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Full text of "Jahrbuch der deutschen Musik 1943"

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ticttseutfdjeniBufik 
1943 

ImAuftrage der Abteilung Musik 

des Reichsministeriums fur Volksauf klarung 

und Propaganda 

herausgegeben von 

HELLMUTHiVON HASE 



Gemeinsamer Verlag 
von Breitkopf £5 Hartel in Leipzig 
und Max Hesses Verlag in Berlin 




Siegmun& uon loaueegger 



Buchausstattung : Walter Tiemann, Leipzig 

Bilder: S.v.Hausegger: BildArchiv Allg. Mus.*Ztg. -W.Egk: U. Schreiber, Rom 

Elly Ney: Foto*Ellinger, Salzburg -JohannNepomukDavid: E. Hoenisch, Leipzig 

Helmut Brautigam : F. Reinhard, Leipzig 

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet 

Druck von Breitkopf £5 Hartel in Leipzig 



Eum ©eleit 

Das Jahrbuch der deutschen Musik will erstmalig die 
Lage des deutschen Musiklebens, wie es sich seit der 
Machtergreifung des Nationalsozialismus geformt hat, 
widerspiegeln. Es durftekeinNachteil sein, dab mit diesem. 
Uberblick zehn Jahre gewartet worden ist, bis sich die 
neuen Konturen starker abgesetzt haben und die Krafte 
organisch sich entwickelnkonnten, wiewohi die Kriegsbe^ 
dingungen dem neuen Bilde nun auch schon eindrucks^ 
voll aufgepragt worden sind. Das sich so darstellende 
Zeitgemalde strahlt in stolzer Schau die unbeugsamen 
Geisteskrafte auch auf tonkiinstlerischemGebiet imGrofi^ 
deutschen Reich und die Blute unseres musikalischen 
Schaffens wie Nachschaffens wieder. Mogen die nachsten 
Jahrgange diese Uberschau, die in vielem an das Deutsche 
Musikjahrbuch von Rolf Cunz ankniipft, immer noch 
reicher entwickelt zeigen. Manches Thema bleibt ihnen 
vorbehalten, das nicht den ersten Jahrgang iiberlasten 
durfte. 

Dr. Drewes 



Pormort 



Der vorliegende Versuch, eiiV „Jahrbuch der deutschen Musik" zu 
gestalteri, ist nicht der erste. Der Gedanke seiner Verwirklichung lag 
eigentlich schon immer nahe. Wenn er trotz der wirtschaftlichen Er* 
schwerungen der Kriegszeit, von beiden beteiligten Verlegern unab? 
hangig geplant, nunmehr gemeinsam in die Tat umgesetzt wird, 
so unter'streicht dies das iiberall bestehende Bediirfnis, den jeweils 
erreichten Stand der deutschen Musikpflege und der musikalischen 
Kultur iiberhaupt alljahrlich chronikartig festzuhalten und iiber die 
Arbeit der Musikschaffenden Rechenschaft abzulegen. 

Vermieden wurde jede Art trockener Aufzahlung, rein zahlen* 
maBiger Statistik und lebloser Tabellen. Das Jahrbucb soil vielmebr 
einen lebendigen Querschnitt durch das deutsche Musikleben in seiner 
vielgestaltigen Auswirkung bieten und das Wirken aller schaffenden 
Krafte eindringlich schildern; Errungenes und Erreicbtes soil mitge* 
teilt, Ziele, Hoffnungen und Zukunftsplane,sollen dargelegt werden. 
Angesicbts der Fiille des StoiFes und des begrenztenRaum.es muBte 
manches wichtige und interessante Gebiet unberiicksichtigt bleiben. 
ImWechsel der Jahrgange soil alles an die Reihe kommen, was fiir den 
Bestand des deutschen Musiklebens von wirklicher Bedeutung ist. Ein 
i.Jahrgang wird nie gleich eine Ideallosung darstellen! Der Heraus* 
geber wird-daher fiir anregende Mitarbeit und fordernde Vorschlage 
nur dankbar sein. 

Bei der Beschaffung der Beitrage unterstiitzten micb Herr Professor 
Dr. Hans Joachim Moser, Referent in der Abteilung Musik des 
Reichs*Propaganda*Ministeriums, und Herr Albert Dreetz, Minister 
rialreferent in der PresseAbteilung der Reichsregierung; beiden 
Herren sei dafiir herzlichst gedankt. 

Leipzig, Dezember 1942 Der Herausgeber 



Unljolt 

Seite 

Heinz Drewes: Geleitwort 3 

Vorwort des Herausgebers 3- 

Die Toten des Jahres 9 

Riickschau auf das Berichtsjahr 13 

I. Gedenktage und besondere Ereignisse 1 3 

II.- Urauffiihrungen 17 

III. Neugriindungen 19 

Hans Joachim Moser : Von der Steuerung des deutschen 

Musiklebens .22 

AlfredMorgenroth: Aus der berufsstandischen Selbstverwaltung 2 7 
Eberhard von Waltershausen : Die Musikarbeit des Haupt* 

kulturamts der NSDAP 42 

Walter Lott : Neuerscheinungen von Bedeutung 43- 

Generalmajor Paul Winter: Musikpflege in derWehrmacht 53- 
Gotthold Frotscher : Hitlerjugend musiziert! /9 

Maria Ottich : Die Musikarbeit der NS i Gemeinschaft „Kraft 

durcb Freude" 61 

Walde mar Rosen : Deutscbland im europaischenMusikaustausch 64 
Eugen Schmitz : Deutsche Musikforschung im Kriege 71 

Hans Joachim Moser : Von der Tatigkeit der Reichsstelle 

fiir Musikbearbeitungen 78 

Leo Ritter : Die Arbeit der STAGMA im Kriege 83 

Fritz Chlodwig Lange : Von der Oper der Gegenwart 89 



Seite 

Hans Joachim Moser : Das MozartsBild unserer Zeit 94 

Wi 1 h e 1 m Zentner: Siegmund von Hausegger no 

Karl Laux : Werner Egk 122 

Karl Hoi! : Die Musikerin Elly Ney 129 

Fritz Oeser: Johann Nepomuk David 134 

Gerhard Berger : Helmut Brautigam 14J 

Fritz Stege : Der deutsche Rundfunk im dritten Kriegsjahr iji 

Fritz Heitmann : Die Orgel - das Instrument unserer Zeit 157 
Hellmuth von Hase: Ober die Einbiirgerung neuerWerke 

im Konzertsaal 163 

Albert Dreetz: Verpflichtung zur Kunstbetrachtung 170 

Benno von Arent : Realismus und Illusion im Biihnenbild 173 

Harald Kreutzberg : Der Tanzer als Gestalter 179 

Herbert Windt: Warum Musik im Film? 182 

Aus deutschen Musikverlags'Archiven 184 
I. Oswald Schre.nk: Aus dem Archiv des Musikverlages 

Ed. Bote 6 G. Bock 1 84 
II. Wolfgang Schmieder: Mozart*Dokumente im Archiv 

von Breitkopf & Hartel 187 

III. Erwin Kroll : Aus der Geschichte des Musikverlages 

Robert Lienau 192 

Besprechungen 194 

Musikalische Gedenktage 1943 , 202 

Musikalischer Kalender fur 1943 206 

Anzeigen 212 



Mt SCoten ties 3abrt8 

Oktober 1941 bis September 1942' 



ffit acutfd)!ani)8 f teiljdt ftatben Den !5ciDentoU 

Freimut Balthasar 
Erster Dirigcnt des Leipziger Arzte<Orchesters 

Dr. Herbert Birtner 
Professor der Musikwissenschaft in Graz 

Helmut Brautigam 

Einer der begabtesten Komponisten der jungen Generation 

Gottfried Gallert 
Organist und Chorleiter der St. Nikolai»Kirche zu Flensburg 

Wolfgang Hiltscher 
Kantor der Friedenskirche zu LeipzigsGohlis 

Dr. Joachim Huschke 
Musikschriftsteller und Kunstberichterstatter 

Helmut Jorns 
Dozent an der Hochschule fiir Lelirerbildung in Elbing 

Dr. Giinther Lehmann 
Junger Musikwissenschaftler 

MaxNahrath 
Hoffnungsvollcr junger Nachwuchspiunist 

Gerh arcl N o w o 1 1 n y 
Komponist, Musikreferent der Reichsjugendfiihrung 

Ulrich Roller 
Biihnenbildner an der Berliner Staatsoper 

Walter Zollner 
Organist der NikolaisKirche zu Leipzig 



3m Beridjtsjafjte ftorben 



Luigi Amodio 

Erster [Clarinettist am Orchester der Mailander Scala 

Emil Burgstaller 

Komponist von Mannerchoren und gemischten Choren 

Eva Chamberlains<Wagner 
Tochter Richard Wagners und Cosimas, Witwe H. St. Chamberlains 

Henry de Curzon 

Franzosischer Musikgelehrter 

Georg Dohrn 

Langjahriger Leiter des Breslauer und des schlesischen Musiklebens 

Friedrich Diirauer 

Intendant des Stadtorchesters „Wiener Symphoniker" 

Paul Alexander Ehlers 
Leiter der Pressestelle der Bayrischen Staatoper 

; Elisabeth Feuge 

Kammersangerin, Mitglied der Bayrischen Staatsoper 

Clemens von und zu Franc kenstein 
Komponist, Generalintendant a. D. 

Friedrich Gehmacher 

Altprasident der Stiftung „Mozarteum" 

Paul Gilson 

Flamischer Tondichter 

Karl Eduard Goepfart 

Komponist, ehemaliger Kapellmeister in Weimar 

Marie Gotz*GroBe 

, Opernsangerin und Gesangspadagogin 

: Grafin Blandina Gravina 

Tochter Cosima Wagners aus der Ehe mit Hans von Bulow 

Gerhard H e k k i ng 

Niederlandischer Cellist, Professor am Pariser Konservatorium 



JosefHosl 

Kammervirtuos, Geiger, Fiihrer eines Streichquartetts , 

Robert Hutt 

Kammersanger, Mitglied der Berliner Staatsoper 

Hans Keller 

Kammersanger, Intendant des Stadttheaters in Kaiserslautern 

Wilhelm Kienzl 

der Komponist des „Evangelimann" 

Heinz Joachim K or ner 

Dirigent des Kolner Hochschulorchesters 

Eduard Kupferschmidt 

Ehrengauchorleiter des Sangergaues Sachsen<Anhalt 

Robert Laugs 

Staatskapellmeister und Chordirigent 

Karl Liebleitner 

Wiener Volksliedsammler 

Pablo Luns 

Spanischer Operetten* und Singspielkomponist 

Robert Manzer 
Generalmusikdirektor, langjahriger Letter des Karlsbader Kurorchesters 

Herbert Marx . 
Komponist und Musikwissenschaftler 

Albert Meister 

Yorsitzender des deutschen Sangerbundes 

Ivo Muchvic 
Kroatischer Komponist 

Wilhelm Miiller 

Miinchner, besonders durch seine Kinderlieder bekannter Komponist 

Amadeus Nestler 

Leipziger Konzertpianist und Begleiter 

Felix Oberhoffer 

Zweiter Kapellmeister am Staatstheater in Kassel 



Arthur Von Oo st 
Flamischer Komponist, Schiiler von P. Benoit und J. Blockx 

Reinhold Oppel 
Lehrer an der Staatlichen Hochschule fur Musik in Leipzig 

Paul Papsdorf 

Ehemals Buhnensanger am Deutschen Opernhaus in Berlin 

Hans Paulig 

Erster Kapellmeister am Opernhaus in Chemnitz 

Panajot Pipkoff 

Bulgarischer Komponist 

Johannes Reichert 

Komponist, Chordirigent und Musikerzieher 

Gustav Richter 

Altestes Mitglied und letzter Mitbegriinderdes Berliner 
Philharmonischen Orchesters 

Robert Ries 

Stellvertretender Leiter der Fachschaft Musikverleger 

Hanns Rohr 

Chefdirigent der Philharmonie des Generalgouvernements 

EmilvonSauer 

Konzertpianist, Schiiler Franz Liszts 

Hermann Schulken 

Chorkomponist und Volksliedbearbeiter 

Egon Siegmund 
Konzertpianist und Ensemblespieler 

Christian Sin ding 

Der bekannte norwegische Komponist ■■( 

Alfred Sittard 

Orgelvirtuos, Direktor des Berliner Staats* und Domchores 

Hugo von Steiner , 
Violavirtuos, Lehrer an der Wiener Staatsakademie fiir Musik 

Thimotheos Xanthopoulos 

Griechischer Komponist, Schiiler Anton Bruckners 



Kudtfdjau auf Has Betidjtejaljr 

(Oktober 1941 — September 1942) 



I. Gedenktage und besondere'Ereignisse 

1941 

30. September bis 4. Oktober : Tagung des Zentralinstituts fiir Mozart* 
Forschung in Salzburg. 

Oktober : Das „Rudolphinum", die 1 876 bis 1884 erbaute Prager deut* 
sche Kulturstatte, die 1919 bis 1938 dem tschechischen Staate als 
Parlamentsgebaude diente, wird seiner urspriinglichen Zweckbe* 
stimmung zuriickgegeben (unter anderem als Sitz der Deutscben 
Musikschule der Hauptstadt Prag und als Konzerthaus), 
Der Landesprasident in Prag verbietet die offentliche Auffiihrung 
und mechanische Wiedergabe jiidischer Musik im Protektorat 
Bohmen und Mahren. 

