 
wurde weggelassen (siehe Beschreibung des typischen Verhaltens 
der Furchen S. 308); z. B. bei der dritten Bogenfurche wurde überall 
der Fall weggelassen, wenn die Furche aus zwei Furchen besteht, 
wobei die Fiss. coronalis selbständig ist. 

b) Nur die Selbständigkeit der Furchen, beziehungs¬ 
weise die Anastomosen werden mitgezählt; in einigen Fällen 
aber kann eine Furche derselben Furche auf der anderen HemG 
Sphäre sehr ähnlich sein, eine ausgesprochene Varietät aber findet 
sich nur auf einer Seite (z. B. wenn das untere Ende der Fissura 
medilateralis auf einer Hemisphäre die Fiss. suprasylvia fast er¬ 
reicht, auf der anderen mit ihr anastoraosiert. Hier ist die 
Wendung der Fissura medilateralis nach vorne auf beiden Hemi¬ 
sphären sehr ähnlich, in der Tabelle kommt aber nur die Varietät 
auf der einen Hemisphäre zum Ausdruck.) 

c) Bei den Kätzchen mit unvollendeter Furchenentwicklung 
fehlen oder bleiben seicht die Furchen der hinteren Hälfte der 
Gehirnoberfläche: die Variationstendenz kommt hier somit nicht 
ganz zum Ausdruck. 

d) In allen Familien fehlt aus leicht verständlichen Gründen 
der Vater. 


*) K a r p 1 u s 1. c. 


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Original fro-m 

UNIVERSITYOF MICHIGAN 



390 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Aus dieser Tabelle kann mau folgende Schlüsse (näheres siehe 
die Übersichten bei den einzelnen Familien) ziehen: 

1. E 3 gibt Katzenfamilien, in denen sehr wenig Furchenvarie- 
täten zu finden sind (z. B. Familie VIII), und andere, in welchen 
letztere sehr häufig sind (z. B. Familie X). 

2. Es bestehen öfter große Unterschiede im Varietätenreichtum 
bei verschiedenen Mitgliedern einer Katzenfamilie. 

3. Meistens (121 Fälle von 173) ist eine Furchenvarietät nur 
auf einer Hemisphäre vorhanden; seltener wiederholt sich die¬ 
selbe Furchenvarietät auf beiden Hemisphären desselben Gehirnes. 

4. In unseren 10 Katzeufamilien kommen die ausgesprochenen 
Furchenvarietäten bei den ? etwas öfter als bei den <f vor: es ist 
aber nicht anzunehmen, daß auch bei einem weit größeren Material 
ein derartiger Unterschied hervortreten würde- 

5. Manchmal wiederholen sich einige Furchenvarietäten auf 
derselben oder der gekreuzten Seite bei mehreren Mitgliedern einer 
Familie (familiäre Ähnlichkeit der Furchenkonfiguration). Es gibt 
aber auch Katzenfamilien, in denen keine familiäre Ähnlichkeit 
der Furcheuvarietäten zu finden ist (z. B. Familie VIII); viel sel¬ 
tener findet sich die Übereinstimmung der Ähnlichkeit der Furcheu- 
gestaltung mit der äußeren Ähnlichkeit der Tiere. 

6. Man kann nicht sagen, daß die d oder die ? nach der 
Furchengestaltung der Mutter öfter ähnlich seien. Es gibt Familien, 
in welchen keines der Jungen der Mutter in dieser Beziehung ähnlich 
ist (Familie V, VI, VIII). 

7. Die Ähnlichkeit der gleichgeschlechtlichen Jungen unter¬ 
einander ist nicht größer als die der verschiedengeschlechtlicheu. 

III. Hunde. 

Das typische Verhalten der von mir beschriebenen Furchen 
ist folgendes: 

Fiss. Sylvii zieht von der Fiss. rhinalis 10—15 mm 
weit schräg nach hinten oben. Ohne Anastomoseu. 

Fiss. cruciata zieht auf der Lateralfläche 10—17 mm weit, 
geht auf der Medianfläche in die Fiss. splenialis über. 

Fiss. post- und praecrueiata vorhanden, seicht. 

Erste B oge n f ur c h e (Fiss. e c t o s y l v i a > einheitlich, ohne 
Anastomoseu. 

Zweite Bogenfurche (Fiss. suprasylvia) einheitlich, 
ohne Anastomoseu. Zwischen der Anterior und Media und zwischen 


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(Tehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


391 


der Media und Posterior ziehen von der Furche kurze seichte Fort¬ 
sätze nach oben. 

Dritte Bogenfurche einheitlich, ohne Anastomosen. Die 
Fiss. lateralis am vorderen Ende gegabelt, der obere Ast dieser 
Gabelung ist die Fiss. ans ata, der untere übergeht in die Fiss. 
coronalis. 

Fiss. ectolateralis 25—35 mm lang, ohne Anastomosen. 

Fiss. entolateralis — eine zirka 10 mm lange seichte 
Furche, ohne Anastomosen. 

Fiss. praesylvia zieht von der Fiss. rhinalis 30 bis 
35 mm weit, unverästelt, ohne Anastomosen. 

Fiss. splenialis zieht von der Fiss. rhinalis zirka 
50 mm weit, übergeht in die Fiss. cruciata, ohne Anastomosen, 
mit einem kurzen seichten Nebenast nach oben. 

Fiss. suprasplenialis und postsplenialis vorhanden, 
voneinander getrennt. 

Familie I. 

Alte hochträchtige Hündin (langhaariger Pintsch) wurde an¬ 
scheinend kurz vor dem Wurf getötet, aus dem Uterus zehn Föten 
herausgenommen. 






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Spezifisches 

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Gehirns 

Alte Hündin j 


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72*50 

0-453 

1040—1042 

1 

J, d 

der Mutter ähnlich 

255 

5*30 

2078 

1025—1027 

J , '? 

sehr verschieden 
von der Mutter 

2 a r > 

4 65 

1-978 

1025—1027 

J, d 


225 

4*80 

2133 

1025—1027 

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► der Mutter ähnlich 

223 

4*80 

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1 2152 

1025—1027 | 

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212 

4-80 

2-2G4 

1025—1027 ' 

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dem J 2 ähnlich 

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4-70 

2-238 

1025—1027 

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180 

4-40 

2-444 

1025-1027 


der Mutter ähnlich 

201 

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4-30 

| 

2139 

| 

1025-1027 

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200 

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2-200 

. 1025—1027 

1|0 ? 

1 


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1 

2-307 

1025-1027 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




392 


Dr. Juljusz Morawski. 


Das schwerste von den drei ? ist viel leichter als sechs von 
den sieben Männchen. Diesen Unterschied finden wir auch im 
Gehirngewichte, wo sogar das 201 g wiegende $ weniger Gehirn hat, 
als das 180 ^ wiegende Männchen. Das J 10 5 mit 195 ^ Körper¬ 
gewicht hat mehr Gehirnsubstanz als das um 6 g schwerere J a $ . 
Relatives Gehirngewicht ist bei 5 durchschnittlich höher als bei d . 
Das spezifische Gewicht des Gehirnes wurde nach längerer Härtung 
in Formol bestimmt. 

Die Gehirnoberfläche war bei allen Föten fast glatt, keine Furche 
entwickelt; man findet nur schwache Andeutungen von Fiss. rhinalis 
und Fiss. praesylvia, kaum merkliche von den Fiss. splenialis und 
Fiss. cruciata (letztere nur auf der medialen Fläche). 

Keine Unterschiede zwischen den einzelnen Föten in der 
Furchenentwicklung zu bemerken. 


Familie II. 


Eine hochträchtige dachsähnliche Hündin wurde anscheinend 
unmittelbar vor dem Wurf getötet, aus dem Uterus fünf Föten 
herausgenommen. Die Jungen machten Atembewegungen. 





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Spezifisches 



Haut 

Körpe 

gewie 


Gewicht des 



W t—( 

Gehirns 


Alte Kundin 


7750 

62-50 j 0-806 

1044—1046 


J, d 

v untereinander sehr 

1 ähnlich, sehr ver- 

105 

4*5 2-308 

1025—1027 • 

| 

d 

( schieden von der 

1 Mutter 

185 

»Ci 

oc 

1025—1027 

J 3 d 


140 

407 2-307 

1025—1027 


der Mutter und 


1 1 

J. rf 

untereinander sehr 

140 

3-5* 2-785 

1025—1027 ■ 


ähnlich 

1 

v? i 


| 228 

1 

4 8 2-105 

1025-1027 


Das einzige ? war das schwerste von allen Föten, nach dem 
Gehirngewicht aber war es dem um 43 g leichteren Männchen gleich. 
Das Weibchen hat das niedrigste relative Gehirngewicht. Das 
spezifische Gewicht des Gehirnes wurde nach längerer Härtung in 
Formol bestimmt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 393 

Die Gehirnoberfläche war bei allen Föten fast glatt, keine 
Furche entwickelt, nur schwache Andeutungen von Fiss. rhinalis, 
Fiss. praesylvia, Fiss. splenialis und Fiss. cruciata (letztere nur auf 
der medialen Fläche); noch schwächer ist überall die Fiss. supra- 
sylvia (Ant. und Med.) angedeutet. 

Bei J 5 ? sind diese Andeutungen etwas mehr vertieft. 


Familie III. 

Alte Hündin (Köter) mit vier eintägigen Jungen. 



Haut 

Körper¬ 
gewicht g 

Gehirn¬ 
gewicht g 

Relatives 

Gehirn¬ 

gewicht 

Spezifisches 
Gewicht des 
Gehirns 


Alte Hündin 


9(MX) 

68 50 

0-761 

1044-1046 


J| d 

der Mutter ähnlich 

355 

1020 

2-873 

1025—1027 


«J-2 HP 


348 

9-20 

2-643 

1025-1027 



von der Mutter ver- 






Jj cf 

schieden, unterein- 

298 

915 

3070 

1025—1027 



ander ähnlich 


1 




J4? 


237 

7-85 

3-312 

1025—1027 

i 

1 



Das einzige Weibchen hat das kleinste absolute Gewicht 
(Körper- und Gehirn-) und das höchste relative Gehirngewicht. 
Das J 8 cf mit 298 g Körpergewicht hat nur um 0*05 g weniger 
Gehirnsubstanz als das J 8 cf mit 348 g Körpergewicht. Zwischen 
Ji cf und J 3 cf besteht im Gehirngewicht ein Unterschied von l'O g 
bei Körpergewichtsunterschied von 7 g. Das spezifische Gewicht 
des Gehirns wurde nach längerer Härtung in Formol bestimmt. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



394 


Dr. Juljusz Morawski 


Linke Hemisphäre. 



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ostenor J nialis 





(rehirnuntersuchungcn bei Katzen- und Hundefamilien. 395 

Linke Hemisphäre. 




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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




390 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


fehlen. . 

Posterior J maus, 



Gehirnuntereuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


307 


Rechte Hemisphäre. 


Ji cf 


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UNIVERSETY OF MICHIGAN 




398 


Dr. «Juljusz Morawski. 


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Bei der Furchenbeschreibung wurden die fehlenden Furchen 
ausgelassen. Auch die Beschreibung der Gehirnfurchen der alten 
Hündin ist weggelassen, da ein Vergleich der Furchenvariationeu 
hei Mutter und Kindern wegen der unvollständigen Furchung bei 
den Jungen noch nicht möglich ist. Von den Furchen sind bei 
den Jungen nur wenige und diese nur an der vorderen Hälfte 
der Gehirnoberfläche entwickelt oder angedeutet; die hintere Hälfte 
der Gehirnoberfläche ist ganz glatt. Nach der Furchenentwicklung 
bleibt das Weibchen und das dritte d entschieden zurück, was mit 
den Gewichtsunterschieden übereinstimmt. Bei diesen weniger ent¬ 
wickelten Jungen ist die Fiss. coronalis selbständig, was kaum als 
eine Furchenvarietät gedeutet werden kann. Bei allen Jungen ist 
die Fiss. praesylvia noch von der Fiss. rhinalis entfernt. Als sichere, 
ausgesprochene Furchenvarietät kann man nur die Anastomose 
zwischen der Fiss. ectosylvia anterior und Fiss. suprasylvia au- 
sehen (Jj d rechts?. 


Familie IV (mit Abbildungen Fig. 18—29). 

Sechs 2 l /atägige Jungen, alle untereinander sehr ähnlich, wie 
die alte Hündin gefärbt. 



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Nach dem Körpergewicht nehmen zwei Weibchen die ersten 
Stellen, das dritte ? die letzte ein. Nach dem Gehirngewicht hat 
das schwerste 2 die erste Stelle, dann folgen die drei d und dann 
die zwei anderen $ ; dabei hat das zweitschwerste Weibchen (unter 
allen Jungen) das leichteste Gehirn. Die zwei schwereren $ haben 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 399 


auch das relative Gehirngewicht kleiner als drei d, das relative 
Gehirngewicht des dritten Weibchens ist sehr hoch (das höchste 
von allen). Das spezifische Gewicht des Gehirns wurde an dem 
längere Zeit in Formol gehärteten Material bestimmt. 



Fig. 18 und 19. Hund IV. Hündchen 1. Hemisphären von außen. 
SS. = Fissura suprasylvia. c. = Fissura coronalis. 



Fig. 20 und 21. Hund IV. Hündchen 2. Hemisphären von außen. 
SS. = Fissura suprasylvia. c. = Fissura coronalis. 



Fig. 22 und 23. Hund IV. Hündchen 3. Hemisphären von außen. 
$<?. — Fissura suprasylvia. c. — Fissura coronalis. 


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Original fro-rn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



400 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Fijr. 24 und 25. Hund IV. Hündchen 4. Hemisphären von außen. 
Fissura suprasylvia. c. = Fissura coronalis. 



Fijr. 2ß und 27. Hund IV. Hündchen 5. Hemisphären von außen, 
.ss. — Fissura suprasylvia. c. = Fissura c«m»nalis. 




Fijr. 28 uud 29. Hund IV. Hündchen ß. Hemisphären von außen, 
ss. = Fissura suprasylvia. c. = Fissura coronalis. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


401 



Jahrbücher für Pijchiatrie. XXXIII. Bd. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 




402 


Dr. Juljusz Morawski 


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Unke Healsphire. 


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Original frnm 

UNIVERSETY 0 F MICHIGAN 






Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 403 

Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






404 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Mcdilatoralis fehlt. I Posterior fehlt. 




Gehirn Untersuchungen bei Katzen- und Hundefamilieu. 


405 


Nach der Furchenentwicklung stehen diese 2 1 / r tägigen Jungen 
sehr nahe den 1-tägigen derFam. HI; einige Furchen sind bei jeneu 
besser entwickelt, andere bei diesen. Von den einzelnen 2y r tägigeu 
Jungen sind die Furchen am besten bei zwei Weibchen (J 4 ? und J 5 ?) 
entwickelt, das dritte ? bleibt in der Furchenentwicklung etwas 
zurück. Bei allen Jungen bleibt die Fiss. praesylvia mehr oder 
weniger von der Fiss. rhinalis entfernt, bei einigen ist auch die Fiss. 
cruciata von der Fiss. splenialis getrennt. Es ist aber fraglich, wie 
man diese Trennungen auffassen soll: als unvollständige Furchen¬ 
entwicklungoder schon ausgesprochene Furchenvarietäten. Als letztere 
kann man aber mit Sicherheit folgendes ansehen: 1. Anastomose der 
zweiten und dritten Bogenfurche bei J« links und 2. Anastomose 
der Fiss. coronalis mit der Fiss. cruciata bei J 8 links. Die bei- 
gegebeuen Skizzen zeigen die großen Unterschiede in der Furchen¬ 
entwicklung bei den einzelnen Jungen dieser Familie. Das in der 
Furchenentwicklung zurückbleibende $ hat ein etwas höheres Gehirn¬ 
gewicht als das viel besser gefurchte und viel schwerere J 5 $. Nach 
dem Körpergewicht ist das in der Furchenentwicklung zurück¬ 
bleibende ? — das schwächste. 


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Zwei 5 l /a-tägige Jungen. 



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Das Weibchen hat größeres Körpergewicht, größeres Geliirn- 
gewicht und kleineres relatives Gehirngewicht. Das spezifische 
Gewicht des Gehirnes wurde gleich nach dem Tode der Tiere 
bestimmt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




406 


Dr. Juljusz Morawski. 


Linke Hemisphäre. 


Vertiefung der 
Insel gegend. 


Fiasura Sylvii. 


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Gut entwickelt. 


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Gut entwickelt. 


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(Fiasura ectosylvia an¬ 
terior, mcdia, posterior). 


Auf der Lateralfläche — 
2 mm lang. 

Auf der Medialfläche 
— Anastomose mit der 
Splenialis. 


Anterior gut entwickelt. 
Media fehlt. 

Posterior sehr seicht. 


I Zweite Bogenfurche 
I (Fiasura suprasvlvia 
| anterior, media, 
posterior). 


Einheitlich. 

Anterior und Media gut 
entwickelt. 

Posterior seicht. 

Zwischen Anterior 
und Media ein 
Seitenast nach 
oben, welcher in 
die Ansata über- 
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Fehlt. j 

Auf der Lateralfläche— • 
2 mm lang. f 

Auf der Medialfläche ! 
— Anastomose mit der 
Splenialis. i 

Anterior gut entwickelt. I 

Media fehlt. 

Posterior gut entwickelt, 
gibt einen Seitenast 
nach vorne. i 


Einheitlich, gut ent¬ 
wickelt. 

Zwischen Anterior und i 
Media ein Seitenast | 
nach oben. ; 


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Dritto Bogoufurcho 
(Vord. Schenkel: Fiss. 
cruciata; mittl. Schen¬ 
kel: Fiss. lateralis [mit 
Fiss. ansata]; hint. 
Schenkel: Fiss. medi- 
latoralis >. 

Coronalis selbst¬ 
ständig, gut ent¬ 
wickelt. 

Von der Lateralis nur 
der vordere Teil gut 
entwickelt. 

Medilateralis fehlt. 

Anastomose mit Supra¬ 
sylvia (s. oben). | 

Fiasura splenialis. 

Gut entwickelt. 

Fiasura suprasplenialis 
und postspienialia. | 

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Fehlen. 

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Fiasura ectolateralis ! 

| und entolateralis. 

Fehlen. 

| Fissura praosylvia 

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Gut entwickelt, vonj 
der Khinalis ge- 1 
trennt. j 

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Coronalis selbst¬ 
ständig, gut ent¬ 
wickelt. 

Lateralis seicht, unter¬ 
brochen. 

Medilateralis fehlt. 


Gut entwickelt. 


Fehlen. 


Ectolateralis fehlt. 
Entolateralis angedeutet. 


der Khinalis ge- 1 
trennt. 


Original from 

university of michigan 



Gehirnuntersuchuugen bei Katzen- und Hundefamilien. 407 


Rechte HemlsphXre. 


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Vertiefung der 
Inselgegend. 

Gut entwickelt. 

Gut entwickelt. 

Fissura Sylvii. 

Fehlt. 

Fehlt. 

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f issura cruciata. 

Auf der Lateralfläche — 
2 mm lang. 

Auf der Medialflächc 
— Anastomose mit der 
Splenialis. 

Auf der Lateralfläche — 

2 mm lang. 

Auf der Medialfläche 
— Anastomose mit der 
Splenialis. 

1 

| Erste Bogenfurche 
(Fissura ectosylvia an- 
1 tcrior, media, posterior). 

Anterior gut entwickelt. 
Media fehlt. 

Posterior sehr seicht. 

Anterior gut entwickelt. 
Media angedeutet. 
Posterior gut entwickelt. 

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1 

1 Zweite Bogenfurche 
(Fissura suprasylvia 
anterior, media, 

1 posterior). 

Einheitlich. 

Anterior und Media gut 
entwickelt. 

Posterior seicht. 

ZwiscbenAnterior 
und Media ein 
Seitenast nach 
o ben, welcher in 
die Ansata über- 
geht. 

Einheitlich, gut ent¬ 
wickelt. 

Zwischen Anterior 
und Media ein 
Seitenast nach 

oben, welcher in 
die Ansata über¬ 
geht. 

Dritte Bogenfurche 
(Vord. Schenkel: Fiss. 
cruciata; mittl. Schen¬ 
kel : Fiss. lateralis [mit 
Fiss. ansata]; hint. 
Schenkel: Fiss. medi- 

1 lateralis). 

1 

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Coronalis selbst¬ 
ständig, gut ent¬ 
wickelt. 

Von der Lateralis nur 
der vordere Teil gut 
entwickelt. 

Medilateralis fehlt. 

Anastomose mit Supra- 
sylvia (s. oben). 

Coronalis selbst¬ 
ständig, gut ent¬ 
wickelt. 

Lateralis seicht, unter¬ 
brochen. 

Medilateralis fehlt. 

Anastomose mit Supra¬ 
sylvia (s. oben). 

Fissura splenialis. 

Gut entwickelt. 

Gut entwickelt. 

I Fissura suprasplenialis 
| und postsplenialis. 

Fehlen. 

Fehlen. 

Fissura ectolateralis 
und entolafceralis. 

Fehlen. 

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Entolateralis fehlt. 

Fissura praesylvia. 

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der Rhin alis ge¬ 
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Gut entwickelt, von 
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Original frorn 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 






408 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Die Furchen der Gehirnoberfläche sind hier schon ziemlich 
weit entwickelt, besser als bei den 2 l / r tägigen Jungen der Fam. IV; 
die Furchen der vorderen Hälfte der Gehirnoberfläche sind auch hier 
viel besser entwickelt als diejenigen der hinteren Hälfte, wo die 
Furchen noch fehlen oder nur angedeutet sind. Das Weibchen 
scheint besser entwickelte Furchen zu haben, als das d . Fiss. 
rhinalis ist bei beiden Jungen von der Fiss. praesylvia getrennt. 
Bei d beiderseits und bei ? auf der rechten Hemisphäre finden wir 
eine Furchenvarietät: die Anastomose zwischen der Fiss. suprasylvia 
und der Fiss. ansata. An allen 4 Hemisphären ist die Fiss. corona- 
lis selbständig. 


Familie VI. 

Alte Hündiu (weißer Pudel) mit fünf 7-tägigen Jungen. Alle 
Jungen waren untereinander und der Mutter ähnlich. 



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Es bestehen keine großen Unterschiede in den Körpergewichten 
der d und der ? ; das schwerere ? hat um 9 <7 höheres Körper¬ 
gewicht als das schwerste d, das leichteste d hat 320 g Körper¬ 
gewicht so wie das leichtere ?. Das Gehirngewicht geht bei den d 
nicht parallel mit dem Körpergewicht: das schwerste d hat das 
leichteste Gehirn und umgekehrt. Das spezifische Gewicht des Ge¬ 
hirnes wurde nach längerer Härtung in Forinol bestimmt. 


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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilicn 


409 


Ulke Hemisphäre. 


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Original from 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 






Gehirnuntcrsuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 418 


Es fehlen bei allen Jungen dieser Familie die Fiss. medi- 
lateralis, suprasplenialis und postspienialis. Bei einigen fehlt auch 
die Fiss. ectosylvia media, bei einigen ist die Fiss. lateralis seicht. 
Fiss. rhinalis bleibt bei einigen Jungen von der Fiss. praesylvia 
entfernt. Keine großen Unterschiede in der Furchenentwicklung 
zwischen den einzelnen Jungen. Von den Furchenvarietäten haben 
wir hier: 1. Anastomose der Fiss. suprasylvia mit der Fiss. lateralis 
bei J 4 links. 2. Unterbrechung der Fiss. lateralis bei J L beiderseits. 
An zwei Hemisphären ist die Fiss. coronalis selbständig. 


Familie VII. 

Alte Hündin (Bulldogg) mit sieben 9-tägigeu Jungen. 



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Gehirn¬ 
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Relatives 
Gehirn- 
ge wicht 

Spezifisches 
Gewicht des 
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Alte Hündin 

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13-20 

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1026—1028 


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dunkler 

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2-525 

1026—1028 


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1026—1028 

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1026—1028 


dunkler 

505 

14-50 

i 

| 2 871 

i 

1026 -1028 



Die Weibchen haben im allgemeinen größeres Körpergewicht, 
größeres absolutes Gehirngewicht und kleineres relatives Gehiru- 
gewicht als die Männchen; die Unterschiede im Körpergewicht abe r 
gehen nicht parallel mit den Gehirngewichtsunterschieden. Das 
spezifische Gehirngewicht wurde nach längerer Härtung in Formol 
bestimmt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




414 


I>r. Juljusz Morawski 


Linke Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


Übergeht auf der Medialfläche in die Splenialis; zi< ht ( Zieht 3 nun weit geradlinig nach hinten oben, 
auf der Lateralfläche 5 mm weit herab. 






Gehirnuntersucliungen bei Katzen- und Ilundefamilien. 415 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




416 


Dr. Juljusz Morawski 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Fissura suprasplcuialis und postsplenialLs. Fissura eplenialis. 


Gehirnunfersuchungcn bei Katzen- und Hundefamilien. 417 


Linke Hemisphäre. 



Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. B<1. 27 


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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 







418 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


Übergeht auf der MedialHiiche in die Splenialis; zieht | Zieht 3 mm weit geradlinig nach hinten oben, 
auf der Liferalflftche f> mm weit herab. | 






Gehii-nuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 

Rechte Hemisphäre. 


419 



27* 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 








Fissura suprasplenialis und postsplonialis. Fissura splenialis. 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


421 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




422 


Dr. Juljusz Morawski. 


Nur bei zwei Jungen (J* und J 3 , beide cf) ist die Furchung 
der hinteren Hälfte der Gehirnoberlläche unvollendet. Bei den anderen 
(4 ? und 1 <f) sind alle Furchen vorhanden und gut entwickelt. 
Die zwei <f mit unvollendeter Furchenentwicklung haben auch die 
kleinsten Körpergewichte, das Gehirngewicht aber eines von ihnen 
ist um l-Oö^ größer als das Gehirngewicht des J L <f mit voll¬ 
endeter Furchenentwicklung. — Viele Furchenvarietäten, welche 
sich bei zwei oder drei Individuen auf derselben oder gekreuzten 
Hemisphäre wiederholen oder an beiden Hemisphären desselben 
Individuums auftreten. 


Familie VUI (mit Abbildungen Fig. 30—37i. 

Alte Hündin (Foxterrier) mit drei l’/s Monate alten Jungen. 



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Spezifisches 
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Alte Hündin 

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1027—1021) 

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Das einzige <f nimmt nach dem Körpergewicht die dritte 
Stelle, nach dem Gehirugewicht (absolutem und relativem) die zweite 
Stelle ein. Das 1125 g wiegende J 3 $ hat 29-70 g Gehirnsubstanz, 
während das um 115 g schwerere J 3 ? um 2 g weniger Gehirn¬ 
gewicht hat. Das spezifische Gewicht des Gehirnes wurde an dem 
in Formol gehärteten Material bestimmt. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 423 




Fig. 30 und 31. Hund VIII. Alte Hündin. Hemisphären von außen. 

Sy. = Fissura Sylvii. es. — Fissura ectosylvia. ss. = Fissura suprasylvia. 
C. = Fissura coronalis. I. = Fissura lateralis, ei. — Fissura ectolateralis. 




Fig. 32 und 33. Hund VIII. Hündchen 1. Hemisphären von außen. 
Buchstaben wie aut* Fig. 30 und 31. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirn Untersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


425 


Alte Hündin 


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Original fro-m 

UNIVERSETY 0F MICHIGAN 




Zweite Bogenfurche Erste Bogenfurche 

(Fissura »uprasylvia anterior, media, posterior). (Fiwnira ectosylvia anterior, inodia, posterior). 


426 


I)r. Juljusz Morawski 

Linke Hemisphäre. 


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Alte Hündin 


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Original from 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Dritte Bogenfurche 

Fissura entolateralis. Fissura ectolateralis. (Vord. Schenkel: Fis», coronalis; mittl. Schenkel: Fiss. lateralis 

[mit Fiss. ansata]; hint. Schenkel: Fiss. medilateralis). 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 

Linke Hemisphäre. 



Alte Hündin 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




428 


Dr. Juljusz Morawski 


Unke Hemisphäre. 



Digitized by Gougle 


Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


Vor der Suprasplcnialis ein kurzer Aßt gegen die Mantcl- 
kante. 



Geliirnuntersuchuugeu bei Katzen- und Hundcfamilien 


429 


Rechte Hemisphäre. 


Alte Hündin 


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430 


Dr. Juljusz Morawaki 


Rechte Hemisphäre. 





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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


oben. 



Dritte Bogen furche 

Fissura enfcolateralis. Fissura ectolafceralis. (Vord. Schenkel: Fiss. coronalis; mittl. Schenkel: Fiss. lateralis 


(rehirnuntersucbuugen bei Katzen- und Hundefamilien 


431 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 







432 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



Original from 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 


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Vor der Suprasplenialia ein kurzer Aat gegen die Mantel- 
kante. 



Gh h u:ti ti ter such ungm fow Katzen- \nu\ 433 

Die Furchung der OeUimoiOfräichi' Btbetallen Afitgliederii 
dieser Familie zterafeti elutacb VefalewJj - 


ilern 4er Familie riifeisteiw auf ' "ftf. -«»Sidgi&ir. jpile« 

auf beide» He.tjiiäßharen deascdhen iiidiridttibbä, öle jb?%4g^^ai 
.• Skhteeö vUusMüwrejJ no fost w typi»<r^s Ä 
H.tehc. 

Familie IX tait Abbilduiigm». Vig "4* — i7>. 

Al.tt-r .Öhmlitr ■ 8[»ifcz.) mit vier Jungem AU* Jungmj «md w,uiS. 
(ijiteteiviaiiiie? tfnd der Mutter ähnlich: . Alle iiüü4i» ffH4 4 ;; 
wurden einen Monat nach dem Wurf getötet,Mä^r/att, tiAiÜ 
.f j 'l , »\ streu krank, sind drei Wochen öjiätei; einges/angon (s.c i. r 
‘ ähgeioagcrt),' däs t4tzie,/d s MM wurde 2V* Monate' .nach dem Wurf 
getötet. .. ‘ ’ ' 1 ' 1 ‘ 

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Bie dattirtm dieser Farnilie zeigen die liewkhkuiitarsdifcdo ^- 
(JKO.rßer und öehirnj hei Tnracirfeddn alten Mitglißdefii ei»er 
Familie, .LuMer aber int da-» Körpergewicht 4'*r: Jungen II »«4 IV 
niiii Vergleich mit dy» andere» unhrauchbar. Ba* nimm iVlc-nst ;Ut<- 


;1: Monat oltau —. 1n*> 2 , Monate .ulte« — sNVtR. J.„.j v « 

alten Hündin — n-tb'A«/. (ucmv^oTit Med -iu Inter-M-inV.'lv 
: iio Sßezifir^ lurb Wywkhi d'-.-t th-hhm-H (gleich «;U-, h 4 e m Tod- 
d e r Tj e r <• I» o st im in ti. .bi-suiub-r* a?i <iol l.h «.ii.>ßhaK?i. 




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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


435 




Fig. 42. Fig. 43. 

Fig. 42 und 43. Hund IX. Hündchen 2. Hemisphären von außen. 

Sy. — Fissura Sylvii. es . — Fissura ectosylvia. ss . = Fissura suprasylvia. 
c. — Fissura coronalis. /. — Fissura lateralis, el. = ectolateralis. 




Fig. 44 und 45. Hund IX. Hündchen 3. Hemisphären von außen. 
Buchstaben wie auf Fig. 42 und 43. 



Fig. 46. Fig. 47. 

Fig. 46 und 47. Hund IX. Hündchen 4. Hemisphären von außen. 
Buchstaben wie auf Fig. 42 und 43. 


28 * 


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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 


Übergelit auf der Medialfläche in die Splenialis; zieht Zieht 13 mm weit schräg nach hinten oben. 


436 


Dr. Juljuaz Morawski 


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Unke Hemisphäre. 



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Linke Hemisphäre. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 






438 


Dr. Juljusz Morawski. 



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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 439 


Unke Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



440 


I)r. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 


aut der LateralHäche 1mm weit herab. fortzusetzcu; ganz in der liefe zwischen 

beiden eine Brücke. (Fig. 47, Sy.) 




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Gcliirtuiotersücünugeo bei Katzen- und Hunriefamilien. 441 

Rechte Hemisphäre. 


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442 


Dr. Jaljusz Morawski 

Rechte Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 




Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


443 


Rechte Hemiephfire. 



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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 





444 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Sehr zahlreiche Furchenvarietäten, welche sich öfter beider¬ 
seits bei demselben Individuum oder bei einigen (1—4) Mitgliedern 
wiederholen. Die beigegebenen Skizzen zeigen den Furchenreichtum 
dieser Familie. Es ist sehr lehrreich diese Skizze mit den Ab¬ 
bildungen der viel einfacheren Gehirnoberflächen bei Familie VIII 
zu vergleichen. 


Familie X. 

Alte Hündin (Schäferhund) mit fünf zwei Monate alten Jungen. 
Alle Jungen untereinander und der Mutter ähnlich. 



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gewicht g 

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43-62 

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| 3-214 

1 

1 

| 


Das einzige Weibchen hat das kleinste Körpergewicht und das 
größte relative Gehirngewicht; nach dem absoluten Gehirngewicht 
steht es an dritter Stelle: es hat bei 1323 g Körpergewicht mehr 
Gehirnsubstanz als das J s d mit 1593 g Körpergewicht, etwas 
weniger aber als das J 4 d mit 1373 g Körpergewicht. Bei dieser 
großen Nichtübereinstimmung der Unterschiede im Körper- und 
Gehirngewicht bei den Männchen sinkt ihr relatives Gehirngewicht 
mit der Zunahme des Körpergewichtes und umgekehrt. Die Gehirne 
wurden in Alkohol-Formol fixiert, ihr spezifisches Gewicht war (nach 
längerer Härtung) < 1; näher wurde es nicht bestimmt. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilicn 


445 


Linke Hemisphäre. 




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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 








446 


Dr. Juljusz Morawski 


Linke HemiephSre. 




Original from 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 






| Dritte Bogenfurche 

Fissura entolateralis. Fissura ectolateralis. (Vortl. Schenkel: Fiss. coronalis; mittl. Schenkel: Fiss, la- 

_ I teralis [mit Fiss. ansata]; hint. Schenkel: Fiss. medilateralis). 


Gehirnuntorsuchungen bei Katzen- und Hundefaraiiien 


447 


Linke Hemisphäre. 



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Original fro-m 

UNIVERSfTY OF MICHIGAN 




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448 


I)r. Juljusz Morawski. 

Linke Hemisphäre. 


Alte 

Hündin 

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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


449 


Rechte Hemisphäre. 




Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. IJd. 


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450 


Dr. Juljusz Morawski. 



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| Dritte Bogen furche 

Fissura entolateralis. Fissura ectolateralis. (Vord. Schenkel: Fiss. coronalis; mittl. Schenkel: Fiss. lateralis 


Gehirnuntersuchungeu bei Katzen- und Hundefamilien 


451 


Rechte Hemisphäre. 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





452 


Dr. Juljusz Morawski 


Rechte Hemisphäre. 



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anastomoaierend. Mantelkante einschneidende Furche, welche 

von der Splcnialis 2 mm entfernt ist. 





Gehirnunterauchungen bei Katzen* und Hundefamilicn. 453 


Zahlreiche Furchenvarietäten, von denen sich einige beider¬ 
seits bei demselben Individuum oder bei 2—4 Mitgliedern der 
Familie auf derselben oder gekreuzten Seite wiederholen. Interessant 
ist die Trennung der Fis3. rhinalis von der Fiss. praesylvia, eine Va¬ 
rietät, welche wir sonst nur bei unentwickelten Gehirnen öfter 
treffen. 


Familie XI (mit Abbildungen Fig. 48—55). 

Alte Hündin (Rattler) mit 3 Jungen. Die Jungen waren 
schwarz, die Mutter braun. Alte Hündin und zwei Jungen, J 8 und 
J 9 wurden 2 Monate nach dem Wurf getötet, das J x 2 Monate später. 










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Gehirn¬ 

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Relatives 

Gehirn¬ 

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Das 2 Monate alte J 3 d war um 50 g (Körpergewicht) leichter 
als das auch 2 Monate alte J 3 ?, hatte dagegen um 7 g mehr Gehirn¬ 
substanz. Deswegen auch so große Unterschiede im relativen Gehirn¬ 
gewicht. Das 4 Monate alte J t d nähert sich schon der alten Hündin 
mit allen seinen Zahlen. Das spezifische Gewicht des Gehirnes (an 
dem in Formol gehärteten Material bestimmt) zeigt auch einen 
Unterschied zwischen dem 4 Monate alten und dem 2 Monate alten. 


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Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 


455 




Fig. 52. Fig. 53. 

Fig. 52 und 53. Hund XI. Hündchen 2. Hemisphären von außen. 

Sy. = Fissura Sylvii. es. — Fissur» ectosylvia. ss . = Fissur» suprasylvia. 
c. = Fissura coronalis. Z. = Fissura lateralis, el. — Fissura ectolateralis. 




Fig. 54 und 55. Hund XI. Hündchen 3. Hemisphären von außen. 
Buchstaben wie auf Fig. 52 und 53. 


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456 


Dr. Juljusz Morawski 

Linke Hemisphäre. 


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Zweite Bogenfurche I Krsto Bogenfurche 

(Fisstira suprasylvia anterior, media, posterior\ (Fissura ectosyivia anterior, media, posterior). 


Gohirnunteraucbungen bei Katzen- und Hundefamilien. 457 

Unke Hemisphäre. 



Alte Hündin 

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Dr. Juljusz Morawski 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Zweite Bogenfurehe. Erste Bogenfurche 

(Fissura suprasylvia anterior, media, posterior). (Fissura ectosylvia anterior, media, posterior). 


Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


4G1 


Rechte Hemisphäre. 




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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



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Dr. Juljusz Morawski 



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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





Gehirnuntersuchungen bei Katzen- und Hundefamilien 


463 



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464 


Dr. Juljusz Morawski. 


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Sehr viele Furchenvarietäten, öfter bei 3—4 Mitgliedern der 
Familie eich wiederholend. Einige von den Varietäten kehren auch 
an beiden Hemisphären desselben Individuums wieder. Interessant 
sind die Varietäten auf der Medialfläche, besonders bei J# (auffallende 
Ähnlichkeit beider Hemisphären). Die Skizzen illustrieren die Kom¬ 
pliziertheit der Furchung der Gehirnoberfläche bei allen Mitgliedern 
dieser Familie. 


Zusammenfassung (Hunde). 

a) Gewichtsverhältnisse. Die von mir untersuchten elf 
Hundefamilien gehören zu verschiedenen Kassen, welche sich unter 
anderem auch durch Körpergröße und Gewicht unterscheiden. 
Deswegen ist hier der Vergleich der Gewichtsverhältnisse nur mit 
Vorsicht zu verwerten. 

Die nebenstehende Tabelle zeigt die Gewichtsverhältnisse bei 
allen diesen Familien. Zur Herstellung dieser Tabelle wurden von 
den gleichaltrigen Jungen nur die mit höchstem Körper- und Gehirn¬ 
gewicht und mit niedrigstem relativen Gehirngewicht genommen. 

Mit dieser Tabelle kann ich einige von Rüdingers 1 ) 
Schlüssen bestätigen, nämlich: 1. Große Schwankungen in den 
Gehirugewichtszahlen bei erwachsenen Hunden verschiedener Rassen 
(von 61-300 bis 85*580 in meinen Hundefamilien); 2 . die Hirn¬ 
gewichte nehmen bei den Hunden mit dem Körpergewicht derselben 
zu, jedoch in einem ungleichen Verhältnis und 3. der kleine, leichte 
Hund besitzt auf 1000 y Körpergewicht bedeutend mehr Hirn als 
der große (z. B. der 2 Monate alte Rattler — 48 05 0 , der 2 Monate 
alte Schäferhund — 24 09 g ). 

Die Veränderungen der Gewichtsverhältnisse, welche von dem 
Alter der Tiere abhängig sind, können wir an meinem Material 
nur annähernd bestimmen, wenn wir in jeder Familie die höchsten 
Zahlender Jungen mit den Gewichtszahlen der erwachsenen Hündinnen 
vergleichen. Dieser Vergleich führt zu folgenden Schlüssen: Das 
Körpergewicht nimmt zunächst ziemlich langsam zu (im Vergleich 
mit dem Körpergewicht der erwachsenen Hündinnen), viel rascher in 
späteren Zeiten: ein 7-tägiger Pudel hat ungefähr 3% des Körper¬ 
gewichtes seiner Mutter, ein 9-tägiger Bulldogg — 4%, während 

*; liüdinger, Über die Hirne verschiedener Hunderassen. Sitzungs¬ 
bericht d. königl. bayr. Akademie der Wissenschaften zu München, 1894. 


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460 


Dr. Juljusz Morawski. 


ein 1 Monat alter Spitz schon 13% hat, ein 2 7» Monate alter 
Spitz — 24 %> ei Q 2 Monate alter Rattler — 21 %, ein 4 Monate 
alter Rattier — 61% des mütterlichen Körpergewichtes. 

Das Gehirngewicht nimmt auch langsam in den ersten 
9 Tagen zu, viel rascher in späteren Zeiten, die Unterschiede aber 
zwischen den Gehirngewichten der Jungen und der erwachsenen 
Hunde sind verhältnismäßig viel kleiner: ein 9-tägiger ßulldogg hat 
schon ein Gehirn mit 20% des Gehirngewichtes seiner Mutter, eiu 
1 Monat alter Spitz — 54 %, ein 1 % Monate alter Spitz — 66 %, 
ein 2 7sMonate alter Spitz — 77 %. Ein 2 Monate alter Schäfer¬ 
hund hat ein Gehirn mit 50% des Gehirngewichtes seiner Mutter, 
ein 2 Monate alter Rattler — 72%? ein 4 Monate alter Rattler 
- 87 %. 

Auch die Veränderungen des relativen Gehirngewichtes 
verlaufen auf dieselbe Weise, nur in umgekehrter Richtung (die 
Zahlen nehmen ab). 

Interessant ist hier der Vergleich der Gewichtsverhältnisse 
bei Katzen und Hunden: Bei den Hunden nimmt das Gehirngewicht 
relativ langsamer zu als bei den Katzen (z. B. eine 3 Monate alte 
Katze erreicht schon die untere Grenze des Gehirngewichtes einer 
erwachsenen Katze, ein 4 Monate alter Rattler dagegen hat ein 
Gehirn mit nur 87% des Gehirngewichtes seiner Mutter). 

Es bestehen große Unterschiede in den Gewichtszahlen zwischen 
den Mitgliedern einzelner Familien: Von den 9 Hundefamilien, wo 
alle Jungen an demselben Tage getötet wurden, hat ein <3 iu 
3 Familien das höchste Körpergewicht, in 4 Familien das höchste 
Gehirngewicht, in 4 Familien das kleinste relative Gehirngewicht. 
Auch hier aber (wie bei den Katzen) gehen die Körpergewichts¬ 
unterschiede nicht parallel mit den Gehirngewichtsunterschiedeu. 

Das spezifische Gewicht der Hundegehirne wurde meisteus 
am fixierten Material bestimmt. Auch hier bemerkt man die 
Steigerung des spezifischen Gehirngewichtes bis zur Reife. Besonders 
interessant ist die Familie IX, wo die Jungen in verschiedenen 
Zeiten getötet wurden und das spezifische Gewicht des Gehirnes 
gleich nach dem Tode der Tiere bestimmt wurde: Mit 1 Monate 
beträgt das spez. Gehirngewicht 1-034—1-036, mit 1% Monaten 
1-036—1-038, mit 27 * Monaten 1-040— 1-041, bei der erwach¬ 
senen Hündin 1-040—1-042. 


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Original fro-m 

UNIVERSITY OF MICHIGAN 



Gehirnunterauchungen bei Katzen- und HundefamiHcn. 


467 


Beim Vergleich der Resultate, welche man am frischen und 
gehärteten Material bekommt, finden wir folgendes: Die am in 10% 
Formol gehärteten Material gewonnenen Resultate sind wenigstens 
um 0-004 kleiner als die des frischen Materials. 

b) Furchen. 1. Furchenentwicklung. Bei den unmit¬ 
telbar vor dem Wurf untersuchten Föten finden wir schwache An¬ 
deutungen von Fiss. rhinalis und praesylvia (voneinander ge¬ 
trennt), von Fiss. splenialis und cruciata (auch voneinander 
getrennt), sehr schwache Andeutungen der Fiss. suprasylvia. Bei 
älteren Hunden erscheinen und vertiefen sich allmählich alle Furchen. 
Auch hier aber (wie bei den Katzen) ist es unmöglich, eine genaue 
Entwicklungsreihe der Furchen aufzustellen, da häufig ältereTiere wenig 
entwickelte Furchen (einzelne oder viele) haben und dabei öfter große 
Unterschiede in der Furchenentwicklung bei den Mitgliedern einer 
Familie bestehen. Man kann nur folgendes sagen: 1. Die Furchen 
der vorderen Hälfte der Gehirnoberfläche entwickeln sich früher als 
diejenigen der hinteren Hälfte; man findet letztere Furchen auch 
bei einigen 9-tägigen Hündchen unvollständig entwickelt oder fehlend 
(bei Katzen sind schon bei 7-tägigen alle Furchen vorhanden, 
manchmal nur sind die Fiss. posteriores etwas seichter). 2. Fiss. 
Sylvii entwickelt sich ziemlich spät; deshalb wurde bei den 
jüngeren Tieren auch die Vertiefung der Inselgegend beschrieben. 

3. Von der Fiss. ectosylvia entwickelt sich als letzte die Fiss. 
media, von der Fiss. suprasylvia die Fiss. posterior. 

4. Von der dritten Bogenfurche entwickelt sich als erste die Fiss. 
c o r o n a 1 i s, später der vordere gegabelte Teil der Fiss. lateralis 
usw. 5. Bei den j üngeren Tieren sind immer die F i s s. praesylvia 
von der Fiss. rhinalis, Fiss. cruciata von der Fiss. 
splenialis, Fiss. coronalis von der Fiss. lateralis getrennt. 

Es bestehen, wie gesagt, große Unterschiede in der 
Furchenentwicklung bei einzelnen Mitglied?, mein er 
Familie. Diese Unterschiede aber entsprechen nicht immer 
den Gewichtsunterschieden und haben mit den Ge¬ 
schlechtsunterschieden nichts zu tun, da manchmal die 
cf, in anderen Familien aber die ? in der Furchenentwickluug 
Zurückbleiben. 

2. Furchen Variabilität. Die Furchenvarietäten finden 
wir schon an den Gehirnen der 1-tägigen Hündchen ( die Auastomose 
der Ectosylvia ant. mit der Suprasylvia). 

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Dr. «Juljusz Morawski. 


Die nebenstehende Tabelle ist eine Zusammenstellung von 
wichtigeren Furchenvarietäten, die an der Lateralfläche der beiden 
Hemisphären bei 63 Hunden gefunden wurden, u. zw.: Nr. 1 bis 19 — 
Hundegehirne der in der Arbeit von Karplus 1 ) beschriebenen 
4 Hundefamilien; Nr. 20 bis 63 — Hundegehirne der von mir 
beschriebenen 9 Hundefamilien. 

Die Tabelle wurde ganz ähnlich der bei den Katzen zusammen¬ 
gestellt (bezeichnet nur die ausgesprochenen Varietäten, das Typische 
weggelassen usw., Näheres siehe S. 383, was bei der Katzentabelle 
gesagt wurde). Dabei aber muß noch eines hervorgehoben werden, 
nämlich daß einige Furchenvarietäteu bei erwachsenen Hunden dem 
entsprechen, was wir bei den jüngeren Tieren mit unvollendeter 
Furchenentwicklung regelmäßig finden (z. B. Trennung der Fiss. 
praesylvia von der Fiss. rhinalis, der Fiss. splenialis von der Fiss. 
cruciata, das Fehlen oder Selbständigbleiben der Fiss. eetosylvia 
media usw.). Man köunte annehmen, daß einige Furchenvarietäten 
in der Weise entstehen, daß die Furchen an ihrer natürlichen Ent¬ 
wicklung verhindert werden. (Äußere Einflüsse: Blutgefäße? 
Knochendruck?) 

Aus einer näheren Betrachtung dieser Tabelle würden sich 
Schlüsse ergeben, die sich mit den bei den Katzen angeführten 
decken. (Komplizierte und einfache Familien, selten Übereinstimmung 
beider Hemisphären, keine großen Unterschiede in der Verteilung 
der Varietäten auf beide Geschlechter, manchmal auftretende 
familiäre Ähnlichkeit der Furcheugestaltuug usw., Näheres siehe 
bei Katzen S. 390.) 


Einige Resultate meiner Untersuchungen seien hier noch 
einmal zusammenfasseud besprochen. 

Bei vergleichend anatomischen Hirngewichtsuntersuchungeu 
(die Bestimmungen des relativen Gehirngewichtes und des Cephali- 
sationsfaktors nach Suell-Dubois) 2 ) beachtet man, meiner Mei¬ 
nung nach, zu wenig die UnVerläßlichkeit, welche uns die Körper¬ 
gewichtszahlen darbieten. Nehmen wir z. B. die Zahlen, welche von 

! ) K ä r pl u s 1. c. 

2 ) Wa rucke, Zur Frage des Hirngewielits bei den Vögeln, 
dourn. f. Psyeh. u. Xeurol. Bd. IX, 1907. 


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Gohiriiuntersuehungen bei Katzen- und Ilumlefamilicn. 


473 


den verschiedenen Autoren für die erwachsene Katze gegeben wurden. 
In der Zusammenstellung von Warncke 1 ) finden wir die Gewichts¬ 
zahlen von 14 erwachsenen Katzen, in meinen Katzenfamilien — 
8 Katzenmütter. Das Körpergewicht dieser 22 Katzen schwankt 
zwischen 2370 g (mit Gehirngewicht von 25-8 g) und 4546 g (mit 
Gehirngewicht von 29-15 g). Schon diese zwei Zahlengrenzen 
zeigen, wie vorsichtig man mit solchen Zahlen arbeiten muß. Hier 
spielen die Rasse, das Alter und der Ernährungszustand eine 
wichtige Rolle. Besonders bei den Hunden spielt die Rasse eine 
wichtige Rolle, was schon von vielen Autoren (Rü ding er 2 ), 
Warncke 1 ) u. a.) hervorgehoben wurde. 

Dazu kommen noch angeborene individuelle Unterschiede im 
Körpergewicht zwischen Föten desselben Stadiums der Trächtigkeit 
bei multiparen Tieren, Unterschiede, welche wahrscheinlich auch 
für die weitere extrauterine Entwicklung von Einfluß sind. (K r e i d 1 
und Neumann vermuten, daß diese Unterschiede von der 
verschiedenen Gefäßverteilung im Uterus und damit verschieden 
günstigen Ernährungsbediugungen der einzelnen Embryonen ab¬ 
hängig sind 3 ).) 

Auch die Körpergewichtszahlen meiner Katzen- und Hunde¬ 
familien zeigen überall große Unterschiede zwischen den gleich¬ 
altrigen Mitgliedern einzelner Familieu, diese Unterschiede 
aber sind von dem Geschlecht der Tiere unabhängig. 

Meine Untersuchungen zeigen weiter die Gehirngewichts- 
veräuderungen vom fötalen Leben bis zur Reife (der Katzen und 
Hunde) und das Verhältnis dieser Veränderungen zu den Körper¬ 
gewichtsunterschieden. Hier muß hervorgehoben werden, daß gewisse 
Unterschiede in der Entwicklung der Hirnmasse zwischen Katzen 
und Hunden bestehen: mit 3 Monaten erreichen die jungen Katzen 
schon die untere Grenze der Gehirngewichte der erwachsenen Katzen, 
während die Hunde mit 4 Monaten noch ziemlich weit von dem 
Gehirngewicht der erwachsenen Hündinnen entfernt bleiben. 

Warncke, Mitteilung neuer Gehirn- und Körpergcwiclits- 
beatimmungen bei Säugern, nebst Zusammenstellung der gesamten bisher 
beobachteten usw. Journ. f. Psych. u. Neurol. Bd. XIII, 1908. — 

2 ) Rüdinger, Über die Hirne verschiedener Hunderassen. 
Sitzungsber. d. Kgl. bayr. Akad. der Wissenschaften zu München. 1894. 

8 ) Kreidl undNcumann, Über eine gesetzmäßige Abhängigkeit 
der Größeverhältnisse der Föten vom Orte der Anheftung im Uterus 
bei multiparen Tieren. Sitzungsbericht der Kgl. Akad. der Wissenschaften 
in Wien. Bd. CXX, Abt. III, März 1911. 


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474 


Dr. Juljusz Morawski. 


Auch bei den Gehirngewichtszahlen finden wir Unterschiede 
zwischen den Mitgliedern einzelner Familien; auch hier aber finden 
wir keinen Zusammenhang zwischen den Gehirn¬ 
gewichtsunterschieden bei den Tieren vondemselben 
Wurf und Geschlechtsunterschieden. 

Es schien mir weiter von einem gewissen Interesse zu sein, das 
spezifische Gewicht des Gehirns bei verschiedenem Alter der Tiere 
zu bestimmen: Man kann vermuten, daß mit der Entwicklung der 
physico-chemischen Gehirnuntersuchungen auch diese, in letzterer 
Zeit wenig beachtete Untersuchungsmethode verwertet werden wird. 
In der Literatur aber finden wir ziemlich viele Daten über das 
spezifische Gewicht des Gehirnes der Menschen (Jensen 1 * ), 
Baistrocchi 3 ), Ducamp 8 ), Gompertz 4 ), Ziehen 5 ), Ober¬ 
ste in er 6 * ) u. a.) und sehr wenig vom Tiermaterial: Aus meinen 
Untersuchungen geht hervor, daß regelmäßig das spezifische Gehirn¬ 
gewicht ganz jung getöteter Tiere geringer ist als das ihrer älter 
gewordenen Geschwister und der Mutter (brauchbar ist nur frisch 
untersuchtes Material. Einzelheiten, siehe Zusammenfassungen der 
Katzeu und Hunde.) 

Den wichtigeren Teil meiner Arbeit bilden die Furchen- 
untersuchuugeu bei den jüngeren und erwachsenen Tieren. Wie in 
der Einleitung gesagt wurde, beschäftigten mich hauptsächlich 
zwei Fragen: die Furchenentwickluug und Furchenvariabilität. 
Dabei bin ich zu folgenden Schlüssen gekommen (Näheres siehe 
die Zusammenstellungen der Resultate bei den Katzen, S. 379 
und den Hunden, S. 467): 

1. Die Furchenentwickluug schreitet von vorne nach hinten, 
vielleicht bei den Hunden etwas langsamer als bei den 
Katzen, vor. 

2 . Es bestehen deutliche Unterschiede in der Furcheneutwick- 

l ) Jenson, Arciiiv f. Psych. XIX, 1. 

■') Baistrocchi, Riv. spcrim. di freniatria e di med. leg. 1884. 
X, p. 193. 

3 ) Ducamp, Recherches sur Ie poids specifiquc de l’encephalc 
pans los maladies. Revue de Medec. 1891. Novembre p. 916. 

l ) Gompertz, Specific gravity of the brain. Journ. of Physiol. 
XXVII, p. 454. 

°) Ziehen, Zentralnervensystem ("in Bardelebens: Handbuch 
der Anatomie des Menschen). Jena 1899. 

6 ) Obersteincr, Einleitung beim Studium des Baues der nervösen 

Zentralorgane. Fünfte Auflage. Wien, Deuticke 1912. 


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Gehirnuutci'suchungen bei Katzen- und Hundefamilien. 475 

lung einzelner Mitglieder einer Familie, diese Unterschiede 
aber sind von dem Geschlecht der Tiere unabhängig. 

3. Schon auf den frühesten Entwicklungsstufen finden wir 
bei den Katzen und Hunden ausgesprochene Furchenvarietäten. 

Noch mehr Furchenvarietäten finden wir aber bei den 
erwachsenen Tieren. Über diese Furchenvariabilität kann ich folgendes 
sagen: 

1. Bei einigen Familien ist diese Variabilität mehr aus¬ 
gesprochen als bei anderen. 

2. Es läßt sich nach meinem Material keine auffallende Über¬ 
einstimmung beider Hemisphären in Bezug auf die Furchenvaria¬ 
bilität nachweisen. 

3. Es bestehen keine Unterschiede in dem Vorkommen dieser 
Variabilität bei beiden Geschlechtern. 

4. Manchmal findet sich eine mehr oder weniger aus¬ 
gesprochene Ähnlichkeit der Gehirnfurchen unter den Jungen einer 
Familie (bei gleichgeschlechtlichen nicht öfter als bei verschieden¬ 
geschlechtlichen); seltener besteht eine solche Ähnlichkeit zwischen 
der Mutter und den Jungen. 

5. Die manchmal vorhandene familiäre Übereinstimmung der 
Gehirnfurchen kommt bei den äußerlich ähnlichen Tieren nicht 
öfter als bei den unähnlichen vor. 


Es bleibt mir nur übrig, meine Resultate mit den am Menschen 
gewonnenen, zu vergleichen: 

Die beim Menschen von verschiedenen Autoren gefundenen 
Unterschiede zwischen den zwei Geschlechtern im Körper- und 
Gehirngewicht habe ich bei den Katzen und Hunden nicht nach¬ 
weisen können: Nach Untersuchungen von Mies 1 ) und anderen 
Autoren bestehen diese Unterschiede schon bei neugeborenen Men¬ 
schen (Unterschied zu Gunsten des männlichen Geschlechtes 10 g 
Gehirnsubstanz) und ziehen sich, größer werdend, durch das ganze 
kindliche und Jugendalter hindurch, bis sie das endgültige Maß 
(für die Gehirnsubstanz 127 g) erreichen; bei den Tieren dagegen 
sind diese Unterschiede von dem fötalen Leben bis zur Zeit von 
3 Monaten (so weit reicht mein Material) nicht zu finden. 


') Mies, Korrespondenzblatt der deutschen anthropologischen 
Gesellschaft. 1894. 


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Dr. Juljusz Morawski. 


47 ß 


Beim Menschen wird von manchen Autoren (Minga zzini 1 ), 
Kü ding er-), Waldeyer 3 ) u. a.) hervorgehoben, daß die Furchen¬ 
entwicklung bei der männlichen Frucht früher einsetzt und rascher 
fortschreitet als bei der weiblichen. Bei Katzen und Hunden ist 
das nicht der Fall. Das könnte vielleicht zu Gunsten der 
Waldeyersehen Meinung sprechen: „Vielleicht haben die 
Entwicklungskräfte bei den männlichen Föten mit einer größeren 
Masse zu tun, denn es kann doch nicht geleugnet werden, daß 
für die Gliederung einer größeren Masse in derselben Hauptzeit 
andere Formen in die Entwicklung treten können, als für die 
Bewältigung einer kleineren Masse demselben Ziele zu. u An 
meinem Material fallen die Gewichtsunterschiede zwischen Männ¬ 
chen und Weibchen weg. Die Geschlechtsunterschiede aber 
haben hier auf die Furchenentwicklung keinen Einfluß. 

Verschiedene Autoren (Rüdinger-), Retzius 4 ;, Min- 
gazzini 5 ), Mall 6 ) u. a.) haben gefunden, daß das Weibergehirn 
mehr dem Haupttypus entspricht, einfacher und regelmäßiger 
gebaut ist. Bei den Katzen und Hunden ist dieser Unterschied 
auch nicht nachweisbar. 

Hingegen läßt sich die Frage nach der Vererbung der Hirn- 
furchen (Karplus 7 ), Bo 1 k s )j bei Katzen und Hunden auf Grund 

l ) Minga zzini. Nota sopra t re cervelli di feti trigemini umani. 
Bulletino delhi R. Academia Mcdica di Roma Anno XIII, 1880—1887. 

-) Rüdinger, Vorläufige Mitteilungen über die Unterschiede der 
Großhirnwindungen nacli dem Geschlecht beim Fötus und Neu¬ 
geborenen usw. Beiträge zur Anthropologie und Urgeschichte Bayern. 
Bd. I, 1877. 

Rüdinger, Über die Hirne von Zwillingen. Verhandlung, der 
nnatom. Gesellschaft in Straßburg 13 — 1G/V, 1894. 

3 ) \V a 1 d e y e r, Über Gehirne menschlicher Zwillings- und Drillings¬ 
föten verschiedenen Geschlechtes. Sitzungsbericht der Kgl. preußischen 
Akad. der Wissenschaften. 1907. VI. 

v \ Retzius, Das Menschenhirn. Stockholm 1890. 

°j Minga zzini, Lezzioni di anatomia clinica dei centri nervosi. 
Turino 1905. 

* ; ) Mall, On several anatomieal characters of the hmnain brain etc. 
American Journal of Anatomy, Vol. IX, Nr. 1, 1909. 

7 ) Karplus. Uber Familienähnlichkeiten an den Großhirnfurchen 
des Menschen. Arb. a. d. ncurolog. Institut a. d. Wiener Universität. 
XII, 1905. — Zur Kenntnis der Variabilität und Vererbung am Zentral¬ 
nervensystem des Menschen und einiger Säugetiere. Wien, Deuticke 1907. 

8 ) Bolk L., Die Furchen au den Großhirnen eines Thorakopageu. 
Folia neuro-biologica, Band IV, 1910. 


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Gchirnunterauchnngen bei Katzen- und Hundefamilicn. 


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der von mir mitgeteilten Befunde nicht mit Sicherheit be¬ 
antworten. Allerdings wiederholen sich bei einzelnen Familien 
(z. B. Hundefamilie IX) öfter dieselben Varietäten, doch fehlt bei 
anderen Familien ein gehäuftes Vorkommen derselben Varietät. 
(Ein Blick auf die Tabelle der Furchenvarietäten bei der Katze — 
S. 384—387 — zeigt, daß man auch bei nichtfamiliärem Material 
hintereinander auf eine Reihe von Tieren stoßen kann, bei denen 
sich einige Varietäten wiederholen, siehe Nr. 10—16.) 

Herrn Professor Dr. J. P. Kar plus möchte ich auch hier 
für die Anregung zu den vorstehenden Untersuchungen und für 
die liebenswürdige Unterstützung mit Rat und Tat bei Entstehung 
dieser Arbeit meinen aufrichtigsten Dank aussprecheu. 


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Referate. 


Albert Moll : H a n d b u e h der S e x u a 1 w i s s o n s c h a f t e n. 

Leipzig, F. C. W. Vogel 1912. 

Es ist eiu ebeuso verdienstvolles als gelungenes Uuteniebmen 
des Herausgebers gewesen, die heterogenen Zweige der Sexual¬ 
wissenschaften in einem umfassenden und gleichzeitig handlichen 
Werke zu vereinigen, einem Werke, welches den Beweis erbringt, daß 
auch diese Dinge streng wissenschaftlich bearbeitet werden können. 
Dafür bürgen übrigens die bewährten Namen der Mitarbeiter, 
von denen K. Weißenberg das biologisch morphologische, Zieler 
die Geschlechtskrankheiten, ßuschan das Sexuelle in der Völker¬ 
kunde. Sevor llibbing sexuelle Ethik und Pädagogik bearbeiteten, 
während sich in die andern Kapitel (Geschlechtstriebe, soziale 
Beziehungen, Beziehungen zu Kunst und Kultur, Funktionsstörungen, 
Hygiene j Havelock Ellis und der gelehrte Herausgeber Moll 
teilen. Man kennt die geistreiche Art von Ellis, der, ein überaus 
feiner Beobachter und glänzender Darsteller, vielen Fragen näher 
getreten ist, deren Kenntnis auch dem Arzt eignen sollte, und 
man weiß, daß Moll zu den wenigen gehört, die wirklich Sexual¬ 
wissenschaft und nicht Pornographie treiben. So wird der Neurologe 
in den der Psychopathia sexualis gewidmeten Kapiteln mannigfache 
Aufklärungen finden, so die Ablehnung der Häufigkeit der Frigidität 
bei Frauen, die oft mißverständlich aufgefaßt wird, die autoerotischen 
Äußerungen des Geschlechtstriebes, jene spontanen sexuellen Er¬ 
regungen, die ohne äußeren Beiz anderer Personen, sei es direkt 
oder indirekt, entstehen. Das erotische Tag- oder Nachtträumen, 
welch letzteres besonders bei Frauen ins Xachbewußtseiu über¬ 
geht und das Leben wesentlich beeinflussen kann, der Narzißmus. 
die Selbstbewuuderung, die hauptsächlich bei Geisteskranken sich 
findet, schließlich die Masturbation. Bezüglich letzterer wird der 
Standpunkt vertreten, «laß sie wohl nicht imstande ist, organische 
Nervenkrankheiten oder Geisteskrankheiten zu erzeugen, aber doch 
insbesondere bei Degenerierten Schädigungen funktioneller Natur 
herbeizuführen, wie Kopfschmerz, nouralgit'orme Schmerzen, ueur- 
a-dheuische Beschwerden. Überall findet man ein äußerst vernünftiges, 
kritisches Vorgehen, mag es die symptomatischen oder therapeutischen 


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Referate. 


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Auseinandersetzungen betreffen; das gilt insbesondere auch für die 
sexuellen Perversionen, deren Studium für das Verständnis mancher 
Äußerungen der Neurosen äußerst wertvoll erscheint. 

In allem kann man das vorliegende Werk zum Studium 
wärmstens empfehlen, da es unter voller Wahrung der Wissen¬ 
schaftlichkeit und Heranziehung modernster Forschungen auf kurze 
und übersichtliche Weise orientiert. 

Wilhelm stekel. Nervöse Angstzustände und ihre Be¬ 
handlung. II. Auflage. Urban und Schwarzenberg 1912. 

Schon die Art, wie Freud die Verantwortung für dieses Buch 
übernimmt, ist wunderlich. Sein direkter Einfluß auf das Buch ist 
ein so geringer, daß er sich nur auf die Bezeichnung Angsthysterie 
bezieht. Ein echtes deutsches Buch müßte eigentlich mit einer 
Definition beginnen, so leitet der Autor sein Werk ein, und mokiert 
sich über die gebräuchliche Art der Lehrbücher. Aber nachdem er 
sich einige Bekenntnisse von der Seele geschrieben, wie „ein guter 
Arzt muß ein guter Psychologe sein“, wagt er sich doch an eine 
Definition, freilich erst auf der dritten Seite. „Angst ist die neu¬ 
rotische Schwester der Furcht“, sie ist „die Iteaktion gegen das 
Vordrängen des Todestriebes, entstanden durch die Unterdrückung 
des Gesehlechtstriebes“, sie ist in letzter Linie immer Todesangst. 
Ich vermag mich nicht in die eigenartige Geistesrichtuug des 
Autors zu versetzen, insbesondere nicht in seine Psychologie. Und 
da ich fürchte, daß es anderen Lesern auch so gehen dürfte, wäre 
ein systematischeres Vorgehen des Autors entschieden mehr am Platze 
gewesen. Statt dessen erhalten wir zahllose Berichte wunderbarer 
Heilungen. Ein Bankkassier wird von seiner Platzangst geheilt, 
indem er seine Stelle aufzugeben veranlaßt wird — der verdrängte 
Gedanke war, viel Geld zusammenzuraffen, um seinen armen Eltern, 
respektive mehr der Mutter (da seine gesamte Sexualität von 
Jugend auf bei der Mutter verankert war) zu helfen; er war die 
Ursache der Neurose. Seine Aufklärung durch Analyse, so müßte 
man erwarten, sollte doch Heilung herbeiführen; statt dessen muß 
der Kassier seine Stelle aufgeben, um Heilung zu finden. Solcher 
Beispiele von Inkonsequenz gibt es viele. 

Neben der Angstneurose besteht die Angsthysterie, eine 
Kombination von hysterischen Symptomen und Angst. Daneben 
findet sich die Konversionshysterie, bei welcher mehr die somatischen 
Erscheinungen der Hysterie hervortreten. Wieder ist das gewählte 
Beispiel eines Angina pektoris ähnlichen Zustandes mit Tachykardie 
bei einem schweren Nikotiuisten absolut nicht überzeugend, zumal 
der Kranke in Ausübung seines Berufes eine Lumperei begangen, 
vor dev er nun berechtigte Angst hat. Wozu hier noch sexuelle 
Kindheitseindrücke, Coitus interruptus, Konflikte der Ethik herau- 
zuziehen nötig sind, wird man schwer einsehen. 


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Referate. 


Es ist unendlich schwierig, bei der Art der Darstellung, die Be¬ 
hauptungen als Tatsachen anführt, einseitige Subjektivität strengstens 
wahrt, jedem, der anderer Meinung ist, Unfähigkeit oder Unkenntnis 
vorwirft, objektiv zu bleiben. Aber selbst w r enn man über die 
vielen seichten Sexualassoziationen in den Analysen hinweggeht, 
findet man nicht leicht ein modernes Buch, das kritikloser und 
unter ständigem Vordrängen der eigenen Persönlichkeit ungeord¬ 
neter ist als das vorliegende. Es ist ein Exempel der Paralogik, 
um einen neuen Parabegriff zu Stekels Parapathie und Paralogie 
(Neurosen und Psychosen) hinzuzufügen. Und mau wird begreiflich 
finden, daß, wenn man auf diesem Wege die Lehren Freuds zur 
Kenntnis nimmt, man diese nicht weiter beachten wird. 

Kronfeld Arthur : Ü b e r d i e psychologischen Theorien 
Freuds und verwandte Anschauungen. Sammlung 
von Abhandlungen zur psycholog. Pädagogik. III. Bd., 1. Heft. 
Leipzig, Engelmann 1912. 

Für Kronfeld existieren als ernst zu nehmende Vertreter der 
genannten Lehren nur Breuer, Freud, Bleuler und Jung — 
alles andere ist Industriewerk. Die Bedeutung der Lehren liegt 
darin, daß durch sie zum ersten Male versucht wird, jeden einzelnen 
individuell psychischen Ablauf durch Aufzeigung seiner Voraus¬ 
setzungen nach möglichst seinem ganzen Gehalt kausal zu be¬ 
stimmen. Darin liegt Freuds Verdienst, daß er die Individual¬ 
psychologie begründet, „durch kühne kombinatorische Intuition“ sich 
in das innere Leben seiner Kranken versenkt und so ein „Beispiel 
ärztlicher Meisterschaft“ wird. 

Trotzdem aber zeigt Kronfeld die Schwächen der Lehre auf, 
die er im Auszug in einer geradezu klassischen Weise darstellt, 
trotzdem bisher gerade das Psychologische der Lehren — denn nur 
von dem ist die Bede — nirgends zusammengefaßt erscheint. Er 
zeigt die Ungenauigkeit der Vorstellungen über Assoziation und 
Denken auf, desgleichen die Unklarheiten betreffs Tönung und 
Energie der Affekte, zeigt, daß seine Begründungen vielfach Voraus¬ 
setzungen sind, „unter denen er seine Erfahrungen erst konzipiert 
hat,“ daß vieles, was lediglich Behauptung ist, schließlich als Tat¬ 
sache angeführt erscheint. „Daß mau mit bloßem Immerweiter- 
assoziieren alles Beliebige schließlich verbinden kann, darau ist keiu 
Zweifel.“ Im Wesen der Assoziationen aber liegt keine Gewähr, daß 
die so gewonnenen Verbindungen ätiologisch irgendwie belangvoll 
sind. Die Bleulersehe Komplexlehre erkennt der Autor au. 

Hier ist ein ablehnender Standpunkt zum ersten Male ohne 
Affekt, lediglich auf Grund philosophisch-psychologischer Studien und 
Erwägungen gewonnen worden. Die ebenso ernste als meisterhaft 
durchgeführte Schrift wird mehr zur Klarstellung der Freudscheu 
Lehren beitragen, als die Machwerke ihrer präponderauteu Clique. 


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Referate. 


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E. Villiger: Sprachentwicklung und Sprachstörung 
beim Kinde. Leipzig, Gngelmann 1911. 

Eiu für Lehrer bestimmter orientierender Vortrag, in dem die 
heute geltenden Anschauungen der Sprachentwicklung zusammen¬ 
gefaßt werden, während die Lehren von der Aphasie in einer zum 
Teil schon verlassenen Form dargestellt erscheinen. Besser werden 
die kindlichen Sprachstörungen des Stotterns und Stammelns, der 
Hör- und Taubstummheit ausgeführt, da ihnen ja ein breiterer 
Baum besonders in der Schule zukommt. 

A. Oh&tel&in: Hygiene des Nervensystems. Deutsch von 
Prof. Dr. A. Mühlau F. C. W. Vogel, Leipzig 1912. 

Ein aus dem Leben heraus geschriebenes Buch, dessen weiteste 
Verbreitung man wärmstens empfehlen kann, und das man ohne 
Sorge jedem Neurastheniker wird in die Hände geben können. Es 
predigt das Festhalten der mittleren Linie im Leben, besonders 
in den modernen Betätigungen des Sports, zeigt die Schäden des 
sozialen Lebens auf, geißelt die Torheiten der Mode, und ist allent¬ 
halben von einem gesunden Konservativismus. Sein leitender Satz 
scheint: Man wird den wirklich freien Menschen an jenem untrüg¬ 
lichen Zeichen erkennen, daß er nötigenfalls auch allein seiner 
Meinung zu sein versteht. In seinen Ausführungen braucht Chatelain 
das nicht zu fürchten. Hier wird ihm jeder Vernünftige recht geben, 
insbesondere der Nervenarzt, dessen Wirken dieses kleine Werk- 
chen wohl zu unterstützen imstande sein wird. 

Dr. med. Otto Dornbläth: Die Schlaflosigkeit und ihre 
Behandlung. Leipzig, Veit & Comp. 1912. 

Auch diese Schrift — sie behandelt nur die neurasthenische 
Schlaflosigkeit — wird man mehr zu den populären rechnen müssen, 
da sie nicht über den Rahmen des jedem Arzt Geläufigen hinaus¬ 
geht. Es sei denn, daß man die Aufzählung einiger Schlafmittel 
hieherrechnet, unter denen Sulfonal und Trional noch eine Rolle 
spielen, obwohl diese zumeist schon gleich dem Chloral ver¬ 
lassen sind. Man findet viel aus einer scheinbar großen Erfahrung 
geschöpfte Behauptungen, ohne deren Begründung, die allein den 
denkenden Arzt interessieren würde und ihn bewegen könnte, ein 
gleiches zu tun. 

Dr. Hans Lähr: Die Anstalten für psychisch Kranke in 
Deutschland, Österreich, der Schweiz und den 
baltischen Ländern. VH. Auflage. Berlin, Reimer 1912. 
Die Neuaufnahme von mehr als 100 Anstalten, hauptsächlich 
österreichischen (Galizien, Bukowina, Dalmatien), wird diesem Buch 

Jahrbücher für Psychiatric. XXXIII. B«l. 31 


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Referate. 


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seine verdiente Verbreitung erhalten und erweitern. Interessant 
sind _ auch die anhangsweise mitgeteilten Anstellungsverhältnisse 
der Ärzte in den Heil- und Pflegeanstalten. 

Leopold Laqner: Die Heilbarkeit nervöser Unfalls¬ 
folgen. Dauernde Rente oder einmalige Kapitals¬ 
abfindung. Sammlung zwangloser Abhandlungen aus dem 
Gebiete der Nerven- und Geisteskrankheiten IX, 5—7. Halle, 
Marhold 1912. 

Es ist ein äußerst verdienstvolles Unternehmen des Autors 
gewesen, an 27 Katamnesen die endliche Heilbarkeit oder zumindest 
wesentliche Besserungsfähigkeit sei bst schwerer traumatischer Neurosen 
gezeigt zu haben. Unter Berücksichtigung aller entsprechenden Ver¬ 
hältnisse ist er für einmalige Kapitalsabfindung, da die Dauerrente 
ähnlich wie die hinziehende Behandlung in Sanatorien und Kliniken 
die Heilung verhindert, während die größere oder geringere Abfin¬ 
dung in rascher und ausgiebiger Weise über die Unfallsfolgen hin¬ 
weghilft. Er spricht sich bei zweifelhaften Fällen für mehrjährige 
nicht zu kleine Teilrenten aus und plädiert schließlich für ein ent¬ 
scheidendes mehrgliedriges ärztliches Schiedsgericht, dem mindestens 
einer der behandelnden Ärzte des Verletzten augehören müßte. 
Eine Übersicht der verschiedenen heute geltenden Anschauungen über 
die traumatischen Neurosen leitet die lesenswerte Schrift ein. 


S. Erben: Diagnose der Simulation nervöser Symptome. 

Wien, Urban und Schwarzenberg 1912. 

Die zunehmende Menge der Unfallskranken, die doch in erster 
Linie die Reihen der praktischen Ärzte passieren, macht es äußerst 
notwendig, die letzteren mit der Diagnostik simulierter Symptome 
vertraut zu machen. Der Autor entwirft zunächst ein allgemeines 
Bild der Neurose, bespricht dann die einzelnen Erscheinungen, 
sensible, sensorische, motorische, wobei er die differentielle Diagnose 
gegenüber den organischen Affektionen der gleichen Art anführt. 
So erscheint insbesonders gründlich die Differentialdiagnose des 
Kreuz- und Rückenschmerzes behandelt, wo hauptsächlich den 
Stellungsanomalien der Wirbelsäule Bedeutung beigemessen wird. 
Auch die Entlarvung simulierter Symptome ist ausführlich dar¬ 
gestellt, wobei Erben seine eigene große Erfahrung sehr zustatten 
kam. Ausdrücke wie Apraxia nervosa, Apraxia algera (statt Adyna- 
mia und Akinesia algera) sind besser zu vermeiden, da sie für 
andere Dinge vergeben sind. Jedenfalls wird das Buch, aus dem 
auch der erfahrene Neurologe schöpfen kann, seinen Zweck erfüllen 
und dem praktischen Arzte die Vermeidung von Irrtümern er¬ 
möglichen. 


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Referate. 


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v. Frankl-Hochwart : Die nervösen Erkrankungen der 
Tabakraucher. Wien—Leipzig, Alfred Holder 1912. 

Es war ein guter Gedanke des Autors gewesen, sein um¬ 
fassendes Referat über den im Titel genannten Gegenstand, mono¬ 
graphisch auszugestalten. 

Die Fälle der verschiedenen Krankheitsbilder, die nicht nur 
funktioneller Natur (Kopfschmerz, Schwindel, Schlafstörungen), 
sondern auch organischer sind und hier die Nerven ebenso treffen 
können wie die Zentren, ja selbst die Meningen, werden in der 
vom Autor bekannten klaren, übersichtlichen Weise geschildert und 
durch reiche eigene Erfahrungen illustriert. Von großer Bedeutung 
erscheint die Tatsache, daß Nikotin bei degenerativer Veranlagung 
oder bei Lues oft schwere Folgen zeitigt, oder Veranlassung be¬ 
trächtlicher Verschlimmerungen metaluetischer Leiden ist. Sicher 
bringt die Rauchnoxe ähnliche Nervenschädigungen hervor wie das 
Luesgift. Die vom Autor empfohlenen prophylaktischen Maßnahmen 
tragen diesem Satze Rechnung und wenden sich auch gegen das 
konstante Rauchen im frühen Jünglingsalter, b$i zarten Frauen 
oder Willensschwächen, die leicht zu Exzessen neigen. Das Werk 
wird geeignet sein, _ viele falsche Auffassungen, die bezüglich des 
Rauchens auch bei Ärzten herrschen, zu beseitigen. 

Boruttau-Mann : Handbuch der gesamten medizi¬ 
nischen Anwendungen der Elektrizität. H. Bd., 
2. Hälfte. Leipzig, Klinkhardt 1911. 

Die Elektrotherapie, von den einen überschwenglich bewertet, 
von den anderen als Quantitö negligeable bezeichnet, findet hier 
eine auf ernster wissenschaftlicher Forschung basierende, umfassende 
und kritische Darstellung. Wertheim Salomonson bespricht 
im allgemeinen Teil die Grundlagen der Therapie. Er zeigt, daß 
eine Wärmewirkung nur durch Hochfrequenzströme erzielt werden 
kann, daß Konzentrationsänderungen und kataphorische Wirkungen 
kaum auftreten, dagegen interpolare Änderungen der chemischen 
Konstitution, die zwar bei den gebräuchlichen Strommengen gering, 
immerhin als Heilfaktor in Frage kommen (Ionenverschiebung). Auch 
die Ionotherapie (perkutane Einführung exogener Ionen) ist wirk¬ 
sam. Die Reizwirkung der Elektrizität wird als Wirkung semiper¬ 
meabler Membrauen im Körper auf den Stromdurchgang aufgefaßt. 
Auch was im allgemeinen über die Dauer, Art und Wirkungsweise 
der verschiedenen Stromesqualitäten gesagt wird, muß man gut¬ 
heißen. 

Im speziellen Abschnitt werden die Ausführungen Mendel¬ 
sohns über die Behandlung der Muskelaffektionen, besonders aber 
jene Manns über die Behandlung der Nervenkrankheiten in¬ 
teressieren. Man wird die energische Zurückweisung elektrischer Be- 

31* 


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Referate. 


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handlung frischer, mit Zerfall einhergehender Muskelaffektionea 
seitens des ersteren als Beweis ansehen können, daß auch begeisterte 
Elektrotherapeuten nicht kritiklos den Wert der Heilmethode über¬ 
schätzen. In den Ausführungen Manns wird auch der erfahrene 
Neurologe viele Anregungen finden, wenigstens versuchsweise die 
Elektrizität dort in Anwendung zu ziehen, wo andere Mittel ver¬ 
sagen oder jede Therapie aussichtslos ist; so z. B. die Behandlung der 
tabischen Optikusatrophie mit galvanischen Strömen bis 10 M. A. — 
oder die des Basedow mit solchen bis 30 M. A. durch V» Stunde 
(Elektroden über der Struma und am Nacken). Hier wird insbesondere 
die jeweilige Begründung der Therapie interessieren, deren Wert 
nicht nur in den eingangs genannten Momenten gelegen ist, sondern 
die auch suggestiv vieles leistet. Letzteres wird selbstverständlich 
überall, wo es in Frage kommt, betont. Abschnitte über Hoch¬ 
frequenzströme und Franklinisation ergänzen die genannten Aus¬ 
führungen. Jedenfalls hat man hier endlich ein Werk vor sich, wo 
die Bedeutung der Elektrotherapie ohne Überschwang wohl in ihrem 
vollen Ausmaß, aber mit aller Kritik dargestellt ist. 

Otto Marburg. 

Wilhelm Specht: Zeitschrift für Pathopsychologie. 

Leipzig, Wilhelm Engelmann, 1911. 

Das erste Heft einer neuen Zeitschrift. Ihr Programm ent¬ 
wickelt der Herausgeber sowohl im Vorwort wie in der Einführung: 
Über den Wert der pathologischen Methode in der Psychologie und 
die Notwendigkeit der Fundierung der Psychiatrie auf einer Patho¬ 
psychologie. Specht wendet sich an Psychologen sowohl als au 
Psychiater; die Pathologie des Seelenlebens soll nutzbar gemacht 
werden für die psychologische Erkenntnis, das Verständnis psychi¬ 
scher Krankheiten und die Psychotherapie gefördert werden durch 
Einsicht in den psychischen Mechanismus der Störungen. Verfasser 
zeigt, welche Vorzüge die pathologische Methode z. B. vor der 
experimentellen voraus hat. Die Psychiater will er ermutigen, mit 
dem alten Dogma zu brechen, daß psychische Krankheiten in jedem 
Falle Hirnkrankheiten seien, die letzten Ursachen psychischer 
Krankheiten im Seelenleben selbst zu suchen und auf psychologi¬ 
scher Erkenntnis ihre Therapie zu gründen. Sollte irgend ein Psy¬ 
chiater Specht da die Gefolgschaft verweigern? 

Es folgen 3 Abhandlungen, als erste: Hugo Müusterberg- 
Bostou, Psychologie und Pathologie. Der Autor beklagt den philo¬ 
sophischen Orientierungsmangel bei den von der Medizin herkom¬ 
menden Psychopathologen. Während aber in Chemie oder Physik 
die erkeuntnistheoretischen Voraussetzungen durch die historische 
Entwicklung eine gewisse Geschlossenheit erhalten haben, so daß 
der einzelne Forscher sie stillschweigend anerkennt, auch wenn er 


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ihren philosophischen Ursprung übersieht, so handle es sich in der 
Psychologie um sehr viel kompliziertere Abstraktionen. Das Seelische 
könne nicht nur, wie die Psychologie das wolle, als Objekt, sondern 
gleichzeitig, wie die Kulturwissenschaften es wollen, als Sinnes¬ 
ausdruck und als Tat ergriffen werden. 

A. Pick-Prag, Zur Lehre von den Störungen des Realitäts¬ 
urteils bezüglich der Außenwelt; zugleich ein Beitrag zur Lehre 
vom Selbstbewußtsein. Pick knüpft an die höchst merkwürdigen 
Berichte eines Falles von traumatischer Hysterie. Hier würden von 
Haus aus sehr lebhafte Erinnerungsbilder über die objektiven Sinnes¬ 
eindrücke so die Überhand gewinnen, daß die letzteren intermittierend 
überhaupt nicht zur Perzeption kommen, der Kranke zwischen durch 
überhaupt nur halluzinierte. Ob alle diese Produkte eines Hysterikers 
ein genügend tragfähiger Boden sind für die Fundierung von Thesen, 
wagt Referent nicht zu entscheiden. Pick ist es allerdings ge¬ 
lungen, ein Pendant zu seiner Beobachtung bei der Beschreibung 
•eines Linsenversuches Stratton zu finden; er zitiert Morton Prince, 
der berichtet, daß durch künstlich herbeigeführte Abstraktion in 
Zuständen dissoziierten Bewußtseins alte vergessene Erinnerungen 
lebhaft auftauchen und Tatsachen der Wirklichkeit nicht apperzi- 
piert werden (was wohl fließend hinüberleitet zu den physiologischen 
Zerstreutheitszuständen der eigenen Erfahrung. Ref.). — 

Pick erschließt die Existenz eines Empfindens, das der Be¬ 
ziehungen auf ein empfindendes Subjekt noch völlig entbehrt. 
Übrigens liegen Bestätigungen einer solchen dem Naturwissen¬ 
schaftler sehr plausiblen Modifikation des Selbstbewußtseins vor in 
Fällen von Erwachen aus Narkose oder Ohnmacht. 

Max S c h e 1 e r-München bringt den ersten Teil einer außer¬ 
ordentlich breit angelegten Studie über Selbsttäuschungen. Kuno 
Mittenzwey-München, Versuch zu einer Darstellung und Kritik 
der Freudschen Neurosenlehre, erwartet Förderung der Wissen¬ 
schaft nur von einer kritischen Prüfung der Grundbegriffe und be¬ 
ginnt mit einer historischen Darstellung der Freudschen Lehren. 

Als mitwirkend zeichnen bei der neuen Zeitschrift von Medi¬ 
zinern: Janet, Liepmann, A. Pick und Sommer. 


Prof. Alexander Pilcz: Lehrbuch der speziellen Psy¬ 
chiatrie für Studierende und Ärzte. 3. verbesserte 
Auflage. Leipzig & Wien, Franz Deuticke, 1912. 

Das in seinem Kreise bestens eingeführte Lehrbuch ist unver¬ 
ändert in seinem Grundplane, in den einzelnen Kapiteln ergänzt 
worden. Ganz neu hinzugekommen ist ein eigenes Kapitel über 
arteriosklerotische Geistesstörungen. Möge das Buch zu den alten 
Freunden recht viele neue erwerben. 


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Prof. G.Aschaffenburg : Handbuch der Psychiatrie. Leipzig 
& Wien, Franz Deuticke 1912. 

Von dem großangelegten Werke liegen vor: die 5. Abteilung 
des allgemeinen Teils, enthaltend Prof. 0. Bumke, Gerichtliche 
Psychiatrie, und Prof. E. Scfiultze, Das Irren recht. 

Bumke legt seiner Darstellung die deutschen, österreichischen 
und Schweizer Gesetze zu Grunde, vergleicht sie miteinander, widmet 
den Gesetzentwürfen der genannten Länder eine kritische Würdi¬ 
gung, wobei Forderungen, deren Erfüllung vom psychiatrischen 
Standpunkte angestrebt werden muß, zum Teil in bestimmter 
Formulierung, zum Teil in Gestalt allgemeiner Wünsche vorgetragen 
werden. Die Anordnung des Stoffes, der sich strenge auf die for¬ 
malen Fragen des Grenzgebietes zwischen Jus und Psychiatrie 
beschränkt, ist klar und übersichtlich. Nach den einleitenden 
Kapiteln, die Stellung des ärztlichen Sachverständigen vor Gericht, 
der Geisteskranke im Prozeßverfahren, folgen die großen Haupt¬ 
stücke, der Geisteskranke im bürgerlichen Recht, der Geisteskranke 
im Strafrecht. Als interessant sei noch die Stellungnahme de» 
Autors zu den Fragen der Unfallversicherung hervorgehoben. 

Schultze denkt nicht daran, sämtliche für die Geisteskranken 
als eine besondere Gruppe von Menschen gültigen Vorschriften zu 
einem Spezialgesetze zu vereinigen; dagegen sprechen auch grund¬ 
sätzliche Bedenken, indem die verschiedenen Rechtssysteme durch¬ 
brochen werden müßten. Der Autor hält sich vielmehr an die Praxis 
und versteht unter Irrenrecht die Regelung des Irrenwesens. Indem 
er dem rechtlichen Standpunkte eine größere Bedeutung einräumt, 
spricht er sich aus formal-juristischen Gesichtspunkten für die 
Schaffung eines Gesetzes in beschränktem Umfange aus, dessen 
oberster Grundsatz sein müsse, allen Geisteskranken möglichst rasch 
eine sachkundige und wirksame Fürsorge zu sichern. Schultze 
verzichtet auf eine Definition des Begriffes geisteskrank, fordert 
eine Zentralbehörde für das Irrenwesen unter ärztlicher Leitung, 
erörtert die wünschenswerten Punkte einer Reform der Aufnahme 
in öffentliche und private Anstalten, die Kontrolle, die Beaufsichti¬ 
gung der außerhalb der Irrenanstalten uutergebrachten Geistes¬ 
kranken. Verfasser kommt den Bedenken der prinzipiellen Gegner 
der Irrenärzte möglichst entgegen, berücksichtigt dieselben auch in 
dem reichen Literaturverzeichnisse. 

Des speziellen Teiles 3. Abteilung, 1. Hälfte eröffnet Prof. 
K. Bonhoeffer, die Psychosen im Gefolge von akuten Infektionen, 
Allgemeinerkrankungen und inneren Erkrankungen. Es liegt die 
wesentlich erweiterte Bearbeitung der bekannten Monographie des 
Verf. aus dem Jahre 1910 vor. Bonhoeffer hat namentlich den 
die Allgeraeinerkrankungen und Erkrankungen innerer Organe be¬ 
handelnden Teil bereichert, die Eklampsie eingefügt, die ganze 
Amentiafrage im Zusammenhang aufgerollt. Verf. ist bei seiner 


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Überzeugung geblieben, daß sich bestimmte psychische Reaktions¬ 
typen nachweisen lassen, die eine weitgehende Unabhängigkeit von 
der Natur der Spezialätiologie haben. Eine Trennung von Krank¬ 
heitsbildern scheint B. der Natur der Prozesse nach unmöglich; 
er konstatiert mit Befriedigung, daß Kraepelin wenigstens die 
alte Trennung von Infektions- und Erschöpfungspsychosen fallen 
gelassen hat. 

Prof. P. Schroeder, Intoxikationspsychosen, bespricht in der 
allgemeinen Einleitung die nosologische Stellung der Vergiftungs¬ 
psychosen, die Frage der Ätiologie und die Grenzen ihrer Anwend¬ 
barkeit bei Klassilikationsversuchen, die allgemeine Symptomatologie. 
Von Vergiftungen werden abgehandelt: Blei, Ergotin, Pellagra, Jodo¬ 
form, Salizylsäure, Schwefelkohlenstoff, Kohlenoxyd, Morphium, 
Opium, Haschisch, Kokain, Äther, Chloroform, Chloralhydrat, Par- 
aldehyd, Hyoszin, Tabak, worauf in über 150 Seiten der Alkoholismus 
vorgeführt wird. 

Der 3. Abteilung, 2. Hälfte, 1. Teil: Prof. E. Redlich, die 
Psychosen bei Gehirn erkrankungen. Verf. ergreift die Gelegenheit, 
anläßlich der Durchführung seines Themas den inneren Zusammen¬ 
hang von Neurologie und Psychiatrie zu demonstrieren, er warnt 
vor der Überschätzung grob anatomischer Hirnbefunde in der Psy¬ 
chiatrie. Mit seltener Literaturkenntnis und gestützt auf überreiche 
eigene Beobachtungen bespricht R. ausführlich die psychischen 
Störungen bei Hirntumoren, Abszeß, Sinusthrombose, Encephalitis, 
Huntingtonscher Chorea, tuberkulöser und eitriger Meningitis, 
Blutung, Erweichung, multipler Sklerose; anhangsweise werden auch 
Pseudosklerose, diffuse Sklerose, Syringomyelie und amyotrophische 
Lateralsklerose gestreift. 

Redlich betont, daß es nicht eine Tumorpsychose gibt, daß 
aus dem psychischen Bild keineswegs die Lokaldiagnose zu machen 
ist; er bezieht die psychischen Störungen beim Tumor in erster 
Linie auf den erhöhten Hirndruck. Den Psychiater müsse be¬ 
sonders die tuberkulöse Meningitis interessieren. Verf. erbringt den 
Beweis, daß das Studium der Psychosen bei Hirnerkrankungen 
große Bedeutung für die Erkenntnis der anderen Formen von 
Geistesstörung besitzt. 

Dr. Hans Knrella: Anthropologie und Strafrecht. Zwei 
Vorträge. Würzburg, Kurt Kabitzsch, 1912. 

Der erste Vortrag, gehalten in der Eröffnungssitzung des VII. 
internationalen Kongresses für Kriminalanthropologie zu Köln am 
9. Oktober 1911, stellt sich dar als schwungvoller Nachruf auf 
Lombroso. Der zweite Vortrag ist als Vorbericht über den Kölner 
Kongreß gedacht, würdigt kritisch die wichtigsten der dort gehaltenen 
Vorträge und Diskussionen. Mit warmen Worten spricht Ku.ella 
sich für eine Verbrechensbekämpfung auf naturwissenschaftlicher 


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Grundlage aus und freut sich der von Ferri vorgeschlagenen Re¬ 
solution des Kongresses: „Der Kongreß konstatiert, daß in den 
neuen Strafgesetzbuch-Vorentwürfen für Deutschland, Österreich 
und die Schweiz kühne und weise Versuche zu erblicken sind, die 
Schlußfolgerungen der Kriminalanthropologie und Kriminalsoziologie 
systematisch auf die soziale Abwehr des Verbrechens anzuwenden. u 

Dr. Johannes Bresler: Kurzgefaßtes Repetitorium der 
Psychiatrie. Halle a. d. S., Carl Marhold, 1912. 

Verf. leistet gewiß das Menschenmöglichste, wenn er allge¬ 
meine, spezielle und forensische Psychiatrie auf 138 Seiten Taschen¬ 
format unterbringt. Das Repetitorium wird Prüfungskandidaten will¬ 
kommen sein. 

Prof. W. Strohmayer : Psychiatrisch-genealogische 
Untersuchung der Abstammung König Ludwigs H. 
und Ottos I. von Bayern. Wiesbaden, J.F.Bergmann, 1912. 

Der Autor hält die Untersuchung genau geführter Ahnentafeln 
für eine wirksame Unterstützung der Bestrebungen, Licht in das 
geheimnisvolle Dunkel des Erbgauges zu bringen. Er legt seinen 
Betrachtungen zwei Ahnentafeln zu Grunde, eine sechs Generationen 
umfassende, der im Titel genannten bayrischen Könige und eine 
Ahnentafel des Prinzen August Wilhelm von Preußen, des Urgro߬ 
vaters der Mutter der beiden Bayernkönige. Nach Untersuchung 
möglichst aller Ahnen der Tafel verfolgt Verf. die Erbrichtung, die 
zu der Mutter der geisteskranken Könige führt und resümiert be¬ 
scheiden: daß im Erbgange unter bestimmten Voraussetzungen die 
Würfel in einer bestimmten Richtung fallen konnten. Hingegen 
lehnt S. eine Degeneration in der Wittelsbacher Familie ent¬ 
schiedenst ab. 