Der President der Reichsmusikkammer ruft zur Spende von Noten 
und Instrumenten fiir die deutsche Wehrmacht an der Front auf. 
Die Liibecker Abendmusiken blicken auf ihr 30ojahriges Bestehen 
zuriick. 

22. Oktober: Professor Fidelio F. Finke, Direktor der Deutschen 
MusikA-kademie in Prag, 3*0 Jahre alt. 

2j. Oktober: Professor Dr. Georg Schumann, Direktor der Berliner 
Singakademie, 7J Jahre alt. 

31. Oktober: Professor Max Pauer/ Klaviervirtuos, 73- Jahre alt. 
November: Schaffung einer Kulturkammer der Deutschen Volks* 

gruppe in Rumanien. 
7. November : Professor Paul Lincke, 7j Jahre alt. 
18. November: Der Tag der deutschen Hausmusik wird im 
ganzen Reich unter starkster Anteilnahme der Bevolkerung be* 
gangen. Besondere Beachtung finden die fiir hausliches Musizieren 
geeigneten Werke von W. A. Mozart. Salzburg Schwerpunkt der 
offentlichen Veranstaltungen. 

23. November: Der spanische Komponist Manuel de Falla 6j Jahre 
alt. 

28. November bis 3'. Dezember: Mozart*Woche des Deutschen 

13 



Reiches in Wien unter Schirmherrschaft von Reichsminister 
Dr. Goebbels und Reichsstatthalter Baldur v. Schirach. Feierliche 
ErofFnung dutch den letzteren. Reprasentative Auffuhrungen von 
Werken aus alien SchafFensgebieten des Meisters. Wilhelm Furt* 
wangler dirigiert das Requiem. Eindrucksvolle Kulturkundgebung 
miteiner Festrede von Reichsminister Dr. Goebbels. 

Dezember : Die Vereinigte Musikalische und Singakademie in Kdnigs* 
berg feiert ihr 7jjahriges Bestehen. 
j. Dezember: ijo. Wiederkehr desTodestages vonW.A. Mo< 
zart. VeranstaltungenvonMozartTestwochenoderfestlichenAuff 
fiihrungen einzelner Werke in alien wichtigen Orten des Reiches 
und in zahlreichen Stadten der europaischen Lander. 
6. Dezember : Professor Karl Adolf Martienssen, Klavierpadagog, 
60 Jahre alt. 

16. Dezember: iojahriges Bestehen des NS<Symphonie<Orchesters in 
Munchen. 

27. Dezember: 100. Geburtstag des BactuBiographen Philipp Spitta. 



1942 

Januar : 40 jahriges Bestehen des Berliner Sangerbundes. 

Griindung eines Deutschen Theaters in den Niederlanden, Er6fF< 
nung Spielzeit 1942/43. 
8. Januar bis 8. Februar: Deutsches Op erngastspiel in Barcelona. 
Aufgefiihrte Werke : Rosenkavalier, Tristan und Isolde, Walktire, 
Parsifal. 

1 1 . Januar : Professor Dr. h. c. Paul Graener, Mitglied der PreuBischen 
Akademie der Kiinste, 70 Jahre alt. 

14. Januar: Beethovens „Fidelio" zum ersten Male in der Turkei auf* 

gefiihrt (Ankara). 
23. Januar: Martin Frey, Musikpadagog und Komponist, 70 Jahre alt. 
26. Januar bis 1. Februar: Deutsctwspanisches Musikfest in Ma* 
drid und Bilbao. Generalintendant Dr. Heinz Drewes verkiindet 
die jahrliche Wiederholung des 1941 erstmalig abgehaltenen 
Deutsch^spanischen Musikfestes in Bad Elster. 
4. Februar: Der iinnische Komponist Yr jo Kilpinen jo Jahre alt. 
8. Februar: 200. Geburtstag von Aadri Erneste Modeste Gr6try. 

12. Februar: Eihsetzung eines niederlandischen Kulturrates durch 
Reichsminister SeyBdnquart. 

22. Februar: i2j. Geburtstag von Niels W. Gade. 

14 • 



Kj-Februar: ijo. Todestag von Gioacchino Rossini. 
Marz: Verbot der Herstellung, Verbreitung und Auffiihrung musika* 
lischer Werke von Autoren der Vereinigten Staaten von Amerika. 
2. Marz: 7j-jahriges Bestehen des Augsburger Oratorien*Vereins. 
14. Marz: 40jahriges Bestehen des Bruno Kittelschen Chores in Berlin, 
Reichsminister Dr. Goebbels verleiht ihm den Namen „Deutscher 
- Philharmonischer Chor (Bruno KittebChor)". 
ij. Marz: 100. Todestag von Luigi Cherubini. 
Professor Dr. Gustav Havemann 60 Jahre alt. 

18. Marz: Der italienische Komponist Francesco Malipiero 60 Jahre alt. 

19. Marz: Opernkapellmeister Robert Denzler jo Jahre alt. 

22. Marz: Karl Maendler, Erbauer eines Bach*Klaviers, 70 Jahre alt. 

23. Marz: Ludwig HeG, Sanger und Komponist, 6j Jahre alt. 

24. Marz : Gino Marinuzzi, Dirigent, 60 Jahre alt. 

28. Marz bis 23. April : Jubilaumsfeier der Wiener Philharmoniker aus 

AnlaB ihres loojahrigen Bestehens. 
April: Staatsschauspieler Paul Hartmann zum Prasidenten der Reichs* 
Theaterkammer ernannt. 
2. April: Rudolf Bockelmann, Heldenbariton, jo Jahre alt, , 
4. April: Professor Dr. Wilhelm Altmann 80 Jahre alt. 
y. April: Konzertsanger Rudolf Watzke jo Jahre alt. 
8. April: 2 jo. Geburtstag von Giuseppe Tartini. 
Professor Eduard Behm, Komponist, 80 Jahre alt. 

10. April: Griindung der Deutschen Sibelius^Gesellschaft. Pra< 
sident Generalintendant Dr. Drewes. 

Victor de Sabata, Dirigent, jo Jahre alt. 
2 1 . April : Kirchenmusikdirektor Richard Fricke 6j Jahre alt. 

26. April: Professor Hertha Dehmlow, Gesangspadagogin, 63- Jahre alt. 

27. April: loojahriges Bestehen des Kolner Mannergesang'Vereins, 
dem die Goldene Zelter^Plakette verliehen wird. 

Mai : Achte Mai*Festspiele in Florenz. 

6jjahriges Bestehen des Berliner Philharmonischen Orchesters. 
i jojahriges Bestehen des GieBener Konzertvereins. 
1 . Mai : Der schwedische Komponist Hugo Alfven 70 Jahre alt. 

11. Mai: Hofrat Professor Dr. Josef Marx 60 Jahre alt. 

13. bis 17. Mai: Salzburger Kulturtage der Hitlerjugend. Darbietun* 

gen unter dem Motto „Musik fur Jugend und Volk". 
17. Mai: Franz Meyer*Ambros, Komponist, 60 Jahre alt. 

20. Mai : Wiederbeginn der Kurse des Deutschen Musikinstituts fur 
Auslander. 

' ■ : 15 " 



22. Mai: 70. Wiederkehr des Tages der Grundsteinlegung zum Fest> 

spielhaus in Bayreuth. 
29. Mai: 100. Geburtstag des Komponisten Karl Millocker. 
13. bis. 13-. Juni: Tagung des Standigen Rates fur die internationale 

Zusammenarbeit der Komponisten in Berlin. Richard StrauB als 

Prasident wiedergewahlt. Gerhart v. Westerman Generalsekretar 

des Prasidenten und Delegierter des Reiches, Emil v. Reznicek und 

Werner Egk weitere deutsche Delegierte. 
13. bis 18. Juni: Kulturkundgebung der europaischen Jugend in Wei/ 

mar. Wertungsspiele des Solistennachwuchses im Rahmen der 

KongreBarbeit. • 

18. Juni: 100. Todestag des mit Beethoven befreundeten Musikver* 

legers Tobias Haslinger. 

22. Juni: Tagung des Deutschen Fachbeirates im Internationalen Rat 
fur Sing* und Sprechkultur in Wiirzburg. 

E. v. Telmanyi, Violinvirtuos, jo Jahre alt. 

23. Juni: Universitatsprofessor Dr. Hermann Stephani, Komponist, 
6/ Jahre alt. 

Juli: Berliner Kunstwochen 1942. 
2. bis j. Juli : Studentische Tage deutscher Musik in Salzburg. 
j. bis 10. Juli: Deutsch*spanisches Musikfest in Bad Elster. 
9. Juli bis 16. August: Bayreuther Festspiele fiir Soldaten und Rii* 

stungsarbeiter. Auffiihrungen : „Der fliegende Hollander", „Got> 

terdammerung", „Der Ring des Nibelungen". 

12. Juli: Professor Dr. Eugen Schmitz, Letter der Musikbibliothek 
Peters, 60 Jahre alt. 

13. Juli: Konzertsanger Professor Karl Erb 63- Jahre alt. 

26. Juli : Professor Albert Fischer, Konzertsanger und Gesangspadagog, 
60 Jahre alt. 

Professor Philipp Jarnach 3-0 Jahre alt. 

27. Juli: Der ungarische Komponist und Dirigent Ernst v, Dohnanyi 
6 j Jahre alt. 

29. Juli: Musikdirektor Fritz Lubrich der Altere 80 Jahre alt. 
August : Kurse des Deutschen Musikinstituts fiir Auslander in Leipzig, 
Potsdam, Salzburg und Wiesbaden. 
3. bis 30. August: Salzburger Festspiele fiir Soldaten und Riistungs* 
arbeiter. Opernauffiihrungen : „Figaros Hochzeit" und „ Arabella". 
Oberleitung Professor Clemens KrauB. 
7. August: Der rumanische Komponist Georges Enescu 60 Jahre alt 
16. August: Geheimer Rat Professor Dr. Siegmund v. Hausegger 
6 j Jahre alt. 

16 



27 August: Umberto Giordano, Opernkomponist, ij Jahre alt. 
i. bis 7. September: Kriegsmusikwoche 1942 des Warthegaues im 

Zeichen Pfitzners. 
2. September: Josef Szigeti, Violinvirtuos, jo Jahre alt. 
4. September: ioojahriges Bestehen des Mozart'Denkmals in Salz> 

burg, 
j. September : Professor Max Saal, Harfenist, 60 Jahre alt. 
7. bis 13. September: Achtes intemationales Musikfest und Kompo* 

nistentreffen in Venedig. 
9. September: Bruno Sturmer, JComponist, jo Jahre alt. 
26. September: Alfred Cortot, Klaviervirtuos, 6j Jahre alt. 

26. bis 29. September: Finnische Musiktage in Wiesbaden. 