Dr. Rudolf Foerster : Beziehungen von Beruf und Mode 
zu Geisteskrankheiten. Stuttgart, Ferdinand Enke, 1912. 

Ein Vortrag, gehalten in der psychologischen Gesellschaft zu 
Berlin, abgedruckt in der Zeitschrift für Psychotherapie und medi¬ 
zinische Psychologie. Eine vielseitige Durchführung des Themas. 

Earl D., Bond M. D. and E. Stanley Abbot M. D. : A Com- 
parison of personal characteristics in dementia 
praecox and manie-depressive psychosis. 

In dieser im american Journal of insanity Jänner 1912 er¬ 
schienenen Arbeit resümieren die Verf. in acht ausführlichen Schlu߬ 
sätzen die Ergebnisse einer statistischen Zusammenstellung, werfen 
drei neue Fragen auf und hängen eine kleine Kasuistik an. 


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Prüderie Ly man, Wells Ph. D.: The relation of praktice 
to individual differences. 

Erschienen im american Journal of psychology Jänner 1912. 
Der Autor unterwirft fünf Männer und fünf Frauen einer Rechen- 
und einer Zahlenprobe, bringt die Resultate über die Unterschiede 
in der Übungsfähigkeit auf vier Tafeln mit Kurven in fünf Farben 
und kommentiert dieselben. 

Jahresbericht Uber die kgl. psychiatrische Klinik in München 
für 1908 und 1909. München, J. F. Lehmann, 1911. 

Neben der Chronik und dem Zahlenmateriale birgt das vor¬ 
liegende Buch einen reichen wissenschaftlichen Inhalt. In der 
Münchener Klinik wird fleißig gearbeitet, und die Agenden haben 
sich vermehrt. Das forensische Kapitel interessiert namentlich 
dahin, daß seitens der Klinik bei sämtlichen, lediglich psycho¬ 
pathisch minderwertigen oder dem Alkoholmißbrauch ergebenen 
Angeklagten die Vorbedingungen des § 51 (deutsches St. G.) ver¬ 
neint wurden. Das geschah insbesonders auch bei allen Sittlich¬ 
keitsdelinquenten, bei Homosexuellen und bei den des Vergehens der 
Unzucht mit Kindern Beschuldigten. In Bayern scheinen die 
Richter indessen sehr milde zu urteilen, denn in drei Fällen kam 
es entgegen den Gutachten zu keiner Strafe, li ü d i n, der Redakteur 
des betreffenden Kapitels, fragt besorgt, ob bei einer konsequenten 
Verallgemeinerung solchen Vorgehens das Recht der Gesellschaft 
auf Schutz gebührend berücksichtigt würde. Sehr lehrreich ist es, 
die begutachteten Fälle über den Strafvollzug hinaus in Evidenz 
zu halten. Zwei besonders interessante Psychopathen erfahren Pu¬ 
blikation in extenso. 

Auch aus dem weiteren Inhalt des Buches kann nur einzelnes 
herausgegriffen werden. Es ist bemerkenswert, daß in München 
Deliranten gegenüber berauschten und sonstigen Alkoholikern 
verhältnismäßig selten zur Beobachtung kommen. In dem großen 
Kapitel alkoholische Mischformen und chronische Alkohol- 
Halluzinosen vertritt Fils er die Anschauung, daß Delirium und 
Halluzinose wahrscheinlich verschiedene Lokalisationen eines und 
desselben Krankheitsprozesses darstellen; so erklären sich Misch¬ 
formen und Kombinationen. Die Zahl der Fälle von Dementia 
praecox sinkt, wie man hätte Voraussagen können; hingegen wächst 
zurzeit noch die Häufigkeit, mit welcher in München manisch- 
depressives Irresein diagnostiziert wird. Über Unfallskranke be¬ 
richtet Weiler; er bemerkt, daß bei den weniger schwer Ver¬ 
letzten, ohne Hirnerschütterung, die allgemeinen Klagen in Vorder¬ 
grund stehen, denen gegenüber der objektive Krankheitsbefund 
meist nur gering, in psychogenen Störungen besteht. Die Prognose 
der Münchener Unfallshysterie ist ziemlich ungünstig. Allerdings 


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handelte es sich bei den Fällen der Klinik zumeist um veraltete 
Zustände, um Leute, die schon mit vielen Gutachtern zu tun ge¬ 
habt, und bei denen die unumgänglichste Voraussetzung einer 
Besserung nicht zu geben war, die Möglichkeit, ihre Rentenbezüge 
zu kürzen. Sie hatten ihre Rente trotz Fehlens objektiver Krank¬ 
heitszeichen zugesprochen bekommen, und da die subjektiven Er¬ 
scheinungen naturgemäß sich nicht besserten, war der Nachweis 
einer Besserung überhaupt nicht zu erbringen, damit jede Möglich¬ 
keit genommen, die geschwächte Willenskraft durch Zwang zur 
Arbeit zu heben. Die Zahl der diagnostisch zweifelhaften und 
unklaren Fälle (Müller) ist erheblich gestiegen. Es schließen die 
Berichte aus dem mikroskopischen Laboratorium (Alzheimer), 
dem chemischen Laboratorium (Allers) und der Poliklinik 
(G u d d e n). 

Dr. Hermann-Merzig : Das moralische Fühlen und Be¬ 
greifen bei Imbezillen und bei kriminellen Dege¬ 
nerierten. Halle a. S., Carl Marhold, 1912. 

Als einen Beitrag zur Moral insanity-Frage, sowie zur heil- 
pädagogischen und strafrechtlichen Behandlung der Entarteten 
wüuscht Verfasser seine Arbeit aufgenommen zu sehen. Er löst in 
Teiltragen auf, untersucht an 29 Fällen der rheinischen Anstalt 
Mer zig die sittliche Veranlagung und Entwicklung bei Idiotie, 
Imbezillität, debilen und intelligenten degenerierten Verbrechern 
nach bekanntgegebenen Methoden, teilt sehr interessante Fälle mit. 
Das Moral insanity-Problem schrumpft für ihn auf jene äußerst 
seltenen Fälle zusammen, wo ohne Symptome seitens der Intelligenz 
oder der Entartung die sittliche Stumpfheit und kriminelle Akti¬ 
vität ganz ungewöhnliche Formen aufweist. Ein Unterschied de¬ 
generierter und nichtdegenerierter Verbrecher sei nicht nachweisbar. 
Unter reicher Heranziehung der Lehrmeinungen anderer Autoren 
äußert H. sich zur kriminalanthropologischen, bzw. klinischen Stel¬ 
lung der degenerierten Verbrecher; er hat wenig über heilpäda¬ 
gogische Behandlung zu sagen, formuliert, wiederum in Anlehnung 
an die Literatur, leitende Grundgedanken bezüglich Begutachtung 
der Grenzfälle. Er hält es für überaus erwünscht, die Schutz- 
detention nicht ausschließlich vom Nachweis der verminderten Zu¬ 
rechnungsfähigkeit abhängig zu machen und, von der Irrenfürsorge 
getrennt, in staatlichen Anstalten vorzunehmen. 

Dr. G. Wemer-Bedburg : Über die Fortschritte des Irren¬ 
wesens. 4. Bericht nach den Anstaltsbelichten 
erstattet. Halle a. S., Carl Marhold, 1912. 

Eine Fortsetzung der Deitersschen Berichte, die Zeit etwa 
seit 1908 und 155 Anstaltsberichte berücksichtigend. Man fiudet 


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übersichtlich geordnet, was es in der Anstaltsbehandlung der 
Geisteskranken Neues gibt. Auch über das engere Fach hinaus 
studiert man das, wenn man so sagen darf, Sammelreferat mit 
Nutzen, siehe die Hinweise auf die ganz merkwürdigen Tücken der 
Inf ek tionskrankheiten. 

Dr. Georg Bur gl: Die Hysterie und die strafrechtliche 
Verantwortlichkeit der Hysterischen. Stuttgart, 
Ferdinand Enke, 1912. 

Verfasser hat seine Monographie hauptsächlich für Juristen 
zugeschnitten. Er bringt in einem ersten Teil das theoretisch 
Wichtigste von der Lehre der Hysterie, berücksichtigt dabei die 
verschiedenen Standpunkte der Autoren gleichmäßig. In einem 
zweiten Teile wird die strafrechtliche Verantwortlichkeit der Hy¬ 
sterischen erörtert. Verfasser bemüht sich, diese Kranken um das 
Strafgericht zu bringen, was vom praktischen Standpunkte des 
langjährigen Gerichtsarztes ja begreiflich und gewiß das unmittelbar 
einfachste ist. Endlich wählt B. 20 instruktive Fälle, die er 
aktenmäßig wiedergibt, und die so ziemlich alle typischen Reate 
der kriminellen Hysteriker illustrieren. Die durchwegs gefällige 
Darstellung wird zum Erfolge des Buches wesentlich beitragen. 

Dr. Aug. Ley et Paul Menzerath: L’etude Experimentale 
de l’association des idEes dans les maladies men¬ 
tales. Gand, 1911. 

Ein Bericht vom 6. Kongreß belgischer Neurologen und Psy¬ 
chiater zu Brügge. Die Autoren bringen nach einer orientierenden 
Einführung z. T. ausführliche, z. T. sehr kurze Assoziations¬ 
protokolle über 36 verschiedenartige Patienten, 11 Fälle von 
Dementia praecox, 7 manisch-depressive, 6 Vergiftungspsychosen, 
2 Neurastheniker und Psychastheniker, 3 Hysteriker, 2 Fälle von 
traumatischer Neurose, 2 Paranoiker, 2 Paralytiker und einen 
Schlafkranken. In ihren Schlußfolgerungen, wohl etwas zu über- 
schweng.ich, verlangen Verf., daß jeder Psychiater mit den noch 
zu vereinbarenden 100 Worten seine Kranken assoziieren lasse; es 
gebe kein wertvolleres differentialdiagnostisches Hilfsmittel und 
keines, das so leicht und schnell in die Persönlichkeit einführe. 

Dr. Franz Klein, Justizminister a. D.: Die psychischen 
Quellen des Rechtsgehorsams und der Rechts¬ 
geltung. Berlin, Franz Vahlen, 1912. 

Eine geistvolle psychologische Untersuchung über die Gründe 
der Verbindlichkeit des Rechtes. In kurzen Schlagworten läßt sich 


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der Gedankengang etwa folgendermaßen skizzieren: Mag der Rechts¬ 
gehorsam auch ein soziales Phänomen sein, seine Gründe sind im 
Individuum zu suchen, auf Vorgänge im individuellen Bewußtsein 
ist Bedacht zu nehmen. Nicht ein einzelner gattungsmäßiger 
seelischer Zwang, sondern das ganze geistige Wesen des Menschen 
und alle Qualitäten der Persönlichkeit erzeugen das soziale Phä¬ 
nomen des Rechtsgehorsams. Es gibt Beweggründe, die es an 
motivierender Kraft den gesetzlichen Sanktionen gleichtun, so 
Egoismus, Klugheitsinoral oder altruistische, ethische, ideale Motive. 
Das rechtmäßige Handeln unter dem Einflüsse von Sanktionen und 
Motiven befestigt und verbreitet sich nun wie so viel anderes 
Handeln in der Gesellschaft durch Wiederholung und Nachahmung. 
Hier spielt das Gesamtleben der Gesellschaft hinein, der Rechte¬ 
gehorsam wird aus allen Stromgebieten des Zeitgeistes und allen 
Bereichen der Kultur genährt. 

Im Gewissen w'irkt sittliches Denken, mag es die ursprüng¬ 
liche Gestalt der Sitte bewahrt haben oder Religions- oder Rechte¬ 
gebot sein. Da Macht hier ausgeschlossen ist, sind Sitte, Religion 
und Recht die einzigen Formen höheren Willens, die das Individuum 
binden können. Das Gewissen wird den Menschen sehr oft das 
Rechte tun heißen, ohne daß er die Rechtssätze selbst bis ins ein¬ 
zelne kennt. Das geltende Recht stellt diejenige Modalität von 
Sittlichkeit dar, welche der Gesetzgeber für das Rechtslebeu jeweils 
nötig und möglich hält; ihm gegenüber wird das Rechtsgefühl bald 
ein gesetzwidriger Überschuß an Sittlichkeit, bald eine gesetzwidrige 
Verteilung des Sittlichen sein, und deshalb hat der Richter jedes¬ 
mal sehr genau zu prüfen, ob er das Rechtsgefühl zum Ausgangs¬ 
punkt seiner Erwägungen nehmen dürfe. Je mehr das Rechtsgefühl 
ethische Kritik ist, desto besser für die Rechtsübung. Man unter¬ 
schätzt beiweitem die Geltung des Sittlichen im Volke; freilich ist 
der sittliche Status der Gesellschaft nach Zeit und Umständen 
verschieden. Die Jurisprudenz des kleinen niederen Tagesverkehrs 
ist größtenteils sittliches Haudeln. Lücken im Gesetz werden aus¬ 
gelullt durch sittliches Empfinden, Rechtsgefühl. Insofern ist eine 
ständige Bewegung im Rechte außerhalb der Gesetzgebung wahr¬ 
zunehmen. Eine vernünftige Gesetzgebung wird sich dem Variations¬ 
und Kombinationsbedürfnis des menschlichen Geistes gegenüber 
nicht kleinlich zeigen, sie nimmt die jeweils vollkommensten, best¬ 
kultivierten Vorgangsweisen der Verkehrssitte zum Muster und zur 
Richtschnur. — 

Außerhalb stehen diejenigen, die das Recht nicht wollen 
können und die es nicht wollen. Ein wirklich ausschließliches Privileg 
besitzt das Recht nur darin, daß es sich auch ohne und gegen den 
Willen der Individuen verwirklichen kann. Das geschieht in der 
von Rechts wegen stattfindenden Wiederherstellung gestörter Zu¬ 
stände, wie sie namentlich das Zivilrecht illustriert. An alle von 
der Gesellschaft approbierten Lebensformeln assimilieren sich die 


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folgenden Generationen. Der Rechtsgehorsam ist mit allen Faktoren 
der Gesellschaftskultur und des Staatslebens in engem geistigen 
Zusammenhänge, und das gibt ihm seine unerschöpflichen Nuancen. 
Sein psychisches Gefüge ist daher von der Umwelt abhängig und 
wohl auch historisch veränderlich. Schließlich stellt Klein fest, daß 
eine Periode abnehmender Rechtsachtung angebrochen ist. Für die 
Gesetzgebung verlangt er Einfachheit, Volkstümlichkeit und Be¬ 
ständigkeit des Rechtes, mehr gemeines als Spezialrecht und Ein¬ 
klang von Recht und Moral. Es wird gut sein, das Dogma der 
historischen Schule über das organische Entstehen des Rechtes aus 
dem Volksbewußtsein, selbst wenn man es biogenetisch verwirft, 
für die Gesetzgebung zur ungefähren Richtschnur zu nehmen. Das 
Problem universaler Rechtsgeltung geht in dem größeren Probleme 
der universellen Organisation der Gesellschaft nach gleichen Grund¬ 
elementen auf. Derselbe Geist, dieselbe Psychologie, die das Gemein¬ 
leben überhaupt Zusammenhalten, sind die, die auch Rechtsgeltung 
jeweils in Art und Form der Zeit ermöglichen und sichern. Ob¬ 
schon sich im Rechte die Macht der Gesellschaft verkörpert, 
kommen in seiner Geltung und Befolgung auch die guten und 
edlen Eigenschaften und Regungen der Menschen zum Ausdruck. 
Die moderne Ethik ist ein kostbarer Schatz, den Staat und Gesell¬ 
schaft sich erhalten mögen. 


Dr. Maurycy Urstein. Manisch-depressives und perio¬ 
disches Irresein als Erscheinungsform der Kata¬ 
tonie. Berlin und Wien, Urban & Schwarzenberg, 1912. 

Man erschrickt über den Titel; sollen sie wirklich alle daran 
kommen, die Krankheitseinheiten der klinischen Psychiatrie, eine 
nach der anderen? Nun wird gar die Axt angelegt an eine noch 
ganz junge Schöpfung, das manisch-depressive Irresein. Man erfährt 
allerdings, daß Verfasser die Existenz zirkulärer Kranker vorläufig 
noch nicht absolut negiert; er glaubt aber, daß ihre Zahl zusammen¬ 
schrumpfen muß, je länger man die Kranken beobachtet; 10 Jahre 
sind dazu viel zu wenig. Macht man die Diagnose Katatonie — 
Verfasser versteht darunter die Dementia praecox Kraepelins — 
von manisch-depressiven Erscheinungen unabhängig, dann gibt es 
für ihn keine Schwierigkeit, das Leiden selbst im Beginne zu dia¬ 
gnostizieren. Ausschlaggebend sind katatone Komplexe und Zustände; 
wo diese noch nicht manifest geworden sind, der Nachweis von intra¬ 
psychischen Spaltungen und Störungen des harmonischen Zusammen¬ 
spieles der einzelnen Elemente. 

Um aus dem Diagnostikum des Verfassers nur das Wesent¬ 
lichste herauszuheben, sollen für Katatonie sprechen allerlei Mi߬ 
empfindungen im Körper, schwere hypochondrische Ideen und Be¬ 
fürchtungen, zumal im jugendlichen Alter, Halluzinationen und 


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Referat«. 


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Wahnideen, wenn die Stimmung mit dem Inhalt derselben kon¬ 
trastiert. Alles, was die Kranken äußern oder tun, sei übertrieben, 
unnatürlich. Im manischen Zustande fällt die Einschränkung des 
geistigen Horizontes auf, in der Depression spricht für Katatonie 
die Neigung zur Selbstbeobachtung, -analyse, -kritik, das Bestreben, 
alles zu motivieren, zu entschuldigen, Angaben über Hemmung 
beim Nachweise ihres Gegenteils. Diagnostisch verwertbar sei die 
allgemeine Tendenz zur Negation. Die unproduktive Manie, den 
manischen Stupor rechnet Urstein glatt zur Katatonie. Nur bei 
der progressiven Paralyse läßt U r s t e i n katatone Syndrome gelten; 
in diesem Falle heißt es differenzieren, ebenso von der Epilepsie, 
von der Hysterie und den Alkoholpsychosen. 

Der größte Teil des Buches wird durch Krankenjournale aus¬ 
gefüllt, 30 Fälle. Dem Verfasser war es möglich, das gesamte 
Material der Heilanstalt Schweizerhof in Zehlendorf zu verarbeiten — 
ein Material, dessen Vorzüge allerdings so unbestreitbar sind, daß 
Urstein in eigener Sache mit Kritikern seines Standpunktes recht 
energisch abrechnet. So wird Dreyfus eine Vorlesung gehalten, 
Stransky versichert, daß Urstein unter intrapsychischer Ataxie 
die Spaltung, die Inkoordination innerhalb der Verstandestätigkeit, 
der Gemüts- und Willensleistungen verstanden wissen wollte. Auch 
Juliusburger bekommt seinen Anteil, Kraepelin und seine 
Schüler werden unterschieden. Aus dem Meinungsaustausche, den 
die fleißige Monographie im Gefolge haben wird, ist eine Förderung 
unserer diagnostischen und prognostischen Möglichkeiten zu er¬ 
warten; der Fachmann wird sich mit dem Buche und namentlich 
mit dem kasuistischen Materiale vertraut machen müssen. 

Prof. L. M. Bossi. Die gynäkologische Prophylaxe bei 
Wahnsinn. Berlin, Oscar Coblentz, 1912. 

Der Vorstand der Universitätsfrauenklinik in Genua stellt an 
die Provinzialdeputation den Antrag, daß die Patientinnen vor ihrer 
Aufnahme in die Irrenanstalt einer genauen gynäkologischen Unter¬ 
suchung unterzogen werden, deren Notwendigkeit sich aus den 
modernen wissenschaftlich-klinischen Studien ergibt, und zwar „zum 
Zwecke, sowohl Gesundheit und Zukunft der Patientinnen besser 
zu schützen als auch die stetig wachsende Anzahl der Pfleglinge 
zu vermindern“. Da ihm von psychiatrischer Seite opponiert wurde, 
bringt B. eine reichhaltige Kasuistik, die beweisender wäre, wenn 
nicht eine geradezu kindliche Naivität in psychiatrischen Fragen 
überall herausleuchten würde. So beschreibt Bossi in breiter Weise, 
wie es einer Familie nicht gelang, ihr geisteskrankes Mitglied aus 
der Anstalt gegen Kevers herauszubekommen, und fügt ganz ent¬ 
rüstet bei: „.... vergingen die Tage, ohne daß die Unglückliche 
entlassen wurde. Das muß umsomehr befremden, als zu jener Zeit 
die Provinzirreuanstalt Quarto al mare von Patienten überfüllt war, 


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so daß sie ungefähr 1350 Kranke beherbergte, während sie für ein 
Maximum von 650 gebaut worden war. Die vom psychia¬ 

trischen Gesichtspunkt aus festgestellte Diagnose scheint (sic! 
Eef.) auf Mania melancholica gelautet zu haben.“ 

Der Gynäkologe kommt hinzu — und die Kranken werden 
gesund. So geht es fort durch weitere 31 Fälle. B. glaubt daher 
eine Pflicht als Provinzialverwalter und Gynäkologe zu erfüllen, 
wenn er auf folgenden Vorschlägen besteht: Vor Einschließung 
einer Patientin in einer Irrenanstalt muß festgestellt werden, ob 
der Genitalapparat in regelmäßigem Zustande ist, und wenn der¬ 
selbe erkrankt befunden wird, soll zugleich die Heilung eingeleitet 

werden, ehe zur Einschließung geschritten wird.Auf die 

weitere Wiedergabe kann verzichtet werden. In deutschen Landen 
ist die Diskussion über die angeschnittene Frage geschlossen; es 
ist beruhigend, daß auch am römischen Kongresse für Gynäkologie 
und Geburtshilfe, Dezember 1912, Bossi von seinen eigenen Lands¬ 
leuten Bianchi, Mangiagalli, Mingazzini, Tamburini 
ebenso höflich als bestimmt abgetan wurde. R. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie 

in Wien. 

(Vereinsjahr: 1911/12.) 

Sitzung vom 14. November 1911. 

Vorsitzender: Hofrat Obersteiner. 

Schriftführer: Raimann. 

Zum Mitgliede wird gewählt: Assistent Dr. Jakob Rothfeld- 
Lemberg. 

Demonstrationen: 

'0 Regimentsarzt Dr. Hermann Mayer, ein Fall von Kinder¬ 
psychose. 

Anamnese: Otto A. ist das fünfjährige Kind einer I-para. Die 
Angaben bezüglich der Eltern sind schwankend, anfänglich hieß es, daß 
Vater und Mutter gesund wären, dann wurde berichtet, daß die Mutter 
im Alter von 10 Jahren einen Anfall mit Bewußtlosigkeit und Krämpfen 
gehabt habe; vom Vater ist nichts Näheres bekannt; im maternen 
Familienteil keine psycho- oder neuropathischen Erkrankungen. Kein 
Abortus, leichte Geburt, Kind nicht asphyktisch, zwei Stunden nach der 
Geburt eklamptische Anfälle (Krämpfe, Bewußtlosigkeit, Zungenbiß) durch 
9 Tage. Mit 9 Tagen Augenblennorhöe, durch 6 Wochen links* 
seitige Nebenhodenentzündung. Vom achten Monate bis zum dritten 
Jahre Fraisen, die in 3 bis 4 wöchigen Intervallen auftraten. Mit 
16 Monaten Gehen und Sprechen, keine Abnormität des Zahnens und 
der Fontanellen. Geistige Entwicklung sehr gut, auffällig gescheit. Seit 
jeher jähzornig, seit zwei Jahren Masturbation, seit längerer Zeit häufiger 
Besuch von Kincmatographentheatern. Ostern 1911 Scharlach, leichte 
Form, keine hohen Temperaturen, keine Delirien, kein Eiweiß im Harne. 
Lues, sowie Darreichung von Alkohol werden negiert. 

Vor zirka 5 Wochen durch einige Tage Klagen über heftige 
Kopfschmerzen, darauf Veränderung der psychischen Persönlichkeit. Da» 
früher lebhafte Kind sprach spontan nicht, gab auf Befragen nur langsam, 
wie mit Widerstreben Antwort, ging unruhig auf und ab, machte eigen» 
tiimliche stereotype Bewegungen mit der Hand, die es zur Brust führte 
und dann wieder auf den Tisch legte. Ein anderesmal sahen die Be¬ 
wegungen wieder Abwehrbewegungen ähnlich, wie wenn es raufen würde, 
„die Augen wurden dabei so groß.“ 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 497 

Das Kind zeigte einen ängstlichen Affekt, äußerte Sinnestäuschungen, 
das Haus stürze ein, alles schaukle sich, es sah Leichen auf der Straße 
gehen, Teufel, Engel, die Mutter hatte auch Hörner, die Nachbarn 
schauen hinüber und bedrohten es, aus dem Garten kommen große 
Schlangen, es wollte nicht auf die Straße gehen, weil es Krähen auf 
dem Kopfe habe, im Essen wären Würmer und Gift. Stundenlanges 
Lachen, dann Weinen, inzwischendurch ein Wutanfall, wo es auf die 
Großmutter losstürzte und sie würgen wollte. Lebhaftes Grimassieren 
die ganze Zeit, mangelhafter Schlaf und Nahrungsaufnahme, ließ zweimal 
bei Tag und Nacht den Stuhl unter sich, starker Speichelfluß. 

Status psychicus. 29. Oktober. Kam widerwillig in das Zimmer, 
mußte hineingeschoben werden, ging in manierierter Haltung mit ge¬ 
strecktem linken Beine auf und ab, stampfte mit den Füßen, drehte 
sich im Kreise, führte leise unverständliche Selbstgespräche, machte eigen¬ 
tümliche Greif- und flechtende Bewegungen mit den Händen, dann wieder 
die Pose, wie wenn es einen Revolver abfeuern würde, „Feuer, da 
raucht’s,“ lebhaftes Grimassieren und Halluzinieren. 

Die Antworten erfolgten langsam, waren formell und inhaltlich den 
Fragen entsprechend, manchmal unzusammenhängend, es gab seinen 
Namen sowie den der Großmutter richtig an, die Wohnung wäre eine fremde, 
jetzt Winter, es erkannte ein Fünfkronenstück, das Bildnis des Kaisers, 
es gab die Sinnestäuschungen zu, sah schwarze Vieher, Schlangen, „da 
der schwarze Schatten, siehst du? w Antworten öfters widersinnig, machen 
den Eindruck des Vorbeiredens. 

Status somaticus. Dem Alter entsprechend entwickelt, zart, 
blaß, Schädelumfang 510 mm, neuropathisch schwimmende Augen, leicht 
verbildete Ohrmuscheln, etwas herabgesetzter Hornhaut- und Rachenreflex, 
lebhafte Sehnenreflexe, keine hysterischen Stigmen, innerer Befund normal, 
keine pathologischen Harnbestandteile, Augenspiegeluntersuchung ergab 
normale Verhältnisse. 

Bisheriger Verlauf: Der ängstliche Affekt gänzlich geschwunden, 
vermindertes Halluzinieren, Grimassieren, Bizarrerie, Manieren bestehen 
weiter, dazu neu Purzelbäume, Echolalie, Echopraxie, Verbigeration; 
anscheinend ruhiger, spielt wieder mit den Bausteinen, Schlaf und 
Nahrungsaufnahme gebessert, sprachliche Äußerungen reduziert, Antworten 
erfolgen größtenteils mit einzelnen Worten, hie und da im Infinitiv. 
Selbstgespräche im Gegensätze zu früherer gesunder Zeit im Jargon, 
Lachen, Weinen, Zornausbrüche im gleichen Maße, keine Störung der 
Merkfähigkeit. 

Nach Demonstration des Kindes geht der Vortragende auf die 
Frage ein, worum es sich im vorliegenden Falle handeln könne? 

Ein Kind, das an Fraisen litt, einen Scharlach durchmachte, woraus 
anscheinend keine Hirnschädigung resultierte, erkrankt nach einem kurzen 
Prodromalstadium an einer Psychose mit massenhaften Sinnestäuschungen 
und katatonen Zügen, Manieren, Grimassieren und Stereotypien. 

Die szenischen Delirien, die als Reminiszenzdelirien aus dem 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII Bd. 32 


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498 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 

Äinematographentheater imponieren könnten, hätten anfänglich an Hysterie 
danken lassen können, der Mangel an Stigmen, Suggestibilität und 
Krampfanfällen, der weitere Verlauf sprechen nicht dafür. 

Der ganze Zustand ähnelt sehr dem Krankheitsbilde, das Ziehen 
als akute halluzinatorische Paranoia beschreibt, der Amentia Meynerts, 
jedoöh fehlt die schwere Bewußtseinstrübung mit Inkohärenz, die Des¬ 
orientiertheit für Zeit und Ort und die Ratlosigkeit. 

Als depressive Phase eines manisch-depressiven Irreseins, als 
kindliche Melancholie, kann der Fall auch nicht aufgefaßt werden, da 
bei det letzteren die Sinnestäuschungen erst im Verlaufe der Krankheit 
hinzukotnmen, während sie hier von Anfang an das Krankheitsbild 
beherrscht haben, Stereotypien bei der Melancholie als Ausdruckbewegung 
der Angst Vorkommen, hier ohne jede Affektbedeutung auftraten; die 
Antworten beim melancholischen Kinde erfolgen wohl auch langsam oder 
gar nicht, selten falsch, niemals wie hier des öfteren, widersinnig; 
schließlich ist bei der Melancholie die Speichelsekretion herabgesetzt,, 
währenddem hier gerade das Gegenteil der Fall ist. 

Das letzterwähnte körperliche Symptom, die geringe Bewußtseins¬ 
trübung, die Orientiertheit mit den Stereotypien, Grimassieren, Manieren usw* 
lassen am allerwahrscheinlichsten eine katatone Geistesstörung, möglicher¬ 
weise als Frühform der Dementia praecox annehmen. 

Über die Ähnlichkeit und Wertung gegenüber den von Heller 
als Dementia infantilis beschriebenen Fällen kann vorläufig nicht ein¬ 
gegangen werden. 

Mit Rücksicht auf das Interessante der Kinderpsychosen,' auf die 
Schwierigkeit der Diagnosenstellung wurde der Fall demons riert. 

b) Priv.-Doz. Dr. Bardny bespricht und demonstriert den von 
ihm gefundenen neuen Symptomenkomplex, den er bisher an mehr als 
20 Patienten beobachtet hat. Derselbe besteht in folgendem: 

1. Das Gehör der Patienten ist auf der Seite der Erkrankung 
herabgesetzt, im Sinne einer Läsion des inneren Ohres. Diese Läsion 
kann mehr oder minder hochgradig sein. Besonders bemerkenswert ist 
der Wechsel in der llörschärfe, der schon spontan eintreten kann. 
Patienten und Angehörige geben an, daß manchmal das Gehör ganz gut 
ist, manchmal dagegen sehr schlecht. 

2. Es besteht meist Ohrensausen zur Zeit des schlechten Gehörs. 
In der anfallsfreien Zeit kann es vollständig fehlen. 

3. Es bestehen Schwindelanfälle von vestibulärem Charakter. 
Dieselben können ganz geringfügig sein, nur wenige Sekunden dauern, 
aber auch außerordentlich stark und quälend auftreten. Die schweren 
Anfälle sind meist mit einer Exazerbation des Ohrensausens und des 
gleich zu besprechenden Kopfschmerzes verbunden. Erbrechen tritt 
meist auf. 

4. Die Erregbarkeit des Vestibularapparates fand ich in allen Fällen 
erhalten. Sie kann jedoch auf der kranken Seite herabgesetzt sein. 
Wichtig ist, wie ich in einigen Fällen nachweisen konnte, der Wechsel 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 499 

zwischen guter und schlechter Erregbarkeit, der gewöhnlich mit der 
Besserung oder Verschlechterung des Gehörs Hand in Hand geht. 

5. Pathognomoni8ch ist die Verbindung dieser Ohrsymptome mit 
Kopfschmerzen, die auf den Hinterkopf der kranken Seite lokalisiert 
sind. Die Kopfschmerzen sind meist sehr heftig, sitzen unmittelbar hinter 
dem Ohre, erstrecken sich aber von hier ausstrahlend in den ganzen 
halben Kopf, ins Auge, die Stirne der kranken Seite. 

6. Mit diesen Kopfschmerzen ist auch eine Druckempfindlichkeit 
der Gegend hinter dem Ohre verbunden, die so hochgradig sein kann, 
daß man an eine Erkrankung des Warzenfortsatzcs glauben könnte. Es 
scheint mir direkt der Knochen druckempfindlich zu sein, nicht bloß 
die daselbst befindlichen Nervenstämmchen (Nervus occipitalis). Kopf¬ 
schmerzen und Druckempfindlichkeit bestehen nicht etwa nur stunden¬ 
lang, um dann wieder auszusetzen; es ist charakteristisch für diese 
Krankheit, daß sie meist kontinuierlich mit nur geringen Schwankungen 
der Intensität wochen- und monatelang auhalten können. 

7. In allen diesen Fällen habe ich ein Vorbeizeigen des Hand¬ 
gelenkes der kranken Seite nach außen konstatiert. Fast stets jedoch 
nur in der mit der Vola manus nach abwärts gerichteten Stellung der 
Hand. Das Vorbeizeigen ist gewöhnlich nicht ohneweiters erkennbar. 
Läßt man den Patienten bei der Stellung Vola nach abwärts auf den 
Finger des Untersuchers zeigen, so tritt nur sehr selten sofort ein Fehler 
auf. Ich habe es nur bei zwei sehr unintelligenten Menschen direkt an¬ 
getroffen. Meist wird aber zunächst richtig gezeigt. Zur Hervorrufung 
des Vorbeizeigens muß man sich eines Kunstgriffes bedienen. Ich drehe 
die Hand um und lasse bei der Stellung Vola nach aufwärts auf meinen 
Finger zeigen. Hiebei wird fast stets richtig gezeigt. Drrhe ich aber 
jetzt neuerlich in der Stellung Vola nach abwärts um, so kommt jetzt 
Vorbeizeigen nach außen zustande. In jüngster Zeit hat Dr. Reich 
einen Kunstgriff angegeben, mit welchem man auch ohne dieses Um¬ 
drehen Vorbeizeigen sofort erhalten kann. Er wird anschließend an meine 
Demonstration darüber berichten. Das Vorbeizeigen im Handgelenk nach 
außen beruht auf dem Fehlen der Kleinhirninnervation nach innen, wie 
die Funktionsprüfung nachweist; es besteht demnach 

8. Ausfall der Zeigereaktion nach innen im Handgelenk der kranken 
Seite bei der Stellung Vola nach abwärts, während eines experimentell hervor¬ 
gerufenen Nystagmus zur kanken Seite. Bei der Stellung Vola nach 
aufwärts erhält man dagegen auch auf der kranken Seite eine normale 
Kleinhirninnervation nach innen. Die Funktionsprüfung gibt uns das 
Verständnis für das Verhalten bei den spontanen Zeigebewegungen. Die 
Stellung der Hand Vola nach abwärts ist die gewöhnliche Hand¬ 
stellung, in welcher wir die Hand am meisten beschäftigen. In seiner 
Arbeit hat Horsley auf diese Stellung als Prinzipalstellung der Hand 
hingewiesen. Für diese Stellung hat nun das Großhirn erlernt, die 
fehlende Kleinhirninnervation durch eine Änderung der kortikalen Inner¬ 
vation zu ersetzen. Deshalb tritt zunächst beim spontanen Zeigen in 

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500 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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dieser Stellung kein Fehler auf. Drehe ich jetzt die Hand um, so daß 
die Vola nach aufwfirts sieht, so sind in dieser Stellung normale Klein¬ 
hirninnervationen vorhanden. Infolgedessen wird der Patient auch in 
dieser Stellung richtig zeigen, jedoch unter Zuhilfenahme der alten un- 
korrigierten Großhirninnervation. Drehe ich jetzt plötzlich die Hand 
wieder zur Stellung Vola nach abwärts um, so wird damit quasi eine 
Überrumpelung des Großhirns ausgeführt. Das Großhirn fährt eine Zeit¬ 
lang fort, die unkorrigierte alte Innervation, die vor der Erkrankung 
stets ausgesandt wurde, auszuführen und dadurch kommt jetzt das Vorbei¬ 
zeigen nach außen zustande. Die Methode, die Dr. Reich gefunden 
hat und welche auch ohne vorheriges Umdrehen den spontanen Zeige¬ 
fehler zur Anschauung bringt, ist eine Bestätigung für diese meine An¬ 
schauung über die Korrektur von seiten der Großhirnrinde. 

Wo ist nun dieser Symptoinenkomplex zu lokalisieren? Wodurch 
kommt er zustande? Die Erscheinungen von seiten des inneren Ohres 
und die Kopfschmerzen würden eine Lokalisation nicht gestatten. Eine 
solche wird erst ermöglicht durch das gleichzeitige Vorhandensein zere¬ 
bellarer Erscheinungen, durch das Vorbeizeigen im Handgelenk. Aus 
einer Reihe operativer Fälle kann ich nämlich mit Sicherheit den Schluß 
ziehen, wo das Zentrum für den Einwärtstonus des Handgelenkes sich 
befindet, dessen Lähmung eben das Vorbeizeigen nach außen herbei¬ 
führt. Bei der Labyrinthoperation nach Neumann sind wir genötigt, 
in den meisten Fällen die Dura der hinteren Schädelgrube nach vorne 
vom Sinus bis nahe zum inneren Gehörgang freizulegen. Bei dieser 
Operation kann es zu oberflächlicher Quetschung des Zerebellums 
kommen. Geschieht dies, dann tritt Vorbeizeigen nach außen im Hand¬ 
gelenk auf. Denn an dieser Stelle ganz in unmittelbarer Nähe hinter 
dem inneren Gehörgang gegen den Sinus zu ist das Zentrum für das 
Handgelenk gelegen. Weiter nach außen liegt dann das Zentrum des 
Einwärtstonus des Handgelenks bei der Stellung Vola nach aufwärts. 
Noch weiter außen das Zentrum für das Armgelenk. An dieses dürfte 
sich dann das Zentrum für den Fuß anschließen. Das Zentrum für das 
Ellbogengelenk habe ich noch nicht mit Sicherheit bestimmt. Es dürfte 
aber wahrscheinlich zwischen Hand- und Armgelenk liegen. Der Klein¬ 
hirnlappen, der hier in Betracht kommt, ist der Lobus posterior inferior 
des Kleinhirns, der ja auch nach den vergleichend anatomischen Unter¬ 
suchungen Bolks ein Zentrum für die Extremitäten enthalten muß. 
Ganz vorne, unmittelbar dort, wo der Lobus posterior inferior an den 
Flokkulus anstößt, muß sich das Zentrum für das Handgelenk befinden. 
Denn an der lateralsten Stelle des Flokkulus befindet sich die Mündung 
des inneren Gehörganges, wie Waljaschko festgestellt hat und wie 
ich mich auch selbst überzeugen konnte. Wenn wir nun einen Prozeß 
haben, der sich an der hinteren Pyramidenfläche abspielt, so müssen zu 
gleicher Zeit Störungen von seiten des Kochlearis und Vestibularis und 
von seiten des Handgelenkszcntrums für den Einwärtstonus auftreten. 
Welches ist nun der Prozeß, der sich an dieser Stelle abspielt? Voll¬ 
ständige Gewißheit habe ich darüber noch nicht erlangt. Doch habe ich 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 501 

aus dem Verlaufe derartiger Fälle und aus dem Einflüsse, den gewisse 
therapeutische Maßnahmen nehmen, den Schluß gezogen, daß es sich 
um eine zirkumskripte Liquoransammlung in der Zisterne im Klein¬ 
hirnbrückenwinkel, also um eine Art Meningitis serosa circumscripta 
handelt. Ich will die Momente hervorheben, welche, wie ich glaube, 
mit sehr großer Wahrscheinlichkeit auf diese Annahme hinweisen. 

In einer großen Anzahl von Fällen ist eine Mittelohreiterung der 
Erkrankung vorangegangen. In einzelnen Fällen besteht sie auch noch 
zur Zeit des Auftretens der Erkrankung. In je einem Falle, bei welchem 
sich dieser Symptomenkomplex im Anschluß an eine Durafreilegung im 
Bereiche der hinteren Schädelgrube wegen chronischer Mittelohreiterung 
entwickelte, haben Dr. Ruttin und Dr. Bondy eine Spaltung der 
Dura der hinteren Schädclgrube und Exploration des Kleinhirns vor¬ 
genommen. Es fand sich kein Eiter, wohl aber floß eine größere Menge 
Liquor ab. Nachher gingen alle Erscheinungen zurück und die Menin¬ 
gitis serosa circumscripta — denn um diese handelte es sich wohl in 
diesen beiden Fällen — kam zur Ausheilung. Ich kann mir vorstellen, 
daß bei Mittelohreiterungen, auch wenn kein extraduraler Abszeß der 
hinteren Schädelgrube besteht und wenn keine bedrohlichen Erschei¬ 
nungen sich sofort entwickeln, doch Veränderungen an den Meningen 
in der nächsten Nähe des Ohres entstehen können, besonders eben im 
Kleinhirnbrückenwinkel, die Verklebungen zwischen Pia und Arachnoidea 
zur Folge haben. In anderen Fällen ist keine Mittelohreiterung voraus¬ 
gegangen, wohl aber eine starke Rhinitis oder eine Angina, in anderen 
Fällen läßt sich kein derartig entzündliches Moment nachweisen. In 
zweiter Linie sind die Beziehungen zur Migräne und Epilepsie hervor¬ 
zuheben. In vielen. Fällen sind ausgesprochene Migräneanfälle voraus¬ 
gegangen oder es handelt sich um Familien, in denen Migräne häufig 
vorkommt. Die Spitzer sehe Arbeit scheint mir nun, wenn auch ihre 
Theorie mangels von Obduktionsbefunden anfechtbar erscheint, doch so 
viel klargestellt zu haben, daß plötzlich eintretende Veränderungen 
in der Liquorverteilung oder Liquorsekretion als Ursache des Migräne- 
anfalles anzusehen sind. Daraus kann man den Schluß ziehen, daß auch 
bei dieser Affektion, bei welcher entschiedene Beziehungen zur Migräne 
bestehen, in der Liquorverteilung oder Liquorsekretion die Ursache des 
Anfalles gelegen sein dürfte. Wichtige Momente für meine Annahme 
ergeben sich ferner aus dem Beginn und dem Verlauf des Leidens. In 
einer ganzen Anzahl von Fällen beginnt das Leiden ganz plötzlich, 
z. B. mit einem Schwindelanfall oder mit Kopfschmerzen, mit Ohren¬ 
sausen. Man hat aus der Schilderung der Kranken den Eindruck, daß 
plötzlich ein Abfluß weg für den Liquor sich verstopft hat und nun die 
Druckerscheinungen herbeiführt. Ebenso wie das Leiden plötzlich beginnt, 
kann es auch plötzlich wieder aufhören. Nach einer besonders starken 
Schmerzattacke ist der Kopfschmerz plötzlich wie abgeschnitten. Man 
hat den Eindruck, als ob vielleicht durch den starken Druck des ab¬ 
gesackten Liquors Verklebungen zerrissen wurden und mit dem Abfluß 
des Liquors auch die pathologischen Erscheinungen plötzlich ihr Ende 


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502 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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erreichen. Auch die Schwankungen, die im Verlaufe dieses Leidens auf- 
treten, sprechen im selben Sinne. Bei manchen Patienten kommen aller¬ 
dings wochenlang keine Schwankungen vor. Der Kopfschmerz ist un¬ 
unterbrochen sehr heftig, das Ohrensausen sehr quälend, die Schwer¬ 
hörigkeit stets gleich stark. Bei anderen treten aber außerordentlich 
auffallende Schwankungen bezüglich des Kopfschmerzes und der Hör¬ 
fähigkeit auf. Zu Zeiten ist das Gehör außerordentlich schlecht, der 
Kopfschmerz sehr heftig. An anderen Tagen aber ist der Kopfschmerz 
nur sehr gering und das Gehör ausgezeichnet. Ich selbst habe Schwan¬ 
kungen der Hörweite von fast normalem Gehör bis zur fast voll¬ 
kommenen Taubheit beobachtet. Auch Schwankungen in der Erregbarkeit 
des Vestibülarapparates von fast vollständiger Unerregbarkeit bis zur 
normalen Erregbarkeit habe ich beobachtet. Schließlich ist noch der oft 
außerordentlich günstige Einfluß der Lumbalpunktion hier heranzuziehen. 
In drei Fällen habe ich durch Lumbalpunktion, bei welcher 10 bis 
15 cm z Liquor abgelassen wurden, zunächst eine wesentliche Steigerung 
der Kopfschmerzen herbeigeführt, nach einigen Tagen aber hörten die 
Kopfschmerzen auf und das Gehör wurde auf dem fast ertaubten Ohre 
wieder ganz normal. Alle diese Erscheinungen sprechen dafür, daß es 
sich hier um Sekretionszustände, um Druckerscheinungen durch Liquor¬ 
ansammlung handelt. Damit aber eine derartig vermehrte Drucksteigerung 
im Kleinhirnbrückenwinkel zustande kommt, muß noch gefordert werden, 
daß auch an dieser Stelle isolierte Liquorsekretion stattfinde. Dies ist 
nun tatsächlich der Fall. In unmittelbarer Nähe des Nervus acusticus 
befindet sich nämlich die Ausmündung des Recessus lateralis des vierten 
Ventrikels, aus welchem an dieser Stelle der Plexus chorioideus durch 
die Öffnung des Recessus lateralis in den Subarachnoidalraum tritt. Die 
Öffnung des Recessus lateralis ist oft sehr eng, ist nicht selten mit 
verdickten Rändern versehen und wenn ich mir nun vorstelle, daß unter 
irgendwelchem Einfluß eine Schwellung des Plexus chorioideus zustande 
kommt, so wird diese Öffnung sich ganz verlegen, so daß der Sub¬ 
arachnoidalraum nun plötzlich nicht mehr mit dem vierten Ventrikel 
kommuniziert und der vom Plexus sezernierte Liquor sich isoliert im 
Kleinhirnbrückenwinkel ansammelt. Ich nehme also hiebei eine ganz 
ähnliche Inkarzeration des Plexus im Recessus lateralis an, wie sie 
Spitzer zur Erklärung des typischen Migräneanfalles für den Plexus 
des Seitenventrikels im Foramen Monroi herangezogen hat. Notwendig 
zum Zustandekommen dieses Symptomenkomplexes ist natürlich noch die 
bereits erwähnte Annahme von Verklebungen zwischen Pia und Ara- 
chnoidca, die einen Abfluß in die benachbarten Subarachnoidealräume 
hindern. Im Gegensatz zum Migräneanfall kommt nun aber diese In¬ 
karzeration nicht bald zur spontanen Lösung, sondern kann oft woeben- 
uud monate-, ja auch jahrelang bestehen bleiben. Für Fälle, in welchen 
durch Jahre derselbe Zustand besteht, und ich habe eine derartige Frau 
in Beobachtung, die offenbar seit acht Jahren an diesen Symptomen 
leidet, kann man sich vorstellen, daß die Verbindung zwischen der 
Zisterne im Kleinhirnbrückenwinkel und dem vierten Ventrikel dauernd 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 503 

zu eng ist, so daß dauernd in dieser Zisterne ein erhöhter Druck besteht. 
Durch die nur sehr engen Abflußwege kann stets nur weniger Liquor 
abfließen, als sezerniert wird. 

Nehmen wir nun eine derartige Drucksteigerung in der Zisterne 
des Kleinhirnbrückenwinkels als gegeben an, so ergeben sich daraus 
noch einige Folgerungen: 

Auch der Vagus, Glossopharyngeus, Fazialis, Trigeminus und 
Hypoglossus ziehen durch diese Zisterne. Ferner befindet sich in dieser 
Zisterne der Flokkulus. Über die Funktion des Flokkulus wissen wir 
noch gar nichts. Die Kompression des Vagus könnte Veränderungen der 
Pulsfrequenz, Übelkeiten und Erbrechen bedingen. Veränderungen der 
Pulsfrequenz habe ich nun tatsächlich bei einzelnen Fällen beobachtet. 
Erbrechen und Übelkeiten sind sehr häufig und kommen auch unabhängig 
von dem Schwindel vor. Auch Geschmacksstörungen glaube ich in ein¬ 
zelnen Fällen beobachtet zu haben. Doch ist der exakte Nachweis ge¬ 
ringer Störungen sehr schwierig. In einem Falle fand ich einseitige 
Herabsetzung des Kornealreflexes, in einem Falle eine Parese des Hypo¬ 
glossus. Es wäre ferner möglich, daß durch Druck auf die Brücke Pons¬ 
symptome auftreten. Differenzen in den Sehnenreflexen zwischen rechts 
und links, angedeuteter Babinski wurden in der Tat bei einigen Fällen 
beobachtet (Dr. v. E c o n o m o). 

Wie zu allen organischen Erkrankungen, so kann sich auch zu 
dieser Erkrankung Hysterie hinzugesellen. So beobachtete ich einen 
jungen Mann mit Hypästhesic der kranken Seite. Es wird im speziellen 
Falle recht schwer, eine genaue Trennung zwischen organischen und 
hysterischen Symptomen vorzunehmen. Da die Zisterne des Kleinhim- 
brückenwinkeis, wie die Injektionsversuche von Key und Retzius er¬ 
geben, sich verschieden weit auf die Kleinhirnhemisphäre erstrecken 
kann, so ist es möglich, daß auch ausgedehntere Erscheinungen als jene 
von Seiten des Handgelenkes, also auch von Seiten des Ellbogen- und 
Armgelenkes auftreten. In der Tat habe ich jetzt einen jungen Mann 
in der Beobachtung, bei welchem bei der ersten Attacke des Leidens 
Vorbeizeigen lediglich im Handgelenk vorhanden war. Nach 14 Tagen 
trat Heilung spontan ein. Nach weiteren 14 Tagen kam eine Rezidive. 
Jetzt war Vorbeizeigen im ganzen Arm in allen Gelenken und Stellungen 
nachweisbar und es fehlte die Reaktion nach einwärts im ganzen Arm, 
die bei der ersten Attacke normal gewesen war. 

Ich möchte schließlich noch auf die Therapie des Leidens eingehen. 
Würden wir es in der Hand haben, die Liquorsekretion für einige Zeit 
medikamentös zu beeinflussen, insbesondere zu beschränken, so käme eine 
Anwendung derartiger Mittel in Betracht. 

Von chirurgischen Eingriffen ist zunächst die Lumbalpunktion an¬ 
zuwenden. Diese hat zuerst Babinski in Paris gegen Schwindel 
und Ohrensausen empfohlen. Ich vermute, daß auch unter seinen Fällen 
eine Anzahl mit diesem Symptomenkomplex gewesen sein werden. Un¬ 
mittelbar nach der Punktion, bei welcher man nicht mehr als 10 bis 


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504 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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15 cm 9 ablassen soll, tritt meist eine Steigerung der Kopfechmerzen,, 
manchmal auch des Schwindels auf. Nach einigen Tagen aber verschwinden 
die Kopfschmerzen und damit auch der Schwindel, das Ohrensausen und 
das Gehör kann wieder ganz normal werden. In mehreren Fällen habe 
ich, nachdem die Lumbalpunktion allein keinen Nutzen brachte, eine 
Freilegung der Dura im Bereiche der hinteren Schftdelgrube vorgenommen,, 
von der Erwägung ausgehend, daß dadurch eine Druckentlastung und 
dadurch vielleicht ein besserer Abfluß des Liquors ermöglicht wird. In 
der Tat ist in zwei Fällen nach dieser Operation vollständige Beseitigung 
des Kopfschmerzes und in einem Falle allmähliche Restitution des Gehör» 
eingetreten. In zwei anderen Fällen hat sich aber auch nach dieser Operation 
keine wesentliche Besserung ergeben. Ich glaube, daß man in sehr hart* 
näckigen Fällen berechtigt ist, die Dura im Bereiche der hinteren Schädel- 
grübe zu schlitzen und die Zisterne des Kleinhirnbrückenwinkels operativ 
zu eröffnen. Ich halte diesen Eingriff, der ja unter allen Kautelen der 
Asepsis vorgenommen werden kann, nicht für gefährlich, war aber noch 
nicht in der Lage, ihn selbst vorzunehmen. 

An der Diskussion beteiligen sich: v. Wagner, Rai mann, 
Sachs, Redlich, Pötzl, Bdrdny. 

c) Dr. Max Schacherl demonstriert aus dem Ambulatorium 
der Klinik v. Wagner einige Patienten, die an dystrophischen Pro¬ 
zessen leiden und die, teils im Krankheitsverlaufe, teils durch Hervor¬ 
treten einzelner, seltener zu beobachtender Symptome, Abweichungen von 
den häufigeren Bildern derartiger Erkrankungen zeigen. 

Der erste Patient, ein zehnjähriger Knabe von belangloser Familien¬ 
anamnese. Er überstand in seinen ersten Lebensjahren zahlreiche fieber¬ 
hafte Erkrankungen. 1907 bemerkte seine Mutter, daß er schlechter zvt 
gehen begann und schließlich watschelte. Der Zustand blieb so bis zum 
Herbst 1910, wo angeblich nach einer Angina eine rapide fortschreitende 
Verschlimmerung seines Leidens auftrat. Im April 1911 verlor er die 
Gehfähigkeit und wurde im Mai d. J. von seiner Mutter in das Ambu¬ 
latorium der Klinik gebracht. 

Aus seinem seither kaum geänderten Status möchte ich das fol¬ 
gende hervorheben: 

Patient hat ein liydrozephal-rachitisches Kranium, an den Him- 
nerven nichts Pathologisches. 

Der Ilals des Kleinen ist auffallend kurz, u. zw. anscheinend in¬ 
folge Hochstandes beider Skapulae, die mit einer starken Schichte lipo- 
matösen Gewebes bedeckt erscheinen. 

Die motorische Kraft der oberen Extremitäten ist ebenso wie die 
Reflexe beträchtlich herabgesetzt. Im Trizeps und Deltoideus finden sich 
lipomotöse Veränderungen. 

Der Thorax ist faßförmig, das Abdomen auffallend breit und PaL 
zeigt auch in seiner halbsitzenden Stellung deutliche Lordose. Die Bauch¬ 
deckenreflexe fehlen. Das Aufrichten aus horizontaler Lage ist dem 
Patienten nicht möglich, aus halbsitzender Position richtet sich der 


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UMIVERS1TY OF MICHIGAN 



Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 505 

Kranke gewöhnlich dadurch auf, daß er an sich hinunterklettert. Die Be¬ 
wegungen an den unteren Extremitäten geschehen kraftlos, unsicher. In 
den Glutäi, im Quadrizeps und in der Wadenmuskulatur Lipomatose ohne 
Hervortreten von echter oder Pseudohypertrophie. 

Das Beachtenswerteste sind die Füße des Kranken. 

Man sieht hier einen Hohlfuß, der mit der dorsal extendierten 
Basalphalange und dem plantar flektierten Endglied der großen Zehe 
das deutliche Bild des Friedreich sehen Fußes formiert. Auch 
sieht man, nicht immer aber häufig an den Zehen, bisweilen auch in 
den Sprunggelenken bald athetoide, bald choreiforme Bewegungen ablaufen» 

Die Sehnenreflexe an den unteren Extremitäten fehlen, dagegen 
scheint manchmal Babinski auslösbar, doch möchte ich im Hinblicke 
auf die Spontanbewegungen auf diese Erscheinung nicht zu viel Gewicht 
legen. 

Im Stehen, das nur mit Unterstützung möglich ist, zeigt Pat. keine 
charakteristische Stellung, vielmehr erscheint die sonst so typische Lordose 
dadurch ausgeglichen, daß bei den vorhandenen Kontrakturen der Waden¬ 
muskulatur bei gestreckten Knien das Becken weit nach rückwärts ge¬ 
streckt und zugleich die n losen Schultern u beim Halten nach oben ge¬ 
zerrt werden. 

Ataxie ist infolge der schweren Bewegungsstörung weder zu be¬ 
weisen noch auszuschließen. Die elektrische Erregbarkeit ist im all¬ 
gemeinen bedeutend herabgesetzt, an einzelnen Punkten fast erloschen. 
Nirgends Entartungsreaktion. 

Die Sensibilität ist in allen Qualitäten normal. 

Abweichend vom gewöhnlichen Verhalten ist bei diesem Kranken 
außer seiner Haltung beim Stehen der außerordentlich rasche Verlust der 
Gehfähigkeit und die Erscheinungen an den distalen Abschnitten der 
unteren Extremitäten, die den Gedanken an eine Kombination mit Fried¬ 
reich scher Ataxie vielleicht gestatten würden, wenn nicht die absolute 
Integrität auch der tiefen Sensibilität trotz der Unsicherheit im Nach¬ 
weise der Ataxie dagegen spräche. 

Erwähnen möchte ich noch die Imbezillität unseres Kranken, eine 
Erscheinung, die nach Vizioli bei Dystrophie nicht ganz selten ist. 
Auch hat ja Stransky das vielleicht nicht ganz zufällige Zusammentreffen 
von psychischer Veränderung mit Myopathie wiederholt betont. 

Die zweite Myopathie, die ich mir vorzuführen erlaube, betrifft 
ein 16 jähriges Mädchen. Auch hier ist die Familienanamnese ohne jeden 
Belang. 

Patientin weiß sich an irgendwelche durchgemachte Erkrankungen 
nicht zu erinnern und ist seit ihrem zwölften Jahre normal menstruiert. 

Im Februar dieses Jahres bemerkte Patientin, daß sie im Gehen 
leicht ermüdete. Schmerzen bestanden nie. 

Als im August dieses Jahres Patientin die Ambulanz der Klinik 
aufsuchte, war außer einer Herabsetzung der motorischen Kraft in den 
unteren Extremitäten nichts Wesentliches an ihr zu bemerken. 


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506 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Erst im Laufe des Septembers entwickelte sich der watschelnde 
Gang, den Patientin jetzt zeigt und sie bot beim Aufstehen aus sitzender 
Stellung die auch heute vorhandenen charakteristischen Erscheinungen. 

Das Aufstehen aus der Horizontalen ist nur bis zu dem Augenblick 
charakteristisch, in dem Patientin versucht, sich aus gebückter Stellung 
aufzurichten. Da klettert sie nämlich nicht an sich hinauf, sondern muß 
eine Stütze außerhalb suchen, um nicht zu fallen. 

Der Grund für diese Abweichung vom gewöhnlichen Verhalten ist 
leicht zu ersehen, wenn man Patientin beim Stehen betrachtet. Man sieht 
da, daß sie nur auf einer Fußsohle steht, während der andere Fuß auf 
die Spitze gestellt wird. Es bestehen nämlich auch hier, wie in dem 
früheren Falle Kontrakturen der Wadenmuskulatur, die bei Streckstellung 
der Knie, das Becken soweit nach hinten verlagern würden, daß der 
Körperschwerpunkt weit hinter die Unterstützungsflächc fiele. Biegt 
Patientin dagegen ein Knie ab, so hebt sie nicht nur teilweise die 
Becken Verlagerung auf, sondern verlängert zugleich die Unterstützungs- 
fiäche in sagittaler Richtung. 

Auch hier fehlen Patellarsehnenreflexe und Achillcssehnenreflexe bei 
Herabsetzung der elektrischen Erregbarkeit ohne Entartungsreaktion und 
ohne Störung der Sensibilität. 

Auffallend ist in diesem Falle die ungewöhnlich rasche Progre¬ 
dienz der Erscheinungen, vor allem das frühzeitige Einsetzen der Kon¬ 
traktur. 

Ich habe, meine Herren, mir erlaubt, diese zwei Fälle zu demon¬ 
strieren, weil angesichts des ersten Falles, den man wohl als malignen 
Erb bezeichnen könnte und des zweiten, der so akut einsetzte, di ‘ stets 
betonte Sätze von dem benignen und ungeheuer langsam progredienten 
Verlauf der Muskelatrophie sich nicht als stichhältig erweisen. 

Im Anschlüsse an diese beiden Myopathien möchte ich den Herren 
noch eine achtjährige Patientin mit normalem Muskelbefund zeigen, die 
seit Frühjahr 1910 eine langsam fortschreitende, anscheinend ganz elek- 
tive Atrophie des Fettgewebes über dem Deltoideus und am Index und 
Daumen der rechten Hand zeigt. Etwas verdächtig scheint die Partie 
des rechten Infraspinatus. 

Eine Diagnose läßt sich in dem Falle wohl kaum stellen. Es dürfte 
sich entweder um einen inzipienten atypischen Erb oder vielleicht um 
den Beginn jenes Zustandes handeln, den Simons als progressive 
Lipodystrophie beschrieben hat. Gegen diese Auffassung spricht wohl 
das Fehlen der dort betonten Symmetrie der Erscheinungen. 

d) Priv.-Doz. Dr. Otto Pötzl demonstriert Fälle von Farben¬ 
sinns tör ung bei Alexie. (Erscheint ausführlich.) 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 507 


Sitzungen vom 12. Dezember 1911 und 9. Januar 1912. 

Vorsitzender: Hofrat Obersteiner. 

Schriftführer: Dr. Pötzl. 

Demonstrationen : 

a) Priv.-Doz. Dr. E. Stransky stellt (in Vertretung des ver¬ 
hinderten Dr. K. Feri) einen 38jährigen Kutscher vor; Potus zu¬ 
gestanden. Patient hat im Alter von neun Monaten nach eigener An¬ 
gabe einen „Schlaganfall“ erlitten, der die linke obere Extremität betraf; 
offenbar Poliomyelitis, denn es besteht eine deutliche Atrophie der links¬ 
seitigen Schultergürteloberarmmuskulatur und des Oberarmknochens; indes 
ist der Oberarm doch immer gebrauchsfähig gewesen, insonderheit war 
nach der präzisen Angabe des Patienten Erheben des Oberarmes zur 
Horizontale (wenn auch nicht mit gleicher Kraft und Andauer wie 
rechts) „ohne Verdrehen des Körpers“ möglich. 

Vor zehn Tagen erwacht Patient nachts und merkt plötzlich, daß 
er den linken Oberarm nicht mehr aufheben kann. Wenige Tage später 
stellt er sich, da keine Besserung eintritt, in der von Stransky ge¬ 
führten Krankenkassen-Nervenambulanz vor. 

Patient vermag den linken Oberarm jetzt kaum ein wenig und 
das nur unter Mithilfe des Kukullaris und Beugung des Rumpfes nach 
der Gegenseite (früher war dies nie nötig gewesen) zu erheben. Die 
übrige Oberarmmuskulatur funktioniert, wenn auch schwächer als rechts. 
Elektrische Erregbarkeit gegen rechts darin herabgesetzt. Der linke 
Deltoideus ist stark reduziert, stärker als die anderen betroffenen Muskeln, 
doch immerhin palpabel; elektrisch ist er besonders untererregbar (doch 
keine Entartungsreaktion). Neuerdings klagt Patient auch über Schmerzen 
in der linken Schulteroberarmgegend. Objektiv keine Sensibilitätsstörung. 
Unterarm und Hand ganz intakt. 

Patient erklärt, die Gewohnheit zu haben, auf der linken Seite, 
den Kopf auf den Oberarm gestützt, zu schlafen. Da Patient Alkoholiker 
ist, da zudem wegen der starken muskulären Atrophie in der Gegend 
der Axillarnerv in doppeltem Sinne ein Locus minoris resistentiae ist: 
so wäre also hier die Annahme einer Drucklähmung dieses Nerven sehr 
plausibel; kein häufiges, aber doch immerhin ein Ereignis, welches 
möglich ist. 

Der Kasus ist von Herrn Dr. Feri zu eingehenderer Bearbeitung 
übernommen worden. 

Diskussion: Hofrat Wagner v. Jauregg bezweifelt, 

daß es sich um eine Drucklähmung des Nervus axillaris handle; es 
wäre, wenn der Arm der Sitz einer alten spinalen Kinderlähmung ist, 
an das spätere Hinzukommen einer progressiven Amyotrophie zu denken. 

Stransky verweist in Beantwortung der Bemerkungen des Herrn 
Hofrates Wagnerv. Jauregg nochmals auf die von ihm angeführten 
Momente, die durch ihr Zusammentreffen in dem Falle gerade den 
Nervus axillaris zu einem Locus minoris resistentiae zu stempeln und 


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508 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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daher die Annahme einer Lähmung desselben so sehr plausibel zu machen 
scheinen, will sich aber natürlich durchaus nicht der Annahme ver¬ 
schließen, daß auch die von Wagner v. Janregg angezogene Er- 
klärungsmöglichkeit — Wiederaufflackern der Poliomyelitis — im Auge 
behalten werden müsse. 

b) Priv.-Doz. Dr. Bäräny demonstriert aus der Klinik v. Wag¬ 
ner und v. Eiseisberg eine operierte und geheilte Kleinhirn¬ 
zyste, mit Ausfall der vestibulären Zeigereaktion beider 
oberen Extremitäten nach abwärts, bei operativer Läsion 
der hintersten Anteile der Lobi semilunares superior 
und inferior beiderseits. 

Es handelt sich um einen 11jährigen Knaben, der am 5. Novem¬ 
ber 1911 auf die Klinik v. Wagner aufgenommen wurde. Sech» 
Wochen vor Beginn der Erkrankung Sturz auf den Hinterkopf. Seit 
zehn Monaten Kopfschmerzen, die an Intensität und Häufigkeit zunehmen,, 
dabei Schwindel und Erbrechen, Gangstörungen, allmähliche Verschlechte¬ 
rung des Sehvermögens. Die Untersuchung (Prof. Redlich und Dr. v* 
Economo) ergab: Hydrozephaler Schädel. Umfang 55 cm. Scheppern 
bei Klopfen beiderseits in der Frontoparietalgegcnd. Klopfempfindlichkeit 
in der Frontal- und Okzipitalgegend. Geringe Parese des Abduzens 
beiderseits. Keine Spur von Nystagmus, auch bei seitlicher Blickrichtung. 
Pat. hält den Kopf etwas nach links gedreht und geneigt. Neigung 
nach rückwärts ist unangenehm. Augen- und Mundfazialis links etwa» 
besser innerviert als rechts. Stauungspapille beiderseits. Leichte Ataxie 
der oberen Extremitäten beiderseits, rechts stärker als links. Leichte 
Adiadokokinese der rechten Hand. Bauchdecken- und Kremasterreflexe 
beiderseits gleich. Kein Babinski. Romberg positiv. Tendenz zum Fallen 
nach rechts. Beim Gehen und Laufen Schwanken nach beiden Seiten, 
vielleicht etwas mehr nach rechts. Sensibilität und grobe Kraft gut. 
Röntgenbefund (Priv.-Doz. Dr. Schüller): Hydrozephalus. 

6. November. Ohrbefund (Dr. Bärdny): Trommelfell beiderseits 
normal. Gehör für Flüstersprache beiderseits 6 m. Kein spontaner Ny¬ 
stagmus. Linke Hand etwas ataktisch, zeigt öfter nach links vorbei. 
Sonst normale Zeigebewegungen. Links und rechts kalt ausgespritzt, er¬ 
gibt typischen, kräftigen Nystagmus und deutliche, aber nicht besonders 
intensive Reaktionen im Schultergelenk beiderseits nach rechts und links, 
nach oben und unten. Fallreaktiou sehr gering, aber beiderseits gleich 
und in der Richtung durch KopfstellungsVeränderung typisch beeinflu߬ 
bar. Demnach Diagnose: Kochlear- und Vestibülarapparat beiderseits 
intakt, kein Prozeß in der hinteren Schädelgrube nachweisbar. 

Die weitere Beobachtung seitens der Nervenklinik ergab: Wieder¬ 
holte Anfälle von starken Kopfschmerzen mit Erbrechen. Während des 
Kopfschmerzes besteht etwas Nystagmus vestibulären Charakters nach 
links (Dr. Bärany). Zeitweise Doppelsehen. 

Eine weitere Komplettierung der Prüfung der Reaktionsbewegungen 
auf dem Drehstuhl am 31. November ergab: Kopfbewegungen etwas 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 509 

ataktisch, doch wird mit Hilfe eines an einer Stirnbinde befestigten 
Stäbchens beim Zeigen auf den Finger richtig gezeigt. Reaktionsbewegungen 
des Kopfes während eines experimentellen Nystagmus nach allen Rich¬ 
tungen normal. Spontanes Zeigen mit beiden Füßen normal. Reaktions¬ 
bewegung der Füße normal. Bei Erzeugung eines vertikalen Nystag¬ 
mus nach aufwärts fällt Pat. typisch nach vorne, zeigt mit beiden 
Armen typisch nach abwärts, bei Erzeugung eines vertikalen 
Nystagmus nach abwärts typisches Fallen nach rückwärts und Vorbei¬ 
zeigen nach oben. Die Reaktionsbewegungen im Handgelenk und Ell¬ 
bogengelenk wurden nicht geprüft, da kein spontaner Fehler im Hand¬ 
gelenk und Ellbogengelenk bestand und bei der Schwäche der Reaktions¬ 
bewegungen im Armgelenk ein Fehlen der Reaktionsbewebungen im Hand¬ 
gelenk und Ellbogengelenk zu erwarten war. Auch war es mir bei oft¬ 
maligen Besuchen des Patienten der Kopfschmerzen halber unmöglich, 
den Patienten zu untersuchen, da ich ihm ein wiederholtes Drehen oder 
Ausspritzen nur in einer anfallslosen Zeit zumuten konnte. Bemerkens¬ 
wert war noch bei der Untersuchung das vollständige Fehlen der Übel¬ 
keiten, ein Symptom, das wohl auch normaliter vorkomrat, aber sich 
insbesondere bei der Untersuchung Kleinhirnkranker findet. 

Resümiere ich, so hat mir meine Untersuchung wohl das Vor¬ 
handensein geringfügiger, spontaner, zerebellarer Störungen ergeben 
(Romberg, häufiges Vorbeizeigen des linken Armes), aber irgendwelche 
sichere Ausfallserscheinungen fehlten. Ich dachte daran, die Gering¬ 
fügigkeit der Fallreaktionen als Ausfallserscheinungen aufzufassen, doch 
kann dies auch normaliter Vorkommen. Ich mußte daher von meinem 
Standpunkte aus, insbesondere auch mit Rücksicht auf das vollständige 
Fehlen des spontanen Nystagmus in anfallsfreien Zeiten, die Diagnose 
eines destruktiven Prozesses in der hinteren Schädelgrube ab¬ 
lehnen. 

Prof. Redlich hielt aber mit Rücksicht auf die Anamnese die 
Kopfschmerzen, das frühzeitige Auftreten der Stauungspapille, die wenn 
auch geringfügigen zerebellaren Störungen und das Fehlen anderer Herd¬ 
symptome, an der Diagnose eines Kleinhirntumors fest und überwies den 
Kranken behufs Operation an die Klinik Hofrat v. Eiseisberg. 

Daselbst wurde am 28. November der erste Akt der Kleinhim- 
freilegung ausgeführt. Die Operation gestaltete sich recht blutig. Es 
konnte nicht der ganze Knochen entfernt werden, sondern eine Spange 
in der Mittellinie wurde stehen gelassen. Acht Tage später konnte ich 
den Patienten, der sich subjektiv von den Folgen der Operation gut 
erholt hatte, wieder untersuchen. Ich fand: Sehr starkes spontanes Fallen, 
nach keiner bestimmten Richtung, am meisten nach links, kein spontaner 
Nystagmus. Spontanes Zeigen richtig. Gehör beiderseits herabgesetzt 
(Flüstersprache 2 bis 3 m). Kalorische Erregbarkeit rechts herabgesetzt, 
während des mäßig kräftigen kalorischen Nystagmus kein deutliches 
Vorbeizeigen, keine deutliche Beeinflussung des spontanen Fallens. Ka¬ 
lorische Erregbarkeit links (kalt) normal. Vorbeizeigen typisch, Fallen 


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510 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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nach links verstärkt. Einfluß der Kopfdrehung wegen des Verbandes 
nicht zu prüfen. Drehstuhl steht nicht zur Verfügung. Die Untersuchung 
hatte also eine Vermehrung der spontanen Gleichgewichtsstörungen und 
Herabsetzung des Gehörs sowie der kalorischen Erregbarkeit rechts er¬ 
geben» Insbesondere die starken spontanen Gleichgewichtsstörungen ließen 
jetzt doch an einen Prozeß im Kleinhimwurm denken. 

Zwei Tage später, am 8. Dezember, wurde von Hofrat v. Eiseis¬ 
berg der zweite Akt der Operation ausgeführt. Es wurde die stehen 
gebliebene Knochenspange entfernt, die Dura geschlitzt und herab¬ 
geschlagen und das Kleinhirn zunächst links punktiert. Hiebei ergab 
sich nichts. Nun wurde die Punktion rechts gemacht und hiebei zirka 
20 cm 3 Flüssigkeit vom Charakter der Zystenflüssigkeit aus beträchtlicher 
Tiefe (zirka 8 cm tief) entleert. Hofrat v. Eiseisberg inzidierte hierauf 
den hinteren Pol der rechten Hemisphären und ging mit dem Finger 
zirka 3 cm tief ein, konnte aber die Zyste nicht erreichen. Es wurde 
sodann nochmals links ohne Erfolg punktiert. Hierauf wurde der hintere 
Pol der rechten Kleinhirnhemisphäre, der prolabierte, abgetragen und 
die Dura vernäht. Links gelang die Vernähung ohne Abtragung von 
Kleinhirnsubstanz, doch wurde der hintere Pol der linken Hemisphäre, 
wenigstens soweit seine Rinde in Betracht kommt, bei der Duranaht 
beschädigt. 

Wir haben es hier mit einer Kleinhirnzyste zu tun, die auf Grund 
der vestibulären Prüfung der Reaktionsbewegungen des Körpers und der 
Extremitäten nicht diagnostiziert werden konnte. Die Gründe dafür 
können zweierlei sein. Erstens, die Zyste konnte in einer Kleinhiruregion 
sitzen, die weder für die Innervation der Extremitäten, noch der Rumpf¬ 
muskulatur bestimmt ist. Bolk nimmt an, daß die vor dem Sulcus pri- 
marius gelegenen Kleinhirnpartien für die Innervation der mimischen 
Muskulatur, der Larynx-, Pharynx-, Zungen- und Augenmuskulatur, be¬ 
stimmt seien, eine Ansicht, der sich bezüglich der Larynxmuskulatur 
kürzlich Rothmann auf Grund von Tierexperimenten angeschlossen 
hat. Tatsächlich ist die Zyste weit vorne gesessen; ob die erwähnte 
Muskulatur wirklich im Kleinhirn des Menschen vertreten ist, ist aller¬ 
dings noch vollkommen unerwiesen. In zweiter Linie kommt die Möglich¬ 
keit in Betracht, daß die Zyste die umgebende Hirnsubstanz nicht zer¬ 
stört, sondern nur verdrängt hatte, so daß eben die Funktionsprüfung 
Ausfallserscheinungen nicht aufdecken konnte. Es wäre dann anzunehmen, 
daß bei weiterem Wachstum der Zyste doch Ausfallserscheinungen auf¬ 
getreten wären. Dafür spricht auch der leider unvollständige Befund, 
der nach dem ersten Akt der Operation erhoben werden konnte und bei 
welchem eine beträchtliche Zunahme der Gleichgewichtsstörungen konsta¬ 
tiert werden konnte. In diesem Sinne ließe sich auch eine Kranken¬ 
geschichte verwerten, die mir Privatdozent Dr. Tetens Haid in Kopen¬ 
hagen in liebenswürdiger Weise zur Verfügung gestellt hat. 

Es handelt sich um einen 27 jährigen Mann, der am 11. Februar 
1911 auf der neurologischen Abteilung des Kommunehospitals Professor 
Frieden reich in Kopenhagen aufgenommen wurde. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 511 


Anamnese: Rein Schädeltrauma, Nikotin- und Alkoholabusus 
geleugnet, keine Lues. Seit einem Jahre leichte Depression. Vor drei 
Wochen Angina, dann plötzlich starke stechende Schmerzen im Hinter¬ 
kopf, Erbrechen. Vor vier Tagen Stirnkopfschmerz und Erbrechen. 

Status praesens: Etwas Schwindel. Augenhintergrund normal. 
Neurologisch kein Befund. Otologische Untersuchung am 25. Februar: 
Trommelfälle leicht katarrhalisch verändert. Untere und obere Tongrenze 
annähernd normal. Gehör beiderseits herabgesetz. Flüstersprache 2’5 du 
Kein spontaner Nystagmus. Kein Romberg. Normale kalorische Erreg¬ 
barkeit beider Vestibularapparate. Starker Nystagmus, kein subjektiver 
Schwindel. Prüfung der Reaktionsbewegungen des Körpers nach Bdrdny, 
während des kalorischen Nystagmus ergibt kein Fallen. Prüfung des 
Bdrdny sehen Zeige Versuchs: Spontanes Zeigen richtig. Während des 
experimentellen Nystagmus normale, aber wenig ausgesprochene Zeige¬ 
reaktionen nach rechts und links in beiden Armen (Schultergelenk). 
Demnach normaler Befund von Seiten des Vestibularapparates. 

7. März. Stauungspapille beiderseits. Wassermann negativ, wieder¬ 
holtes Erbrechen. 

15. März. Etwas Adiadokokinese links. 

20. März. Neuerliche otologische Untersuchung. Bei der kalorischen 
Prüfung ergeben sich heute normale Fallreaktionen. Bei Prüfung der 
Zeigereaktion während kalter Spülung links scheint es, als ob der linke 
Arm weniger nach links abweicht als der rechte. Der Unterschied ist 
aber so gering, daß man sich nicht berechtigt fühlt, ihn für die Diagnose 
zu verwerten. 

29. März. Nackensteifigkeit, Kopfschmerzen im Hinterkopf, Spur 
Romberg, ausgesprochene Adiadokokinese links. 

12. April. Zunahme der Stauungspapille; kann nicht mehr herum¬ 
gehen. Starkes Erbrechen. 

23. April. Dritte otologische Untersuchung. Akustische Funktion 
ungefähr wie am 25. Februar. Spontaner Nystagmus rotatorius nach 
rechts bei allen Blickrichtungen. Bei Blick geradeaus nur hinter der 
undurchsichtigen Brille (Bdrdny) sichtbar. Romberg : Fallen nach links 
und vielleicht nach hinten bei allen Kopfstellungen. Kalorische Erregbar¬ 
keit beiderseits normal. Zeigeversuch: Kein spontanes Vorbeizeigfn. 
Rechts kalt: Normales Abweichen beider Arme nach rechts. Links kalt: 
Rechter Arm weicht typisch ab, linker Arm weicht nicht ab, 
sondern zeigt immer richtig (Sch ultergelen k). 

25. April. Dasselbe Resultat. Zeigereaktion im linken 
Ellenbogengelenk, nach links fehlend. Keine deutlichen 
Reaktionsbewegungen in den Hand- und Hüftgelenken. 

Diagnose: Tumor der linken Kleinhirnhemisphäre. 

Die am 3. Mai von Prof. Ts ch erning vorgenomracne einzeitisre 
Freilegung der linken Kleinhirnhemisphäre deckte 1 bis 2 mm unter der 
Oberfläche eine große Zyste auf, deren Inhalt dünnflüssig und gelb war. 
Der weitere Verlauf ist nicht von wesentlichem Interesse. Am 17. Juni 
erfolgte der Exitus. 


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512 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Die Sektion ergab in der linken Kleinhirnhemisphäre eine entleerte 
Zyste, an einen harten Tumor grenzend. Die histologische Untersuchung 
steht noch aus. 

Resümiere ich kurz, so haben wir es hier mit einem Falle von 
Kleinhirnhemisphärentumor zu tun, der bei den ersten beiden Unter¬ 
suchungen durch die vestibuläre Prüfung der Reaktionsbewegungen nicht 
nachgewiesen werden konnte. Die konsequente Wiederholung ergab aber 
bei der dritten Untersuchung ein eklatant pathologisches Verhalten, so daß 
hauptsächlich auf Grund des Ausfalles der Zeigereaktion die richtige 
Diagnose gestellt werden konnte. Auch in diesem Falle kann die Frage 
nicht beantwortet werden, ob der ursprünglich negative Befund durch 
den besonderen Sitz des Tumors oder durch die Verdrängung der Klein¬ 
hirnsubstanz ohne Zerstörung derselben bedingt war. Man ersieht daraus 
die große Bedeutung der Möglichkeit einer Lokalisation im Kleinhirn. 
In dieser Beziehung nun scheint mir der postoperative Verlauf unseres 
Falles von großer Bedeutung. Wie erinnerlich, wurde bei der Operation 
der hinterste Pol der rechten Kleinhirnhemisphäre abgetragen, der sym¬ 
metrisch gelegene Pol der linken Hemisphäre wenigstens, soweit die 
Rinde in Betracht kommt, verletzt. Die hier in Betracht kommenden 
Partien des Kleinhirns sind die medialst gelegenen Bezirke des Lobus 
semilunaris superior und inferior, welche ja nach Bolk mit der Inner¬ 
vation der Extremitäten zu tun haben sollen. Einen Fall, bei welchem 
eine Läsion dieser Teile bestand, hatte ich noch nicht gesehen, ich mußte 
also hier eine bisher noch nicht beobachtete Art des Vorbeizeigcns, sei es 
der oberen, sei es der unteren Extremitäten, erwarten. Was die obere 
Extremität betrifft, so hatte ich festgestellt, daß in den der hinteren Pyra¬ 
midenfläche zugekehrten Partien des Lobus semilunaris inferior, eventuell 
des Lobus biventer, die Zentren für den nach einwärts gerichteten Tonus 
des Hand- und Armgelenks sitzen. In dem lateralen Teile des Lobus 
semilunaris superior glaube ich das Zentrum des Tonus nach auswärts 
für das Armgelenk nachgewiesen zu haben. Es bleiben also für die hier 
verletzten rückwärtigen Partien nur die Zentren für den nach auf- und 
abwärts gerichteten Tonus übrig und es war spontanes Vorbeizeigen 
nach aufwärts oder abwärts und entsprechendes Fehlen der Zeigereaktion 
nach abwärts oder aufwärts zu erwarten. Der postoperative Verlauf 
unseres von Hofrat v. Eiseisberg operierten Falles gestaltete sich nun 
außerordentlich günstig. Die Kopfschmerzen verschwanden und sind seit 
der Operation nicht wiedergekehrt. Die Wunde heilte reaktionslos. Bereits 
am zehnten Tage konnte Patient das Bett verlassen und herumgehen. 
Die Stauungspapille ist nahezu ganz verschwunden, das Sehvermögen 
hat sieh sehr gebessert. Eine flüchtige Untersuchung im Bette konnte 
ich bereits am Tage nach der Operation vornehmen. Ich konstatierte 
hiebei starke Ataxie bei den Bewegungen beider Arme, besonders des 
rechten. Wiederholt war bereits heute Vorbeizeigen nach oben im rechten 
Arme zu konstatieren. Es besteht kein Nystagmus. Beide Arme zeigten 
auch öfter nach außen vorbei. Zwei Tage später (11. Dezember) konnte 
die Untersuchung besser durchgeführt werden. Der rechte Arm zeigte 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 513 

spontan richtig bei Bewegung in der Vertikalen. Bei seitlicher Be¬ 
wegung war konstant Vorbeizeigen nach oben vorhanden. 
Auch der linke Arm zeigte ziemlich konstant nach oben vorbei, wieder¬ 
holt aber auch nach außen. Beide Füße zeigen richtig. Arme und Beine 
ziemlich stark ataktisch. Bei kalorischer Prüfung trat typischer Nystag¬ 
mus mäßigen Grades auf, die Reaktionen der Extremitäten waren jedoch 
alle nur sehr schwach. Die Reaktion nach unten scheint im rechten 
Arme zu fehlen. 

15. Dezember. Beide Arme zeigen spontan nach oben vorbei; bei 
kalorischer Prüfung tritt kräftiger Nystagmus auf, Vorbeizeigen ist jedoch 
weder nach rechts noch nach links, noch nach unten auslösbar. 

19. Dezember. Patient, der herumgeht, kann auf dem Drehstuhl 
untersucht werden. Es besteht spontaner Nystagmus horizontalis nach 
links, besonders hinter der undurchsichtigen Brille deutlich. Rechter Arm 
zeigt nach oben vorbei, linker Arm nicht so deutlich. Nach Drehung 
sind deutliche Reaktionsbewegungen in beiden Armen nach rechts und 
links vorhanden. Die Reaktion nach abwärts fehlt komplett im rechten 
Arme, im linken scheint sie vorhanden zu sein. Bei kalorischer Prüfung 
sind sehr schwache Reaktionsbewegungen der Arme nach rechts und 
links vorhanden, Fallreaktion scheint zu fehlen. 

22. Dezember. Es besteht spontaner horizontaler Nystagmus nach 
rechts hinter der Brille. Rechter Arm zeigt nach oben vorbei, linker Arm 
zeigt richtig. Rechts und links kalt ausgespritzt, ergibt typisches Vorbei¬ 
zeigen beider Arme nach rechts und links. Die Fallreaktionen sind von 
der linken Seite aus, bei kalorischer Prüfung, wenn auch sehr schwach, 
doch typisch auslösbar, von der rechten Seite ist ein Fallen nach rechts 
erhältlich. 

3. Januar 1912. Etwas spontaner Nystagmus nach rechts und 
links. Linker Arm zeigt zuerst öfter nach links vorbei, dann aber richtig. 
Rechter Arm zeigt stark nach aufwärts vorbei, auch linker Arm öfter 
nach aufwärts. Rechts- und Linksdrehung ruft typisches Vorbeizeigen 
nach rechts und links in beiden oberen Extremitäten hervor. Während 
eines vertikalen Nystagmus nach abwärts zeigen beide oberen Extre¬ 
mitäten stark nach aufwärts vorbei: Während eines vertikalen Nystagmus 
nach aufwärts fehlt das Vorbeizeigen nach abwärts im rechten Armo 
vollkommen und scheint auch im linken Arme fast vollständig zu fehlen. 
Die Prüfung der Fallreaktion bei kalter Spülung rechts ergibt geringes, 
aber typisches Schwanken nach rechts und bei Drehung des Kopfes nach 
links, auch nach vorne. 

12. Januar 1912. Spontanes Zeigen im Handgelenk und Ellenbogen¬ 
gelenk und Armgelenk richtig bis auf das Vorbeizeigen nach oben in 
beiden Armen. Die Prüfung der Rcaktionsbewegungen mittels Drehung 
ergibt in beiden Handgelenken keine Reaktionen nach keiner Richtung, 
im Ellenbogen deutliche Reaktionen nach rechts und links, ebenso im 
Armgelenk beider oberen Extremitäten. Die Reaktionen nach abwärts 
fehlen im Armgelenk sowohl rechts wie links, u. zw. sowohl während 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIIT. Bd. 


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514 Bericht dea Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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eines vertikalen Nystagmus nach aufwärts, als auch während eines rota¬ 
torischen Nystagmus. Die Reaktionen nach aufwärts sind dagegen 
sowohl beim vertikalen Nystagmus nach abwärts, als auch beim rotatori¬ 
schen Nystagmus sehr deutlich. Gehör, das zeitweise nur 1 m für 
Flüstersprache betragen hatte, ist jetzt beiderseits wieder annähernd 
normal. 

Resümee: Nach der operativen Verletzung symmetri¬ 
scher Stellen der beiden Kleinhirnhemisphären am hin¬ 
teren Pole tritt an beiden oberen Extremitäten Vorbei¬ 
zeigen nach oben auf und bei Erzeugung eines ent¬ 
sprechenden Nystagmus fehlt die Reaktionsbewegung 
nach abwärts in beiden oberen Extremitäten. Das Fehlen 
der Reaktion ist rechts, wo ein Stück Kleinhirn abgetragen wurde, ab¬ 
solut sicher, links ist öfter noch eine Spur von Reaktion nachweisbar. 
Ich glaube daher, daß in dem medialst gelegenen Bezirke des 
Lobus semilunaris superior und inferior das Zentrum 
des nach abwärts gerichteten Tonus für die obere Extre¬ 
mität gelegen ist. Bemerkenswert ist noch die Herabsetzung der Erreg¬ 
barkeit des gesamten Kleinhirns kurze Zeit nach der Operation; sie ist 
wohl als Folge des Operationstraumas aufzufassen. 

c ) Vorläufige Mitteilung: 

Dr. N. Murachi-Tokio: Über die titrierbare Azidität 
und die Quellungsfähigkeit des urämischen Gehirnes. 

Meine Herren! Im nachfolgenden erlaube ich mir, Ihnen über dieses 
Thema einige kleine vorläufige Mitteilungen zu machen. Die Lehre vom 
Wesen der Urämie bleibt uns noch immer ein schwieriges Problem und 
es gibt darüber viele Theorien, angefangen von der Lehre des Him- 
ödems bis zur neuesten Anschauung der mangelhaften inneren Nieren¬ 
sekretion. Keine dieser Meinungen kann sich jedoch behaupten, so daß 
man schon im Sinne der Autointoxikation die Mehrzahl der Stoffwechsel¬ 
abbauprodukte beschuldigt hat, das Auftreten der Urämie veranlaßt zu 
haben und es sogar auch nicht an der Anschauung fehlt, daß sie die Folge 
einer Säure Vergiftung sei — was aber von Prof. v. Noorden und 
anderen als unwahrscheinlich angesehen wird. Obzwar von Zweifel 
die Behauptung aufgestellt wurde, daß die Ursache für Eklampsie, die 
nach ihm mit Urämie zwar nicht identisch, aber doch nahe verwandt 
ist, in dem Auftreten der Milchsäure zu suchen sei, kann man hier 
doch nicht mit Sicherheit sagen, ob der Milchsäurebefund wirklich als 
Ursache oder aber erst als Folge der Eklampsie anzusehen ist, um so 
mehr, als kürzlich von Fries konstatiert wurde, daß die Milchsäure 
einen fast normalen Bestandteil des Blutes bildet. Die Lehre der Säure¬ 
vergiftung bei Urämie ist aber von großem Interesse, wenn wir uns 
einmal die Frage über die Entstehung des Ödems im Sinne Fischers 
zuwenden und uns zugleich an das Vorhandensein von Gchirnschwellung, 
respektive Hirnödems bei Urämie erinnern. 

Wie Sie wissen, meine Herren, haben Pötzl und Schüller, 
Klose und Vogt, im Anschluß an die Theorie von Fischer die 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 515 


Hirnschwellung der vermehrten Quellungsfähigkeit der kolloidalen Hirn¬ 
bestandteile infolge von Säureanhäufung zugeschrieben, wenngleich sich 
gerade das Nervengewebe nach Bauer, PHbram und anderen ganz 
anders als andere kolloidale Substanzen verhalten soll. Nach Bauer 
wirken die Säuren auf das Nervengewebe nicht quellend, sondern im 
Gegenteile entquellend ein, was er damit erklärt, daß dieses Gewebe 
besonders lipoidreich sei. Wenn diese Annahme Bauers richtig wäre, 
könnten wir uns aber die Hirnschwellung nicht durch Anhäufung von 
Säure erklären. Unser Problem ist also, zu untersuchen, ob die Azidität 
des urämischen Gehirns größer als die des normalen ist und wie sich 
überhaupt das urämische Gehirn quellenden Medien gegenüber verhält. 

Als Material für die Untersuchungen haben wir das Gehirn, be¬ 
ziehungsweise das Kückenmark von durch Ureterunterbindung urämisch 
gemachten Kaninchen verwendet. Es ist natürlich und eine längst 
bekannte Tatsache, daß die durch Ureterunterbindung hervorgerufene 
Urämie nicht ganz identisch mit der natürlich eingetretenen ist, doch 
wollten wir das Material nicht von menschlichen Leichen nehmen, weil 
unseres Erachtens die Zeit vom Tode bis zur Untersuchung von großem 
Einflüsse auf das Resultat ist. Darauf werde ich jedoch später noch zu 
sprechen kommen. 

Wir haben titrimetrisch drei urämische, ein vermutlich urämisches 
und ein gesundes Kaninchen — zur Kontrolle — untersucht und die 
erhaltenen Werte in der Tabelle zusammengestellt. 

Ich muß aber noch erwähnen, daß bei der ersten Hälfte eines 
Gehirns, das bald nach dem Tode untersucht wurde, die Endreaktion 
nur allmählich und nicht scharf, während sie bei der zweiten Hälfte 
desselben Materials, nach der IT^^ndigen Aufbewahrung, viel schärfer 
ausfiel. Der Gedanke liegt also nahe, daß die Substanz, welche sich in 
Säuren spalten kann, dazu eine geraume Zeit braucht, daß diese Spaltung 
in Azide allmählich vor sich geht und daß also, wie Sie in der Tabelle 
Beben können, der Erfolg der Neutralisation weniger von der Krankheit, 
als vielmehr von der Zeit abhängig ist, die zwischen Tod und Unter¬ 
suchung vergeht. 

Wir wissen wohl, daß die erhaltenen Werte kein Maß für die 
Azidität im physiko-chemischen Sinne, nämlich für die Wasseretoffionen- 
konzentration sind und auch keine sicheren Anhaltspunkte für die An¬ 
häufung der präformierten Säuren im Gehirn bieten; doch lassen die 
erhaltenen Zahlen, das heißt die Alkalimengen, welche zur Neutralisation 
des Materials notwendig waren, die herrschende titrierbare Azidität 
einigermaßen vermuten. Wir haben uns vorderhand mit diesen groben 
Ergebnissen begnügt und müssen genauere Resultate einer exakteren 
Methodik überlassen. 

Um nun auf den zweiten Teil meiner Mitteilungen zu kommen, möchte 
ich vor allem sagen, daß ich die Quellungsversuche streng nach Bauer 
ausgeführt habe. Die Resultate beim gesunden Tiere stimmen im all¬ 
gemeinen mit den Ergebnissen von Bauer überein. Die Ergebnisse der¬ 
selben finden Sie auf den beiden Kurven, die ich zirkulieren lasse. 

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516 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Bei einem urämischen Falle ergab sich allerdings die merkwürdige 
Tatsache, daß physiologische Kochsalzlösung wie beim gesunden Falle 
wirkte, aber doch die Quellungsfähigkeit gegen Wasser bedeutend herab¬ 
gesetzt war; dagegen erschien die Quellung gegen die Säuren bei 
Konzentrationen von 1 : 1000 und 1 : 2000 normal, ebenso wie die 
gegen Wasser oder sogar noch großen Bei dem zweiten urämischen 
Falle — auf der Kurve mit Bleistift — sieht man fast dieselben Er¬ 
gebnisse. 

Um nun zu sehen, wie die Verhältnisse bei urämischem mensch¬ 
lichen Gehirn liegen, wurde auch solches Material untersucht, dessen 
liebenswürdige Überlassung ich Herrn Hofrat Weichselbaum ver¬ 
danke. Zur Kontrolle habe ich auch ein normales menschliches Gehirn 
eines Ileuskranken verwendet. Die hier erhaltenen Resultate sind im 
Prinzipe ähnlich wie die beim Tiere. 

Wenn wir nun die Resultate zusammenfassen, so könnten wir 
zwar gewisse Eigentümlichkeiten des urämischen Nervensystems in bezug 
auf seine Quellungsfähigkeit ersehen, welche wir vielmehr als Folge 
anderer Stoffwechselabbauprodukte bezeichnen könnten, als sie als Folge 
der Säurevergiftung anzusehen; doch wollen wir uns wegen des geringen 
Versuchsmaterials bloß auf die Beschreibung der erhaltenen Tatbefunde 
beschränken und folgendes sagen: 

1. Wie schon von Bau er beobachtet wurde, verhält sich das Hirn - 
gewebe gegen Säuren ganz anders als andere kolloidale Substanzen. 

2. Die Quellungsfähigkeit des Gehirns gegen Säuren und gegen 
Wasser scheint mit zunehmender Zeitdauer nach dem Tode herabgesetzt 
zu werden. 

3. Die Quellungsfähigkeit des urämischen Nervengewebes gegen 
Wasser scheint geringer als jene des normalen Nervengewebes zu sein, 
während sie gegen starke Säuren ebenso oder noch größer als die des 
normalen Gewebes sein dürfte. 

4. Sehen wir mit ziemlicher Gewißheit, daß die titrierbare Azidität 
des Gehirns — in unserem Sinne — bei Urämie keine wesentliche Zu¬ 
nahme zeigt und vielmehr von der Zeit abhängig zu sein scheint, die 
zwischen dem Tode und der Untersuchung verstreicht. 