27. September: Professor Elly Ney 60 Jahre alt. 

II. Urauffuhrungen in deutschen . Konzertsalen 

a) Reine Orchesterwerke 

Abendroth, Walter: Symphonic Dresden. 

Badings, Henk : Suite nach altniederlandischen Volksliedern. Miin« 

chen. 
Berger, Theodor : Ballade. Berlin. 

Bongartz, Heinz: Serenade, Nocturne und Scherzo. Saarbrucken. 
Cernik, Willy : Riibezahl, symphonische Dichtung. Liegnitz. 
David, Johann Nepomuk : Partita Nr. 2. Bremen. 

Symphonie Nr. 3. Berlin. 
EckhardfeGramatte, Sonja: Symphonie. Breslau. 
Degen, Helmut: Hymnische Feiermusik. Mannheim. 
Gerster, Ottmar: Hanseatenfahrt. Remscheid. 
Graener, Paul: Wiener Symphonie. Berlin. 
Grimm, Hans : Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph 

Rilke. Danzig. 
Heiduczek, Alois: Musik fur Streicher. Beuthen. 
Hamann, Bernhard: Orchesterstiick. Bremen. 
Hammer, Karl: Praludium und Doppelfuge. Berlin. 

Variationen und Fuge iiber ein Thema von Schubert. Zwickau. 
Heger, Robert : Dramatische Ouvertiire. Breslau. 
Hoffer, Paul: Symphonische Variationen iiber ein Thema von Bach. 

Hannover. 
Ingenbrand, Josef: Parabello. Bochiim. 
Karthaus, Werner: Symphonie Nr. 2. Remscheid. 

17 



Kauffmann, Leojustinus: Symphonic StraBburg. 

Kern, Frida: Symphonische Musik. Linz. 

Klenau, Paul v. : Nordische Symphonie Nr. 6. Dresden. 

Knaack, Karl : Symphonisches Vorspiel. Aachen. 

Komma, Karl Michael: Orchesterkqnzert. Prag. 

Leonhardt, Otto : Symphonie Nr. 7. Remscheid.' - 

Marx, Joseph: Nordland* Rhapsodic Wien. 

Meyer, Karl Walter: Festliche Musik fiir Streicher und Pauken. Ko* 

nigsberg. , ' ' < 

Zwei kultische Tanze. Konigsberg. 
Peeters, Emil: Symphonische Musik Nr. 2. Bochum. 
Petzold, Rudolf: Musik fiir Streichorchester: Koln. 
Richter, Gotthold Ludwig: Op. 22, erste Symphonie (C). Kattowitz. 
Rottger, Heinz : Symphonie. Breslau. 

SchwarzfSchilling, Reinhard : Orchester*Konzert. Rostock. 
Sehlbach, Erich : Fantasie Nr. 2. Remscheid. 
Senfter, Johanna: Symphonie Nr. 6. Hagen. 
Simon, Hans: 2. Symphonie. Darmstadt. 
Stark, Willi: Symphonie. Mannheim. 
Stieber, Hans : Symphonie. Leipzig. 
Stover, Walter : Drei Orchesterstiicke. Bremen. 
Striegler, Kurt: Symphonie. Dresden. 
Trapp, Max: Allegro deciso. Breslau. 
Trunk, Richard: Op. 7j Divertimento. Mannheim. 
Vogt, Hans: Concerto grosso. Oldenburg. 
Wibral, Paul : Drei Orchesterstiicke. Mulheim a. R. 

b) Orchesterwerke mit Soloinstrumenten 

Anders, Erich : Violoncellkonzert. Liegnitz. 

Anton, Max: Oboekonzert. Hagen. 

Berger, Theodor: Duo fiir Violine und Violoncell. Frankfurt a. M. 

Bialas, Gunther : Bratschenkonzert. Breslau. 

Degen, Helmut : Violoncellkonzert. Ludwigshafen: 

Flossner, Franz: Op. 10, Divertimento fiir Klavier und Orchester. 

Wiesbaden. 

Violoncellkonzert. Wiesbaden. 
Hamann, Bernhard: Violoncellkonzert. Bielefeld- 
Hochstetter, A. C. : Violoncellkonzert. Wien. 
Holler, Karl : Violoncellkonzert. Berlin. 
Hasse, Karl : Klavierkonzert. Weimar. 

18 '•'■'■'■■ 



Hoffer, Paul: Klavierkonzert. Diisseldorf. 

Ktister, .Herbert: Klavierkonzert. Altenburg. 

Lederer, Josef: Violinkonzert. Liegnitz. 

Munch, Gerhart: Capriccio varlato fiir Klavier und Orchester. Augs* 

burg. . • 

Schroeder, Hermann: Violoncellkonzert. Miilheim. 
Sehlbach, Erich : Concertino fiir Flote. Remscheid. 

. c) Gesangswerke 

Ernst, Robert: Das Kalendarium (mit Tenorsolo). Schwerin. 

Gabriel, Richard: Deutschland, du ewiges Feuer. Kantate. Stettin. 

Hessenberg, Kurt: Fiedellieder. M.*Gladbach. 

Hoes din, Franz v. : Japanischer Liederzyklus. Mannheim. 

Kelling, J. : Vom ewigen Werden. Oratorium. Remscheid. 

Reidinger, Friedrich: Gotische Messe. Wien. 

Schubert, Heinz : Praludium und Fuge fiir Sopran und Streicher. 

Miinchen. 

Vom JUnendlichen. Rostock. 
Wunsch, Hermann: Deri Gefallenen. Berlin. 
Zwissler, Karl Maria : Kantate. Mainz. 

Diese 7} Urauffuhrungen verteilen sich auf nachstehende Stadte 
wie folgt : 

Je 6 Berlin und Remscheid (!) — j Breslau — 4 Mannheim - je } 
• Bremen, Dresden, Liegnitz und Wien - je 2 Bochum, Hagen i. W., 
Konigsberg, Miilheim a. R., Miinchen, Rostock, Wiesbaden und 
Zwickau - je 1 Aachen, Altenburg, Augsburg, Beuthen, Bielefeld, 
Danzig, Darmstadt, Diisseldorf, Frankfurt a. M., Hannover, Katto* 
witz ,Koln, Leipzig, Linz, Ludwigshafen, Mainz, M.*Gladbach, Olden* 
burg, Prag, Saarbriicken, Schwerin, Stettin, StraBburg, Weimar. ; 

III. Neugrundungeri 
a) Gesellschaften, Institute, Archive 

Berlin: Berliner Hausmusikkreis irii Rahrrien der Landesmusikkam* 

mer als Beratungsstelle fiir Laienmusiker. 
Breslau'. Niederschlesisches Landesarchiv fiir Volksmusik (Leiter: 

Dr. Feldmann) beim Musikwissenschaftlichen Seminar der Uni* 

versitat. . 

2 * ■.' 19 



Essen: Vereinigung „Freunde zeitgenossischer Musik" (Leitung: An.- 

ton Hardorfer). 
Flensburg: Stadtisches Theater* und Musikarchiv. 
GieBen: Arbeitsgemeinschaft „Universitat und Theater". f 

Gorlitz: Stadtisches Musikarchiv. 
Koln: Kolner Musikarchiv beim Musikwissenschaftlichen Institut der 

Universitat. 
Mai land: Lehrstuhl fur VerdiTorschung. 
Miinster: Musikstudio fur Fachleute und Liebhaber zwecks Ver* 

tiefung und Erweiterung der musikalischen Bildung, vor allem in 

Bezug auf das zeitgenossische Musikschaffen. 
Neu*Strelitz: Theatermuseum. 
Prag: Deutsche Musikgesellschaft. 
PreBburg: Staatliches Institut fur das slowakische Volkslied an der 

PreBburger Universitat. 
Rom: Lehrstuhl fur die „plurichromatische Harmpnie" an der Aca* 

demia di Santa Cecilia. 
St r aB b ur g : Arbeitskreis fur alte Musik. 
Thiiringen: 60 Kunstgemeinden in mittleren und kleinen Stadten 

des Gaues Thiiringen. 
Weimar: Amtliche Stelle fiir Musikdenkmaler^Pflege beim Tbii* 

ringischen Volksbildungsministerium. 

b) Orchester, Kammermusik*Vereinigungen, Chore 

Berlin: Deutsches Tanz* und Unterhaltungsorchester (Leitung : Franz 
Grothe und Georg Haentzschel). - Gemischter Chor „Der neue 
Chor" in Verbindung mit dem Arzte* und Rechtswahrer*Orchester 
Berlin (Leitung Dr. Julius Kopsch). - Blaser^KammerJvlusikveri' 
einigung der PreuBischen Staatsoper. 

Bochum: Kammerorchester aus Mitgliedern des Bochumer Stadti* 
schen Orchesters. 

Bruck(Mur): Stadtisches Symphonie*Orchester. 

Chemnitz: Stadtischer Chor (Leitung: Paul Geilsdorf). 

Essen: Kammerchor „Brahms«Bund Essener Sangerinnen" (Leitung: 
Dr. Ernst Reichert). - HJ*Chor (Leitung: Jo Gromann). 

Flensburg: Streichquartett unter Fuhrung von KonzertmeisterHorst 
Krause. 

Gelsenkirchen: HalfmannshofTrio (Karl Glaser, Violine; Jiirgen 
Gildemeister, Violoncell; Walter Dignas, Klavier). 

Hamm: Westfalisches Stadte<Orchester unter Musikdirektor Ecca* 

20 



rius zur Bespielung von i) westfalischen Stadten. - Stadtischer 

Mannerchor. 
Jena: Streichquartett Herbert Heidemann. 
Konigsberg: Streichquartett unter Fiihrung von Konzertmeister 

Peter Esser. 
Mannheim: Mannheimer Kammer*Trio (Renate Noll, Cembalo; 

ErnstHoenisch, Viola d'amore ; Dr. Herbert Schafer, Viola da gamba). 
Metz: Knabenchor. Leiturig: Prof. Nilius. 
Minden: Stadtisches Orchester. 
Warschau: Deutscher Volkschor. 

c) Schulen und Kurse 

B r eme n : Konservatorium (Meisterkl. )anderNordischenMusikschule. 
Budapest: Musisches Gymnasium nach deutschem Vprbild am Na* 

tionalkonservatorium. 
Danzig: Opern* und Chorschule an der Gaumusikschule Danzig* 

WestpreuBen. 
Dresden: Opernchorschule und Ausbildungsstatte fur Tanz am 

Konservatorium. der Landeshauptstadt. 
Florenz: Staatliche Opernchorschule am Teatro Communale. 
Frankfurt a. M. : Kurse in sinngemaBer Ausfiihrung zeitgenossi* 

scher Kammermusik an der Staatlichen Hochschule fiir Musik. 
Hamburg: Musikschule der Hitler*Jugend. 
Hannover: Musikschule der Hitlerjugend. 
Kassel: Theaterschule am Konservatorium und Musikseminar. 
Koln: Kiinstlerisches Priifungsamt der Fachrichtung Musikerzieher. 
Leipzig: Hochschule fiir dramatische Kunst. 
Miinchen: Opern«Chorschule der Bayrischen Staatsoper. 
Posen: Musikschule fiir Jugend und Volk. 
Prag: Abteilung fiir Schulmusik am Hochschublnstitut fiir Musik 

an der Deutschen KarlssUniversitat. 
St. Andra (Karnten): Orchesterschule mit Schiilerheim. 
StraBburg: Theater*Chorschule. 
Tarnowitz: Musikschule fiir Jugend und Volk. 
Teplitz*Schonau: Ludwig van Beethoven*Musikschule. 
Troppau: Carl voA DittersdorfMusikschule. 
Wanne*Eickel: Musikschule fiir Jugend und Volk. 
Weimar: Theaterschule als Bestandteil der Staatlichen Hochschule 

fiir Musik. 
Zschopau: Musikschule fiir Jugend und Volk. 