Zum Schlüsse möchte ich auch an dieser Stelle Herrn Hofrat 
Prof. Obersteiner meinen besten Dank für die freundliche Unter¬ 
stützung aussprcchen und zugleich den verehrten Anwesenden dafür 
danken, daß Sie meine in einem japanischen Deutsch, d*is heißt nicht 
deutschem Deutsch, gehaltenen Mitteilungen mit Geduld angehört haben. 

Diskussion: Dr. Pötzl erkennt die Wichtigkeit der Befunde 
des Vortragenden an, bezweifelt aber, ob sich diese auf die Verhältnisse 
im lebenden Organismus ohne weiteres anwenden lassen. Schüllers 
und seine Auffassung der Hirnschwellung steht vor allem mit den 
klinischen Tatsachen in gutem Einklang. 

Priv.-Doz. Dr. Erwin Stransky: Referat über den der¬ 
zeitigen Stand der Klinik der Dementia praecox. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 517 


Ref. skizziert in großen Zügen die Grundlagen der Kraepelin- 
schen Konzeption der Krankheit, wobei er insbesonders darauf hinweist, 
daß die drei Grundformen, Hebephrenie, Katatonie und Dementia para¬ 
noides über ihren ursprünglichen Sinn hinaus erheblich erweitert worden 
sind, ehe aus ihnen der Gesamtbegriff der Psychose entstanden ist. 
Sodann wendet er sich den wesentlichsten kritischen Einwänden und 
Modifizierungen zu, welche die klinische Konzeption in neuerer Zeit er¬ 
fahren hat; die Mehrzahl derselben stammt daher, daß der Name der 
Krankheit nicht glücklich gewählt ist, da weder die Demenz, noch der 
frühe Beginn pathognostisch sind. Am wesentlichsten im psychischen 
Krankheitsbilde erscheint vielen neueren Autoren der seinerzeit vom 
Referenten besonders hervorgehobene dissoziierte Zug (intrapsychische 
Ataxie nach der Terminologie des Referenten), andere Autoren, zum 
Beispiel neuerdings wieder Berze, halten auch diese Phänomene für 
sekundär. In allerjüngster Zeit hat die sogenannte psychoanalytische 
Richtung auch die Dementia praecox in den Bereich ihrer Betrachtungen 
einbezogen. Jung und andere, vor allem aber neuestens Bleuler. 
Ref. setzt sich mit den Ergebnissen dieser Arbeiten kritisch auseinander 
und lehnt sie aus vielerlei Gründen ab, insbesonders auch darum, weil 
sie zu sehr subjektiv sind, viel zu einseitig vom Inhalte der Psychose 
ausgehen und schließlich deren unbezweifelbar organischen Grundcharakter 
zu sehr aus dem Auge lassen; der Name Schizophrenie, den Bleuler 
vorschlägt, ist allerdings insoferne glücklich, als er den dissoziativen 
Charakter der Psychose ausdrückt; insoweit akzeptiert ihn Referent. 
Endlich wird noch auf die kasuistische Symptomatologie ausführlicher 
eingegangen. (Die wesentlichen Ausführungen des Ref. werden als Original¬ 
artikel anderen Ortes erscheinen.) 

Diskussion: Hofrat Wagner v. Jauregg: Die Dementia 
praecox ist bekanntlich in der Zeit zwischen der dritten und vierten 
Auflage des Kraepelinsehen Lehrbuches zur Welt gekommen. Während 
die dritte Auflage noch keine Andeutung von ihr enthält, ist sie in der 
vierten Auflage schon mit der Teilung in drei Unterformeu, die Hebe¬ 
phrenie, die Katatonie und die Dementia paranoides, aufgetreten. Der 
Beweggrund Kraepelins, diese Form als eine neue Gruppe von 
Psychosen aufzustellen, war offenbar der, den Ausgang der Psychosen 
zu berücksichtigen. Er sagt in der Einleitung, daß er eine Gruppe von 
Fällen zusammenfasse, die das Gemeinsame haben, daß sie rasch zu 
geistiger Abschwächung führen. 

Es fragt sich nun, ob damit etwas wirklich Brauchbares geleistet 
wurde? Diese Auffassung möchte ich bedingterweise bejahen. Die erste 
Form, die Hebephrenie, hat in der früheren Systematik keine genügende 
Berücksichtigung gefunden. Sie wurde in der Regel nicht im speziellen 
Teile abgehandelt, sondern nur nebenbei im allgemeinen Teile erwähnt. 
Sie ist aber einerseits eine sehr wohl charakterisierte Krankheit und 
man ist gut imstande, sie mit ziemlicher Sicherheit zu diagnostizieren ; 
anderseits ist die Diagnose eine sehr wichtige — vor allem für die 
Verständigung und für die Prognosestellung. In dieser Richtung ist es 


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518 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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eine sehr anerkennenswerte Leistung, daß Kraepelin die Kahl- 
baumsche und Heck er sehe Hebephrenie zu größerer Geltung gebracht 
hat. Er hat sie auch noch erweitert und mit dieser Aufstellung gewiß 
eine praktisch sehr brauchbare Krankheitsgruppe abgetrennt. 

Weniger überzeugt bin ich von dem großen Werte der Aufstellung 
der Dementia paranoides und der katatonischen Form der Dementia 
praecox. Dabei will ich von vorne herein bemerken, daß ich sehr wohl 
die großen Leistungen in der Verfeinerung der Symptomatologie an¬ 
erkenne, die im Laufe der ganzen Bewegung vollbracht worden sind. 
Was nun die Katatonie anbelangt, so war ihre Stellung im Krae- 
pelinschen System eine etwas wankende. Ursprünglich war sie zwei¬ 
geteilt: Im Rahmen der Dementia praecox hatten nur die unheilbaren 
Formen Aufnahme gefunden: die heilbaren Formen waren — abgesehen 
davon, daß Kraepelin auch damals betonte, daß katatonische Sym¬ 
ptome auch anderswo Vorkommen — in seinem depressiven Wahnsinn 
enthalten. Am wenigsten bin ich überzeugt, daß mit der Abtrennung 
der Dementia paranoides von der Paranoia etwas geleistet ist, außer 
wenn man sich auf den von Kraepelin später eingenommenen Stand¬ 
punkt stellt. 

Alle diese Formen waren ursprünglich unheilbar. Das hatte den 
Wert, daß man mit der Bezeichnung Dementia praecox eine Psychose 
bezeichnete, die in Verblödung übergehen wird. Im Laufe der Zeit hat 
sich die Dementia praecox sehr erweitert und schließlich einen großen 
Teil aller Psychosen in sich aufgenommen. Woher sind diese Psychosen 
gekommen? Erstens hat die Dementia praecox den depressiven Wahn¬ 
sinn aufgezehrt. Die Amentia ist zwar noch geblieben; während sie 
aber früher eine Krankheit war, die heilen konnte, die aber auch un- 
geheilt bleiben konnte, ist sie jetzt eine durchaus heilbare Krankheit 
geworden. Die Paranoia wurde zwar noch als Krankheitsform aufrecht 
erhalten; in den späteren Auflagen des Kraepelin sehen Lehrbuches 
aber sieht man, daß das meiste, was früher als Paranoia bezeichnet 
wurde, in die Dementia paranoides geraten ist. Früher wußte man, daß 
es — besonders bei jugendlichen Personen — Fälle gibt, die rasch in 
Verblödung übergehen, daß andere Fälle stationär bleiben. Jetzt wurde 
das zur Dementia paranoides und man kann sich diese ganz als das 
denken, was man früher als Paranoia bezeichnet hat. 

Das ist die Kraepelinsehe Auffassung der Dementia praecox. 
Ihr praktischer Wert ist verloren gegangen. Es gibt eine Menge heil¬ 
barer Formen: In der letzten Auflage wird angeführt, daß nur 59 ° / 0 
der Katatonie in schwere Schwächezustände übergehen. 41 °/ 0 derselben 
heilen also mit oder ohne Defekt. Sogar von der Hebephrenie, sogar von 
der Dementia paranoides gibt es Heilungen. Durch die große Aus¬ 
dehnung der Dementia praecox ging ihr prognostischer Inhalt verloren, 
ist ihr Wert, wenigstens der praktische, entschieden gesunken. 

Daß die Dementia praecox einheitliche Krankheitsprozesse umfasse, 
dafür ist der Beweis noch nie erbracht worden. Ihre Fälle sind ätio- 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 519 

logisch so außerordentlich verschieden bedingt, daß es kaum zu erwarten 
ist, daß es sich um etwas Einheitliches handle. Auch die Symptomato¬ 
logie ist sehr auseinandergegangen. Das Band, das die Krankheit ur¬ 
sprünglich zusammengehaltcn hat, ist verloren gegangen. 

Ich gehe nun zur neuesten Wandlung über, die diese Frage er¬ 
fahren hat, zu ihrer Darstellung durch Bleuler, über welche Herr 
Dr. Stransky hier in so gediegener Weise referiert hat. Das Beste 
an der Neuerung — so kommt es mir beinahe vor — ist der Name. 
Die Begründung für die Einführung desselben, daß es ein Wort sein 
müsse, von dem man ein Adjektiv bilden und mit dem man den Kranken 
bezeichnen kann, finde ich gelungen. 

Was das Wesen der Sache anbelangt, so sehe ich, daß Bleuler 
die Dementia praecox als Schizophrenie noch viel mehr ausgedehnt hat, 
und wenn man der Sache auf den Grund geht, so stellt sich heraus, 
daß sich Bleuler in gewissem Sinne sehr stark an Meynert anlehnt. 
Meynert hat das Krankheitsbild der Amentia geschildert. Das war 
eine symptomatologische Einheit: Die ganze Krankheit war nur durch 
ein Symptom charakterisiert, durch die Assoziationsstörung im weitesten 
Sinne des Wortes. Daß er sich selbst darüber ziemlich klar war, daß 
er verschiedene Krankheiten nur unter einem Symptomatologischen Be¬ 
griff zusammenfasse und nicht einen Krankheitsprozeß schildere, geht 
daraus hervor, daß er unter dem Titel der Amentia zum Beispiel auch 
die epileptischen Geistesstörungen, das Delirium alcoholicum, sogar die 
Lyssa schilderte. Allerdings hat Meynert auch Ausführungen gebracht, 
die diese Erkrankungen als Erscheinungen eines Krankheitsvorganges, 
eines Prozesses erweisen sollten; doch wurde dieser Teil seiner Lehre, 
abgesehen von einigen minder kritisch veranlagten unter seinen Schülern, 
ohnedies nicht so sehr beachtet. Man mußte sich darüber klar sein, daß 
die Amentia nur eine symptomatologische Einheit ist. 

Wenn Sie nachsehen, was Bleuler unter Schizophrenie versteht, 
so sehen wir, daß sie eigentlich — abgesehen von einigen bedenklichen 
Zuwächsen, auf die ich noch zurückkommen werde — nichts anderes 
ist, als die Amentia Meynert 8. Die Störung des Assoziationsvorganges, 
nicht nur der Assoziation von Vorstellungen, sondern des Assoziations¬ 
prozesses überhaupt, stellt Bleuler als das wichtigste Symptom hin, 
das alle Formen der Krankheit zusammenhält. War der ursprüngliche 
Fortschritt schon im Laufe der Umwandlung des Dementia praecox- 
Begriffes selbst verloren gegangen, so ging durch die Aufstellung der 
Schizophrenie noch weiteres verloren. So ist zum Beispiel die Amentia 
Kraepelins in der Schizophrenie Bleulers enthalten. Bleuler 
spricht zwar hin und wieder von ihr, aber wie von einer Krankheit, 
die er nie gesehen. Ihre Differentialdiagnose von der Schizophrenie be¬ 
zeichnet er als das schwierigste Kapitel der Differentialdiagnose. Er 
gibt für sie keinen Anhaltspunkt, da er ja die Amentia nie ge¬ 
sehen hat. 

Es kommen aber noch andere Momente in Betracht. Die Menschen 
mit der Dementia praecox sind wenigstens geisteskrank. In der Schizo- 


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520 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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phrenie Bleulers befinden sich aber auch eine Menge von Geistes¬ 
gesunden — nämlich die latenten Schizophrenen, bei denen die Geistes¬ 
krankheit sich bei irgend einer Gelegenheit, zum Beispiel einer fieber¬ 
haften Krankheit, entwickelt. Bekommt die Person diese Krankheit nicht, 
dann merkt man ihre Schizophrenie vielleicht während ihres ganzen 
Lebens nicht — das heißt, 'man merkt sie erst bei genauer Unter¬ 
suchung. In dieser Schizophrenie finden sich also nicht bloß Krank¬ 
heiten, sondern auch Veranlagungen. Wir kommen da auf eine, meines 
Erachtens, sehr bedenkliche Richtung, besonders dort bedenklich, wo 
forensische Fragen in Betracht kommen. Es sind eine Menge Methoden 
ersonnen worden, um allerhand feine Abweichungen von den normalen 
geistigen Funktionen herauszubringen. Doch sind diese Lehren noch 
etwas unfertig, da man nicht weiß, wieviele derartige Störungen sich 
auch bei Gesunden durch genaue Untersuchungen herausbringen lassen, 
respektive, wieviel Gesunde überhaupt noch übrig bleiben. Das ist eine 
Methode der Forschung, die theoretisch genommen, sehr anerkennenswert 
ist. Wenn wir sie aber in praktische Psychiatrie übertragen wollen, 
werden wir sehr schlimm fahren; zumal wenn wir uns mit ihr auf das 
forensische Gebiet hinüberwagen wollten, indem wir in foro jemanden 
als geisteskrank bezeichneten, weil wir bei der Vornahme eines Assoziations¬ 
versuches diese oder jene Abweichungen von dem — noch nicht auf 
seine Richtigkeit geprüften — Durchschnitt herausgefunden hätten. 

Ich habe das hervorgehoben, weil das noch in einer anderen 
Richtung eine Rolle spielt. Die ursprüngliche Dementia praecox war 
eine unheilbare Krankheit. Später sind eine Reihe von Fällen hinzu¬ 
gekommen, unter denen zur Überraschung der Autoren so und so viele 
heilten. Es hat sich nun die bedenkliche Tendenz geltend gemacht, diese 
Heilungen wegzudisputieren und anzunehmen, daß es sich um Remis¬ 
sionen handle. Es seien keine vollständigen Heilungen; vielmehr stellen 
sich bei genauen Prüfungen noch manche Störungen heraus — ohne 
daß man berücksichtigte, ob das nicht schon früher so war. Dieses 
Wegdisputieren der Heilungen ist unberechtigt. Es ist unrichtig, wenn 
man Fälle einreiht, die heilbar sind und behauptet, daß sie nicht voll¬ 
ständig geheilt sind. Das ist in noch viel höherem Maße, als es früher 
geschah, bei Bleuler der Fall. Er hat keinen Fall von Dementia 
praecox gesehen, in dem es ihm nicht leicht gelungen wäre, Defekte 
nachzuweisen. In dieser Richtung gibt die Darstellung Bleulers zu 
vielen Bedenken Anlaß. Ich glaube nicht, daß der Begriff Schizophrenie 
in diesem Sinne haltbar ist. Bleuler ist auf den M ey nertscheu 
Standpunkt zurückgegangen. Daß er auch die Veranlagungen hinein- 
nimint, finde ich bedenklich. Wenn man der Sache auf den Grund 
geht, so findet man ein Sammelsurium verschiedenster Krankheiten. 
Bleuler selbst deutet es an, cs sind eigentlich alle funktionellen Psy¬ 
chosen darin. Mit der wirklichen Leistung steht in gewissem Gegensatz 
der hohe Grad von Selbstbewußtsein und von prophetischer Überzeugung, 
die Geringschätzung der Leistungen anderer, mit der das alles vor¬ 
getragen wird. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 521 

Auf die umstürzlerischc Neuerung, die Bleuler da in die funktio¬ 
nellen Psychosen hineingebracht hat, nämlich die Komplexgeschichte, 
muß ich mich außerstande erklären, einzugehen. Ich bin viel zu wenig 
Sexualneurastheniker, um bei jeder Vorstellung eine solche aus dem 
Sexualgebiet zu assoziieren. 

Prim. Dr. Berze: Auf einen Punkt ist meines Erachtens der Herr 
Vortragende in seinem Referate etwas zu wenig eingegangen. Wenn wir 
die Entwicklung der Lehre der Dementia praecox verfolgen, sehen wir 
allerdings, daß, wie der Herr Referent richtig betont hat, die Überein¬ 
stimmung der Endausgänge in ihren Hauptzügen es war, was das Prinzip 
für die Zusammenfassung der in ihren Symptomen oft so disparaten 
Krankheitsbilder, welche heute als Dementia praecox bezeichnet werden, 
in eine Gruppe abgegeben hat. Allmählich ist es aber immer klarer 
geworden, daß alle diese Krankheitsbilder auch ein psychologisches, 
oder, wenn man will, psychopathologisches Band zusammenhält 
und es hat sich, was zunächst nicht recht erwartet werden konnte, immer 
mehr die Aussicht eröffnet, daß die hebephrenen, die katatonen und die 
paranoiden Fälle auf ein und dieselbe „psychotische Wurzel“ 
zurückgeftihrt werden können. Diese Erkenntnis hat u. a. dazugeführt, 
daß das ursprüngliche Klassifikationsprinzip einigermaßen in den Hinter¬ 
grund getreten ist, daß man sich von der, ich möchte sagen, Einstellung 
auf den zu erwartenden Endzustand einigermaßen zu emanzi¬ 
pieren begonnen hat. Man wäre in dieser Hinsicht wahrscheinlich schon 
viel weiter gelangt, als es tatsächlich der Fall ist, wenn nicht von der 
ersten Entwicklungsphase der Lehre her noch die viel bemängelte Be¬ 
zeichnung Dementia praecox übrig geblieben wäre, die allerdings für die 
in Betracht kommenden Fälle durchaus nicht paßt. Ich habe da nicht 
vor allem die sogenannten heilbaren Katatonien im Auge, ich denke weit 
mehr an gewisse passagere Krankheitsbilder, die man heute da und 
dort noch, obwohl sie alle Charaktere, aufweisen, die wir bei entsprechenden 
Zustandsbildern sicherer Präkoxfälle konstatieren, zur Amentia rechnet, 
einzig und allein, weil sie sich eben als heilbar erweisen, ich denke 
ferner an jene periodisch verlaufenden Fälle, welche man trotz aller 
Übereinstimmung der Symptome mit entsprechenden Präkoxbildern geradezu 
gewaltsam zum manisch-depressiven Irresein schlägt; einzig und allein, 
weil sie sich eben als periodisch erweisen und weil man, was meines 
Erachtens ganz falsch ist, die Periodizität sozusagen als ein ausschlie߬ 
liches Privilegium des manisch-depressiven Irreseins betrachtet. Ich möchte 
nun aber durchaus nicht etwa den Anspruch erheben, daß diese Fälle 
und noch andere, von denen ich noch sprechen werde, zur Dementia 
praecox gerechnet werden. Es zeigt sich vielmehr, wie ich meine, daß 
die sogenannte Dementia praecox nur eine, wenn auch numerisch geradezu 
erdrückend prävalierende Untergruppe einer größeren Psychosengruppo 
bildet, welche außer den unheilbaren, chronischen, stationären oder 
progressiven, auch remittierenden, mit Recht als Dementia praecox be- 
zeichneten Formen, auch heilbare, periodische und rezidivierende Formen 
umschließt. Sozusagen zum Hausgebrauch habe ich als Bezeichnung für 


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522 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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diese große Psychosenhauptgruppe den Ausdruck hypotonische Psy¬ 
chosen gewählt, weil sich als psychotische Wurzel aller sie bildenden 
Fälle die Insuffizienz der psychischen Aktivität oder, wie 
ich sage, die Hypotonie des tätigen Bewußtseins herausstellt. 

In diese große Gruppe der, wenn ich so sagen darf, hypotonischen 
Psychosen, gehört auch eine numerisch recht ansehnliche Gruppe, die 
ich einstweilen als die Gruppe der pseudoneurasthenischen 
bezeichnen möchte. Ich rechne in diese Gruppe vor allem viele von den 
Fällen, die man heute noch, mangels eines geeigneteren Ausdruckes als 
neurasthenisches Irresein bezeichnet, ferner viele von den Fällen, 
für die eine Zeitlang die Bezeichnung Zerebrasthenie so beliebt 
war, ferner viele von den Fällen, die heute noch mit dem hinsichtlich 
nosologischer Stellung nichtssagenden Namen Hypochondrie belegt 
werden, endlich manche sogenannte Hysterie. Es ist schon von vielen 
Seiten betont worden, daß nicht selten die Däfferentialdiagnose zwischen 
Neurasthenie und beginnender Dementia praecox außerordentlich schwer 
ist. Dies ist darauf zurückzuführen, daß von der „zercbrasthenischen“ 
Neurasthenie über die hypotonischen Psychosen ein fließender Übergang 
zur Dementia praecox führt. Die schweren zerebrasthenischen Neurasthenien, 
wie sic z. B. Kr afft-Ebing zeichnet, namentlich seine „torpide Form 
der Zerebrasthenie® sind ausgesprochene hypotonische Psychosen mit 
Apperzeptionserschwerung, schwerer Störung der Aufmerksamkeitsfähigkeit, 
zeitweiliger Verständnislosigkeit, Erschwerung des Gedankenganges, Willens- 
insuffizienz und so weiter. 

Was nun die bereits berührte Frage der psychotischen Wurzel 
der Dementia praecox betrifft, so herrscht über ihr Wesen im allgemeinen 
recht weitgehende Übereinstimmung unter der großen Mehrzahl der 
Psychiater. Der Mangel an Initiative, die Insuffizienz der psychischen 
Energie, der Mangel an Zielstrebigkeit des Denkens, beherrscht ja auch 
in der Regel das Krankheitsbild in so deutlicher Weise, daß sich die 
Idee geradezu aufdrängen mußte, in ihr sei die Grundstörung der De¬ 
mentia praecox zu suchen. Auch meine eigene Ansicht geht dahin, daß 
die Grundstörung der Dementia praecox in einer Insuffizienz der 
psychischen Aktivität zu suchen ist. Nur möchte ich meinen, daß 
man nicht recht hat, wenn man irgend eine besondere Betätigungsform 
der psychischen Aktivität herausgreift und ihren Defekt als die Grund¬ 
störung anspricht. Nicht als Herabsetzung der Aufmerksamkeit, nicht als 
Defekt der durch Vorstellungen ausgelösten Gefühle, nicht als Defekt 
des ziclbewußten Denkens usw. ist die Grundstörung richtig charakterisiert, 
sondern als Insuffizienz der psychischen Aktivität in ihrer 
Totalität, in allen ihren Betätigungsformen. Was an psy¬ 
chischen Funktionen überhaupt von der psychischen Aktivität abhängig 
ist, erweist sich bei der Dementia praecox als gestört, bzw. alle psy¬ 
chischen Funktionen erweisen sich bei dieser Krankheit in so,weit gestört, 
als sie von der psychischen Aktivität abhängig sind. Insuffizient ist 
schon der Wahrnehmungsvorgang, insuffizient ist die Aufmerksamkeit, die 
Auslösung von Gefühlen durch Vorstellungen, die willkürliche Reproduktion, 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 523 

das apperzeptive Denken, das willkürliche Handeln. Da die genannten 
Tätigkeitsformen die psychische Aktivität nicht in gleichem Maße voraus¬ 
setzen, sind sie auch nicht in gleichem Maße gestört. Eine höhere 
Aktivitätsleistung ist die Konzentration der Aufmerksamkeit, ihre In¬ 
suffizienz ist daher so vielen Autoren aufgefallen; die niedrigste Aktivitäts¬ 
leistung ist der Wahrnehmungsakt, die Wahrnehmungsschwäche bei der 
Dementia praecox ist daher den meisten Autoren entgangen. Zu dem 
erweisen sich bei leichteren Fällen, bzw. in leichteren Stadien natürlich, 
nur die höheren Leistungen, von den komplizierten Denkvorgängen 
angefangen, als konstatierbar insuffizient, wogegen die Wahrnehmungs¬ 
schwäche nur in schwereren Fällen, bzw. Stadien in die Erscheinung tritt. 

Es handelt sich also meines Erachtens bei der Dementia praecox um eine 
Störung, welche sozusagen die gemeinsame Wurzel alles aktiven 
psychischen Lebens ergreift. Wie bereits erwähnt, ist von vielen 
Seiten bereits ähnliches vertreten worden, so namentlich von Weygandt, 
der die Apperzeptionsschwäche als das Wesentliche bei der Dementia 
praecox ansieht. Es sind aber auch von mehreren Seiten Ansichten 
geäußert worden, die von dieser Art, die Dinge zu sehen, tatsächlich 
oder anscheinend in wesentlichen Punkten abweichen. Uber den „Einbruch 
der Psychoanalytiker“ und seine Folgen, hat sich der Herr Vortragende 
in erschöpfender Weise geäußert und mir dabei aus der Seele gesprochen. 
Aber auch der Herr Vortragende selbst hat sich bekanntlich eine An¬ 
schauung gebildet, die in gewisser Beziehung als apart gelten kann; 
über sie möchte ich noch ein paar Worte sprechen. 

Herr Priv.-Doz. Stransky teilt die psychischen Vorgänge in die 
„Noopsyche“ und die „Thymopsyche“, also in zwei Gruppen, die un¬ 
gefähr dem entsprechen, was andere Intellekt und Affektivität, oder 
Intellekt und Wille genannt haben. Normalerweise besteht zwischen 
Noo- und Thymopsyche ein koordiniertes Zusammenspiel; namentlich 
lösen Vorstellungen adäquato Gefühle aus. Bei der Dementia praecox 
besteht eine Lockerung dieser koordinatorischen Beziehungen zwischen 
Verstandes-und Gemütsleben, es besteht „intrapsychische Ataxie“. 
Diese intrapsychische Ataxie oder intrapsychische Koordinationsstörung 
ist die, oder wie cs an anderer Stelle heißt, eine Kardinalstörung 
der Dementia praecox. 

Dazu möchte ich mir zunächst zu bemerken erlauben, daß es mir, 
obwohl mich die Präkoxfrage seit Jahren ganz besonders interessiert 
und ich mich seit zwei Jahren fast ausschließlich mit ihrem Studium 
befasse, noch nie gelungen ist, das Symptom der intrapsychischen Ataxie 
in einer diese Bezeichnung wirklich rechtfertigenden Form nachzuweisen. 
Dagegen habe ich mancherlei gesehen, was zu der — meiner Meinung 
nach irrigen — Deutung als intrapsychische Ataxie Anlaß zu geben 
geeignet wäre. 

Wenn etwas intrapsychische Ataxie heißen soll, so muß es zunächst 
Ataxie, dann intrapsychisch sein. 

Von Ataxie sprechen wir dann, wenn auf einen Impuls hin eine 
Bewegung erfolgt, welche die Zeichen der Koordinationsstörung an sich 


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524 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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trägt. Der Impuls ist sozusagen auf die richtige Bewegung gerichtet; 
aber diese fällt unrichtig aus. Die Beziehungen zwischen der Sphäre der 
Impulse und der Sphäre der Bewegungsinnervationen sind nicht gestört, 
sondern innerhalb der Bewegungssphäre selbst liegt die Störung, es fehlt 
am Zusammenspiel der einzelnen Teilinnervationen, die den Bewegungs¬ 
vorgang selbst zusammensetzen. Aufs Psychische übertragen würde dies 
heißen: Vom Gebiete der Noopsyche geht wohl der richtige Impuls ins 
thymopsychische Gebiet; in diesem aber herrscht eine Störung des 
koordinatorischen Zusammenspieles, es kommt daher zu einem der noo- 
psychischen Intentionen inadäquaten Affekt. Daß die Dinge bei der 
Dementia praecox so liegen, hat Stransky nun meines Wissens nicht 
nachgewiesen. Stransky könnte aber erklären, er habe es anders 
gemeint; es handle sich ihm tatsächlich um eine Störung zwischen noo- 
psychischem Impuls und thymopsychischer Reaktion. Aber auch dafür 
hat Stransky keinen sicheren Nachweis erbracht. Ich wüßte auch 
nicht recht, wie dies gelingen sollte. Vor allem ist es klar, daß man 
nach Affektäußerungen oder nach Mienen oder Gesten, die man für solche 
hält, nicht gehen darf, soll es sich doch um eine intrapsychische Er¬ 
scheinung handeln. Wenn zum Beispiel ein Kranker bei der Nachricht, 
seine Mutter sei gestorben, lacht, so beweist dies gar nichts für intra- 
psychische Ataxie. Zunächst kann das Lachen automatisch sein. Das 
stereotype Lächeln, lachende Grimassieren, Grinsen der Kranken bat 
sicher in den meisten Fällen mit einem gegenwärtigen Affekt gar nichts 
zu tun. Es war vielleicht einmal affektiv begründet (Affektlage der Ab¬ 
lehnung?), ist aber später zu einem sekundären Automatismus geworden, 
wird daher in dieser Überlegung mit Recht als „unmotiviert“ bezeichnet. 
Ferner wissen wir auch dann, wenn das Lachen nicht automatisch ist, 
sondern tatsächlich Affektausdruck ist, nicht, ob cs als eine Äußerung 
desjenigen Affektes anzusehen ist, welcher auf die Todesnachricht zurück¬ 
zuführen ist; dies dürften wir nur dann annehmen, wenn wir sicher 
sagen könnten, daß im Bewußtsein des Kranken tatsächlich die Vorstellung 
des Todes der Mutter die zur Zeit dominierende, das Affektleben be¬ 
herrschende ist. Wir müßten also nachweisen können, daß der Kranke 
die Todesnachricht aufgefaßt hat, daß er sie in ihrer vollen Bedeutung 
erfaßt hat und daß kein anderer Vorstellungsinhalt als der von uns 
vorausgesetzte Einfluß auf die Auslösung des Affektes gewonnen hat, 
und zwar dies alles zur kritischen Zeit selbst, nicht zur Zeit der Ex¬ 
ploration! Meines Wissens sind aber diese Konstatierungen bisher noch 
in keinem Falle zur Evidenz gelungen. 

Ich möchte also zunächst sagen, daß der Beweis dafür nicht 
erbracht ist, daß cs so etwas wie die intrapsycliischc Ataxie im Sinne 
Stranökys überhaupt gibt. Was ich dagegen ohneweiters zugebe, ist, 
daß wir bei der Dementia praecox oft einen Mangel an Überein¬ 
stimmung zwischen dem Vorstellungsinhalt, welchen wir 
beim Kranken als im Bewußtsein gerade dominierend anzunehincn 
geneigt sind und seinen Affektäußerungen konstatieren. Diese 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 525 

Erscheinung vermag ich aber nicht recht als intrapsychische Ataxie 
gelten zu lassen. 

Zweifle ich so schon an der Tatsache selbst in der von Stransky 
behaupteten Form, so noch mehr an der Berechtigung ihrer Auswertung 
durch S t r a n s ky. Stransky hält die intrapsychische Ataxie nämlich 
für eine Kardinalstörung der Dementia praecox. Ich muß sagen, 
daß mir schon der unbestimmte Artikel Bedenken einflößt. Es könnte ja 
einmal sein, daß eine Psychose mehrere psychotische Wurzeln hat. 
Bevor man dies annimmt, hat man aber doch vorerst noch die Pflicht, 
zu untersuchen, ob die einzelnen angeblichen „ Kardinalstörungen “ sich 
nicht doch noch auf eine elementarere Störung zurückführen lassen, die 
dann ihrerseits erst mit Recht als Kardinalstörung anzusprechen wäre. 
Dies hat Stransky nicht getan. Hätte er es getan, so wäre er wahr¬ 
scheinlich zur Erkenntnis gekommen, daß das, was er als intrapsychische 
Ataxie bezeichnet, nichts anderes als ein Symptom ist, das unmittelbar 
aus der von so vielen Autoren betonten Insuffizienz der psychischen 
Aktivität abzuleiten ist. 

Sehen wir von den Fällen ab, in welchen es sich um automatische 
Äußerungen handelt und die gewiß auch Stransky nicht als Typus 
gelten lassen wird, so ergibt sich für das Symptom folgende Erklärung. 
Wie schon einmal betont, können Vorstellungen nur dann den ihnen 
adäquaten Affekt auslösen, wenn sie selbst richtig erfaßt, in ihrer Be¬ 
deutung erkannt, wenn sie also nicht nur bewußt, sondern auch zureichend 
bewußt, bzw. Gegegenstand der Aufmerksamkeit geworden sind. Da nun 
die Aufmerksamkeitsleistung insuffizient ist, kommt es bei der Dementia 
praecox nicht immer zur Erfüllung dieser Bedingung. Im Gegenteile 
gelangen die meisten Bewußtseinsinhalte nicht zu dem Grade der Be¬ 
wußtheit, der zur Auslösung des adäquaten Affektes, namentlich hinsichtlich 
Intensität, zureichen würde. So würde sich zunächst ein gewisser quanti¬ 
tativer Defekt der Gefühlserregung durch Vorstellungen, eine gewisse 
Gemütsstumpfheit erklären, die ja tatsächlich die vorherrschende Gefühls¬ 
störung bei der Dementia praecox ist. Weiter ist aber noch folgendes 
zu berücksichtigen. Wenn auch nicht alle nacheinander im Bewußtsein 
auftauchenden Vorstellungen zu einer Gefühlserregung führen, so vermag 
doch die eine oder die andere, wie wir wissen, zur Auslösung von 
Gefühlserregungen zu führen, wahrscheinlich infolge besonders günstiger 
Konstellation oder — allgemein gesagt — infolge besonders günstiger 
Auslösungsbedingungen. Da nun jedes Gefühl, wie sattsam bekannt, die 
Tendenz hat zu persistieren, so lange, bis es von einem anderen Gefühl 
sozusagen verdrängt wird, kann es geschehen, daß das der Vorstellung 
a adäquate Gefühl a noch fortdauert, wenn die Vorstellung a bereits 
von b und c usw. abgelöst worden ist und daß es unter Umständen zu 
einer Äußerung des Affektes a kommt, wenn bereits die Vorstellung d im 
Bewußtsein ist. So kann es zu einem Mangel der Übereinstimmung 
zwischen Vorstellung und Gefühl nicht nur in quantitativer, sondern auch 
in qualitativer Beziehung kommen. 


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526 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Gegen die Auffassung de* intrapsychischen Ataxie nach Stransky* 
spricht also zunächst die Ableitbarkeit dieses Symptoms von 
einer elementareren Störung, nämlich der Insuffizienz der psy¬ 
chischen Aktivität oder, wie ich kurz sage, der Bewußtseinshypotonie» 

Aber noch ein anderes spricht dagegen! Eine Kardinalstörung muß 
meines Erachtens die Bedingung erfüllen, daß sämtliche andere 
Symptomen der Psychose aus ihr abgeleitet werden 
können, nicht eine oder die andere, sondern alle samt und sonders. 
Daß dies für seine intrapsychische Ataxie zutrifft, hat aber Stransky* 
nie zu zeigen vermocht. Ich wüßte auch wieder wirklich nicht, wie man 
etwa die Stereotypien, die Katalepsie oder gar die Halluzinationen aus 
der intrapsychischen Ataxie sollte ableiten können. 

Stransky hat beim Studium der Präkoxpsychologie auch einmal 
einen außerordentlich glücklichen Griff getan. Er hat herausgebracht, daß 
Leute, die man bei möglichster Entspannung der Aufmerksam¬ 
keit drauflosreden läßt, ein Durcheinander produzieren, das dem „aus 
Ideenflucht und Stereotypien gemengten Wortsalat der Katatoniker* 
entspricht. Mit Recht schließt er, daß also auch bei der Dementia 
praecox „der Mangel an Aufmerksamkeit u die Grundlage bildet. Diese 
Erkenntnis hätte ihn auf den meiner Meinung nach richtigen Weg und 
in die Gesellschaft der großen Mehrzahl der übrigen Psychiater zurück - 
führen können. Stransky hat seine Lieblingsidee von der intrapsychi¬ 
schen Ataxie aber nicht aufgegeben, sondern hat es im Gegenteile vor¬ 
gezogen, sich eine Theorie zurecht zu legen, nach welcher die Insuffizienz, 
der Aufmerksamkeit eine Folgeerscheinung der intrapsychischen Ataxie 
sein soll. Wo intrapsychische Ataxie, da kein dauerndes Interesse, keine 
normale Aufmerksamkeit usw. 

So einfach liegen die Dinge aber offenbar nicht. Das Verhältnis 
zwischen Gefühl und Aufmerksamkeit darf nicht einseitig gedacht werden, 
in dem Sinne, daß jene Vorstellungen die Aufmerksamkeit erregen, deren 
„thymopsychische Valenz“ gerade die stärkste ist. Stransky übersieht 
ganz, daß die Vorstellungen ihre thymopsychische Valenz keineswegs 
von Haus aus mitbringen, sondern, daß sie sie erst erhalten müssen. 
Und sie können sie nur erhalten, wenn sie Gegenstand der Aufmerksam¬ 
keit geworden sind. Gerade, wenn es sich um Auslösung der adäquaten 
Gefühlsbetonung handelt, ist die Aufmerksamkeit Vorbedingung. 

Man muß eben zwischen niederen und höheren Gefühlen, das heißt 
zwischen Gefühlen, die an die Sinnlichkeit und solchen, die an die Ideen 
anknüpfen, unterscheiden und nicht sämtliche Gefühle und dazu noch 
die Aufmerksamkeit und den Willen iu einen Topf werfen, dessen Inhalt 
man dann mit Bleuler Affektivität oder mit Stransky Thymopsyche 
nennt. Freilich sind es Gefühle, welche zur Erregung der Aufmerksam¬ 
keit führen, dies sind aber niedere, primitive Gefühle, nicht jene höheren 
Gefühle, um die es sich handelt, wenn von Mangel der Adäquatheit, 
von Vorstellung und Gefühl die Rede ist, wie bei Stranskys intra- 
psychischer Ataxie. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 527 


Bei der Dementia praecox liegt, sei es wegen herabgesetzter Affekt- 
erregbarkeit, auch der der primitiven Affekte, sei es aus einem anderen 
Grunde, der Wahmehmungswille darnieder, es kommt gewöhnlich gar 
nicht zu klarer Erkenntnis; unter solchen Umständen sind die Bedingun¬ 
gen für eine prompte und regelmäßige Auslösung der adäquaten 
höheren Gefühle nicht gegeben. Die intrapsychische Ataxie Stranskys 
ist also keine Kardinalstörung, sondern eines von den vielen, durchwegs 
aus der Insuffizienz der psychischen Aktivität ableitbaren Symptomen 
der Dementia praecox. 

(Wegen vorgerückter Stunde wird die Diskussion abgebrochen.) 


Sitzung vom 13. Februar 1912. 

I. Demonstrationen: 

a) Dr. Bothfeld berichtet über ein Fasersystem in der Substantia 
gelatinosa des menschlichen Rückenmarkes. Es handelt sich um mark¬ 
haltige Nervenfasern, die in den untersten Partien des Rückenmarkes'in 
Form eines Netzwerkes auftreten und Verbindungen mit beiden Kommis¬ 
suren aufweisen. Schon in etwas höheren Querschnitten tritt das Faser¬ 
system in Form zweier Bündel auf, die zu beiden Seiten des Zentral¬ 
kanals liegen. Gegen das Zervikalmark nehmen die Fasern an Zahl ab. 
Redner demonstriert histologische Präparate. 

b) Priv.-Doz. Dr. B. Spitzer demonstriert Präparate vom Nervus 
trigeminus nach Läsion der Zahnpulpa, die er mittels Jequiritymazerat 
herbeigeführt hatte. Es entstand im Anschlüsse daran eine aszendierende 
Neuritis, die sich bis ins Ganglion Gasseri fortsetzte und ein Fortschreiten 
längs der Nerven scheiden erkennen ließ. Je nach der Zeit, die von der 
Läsion bis zur Tötung des Tieres verstrich, war die Intensität des neu- 
ritischen Prozesses verschieden. 

Das Ganze legt den Gedanken nahe, daß auch bei Trigeminus¬ 
neuralgien nach Zahnkaries ein ähnlicher Prozeß stattfinde, der unter 
Narbenbildung zur Ausheilung komme, wodurch dann die Grundlage zur 
Neuralgie geschaffen sei. 

Diskussion: 

Priv.-Doz. Dr. Stransky fragt den Vortragenden, welchen Cha¬ 
rakter die beschriebenen degenerativen Prozesse an den Nervenfaser- 
elementen haben, ob mehr den der Wallersehen Degeneration oder 
jenen des diskontinuierlichen Zerfalles? Angesichts der Annahme Ker- 
schensteinerB, daß letzterer im allgemeinen bei den toxischen, ersterer 
bei den infektiösen Zerfallsprozessen überwiege, wäre die Frage hier von 
Interesse. 

Priv.-Doz. Dr. Spitzer: Es bestand nur einfache Wallersche 
Degeneration, nicht aber segmentärer Zerfall. 

c) M. Pappenheim demonstriert eine Kranke mit Schlaf¬ 
anfällen aus der v. Wagnersehen Klinik. 


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528 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Die 24jährige Patientin ist erblich nicht belastet. Sie hat in der 
Schule schlecht gelernt — machte nachweisbar bis zum Alter von 
14 Jahren nur fünf Klassen durch — und war ein sehr zerstreutes, 
launenhauftes, trotziges Kind. Nach ihrer eigenen Angabe fand sie als 
Kind Gefallen am Tierquälen. 

Seit einem Sturze im Alter von 6 Jahren — ohne Bewußtlosigkeit 
— leidet sie an häufigen Kopfschmerzen; während der Schulzeit wurde 
sie morgens vielfach von kurzen Ohnmächten befallen, die ungefähr zur 
Zeit des Auftretens der ersten Menses sistierten. Kurz darauf wurde 
beobachtet, daß die Kranke morgens manchmal nicht aus dem Schlafe 
zu erwecken war. Dieser, durch seine Tiefe als abnorm imponierende 
Schlaf zog sich bisweilen mehrere Stunden, bis in den späten Vor¬ 
mittag, hin. 

Vom Jahre 1905 an stellten sich bei der Patientin auch tagsüber 
Schlafanfälle ein. Während des Gehens blieb sie plötzlich starr stehen 
oder wurde während des Sitzens steif, reagierte nicht auf Anreden, war 
nicht von der Stelle zu bewegen. Am 19. April 1905 wurde die Kranke 
auf der Straßenbahn von einem solchen Schlafzustande befallen und in 
ein Krankenhaus gebracht. Seither befand sie sich, bis auf kurze Unter¬ 
brechungen, ständig in Krankenhäusern, zuletzt seit einigen Monaten in 
der psychiatrischen Klinik. Die Schlafzustände traten seither in wech¬ 
selnder Häufigkeit immer wieder auf und dauerten im eizelnen Falle bis 
zu 48 Stunden. In den letzten Jahren stellte sich in manchen dieser 
Anfälle eine Unruhe ein: Die Patientin schrie, biß sich in die Hände, 
warf sich umher, sprach davon, daß sie Tiere sehe; sie gab in solchen 
Zuständen auch einzelne Antworten. Für beiderlei Anfälle bestand hinter¬ 
her meist völlige Amnesie, nur selten einmal konnte sich die Patientin 
an einzelne Vorgänge zur Zeit eines Anfalles — z. B. an den Tod einer 
Mitkranken — erinnern. 

Eine hypnotische Behandlung beeinflußte eine Zeitlang die Anfälle 
günstig, bis sich einmal — und seither regelmäßig — in der Hypnose 
ein den spontan auftretenden Schlafattacken völlig gleicher Zustand ein- 
stellte. Die Schlafanfälle — die spontanen ebensowie die durch Hypnose 
hervorgerufenen — sind durch eine Reihe bemerkenswerter Erscheinungen 
ausgezeichnet: Das Gesicht der Patientin ist meist auffallend blaß, der 
Puls verlangsamt, gelegentlich bis 48 Schläge in der Minute. Zu Beginn 
des Anfalles stellt sich regelmäßig ein reichlicher Ausfluß von zähem 
Speichel aus dem Munde ein. Die Bulbi sind meist nach rechts unten 
deviiert, verändern aber mitunter beim Öflhen der Augen ihre Stellung 
und zeigen nystaktische Bewegungen. Die Pupillen sind bei geringer 
Beleuchtung weit, bei hellem Lichte entsprechend enger; sie reagieren 
in der Regel prompt auf Licht; bloß bei einem spontan auftretenden 
Anfall wurde nach wiederholter Belichtung mit der elektrischen Lampe 
ein Schwinden der Lichtreaktion konstatiert. Haut und Sehnenreflexe, 
desgleichen die Kornealreflexe, sind nicht verändert. Es besteht keinerlei 
Reaktion auf Nadelstiche — auch nicht in die Nasenschleimhaut — wohl 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 529 

aber findet beim Stechen eine Pupillenerweiterung statt. Es besteht aus¬ 
gesprochene Katalepsie. Höchst unbequeme Stellungen der Extremitäten, 
die sich nach Überwindung eines nicht unbeträchtlichen — „wächsernen“ 

— Widerstandes herbeiführen lassen, werden längere Zeit, bis 20 Mi¬ 
nuten, unter sehr geringen Schwankungen beibehalten. Bei längerer Dauer 
des Anfalls läßt die Patientin unter sich. Nach dem Anfalle kommt es 
bisweilen zu Erbrechen. (Ein durch Hypnose erzeugter Anfall wird 
demonstriert.) 

Die Anfälle der Patientin lassen sich häufig, aber nicht stets, 
durch längeren Druck auf die Bulbi oder durch Faradisation mit starken 
Strömen kupieren. Auch durch Hypnose erzeugte Anfälle lassen sich nicht 
stets durch eines dieser Mittel beenden, wohl aber immer dann, wenn 
vor Beginn der Hypnose eine entsprechende Suggestion erteilt werde. 
(Pat. wird durch Faradisation erweckt.) 

In der Zeit zwischen den Anfällen macht die Kranke den Eindruck 
eines schüchternen, etwas debilen Mädchens ohne irgendwelche auffälligen 
Charaktereigentümlichkeiten. Ihrer Krankheit bringt sie ein sehr großes 
Interesse entgegen, die vielfachen ärztlichen Untersuchungen schmeicheln 
ihr sichtlich; in der Klinik fühlt sie sich wohl, wünscht gar nicht ent¬ 
lassen zu werden. Kurz nach ihrer Entlassung aus einem Krankenhause 
vor einigen Jahren will sie wegen ihres Leidens in selbstmörderischer 
Absicht eine Lösung von hypermangansaurem Kali getrunken haben. Sie 
erbrach auf der Straße und suchte dann selbst wieder das Krankenhaus 
auf. Hysterische Stigmen lassen sich nicht nachweisen. Krampfanfälle 
oder dergleichen wurden niemals beobachtet. Injektionen von Pilokarpin 
und Adrenalin, die Untersuchung auf alimentäre Glykosurie ergaben 
keine abnormen sympathiko- oder vagotonischen Reaktionen. 

Das hervorstechendste Symptom des geschilderten Krankheitsbildes 
sind die periodischen Schlafanfälle. Man kennt solche Zustände als Er¬ 
scheinungen verschiedenster Krankheit. Sie kommen bei Toxämien (Urämie, 
Cholämie, Diabetes), bei Vergiftungen (Opium u. dgl.), bei Erschöpfung 
durch Typhus und Blutkrankheiten, bei organischen Gehirnerkrankungen 
(Tumor, Lues, Arteriosklerose), bei den sogenannten Neurosen, Hysterie 
und Epilepsie vor. G 61 ine au 1 ) suchte 1880 diesen Zuständen von 
„sekundärer, symptomatischer Narkolepsie“ eine „primäre, selbständige 
Narkolepsie“ als von der Hysterie und Epilepsie zu sondernde, spezifi¬ 
sche Neurose gegenüberzustellen, die sich in kurzen, bis 15 Minuten 
dauernden Schlafanfällen äußert. Die Möglichkeit einer solchen Abtren¬ 
nung wurde von vielen Autoren bestritten, von manchen Forschern aber 

— so von Löwenfeld 2 ), der das von Geline au angeführte Moment 
der „Hemmung der zur Erhaltung der aufrechten Körperstellung erforder¬ 
lichen Muskelaktion“ besonders hervorhob und von Fried mann 3 ), der 


v ) Gazette des höpitaux 1880. 