21 



Hans Joachim Moser 

Eon tier Steuerung ties tieutftfjen fl&ufifclebeitB 



Das deutsche Musikleben ist ein besonders wichtiger, ja infolge der • 
Hochstbegabung unseres Volkes fiir Musik einzigartiger Teil des 
deutschen Kulturlebens. Dadurch sind seine Antriebe ungemein rege, 
aber (wie bei jedem hochentwickelten Organismus) seine Bestandteile 
auch entsprechend zart und reizempflndlich. Die Aufgaben des totalis 
taren Staates sind durch solche Artung von vornherein weitgehend 
bestimmt: hier tut weniger Impuls not als Schutz der Schwachen und 
Lenkung der Starken, damit die hier wie in allem Leben lauernden 
Zersetzungskeime nirgends Macht gewinnen; verwendet man das Bild 
eines SchLffes, so braucht es nicht Feuerung, sondern Steuerung, und 
dies mit sach* und fachkundigster Hand. Fiir die tonkiinstlerischen 
Dinge allgemeiner Art ist die Musikabteilung des Reichsministeriums 
fiir Volksaufklarung und Propaganda zustandig, iiber deren Arbeit 
hier gesprochen werden soil; fiir die standischen Belange der Kiinstler, ' 
Laienmusiker und einschlagigen Wirtschaftsgruppen besteht die 
Reichsmusikkammer als Teil der Reichskulturkammer - iiber ihre 
Tatigkeit wird gesondert berichtet werden. Da der Reichspropagandaj 
minister zugleich Prasident der Reichskulturkammer ist und ein un* 
mittelbarer Dienstweg auch von der Musikabteilung zur Reichsmusik* 
kammer besteht, ist voile Ubereinstimmung beider Einrichtungen 
gewahrleistet. , ■ ■• ' 

Die Tatigkeit der Musikabteilung des Reichsministeriums furVolks* 
aufklarung und Propaganda, die von Generalintendant und General* 
musikdirektor Dr. Heinz Drewes geleitet wird, gliedert sich im wesent* 
lichen in einen innerdeutschen und einen zwischenvolkischeri Dienst* 
bereich. An der Spitze des ersteren steht begreiflicherweise die 
fachliche Beratung des Ministeriums. Dann all jene zahllosen Falle, wo 
Einsender von Gesuchen Rat und Hilfe begehren — bald geht es um 
materielle Notlagen, fiir welche Abhilfe aus der Dr. Goebbels^Spende, 
aus dem Kunstlerdank, aus eignen Abteilungsmitteln geschafft oder wo 
durch Beratung, Aufklarung und Empfehlung weitergeholfen wird - 
bis zu der Erledigung oft wunderlichster Eingaben von Erfindern, 
Querulanten und Methodenaposteln. Naturgemafi gehoren zu dieser 

22 



eigentlich ministeriellen Verwaltiingstatigkeit auch viele Planungen 
oder Aufsichtsfunktionen, iiber die sich ihrer Art entsprechend hier 
nichts weiter ausfiihren laBt. 

Zu den wesentlichen Gegenwartsaufgaben der Musikabteilung 
zahlt die Bearbeitung von Personalfragen/ besonders insoferh, als es um 
die Besetzung leitender Dirigentenposten im Musikleben der Gaue 
und Stadte geht; hier wird nicht nur haung fachlicher Rat seitens der 
Gauverwaltu'ngen, Oberburgermeister und Gemeinden eingeholt, son* 
dern das Ministerium ist oft allein imstande, die Interessen mehrerer 
Orte oder Gebiete gegeneinander abzuwagen und zum erwiinschten 
Einklang zu bringen. So wurden in der Berichtszeit namhafte Diris 
genten zumal in die Grenzlande und auf wichtige AuBenposten ver* 
pflichtet, wobei nicht zuletzt versucht wurde - sachliche Eignung yor* 
ausgesetzt - verdiente Frontkampfer an entsprechenden Snellen einzu* 
setzen.. Ahnliche Probleme stellte die Neubesetzung wichtiger Chor* 
leiterstellen, Konzertmeisterposten u. a. und vor allem die Erhaltung 
des Bestandes unserer Kulturorchester, wobei es einen Ausgleich zwi* 
schen den militarischen Notwendigkeiten und den kulturellen Auf? 
gaben der betreffenden Institute, zu finden gait. 

Aber es geht nicht nur um den Personenstand der Orchester, denen 
obendrein vielfach Zuschiisse vom Ministerium aus bewilligt werden, 
sondern auch um'die klangliche Leistungssteigerung. Das korinte ein* 
mal durch Fortbildungskurse geschehen, wie sie z. B. fur bereits im 
Dienst stehende Konzertmeister unter Professor Kulenkampff einge* 
richtet wurden, zum anderen durch die Beschaffung besserer Instru* 
mente. Seit der Inflationszeit und durch die Abwanderungen seit 193 J 
ist die Anzahl altitalienischer Meistergeigen in Deutschland bedauer* 
lich zuriickgegangen; manches brauchbare Spitzeninstrument wird 
leider auch im Lande selbst durch Hortung dem Musikleben vorent* 
halten. Durch' eine groBzugige Aktion hat der Herr Minister .eine 
stattliche Anzahl hervorragender Geigen, Bratschen und Violoncelli 
erwerben lassen, die jiingeren Violinvirtuosen und Mitgliedern nam; 
hafter Kammermusikvereinigungen zur Verfugung gestellt worden 
sind - ein bemerkenswertes Mazenatentum des Staats an seine Kiinst* 
ler mitten im Kriege! Auch wurde der zeitgenossische Streichinstru* 
mentenbau in Mittenwald durch Hergabe von Krediten neu be* 
lebt, um beste Orchesterinstrumente zu erlangen, und mit der Aus* 
arbeitung einer sehr billigen, aber guten „Volksgeige" ein Seitenstuck 
zum Volksempfanger geschaffen; ein „Volksklavier" soil folgen. Auch 
das Trautonium war in der Berichtszeit Gegenstand vielfacher Forde* 
rung. 

23 



Daneben kam die Vokalmusik nicht zu kurz : fiir die Drucklegung 
wichtiger Volksliedsammlungen und die Weiterfiihrung der groBen 
HandehAusgabe wurden Beihilfen gegeben, Schallplatten und Schall* 
aufnahmeverfahren unterstiitzt (hier freilich auch mancherlei unzeit* 
gemaB gewordene Bestande ausgemerzt), Kongresse des Rats fiir Singen 
und Sprechen veranstaltet und so versucht, das Feld der Gesangs* 
erziehung neu zu bestellen. 

Besondere Sorgfalt der Beobachtung und Pflege fand das Konzert* 
leben hinsichtlich der Programme, wobei nicht zuletzt die der Ab* 
teiliing nachgeordnete „Reichs-/Musikpriifstelle" sich gutachtlich wie 
registrierend betatigte. Vor allem wurde hier darauf gedrungen, dem 
zeitgenossischen Schaffen zu hinlanglichem Lebensraum zu verhelfen, 
damit nicht mit ausschlieBlichen Klassikerkonzerten (einschlieBlich 
Reger und StrauB) allzu bequem und trage der Gewohnheit ihr Zoll 
gezahlt wird. Wenn zur Zeit auch die Diisseldorfer Reichsmusiktage, 
die ausschlieBlich zeitgenossischer Musik gewidmet und durch die Ver? 
leihung der nationalen Musik* und Kompositionspreise gekront waren, 
im Kriege nicht veranstaltet werden konnen, so wurde doch bei zahh 
reichen anderen Musikwochen die Steuerung im Sinn der wertvollen 
Produktion der Gegenwart gehandhabt und vielerlei Anregung aus* 
gestreut. 

Die Aktion der Kulturorchester „Beschwingte Musik" wurde ebenso 
wie diejenigen ,,Heitere Stunde am Nachmittag" und „Wehrmacht 
spielt fiir die Heimat" in vielen hundert Veranstaltungen durchge? 
fiihrt, um das Musikinteresse weitester Vo-kskreise zu fordern, und 
sie alle fanden begeistertes Echo. 

Auch die Betreuung des musikalischen Schrifttums ist Sache der 
Musikabteilung, ob es sich um musikerzieherische oder biographische, 
um asthetische oder gattungsgeschichtliche Themen handeln mag, ob 
es die Vermeidung unerwiinschter Ausfiihrungen oder die Papier* 
bewilligung gilt. Als Gutachter fungieren sowohl die Musikpriifstelle als 
auch die Reichsstelle fiir Musikbearbeitungen, fiber deren Tatigkeit 
auf S. 78 ff. ein gesonderter Bericht folgt. 

Die Auslandsaufgaben der Musikabteilung sind vielfaltiger Art und 
gewiB nicht weniger bedeutsam als die inlandischen ; sie erstrecken sich 
sowohl auf die Ausstrahlung der deutschen Musik iiber die Reichs* 
grenzen hinaus als auch umgekehrt auf die auslandischen Tonsprachen 
und ihre Interpreten bei uns. NaturgemaB ist die Naehfrage des Aus* 
lands nach deutscher Musik eine gewaltige. Da werden deutsche Or* 
chester und Chore, deutsche Kammermusik*Vereinigurigen und 
Vokal* oder Instrumentalsolisten, deutsche Musiklehrkrafte aus Nord, 



24 



Siid, Ost und West, selbst aus Japan, angefordert, bald durch fremde 
Ministerien und Botschaften iiber das Auswartige Amt, bald seitens 
der Musikreferenten bei unseren Propagandaabteilungen, dazu auch 
Noten, Instrumente und Biicher. Da miissen Daten vereinbart werden, 
urn Oberschneidungen zu vermeiden, da sind die Aufgaben der ein* 
zelnen Korpersehaften gegenseitig abzustimmen, Programmwiinsche 
und *vorschlage zu priifen, diePaB* und Devisennote der Kunstler nach 
Moglichkeit zu erleichtern. Bald gait es in der Berichtszeit, alles mit 
der „Japanischen Festmusik" von Richard StrauB Zusammenhangende 
zu regeln, deren Entstehung von der Abteilung angeregt war und. 
durch alle Entwicklungsstadien mitbetreut wurde, bald waren die deut* 
schen Konzert'Programme fiir den Maggto Florentino oder die Bien* 
nale in Venedig mit unseren italienischen Freunden zu besprechen, 
eine Kammerorchesterreise durch den Balkan zu organisieren oder die 
Fahrt der Berliner Philharmoniker u. a. nach Frankreich, Spanien, Pdr* 
tugal durchzufuhren und propagandistisch zu unterstiitzen; die skan* 
dinavischen Gebiete hatten Truppenbetreuungswiinsche, die neuen 
Volksmusikschulen in den besetzten Ostgebieten brauchten LehrstofF* 
beratung, in Paris wurden deutsche Opernmeisterwerke aufgefiihrt, 
wozu Einfiihrungsvortrage erfordert wurden. Bald gait es ein Musiker* 
jubilaum in Bukarest, bald einen musikalischen Personalfragenkreis in 
Briissel oder den Niederlanden. Den Auslandsreferenten der Musik* 
abteilung steht hierfiir die . „Auslandsstelle fur Musik" (Geschafts* 
fiihrender Leiter Hans Sellschopp) zur Verfiigung. 

Nicht weniger bunt und polyphon lauft die andere Sparte, die der 
zwischenvolkischen Musikbeziehungen, ab, da yerstandlicherweise 
vieles hier auf gegenseitigem Austausch beruht : wie unsere Kunstler 
gastlich in alien Landern Europas aufgenommen werden, sehen wir 
auch dortige Krafte (vom starkbesetzten Unterhaltungs^Ensemble und 
Kulturorchester bis zum einzelnen Streichquartett oder Geigenstern) 
mit Vergniigen bei uns, lernen wir durch sie doch auch fremde Musik* 
literaturen kennen und schatzen. Da verlangt es eine behutsame Hand, 
nicht alles in Berlin zu haufen, sondern auch die Wiinsche und Fas* 
sungsmoglichkeiten anderer Musikstadte zu berucksichtigen, giinstige 
Zeitpunkte zu erfassen und fiir Abwechslung besorgt zu sein. So 
konnte die Musikabteilung gemeinsam mit der Nordischen Geselh 
schaft eine eindrucksvolle Ehrung zum Gedachtnis des jiingstverstor* 
benen norwegischen Altmeisters Christian Sinding durchfiihren. Dann 
gait es etwa, nicht nur die ReichsJVlozartwoche zum ijo.Todestag 
des Meisters in Wien zu organisieren, sondern auch die rund zwanzig 
Abordnungen befreundeter und neutraler Nationen dort zu betreuen. 

' 25 



Ein Musterbeispiel des Kulturaustauschs bildeten im Berichts<Zeit* 
raum die deutschfspanischen Musikbeziehungen : wir hatten iberische 
Komponisten und Interpreten von groBem Namen wiederholt in Bad 
Elster und Dresden zu Gast, und umgekehrt,wurden unsere Kiinstler 
und Orchester in Madrid, Barcelona und Bilbao begeistert gefeiert. 
Zu diesen zwischenvolkischen Beziehungen gehorte auch die Fort* 
fuhrungderKammertonverhandlungen.. Keinen kleinenFaktor stellten 
in diesem Zusammenhang die Potsdamer und Sajzburger Meisterkurse 
des „Deutschen Musikinstltuts Rir Auslander" (Leitung Prof. Dr. 
G. Schiinemann) dar. Die Angehorigen von 1 1 Staaten wurden hier 
von fiihrenden deutschen Tonkiinstlern entscheidend in ihrer Ent* 
wicklung vorangefiihrt und Folgten in dankbarer Aufgeschlossenheit 
ihren hingebungsfreudigen Lehrern. 

In Wiirzburg tagte der Deutsche FachausschuB des Internationalen 
Rats fur Singen und Sprechen, der zu seiner Freude zahlreiche aus* 
landische Fachgenossen als Redner in seiner Mitte sah. [ 

Dies alles konnen, wie es im Wesen der Sache ist, nur Stichproben, f. 

Andeutuhgen und Hinweise auf eine umfassende Tatigkeit sein, die 
sich ihrer Natur nach nicht nur durch Aktenverwaltung erledigt, son; 
dern.ihre Resonanz einzig durch die voile Hingabe der beauftragteri 
fachmusikalischen Personlichkeiten zu erzielen vermag von Mensch 
zu Mensch, von Kunst zu Kunst, von Kiinstler zu Kiinstler. 

Ob es darum ging, die Ausstellung der Mozart;Autographen inWien, 
zu eroffnen, rednerisch die deutsch^spanischen und portugiesisch*deut« 
schen Musikbeziehungen zu behandeln, oder anlaBlich des Busoni* 
schen „Faust" in Florenz den italienischen Musikfreunden presses 
maBig unsere deutschen Vorstellungen von einer Vertonung des 
„Faust" nahezubringen, ob es die Jahrhundertfeier des Kolner Manner; , 

gesangvereins zu begehen gait oder die jurigen Komponisten in Stib 
fragen Beratung heischten — . immer muBte eih seelisches Bekenntnis 
abgelegt werden, um wirklich zu iiberzeugen. 

Das Hauptereignis derBerichtszeit, dieReichs*Mozartwoche inWien, 
hat in besonderem MaBe dafiir zeugen konnen, daB der Versuch einer 
Steuerung auf der Habenseite kultureller Navigation verb ucht werden. 
darf : es war nicht nur die Verbeugung vor dem unsterblichen Genius, 
sondern das Gefiihl tiefen gegenseitigen Verstehens und einer Einig* 
keit in den groBen Zielen, das die Vertreter so vieler Volker eines 
besseren Europa auf deutschem Boden einte und begliickt empfinden - 
lieB, wie uns nicht nur eine schier erdriickend groBe Erbschaft der 
Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft im kiinst* 
lerischen Bekenntnis weitgehend verbindet. 

Z6 .■•.■■■.'■ 



Alfred Morgenroth 

3u8 tier berufeftaniiifdjen Selbftocrujaltung 

Arbeitsbericht der Reichsmusikkammer 



Mit der Errichtung der Reichskulturkammer und ihrer Einzeb 
kammern, von denen die Reichsmusikkammer die an Mitgliederzahl 
groBte ist, hat der Nationalsozialismus sogleich nach der Macht* 
ergreifung fiir alle Kulturberufe eine Forderung des Parteiprogramms 
verwirklicht. Fiir die deutschen Musiker war damit in Erfiillung ge* 
gangen, was dieWeitestblickenden unter ihnen seit vielen Jahrzehnten 
ersehnt hatten: die Zusammenfassung aller am Musikleben Beteiligten 
in einer standischen Selbstverwaltung. Wenn die vielen privaten Ver* 
bande der Vergangenheit sich zumeist auf die Verfolgung wirtschafb 
licher Sonderinteressen beschrankten und sich teilweise noch dazu 
untereinander heftig befehdeten, so steht die Arbeit der Reichsmusik* 
kammer von.Anfang an im Zeichen der unaufloslichen Schicksals* 
verbundenheit aller musikalischen Berufe und ihrer gemeinsamen Ver* 
antwortung vor der Nation. Hieraus ergibt sich ihr oberster Grundsatz, 
bei samtlichen MaBnahmen, die sie zu treiFen hat, st'ets das kulturelle 
Gesamtwohl voranzustellen. Wieweit sie mit ihm in Einklang stehen, 
danach allein konnen sowohl die allgemeinen Pflichten und Rechte der 
Mitglieder als auch die verschiedenartigen wirtschaftlichen Anspriiche 
der einzelnen Berufsgruppen bemessen werden. Einen ganzen Berufs* 
stand in dieser Weise einheitlichauszurichten und zu verwalten, ware 
selbstverstandlich unmoglich, wenn seine Fiihrung sich nur auf die 
Einsi'cht und freiwillige Unterordnung seiner Angehorigen stiitzen 
konnte. Deshalb hat das Reichskulturkammer'gesetz den Kammern 
weitgehende staatliche Machtbefugnisse eingeraumt. So steht dem 
Prasidenten der Reichsmusikkammer das Recht zu, Bedingungen fiir 
den Betrieb, die ErofFnung und SchjieBung von Unternehmungen auf 
den Gebieten seiner Zustandigkeit' festzusetzen und alle wichtigen 
Fragen dieser Gebiete durch Anordnungen und Vorschriften zu regeln. 
Es kann hier nicht im einzelnen dargestellt werden, wie sich die num 
mehr achtjahrige Anwenduiig dieses Rechtes fiir das deutsche Musik* 
leben und seine Trager ausgewirkt hat; Soviel steht jedenfalls fest, daB 
es der Kammer schon in den ersten Aufbaujahren gelurigen ist, den 
vor 1933 in seiner Existenz aufs schwerste bedrohten Musikerstand 

27 



wieder in gesicherte Lebensverhaltnisse zu bringen und sein Ansehen 
ebenso durch zielbewuBte Steigerung der fachlichen Leistungen wie 
durcb die Ausmerzung ungeeigneter Elemente zu heben. 

Selbstverstandlich hat auch hier der Krieg seine Rechte geltend ge* 
macbt und nicbt nur in das Arbeitsprogramm, sondern auch in das 
Organisationsgefiige eingegriffen. Wie zahllose Mitglieder der Kam* 
mer steht ein groBer Teil ihrer Mitarbeiter, an der Spitze Heinz 
Ihlert, ihr Mitbegriinder und Geschaftsfiihrer, unter den Waflen. So 
muBte der Verwalturigsapparat radikal vereinfacht und auf ausschlieB* 
liche Erfullung derjenigen Aufgaben umgestellt werden, die sich aus 
den besonderen Notwendigkeiten der Kriegszeit ergeben. Der folgende 
Bericht will versuchen, die Fiille dieser Aufgaben zu veranschaulichen, 
indem er - unter moglichstem Verzicht auf rein organisatorische Ein* 
zelheiten — die wichtigsten Ergebnisse der Kammerarbeit im letzten 
Jahre zusammenfaBt. 

Beginnen wir mit der Tatigkeit der Zentralverwaltung, die sich 
in fiinf Abteilungen gliedert. Von hier aus wird der gesamte Verwal* 
tungsapparat gelenkt, dessen tCernstiick die umfangreiche, das ganze 
Reichsgebiet umfassende Mitgliederkartei darstellt. Alle Organisa« 
tionsj, Haushalts* und Personalfragen der Kammer und ihrer Unter; 
gliederungen, auch die Zulassungsverfahren und Abstammungs* 
priifungen werden hier abschlieBend bearbeitet. Es liegt in der Natur 
der Dinge, da8 mit der Dauer des Krieges die wirtschaftlichen An* 
liegen der Mitglieder immer mehr in den Vordergrund der berufs* 
standischen Betreuung geriickt sind. Dementsprechend hat die Arbeit 
der Wirtschaftsabteilung im Berichtsjahre eine weitere Ausdeh< 
nung erfahren, die hauptsachlich durch die zunehmenden kriegswirt* 
schaftlichen Verbrauchsregelungen bedingt war. Zur Sicherstellung 
des notwendigen Bedarfs an Berufskleidung erhielt die Kammer die 
Berechtigung, in besonders dringlichen Fallen Befurwortungen zur 
Ausstellung von Bezugsscheinen zu erteilen. Von den zahlreichen An* 
tragen dieser Art konnten nach strenger Priifung ungefahr 900 zu* 
stimmend entschieden werden. Die Herstellung und Instandsetzung 
von Musikinstrumenten ist im Laufe des Jahres einschneidenden Be* 
schrankungen unterworfen worden. Es muBten deshalb auch hier, urn 
die wichtigsten Berufsinteressen zu wahren, Dringlichkeitsbescheini* 
gungen eingefiihrt werden, die von der Wirtschaftsabteilung gepriift 
und der Arbeitsgemeinschaft Reichsmusikkammer - Musikinstrumen* 
ten*Gewerbe — zugeleitet werden, die dann im Benehmen mit den zu* 
standigen Wirtschaftsorganisationen fur die gerechte Verteilung der 
vorhandenen Bestande Sorge tragt. Die Mangellage auf diesem Gebiet 

28 



macht es jedem Musiker zur Pflicht, mehr denn je auf Sicherungen 
gegen Verlust oder Beschadigung seines Instrumentes bedacht zu sein. 
Die Kammer hat darum mit der Mannheimer Versicherungsgeselb 
schaft einen allgemeinen Musikinstrumenten/Versicherungsvertrag ab* 
geschlossen, der alien Mitgliederri gegen verhaltnismaBig geringe Ge* 
biihren einen weitgehenden Schutz ermoglicht. DerWirtschaftsabtei* 
lung liegt weiter die Priifung und Begutachtung samtlicher Devisen* 
antrage ob, die von Musikverlagen und sonstigen der Kammer ange* 
schlossenen kulturwirtschaftlichen Unternehmen, ebenso wie von den 
vielen ins Ausland reisenden Kunstlern gestellt werden. Namhafte Bei* . 
hilfen konnten teils aus kammereigenen Mitteln, teils in Form von 
Zuschiissen der SoZialversicherungstrager bediirftigen Blaserri fiir 
Zahnbehandlungen zur Verfiigung gestellt werden. Das neuerrichtete 
Sonderreferat fiir die Betreuung kriegsversehrter Musiker wurde durch 
Beihilfen gefordert, ebenso die Uhterstiitzungskassen der Fachschaften 
„Musikalienhandler" und „Angestellte des Musikalienhandels". Fiir 
Notstandszwecke aller Art, wie Sozialbeihilfen und Darlehen, Unter* 
stiitzungen erwerbsunfahiger alter Musiker und Bombengeschadigter, 
Bestattungs* und Hinterbliebenenfiirsorge, Instrumentengaben und 
Weihnachtsspenden wurden wiederum erhebliche Aufwendungen ge* 
macht. An der Durchfiihrung der Gemeinschaftshilfe der gewerb* 
lichen Wirtschaft und der Gewinnabschopfung der freien Berufe Ver* 
leger und Sortimenter war die Abteilung maBgeblich beteiligt. 