2 ) Münchener med. Wochcnschr. 1002. 

3 ) Deutsche Zcitschr. für Ncrvenheilk., Bd. 30 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXUJ. B<1. 


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530 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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1906 ein reiches kasuistisches Material für diese als n psychische Starre¬ 
zustände“ geschilderten kurzen narkoleptischen Anfälle beibraehte — 
anerkannt. Heilbronner 1 ) setzte sich in einer gleichfalls 1906 er¬ 
schienenen Arbeit unter ausführlicher Begründung seines Standpunktes 
für die hysterische Natur dieser Anfälle ein, erwähnte aber, daß die 
Entscheidung eigentlich mehr eine Definitionsfrage sei. 

Auch dem Vortragenden scheint es im wesentlichen Sache der 
Definition und von untergeordneter Bedeutung zu sein, ob man derartige, 
vorwiegend monosymptomatische Krankheitsbilder der Hysterie zurechnen 
oder als funktionelle Erkrankung eigener Art auffassen will. Wesentlich 
erscheint nur die Abgrenzung gegenüber der Epilepsie als einem organi¬ 
schen Leiden. 

Auch im demonstrierten Falle konnte die wegen der mannigfaltigen 
körperlichen Begleiterscheinungen des Anfalles möglicherweise nahegelegte 
Annahme einer Epilepsie, insbesondere nach den Resultaten der Hypnose 
mit Sicherheit abgewiesen werden. 

Diskussion : 

Eaimann erinnert daran, daß die eben vorgestellte Patientin 
über Tierhalluzinationen berichtete und neben den schon vom Herrn 
Vortragenden angeführten psychogenen Momenten in ihren Anfällen 
psychischen Rapport erkennen ließ: gewiß nur hysterische Züge. 

Mattausch ek fragt, ob die Patientin nicht auch künstlich aus 
dem Schlafe zu erwecken sei. 

Dr. Pappenheim bejaht letzteres und zeigt Pat. kurz darauf 
aus dem Schlafe erweckt. 

d) Dr, Josef Reinhold (und cand. med. Ludwig Alt.: Zur 
vestibulären Theorie der Schallprojektion. (Vorläufige 
Mitteilung.) 

In einer vorläufigen Mitteilung, die ich am 14. Dezember vorigen 
Jahres in der Gesellschaft für innere Medizin und Kinderheilkunde er¬ 
stattet habe, berichtete ich über die Möglichkeit, die Schallprojektions- 
fähigkeit vom Vestibularis aus zu beeinflussen und wies hin auf die 
Anwendbarkeit dieser neuen Vestibularisreaktion zu diagnostisch-klinischen 
Zwecken. Gleichzeitig hob ich hervor, daß die Experimente, deren Er¬ 
gebnis die Entdeckung dieser Reaktion war, zur Begründung der vesti¬ 
bulären Theorie der Schallprojektionslähigkeit ausgeführt wurden und 
deutete kurz an, wie ich mir diese Begründung gedacht habe. Da es 
mir aber damals hauptsächlich um die diagnostische Bedeutung der Be- 
einflussungsmöglichkeit der Schallprojektiou durch Vestibularisreize zu 
tun war und da die Versuchsreihe noch nicht ganz abgeschlossen und 
lückenlos war, unterließ ich es, diesen Gedanken näher auszuführeu. 
Dies zu tun, ist der Zweck meiner heutigen Mitteilung. 

Die Vorstellung, daß die Schallprojektionsföhigkcit durch die 
Funktion der Bogengänge bedingt ist, ist nicht neu. Bevor die Bogen- 


! ) Deutsche Zeitschr. für Nervenheilk., Bd. 31. 


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Bericht des Vereines für Psychiatric und Neurologie in Wien. 531 

gänge als Sinnesorgan von spezifischer Energie erkannt wurden, brachte 
man sie oft mit der Schallprojektion in Zusammenhang. Dabei ging man 
von rein anatomischen Gesichtspunkten aus, von der Anordnung der 
Bogengänge, die im großen und ganzen den Hauptrichtungen unseres 
dreidimensionalen Raumes entspricht und der engen Beziehung des 
Vestibulär- zum Kochlearapparate. 

Nach den Versuchen von Goltz, Breuer, Mach usw. wandte 
sich die allgemeine Aufmerksamkeit so sehr den Leistungen der Bogen¬ 
gänge als Gleichgewichtsorgan zu, daß darüber ihre Bedeutung für das 
Hören ganz außer acht gelassen wurde. Nur Preyer (1887) und lang 
darauf Münsterberg unternahmen den Versuch, dem Vestibularappa- 
rate seine akustische Bedeutung zu revindizieren. Preyer gelang es 
durch eine Reihe mühevoller und komplizierter Versuche nachzuweisen, 
daß am besten die Richtungen erkannt werden, die in der Ebene eines 
Bogenganges liegen. Er schloß daraus, daß wir vermittels der Bogen¬ 
gänge die Richtung, aus welcher der Schall kommt, zu erkennen ver¬ 
mögen und fand in der Tatsache, daß Fische, denen der Kochlearapparat 
fehlt und die nur den Vestibularapparat besitzen, die Schallrichtungen 
unterscheiden können, eine Bestätigung seiner Annahme. Münsterberg 
stellte in seinen Versuchen (1884) fest, daß die Größe des Winkels, 
den zwei eben unterscheidbare Richtungen miteinander einschließen, der 
Größe des Winkels gleich ist, um den der Kopf gedreht werden muß, 
um eine eben merkliche Bewegungsempfindung auszulösen. Er stellte sich 
vor, daß wir vermittels dieser Bewegungsempfindungen die Richtung des 
Schalles erkennen und daß die Bewegungen selbst vom Vestibularis re¬ 
flektorisch ausgelöst werden. 

Die beiden Arbeiten blieben teilweise unbeachtet, teilweise er¬ 
weckten sie wegen ihrer mangelhaften physiologischen Begründung der 
vertretenen Annahmen Widerspruch. Man ließ die Idee der vestibulären 
Theorie der Schallprojektion fallen und versuchte, die Fähigkeit, die 
Schallrichtung zu erkennen, auf andere psychologische Vorgänge zurück- 
zuführen. So entstand eine ganze Reihe von Theorien der Schallprojektion, 
von denen die älteste 1802 von Venturi und Chladni aufgestollte, 
die meisten Anhänger zählt und in fast alle Lehrbücher der Physiologie 
und Otiatrie aufgenommen wurde. Diese Theorie erklärt die Möglichkeit, 
die Schallrichtung zu erkennen durch die Verschiedenheit der Intensität, 
mit der ein Schall, der z. B. von rechts kommt, im rechten und linken 
Ohre erklingt. Mit anderen Worten: Wir projizieren einen Schall deshalb 
nach rechts, weil wir ihn mit dem rechten Ohre besser hören. 

Zur Kritik dieser Theorie ist folgendes zu erwähnen: 

1. Wir können, wie Stumpf richtig hervorgehoben hat, nicht 
unterscheiden, ob wir einen Schall mit dem linken oder rechten Ohre 
besser hören. 

2. Diese Theorie erklärt nur die Unterscheidungsmöglichkeit von 
rechts und links, gibt aber keine Antwort auf die Frage, wie wir die 
übrigen Richtungen (vorne, hinten, oben usw.) zu unterscheiden im 
stände sind. 

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532 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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3. Die experimentellen und klinischen Erfahrungen sprechen gegen 
diese Theorie. Nach Ausschaltung der Luftleitung auf einer Seite tritt 
nur im ersten Moment eine Störung der Schallprojektion auf, die sich 
aber nach kürzerer oder längerer Zeit vollständig ausgleicht. Damit 
stimmt auch die am klinischen Material gewonnene Erfahrung überein, 
daß sehr häufig bei lange bestehender einseitiger oder auf beiden Seiten 
ungleicher Schwerhörigkeit nicht immer Störung der Schallprojektions¬ 
fähigkeit vorhanden ist. Ferner ist eine ganze Reihe von Fällen be¬ 
kannt für b a n t sc h i t s ch, Münnich), in welchen der Schall nicht, 
wie es nach dieser Theorie anzunehmen wäre, nach der Seite des besser, 
sondern nach der des schlechter hörenden Ohres verlegt wird. 

Das gleiche läßt sich mutatis mutandis von den übrigen Theorien 
sagen, doch gestattet es mir die Zeit nicht, darauf näher einzugehen. 
Ich verweise diesbezüglich auf die Abhandlung von Münnich im 
II. Bande von P a s s o w s Beiträgen. 

Die Mängel dieser Erklärungsversuche, vor allem aber die Tatsache 
der anatomischen Zusammengehörigkeit des Vestibulär- und Kochlear- 
apparates, die doch irgend einen biologischen Sinn haben muß, ließen 
nicht den Gtdanken von der Hand weisen, daß die Bogengänge, die 
uns doch durchaus räumlich determinierte Empfindungen liefern, auch 
für die Erkennung des räumlichen Anteils der Hörempfindung, der 
Schallrichtung also von Bedeutung sein müssen. Dieser Gedanke gewann 
durch das Ergebnis der Prey ersehen Untersuchungen, durch die doch 
aufiallcnde Tatsache, daß wir die Richtungen am besten unterscheiden, 
die in den Ebenen der Bogengänge liegen, an Wahrscheinlichkeit und 
es handelte sich nun darum, ihn durch eine experimentelle Untersuchung 
zwingend zu begründen. 

Das Prinzip dieser Untersuchung war nun in folgender Überlegung 
gegeben: 

Wenn bei einem sonst richtig projizierenden Menschen unter 
gleichen Versuchsbedingungen nur der Vestibularis gereizt würde und 
wenn nach dieser Vestibularisreizung eine Veränderung der Schall¬ 
projektionsfähigkeit eintreten würde, wenn ferner diese Veränderung in 
einem konstanten quantitativen Verhältnis zur Intensität und Art des 
Vestibularisreizes stehen würde, so wäre dies als Beweis dafür zu be¬ 
trachten, daß die Schallprojektionsfälligkeit von der Vestibularisfunktion 
abhängig ist. 

Die Versuche, die ich auf Grund dieses Prinzipes in Gemeinschaft 
mit Herrn Kollegen Alt im Nervenambulatorium (Leiter: Prof. v. 
Frankl-Hoch wart) der II. med. Klinik v. Noorden ausgeführt 
habe, führten zu folgenden Ergebnissen: 

1. Nach einer bestimmten, individuell verschiedenen Rotationszahl 
ist es nicht mehr möglich, die Schallriehtung richtig aiizugebeu. 

2. Die Richtung, nach der vorbeiprojiziert wird, ist von der Ro¬ 
tationsrichtung und der Haltung des Kopfes, id est vom jeweilig ge¬ 
reizten Bogengang, abhängig. Die Schallrichtung wird nach Rechtsdrehung 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 533 

mit aufrechtem Kopfe nach rechts, nach Linksdrehung mit aufrechtem 
Kopfe nach links verschoben. Nach Rechtsdrehung mit nach rechts ge¬ 
neigtem Kopfe mit späterer Aufrichtung desselben wird von vorne nach 
oben, resp. hinten, nach Linksdrehung wird unter den gleichen Be¬ 
dingungen der Schall nach oben, resp. vorne vorbeiprojiziert usw. Das 
Vorbeiprojizicran erfolgt also immer in der Ebene des gereizten Bogen¬ 
ganges und ist mit der Rotationsrichtung identisch. 

3. Die Größe des nach der Rotation begangenen Fehlers im Pro¬ 
jizieren des Schalles nimmt mit der Zahl der Rotationen, resp. mit ihrer 
Geschwindigkeit zu, ist also von der Intensität des Vestibularreizes ab- 
hängig. 

Diese Ergebnisse fanden zum größten Teil ihre Bestätigung durch 
eine einige Tage nach meiner Publikation erfolgte Veröffentlichung des 
Herrn Dr. Hugo Frey, der, unabhängig von mir und von einer ganz 
anderen Fragestellung ausgehend, zu fast denselben Resultaten gelangte. 

Die Untersuchung führte also zu einem im Sinne der Fragestellung 
positiven Ergebnis. Es zeigte sich, daß die Schallprojektionsfahigkeit 
vom Vestibularzustand direkt abhängig ist und daß diese Abhängigkeit 
in einem qualitativ und quantitativ konstanten Verhältnis ausdrückbar 
ist. Diese Tatsache ist aber nur durch die Annahme zu erklären, daß 
die Bogengänge neben ihren anderen Funktionen auch dazu dienen, uns 
die Orientierung im Hörraum, die Erkennung von Schallrichtung, zu 
ermöglichen. 

Dagegen könnte man nun einwenden, daß das Vorbeiprojizieren 
nach der Rotation nur indirekt vom Vestibularis abhängig ist, daß es 
vielmehr auf die durch die Rotation hervorgerufene Desorientierung in 
bezug auf den Raum zurückzuführen ist. Aus der Tatsache der Beein¬ 
flussung der Schallprojektionsfähigkeit durch Vestibularreize ließe sich 
also nicht auf die Bedeutung des Vestibularis für die Schallprojektions¬ 
fähigkeit schließen. 

Dieser Einwand ist aus folgenden Gründen unzulässig: 

1. Die Versuche gingen bei geschlossenen Augen vor sich. Der 
Schall kam ohne jede Relation zum Raum, in bezug auf welchen nach 
der Rotation Desorientierung eingetreten ist. Ferner wurde der Schall 
nicht auf einen bestimmten Ort des visuellen Raumes, auf eine be¬ 
stimmte Stelle im Zimmer, projiziert, sondern nur das räumliche Ver¬ 
hältnis der Schallquelle zu den Körperachsen der Versuchsperson an¬ 
gegeben. Also vorne rechts, links und so weiter. Die Vorstellung vom 
Verhältnis der Körperachsen zueinander wird durch die Rotation nicht 
alteriert. 

2. Das Vorbeiprojizieren geht mit einer solchen Konstanz und 
fast mathematischen Genauigkeit vor sich, daß es durch eine einfache 
Desorientierung nicht zu erklären wäre. 

3. Das Vorbeiprojizieren nach der Rotation tritt auch dort auf, 
wo trotz normaler Vestibularisreaktion pathologischerweise kein Schwindel 
auftritt, wie ich es in einem Falle, den ich Herrn Priv.-Doz. Bärdny 
verdanke, zu beobachten Gelegenheit hatte. 


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534 Bericht des Vereines für Psychiatrie uud Neurologie in Wien. 


4. Ich habe gemeinschaftlich mit Herrn Dr. Schrötter Versuche 
über die psychische Beeinflußbarkeit der Vestibularreaktionen ausgeführt. 
Wir gingen so vor, daß wir einer Versuchsperson in tiefer Hypnose 
suggeriert haben, daß sie sich in absoluter Ruhe befinden werde und 
rotierten sie dann. Es zeigte sich, daß durch diese Ausschaltung der 
Rotations- und Schwindel Vorstellung alle Vestibularreaktionen mit Aus¬ 
nahme des Projektions Versuches verändert wurden. So wurde die Dauer 
des Nystagmus auf ein Viertel bis ein Fünftel der vor der Hypnose 
gewonnenen Dauer herabgesetzt. Der Ausschlag beim B ä r ä n y sehen 
Zeigeversuch betrug kaum mehr die Hälfte der Norm. Nur das Phäno¬ 
men des Vorbeiprojizierens nach der Rotation blieb unverändert. In 
manchen Fällen wies es in der Hypnose sogar eine bedeutende Steige¬ 
rung auf, wahrscheinlich durch Wegfall der von der Rinde ausgehenden 
Hemmungen und Korrekturversuche. Beim umgekehrten Versuche, beim 
Suggerieren der Rotation der sich in Ruhe befindlichen hypnotisierten 
Versuchsperson, gelang cs, Rudimente fast aller Vestibularreaktionen zu 
erzeugen. Nur die Schallprojektionsfähigkeit wurde durch bloß suggerierte 
Rotation nicht alteriert. 

Daraus ist zu ersehen, daß die Tatsache des Vorbeiprojizierens 
nach der Rotation als eine unmittelbare, vom Zustand der Desorientierung 
und des Schwindels unabhängige Vestibularisreaktion betrachtet werden 
muß und daß aus dieser Tatsache der Schluß auf die Bedeutung des 
Vestibularapp arates für die Schallprojektion gestattet ist. 

Diskussion: Redlicli weist darauf hin, daß für die akustische 
Projektion auch das haptisch-optische Raumbild von Bedeutung ist, daß 
die durch den Vestibularapparat gelieferte akustische Projektion in dieses 
Raumbild eingefügt werden muß. Das zeigen die Fälle, wo bei beider¬ 
seitigen Okzipitallappenerkrankungen mit räumlicher Desorientiertheit 
auch akustische Reize falsch lokalisiert werdeu. Zwei solche, auf der 
Klinik v. Wagner beobachtete Fälle zeigen dies deutlich. 

Priv.-Doz. Dr. Hugo Frey: Herr Dr. Rein hold hatte die 
Freundlichkeit, Versuche zu erwähnen, die von mir veröffentlicht worden 
sind und so ziemlich mit dem übereinstimmen, was wir soeben von 
ihm gehört haben. Tatsächlich habe ich, allerdings von einem ganz 
anderen Gesichtspunkt aus, ebenfalls Versuche unternommen, die sich 
auf die Beeinflussung der Schallprojektion durch Erregungen des Vesti- 
bularapparates bezogen. Herr Dr. Meyer aus Berlin hatte nämlich an 
meiner Abteilung Experimente angestellt, um die durch Drehung hervor¬ 
gerufene Desorientierung zur Entlarvung von Simulanten zu verwerten, 
die Schwerhörigkeit Vortäuschen. Die darauf bezüglichen Untersuchungen 
und die betreffende Methode ist im Januarhefte der Monatsschrift für 
Ohrenheilkunde publiziert: daselbst finden sich auch die oben gedachten 
Ergebnisse meiner Untersuchungen. Ich hatte beobachtet, daß unmittelbar 
nach der Drehung die Lokalisation des Schalles nicht korrekt ausgeführt 
wurde, und fand, daß ein gesetzmäßiger Irrtum im selben Sinne statt¬ 
fand, wie bei dem von Bardny als Modifikation des Grac feschen 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 535 


angegebenen, sogenannten „Zeigeversuche“. Mich interessierte hauptsächlich 
die Verwendung der von mir aufgefundenen Tatsache als Ersatz dieses 
Zeigeversuches, da ich annehme, daß er vor dem Bärdnysehen, mit 
dem er dem Sinne nach übereinstimmt, gewisse Vorteile habe. 

Die Ablenkung der Projektion erfolgt ebenso dann, wenn der Patient 
aufgefordert wird, mit der Hand in der vermeintlichen Schallrichtung 
zu zeigen, als wenn er nur mündlich die Schallrichtung anzugeben hat. 

Selbstverständlich erfuhr ich erst, nachdem ich über diese Versuche 
in der Otologischen Gesellschaft berichtet hatte, von den wenige Tage 
vorher an anderem Orte demonstrierten Resultaten Reinhold s. 

Wenn ich daher bezüglich des Tatsächlichen mit Herrn Dr. Rein¬ 
hold übereinstimmen kann, so kann ich ihm in bezug auf die daraus 
zu ziehenden Konsequenzen nicht beipflichten, sondern muß ihm sogar 
widersprechen. 

Für mich beweist der Versuch nur, daß eine Desorientierung der 
Versuchsperson im Raume stattfindet, entsprechend der Drehungsebene 
und -richtung, hervorgerufen durch die Reizung des Bogengangsapparates; 
nicht aber, daß die Schallprojektion auf einer unmittelbaren Sinnes¬ 
empfindung des Bogengangapparates beruhe. Dagegen spricht zunächst, 
daß — wie allgemein angenommen wird — der Schallempfindung als 
solcher überhaupt kein Lokalzeichen zukommt. Wir finden bei der Analyse 
in ihr nur Intensität, Tonhöhe und Klangfarbe als Empfindungsqualitäten 
und die Lokalisation erfolgt, indem wir die vermutete Schallquelle in 
den optisch-haptischen Raum hineinprojizieren, dessen Vorstellung überdies 
noch durch unsere unmittelbaren Bewegungs- und Lageerapfindungen 
ergänzt wird. 

Findet durch einen pathologischen oder physiologischen Vorgang 
eine Veränderung dieser unserer Raumvorstellung, beziehungsweise unserer 
Orientierungsgrundlagen statt, so projizieren wir unsere Schalleindrücke 
in den subjektiv vorgestellten, objektiv unrichtig orientierten Raum und 
begehen dabei die beschriebenen Fehler, ohne daß wir dabei gezwungen 
wären anzunehmen, daß unsere Schallempfindungen eine veränderte Qua¬ 
lität erhalten hätten. 

Es ist überhaupt kaum einzusehen, wie die verschiedenartige Reizung 
der Bogengänge zustande kommen soll. Wenn wir zunächst nur an den 
auf dem Luftwege eindringenden Schall denken, so wird dieser je nach 
Lage der Schallquelle zwar verschieden intensiv, aber doch immer in 
gleicher Richtung vom Gehörgang aus das Labyrinth erreichen. Es kann 
also so überhaupt nicht zu einer differenten Empfindung kommen. Nehmen 
wir aber die Schalleitung durch die Kopfknochen zu Hilfe, so wissen 
wir, daß bei dem Webersehen Versuch die in der Mittellinie des Schädels 
aufgesetzte Stimmgabel immer nach der Seite des verschlossenen Ohres 
gehört wird, also der Schall bald nach rechts, bald nach links projiziert 
wird, u. zw. genau so deutlich und überzeugend, wie bei der Lokalisation 
im Raume. Hier kann sich durch den Verschluß des einen Ohres in bezug 
auf die Richtung der einfallenden Schallwellen nichts geändert haben 


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536 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien, 


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und es kann höchstens zu einer verschieden starken, aber nicht ver¬ 
schieden gerichteten Einwirkung auf das Sinnesorgan kommen. 

Handelt es sich aber wieder nur um Intensitätsunterschiede, so 
genügt die alte Erklärung, daß die Lokalisation nach der relativen 
Intensität des jedem Ohre zugeführten Schalles erfolge, vollkommen; 
und wir können uns die hypothetische Mitwirkung des Bogengangapparates 
füglich ersparen. 

Auch rein physikalische Bedenken sprechen dagegen. Die relative 
Länge der Schallwellen im Verhältnis zum Schädcldurchmesscr und die 
große Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Schalles lassen es wohl als 
höchstwahrscheinlich erscheinen, daß so nahe beieinander liegende Punkte 
des Schädels, wie es die Bogengänge sind, immer so gut wie gleichzeitig 
erregt werden; darauf einzugehen, liegt aber kein Anlaß vor, da Herr 
l)r. Rein hold uns ja über die physikalische Basis seiner Anschauung 
nichts mitgeteilt hat. 

Priv.-Doz. Dr. Bärany: Dr. Rein hold hat nachgewiesen, daß 
bei Reizung des Vestibulär-, resp. Bogengangapparates bestimmte Ver¬ 
änderungen der normalen Schallokalisation vor sich gehen. Es muß also 
die verstibuläre Erregung irgendwo einen Einfluß auf den Kochlearreiz 
ausüben. Der Nachweis jedoch, daß die Schallokalisation überhaupt von 
den Bogengängen ausgeht, daß die Bogengänge somit durch den Schall 
erregt werden, ist in keiner Weise erbracht. Zunächst würde man denken, 
daß dieser Einfluß in der Hirnrinde stattfinde. Deshalb habe ich 
Dr. Rein hold geraten, Fälle zu untersuchen, bei welchen trotz lebhafter 
Vestibularerregung die Drehempfindung fehlt. Ein Fall, den Dr. Rein- 
hold und ich gemeinsam untersuchten, hat nun tatsächlich, trotzdem 
er angab, keine Drehempfindung zu haben, nach Drehung in typischer 
Weise falsch lokalisiert. Es war dies ein elfjähriger Knabe mit einer 
operativ geheilten Kleinhirnzyste. Derartige Fälle müßten jedoch noch 
eine ganze Anzahl untersucht werden, bevor man den Schluß aussprechen 
darf, daß die Beeinflussung des koehlearen Reizes durch den vestibulären 
nicht in der Hirnrinde erfolgt. Es wäre übrigens auch möglich, wie 
mich nachträglich Priv.-Doz. Poetzl aufmerksam machte, daß sie im 
Unbewußten, aber trotzdem in der Hirnrinde geschieht. Zur Entscheidung 
der Frage, wo die Beeinflussung stattfindet, muß meiner Meinung 
nach eine ganze Reihe pathologischer Fälle geprüft werden, insbesondere 
ein Fall mit doppelseitiger Lähmung des Vestibularis bei erhaltenem 
Gehör, ein Fall von einseitiger Vestibularislähmung bei beiderseits er¬ 
haltenem Gehör usw. Erst dann wird man darüber ins klare kommen. 
Sicherlich aber bilden die Re i n h o 1 d - Frey sehen Befunde schon jetzt 
eine wertvolle Bereicherung unserer Kenntnisse über den Vestibularapparat. 

Prof. Sachs: Zunächst möchte ich mir die Frage erlauben, ob 
der von Dr. Bärany dem Herrn Dr. Rein ho Id für dessen Versuche 
zur Verfügung gcstellto Kranke, der angeblich bei dem Drehversucli 
frei von Schwindelgefühl war, nach der Drehung optisch desorientiert 
gewesen ist. — Dr. Baräny bejaht dies. — Da dies also der Fall ge- 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 537 

wesen ist, kann ich der Beobachtung keine besondere Beweiskraft hin¬ 
sichtlich der Frage der Wahrnehmung von Schallrichtungeu durch den 
Bogengangapparat beimessen, indem ja nichts anderes konstatiert wurde, 
als daß ein seine Lage im Raume falsch beurteilendes Individuum auch 
die Richtung eines wahrgenommenen Schalles falsch angibt. Da die 
seinerzeitigen Versuche von Preyer, auf die sich Dr. Rein hold 
bezieht, keineswegs als einwandfreie Beweise für die Wahrnehmung der 
Schallrichtung mittels der Bogengänge gelten, sind solche ausständig, 
ebenso wie Versuche, welche die Bestimmtheit und Richtigkeit in der 
Wahrnehmung der Schallrichtung seitens des Gesunden ergeben hätten. 

Priv.-Doz. Dr. Hugo Frey: Ich glaube nicht, daß der von 
Dr. Bärdny gemachte Vorschlag uns wesentlich weiterbringen kann. 
Wenn wir nämlich mittels des Lärmapparates ein Ohr ausschließen, so 
haben wir cs mit einem einseitig total Tauben zu tun, und solche Indi¬ 
viduen sind, wie gerade Meyer gezeigt hat, für Lokalisationsversuche 
überhaupt nicht geeignet. 

Dr. Reinhold (Schlußwort): Ich habe nicht, wie Herr Prof. 
Redlich meint, behauptet, daß wir nur vermittels der Bogcngang- 
sensationen uns in bezug auf die Schallrichtung orientieren. Es ist ja möglich, 
daß wir darin durch Erfahrungen, die von Seiten anderer Sinnesorgane 
geliefert werden, unterstützt werden. Was nun die beiden von ihm er¬ 
wähnten pathologischen Fälle betrifft, so sind sie deshalb nicht als 
Argument gegen die vestibuläre Theorie der Schallprojektion zu be¬ 
trachten, weil ja zur richtigen Schallprojektion nicht nur ein normaler 
Vestibularapparat, sondern auch normale Raum Vorstellung gehört. Ist 
diese durch krankhafte Prozesse alteriert, so kann natürlich keine richtige 
Schallprojektion mehr eintreten. Daß aber die Raumvorstellung nur 
visuell ist, ist nicht richtig, weil fast alle Sinnesorgane (Tastsinn, 
Muskelsinn, vestibuläres Empfinden) zur Raumbildung beitragen. 

2. Das von den Lehrbüchern der Psychologie hergeholte Argument 
des Herrn Priv.-Doz. Dr. Frey, daß der Schall unräumlich ist, spricht 
nicht gegen meine Theorie. Denn das wichtigste Ergebnis meiner Ver¬ 
suche ist eben die Erkenntnis, daß der Schall ganz unabhängig von 
seinen Qualitäten, besonders von seiner Intensität, als räumlich deter¬ 
miniert erkannt werden kann, daß somit der Schall ganz unmittelbar 
als räumlich empfunden werden kann. 

Was nun den Ein wand betrifft, daß ich nicht gezeigt habe, wie 
die Bogengänge uns die Schallrichtung vermitteln, so muß ich gestehen, 
daß ich mir darüber zurzeit noch keine einwandfreie Vorstellung ge¬ 
macht habe. Doch sind experimentelle Untersuchungen im Gange, die 
mich der Lösung der Frage schon sehr nahe gebracht haben. Jedenfalls 
ist das ein Problem für sich, von dessen Lösung die Richtigkeit meiner 
Theorie solange nicht abhängt, als nicht ein zwingender Beweis dafür 
erbracht wird, daß die Bogengänge uns die Perzeption der Schallrichtung 
unmöglich vermitteln können. Diesen Beweis hat aber Herr Priv.-Doz. 
Dr. Frey durch den Hinweis darauf, daß doch die Schallwellen immer* 


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538 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 

gleichgültig, woher sie kommen, eine Richtung, nämlich die durch den 
Schalleitungsapparat, einnehmen, nicht erbracht. Denn wir hören auch 
vermittels der Kopfknochenleitung, und gerade diese kommt für die 
Perzeption der Schallrichtung in Betracht. Durch Ausschaltung der Kopf¬ 
knochenleitung wird die Fähigkeit, den Schall zu projizieren, fast auf¬ 
gehoben. 

Die Verhältnisse beim Web ersehen Versuche haben mit der 
Schallprojektion in dem Raum außerhalb uns nichts zu tun. 

II. Fortsetzung der Diskussion zum Referat Priv.-Doz. 
Dr. Stranskys. 

Prof. E. Redlich geht in seinen Ausführungen von den bei 
manchen Fällen von Dementia praecox vorkommenden epileptischen 
Anfällen aus. Wiewohl eine volle Erklärung derselben noch aussteht, 
so können wir für ihr Zustandekommen anatomische Veränderungen, 
vielleicht im Sinne der Hirnschwellung, deren Wesen freilich noch nicht 
sichergestellt ist, voraussetzen. Beachtenswert ist, daß bei den Psychosen 
bei organischen Hirnerkrankungen, beim Tumor cerebri, beim Abszeß, bei 
dermultiplenSklerose, dann bei der progressiven Paralyse, bei symptomatischen 
Psychosen, bei schweren Intoxikationen und Infektionen, ausgesprochen kata- 
tone Bilder auf somatischem und psychischem Gebiete Vorkommen. Auch 
dies weist auf eine organische Grundlage dieses Symptomenkomplexes bei der 
Dementia praecox hin, bei der ja die Angaben über anatomische Ver¬ 
änderungen immer zahlreicher werden. Anderseits ist bekannt, daß 
hereditäre Lues, vielleicht auch überstandene Meningitis, in manchen 
Fällen von Dementia praecox ätiologisch eine Rolle spielen. So wertvoll 
die psychopathologische Charakterisierung der Dementia praecox-Fälle 
ist, so reicht sie oft, insbesondere bei frischen Fällen, nicht aus; es 
steht zu hoffen, daß späterhin einmal ätiologisch und pathologisch¬ 
anatomisch die Krankheit schärfer abzugrenzen sein wird, als dies heute 
möglich ist. Redner weist da auf die progressive Paralyse hin, zu der 
gleichsam als Parallele die Katatonie seinerzeit aufgestellt wurde. Hier 
zeigt sich, wie trotz der guten psychopatliologischen Gestaltung der 
progressiven Paralyse, unter Umständen der somatischen, biologischen 
und schließlich pathologisch-histologischen Befunde zur Diagnosenstellung 
nicht zu entraten ist. 

Prof. E. Rai mann betont, daß man in der Dementia praecox 
die Zusammenschweißung verschiedenartiger Krankheitszustände allzu 
deutlich bemerke. Die Hebephrenie wird als Einheit, eventuell unter 
anderem Namen, wohl Bürgerrecht behalten. Die Katatonie hat sich 
bereits in ein Syndrom verwandelt und dieses Syndrom kommt bei den 
verschiedensten Psychosen vor. Es wird notwendig sein, durch Heran¬ 
ziehung anatomischer, biologischer, chemischer, nur nicht psychologischer 
Kriterien hier weiter zu klassifizieren. Die Dementia paranoides ist über¬ 
haupt nicht abgrenzbar, die gemeinsamen Berührungen mit Hebephrenie 
und Katatonie so gering, daß man mit gleichem Rechte noch andere 
Psychosen zusammenfassen dürfte, um so mehr, als Ubergangsfälle alle 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 539 


einzelnen Krankheitstypen verbinden. Vortragender möchte sohin glauben, 
daß die Zukunft den Begriff der Dementia praecox wieder in Elemente 
zerlegen wird. 

Dr. Pappenheim: Als mehljähriger Assistent der Heidelberger 
psychiatrischen Klinik möchte ich mir erlauben, zu dem diskutierten 
Thema und insbesondere zu den Ausführungen des Herrn Hofrates 
v. Wagner einige Bemerkungen zu machen. Ich kann vorausschicken, 
daß wir uns in den wesentlichen Punkten einer vollständigen Überein¬ 
stimmung mit den von Herrn Hofrat v. Wagner geäußerten Anschau¬ 
ungen erfreuen und daß wir gleichfalls die weite Ausdehnung, welche 
ff em Krankheitsbegriff der Dementia praecox zeitweise von der Kraepelin- 
schen Schule und erst recht neuerdings von Bleuler zuteil wurde, für 
verfehlt halten. 

Hofrat v. Wagner setzte auseinander, daß die Zusammenfassung 
verschiedener Krankheitsbilder unter der Bezeichnung Dementia praecox 
ursprünglich von dem Bestreben diktiert war, der Gemeinsamkeit im 
Ausgang dieser Psychosen Rechnung zu tragen, daß aber im weiteren 
Verlauf immer mehr heilbare Psychosen in diese Gruppe einbezogen 
wurden, wodurch der sehr wichtige prognostische Gesichtspunkt Schaden litt. 

In der Tat wurde Kraepelin durch ein immer genaueres Studium 
von Dementia praecox-Kranken dazu verleitet, die differentialdiagnostischc 
Bedeutung gewisser Symptome zu überschätzen — auch bei der Um¬ 
grenzung anderer Psychosen tat die Kraep elinsche Schule zeitweise 
dasselbe — und so eine Anzahl nicht verblödender Fälle mit derartigen 
Symptomen in seine Krankheitsgruppe einzubeziehen, was zur Annahme 
führte, daß ein beträchtlicher Prozentsatz der Dementia praecox in 
Heilung ausgehe. 

Nun hat sich aber in den letzten Jahren die sogenannte Neu¬ 
heidelberger Schule bemüht, den prognostischen Gesichtspunkt wieder in 
den Vordergrund zu rücken und die Dementia praecox-Gruppc wieder 
einzuengen. Ich hatte Gelegenheit, auf der Jahresversammlung des Deutschen 
Vereines für Psychiatrie im Jahre 1908 anläßlich des Referates von 
Jahrmärker und Bleuler über die Dementia praecox den Standpunkt 
ffer Heidelberger Klinik in der Diskussion zu vertreten. Ich führte aus, 
daß uns katamnestische Untersuchungen die Überzeugung verschafft 
hätten, daß der Begriff Dementia praecox derzeit zu weit gefaßt würde 
und daß es namentlich nicht angehe, nach Ablauf einer Psychose konsta¬ 
tierte geringgradige Störungen als „Defekte“ bei Dementia praecox auf¬ 
zufassen — auch Herr Ilofrat v. Wagner hat unlängst in dieser 
Diskussion diesen Punkt besonders hervorgehoben —, wenn nicht der 
Nachweis geliefert oder wenigstens wahrscheinlich gemacht werde, daß 
derartige Störungen nicht schon vor dem Ausbruch der Psychose bestanden 
hätten. In einem Teil unserer Fälle ließen sich derartige, als Defekte 
angesprochene Störungen als seit jeher bestehende Eigentümlichkeiten 
psychopathischer Konstitution erweisen. 

Ich hob damals hervor, daß bestimmte Zustandsbilder, die ich kurz 


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540 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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skizzierte — Ganserähnliche, wohl als hysterisch aufzufassende Zustande 
bei Degenerierten, Psychosen nach bedeutenden psychischen Erlebnissen 
und manisch-depressive Zustände mit katatonischen Symptomen —, be¬ 
sonders häufig zur Verwechslung mit der Dementia praecox Anlaß gegeben 
hätten und gab der Hoffnung Ausdruck, daß es durch eine eingehendere 
Berücksichtigung des Beginnes, des Verlaufes und der Symptomatologie 
gelingen werde, eine Anzahl heilbarer Psychosen immer sicherer von der 
Dementia praecox abzutrennen. Wertvoll erwies sich uns in dieser Be¬ 
ziehung der akute Beginn einer Psychose — insofern er nicht durch 
eine mangelhafte Anamnese vorgetäuscht war —, der zumeist für die 
Heilbarkeit einer Geisteskrankheit zu sprechen scheint. Ich schloß meine 
damaligen Bemerkungen mit der Behauptung, daß die Dementia praecox 
in der Regel schleichend beginne und in den allermeisten Fällen zur 
Verblödung führe. 

Kraepelin selbst gab in der damaligen Diskussion und namentlich 
im folgenden Jahre in der Versammlung des Vereines bayrischer Psychiater 
freimütig zu, daß er manche Symptome der Dementia praecox wesentlich 
überschätzt habe und ließ durch einen seiner Schüler — Zendig — 
katamnestische Untersuchungen anstellen, die für die Notwendigkeit einer 
solchen Revision der früheren Auffassung sprachen. 

Natürlich könnte es den Anforderungen der Wissenschaft nicht 
genügen, wenn wir in jedem Fall erst aus langjährigen Katamnesen 
erschließen könnten, ob er zur Dementia praecox gehöre oder nicht. 
Auch ist es ja durchaus nicht von der Hand zu weisen, daß innerhalb 
einer Krankheit, die in der Regel zur Verblödung führt, einzelne Fälle 
dennoch heilen oder remittieren, wie das ja auch von der progressiven 
Paralyse bekannt ist. 

Es mußte daher und muß unsere Aufgabe seiu, Kriterien zu finden, 
Symptome und Symptomengruppen zu umschreiben, welche trotz dem 
Vorhandensein Dementia praccox-artiger Symptome den Ausgang in Ver¬ 
blödung als unwahrscheinlich erkennen lassen. Diese Bestrebungen führlen 
z. B. zur Abgrenzung jener Fälle mit katatonischen Zustandsbildcrn von 
der Dementia praecox, über welche Wi Im an ns 1907 in München 
berichtete. Dabei war es aber nicht der periodische Verlauf dieser Fälle 
an sich — wie Herr Primarius Berze, wenn ich ihn richtig verstand, 
unlängst andeutete —, der zur Abtrennung dieser Fälle Anlaß gab, 
sondern die Erfahrung, daß periodisch verlaufende Fälle mit bestimmter 
Symptomengruppierung trotz katatonischer Erscheinungen regelmäßig nicht 
verblödeten. Hätte es sich herausgestellt, daß p riodisch verlaufende Fälle 
gesetzmaßigerweisc nicht verblöden, dann würden wir uns allerdings für 
berechtigt halten, Krankheitsbilder bloß wegen ihres periodischen Ver¬ 
laufes von der Dementia praecox abzutrennen. 

Ich betone also nochmals, nicht der Ausgang eines einzelnen Falles 
in Genesung kann für seine Abtrennung von der Dementia praecox 
maßgebend sein — es können sich hier in der Praxis große Schwierig¬ 
keiten ergeben —, wohl aber kann die Umschreibung von Symptomen, 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 541 


deren Träger trotz manchen Dementia praecox-ähnlichen Erscheinungen 
regelmäßig nicht verblöden, unseres Erachtens mit Recht zur Abtrennung 
solcher Gruppen von der Dementia praecox führen. 

Durch eine solche Einengung der Dementia praecox glauben wir 
aber nicht nur eine zweckmäßigere, weil prognostisch wertvolle, Einteilung 
zu gewinnen, sondern wir hoffen auch, auf diese Weise einer natürlichen 
Krankheitseinheit näher zu kommen. Denn die Dementia praecox ist uns, 
wie soeben auch von Herrn Professor Redlich hervorgehoben wurde, 
eine organische Krankheit, deren Abgrenzung in letzter Linie von der 
pathologischen Anatomie geschaffen werden wird. Unsere Erfahrungen 
bei anderen, zur Demenz führenden, organischen Psychosen aber lehren 
uns, daß wir uns dem Ziele der Umschreibung einer anatomisch einheit¬ 
lichen Erkrankung um so mehr nähern, je mehr wir klinisch die Gruppe 
auf die verblödenden Fälle einschränken. 

Priv.-Doz. Dr. Stransky (Schlußwort) erklärt, daß er angesichts 
der vielen wichtigen Gesichtspunkte, welche in der Diskussion vorgebracht 
worden sind, nur auf einige derselben eingehen möchte. An die Aus¬ 
führungen des Herrn Hofrates v. Wagner anknüpfend, möchte er 
bemerken, daß auch Kraepelin im Prinzipe geistige Schwächezustände 
nach Amentia anerkennt. Die Zweifel, die v. Wagner bezüglich der 
Zugehörigkeit der paranoiden Fälle geäußert hat, möchte auch Stransky 
sich in sehr vielen Punkten zu eigen machen, wie er denn überhaupt 
in praxi dem Standpunkte v. Wagners nicht so ferne, als es scheinen 
könnte, steht, ein Standpunkt, der sich wieder in praxi von gemäßigter 
Anwendung der Kraepelin sehen Lehren nicht so sehr unterscheidet, 
da v. Wagner manchen, anderwärts der Katatonie vindizierten Kasus 
vielleicht eher zur Hebephrenie nehmen wird; gerade diese Grenze 
möchte eben Referent doch nicht ftir eine so scharfe halten. Die Prognose 
allein dürfte zur kleinsten Abgrenzung eines Krankheitsbildes vielleicht 
nicht ganz hinreichen (Tuberkulose, Tabes). Die psychologische Seite 
des Themas hat Berze berührt; Referent möchte zu dessen Ausführungen, 
da Berze hierüber eine eigene Monographie in Aussicht gestellt hat, 
noch nicht grundsätzlich Stellung nehmen, sondern hier nur bemerken, 
daß er in der intrapsychischen Ataxie nur das greifbare Kardinal¬ 
symptom sieht, hinter dem in weiterer Konsequenz gewiß andere — 
seiner Meinung nach freilich schon mehr physiologische, bzw. anatomische — 
Grundstörungen zu suchen sind. Daß unter diesen anatomischen Ver¬ 
änderungen die sogenannte Hirnschwellung eine bedeutsame Rolle spielen 
kann, möchte Referent ja nicht anzweifeln; auch Bleuler nimmt das 
übrigens an; ob die Rolle eine so bedeutsame ist, wie Redlich an¬ 
nimmt, wagt Referent nicht zu entscheiden. Wir sehen epileptiforme 
Anfälle — z. B. bei der progressiven Paralyse — auch in anderer Weise 
anatomisch sich erklären; daß in manchen Fällen, die Referent ja erwähnt 
hat, Hirn-, bzw. intrakranielle Narben die Psychose determinieren könnten, 
könnte vielleicht als ein Pendant zu den v. Wagner- Pilezsehen 
Fällen periodischen Irreseins aufgeffißt werden. Rai mann gegenüber 
möchte Redner, wie schon früher angedeutet, doch daran festbalten, daß 


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542 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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ihm gerade eine scharfe Grenzscheide zwischen Hebephrenie und Katatonie 
als etwas Arbiträres erscheint; ganz gewiß gibt es aber allerdings 
motorische katatonische Symptome, auch bei anderen Psychosen, die 
nichts mit der Dementia praecox-Gruppe gemein haben, wie ja Referent 
in seinen Ausführungen erwähnt bat; nicht diese, sondern die schizo¬ 
phrene Störung ist eben das Tertium comparationis. Zugegeben ist, daß 
in der etwa ein Jahrzehnt zurückliegenden Hochflut der Dementia praecox, 
da diese Modediagnose war, eben die motorischen katatonen Symptome 
diagnostisch reichlich überschätzt und viel zu oft Dementia praecox 
diagnostiziert worden ist; eine an sich gesunde Reaktion — Kraepelin 
selbst furchtet solche Reaktionen keineswegs — konnte nicht ausbleiben. 
Wenn aber die Neuheidelberger Schule, als deren Repräsentant Pappen¬ 
heim gesprochen hat, die Rückstauung zu Gunsten des manisch- 
depressiven Irreseins vornimmt, so kann dem Referent, wie er in 
Aschaffenburgs Handbuch (Kapitel: Manisch-depressives Irresein^ 
dargelegt hat, allerdings nicht beipflichten; Pappenheim selbst scheint 
dies ja nicht restlos zu tun, er spricht anscheinend von einer ganz 
besonderen Gruppe, in die er die von ihm erwähnten Fälle einbezieben 
möchte. Ganz besonders glaubt sich Referent in einem Punkte mit allen 
Herren, die in der Diskussion das Wort ergriffen haben, einig: in der 
Ablehnung des Bleul ersehen Standpunktes. Im übrigen konstatierter, 
daß gerade durch den Anstoß, den es zu dieser fruchtbaren Diskussion 
gegeben hat, sein Referat, das ja nur deren Einleitung abgeben sollte, 
seinen Zweck erfüllt hat: erschöpfen konnte es ja das ungeheure Thema 
unmöglich; dazu wären mehrere SpeziaIreferate nötig. Referent berichtigt 
schließlich noch, daß der Vergleich psychischer Defekte mit Narben, den 
er en passant erwähnt hat, nicht von Pilcz publikatorisch geprägt 
worden ist, wie Referent und Bleuler angenommen haben. 


Sitzung vom 12. März 1912. 

Vorsitzender: Hofrat Oberst ein er. 

Schriftführer : Priv.-Doz, Dr. P ö t z 1. 

Prof. Dr. Otfried F o e r s t e r - Breslau : Die Indikationen und 
Erfolge der Hinterwurzeldurchschneidung 1 ). 

Diskussion: 

Priv.-Doz. Dr. Egon Ranzi: Bericht über zehn Fälle von 
Foorsteracher Operation. 

Ich erlaube mir, im Anschluß an die Ausführungen von Herrn 
Prof. Foerster über die Fälle von Durchschneidung der hinteren 

i) Ausführlich publiziert Wien. klin. Wochenschr. 1912, 25. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien 543 


Wurzeln zu berichten, welche in den letzten drei Jahren an der Klinik 
v. Eiseisberg vorgenommen wurden. Es sind dies im ganzen zehn 
Fälle, bei welchen elf Operationen ausgeführt wurden. 

Ich bespreche zuerst die Fälle mit spastischen Lähmungen, haupt¬ 
sächlich an den unteren Extremitäten, einerseits deshalb, weil gerade 
diese Fälle nach der Ansicht Foersters die günstigsten Aussichten 
für die Wurzeldurchschneidung bieten, anderseits, weil ich in der Lage 
bin, Ihnen einige Patienten dieser Gruppe, die sich noch an der Klinik 
befinden, zu demonstrieren. 

Es wurde viermal die Durchschneidung der hinteren Wurzeln im 
Lumbalsegment vorgenommen. Drei von den Fällen kann ich demonstrieren. 

Fall I. Bei dem sechsjährigen Mädchen handelt es sich um eine 
spastische Paraparese der unteren Extremitäten, wobei die Spasmen die 
motorische Schwäche überwiegen. Aus der Anamnese hebe ich hervor, 
daß das Kind erst im zweiten Lebensjahre sich aufsetzen lernte; erst 
gegen Ende des zweiten Jahres begann es unsicher zu gehen, wobei es 
die Beine über Kreuz stellte und oft umkippte. Im vierten Lebensjahre 
erhielt es einen Gipsverband und später durch sechs Monate einen Geh¬ 
apparat. Mit diesem lernte es so weit gehen, daß es die Füße gerade 
vorstrecken konnte. 

Das Kind wurde uns zur Vornahme der Operation von Priv.-Doz. 
Fuchs überwiesen und am 15. Dezember 1911 wurde von Hofrat 
v. Eiseisberg die Foerstersehe Operation ausgeführt. Durchschnitten 
wurde L. 2, L. 3, L. 5 beiderseits, aseptischer Wundverlauf. 