In der Kulturabteilung werden alle diejenigen musikkulturellen 
Fragen bearbeitet, deren Bedeutung iiber den Aufgabenkreis der ein* 
zelnen Fachschaften hinausreicht. Hierher gehoren musikwissenschaft* 
liche Dinge, Reformvorschlage aller Art, die Begutachtug von uner* 
wiinschtem musikalischen Kulturgut, von Antragen auf Auszeichnungen 
undEhrungensowielnstrumentenbeschaffungsmndStipendiengesuchen. 
Gefade die letztgenannten, die nach wie vor in groBer Zahl bei der 
Kammer eingehen, erforderri eine besortders sorgfaltige Priifung, da* 
mit die vom Reich zur Verfiigung gestellten Unterstiitzungsmittel 
wirklich nur wiirdigen Bewerbern zugute kommen, die in ihrem Fach 
zu mehr als durchschnittlichen kiinstlerischen Leistungeh berufen er* 
scheinen. Was die vorerwahnten Reformvorschlage und Erfindungen 
betrilFt, so hat die Kammer im Kriege natiirlich Wichtigeres zu tun, 
als sich mit Tuftlern und Phantasten auseinanderzusetzen, die den 
Kampf gegen den BaBschliissel als ihren Lebensinhalt betrachten oder 
die Menschheit mit ausgeklugelten Ton* und Notenschriftsystemen 
begliicken wollen, ganz zu schweigen von den beharrlich wiederkehren* 
den Entratselungen des altitalienischen Gesangsgeheimriisses oder ahn* 

29 



licher Pseudoprobleme. Urn so gewissenhafter wird alien emst zu 
nehmenden neuen Anregungen nachgegangen, besonders wenn sie 
kriegswirtschaftlich, wichtige Materialersparnisseund technische Ver* 
besserungen, zum Beispiel an Musikinstrumenten und in der Noten* 
herstellung, zum Ziele haben, In der Berichtszeit sind gerade auf die* 
sen beiden Gebieten einige aussicbtsreiche Vorschlage zutage getreten. 
Der Kulturabteilung war auch die Durchfuhrung der Noten* und In; 
strumentenspende fiir die Wehrmacht iibertragen, zu der der President 
der Reichsmusikkammer im Oktober 1941 alle deutschen Musiker und 
. Musikfreunde auFgerufen hat. Dank der Unterstiitzung des Haupt* 
kulturamtes der Reichspropagandaleitung und der regen Mitarbeit 
aller beteiligten Dienststellen im Reich hatte dieser Appell den hoch* 
erfreulichen ErFolg, daB viele Tausende von Musikinstrumenten und 
riesige Mengen von Notenmaterial aller Art unser'en Soldaten an der 
Front und in den Lazaretten zur VerFugung gestellt werden konnten. 
Zahllose FeldpostbrieFe bezeugen, welche Freude und Begeisterung 
diese von alien Kreisen des Volkes dargebrachte Dankesspende bei den 
Empfangern hervorgerufen hat. Zu den weiteren Aufgaben der Ab* 
teilung gehort die im Einvernehmen mit dem Prasidenten der Reichs* 
kulturkammer erfolgende Erteilung von Auftrittsgenehmigungen, 
die alle beruflich ins Ausland reisenden Kammermitglieder einzuholen 
haben. Im verflossenen Jahre hat sich die schon vorher recht ansehn* 
liche Zahl dieser Falle wiederum vermehrt, ein Beweis dafiir, daB im 
Zuge der europaischen Neuordnung der zwischenstaatliche Kultur* 
austausch eine immer starkere Belebung erfahrt. Seit Kriegsbeginn ist 
der Kulturabteilung auch das Mob*Referat eingegliedert,' dem die 
Begutachtung aller der Kammer yorgelegten Gesuche um Unabkomm* 
lichstellung, Versetzung, Arbeits* und §tudienurlaub sowie Dienst* 
verpflichtungs* und oentpflichtungsantrage obliegt. Soweit esdiewehr* 
dienstlichen Erfordernisse erlauben, wird selbstverstandlich angestrebt, 
daB die im Ehrendienst der Nation stehenden Mitglieder die Verbinv 
dung mit ihrem Beruf und ihre spatere Wiedereinsatzfahigkeit riicht 
verlieren. SchlieBlich sei noch das gleichfalls zur Kulturabteilung ge* 
horige Presse* und Propagandareferat erwahnt, bei dem u. a. die Schrift* 
leitung der .„Amtlichen Mitteilungen der Reichsmusikkammer" liegt. 
Diese erscheinen zur Zeit altmpnatlich und enthalten auBer den An* 
ordnungen und Bekanntmachungen der Kammer selbst alle Fiir ihren 
GeschaFtsbereich wichtigen Erlasse und Verfugungen oberster Reichs* 
behorden, des Sondertreuhanders der Arbeit fur die kulturschaffenden 
Berufe und sonstiger Dienststellen. Grundlegende Anordnungen des 
Prasidenten werden gleichzeitig im Reichsanzeiger sowie im Volki* 

30 



schen Beobachter veroffentlicht. Den Mitgliedern werden sie ebenso 
wie alle iibrigen Verlautbarungen von allgemeinerer Bedeutung auBer* 
dem durch die Fachpresse bekanntgegeben. 

Die juristische Priifung und Formulierung nicht nur dieser Anord* 
nungen, sondern iiberhaupt sa.ttitlicb.er grundsatzlichen Entscheidun* 
gen der Kammer geht in der Rechtsabteilung vor sich. Hier wird 
einerseits die tagliche Arbeit der iibrigen Abteilungen und Fach* 
schaften nach der rechtlichen Seite hin unterbaut und anderersetts aus 
deren Ergebnissen der juristische Extrakt gezogen. So vollzieht sich 
mitten aus der Praxis heraus der Aufbau ernes neuen Musikrechts, 
dessen wichtigste Fundamente die Reichskulturkammergesetzgebung, 
dasGesetz iiber dasUrheberrecht anWerken derLiteratur undTonkunst 
sowie das Gesetz iiber die Vermittlung von Musikauffiihrungsrechten 
bilden. Durch Erstattung von Gutachten fur Gerichte, Behorden, die 
Akademie fiir Deutsches Recht und die Stagma tragt die Abteilung 
dazu bei, daB sich im. deutschen Musikleben eine einheitliche Recht; 
sprechung entwickelt. Neben allgemeinen verwaltungsrechtlichen Fra* 
- gen spielen hier die Urheberrechtsprobleme keine geringe Rolle, der 
Schwerpunkt liegt aber bei der arbeits* und sozialrechtlichen Betreu* 
iing der Mitglieder. Zur einschlagigen Beratung der nachschaffenden 
Musiker sind deshalb in den groBeren Landesleitungen der Kammer 
besondere R.echtsstellen eingerichtet worden, die in geeigneten Fallen 
auch ProzeBvertretungen iibernehmen. Zu den weniger beliebten, 
doch leider unerlaBlichen Aufgaben der Abteilung gehort schlieB? 
lich die Durchfiihrung von Ablehnungs*, AusschluB? und Ordnungs; 
strafverfahren. 

Unter deri rechtsschopferischen MaBnahmen des Berichtsjahres 
steht an allgemeiner Bedeutung die Anordnung iiber die Ausiibung 
einer nachschaffenden musikalischen Tatigkeit vom 2}. April 1942 
obenan. Sie bringt eine Reihe neuer Definitionen, die fiir das gesamte 
Berufsrecht grundtegend sind. So wird hier z. B. dasWesen der musi* 
kalischen Tatigkeit, unabhangig vori der Art ihrer Ausiibung, recht? 
lich klar umrissen, ebenso der Begriffdes nebenberuflichenMusizierens. 
Die zunachst vielleicht auffallig erscheinende begriffliche Unterschei? 
dung zwischen „Musikern im Hauptberuf " und „Berufsmusikern", 
die hier erstmalig durchgefiihrt wird, ist insofern praktisch bedeu* 
tungsvoll, als zur Fiihrung der letztgenannten Bezeichnung nur solche 
hauptberuflichen Musiker berechtigt sind, die eine ausreichende fach> 
liche Vorbildung und Befahigung nachweisen konnen. Nur fiir diese 
Gruppe von Kamrnermitgliedern gilt die wichtige Erleichterungsvor* 
schrift in der 2. Durchfuhrungsverordnung iiber die Beschrankung des 

31 



Arbeitsplatzwechsels vom 7. Marz 1941, wonach fur Berufsmusiker die 
Zustimmung des Arbeitsamtes zur Losung von Arbeitsverhaltnissen 
und zur Einstellung von Arbeitskraften nicht erforderlich ist. Neu ist 
auch die Bestimmung, daB Jugendliche unter 18 Jahren und Musik* 
studierende aller Altersstufen zur Ausiibung einer nachschaffenden 
musikalischen Tatigkeit einer besonderen Erlaubnis bedurfen. Ebenso 
gibt die Anordnung dem Prasidenten der Reichsmusikkammer die 
Moglichkeit, die Berechtigung zur nebenberuflichen Musikausiibung 
von der tatigen Mitgliedschaft in einer 'Laienmusikgemeinschaft ab* 
hangig zu machen, wenn ihm dies zur Wahrung musikalischer Belange 
angezeigt erscheint. Fur die landschaftlich gebundene Volksmusik* 
pflege wird sich diese Regelung in Zukunft ohne Zweifel segensreich 
auswirken. Im Zusammenhang hiermit soil nicht unerwahnt bleiben, 
daB die Anordnung auch die bisher vielfach umstrittene Frage der 
unentgeltlichen musikalischen Betatigung endgultig klarstellt. Ein 
anderer Fragenkomplex, der gleichfalls der Klarung bedurfte, namlich 
das auBerdienstliche Musizieren und Untef richten von Angehorigen , 
der Wehrmacht, der Waffen^J, der Ordnungspolizei und des RAD, 
konnte durch entsprechende Vereinbarungen mit den zustandigen 
Fiihrungsinstanzen in einer fur alle Teile befriedigenden Weise bet 
reinigt werden. Ein weiterer Fortschritt in der Reform des musikali* 
schen Erziehungswesens wurde durch den ErlaB uber die Aufnahme 
einer musikerzieherischen Tatigkeit vom ij. September 1942 erzielt, 
der den Zutritt zu diesem Beruf von der Erfiillung bestirhmter Be* 
dingungen abhangig macht. Auch die Voraussetzungen fiir die Zu* 
lassung zum Musikalienhandel sind durch einen besonderen ErlaB 
neu geregelt worden, der die kulturelle Verantwortung des Musikalien* 
handlers als Mittlers zwischen den Musikschaffenden einerseits und den 
Berufs* und Laienmusikern andererseits eindeutig betont. Die ver* 
schiedenen imBerichtsjahre herausgekommenenNeuerungen imTarif* 
ordnUngswesen und in der Frage der Gagengestaltung sollen an dieser 
Stelle nur kurz erwahnt werden, ebenso die gemeinsame Anordnung 
der Prasidenten der Reichstheaterkammer und der Reichsmusikkam* 
mer zur Erhaltung des Bestandes der Theater und Orchester vom 
1. Juni 1942, die sich als wirksamer Schutz gegen die friiher vorgekom* 
menen Abwerbungen erwiesen hat. Zur Abrundung des Bildes seien 
noch einige fiir die nachste Zeit geplante MaBnahmen angedeutet, mit 
deren Vorbereitung die Rechtsabteilung im letzten Abschnitt des Be* 
richtsjahres befaBt war. Es handelt sich zunachst um eine Anordnung, 
durch die alle nachschaffenden Musiker mit groBerem Nachdruck als 
bisher zur wahrheitsgemaBen Ausfiillung von Programmlisten und 

32 



deren Einreichung an die Stagma angehalten werden sollen, was sich 
als unbedingt notwendig erwiesen hat, urn die gesetzlich verbiirgten 
Anspriiche der Komponisten und Verieger sicherzustellen. Ferner ist 
beabsichtigt, auf Grund der in den letzten Jahren gemachteri Erfah* 
rungen das Auftreten auslandischer Musiker in Deutschland durch 
eine allgemeine Auslander*Anordnung neu zu regeln. Und schlieBlicb 
sollen in einer Anordnung zur Erhaltung der kulturellen und wirt* 
schaftlichen Leistungsfahigkeit des deutschen Musikverlages und Mu* 
sikalienhandels samtliche bis jetzt erlassenen musikverlegerischen und 
musikalienhandlerischen Rechtsvorschriften (mit Ausnahme der Ver> 
kaufsordnung fiir den deutschen Musikalienhandel) neu zusammens 
gefaBt und erganzt werden. 

Nach dieser Ubersicht iiber die Zentralverwaltung wenden wir uns 
nun der Fachverwaltung zu, welche die drei groBen Gruppen „Be« 
rufsmusiker", „Laienmusik" und „Musikwirtscbaft" umfaBt, 
Was die beiden letztgenannten betrifit, so sind ihre Aufgabengebiete 
dermaBen verschiedenartig und weit verzweigt, daB ihre Darstellung 
den hier zur Verfugung stehenden Raum sprengen wiirde. Sie mag 
deshalb einer spateren Gelegenheit vorbehalten bleiben. Im folgenden 
wollen wir uns auf diejenigen fiinf Fachschaften beschranken, in denen 
die eigentlichen Berufsmusiker zusammengeschlossen sind. Wahrend 
das Wirken der Zentralverwaltung, wie wir sahen, vorwiegend im 
Zeichen grundsatzlicher Fragen und Entscheidungen steht, liegt hier 
der natiirliche Schwerpunkt alles Handelns in der berufsstandischen 
Betreuung des einzelnen Mitgliedes. Es versteht sich darum von selbst, 
daB gerade in diesen Fachschaften die Umstellung des gesamten Arbeits* 
programms der Kammer auf die Kriegserfordernisse besonders sinn* 
fallig in Erscheinung tritt. 

So betrachtet es die Fachschaft Komponisten als ihre gegen* 
wartige Hauptaufgabe, das kompositorische Schaffen der im Felde 
stehenden Kameraden zu fordern. Sie bat zu diesem Zweck gleich zu 
Beginn des Krieges Sonderkonzerte mit Werken feldgrauer Kompo< 
nisten ins Leben gerufen. Der Gedanke wurde dann vom Rundfunk 
aufgegriffen, dessen unter diesem Motto stehende Sendungen, die so* 
wohl ernste wie unterhaltende Werke beriicksichtigen, langst zur stan* 
digen Einrichtung geworden sind. Aber auch in den Konzertsalen hat 
sich die Idee allenthalben durchgesetzt, und es gibt heute im ganzen 
Reich keine nennenswerteMusikstadt, die nicht entweder in besonderen 
Veranstaltungen oder zumindest im Rahmen der iiblichen Konzert* 
programme den Schopfungen unserer Feldgrauen eine wiirdige Pflege 
angedeihen laBt. In vielen Fallen hat die Fachschaft durch Verhand* 

3 .33 



ungen mit den Truppenteilen erwirken konnen, daB die Komponisten 
die Moglichkeit erhielten, an besonders wichtigen Auffuhrungen dieser 
Art personlich teilzunehmen oder sie sogar selbst zu leiten. Manches 
neueWerk hat von hier aus auch denWeg zum Verleger gefunden. 
Was diese Form der Betreuung den vielen Hunderten zum Wehrdienst 
einberufenen Komponisten innerlich bedeutet, laBt sich am besten en 
messen, wenn man daran denkt, wie sehr im vorigen Weltkrieg gerade 
die kiinstlerisch SchafFenden unter dem Gefuhl der seelischen Vereins 
samung und des Vergessenwerdens gelitten haben. Heute wissen sie, 
daB die Heimat an ihren Sorgen Anteil nimmt und ihr Berufsstahd sich 
nach Kraften um ihre Werke kiimmert. Auch in den Kammermusik* 
Veranstaltungen der Fachschaft Komponisten, die regelmaBig in der 
„Kameradschaft der deutschen Kiinstler" in Berlin stattfinden, wird 
dem soldatischen Schaffen der gebiihrende Platz eingeraumt. Insgesamt 
gelangten hier im Berichtsjahr in 10 Konzerten 96 neueWerke von 
33 Komponisten zur Auffiihrung. Bis zum SchluB der dieswinterlichen 
Spielzeit sind noch 6 Konzerte mit ungefahr 40 Werken vorgesehen. 
Diese Zifferri stellen aber nur einen geringen Bruchteil der Einsen* 
dungen dar, die der Kammer laufend zugehen, und zwar nicht nur 
von den Autoren selbst, sondern auch von den verschiederisten Dienst* 
stellen. Sie alle zu sichten und zu beurteilen ist die keineswegs leichte 
und nicht immer dankbare Aufgabe des Werkpriifungsausschusses der 
Fachschaft Komponisten, der im Berichtsjahr rund 950 Kompositionen 
samtlicher Werkgattungeri begutachtet hat, wobei die Einreic'hungen 
fiir die Konzerte feldgrauer Komponisten noch nicht einmal mitge* 
rechnet sind. Besonders schwer ist es natiirlich, fiir Werke, die an sich 
ernst zu nehmen sind, aber ausgesprochen problematischen Charakter 
tragen, Auffuhrungsrnoglichkeiten zu finden. Noch haufiger kommt 
es freilich vor, daB Arbeiten wegen mangelnder technischer und kunst* 
lerischer Reife zuriickgewiesen werden miissen. Gesondert sammelt und 
sichtet die Fachschaft unter dem Kennwort „Das Lied der Front" alle 
nachweislich im Felde entstandenen Liedkompositionen soldatischen 
Inhalts, von denen die besten nach dem Kriege in wiirdiger Form ver* 
oiFentlicht werden sollen. Viele Soldaten senden lediglich Gedichte 
mit der Bitte um Vertonung ein. Auch diese werden gepriift und, 
sofern sie sich zur musikalischen Behandlung eignen, die Namen und 
Anschriften ihrer Verfasser in den gedruckten Mitteilungen der Fach* 
schaft interessierten Komponisten bekanntgegeben. Um die materielle 
Fiirsorge, die den Mitgliedern zuteil wird, nicht unerwahnt zu lassen, 
sei schlieBlich noch auf die Versorgungsstiftung der deutschen Kompo* 
nisten hingewiesen, dereri Kuratorium iiberall da, wo durch Kriegsein* 

34 , 



wirkung eine wirtschaftliche Notlage entsteht, helfend eingreift. Audi 
im letzten Jahre konnten diejenigen Komponisten, die einen kriegs* 
bedingten Riickgang ihrer Einnahmen an Auffiihr ungsgebiihren bei 
der Stagma zu verzeichnen batten, wiederum mit ansehnl'ichen Auss- 
gleichsbeihilfen bedacht werden. 

Innerbalb der Fachschaft Solisten bat der Krieg insofern eben> 
falls ungewohnliche Verhaltnisse geschaffen, als der gewaltige, alle 
vergleichbaren Leistungen von 1914 bis 1918 in den Schatten stellende 
Ausbau der kulturellen Truppenbetreuung die Arbeitskraft der deut* 
scben Konzertsolisten in etnem MaBe beansprucht, wie es friiher nie* 
mand fur moglicb gehalten hatte. Man kann ohne Obertreibung sagen, 
daB heute nicbt nur jeder einigermaBen leistungsfabige Solist voll be* 
schafiigt, sondern iiberdies allenthalben ein fiihlbarer Mangel an 
kiinstlerischen Kraften eingetreten ist. Um dieser Entwicklung gegen* 
iiber die vordringlicben kulturellen , Bediirfnisse der Volksgemein* 
schaft sicherzustellen, hat der Generalbevollmachtigte fur den Arbeits* 
einsatz sicb zu einer einschneidenden Anordnung veranlaBt gesehen. 
Danacb konnen seit dern 1. September 1942 ausiibende Kiinstler fur 
die Reichskulturkammer oder eine mit kulturellen Betreuungsaufgaben 
befaBte Stelle in der Heimat oder im besetzten Gebiet kriegsdienst* 
verpflichtet werden, entweder fur einen bestimmten Zeitraum oder 
aucb fur unbegrenzte Zeit. Das Entgelt wird hierbei innerhalb eines 
angemessenen Rahmens vom Sondertreuhander der Arbeit fiir die 
kulturschaffenden Berufe festgesetzt. Fiir die Fachscbaft Solisten hat 
diese Entwicklung. der Dinge eine Fiille neuer Aufgaben. mit sich ge* 
bracht. Sie wird, obwohl sie aus guten Griinden keine eigene Vermitt* 
lungseinrichtung unterhalt, standig von vielen Seiten um Nacbweis und 
Begutachtung von Kiinstlern aller Art angegangen. So weit wie moglich 
stellt sie diese beratende Tatigkeit in den Dienst der Nacbwuchsforde* 
rung. Aber auch alteren Berufsangehorigen, die den AnschluB an die 
Praxis verloren hatten, konnte in zahlreichen Fallen geholfen werden. 
Die Notwendigkeit, Streitfalle zu schlichten, ergab sich besonders im 
Zusammenhang mit kriegsbedingten MaBnahmen, wie beispielsweise 
bei Absagen von Konzerten infolge von hoherer Gewalt oder von Vor> 
kommnissen, die der eine Vertragspartner im Gegensatz zum andern 
fiir hohere Gewalt ansah. Es ist die Aufgabe der Fachschaft, bei solchen 
Auseinandersetzungen vermittelnd und ausgleichend einzugreifen. 
Eine Berufsgruppe, die so viel unterwegs sein muB wie die konzer* 
tierenden Solisten, wird von den gegenwartigen Beschrankungen des 
Reiseverkehrs naturgemaB besonders stark betroffen. Ein erheblicher 
Teil des letztjahrigen Schriftverkehrs mit der Fachschaft bezog sich 

35 



deshalb auf die Ausstellung aller moglichen Bescheinigungen, anges 
fangen von der Berufskleidung bis zur Schlafwagen* und Hotelbenut* 
zung. Was den erstgenannten Punkt betrifft, so hat der President der 
Reichsmusikkammer durch Verfiigung vom 14. November 1941 aus* 
driicklich darauf hingewiesen, da8 bei der heutigen Materialknapp* 
heit eine weitgehende Vereinfachung der Konzertgarderobe angezeigt 
erscheint, zumindest iiberall da, wo es sich nicht um ganz besonders 
representative und festliche Veranstaltungen bandelt. SchlieBlich sei 
hier einer gemeinniitzigen Einrichtung gedacht, die der Fachschaft 
Solisten ihr Dasein verdankt und von ihr mit besonderem Eifer be* 
treut wird : der in verschiedenen groBeren Stadten seit Jahren durch* 
gefiibrten sogenannten „Konzerte junger Kiinstler". In Berlin, wo sie 
von der Kammer selbst gemeinsam mit dem Hauptkulturamt der 
Reichshauptstadt veranstaltet werden, linden jahrlich etwa 20 solcher 
Konzerte statt, in denen durchschnittlich jo bis 70 junge Begabungen 
der Oifentlichkeit vorgestellt werden; die hierfur erforderlichen Mittel 
stellt das Propaganda«Ministerium zur Verfiigung. Die bier Auftreten* 
den werden auf Grand einer Priifung von einem besonderen Fachaus* 
. schuB ausgewahlt, der zugleich auch die „Stunde der Musik" und die 
Berliner Konzertgemeinde hinsichtlicb der Heranziehung von Nach< 
wuchskiinstlern berat. Wer sich in diesen Konzerten bewahrt, bat die 
Moglicbkeit zu wiederboltem Auftreten sowohl in Berlin als auch in 
den entsprechenden Veranstaltungsreihen im Reich, die ihrerseits auf 
dem Austauschwege besonders erfolgreicbe eigene Krafte nach Berlin 
entsenden. Der Vollstandigkeit halber ist noch zu erwahnen, daB in 
dieser Fachschaft auch die Berufsinteressen der deutschen Kirchen* 
musiker vertreten werden. 