Jetzt, drei Monate nach der Operation, ist eine Besserung des 
Gehvermögens bei dem Kinde, bei welchem von Privatdozent Fuchs 
systematisch Gehübungen gemacht wurden, zu konstatieren. 

Fall II. 17jähriges Mädchen. Vor ö 1 /^ Jahren stellte sich bei 
der Patientin im Anschluß an eine Encephalitis eine typische zerebrale 
Hemiplegie, zuerst auf der linken Seite, später auch auf der rechten 
Seite ein, wobei die unteren Extremitäten stärker betroffen waren. Auf 
der Höhe der Krankheit waren die unteren Extremitäten nahezu be¬ 
wegungslos. Später lernte die Patientin notdürftig gehen, ohne daß eine 
Besserung der Spasmen eingetreten wäre. Seit zwei Jahren ist der 
Zustand stationär. 

Die Untersuchung ergab folgendes: Beide Füße in Peroneusstellung, 
links stärker als rechts. Die beiden Extremitäten sind spastisch-paretisch, 
wobei die Spasmen überwiegen. Grobe Kraft gut, ebenso die Möglich¬ 
keit, Bewegungen nach allen Richtungen auszuführen. Spasmen sind 
peripher stärker als zentral. Patellar- und Fußklonus beiderseits, Babinski, 
Strümpell, Oppenheim positiv. Der Gang erfolgt mit Unterstützung, u. zw. 
rein spastisch-paretisch, wobei die Patientin links mit dem äußeren 
Fußrand auftritt. 

Bei der Patientin, welche von Priv.-Doz. Marburg auf die 
Klinik gewiesen wurde, wurde am 26, Januar 1912 von Hofrat 
v. Eiseisberg die Durchschneidung der hinteren Wurzeln von L. 3, 


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544 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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L. 5, S. 1 beiderseits ausgeführt. Heilung per primam. Sechs Wochen 
nach der Operation ist eine Besserung zu konstatieren, besonders auf 
der rechten Seite sind die Spasmen wesentlich geringer. Links ist Fuß- 
klonus vorhanden. Babinski positiv. 

Fall III. 16jähriger Schneiderlehrling. Pat. hatte mit einem 
Jahr Fraisen, die zwei Monate gedauert haben sollen, nach einem halben 
Jahre trat die spastische Paraparese der unteren Extremitäten, nach 
einem weiteren halben Jahre die beiderseitige Spitzfußstellung auf. Mit 
fünf Jahren begann Pat. zu gehen und konnte sich durch Anhalten an 
Gegenstände leidlich gut fortbewegen, in den letzten Jahren soll sich 
der Gang gebessert haben. Die Spasmen an den unteren Extremitäten 
blieben unverändert, die Spitzfußstellung nahm in den letzten Jahren zu. 

Bei der Aufnahme in die Klinik bestand an den unteren Extremi¬ 
täten eine spastische Paraparese mit hochgradigen Spasmen bei relativ 
guter motorischer Kraft. Links ausgebildete, rechts nur angedeutete 
Spitzfußstellung. 

Priv.-Doz. Fuchs sandte den Patienten zur Vornahme der 
Fo erster sehen Operation an die Klinik. Am 6. Februar habe ich die 
hinteren Wurzeln von L. 2, L. 4 und L. 5 beiderseits durchschnitten, 
reaktionsloser Wundverlauf. Einen Monat nach der Operation ist das 
Gehvermögen gebessert, der Gang mit Unterstützung möglich, Spasmen 
rechts sehr gering, Patellarreflex nicht auslösbar, Fußklonus vorhanden, 
beiderseitig Babinski, links stärker als rechts, linker Patellarreflex 
vorhanden. 

Fall IV. Die 38jährige Frau wurde mit der Diagnose eines 
Rückenmarktumors von Prof. v. Frankl-Hoch wart der Klinik über¬ 
wiesen. Hofrat v. Eiseisberg entfernte am 21. Oktober 1910 einen 
anscheinend von den weichen Hirnhäuten ausgehenden Tumor des 
Rückenmarks, der von der Höhe des ersten bis zu der des dritten 
Brustwirbels reichte und der sich histologisch als Spindelzellensarkom 
erwies. Da im Anschluß an diese Operation die schon früher bestandenen 
Spasmen und Kontrakturen in den beiden unteren Extremitäten sich 
nicht besserten, wurde am 13. Dezember 1910 die Fo er st er sehe 
Operation vorgenommen. Durchschnitten wurde L. 2, L. 3, L. 4 und S. 1 
beiderseits. Der Effekt der Operation ein halbes Jahr später war wenig 
befriedigend, indem die Sp ismen sich nur in beschränktem Maße 
besserten und die Kontrakturen dauernd bestehen blieben. 

In weiteren sechs Fällen wurde die Fo erster sehe Operation an 
den hinteren Wurzeln des Halsmarks ausgeführt, zwei Falle dieser 
Gruppe waren mit Athetose kombiniert. 

Fall V. 24jähriger Agent. Pat. erlitt im neunten Lebensjahre 
eine rechtsseitige Hemiplegie, die in vier Wochen zurückging. Ein Jahr 
später trat eine Lähmung der linken Körperhälfte auf. Während sich 
nun die Beweglichkeit des linken Fußes in kurzer Zeit wieder besserte, 
blieb eine spastische Lähmung des linken Armes, mit Kontrakturstellung 
im Ellbogen-, Hand- und den Fingergelenken zurück, sehr heftige Spasmen. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 545 

Eine am 19. Juni 1906 ausgeführte Dehnung des freigelegten 
Plexus brachialis hatte ebensowie die am 30. September 1909 vor- 
genommene Durchschneidung der Beugemuskel am Vorderarm nur vor¬ 
übergehenden Einfluß auf die immer heftiger werdenden Spasmen. 

Es wurde daher am 23. November 1910 die Foerstersche 
Operation durch Hofrat v. Eiseisberg ausgeführt. Durchschnitten 
wurden C. 5, C. 6, C. 7 und D. 1. 

Nach vorübergehender Besserung, während welcher die Spasmen 
vollkommen verschwunden waren, sind jetzt, l 1 /* Jahre nach der Ope¬ 
ration, wieder schmerzhafte Krämpfe, besonders im Vorderarm, vor¬ 
handen, doch muß sein Zustand gegenüber früher als gebessert bezeichnet 
werden. (Demonstration.) 

Fall VI. Bei dem 15jährigen Burschen trat nach einer im Alter 
von einem halben Jahre durchgemachten Poliencephalitis eine spastische 
Hemiplegie der rechten Seite auf. Wegen des Spitzfußes wurde drei 
Jahre später die Achillotenotomie mit adressierendem Gipsverband aus¬ 
geführt. Der Gang besserte sich, blieb jedoch stark hinkend. Der rechte 
Arm blieb infolge der starken Spasmen vollkommen gebrauchsunfähig. 
Er ist viel schwächer als der linke. Das Ellbogengelenk leicht gebeugt. 
Hand ulnarflektiert. Am 11. Mai 1911 wurde von Hofrat v. Eiseis¬ 
berg die Foerstersche Operation gemacht. Durchschnitten wurden 
C. 4, C. 5, C. 7, C. 8, D. 1. Reaktionsloser Wundverlauf. Ein Monat 
später bei der Entlassung war der Zustand insofern gebessert, als die 
Spasmen verschwunden waren, unverändert blieben die myo- und athro- 
genen Kontrakturen. 

Fall VII. 26jähriger Mann. Im Alter von 15 Jahren trat nach 
einem Unfall (Fall von einem Wagen) eine Lähmung der linken Körper¬ 
hälfte auf. Während die Beweglichkeit des linken Beines nach fünf 
Monaten allmählich wiederkehrte, blieb der linke Arm dauernd gelähmt. 
Linker Arm hochgradig atrophisch, Bewegungen im Ellbogen- und 
Schultergelenk wenig eingeschränkt. Die Hand steht in Beugekontraktion, 
die Finger krallenförmig in die Vola geschlagen. Handklonus. Starke 
schmerzhafte Spasmen. 

Es wurde zunächst am 3. November 1911 die von Stoffel 
(Heidelberg) am letzten Naturforscherkongreß angegebene Methode ver¬ 
sucht. Der Nervus medianus wurde am Oberarm aufgesucht und nach 
Zerschneidung desselben einzelne Bündel durchgeschnitten. 

Der Erfolg der Operation war nur ein geringfügiges Nachlassen 
der Spasmen, weshalb am 19. November 1911 die Foerstersche 
Operation ausgeführt wurde. C. 4, C. 5, C. 7 links. Bei der Entlassung 
(ein Monat post operationem) sind Handklonus und die schmerzhaften 
Spasmen gewichen. Die Kontraktur des Handgelenkes besteht unver¬ 
ändert fort. 

Fall VIII. 19jähriges Mädchen. Im Alter von sechs Monaten 
Krämpfe in der rechten Körperhälfte, die sich langsam besserten und 
seltener wurden. Vor zwei Jahren neuerlich Krämpfe in der rechten 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 35 


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546 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Seite, später Kopfschmerz, Schwindel und Sprachstörung. Athetotische 
Bewegungen der rechten Hand und des rechten Fußes. 

In der rechten oberen Extremität, besonders der Hand und den 
Fingern, laufen neben den Spasmen fortwährend athetotische Bewegun¬ 
gen ab. Die Patientin wurde uns von Prof. Schlesinger zur Vor¬ 
nahme der Foersterschen Operation überwiesen. Am 5. August 1910 
durchschnitt ich die hinteren Wurzeln von C. 5, C. 7 und D. 1 rechts. 
Die Spasmen waren nach der Operation im Hand- und Ellbogcngelenk 
wesentlich gebessert, im Daumen und Zeigefinger dauerten sie fort. Dio 
athetotischen Bewegungen, welche bald nach der Operation geringer 
wurden, stellten sich in erneuertem Umfang ein, außerdem traten neur¬ 
algische Schmerzen im Ulnarisgebiet auf. Auf dringenden Wunsch der 
Patientin wurde am 28. Februar 1911 eine neuerliche Fo erster sehe 
Operation vorgenommen und dabei C. 6 und C. 8 rechts durchschnitten. Die 
Spasmen hörten auf, die athetotischen Bewegungen und die neuralgischen 
Schmerzen dauern unvermindert fort. Starke Atrophie des rechten Armes, 
trophisches Geschwür am Ellbogen. Die Sensibilität des ganzen rechten 
Armes herabgesetzt, totale Empfindungslosigkeit ist jedoch nur im 
Ulnarisgebiet vorhanden. (Demonstration.) 

Fall IX. 34jähriger Mann. Im Alter von einem halben Jahre 
erlitt Pat. eine Lähmung der linken Körperhälfte. Die Lähmung des 
Beines ging zurück, während der linke Arm gelähmt und völlig gebrauchs¬ 
unfähig blieb. Der linke Arm in beständig spastischer, jedoch zeitweise 
wechselnder Stellung, im Ellbogengelenk gestreckt, im Handgelenk flektiert, 
die Finger zur Faust geballt. Sobald Pat. den Arm gebrauchen will, 
treten noch stärkere Spasmen auf, in den Fingern Athetosebewegung. 

Der Patient wurde uns von Prof. v. Strümpell zur Vornahme 
der Fo erst ersehen Operation zugewiesen, welche Hofrat v. Eisels- 
berg am 22. Juli 1910 ausführte. Durchschnitten wurden C. 5, C. 6, 
C. 8, D. 1 links. 

Wegen fortdauernder Krämpfe am Oberarm wurde am 8. August 1910 
die Tenotomie der Bizepssehne ausgeführt. 

Bei der Entlassung am 23. August waren die Spasmen gebessert. 
Acht Monate später wieder krampfartige Zuckungen in der linken oberen 
Extremität, namentlich im Schultergürtel und in der Hand. Die gekrümmten 
Finger sind leicht zu strecken. 

Fall X. 55jähriger Arzt. Bei dem Patienten wurde die Exstir¬ 
pation eines Dickdarmkarzinoms vorgenommen. Im weiteren Verlaufe 
kam es zur Entwicklung einer Metastase an der Wirbelsäule, welche 
auf den rechten Plexus brachialis drückte und äußerst große Schmerzen 
verursachte. Wegen dieser Schmerzen wurde von Hofrat v. Eiseisberg 
am 20. Februar 1910 die Foerstersche Operation ausgeführt und die 
hinteren Wurzeln vom C. 7, C. 8, D. 1 durchschnitten. Nach einer kurzen 
Besserung traten die Schmerzen von neuem auf. Pat. ist zirka ein halbes 
Jahr darauf seinem Leiden erlegen. 

Fasse ich unsere Fälle zusammen, so wurde an zehn Patienten 
elfmal die Foerstersche Operation ausgeführt. Wir haben keinen 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 547 

Patienten im Anschluß an die Operation verloren, der Heilungsverlauf 
war stets ungestört. Wir haben immer, wie wir auch sonst bei Rücken¬ 
marksoperationen zu tun pflegen, einzeitig operiert, hauptsächlich deshalb, 
weil wir glaubten, unseren Patienten nach der langwierigen Laminektomie 
den relativ sehr schnell ausführbaren Akt der Wurzeldurchschneidung 
zumuten zu können. Ich muß jedoch nach den Erfahrungen, die ich bei 
Fall III gemacht habe, doch zugeben, daß es bei jugendlichen Personen 
unter Umständen zweckmäßiger ist, die Operation, wie dies in solchen 
Fällen Küttner meist macht, in zwei Akte zu zerlegen. In dem er¬ 
wähnten Falle kam es nach Eröffnung der Dura und reichlichem Liquor¬ 
abfluß plötzlich zu einer starken Verschlechterung des Pulses, so daß 
ich hinterher bedauerte, den Patienten einzeitig operiert zu haben. 

Was die Anästhesie anlangt, so haben wir stets in Narkose — 
bei Erwachsenen nach vorausgegangener Morphin-Skopolamininjektion 
operiert. In letzter Zeit ist von Braun die Einspritzung von Novokain - 
Suprareninlösung zur Laminektomie empfohlen worden, einerseits wegen 
der anästhesierenden, anderseits insbesondere wegen der anämisierenden 
Wirkung des Adrenalins. 

Auch Heidenhain hat erst kürzlich über vier auf diese Weise 
operierte Fälle berichtet. Wir verfügen diesbezüglich bei den Laminektomien 
bisher über keine eigenen Erfahrungen, jedoch erscheint uns nach den 
Erfahrungen, die wir erst vor kurzem bei drei Trepanationen mit Braun¬ 
scher Lokalanästhesie gemacht haben, dieses Verfahren sehr beachtenswert. 

Wenn ich nun zu den Erfolgen in unseren Fällen übergehe, so 
möchte ich gleich vorwegnehmen, daß wir in unseren Fällen mit Rück¬ 
sicht auf die relativ kurze Zeit, welche seit den Operationen in den 
meisten Fällen verflossen ist, Über endgültige Resultate noch nicht be¬ 
richten können. Man muß ja Monate und auch Jahre unter fortgesetzter 
orthopädischer Nachbehandlung verfließen lassen, um ein abschließendes 
Urteil fällen zu können. 

Fast in allen Fällen war das unmittelbare Resultat ein gutes, die 
Spasmen ließen nach oder verschwanden vollständig. Es war dies auch 
bei den Patienten der Fall, bei welchen später wieder Spasmen auftraten. 

So weit wir jetzt unsere Resultate überblicken, können wir einen 
deutlichen Einfluß auf die Spasmen in fünf Fällen (I, II, III, VI, VII) 
konstatieren, in einem Falle (V) war die Besserung gering, in vier 
Fällen war eine Besserung nicht vorhanden. Unbeeinflußt durch die 
Operation war die Athetose, welche in zwei Fällen bestand; nach kurzer 
Besserung traten wieder die athetotischen Bewegungen auf. Einen nur 
ganz vorübergehenden Einfluß hatte die Operation im Fall X, in dem 
wegen Schmerzen durch eine Karzinommetastase operiert wurde. Keine 
Wirkung übte natürlich die Fo erster sehe Operation auf die Kon¬ 
trakturen, welche durch Schrumpfungen der Muskeln und Gelenke bedingt 
waren (Fall IV, VI, VII). Nach der Operation anhaltende Schmerzen 
wurden zweimal (Fall V, IX) beobachtet. 

Priv.-Doz. Dr. Alfred Exner: Bericht über zwei Fälle von 

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Foersterscher Operation, die an der Klinik Hochenegg aus- 
geführt wurden. 

In einem Falle handelte es sich um einen Little. Der Fall wurde 
von mir bereits in der Gesellschaft der Arzte demonstriert (Wiener 
klinische Wochenschrift 1911, S. 1612). Der Erfolg war ein sehr zu¬ 
friedenstellender, da der neunjährige Knabe, der früher nur mit Hilfe 
seiner Hände, die er auf den Boden aufsetzte, sich vorwärtsbewegen 
konnte, jetzt gehen kann. Durchschnitten wurden L. 5, S. 2 und S. 3 
(Demonstration von Photographien). 

Im zweiten Falle handelte es sich um tabische Krisen. Der Fall 
gehört zu jener Gruppe, die nach den Ausführungen Prot Foersters 
zu wenig radikal operiert wurden (D. 10, D. 11 und D. 12), doch ist 
sein Befinden jetzt, ein Jahr nach der Operation, wesentlich gebessert. 
Dieser Fall war insofern interessant, da er schon bald nach der Operation 
wieder Schmerzen hatte, aber ohne zu erbrechen. Die Beobachtungen, 
die ich an diesem Patienten machen konnte, bestimmten mich, den thera¬ 
peutischen Versuch mit doppelter Vagusdurchschneidung bei Fällen von 
Krisen zu machen und vorzuschlagen. (Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, 
Bd. 11.) Über die ersten zwei Fälle habe ich bereits berichtet Von 
vier so operierten Fällen starb einer im Anschlüsse an die Operation 
an einem technischen Fehler. Ob in diesem Falle die Schmerzen, die 
nach der Operation weiter bestanden, auf das Weiterbestehen der Krisen 
oder auf die infolge Überdehnung des Magens (das Gastrostomieröhrchen 
war herausgefallen) bestehenden Schmerzen oder endlich auf den sich 
entwickelnden subphrenischen Abszeß zu beziehen waren, weiß ich nicht» 

Ein Fall hat seit einem Jahre nicht mehr erbrochen; die Frau 
ist seither auf einem Auge erblindet; ein Gürtelschmerz in der unteren 
Brustapertur besteht fort; die typischen Krisen jedoch sind seither aus- 
geblieben. Ein Fall ist erst vor drei Wochen operiert worden; der Erfolg 
ist bisher ausgezeichnet. 

Der letzte Fall wurde erst vor wenigen Tagen operiert. Es geht 
ihm gut, doch ist bei ihm wie im vorletzten Falle die Beobachtungszeit 
noch zu kurz. 

Jedenfalls scheinen mir die bisher gemachten Beobachtungen so 
ermunternd, daß weitere therapeutische Eingriffe in dieser Art angezeigt 
erscheinen. 

Prim. Lotheissen: Meine HerrenI Ich habe viermal wegen 
gastrischer Krisen die Foer st ersehe Operation ausgeführt, u. zw. an 
drei Personen. Der eine Kranke ist gestorben, weil eine Nekrose nach 
Injektion von Arsenobenzol (Salvarsan) in die Wunde durchbrach. Eis 
kam zu Meningitis. Der Patient hatte nach der Ehrlich sehen Injektion 
Blasenstörungen; diese sollen aber nach Ehrlich und Eisner nur 
dann auftreten, wenn das Präparat zersetzt ist. Es kam auch nach der 
Injektion zu Temperatursteigerungen, vielleicht war also die Nekrose 
nicht ganz aseptisch, mindestens bot sie aber einen ausgezeichneten 
Nährboden. Ich möchte daher bei allen E'ällen gastrischer Krisen, bei 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 549 

denen man auch nur an die Möglichkeit denkt, einmal die Wurzelsektion 
auszuführen, dringend raten, keine Salvarsaninjektion zu 
machen, oder sie wenigstens nicht in die Rückenmuskulatur 
zu geben. 

Die anderen beiden Patienten befinden sich relativ wohl, ihr Zustand 
ist ganz wesentlich gebessert. Der eine hatte eine rasch progrediente 
Tabes, die Ataxie war rasch eingetreten. Sie ist jetzt (anderthalb Jahre 
nach der Operation) besser, der Prozeß scheint also stationär geworden 
zu sein. Das ist eine Beobachtung, die auch Zinn in Berlin bei seinem 
Falle gemacht hat. Die Ataxie war nach der Operation geringer 
geworden. Hier hatte ich nur die sechste bis zehnte Dorsalwurzel reseziert, 
also eigentlich zu wenig Wurzeln, trotzden erklärt der Kranke, der früher 
im Status criticus war, seinen Zustand für ganz erträglich. 

Bei dem dritten Kranken hatte ich vor bald zwei Jahren die 
sechste bis neunte Wurzel reseziert. Anfangs glänzender Erfolg, später 
Wiederkehr leichter Krisen und deutliche hyperalgetische Zone im Be¬ 
reiche der zehnten bis zwölften Dorsal Wurzel. Wie gut der Erfolg schon 
Jieser ersten Operation gewesen sein muß, geht daraus hervor, daß der 
Mann bereitwillig darauf einging, sich diese tiefen Wurzeln, denen ich 
noch die erste Lumbalis anfügte, resezieren zu lassen. Das war im 
Juli 1911. Danach waren die Beschwerden fast ganz verschwunden, so¬ 
lange der Kranke das Spital nicht verließ. Draußen wurde es anders. 

Und da möchte ich nun betonen, wie wichtig das weitere 
Verhalten der Operierten für den Dauererfolg ist. Der 
Mann war stets (wie er behauptet, aus Berufsrücksichten) ein starker 
Trinker, dabei leidenschaftlicher Zigarettenraucher. Seine Schmerz an fälle 
und Erbrechen, die beide aber nur mäßig sind, treten nur nach Abusus 
apirituosum auf und dauern so lange wie die Alkoholwirkung. Eine 
ähnliche Beobachtung haben Bruns und Sauerbruch gemacht bei 
hinein Kranken, der, solange er mäßig blieb, krisenfrei war, im übrigen 
als Maurer arbeiten kann. 

Mein Kranker war auch Morphinist geworden; wie wenig heftig 
seine Schmerzen sind, ersieht man daraus, daß sie, solange er im Spital 
war, auch auf eine Injektion von Kochsalzlösung aus der Pravazspritze 
aufhörten. 

Bezüglich der Technik ist es wichtig, daß man nicht viel Liquor 
unnötig abfließen läßt. Chipaul t hat so einen Patienten verloren, bei 
Jem Mcdulla und Gehirn ganz ausgetrocknet waren. Es ist daher, um 
eine Liquorfistel zu verhüten, wichtig, nicht bloß die Dura exakt zu 
schließen, sondern insbesondere die Muskulatur gut zu vernähen, sie so 
^inzustülpen, daß sie das Loch, das durch die Entfernung der Knochen 
entstanden ist, ausfüllt. 

Besteht keine Fistel, so ist übrigens der Liquor Verlust nicht so 
bedenklich, nur muß man sofort nach der Operation und in den nächsten 
Tagen subkutan physiologische Kochsalzlösung in reichem Maße (1500 cm 3 
und mehr) infundieren. Dann erholen sich die Kranken sehr rasch. Ich 


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550 Bericht dos Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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glaube, daß man durch diese Vorsichtsmaßregel die Gefahr der Operation? 
die ich übrigens nicht für so überaus groß ansehe, noch wesentlich 
herabsetzt. 

Prof. Dr. Adolf Lorenz: Der genialen Konzeption der Foerster- 
schen Operation wird man ohne Einschränkung Bewunderung zollen 
müssen. Aber die Sache hat ihre Schattenseiten. Ich habe Gott sei Dank 
mit Tabes und gastrischen Krisen nichts zu tun und behandle die Frage 
der Wurzelresektion lediglich von meinem Standpunkt als Spezialist für 
orthopädische Chirurgie. Ich will vollständig zugeben, daß Herr Kollege 
Foerster uns hier Fälle von spastischer Paralyse gezeigt hat, denen 
gegenüber die usuelle orthopädische Behandlung sicher versagt hätte* 
Solche schwere Fälle, bei denen jedwede willkürliche Bewegung durch 
den Spasmus unmöglich geworden ist, gehören glücklicherweise zu den 
größten Seltenheiten. Die ungeheure Mehrheit der Fälle von L i 111 e scher 
Krankheit kann auf dem ungleich kürzeren und vollkommen harmlosen 
Wege der orthopädischen Behandlung zur selbständigen Lokomotion 
gebracht werden. Ich habe sogar den Eindruck gehabt, daß die ortho¬ 
pädisch behandelten Fälle, trotz des Fortbestandes der pathologischen 
Innervation, also trotz ihres federnden und spastischen Ganges, häufig 
eigentlich besser, resp. kraftvoller gehen, als die einer ausgiebigen Wurzel¬ 
resektion, wie eine solche immer verlangt wird, unterzogenen Fälle, 
welche oft den Eindruck spinaler Paralyse machen und ihre Beine 
mühsam nachschleppen. Bei solchen radikal behandelten Fällen macht 
es den Eindruck, als sei die spastische in eine schlaffe Lähmung ver¬ 
wandelt worden. Da wir in der Orthopädie vitale Indikationen nicht 
kennen, müssen wir Operationen, die eine so hohe Mortalität haben, 
wie die Wurzelresektion, vorläufig ablehnen. Wenn wir die Hindernisse 
ins Auge fassen, welche beim Spastiker — immer die allerschwersten 
Fälle ausgenommen — den Gang unmöglich machen, so steht hier in 
erster Linie die Adduktionskreuzung, während die Flexionskontraktur der 
Knie und selbst hochgradige Spitzfüße nur relative Hindernisse sind. 
Was die Methoden zur Beseitigung der Adduktionskreuzung der Ober¬ 
schenkel anbelangt, so darf ich hier darauf hinweisen, daß ich schon 
vor zwanzig Jahren zu diesem Behufe Eingriffe an den peripheren 
Nerven empfohlen habe, u. zw. die Resektion des oberflächlichen und 
tiefen Astes des Nervus obturatorius. Die Erfolge waren ganz ungenügende* 
Weit radikaler wird die Adduktionskreuzung der Oberschenkel durch die 
Myorrhexis adductorum beseitigt; es ist durchaus nicht zutreffend, wenn 
gesagt wird, daß die so erzeugte Adduktionskontraktur bestehen bleibe. 
Dieselbe geht vielmehr prompt zurück. Leider läßt sich das Prinzip 
der Muskeldehnung bis zur partiellen Zerreißung nicht auch an den 
Knieflexoren und Wadenmuskeln durchführen. Jede orthopädische Be¬ 
handlung hat zum Ziele die Beseitigung der Störung im Muskelantago¬ 
nismus durch Schwächung des spastisch stärker affizierten Muskels mittels 
Muskel- und Sehnenoperationen und die Kräftigung der Antagonisten durch 
Übungstherapie. Neuerdings hat man abermals versucht, die peripheren 
Nerven zum Angriffspunkt der Behandlung zu wählen. (Stoffel.) Amerikani- 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 551 

sehe Kollegen empfehlen Alkoholinjektionen in die peripheren Nerven. 
Kurz, man ist bestrebt, die Gefahren der Wurzelresektion zu umgehen. 
Vollständig ablehnend muß ich mich gegen die Vorschrift Küttners 
verhalten, die der Wurzelresektion zu unterziehenden Fälle nicht ortho¬ 
pädisch vorzubehandeln, da das Verschwinden der Kontrakturen durch 
die Radikotomie allein bewirkt werden soll. Demgegenüber ist zu betonen, 
daß nur der spastische, nicht aber auch der trophische Anteil an der 
Kontraktur durch die Wurzclresektion schwinden kann. Ich verfolge 
vielmehr den umgekehrten Weg und setze mit der orthopädischen Be¬ 
handlung ein. Nur in den seltenen, allerschwersten Fällen von spastischer 
Paralyse sind ihre Resultate mangelhaft und nur für diese besteht die 
Wurzelresektion zu Recht 

Prim. Dr. Moszkowicz hat neunmal die Foerstersehe Operation 
ausgeführt, dreimal wegen spastischer Lähmungen, sechsmal wegen 
gastrischer Krisen. Die Dauerresultate dieser Operationen sollen an 
anderer Stelle ausführlicher mitgeteilt werden. Zusammenfassend kann 
Moszkowicz berichten, daß er bei den Tabikern wie alle anderen 
Autoren zunächst nach den Operationen sehr gute Erfolge gesehen hat. 
Leider können die Patienten sich an ihrer Besserung nicht lange freuen, 
da die anderen tabischen Beschwerden, lanzinierende Schmerzen, Darm¬ 
krisen, BlasenkriBen, sie andauernd quälen. Auch Moszkowicz sah 
um so bessere Erfolge, je mehr Wurzeln er resezierte. Am verblüffendsten 
war die Wirkung bei einem Kranken, dem die sechste bis elfte Dorsal¬ 
wurzel reseziert wurde. Bei diesem Kranken machte die Hauthyperästhesie 
nebst den Magensymptomen dem Patienten die größten Beschwerden und 
die Zone der Hauthyperästhesie entsprach ungefähr der sechsten bis 
elften Dorsalis, welche daher reseziert wurden. Von den Tabikern starb 
keiner an der Operation, dagegen erlag von den drei spastischen Lähmungen 
ein Fall dem Eingriff, worüber ich schon berichtet habe. Infolge der 
Jodtinkturdesinfektion hatte sich eine Dermatitis entwickelt, von der 
eine Infektion ausging, die zuletzt auch auf die Rückenmarkshäute Über¬ 
griff. Die Erfolge bei der Operation der spastischen Lähmungen hängen 
sehr wesentlich von der orthopädischen Nachbehandlung ab. Deshalb 
dürfte wohl einer unserer ersten Orthopäden recht haben, der mir einmal 
sagte, daß bei gleich sorgfältiger orthopädischer Nachbehandlung mit 
einigen Tenotomien in vielen Fällen ähnliche Erfolge erzielt werden 
können. Sehr beachtenswert erscheint mir auch der Vorschlag, den 
Stoffel auf dem Naturforscherkongreß in Karlsruhe machte, durch 
partielle Durchschneidungen an den peripheren Nerven den Tonus der 
spastischen Muskelgruppen herabzusetzen. Auch für die gastrischen Krisen 
wurden ebenfalls andere chirurgische Maßnahmen empfohlen. So hat 
Schüßler im Zentralblatt für Chirurgie (1911, S. 987) daran erinnert, 
daß die Cathelin sehen epiduralen Injektionen bei tabischen Krisen 
von Nutzen sein können. Er selbst übt die doppelseitige blutige Dehnung 
des Ischiadikus und ist der Meinung, daß die viszeralen Symptome der 
Tabes in vielen Fällen als Reflexneurosen anzusehen sind, die ausgelöst 
werden von den Nervi nervorum der an Perineuritis erkrankten Ischiadizi. 


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552 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Er erzählt die Krankengeschichte eines 40 jährigen Mannes, bei dem 
nach beiderseitiger Neurolysis an den Ischiadizi Magenkrisen und Harn- 
tränfeln verschwanden. 

Reg.-Rat Prim. Dr. Brenner und Dr. Stiefler (Linz)*) sahen 
in einem Falle von Tabes dorsalis mit schweren sensiblen Reiz¬ 
erscheinungen, die bei allen angewandten medikamentös-physikalischen 
Heilmitteln vollkommen refraktär verblieben, nach Resektion der ent¬ 
sprechenden hinteren Nervenwurzelpaare (nach Foerster) sofortiges 
Aufhören der ungemein heftigen Schmerzen. Leider war der Erfolg nur 
von mehrtägiger Dauer; der Kranke hatte nämlich schon seit Jahren 
wiederholt schwer bedrohliche kollapsartige Zustände durchgemacht, die 
auch ärztlich einige Male beobachtet werden konnten und dem Wesen 
nach im Gefühl von Ohnmacht, Schweißausbruch, Erblassen des Gesichtes, 
Erloschensein des Kornealreflexes, Aussetzen der Atmung bei kräftigem, 
regelmäßigem Pulse (Dauer 10 bis 15 Minuten) zum Ausdrucke kamen. 
Die Operation wurde zweizeitig durchgeführt; der Heilungsgang war ein 
durchaus normaler, der Kranke hatte die Operation gut überstanden. 
Acht Tage nach der Operation setzte ganz unerwartet ein Anfall von 
rasch fortschreitender, letaler Atmungslähmung ein, der aller Wahr¬ 
scheinlichkeit nach in Kongruenz mit den früher beobachteten Anfällen 
bulbären Ursprunges ist und jedenfalls mit der Operation in keinem Zu¬ 
sammenhang stehen dürfte. 

In einem F alle von Diplegia spastica infantilis congenita 
mit hochgradiger Lähmung beider Beine hat die Foerster sehe Operation, 
die am 26. Dezember 1910 einzeitig ausgeführt wurde, im Vereine mit 
streng durchgeführter zweckmäßiger Nachbehandlung sehr befriedigende 
und verwertbare Erfolge gebracht: die bestandenen Spasmen wurden 
teilweise sogar beseitigt, teils vermindert, die spinale Reflexerregbarkeit 
herabgesetzt, die Mitbewegungen äußerten sich nicht mehr so lebhaft 
wie früher. Der Kranke konnte beide Beine in ziemlichem Ausmaße und 
auch mit Kraft aktiv bewegen. Daß der Erfolg ein anhaltender ist, be¬ 
weist der Umstand, daß der Kranke, der seit einem halben Jahr aus 
der ärztlichen Behandlung entlassen ist und regelmäßig die Schule wieder 
besucht, jetzt, wenn er an den Armen gestützt wird, ganz gut gehen 
kann, mit etwas Nachhilfe auch die Stiegen steigt und sich in einer 
kleinen Gehschule sehr gut fortbewegt. Nach dem bisherigen Verlaufe 
und bei Fortsetzung der Gehübungen zu Hause ist sicherlich noch eine 
weitere Besserung zu erwarten. (Die Fälle wurden von Dr. Stiefler 
in der Wiener klinischen Wochenschrift 1911, Nr. 32, publiziert.) 

Prof. O. Foerster (Schlußwort): Meine Herren! Mit besonderer 
Freude habe ich die Mitteilung des Herrn Ranzi aus der v. Eiseis¬ 
berg sehen Klinik begrüßt, weil sie zeigt, daß in der Hand eines hervor¬ 
ragenden Chirurgen die Operation wirklich nicht so gefährlich ist, wie 
das aus der allgemeinen Statistik zunächst hervorzugehen scheint. Die 
schlechten funktionellen Resultate in manchen der von ihm mitgeteilten 

l ) Vom Vorsitzenden verlesen. 


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Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 553 

Fälle hängen zum Teil damit zusammen, daß eine Athetose vorlag, 
dann aber auch damit, daß wohl nicht immer genügend Wurzeln reseziert 
worden sind. Überhaupt gibt, wie gesagt, der Arm schlechtere Resultate 
wie das Bein. 

Den Standpunkt des Herrn Regierungsrates Lorenz kann ich 
nicht teilen. Lorenz wird kaum ahnen, wie viele Fälle mich aufsuchen, 
die vorher von den besten Orthopäden behandelt, jahrelang und sorg¬ 
sam behandelt sind, ohne wesentliches Resultat. Ich habe ja auch heute 
abends gerade mehrere Fälle demonstriert, in denen vorangehende orthopä¬ 
dische Behandlung ganz erfolglos blieb, die Wurzelresektion aber Nutzen 
stiftete. Es gibt sicher Fälle, in denen die gewöhnlichen orthopädischen 
Maßnahmen allein auch zu einem gewissen Ziele führen, das sind aber 
Fälle, in denen die Sehnen Verkürzungen im Vordergründe stehen, die 
spastischen Kontrakturen weniger stark sind, ln allen schwereren Fällen, 
in denen diese letzteren sehr stark sind, kommt man einfach mit 
Myorrhexis, Sehnenverlängerung, Sehnenplastik, Übungen und Massage 
nicht vorwärts. Ja sehr oft schaden die Sehnenoperationen geradezu; 
besonders führt die Verlängerung der Achillessehnen einen sehr stö¬ 
renden Pes calcaneo-cavus herbei, der, wenn dann später die Wurzel¬ 
resektion vorgenommen wird, nicht mehr weicht, weil sehr rasch Ver¬ 
änderungen im ganzen Fußgerüst Platz greifen. Ebenso habe ich Ihnen 
demonstriert, wie nach der Myorrhexis der Aduktoren einfach eine starre 
Kontraktur in Abduktion resultierte, die zu Schrumpfungen in der Kapsel 
des Hüftgelenkes und in den kurzen Außenrotatoren geführt hat, die 
auch nach der Wurzelresektion sehr schwer wieder zu beseitigen waren. 
Deshalb darf man meines Erachtens, wenn zunächst Operationen an den 
Sehnen und Muskeln ausgeführt werden, diesen Punkt nicht unbeachtet 
lassen und wenn solche Deformitäten sich auszubilden beginnen, dann 
schreite man bald zur Wurzelresektion. 


Jahresversammlung vom 14. Mai 1912. 

Vorsitzender: Hofrat Obersteiner. 

Administrative Sitzung. 

Der bisherige Vereinsvorstand wird wiedergewählt. Prof. Pierre 
Marie, Prof. Kraepelin werden zu Ehrenmitgliedern, Prof. Förster 
zum korrespondierenden Mitglieds gewählt. 

Wissenschaftliche Sitzung. 

Dr. 0. Marburg: Über einige Beziehungen der Blut¬ 
drüsen zum Nervensystem. (Erschienen in den Jahreskursen für 
ärztliche Fortbildung, München, Lehmann, 1912, Maiheft.) 


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554 Bericht des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 


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Diskussion: Priv.-Doz. Dr. E. Stransky möchte an die letzten 
der Ausführungen des Vortragenden insofern anknüpfen, als er, wie 
schon an früherer Stelle, das Schwergewicht nicht auf die Über- oder 
Unter-, sondern derzeit auf die Dysfunktion legen möchte. Gibt es 
doch Fälle, wo die Erscheinungen der Über- mit jenen der Unterfunk¬ 
tion, in specie der Schilddrüse, nebeneinander zu sehen sind (Basedow 
mit Myxödemsymptomen); im Rahmen des manisch-depressiven Irreseins 
wiederum sehen wir simultan Hemmung und Erregung ineinandergreifen 
(Mischzustände); auch die körperlichen Symptome, die wir für gewöhn¬ 
lich in einer Phase mit dem einen Vorzeichen finden (z. B. der Depression), 
interkurrieren in den Übergangszuständen nicht selten simultan in die 
anders gerichtete Phase hinein; Manie und Depression gehören ja im 
Rahmen des manisch-depressiven Irreseins überhaupt enge zueinander. 
Der Gedanke, daß bestimmte degenerative, psychotische Anlagen mit 
bestimmten Blutdrüsenstörungen korrespondieren, lag ja schon seit einiger 
Zeit in der Luft. Stransky hat ihn für das manisch-depressive Irre¬ 
sein auszuarbeiten versucht; er erinnert auch an die freilich etwa» 
anders gerichteten Anschauungen Pötzls, der mit Eppinger und 
Heß der Frage näher getreten ist. Marburg hat sich ein große» 
Verdienst erworben, indem er das Material zusammentrug und neue 
Gesichtspunkte beibrachte; am wesentlichsten erscheint Stransky der¬ 
zeit die Betonung des Momentes der Dysfunktion. 


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Mitgliederverzeichnis 

des Vereines für Psychiatrie und Neurologie in Wien. 

Stand im Mai 1912. 

Ehrenmitglieder: 

Erb Wilhelm, Exz., Wirkl. Geheimer Kat und Professor, Heidelberg. 
Golgi Camillo, Professor, Pavia. 

G o w e r s William Richard, Sir, Professor, London, Queen Anne Street. 
Horsley Viktor, Sir, Professor, London, Cavendish Square 25. 
Kraepelin Emil, Professor München. 

Magnan Valentin, Professor, 1 rue Cabanis, Paris. 

Marie Pierre, Professor, Paris, 209 Boulevard St. Germain. 

Kamon y Cajal S., Professor, Madrid. 

Ketzius Gustav, Professor, Stockholm. 

Schule Heinrich, Geh. Rat, Illenau bei Achern. 

Tamburini August, Professor, Rom. 

Korrespondierende Mitglieder: 

Alt Konrad, Professor, Uechtspringe. 

Bleuler E., Professor, Burghölzli. 

Borgherini Alexander, Professor, Padua. 

Bresler Joh., Oberarzt, Lueben, Schlesien. 

Bruns, Professor, Hannover, Lavesstraße 6. 

Der cum, Professor, Philadelphia. 

van Deventer J., Inspektor, Amsterdam. 

Dubief, Exzell., Paris. 

E ding er Ludwig, Professor, Frankfurt a. M. 

Ferrari Cesare, Privatdozent, Imola. 

Förster Otfried, Professor, Breslau, Tiergartenstraße 83. 

Frank Ludwig, Direktor, Zürich. 

Henschen Salomon, Professor, Stockholm. 

Högel Hugo, k. k. General-Prokurator, Wien. 

Lähr Max, Haus „Schönow“, Zehlendorf bei Berlin. 

Liepmann, Professor, Berlin. 

Löffler Alexander, Professor der jurid. Fakultät, Wien XVIII, Gentz- 
gasse 38. 


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Mitgliederverzeichnis. 


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Marie A., Direktor, Yillejuif. 

Mayer Adolf, Professor, Baltimore. 

Mingazzini G., Professor, Rom. 

Moeli Karl, Geh. Rat, Professor, Herzberge. 

Monakow C. v., Professor, Zürich. 

Mongeri Luigi, Mailand, San Marco 12. 

Naecke P. Med. R. Prof. Hubertusbarg. 

Nechan sky, Dr., Hof- und Gerichtsadvokat, Wien I, Stoss im Himmel 3. 
Neisser Klemens, Direktor der Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt in 
Bunzlau, Preuß. Schlesien. 

O’Farrel George, Sir, M. D., Dublin. 

Opp enheim H., Professor, Berlin, Königin Augustenstr. 28. 
Saenger Alf., Hamburg, Alsterglacis 11. 

Schul tze Fritz, Geh. Rat, Professor, Bonn. 

Smith Percy, London. 

Spill er William, Professor, Philadelphia. 

Türkei Siegfried, Hof- und Gerichts ad vokat, Wien VII, Stiftgasse 1. 
Unger Josef, Wirklicher Geheimer Rat, Exz. und Professor, Wien. 
Ziehen Theodor, Geheimrat, Professor, Wiesbaden. 

Ordentliche Mitglieder: 

Albrecht Othmar, k. u. k. Regimentsarzt, Graz. 

Alexa nder Gustav, Professor, Wien I, Rathausstraße 11. 

A11 e r 8 Rudolf, München, psych. Klinik. 

Altmann Siegfried, Badearzt in Gastein (Wien VIII, Florianig. 54). 
Anger er Franz, Inhaber der Privatheilanstalt „Svetlin“, Wien III, 
Leonhardgasse 3/5. 

Anton Gabriel, Geh. Med. Rat, Professor, Halle a. d. S. 
Aufschnaiter Otto v., Wien IX, Lazarethgasse 20. 

Samberger Eugen, Primararzt, Wien I, Lichtenfeisgasse 1. 

Biräny Robert, Privatdozent, klin. Assistent, Wien IX, Marianneng. 5. 
Bartel t Robert, k. k. Stabsarzt, Wien VII, Schottenfeldgasse 27. 
Bauer Julius, med. Klinik, Innsbruck. 

Bayer Karl, Regierungsrat, Primararzt, Sarajewo. 

Bechtali Milan, k. k. Regimentsarzt, Agram, Garnisonspital. 

Beck Rudolf, Wien I, Plankengasse 6. 

Beer Max, Wien IX, Wiederhofergasse 4. 

Berze Josef, Primararzt, Wien XIII, Steinhof. 

Bi ach Paul, klin. Assistent, Wien I, Schottengasse 10. 

Biedl Artur, Professor, Wien XIX, Pyrkergasse 29. 

Bischoff Ernst, Privatdozent, Gerichtsarzt, WienIX, Währingerstr. 15. 
Böck Ernst, Sanitätsrat, Direktor der schlesischen Landesirrenanstalt 
in Troppau. 

Bon di Max, Augenarzt, Iglau. 

Bonvicini Giuglio, Privatdozent, Sanatorium, Tulln. 


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Mitgliederverzeichnis. 


557 


Braun Ludwig I, Professor und Primararzt, Wien IX, Liechtenstein - 
straße 4. 

Braun Ludwig II, Chefarzt, Türnitz, Niederösterreich, Sanatorium. 
Bresslauer Hermann, Wien I, Parkring 18. 

Breuer Josef, korr. Mitglied der Akademie der Wissenschaften, Wien 
VII, Neustiftgasse 1. 

Bucura Konstantin, Privatdozent, Wien I, Museumstraße 8. 

Burkhart Josef, Primararzt, Wien XIII, Steinhof. 

Oanestrini Luigi, Primararzt, Triest. 

Catti Georg, Primararzt, Fiume. 

Chvostek Franz, Professor, Wien IX, Garnisongasse 6. 

Coelho Antonio, Oporto, Portugal. 

Danadschieff Stephan, Primararzt im Alexanderspital, Sophia. 
Deiaco Pius, Direktor der Irrenanstalt Pergine. 

Dimitz Ludwig, Assistent der psych. Klinik, Wien IX, Lazarethg. 14- 
Dimmer Friedrich, Professor, Wien I, Reichsratstraße 15. 

Divjak Stephan, ord. Arzt, Studenec bei Laibach, Post Sallocka. 
Dobrschansky Max, Wien XIII, Steinhof. 

Donath Julius, Privatdozent, Wien I, Landesgerichtsstraße 18. 
Drastich Bruno, k. u. k. Oberstabsarzt, Wien VIIT, Lederergasse 22. 

Economo Konstantin v., Univ.-Assistent, Wien I, Rathausstraße 13. 
Eisath Georg, Sekundararzt der Irrenanstalt Hall i. Tirol. 
Eiseisberg, Frhr. v., Hofrat, Professor, Wien I, Mölkerbastei 5. 
Eisenschitz Emil, praktischer Arzt, Wien VIII, Piaristengasse 18. 
Elzholz Adolf, Privatdozent, Landesgerichtsarzt, Wien IX, Alserstr. 20. 
Engländer Martin, Wien VI, Mariahilferstraße 1 d. 

Eppi nger Hans, Dozent und klin. Assistent, Wien VIII, Alserstr, 43. 
Epstein Julius, Wien VII, Wickenburgstraße 23. 

Erben Franz, Privatdozent, Wien VII, Mariahilferstraße 12. 

Erben Siegmund, Privatdozent, Wien I, Teinfaltstraße 7. 

Falta Wilhelm, Privatdozent, Wien IX, Waisenhausgasse 8. 

Federn Paul, praktischer Arzt, Wien I, Riemerstraße 1. 

Federn S., Wien IX, Währingerstraße 21. 

Feiler Karl, Besitzer der Kuranstalt Judendorf bei Graz. 

Fellner L., kais. Rat, Franzensbad, Winter Wien I, Hotel Motropole. 
Feri Karl, Wien IX, Hörigasse 12. 

Fertl Augustin, k. u. k. Oberarzt, Mödling, techn. Akademie. 

Fischer Oskar, Privatdozent, Klinik Pick, Prag. 

Flesch Julius, Wien II, Untere Augartenstraße 13. 

Fodor Julius, leitender Arzt der Wasserheilanstalt im Zentralbad,. 
Wien I, Schülerstraße 22. 

Formanek Franz, prakt. Arzt, Wien III. Hauptstraße 39. 
Frankl-Hochwart Lothar v., Professor, Wien IX, Schwarzspanier- 
straße 15. 


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Mitgliederverzeichnis. 


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Freud Josef, em. Sekundararzt, Wien IX, Alserstraße 4. 

Freud Siegmund, Professor, Wien IX, Berggasse 19. 

Freund Emst, Wien VII, Hofstallstraße 5. 

Frey Hugo, Privatdozent, Wien I, Maria Theresienstraße 3. 
Friedmann Hermann, Wien I, Karlsplatz 1. 

Friedmann Theodor, kais. Rat, Direktor der Privatheilanstalt in 
Gainfara. 

Fries Edgar, Direktor des Sanatoriums in Inzersdorf bei Wien. 
Fries Egon, klin. Assistent, Gerichtsarzt, Wien IX, Lazarethgasse 14. 
Frisch Felix, Wien I, Roten türm straße 7, im Sommer Porto Rose. 
Frisch Otto v., klin. Assistent, Wien VIH, Josefstädterstraße 17. 
Frischauf Hermann, Assistent der Klinik v. Wagner, Wien IX, 
Lazarethgasse 14. 

Fuchs Alfred, Professor, klin. Assistent, Wien IX, Gamisongasse 10. 
Fuchs Emst, Hofrat, Universitätsprofessor, Wien VIH, Skodagasse 16. 
Fuchs Richard, Distriktsarzt, Bleistadt, Bezirk Falkenau, Böhmen. 

Oe 11 is Siegfried, Wien IX, Kolingasse 4. 

Glaser Otto, Regimentsarzt, Sarajewo. 

Goldstern S., Wien IX, Lazarethgasse 20. 

Göstl Franz, Irrenanstalt Studenec bei Laibach. 

Groag Paul, Wien IX, Schwarzspanierstraße 11. 

Groß Karl, Sekundär- und Gerichtsarzt, Wien IX, Lazarethgasse 14. 
Großmann Michael, Professor, Wien IX, Gamisongasse 10. 
Gschmeidler Artur v., Jur. u. Med. Dr., Wien I, Babenbergerstr. 7. 
Gusina Eugenio, Irrenanstalt, Triest 

Hab erd a Albin, Professor, Gerichtsarzt, Wien XIX, Cottagegasse 39. 
Hab er er Hans v., Professor, Innsbruck. 

Halb an Heinrich v., Professor, Lemberg. 

Halla Ludwig, prakt. Arzt, Wien I, Gonzagagasse 17. 
Hammerschlag Albert, Privatdozent, Wien I, Universitätsstraße 11. 
Hanke Viktor, Privatdozent, Primarius, Wien IX, Schwarzspanier¬ 
straße 15. 

Hartmann Fritz, Professor, Graz I, Karmeliterplatz 6. 

Haskovec Ladislaus, Professor, Prag, Ferdinandsstraße 24. 
Hatschek Rudolf, Sanitätsrat, Gräfenberg, im Winter Wien IX, 
Rote Hausgasse 8. 

Hellich Bohuslaw, Privatdozent, Primararzt, Wopran bei Tabor. 
Herz Albert, em. Assistent, Wien IX, Ferstelgasse 6. 

Hess Leo, klin. Assistent, Wien VIII, Josefstädterstraße 71. 
Heveroch Anton, Professor, Prag I, 251. 

Hirsch Oskar, Wien IX, Währingerstraße 3* 

Hirschl A. J., Professor, Wien IX, Schwarzspanierstraße 15. 
Hitschmann Eduard, prakt. Arzt, Wien I, Rotenturmstraße 29. 
Hitschmann Richard, Augenarzt, Wien I, Graben 12. 

Hoevel Hermann, Gerichtsarzt, Wien VIII, Lerchenfelderstr. 28. 


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M itgliederverzeichni s. 


559 


Hofbauer Ludwig, prakt. Arzt, Wien IX, Alserstraße 6. 

Hoffmann Franz, Wien XIII, HietzingerStraße 69. 

Holländer Alexander, Privatdozent, Wien I, Rathausstraße 20. 
Holzknecht Guido, Privatdozent, Wien I, Liebiggasse 4. 

Hueber Gottfried, Wien XVIII, Ferragasse 3. 

Hüll es Eduard, Wien VH, Mariahilferstraße 58. 

In fei d Moritz, Primarius, Wien IX, Lazaretbgasse 11. 

JTagiö Nikolaus v., Privatdozent, k. k. Primararzt, Wien VHI, Schlössel- 
gasse 22. 

Janchen Emil, k. u. k. Oberstabsarzt, Wien III, Streicherg. 3. 
Joachim Julius, Wien XVIII, Cottage-Sanatorium. 

Joannovicz Georg, Professor, Wien IX, Kinderspitalgasse 15. 

Kaan Hans, Bezirks- und Gerichtsarzt, Mähr. Ostrau. 

Kaan-Albest Norbert v., Sanitätsrat, Meran. 

Kalmus Ernst, k. k. Landesgerichts- und Polizeiarzt, Prag II, 
Stephansgasse 27. 

arplus Paul, Professor, Wien I, Oppolzergasse 4. 
attinger Otto, Wien IV, Karolinengasse 16. 
antzner Karl, Gerichtsarzt, Graz, Radetzkystraße 9/1. 
ellermann Max, Hausarzt der n. 5. Landessiechenanstalt, St. Andrä- 
Wördern. 

esselring Max, Zürich V, Wilfriedstraße 8. 
neidl Cyrill, Primararzt in Kosmanos, Böhmen, 
nöpflmacher Wilhelm, Professor, Wien IX, Günthergasse 3. 
obylansky, Primararzt, Irrenanstalt in Czernowitz, Bukowina, 
oetschet Theophil, Primararzt, Sarajewo, 
ohn Alfred, Sanatorium Inzersdorf bei Wien, 
ohorn Maxim., Wien VI, Mariahilferstraße 67. 

olben Siegfried, k. k. Polizeiarzt, Wien XIX, Döblinger Haupt¬ 
straße 71. 

onrad Eugen, Irrenanstalt Lipötmezö, Budapest, 
ornfeld Siegmund, Wien IX, Alserstraße 8. 
oväcs Friedrich, Professor, Primararzt, Wien I, Spiegelgasse 3. 
rueg Julius, Primararzt, Wien XIX, Billrothstraße 69. 
rum holz Siegmund, Chicago, Dl. U. S. A., c/o L. I., Delson Fort 
Wearborn Building. 

raicza Bozo, Primararzt der Irrenanstalt in Sebenico. 
re Shuzo, Professor, Tokio. 

Lang Artur, Primär, Agram, Berggasse 2. 

Langer Josef, k. u. k. Regimentsarzt, Bilina, Bosnien. 

Lanzer Oskar, Med. Rat, Wien VII, Westbahnstraße 20. 

Latz ko Wilhelm, Privatdozent, Primararzt, Wien VI, Getreidemarkt 1. 
La über Hans, Dozent, Wien IX, WähringerstraCe 24. 


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:>ßo 


Mitgliederverzeichnis. 


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Lazar Erwin, Wien I, Freyung 6. 

Leidler Rudolf, Wien IX, Waisenhausgasse 11. 

Leischner Hugo, Primararzt, Brünn. 

Lenz Otto, prakt. Arzt, Brioni, Istrien. 

Levi Ettore, Florenz, Piazza Savonarola 9. 

Linert Kurt, Wien VI, Mariahilferstraße 48. 

Linsmayer Ludwig, Direktor des städt. Jubiläums-Spitals, Wien XIII* 
Löwy Robert, Wien EI, Krafftgasse 6. 

Luzenberger August v., Professor, Rom, Via Poli 14. 

Mann Artur, k. u. k. Regimentsarzt, Krakau, Garnisonsspital 15. 
Mannaberg Julius, Professor, Wien I, Luegerplatz 8. 

Marburg Otto, Privatdozent, Univ.-Assist., WienIX, Ferstelgasse 6. 
Mattauschek Emil, k. u. k. Stabsarzt, Privatdozent, Wien VIII y 
Florianig. 16. 

Mayr Emil, k. k. Sanitätskonzipist, Radkersburg i. Steiermark. 

Mayer Hermann, k. u. k. Regimentsarzt, Wien IX, Hebragasse 1. 
Mayer Karl, Professor, Innsbruck, Kaiser Josefstraße 5. 

Michel Rudolf, k. u. k. Stabsarzt, Agram, Garnisonsspital. 

Müller Leopold, Privatdozent, Wien VI, Mariahilferstraße 1 b. 

M i y a k e Koichi, Professor, Tokio. 

Nep alleck Richard, Wien IX, Lazarethgasse 16. 

Neuburger Max, Professor, Wien VI, Kasernengasse 4. 

Neumann Friedrich, Wien IX, Nußdorferstr. 6. 

Neu mann Heinrich, Privatdozent, Wien VIII, Schlösselgasse 28. 
Neurath Rudolf, Kinderarzt, Wien VIII, Langegasse 70. 

Nordberg, Karl No4 v., Wien III, Leonhardgasse 3. 

Noorden Karl v., Professor, Hofrat, Wien IX, Alserstraße 47. 
Nußbaum Julius, Wien IX, Berggasse 17. 

Obermayer Friedrich, Professor, Primararzt, Wien I, Bartenstein¬ 
straße 3. 

Obersteiner Heinrich, Hofrat, Professor, Wien XIX, Billrothstr. 69. 
Off er Josef, Sanitätsrat, Direktor der Landesirrenanstalt Hall, Tirol. 
Olbert D., Wien IX, Lazarethgasse 20, im Sommer Marienbad, Schwe¬ 
discher Hof. 

Orzechowski Kasimir v., Privatdozent, Primarius, Lemberg, Kra- 
szewskiego 15. 

Pal Jakob, Professor, Regierungsrat, Wien I, Rathausstraße 5. 
Pappen he im Martin, Bad Reichenhall. 

Pfungen Robert Frhr. v., Privatdozent, Primararzt, Wien VIII, 
Kochgassc 25. 

Pick Arnold, Hofrat, Professor, Prag, Jungmannstr. 14. 

Pilcz Alexander, Professor, Wien VIII, Alserstraße 43. 


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Mitgliederverzeichnis. 


561 


Piltz Jan, Professor, Krakau, Karmelicza. 

Pin eie 8 Friedrich, Professor, Wien I, Liebiggasse 4. 

Pötzl Otto, Privatdozent, klin. Assistent, Gerichtsarzt, Wien IX, La- 
zarethgasse 14. 

Pollak Josef, Professor, Wien I, Kärntnerstraße 39. 

Pokorny Mauritius, Direktor, Lainz, Jagdschloßgasse 25. 
Pospischill Otto, Direktor, Hartenstein bei Krems, Post Eis. 

Rai mann Emil, Professor, Gerichtsarzt, Wien VIII, Kochgasse 29. 
Ranzi Egon, Dozent, Wien IX, Mariannengasse 2. 

Raschofsky Wilhelm, k. u. k. Stabsarzt, Wien III, Garnisonsspital 2. 
Redlich August, Wien IX, Spitalgasse 21. 

Redlich Emil, Professor, Wien VIII, Schlösselgasse 15. 

Reich Zdislav, Wien IX, Lackierergasse 1 c. 

Reichel Oskar, prakt. Arzt, Wien XIX, Chimanigasse 11. 

Reiner Max, Privatdozent, Wien IX, Frankgasse 1. 

Reitter Karl, Privatdozent, Primararzt, Wien XIII, Eitelbergergasse 7. 
Reuter Fritz, Professor, Wien IX, Alserstraße 4. 

Richter August, Purkersdorf, Sanatorium. 

Richter Karl, Primararzt, Wien XIII, Steinhof. 

Rosenthal Robert, Wien XIII, Seutterg. 6. 

Rossi Italo, Mailand, Via Gioberti 2. 

Rothberger Julius, Professor, Wien I, Augustinerstraße 8. 

R o t h f e 1 d Jakob, Lemberg, Hausnergasse 9. 

Rudinger Karl, Wien IX, Lackierergassc 1. 

Sachs Moritz, Professor, Wien VIII, Friedrich Schmidplatz 7. 
Salomon Hugo, Professor, Wien IX, Mariannengasse 14. 

Sand Ren6, Professor, Brüssel, Rue des Minimes 45. 

Saxl Alfred, prakt. Arzt, Wien VI, Mariahilferstraße 89 a. 
Schacherl Max, Wien I, Wollzeile 18. 

Scheimpflug Max, Direktor des Sanatoriums in der Vorderbrühl. 
Sch in dl Rudolf, k. u. k. Rcgirucntsarzt, Wien VIII, Laudongasse 54. 
Schlagenhaufer Friedrich, Professor, Wien VII, Kaiserstraße 41. 
Schlechta Karl, k. u. k. Regimentsarzt, Prag II, Tuchmacherg. 9. 
Schlesinger Hermann, Professor, Primararzt, Wien I, Ebendorfer- 
Straße 10. 

Schlesinger Wilhelm, Privatdozent, Wien II, Hohenstaufengasse 2. 
Schlöß Heinrich, Regicrungsrat, Direktor, Wien XIII, Steinhof. 
Schnabl Josef, praktischer Arzt, Wien I, Rosenbursengasse 8. 
Schnopfhagen Franz, Sanitätsrat, Direktor, Irrenanstalt in Nieder- 
hard bei Linz. 

Schubert Konstantin, Direktor der mährischen Landesirrenanstalt in 
Sternberg, Mähren. 

Schüller Artur, Privatdozent, Wien IX, Garnisongasse 7. 

Schnitze Ernst, Professor, Greifswald. 

Jahrbücher für Psychiatrie. XXXIII. Bd. 


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562 


Mitgliederverzeichnis. 


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Schur Heinrich, Privatdozent, Wien I, Landesgerichtsstraße 18. 
Schwarz Emil, Professor, Wien I, Kolowratring 9. 

Schweighofer Josef, Regierungsrat, Direktor, Irrenanstalt Maxglan 
bei Salzburg. 

Schweinburg Ludwig, Besitzer der Wasserheilanstalt Zuckmantel, 
Wien I, FriedrichstraCe 6. 

Seiller Rudolf, Frhr. v., k. u. k. Regimentsarzt, Wien I, Schottenhof. 
Sgardelli Alfred v., Sanatorium, Purkersdorf. 

Sickinger Franz, Primarius, Wien XIII, Steinhof. 

Singer Gustav, Professor, Primararzt, Wien I, Opemring 11. 

Sittig Otto, klin. Assistent, Prag, psycb. Klinik. 

Sölder Friedrich v., Direktor, Privatdozent, Wien XIII, Rosenhügcl. 
Spieler Friedrich, Wien IX, Schwarzspanierstraße 4. 

Spitzer Alexander, Wien IX, Zimmermanngasse 1. 

Starlinger Josef, Regierungs rat, Direktor der n. ö. Landesirrenanstalt 
Mauer-Ohling. 

Stein Ludwig, kais. Rat, Direktor der Privatheilanstalt in Purkersdorf 
bei Wien. 

Steiner Gregor, Ordinarius, Wien XIII, Steinhof. 

Stern Hugo, Spezialist für Sprachstörungen, Wien IX, Garnisong. 1. 
Stern Richard, Wien I, Walfischgasse 1. 

Sternberg Max, Professor, Wien I, Maximilianstraße 9. 

Sterz Heinrich, Regierungsrat, Direktor der Landesirreuanstalt Feldhof 
bei Graz. 

Stejskal Karl v., Privatdozent, Wien VIII, Wickenburggasse 5. 
Stichel Anton, Direktor des Sanatoriums Maria Grün bei Graz. 
Stiefler Georg, Linz, Promenade 15. 

Stransky Erwin, Privatdozeut, Gerichtsarzt, Wien VIII, Mölkergasse 3. 
Stransky Ludwig, Primararzt der Landesirrenanstalt in Prag. 
Straßcr Alois, Professor, Wien IX, Wiederhofergasse 4. 

Sträußler Ernst, Privatdozent, k. u. k. Regimentsarzt, Prag, Garnisons¬ 
spital. 

SubotiS Wojeslaw, Direktor der Staatsirrenanstalt, Belgrad. 

Svetlin Wilhelm, Regiorungsrat, Wien I, Kärntnerring 17. 

Tandler Julius, Professor, Wien IX, Bcethovengasse 8. 
Tarasewitsch Johann, Nervenarzt, Moskau. 

Ted es ko Fritz, Abteilungsassistent, Wien IX, Alserstraüe 4. 

Ten Cate, Professor, Rotterdam, Eendrachtsweg 65. 

Tertsch Rudolf, Wien IX, Alserstraße 28. 

Trojacek Hugo, k. u. k. Regimentsarzt, Temesvar, Darnisonsspital. 


Ul brich Hermann, Wien VII, Mari ah Uferstraße 8. 

Ullrich Karl, Direktor der böhmischen Landesirrenanstalt in Kosmanos, 
Böhmen. 


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Mitgliederverzeichnis. 


5ß3 


Valek Friedrich, k. u. k. Regimentsarzt, Budapest. 

Volk-Friedland Elsa, Wien VIII, Langegasse 63. 

Vlavianos Simonides G., Professor, Athen, Rue polytechnique 2a. 

w agner-Jauregg Julius v., Hofrat, Professor, Wien I, Landes- 
gerichtsstraße 18. 

Wechsberg Friedrich, Privatdozent, Primararzt, Wien I, Universitäts- 
straße 11. 

eidenfeld Stephan, Privatdozent, Wien IX, Alserstraße 21. 
eiler Karl, Wien IV, Waaggasse 8. 

einberger Max, Primararzt, Privatdozent, Wien IV, Madergasse 1. 
einfeld Emil, prakt. Arzt, Wien VIII, Lerchenfelderstraße 75. 
eiß Artur, prakt. Arzt, Wien VIII, Feldgasse 17. 
eiß Heinrich, prakt. Arzt, Wien IX, Liechtensteinstraße 25. 
eiß Josef, Inhaber der Privatheilanstalt Prießnitztal in Mödling bei 
Wien. 

eiß Siegfried, Regierungsrat, Direktor der n. ö. Landesirrenanstalt in 
Klosterneuburg. 

engraf Johann, k. k. Polizeiarzt, Wien XIII, Lainzerstraße 31. 
idakowich Viktor, Privatdozent, Buenos Aires, 
iesel Josef, Privatdozent, Wien VIIJ, Florianigasse 4. 
iener Otto, Prag, Tuchmachergasse 3. 

interberg Heinrich, Privatdozent, Wien III, Gärtnergasse 17. 
interberg Josef, prakt. Arzt, Wien VIII, Lenaugasse 1. 
internitz Alfred, Besitzer der Wasserheilanstalt Kaltenbach-Ischl, 
Wien IX, Müllnergasse 3. 

internitz Wilhelm, Hofrat, Professor, Wien IV, Gußhausstraße 14. 
intersteiner Hugo, Professor, Wien I, Spiegelgasse 8. 

Woltär Oskar, Aussig a. E., Böhmen. 

Wosinski, Direktor in Balf bei Ödenburg. 

Zappert Julius, Privatdozent, Wien I, Eßlinggasse 13. 

Zeissl Maximilian v., Professor, Wien I, Opemring 6. 

Zini Josef, k. u. k. Regimentsarzt, Innsbruck, Garnisousspital. 
Zulavski Karl, Professor, Primararzt an der Landesirrenanstalt in 
Krakau. 


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UNIVERSITY OF MICHIGAN 





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Neuburger, Streifzüge durch die filtere deutsche Myelitis-Literatur. Taf. IT. 



a) in schwachem Grade, zusammengesetzte Kugeln zwischen 
den nicht veränderten Nervenkanälen; 

b) in höherem Grade, so daß die Gehirnsubstanz zerfloß. 
Die Nervenkanäle kaum noch in Fragmenten erkennbar, 
die zusammengesetzten Kugeln in großer Zahl. 

Fig. V. Kapillargefäß aus einer roten Erweichung des Gehirns, das 
noch mit Eutzündungskugeln gefüllt ist. 

Fig. VI. Erweichung mit gallertartigem Aussehen, Eiterkügelchcn mit 
Entzündungskugeln zwischen den Nervenkanälen. 

Fig. VII. Erweichung des Rückenmarkes: 

a ) Entziindungskugeln in großer Menge zwischen den oft 
zu Fragmenten verwandelten Nervenkanälen; 

b ) Ganglienkugel. 

Jahrbücher für Psychiatrie XX.X1II. Ihl. 

Verlag von Franz Deuticke in Leipzig und Wien 


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UMIVERSITY OF MICHIGAN 



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R B ö J : ß ) F, :R t 


Dr. 0 iftarbttrer liTti Pr, E< Ramanji 




VoriüiS-vW. t&y. 







10 . 

Hoheflark im Taoaos bei Frankfurt a. H. 

Privatklinik für Nervenkranke. 

Die Anstalt liegt in ruhiger Waldesgegend 350 m hoch. Ein Haupt¬ 
gebäude und 3 elegante Villen sind für Nervenkranke, ein Pavillon für 
Überwachung»- oder pflegebedürftige Kranke bestimmt. Zur Aufnahme 
gelangen 45 Kranke. Hydro-, Elektro-, Psychotherapie, Luft- und Sonnen¬ 
bäder, Mast- und Terrainkuren, Tennisplatz, für Wintersport Rodel¬ 
und Eisbahn, Arbeitstherapie und Schnitzereisehnle. 

— Drei Ärzte ■ ■ 

Besitzer und leitender Arzt: Prof. Dr. A. A. Friedländer« 





Etablissement medical de Hon Repos, 

Mont P 61 erin, Vevey, (Schweiz). 

Etablissement ersten Ranges zur Behandlung der Krankheiten nervösen Ur¬ 
sprungs (keine Geisteskrankheiten), d. Verdauungs- u. Ernährungsstörungen 
Erholungskuren. Rekonvaleszenz usw. 

[Spezielle Einrichtung für orthopädische, hydro-, elektro- und 
physiotherapeutische Behandlung. 

Das Etablissement ist das ganze Jahr geöffnet. 

Man wende sich an die Direktion behufs Erlangung weiterer Auskünfte 




Verlag von Franz Deuticke in Leipzig und Wien. 

ARBEITEN 

aus dem 

NEUROLOGISCHEN INSTITUTE 

(k. k. österreichisches interakademisches Zentralinstitut Ihr Hirnforschung) 

an der Wiener Universität. 

Her&usgegebon von 

Prot Dr. £2. Obersteiner. 

Letzterschienenes lieft: 

XIX. Band, 3. Heft 1912. Mit 37 Abbildung, iin Texte. Preis M 7 — = K 8 40. 
Zur Erleichterung der Anschaffung gibt die Verlagsbuchhandlung Band 1 — X 
dieser Arbeiten bei gleichzeitigem Beznge statt für M 17 5' — = K 210’— 
zum ermäßigten Preise von M 135’— = K 162’—, Band I—XVT bei gleich¬ 
zeitigem Bezüge statt für M 325'— = K 390— zum ermäßigten Preise von 

M 250 — — K 300 — ab. 


Einführung in das Studium der Nervenkrankheiten 

für Studierende und Ärzte. 

Von Priv.-Doz. Dr. Alfred Fuchs, 

Assistent der k. k. Klinik für Psychiatrie und Nervenkrankheiten In Wien. 

Mit 69 Abbildungen im Text und 9 Tafeln in Lichtdruck. 

Preis geh. M 9 — = K 10*80, geh. M 10*50 = K 12*60. 


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UNIVERSUM OF MICHIGAN 




Verlag von Franz Deuticke in Leipzig und Wien. 


Soeben erschien: 


ANLEITUNG 

BEIM STUDIUM DES BAUES 

DER 

NERVÖSEN ZENTRALORGANE 


IM GESUNDEN UND KRANKEN ZUSTANDE. 

VON 

D R HEINRICH OBERSTEINER 

K K. O. Ö. PROFESSOR, VORSTAND DES NEUROLOGISCHEN INSTITUTES UNI) DES 
K. K. INTERAKADEMISCHEN ZENTRALINSTITUTES FÜR HIRNFORSCHÜNG 
AN DER UNIVERSITÄT ZU WIEN. 


FÜNFTE, VERMEHRTE UND UMGEARBEITETE AUFLAGE. 


MIT 267 ABBILDUNGEN. 


Preis geheftet 22 3f = 26 K, gebunden 24 M SO Pf. = 20 K. 


Aus dem Vorwort zur ersten Auflage. 

Vor einigen Jahrzehnten war unsere Kenntnis vom inneren 
Baue des Zentralnervensystems noch recht ungenügend, so unge¬ 
nügend, daß die Pathologie nur geringen Nutzen aus ihr zu ziehen 
vermochte. Daher war es denn begreiflich, daß die praktischen 
Ärzte damals mit seltenen Ausnahmen auch von diesem Wenigen 
nur das Allernotwendigste sich aneigneten, und mit so überaus 
dürftigen Tatsachen doch ihr volles Auslangen finden konnten. 

Seitdem aber eine Reihe ausgezeichneter Forscher, unterstützt 
durch die Fortschritte der Methodik, in überraschend schneller 
Weise immer mehr Klarheit in das Gewirre der mannigfachen Nerven¬ 
bahnen und ihrer Knotenpunkte gebracht haben, mußte auch in der 

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UNIVERSITY OF MICHIGAN 



OBERSTEINER, NERVÖSE ZENTRALORGANE, 5. AUFLAGE. 


praktischen Medizin die Erkenntnis Platz greifen, daß die bisher so 
verächtlich beiseite gelassene Gehirn- und Rückenmarksanatomie — 
trotz ihrer Schwierigkeiten — eingehendste Berücksichtigung ver¬ 
diene. Sogar auf Gebieten, die der Nervenpatholögie anscheinend 
ziemlich ferne stehen, z. B. der Okulistik, der Otiatrik, ja selbst der 
Dermatologie hat sich in der letzten Zeit das Bedürfnis nach gründ¬ 
licher Orientiertheit in den nervösen Zentralorganen geltend gemacht. 

Diesem Bedürfnisse abzuhelfen, besitzen wir nun bereits — 
namentlich im Deutschen — eine Anzahl meist ganz vorzüglicher 
anatomischer Lehrbücher. Da aber die Anatomie überhaupt nicht, 
die der Zentralorgane vielleicht am wenigsten, aus dem Buche 
gelernt werden kann, suchen die Studierenden und Ärzte Labora¬ 
torien auf, in denen ihnen Gelegenheit geboten wird, sich die not¬ 
wendige Vertrautheit mit dem Baue des Gehirns und des Rücken¬ 
marks zu verschaffen. Freilich wird die Errichtung derartiger ideal 
ausgestatteter Institute für Gehirnanatomie, wie sie Hü auf der 
Berliner Naturforscherversammlung 1886 wünschte, noch lange 
ein pium desiderium bleiben. Lehrende und Lernende müssen sich 
vorderhand noch mit jenen unvollständigen Anfängen solcher Institute 
begnügen, die bereits an einigen größeren Universitäten bestehen. 

Die Erfahrung hat mich nun gelehrt, welches die berechtigten 
Anforderungen sind, die der Anfänger, dem es ja um selbständige 
spezielle Arbeiten zunächst nicht zu tun sein kann, an den Lehrer, 
respektive an einen Leitfaden, stellen soll. Namentlich will ich her¬ 
vorheben, daß einerseits ein Eingehen in viele, zum Teile gar nicht 
feststehende Details, überflüssig ist, ja nur erdrückend und ver¬ 
wirrend wirkt, anderseits wird mit vollem Rechte ein Hinweis auf 
die pathologischen Prozesse gewünscht. 

Ich habe nun getrachtet, in den nachfolgenden Blättern dem 
Studierenden einen treuen und verläßlichen Führer an die Hand zu 
geben, der es ihm ermöglicht, selbst ohne Lehrer die mühsame 
Wanderung durch die einzelnen Gebiete des Zentralnervensystems 
erfolgreich zu vollenden. Daher habe ich denn auch die beständigen 
Vorschriften für die Anfertigung der Präparate eingeflochten; die 
zahlreichen Abbildungen sollen, wenn sie auch mit Ausnahme der 
rein schematischen Darstellungen naturgetreu ausgeführt wurden, 
nur das Verständnis der Originalpräparate erleichtern, womöglich 
dieselben aber nicht ganz ersetzen. 

Wer die Gelegenheit hat, ein Laboratoi’ium mit einer guten 
Sammlung von fertigen Präparaten aufzusuchen, der kann allerdings 
letztere benutzen und davon absehen, selbst viel Zeit und Geduld 
auf die Anfertigung einer eigenen Schnittsammlung zu verwenden. 
Wenn es aber die Umstände gestatten, so wird durch das Arbeiten 
mit dem Messer nicht bloß die notwendige Übung und Geschick¬ 
lichkeit für spätere selbständige Untersuchungen erworben, sondern 
es prägen sich auch die anatomischen Verhältnisse viel gründlicher 
ein, und namentlich wird dadurch die körperliche Anschauung von 
der relativen Lage der einzelnen Bestandteile, aus denen das Organ 
sich aufbaut, wesentlich geklärt. 

Gute Zeichnungen und geschickt ausgeführte Modelle werden 


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VERLAG VON FRANZ DEÜTICKE IN LEIPZIGUND WIEN. 


daneben jedenfalls beitragen, das Verständnis der schwierigen 
anatomischen Verhältnisse zu erleichtern. 

Das vorliegende Werk unterscheidet sich also in mehrfacher 
Beziehung von den bestehenden Lehrbüchern der Gehimanatomie. 

Zunächst in der Darstellung des Stoffes, indem hier fort¬ 
während der rein didaktische Standpunkt festgehalten ist; der Lernende 
kann — sei es, daß er selbst Präparate anfertigt oder auch nicht — 
ganz den Gang einhalten, der ihm durch das Buch vorgeschrieben 
wird. Besondere Berücksichtigung erfahren die feineren histologischen 
Verhältnisse. Ferner wurde getrachtet, keine der wichtigeren ana¬ 
tomischen Tatsachen, das Zentralnervensystem betreffend, zu über¬ 
sehen, ohne aber durch allzu minutiöse Detailausführung, die ja der 
Spezialforschung Vorbehalten bleiben muß, zu verwirren. 

Die Einflechtung pathologisch - anatomischer Darlegungen, 
namentlich die pathologischen Veränderungen der Elemente be¬ 
treffend, wird das Verständnis der krankhaften Vorgänge im 
Zentralnervensystem anbahnen, ohne daß damit nur im geringsten 
beabsichtigt wäre, die pathologische Anatomie dieses Organes er¬ 
schöpfend auszuführen. 

Daß ein besonderer Wert auf zahlreiche und gute Ab¬ 
bildungen gelegt wurde, fand bereits Erwähnung. 

Ich brauche wohl nicht erst hervorzuheben, daß die Dar¬ 
stellung des Stoffes durchwegs auf autoptischer Erfahrung beruht; 
wenn Tatsachen nur auf Grund von Angaben anderer Autoren an¬ 
geführt werden, so ist dies immer speziell bemerkt. 

Ein ausführliches alphabetisches Register soll die Verwendbar¬ 
keit dieses Buches erhöhen. 

Wien, im Oktober 1887. 


Vorrede zur fünften Auflage. 

Die letzten Jahre sind auf dem Gebiete der Hirnanatomie un¬ 
gemein fruchtbar gewesen; und wenn ich in der Vorrede zu der 
ersten Auflage dieses Buches meinte, die von Hin angeregte Errich¬ 
tung von Instituten für Hirnanatomie werde noch lange ein piutn 
desiderium bleiben, — wobei ich begreiflicherweise von den damals 
bereits bestehenden halbprivaten Instituten nbsah, — so ist seither, 
besonders durch die wirkungsvolle Intervention der internationalen 
Assoziation der Akademien, in den verschiedenen Staaten eine ganze 
Reihe von interakademischen Hirnforschungsinstituten, zum Teil 
glänzend ausgestattet, entstanden. 

Diese erleichterte Arbeitsmöglichkeit hat gewiß nicht wenig 
dazu beigetragen, daß kaum das kleinste Gebiet im Bereiche der 
Hirnanatomie aufgefunden werden kann, das hier mit Rücksicht auf 
die jüngsten Erfahrungen nicht einer mehr minder gründlichen 
Durcharbeitung oder oft auch Neubearbeitung bedurft hätte. 

Ich will daher lieber kurz anführen, was ich bei dieser neuen 
Auflage absichtlich unterlassen habe: 


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OBERSTEINES, NERVÖSE EENTRALQBGANE. ß. AUFLAGE. 


des Werkes nicht stark an wachse n ’ zu lassen. ' . 

2. Habe ich die Anzahl der Abbildungen (viele, namentlich 
Schemata mußten durch neue ersetzt werde«! hiebt Wesentlich rer- 
mehrt, loh konnte 'dies um so leichter, als der seither in zweiter Auf¬ 
lage erschienene Atlas des meuscWicbe« ' Zentral rer veusyviemf? von 
Marburg eine wiHkomnnme Kirgänjzung su dem Buefce duldet 

8. War es von yorevherein c$nz au^gcSehhEi^it, alle in den 
letzten Jahreo puldtZi$t$#o iA bigfibefi nl.ver den Hirn bau vtdistnad jg 


a ufzi i ti ehinen; es schikii mir >1 ins $ tut so wemger aagezeigt, als sie 
ja einander sehr oft widersprechen und eine Nachprüfung selbst in 
einem größeren Institute nur zvinr Teil durclifhtirbar ist. 

4 . ♦ \ :»i *■ i • _ - .. . fl »•. . ~ . 


Hingegen'' habe leb «Ile Anregungen, die mir von Seite mciiu-r 
Sehfiter zuteil wurden’ . dankbar tmtgegen genommen und entspre¬ 
chend verwertet. 

W ic-n, Herbst i-JM • 


Abbildungen aus der fünften Auflage 


r<£. f». Front a).ct'ibnitf durch das V<nd#r)iim oiues mt;r4SohUc.h*>iu Embryo* vom 
Kxufe dos dHifcep Monat** Nach einem Präparate von Pr.oti/ (ic\ch6tetter. 
rt t Cliihsio* . «.,■ optica;. 0 ^ayisnta f fulx; FM Fonuneu Mönroih 

JII. laterale Hemv*ph&reowa ö 6: w tF ' km*vmuj; -Vc XttfcUu* 

aujäafctvs, Jv.r* Plexus nhönoH^m • :#&• •.o-pttau$; Pi Venrriy 

cjilücs Utettilis-, P, VeutHculüs Urtiu^ 


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VERLAG VON FRANZ DEUT ICKE IN LEIPZIG 


UND WIEN. 

;i v-r— 



Fig. 93. Giiorn des Großhirns. Vergr. 400. 


Fig. 216. Schema des Nervus vestibularis. V Spinale Trigeminuswurze], VII 
AustrittsschenkeJ des N. facialis, VIJIc N cochlearis, VII!v. Nervus vestibularis, 
Ii liecMeretcscher Kern. Crei Corpus re-f.i forme. D l)tiier*% eher Kern, <hK direkte 
sensorische Kloinhirtibahn, ßp Fascicuius longitüdinalis posterior, Ncbll nucleo- 
cerebellare Bahn, Avf Nucleus vesiibularis tri angularis, v*j? vestibulo-spinale Bahn- 


Original frafn 

SITY-OF MICHIGAN 












ÜBKRKTEiXER, NRUVASK ZEXT.R Al,-Ößif£$'E » AFFR-Um 


Abbildungen aus der fünften Auflage. 


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VERLAG VON FRANZ DEUTICKE IN LEIPZIG UND WIEN. 


Früher erschienen: 


Mikroskopisch-topographischer Atlas 

des 

menschlichen Zentralnervensystems 

mit begleitendem Texte 

von 

Dr. Otto Marburg, 

Privatdozenten für Neurologie und ersten Assistenten am Neurologischen Institut 

der Wiener Universität. 

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. H. Obersteiner. 

Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. 

Mit 5 Abbildungen im Texte und 34 Tafeln naoh Originalen des akademischen 

Malers A. Kiss. 

Preis geheftet M 14.- = K 16.80, gebunden M 16.60 = K 19.80. 


-A.\aa den Besprechungen der* zweiten -A.io.fla gez 

Der in unseren Laboratorien beliebte und geschätzte Atlas liegt in neuer 
Auflage vor. Die Zahl der Tafeln ist um vier vermehrt. Das Ziel des Verf., bei 
voller Gründlichkeit und Berücksichtigung der neuesten Forschungen so leicht 
verständlich zu bleiben, daß auch der Femerstehende sich bald zurecht findet, 
scheint glücklich erreicht. Das Werk reizt in seinem ganzen Aufbau gerade 
auch den Fernerstehenden zum Studium der Hirnanatomie. 

„ Psychiatrisch-neurologische Wochenschrift1010/11 , JVr. tf. 

Die zweite Auflage des Marburgseben Atlasses zeigt erhebliche Ver¬ 
besserungen in Text und Abbildung, die besonders dem Hirn zugute gekommen 
sind. Die neuesten Forschungen und vor allem die zahlreichen Arbeiten aus 
dem Obersteinerschen Institut, dem der Verf. ja selbst angehört, haben die ein¬ 
gehendste Berücksichtigung gefunden 

Von den Atlanten, welche die mikroskopische Anatomie des Zentralnerven¬ 
systems behandeln, nimmt der Marburgscbe eine hervorragende, wenn nicht 
gar die erste Stelle ein. Das gründet sich einmal auf die außerordentlich glücklich 
und zweckmäßig getroffene Auswahl der vorgeflihrten Schnitte, die nach den 
Abbildungen zu schließen von einer meisterhaften Beherrschung der Technik 
zeugen und dann auf die prächtige Reproduktionstechnik, die uns wieder ein¬ 
mal zeigt, wie vorzüglich sich der Lichtdruck für die Wiedergabe mikro¬ 
skopischer Präparate eignet. 

Einen besseren Wegweiser in das Studium des menschlichen Zentral¬ 
nervensystems dürfte der Anfänger kaum finden, aber auch der Fachmann wird 
das Werk immer wieder gerne zur Hand nehmen, es in schwierigen Fragen zu 
Rate ziehen und mannigfache Anregung aus ihm schöpfen. 

„Zentralblatt für normale Anatomie und Mikrotechnik19lo, Heft 3. 

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Original fro-m 

UNIVERSETY OF MICHIGAN 



MARBURG, MENSCHLICHES ZENTRALNERVENSYSTEM, 2. AUFLAGE. 


Verf. Tafel werk ist ein ausgezeichnetes Hilfsmittel für das Arbeiten im 
Laboratorium. Mit großer Sachkenntnis sind die Abbildungen gewählt, vor¬ 
trefflich gezeichnet und reproduziert (Lichtdruck) und von einem Text begleitet, 
welcher von einer vollkommenen Beherrschung des schwierigen Gebietes 
Zeugnis ablegt. Die vorliegende zweite Auflage ist um 4 Tafeln mit 12 Bildern 
vermehrt, im Texte erscheint die neueste Literatur berücksichtigt 

In keinem Laboratorium, in dem hirn-anatomische Untersuchungen an- 
gestellt werden sollte das Buch fehlen. 

„Zentralblatt für Physiologie ” XXIII, 21. 

Ein gutes Zeichen ist es für das vorliegende Buch und für das kaufende 
ärztliche Publikum, daß in verhältnismäßig kurzer Zeit eine zweite Auflage 
notwendig war. Es ist schwere Kost, die hier verabreicht wird. Auf 86 geradezu 
mustergültigen, selten schönen Lichtdrucken sind die Ergebnisse der feineren 
Hirnanatomie niedergelegt. Fast 200 Seiten Text geben in gedrängter Kürze 
die Erläuterungen zu den Abbildungen. Obersteiner hat allen Grund, auf 
dieses Buch, das aus seinem Laboratorium hervorgegangen ist, stolz zu sein, 
zeigt es doch, mit welcher Gründlichkeit und mit welchem Bienenfleiße dort 
gearbeitet wird. Zweifellos wird auch die zweite Auflage des Marburgschen 
Atlas bei all denen, die sich dem schwierigen Studium der feineren Hirn¬ 
anatomie widmen, Freunde finden. Der Preis des Werkes ist in Anbetracht 
der Herstellungskosten der Tafeln ein erstaunlich geringer. 

„ Münchener medizin. Wochenschi ift” 1910, A T r. 49. 

Der Atlas)Marburgs liegt bereits wenige Jahre nach seinem ersten Er¬ 
scheinen in zweiter Auflage vor, der beste Beweis, wie unentbehrlich derselbe 
den Fachgenossen für das Studium der verwickelten Verhältnisse des Zentral¬ 
nervensystems geworden ist. In der neuen Auflage ist die Zahl der Tafeln noch 
vermehrt worden. Vor allem erleichtert die einheitlich durchgeführte und sorg¬ 
fältig tabellarisch geordnete Bezeichnung der Abbildungen das Studium der¬ 
selben und gestattet auch dem Anfänger, sich verhältnismäßig leicht zu orien¬ 
tieren. Der Atlas wird in keinem Laboratorium fehlen, aber er gestattet auch 
dem Praktiker, sich auf den ihm ferner liegenden Gebieten in einschlägigen 
Fällen rasch zu orientieren. So reiht sich das Werk den älteren Publikationen 
dos Ob erstein ersehen Laboratoriums würdig an und ist berufen, das Interesse 
an dem Studium des Hirnaufbaues in immer weitere Kreise zu tragen. 

„Berliner kl in. Wochen sch ritt ’' 1910, Nr. 6. 

Wenngleich sich das Buch des Verf. in erster Linie an die Fachgenossen 
— Neurologen und Psychiater — wendet, bietet es doch auch dem Ferner- 
stehenden einen großen Genuß. Namentlich sind es die Abbildungen, die das 
höchste Lob verdienen. Jede einzelne ist ein Kunstwerk für sich. Voraus- 
geschickt ist dem Ganzen ein kurzer Überblick über die Topographie der Zentral¬ 
organe. Sodann folgen die Erläuterungen zu den einzelnen Tafeln, welche, wie 
gesagt, von der höchsten Vollendung sind. Wenn je ein Atlas seinen Zweck — 
durch die Reproduktion das natürliche Präparat zu ersetzen — erfüllt hat, so 
ist das hier der Fall. Er kann jedem auf das angelegentlichste empfohlen 
werden. 

„Monatsschrift für Kinderheilkunde" 1 III, //. 


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u. *. H>0>uchdrnck«r«i C*rl Fromm« in Wl.*, 


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UNIVERSfTY OF MICHIGAN 



Verlag von Franz Deuticke Leipzig und Wien. 
Mikroskopisch-topographischer Atlas 

des menschlichen Zentralnervensystems 

mit begleitendem Texte 

von Dr. Otto Marburg, 

Privatdozenten für Neurologie und erstem Assistenten am Neurologischen Institut 

der Wiener Universität. 

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. H. Obersteiner. 

Zweite, vermehrte und verbesserte Auflage. 

Mit 5 Abbild, im Texte und 84 Taf. nach Originalen des akad. Malers A. Kiss. 

Preis M 14 — = K 16 80. 


Anleitung heim Studium des Baues der nervösen 
Zentralorgane im gesunden und kranken Zustande. 

Von Dr. Heinrich Obersteiner, 

k. k. o. ö. Professor, Vorstand des Neurologischen Institutes an der Universität ru Wien. 

Fünfte, vermehrte und um gearbeitete Auflage. — Mit 267 Abbildungen. 
Preis M 22 — = K 26 —, geb. M 2450 = K 29-—. 

Lehrbuch der speziellen Psychiatrie 

für Studierende und Ärzte. 

Von Professor Dr. Alexander Pilcz. 

Dritte, verbesserte Auflage. 

Preis geh. M 7*50 = K 9 —, geb. M 8*80 = K 10*40. 

Die hysterischen Geistesstörungen. 

Eine klinische Studie 

von Dr. Emil Raimann, 

Assistent der k. k. Psychiatrischen- und Nervenklinik dos llorrn Professor v. Wagner 

in Wien. 

Preis M 9-— = K 10-80. 

Beiträge zur Ätiologie und Pathologie 
des endemischen Kretinismus. 

Von Prof. Dr. Schlagenhaufer und Prof. Dr. Wagner v. Jauregg. 

Mit 10 Abbildungen im Text und 5 lithographischen Tafeln. 

Preis M 2-50 = K 3 —. 

• • 

Uber die Kreuzung der zentralen Nervenbahnen 

und ihre Beziehungen zur Phylogenese des Wirbeltierkörpers. 

Von Dr. Alexander Spitzer 

in Wien. 

Mit einer Tafel. 

Preis M 10-— = K 12*—. 


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UNIVERSETY OF MICHIGAN 



Verlag von Franz Deutieke ln Leipzig und Wien, 


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Im Erscheinen begriffen: 

Handbuch der Psychiatrie. 

Unter Mitwirkung von 

Prof. A. Alzheimer (München), Prof. E. Bleuler (Zürich), Prof. K.Bonhoeffer 
(Breslau). Priv.-Doz. G. Bonviclnl (Wien), Prof. 0. Bumke (Freiburg i. B.), 
Prof. R. Gaupp (Tübingen), Direktor A. Gross (Rufach i. E.), Prof. A. Hoehe 
(Freiburg i. B.), Priv.-Doz. M. Isserlin (München), Prof. Th. Kirchhoff 
(Schleswig), Direktor A. Merklin (Treptow a. R.), Prof. E. Redlich (Wien), 
Prof. M. Rosenfeld (Straßburg i.E.), Prof. P. Sehroeder (Breslau), Prof. 
E. Schultze (Greifswald), Priv.-Doz. W. Spielmeyer (Freiburg i. B.), Priv.- 
Doz. E. Stransky (Wien), Prof. H. Vogt (Frankfurt a. M.), Priv.-Doz. 
G. Voss (Greifswald), Prof. J. Wagner Ritter von Jauregg (Wien), Prof. 
W. Weygandt (Hamburg-Friedrichsberg) 

herausgegeben von 

Prof. Dr. G. Aschaffenburg in Köln a. Rh. 


Beabsichtigte Einteilung des Werkes: 

A. Allgemeiner Teil. 

1. Abt.: Alzheimer, Prof. Dr. A., Die normale und pathologische Ana¬ 

tomie der Hirnrinde. 

2. Abt: Rosenfeld, Prof. Dr. M., Die Physiologie des Großhirns. 

Isserlin, Priv.-DoZ. Dr. M., Psychologische Einleitung. 

3. Abt.: Voss, Priv.-Doz. Dr. Q., Die Ätiologie der Psychosen. 

Aschaffenburg, Prof. Dr. G., Allgemeine Symptomatologie der 
Psychosen. 

4. Abt.: Kirchhoff, Prof. Dr. Th., Geschichte der Psychiatrie. 

Gross, Direktor Dr. A., Allgemeine Therapie der Psychosen. 

5. Abt.: Bumke, Prof. Dr. O., Gerichtliche Psychiatrie.— Schultze, Prof. 

Dr. E., Das Irrenrecht. — Preis geh. M 11*—, geh. M 12 50. 

B. Spezieller Teil. 

1. Abt.: Aschaffenburg, Prof. Dr. G., Die Einteilung der Psychosen. 

Vogt, Prof. Dr. H., Die Epilepsie. 

2. Abt.: Weygandt, Prof. Dr. W., Idiotie und Imbezillität oder die 

Gruppe der Defektzustände aus dem Kindesalter. 

Wagner v. Jauregg, Prof, Dr. J.. Myxödem und Kretinismus. 

3. Abt.: 1.Hälfte: Bonhoeffer, Prof. Dr. K., Die Psychosen im Gefolge 

von akuten Infektionen, Allgemeinerkrankungen und inneren 
Erkrankungen. — Sehroeder, Prof. Dr. P., Intoxikations- 
psychosen. — Preis geh. M 12—, geh. M 13*50. 

2. Hälfte, I.Tcil: Redlich, Prof. Dr. E., Psychosen bei Gehirn¬ 
erkrankungen. — Preis geh. M 3*—, geh. M 4.50. 

2. Hälfte, II. Teil: Bonvicini, Priv.-DoZ. Dr. G., Aphasie und 
Geistesstörung. 

4. Abt.: 1.Hälfte: Bleuler, Prof. Dr. E., Dementia praecox oder Gruppe 

der Schizophrenien. — Preis geh. M 13*—, geh. M 14*50. 

2. Hälfte: Merklin, Direktor Dr. A., Die Paranoia. 

5. Abt.: Hoche, Prof. Dr. A., Dementia paralvtica. — Spielmeyer, 

Priv.-Doz. Dr. W., Die Psychoseu des Rückbildungs- und 
Greisenaltors. — Preis geh. M 6 —, geh. M 7*50. 

6. Abt.: Stransky, Priv.-Doz. Dr. E., Das manisch-depressive Irresein. 

Preis geh. M. 10.—, geh. M 11*50. 

7. AbL: Gaupp,Prof. Dr.R«, Die nervösen und psychopathischen Zustände. 


K. u. k. Hofbuchdrucker Fr. Winiker & Schickardt, Brünn. 


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Original fro-m 

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