Fur die Fachschaft Orchester standen in der Berichtszeit zwei 
Probleme im Vordergrund : die Mitarbeit bei der Erhaltung der Spieb 
fahigkeit unserer Kulturorchester und beim Orchesteraufbau in den 
neuen West? und Ostgebieten. Der AuBenstehende macht sich kaum 
eine Vorstellung davon, wieviel Kleinarbeit geleistet werden rnuBte, 
damit noch jetzt, im vierten Kriegsjahre, rund 180 offentliche On 
chester in Deutschland ihre kiinstlerische Tatigkeit fortsetzen konnen. 
Da gait es, samtliche Unabkommlichstellungen in diesem Bereich nach 
der fachlichen Seite hin zu iiberpriifen, die Wehrbehorden bei den 
verschiedentlichen Auskammaktionen entsprechend zu beraten, zu 
zahllosen Antragen wegen Anwerbung auslandischer Orchestermusiker 
Stellung zu nehmen, Vertragsbrtiche zu verhiiten und schlieBlich seit 
der scbon oben erwahnten, gemeinsam mit der Reichstheaterkammer 
erlassenen Anordnung vom 1. Juni 1942 jeden einzelnen Stellenwechsel 

36 



i 



zu iiberwachen. In materieller Hinsicht kamen und kommen weiterhin 
dazu Dringlichkeitsbescheinigungen und sonstige Hilfe bei BeschaS 
fung von Musikinstrumenten und Instrumententeilen, z. B. Rohrholz, 
ganz abgesehen von den wiederholt beriihrten Berufskleidungssorgen. 
Auch amWiederaufbau einiger bombengeschadigter Orchesterinstitute 
war die Fachschaft mit Rat und Tat beteiligt. Die von ihr in die Wege 
geleitete Aktion „ Kapellmeister im Felde" bat manchem irn Front* 
einsatz stehenden Dirigenten die Moglichkeit verschafft, fur kurze Zeit 
die WalFe mit dem Taktstock zu vertauschen und in der Heimat Gast* 
konzerte mit nambaften Klangkorpern zu leiten. Dem Leiter der Fach? 
schaft ist aucb das neuerrichtete Sonderreferat zur Betreuung kriegs* 
versehrter Musiker iibertragen, das die Aufgabe hat, verwundete Be* 
rufskameraden fachlich und individuell zu beraten und sie bei der 
Erlangung geeigneter neuer Arbeitsplatze tatkraftig zu unterstiitzen. 
Es stent zu diesem Zweck mit dem Oberkommando der Wehrmacht, 
der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung, dem Arbeits* und 
Erziehungsministerium sowie . den Wehrkreisfursorge* und Versor* 
gungsstellen in standiger Verbindung. Trotz der kurzen Zeit seines 
Bestehens hat das Referat schon jetzt eine Reihe sehr erfreulicher An 
beitserfolge aufzuweisen, die das ihm von all diesen Instanzen und 
nicht zuletzt von den kriegsversehrten Kameraden selbst entgegen* 
gebrachte Vertrauen rechtfertigen. Neben alledem konnte die Fach* 
schaft ihre vielfaltigen Zivilaufgaben planmaBig weiterfordern. So 
wurden Musterdienstordnungen fiir Kulturorchester und Kurkapellen 
ausgearbeitet, Anregung zur verstarkten Pflege der zeitgenossischen 
Orcbestermusik und zur kiinstlerischen Reform der Kurkonzertpro* 
gramme gegeben und gemeinsam mit der Fachschaft Musikerziehung 
neue MaBnahmen zur Losung.des Nachwuchsproblems durchberaten. 
Das halbmonatlich erscheinende Mitteilungsblatt der Fachschaft unter* 
richtet ihre Mitglieder laufend iiber alle wichtigeren Vorgange sowie 
iiber die offenen Stellen, die dem der Fachschaft angeschlossenen 
„Orchesternachweis" gemeldet werden. 

Auf keinem musikalischen Berufsgebiet sind die Veranderungen, die 
der Krieg mit sich gebracht hat, wohl so deutlich fiir die gesamte 
OfFentlichkeit sichtbar geworden wie in der Unterhaltungsmusik. 
Hier hat im Laufe des letzten Jahres der Einsatz auslandischer Faeh* 
krafte eine zahlenmaBige Hohe erreicht, die jeden Vergleich mit 
friiheren Verhaltnissen unmoglich macht. Diese Entwicklung ist an 
sich als Zeiterscheinung unschwer zu begreifen, wenn man sich ver* 
gegenwartigt, da8 gerade an dem iiberwiegend von Mannern aus* 
geiibten Beruf des deutschen Unterhaltungsmusikers die wehrpflichti* 

37 



gen Jahrgange einen auBergewohnlich star ken Anteil haben. So kommt 
es, daB in seinen Reihen durch die Einberufungen besonders groBe 
Liicken entstanden sind, die nun eben fur die Dauer des Krieges durch 
ausliindische Arbeitskameraden ausgefiillt werden miissen. Fiir die 
Fachschaft Unter halt ungsmusik haben sich aus dieser Lage viele 
neue Probleme und praktische Aufgaben ergeben, auf deren niannig* 
fache Schwierigkeiten hier nicht naher eingegangen werden kann. Auf 
die in Vorbereitung befindliche AuslanderAnordnung, die dieses 
Sondergebiet der berufsstandischen Betreuung in zusammenfassender 
Weise regeln soil, wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Zu 
den kulturell wichtigsten Obliegenheiten der Fachschaft gehort es dar* 
iiber zu wachen, daB die Pflege der Unterhaltungsmusik im heutigen 
Deutschland von artfremden Auswiichsen und Zersetzungserschei* 
nungen rein erhalten bleibt. Die zum Schutz des nationalsozialistischen 
Kulturempfindens ergangenen Verbote der Darbietung unerwunschter 
Musik und des Singens in auslandischen Sprachen gelten selbstver? 
standlich fiir in* und auslandische Unterhaltungsmusiker gleicher* 
maBen. Grundlegende Bedeutung kommt in . dieser Beziehung den 
„Richtlinien iiber die Ausfuhrung von Unterhaltungsmusik" zu, die % 

unlangst der Generalsekretar der Reichskulturkammer im Einverneh* * 

men mit der Abteilung Musik des ReichsoPropagandaministeriums ^ 

und dem Prasidenten der Reichsmusikkammer erlassen hat. Was in den 
vorangehenden Abschnitten iiber kriegswirtschaftliche Bescheinigun* 
gen aller Art, Dienstverpflichtungen und dergleichen aus gefiihrt wurde, i 

hat sinngemaB auch fiir diese Fachschaft Geltung. Deshalb hier statt | 

weiterer Einzelheiten nur noch einige Zahlen aus der fnit ihr eng zu* j 

sammenarbeitenden Zentralstellenvermittlung fiir Unterhal* i 

tungskapellen. Diese hat in der Zeit vom i. Oktober 1941 bis 
}0. September 1942 nicht weniger als 2893 Kapellenleiter, darunter 
741 Auslander, mit insgesamt 12733 Musikern, davon 4249 auslandi* 
schen, vorwiegend fiir den Einsatz in Musikgaststatten, zum Teil aber 
auch in der Wehrmachtsbetreuung, vermittelt. Der hierdurch erzielte 
Gagenumsatz betrug im ganzen iiber 9 Millionen Reichsmark. Die 
Anfragen des Auslandes, die zum groBten Teile positiv erledigt werden 
konnten, kamen aus Schweden, Finnland, Norwegen, Danemark, Hoh 
land, Belgien, Frankreich,, Spanien und der Slowakei. 

Aus wohl erwogenen Griinden war die Kammerfuhrung darauf be* 
dacht, von der durch den Krieg verursachten Verkleinerung des 
Organisationsapparates die Fachschaft Musikerziehung soweit 
wie irgend moglich auszunehmen, wenngleich auch hier personelle 
Einschrankungen unvermeidlich waren. SchlieBlich ist es ja die „pada* 

38 



1 



i 



gogische Provinz", in der sich der kiinftige Leistungsstand aller musi* 
kalischen Berufszweige und damit die Weiterentwicklung unserer 
Musikkultur iiberhaupt entscheidet. Unter diesem Gesichtspunkt muB- 
es yerstanden werden, daB die Fachschaft die berufliche.Fortbildung 
ihrer Mitglieder nach wie vor als ihre Hauptaufgabe ansieht. An 
den 200 Schulungslagern und Schulungswochen, die sie bis jetzt 
durchgefiihrt hat, haben insgesamt 9454 Musikerzieher teilgenommen, 
das ist rund ein Drittel der in der Fachschaft zusammengeschlossenen 
Berufsangehorigen. Daneben wurden in den groBeren Stadten auch 
im vergangeneri Jahre wieder laufende Fortbildungskurse abgehalten. 
Genau so planmaBig konnten in alien Gauen des Reiches die standigen 
Musikerzieher; und ChorleitenPriifungen fortgesetzt werden, die dazu 
dienen, das fur die Zulassung zum Beruf erforderliche Mindestkonnen 
der Bewerber festzustellen. Der hier als oberste Instanz fungierende 
ReichsprufungsausschuB der Fachschaft ist im August 1942 zu seiner 
400. Sitzung zusammengetreten, wobei darauf hingewiesen wurde, 
daB von ihm bereits 3^29 Priifungsfalle bearbeitet worden sind, von 
denen J7 v. H. positiv entschieden werden konnten. Im Laufe des Be* 
richtsjahres sind die Priifungen auf folgende Gebiete ausgedehnt 
worden: ElsaB, Lothringen, Luxemburg, Warthegau und Bohmeiv 
Mahren. 

Der zweite groBe Aufgabenkreis der Fachschaft liegt in der Be< 
treuung der deutschen Hausmusikpflege. Auf diesem Kerngebiet 
unserer musikalischen Volkskultur ist im Berichtsabschnitt eine weitere 
hochst erfreuliche Aufwartsentwicklung eingetreten, woran die der 
Fachschaft angeschlossene Arbeitsgemeinschaft fur Hausmusik, die alle 
einschlagigen Verbande erfaBt, keinen geringen Anteil hat. Der „Tag 
der deutschen Hausmusik", der als umfassende Leistungsschau aller 
hausmusikalischen Krafte alljahrlich im November stattfindet, stand 
1 94 1 im Zeichen Mozarts und fand in einer groBen Veranstaltungs; 
reihe in Salzburg seinen offiziellen Hohepunkt. Soweit sie von der 
Statistik erfaBt werden konnten, sind an diesem Tage im GroBdeut* 
schen Reich nicht weniger als 8739 Hausmusikveranstaltungen gezahlt 
worden. Der 10. Hausmusiktag im Jahre 1942 hat einen noch starkeren 
Widerhall in der gesamten musikalischen Offentlichkeit ausgelost. Er 
war hauptsachlich demWerk des unsterb lichen Thomaskantofs ge< 
widmet und erlebte dementsprechend in der Bachstadt Leipzig seine 
reprasentativste Gestaltung. Wie alljahrlich, so wurden auch diesmal 
am Hausmusiktag Musikliebhaber, die sich um die Pflege des haus* 
lichen Musizierens besonders verdient gemacht haben, durch eine 
Ehrengabe des Prasidenten der Reichsmusikkammer ausgezeichnet. 

39 






Zu samtlichen Veranstaltungen sind wiederum verwundete Soldaten 
als Gaste eingeladen, auBerdem in Lazaretten selbstandige Hausmusik* 
stunden abgehalten worden, deren Zahl sich 1941 auf 433 belief. In 
diesem Zusammenhang soil rticht unerwahnt bleiben, daB zahlreiche 
Hausmusikgruppen von Mitgliedern der Fachschaft Musikerziehung 
sich standig fiir die Truppenbetreuung zur Verfiigung stellen. 

SchlieBlich noch ein Wort iiber das Blindenkonzertamt, das 
als Sondereinrichtung der Reichsmusikkammer die iiber 1000 blinden „ 

Berufskameraden aller Sparten (mit Ausnahme der Orchesterberufe, > 

in denen Blinde sich naturgemaB nicht betatigen konnen) in sozialer 
und kultureller Hinsicht einheitlich betreut. Es beaufsichtigt auch die 
Blindenkonzerte, die auf gesetzlicher Grundlage als genehmigungs* 
pflichtige Veranstaltungen durchgefiihrt und zu denen nur musikalisch 
voll leistungsfahige blinde Kiinstler zugelassen werden. 

Damit ware der Uberblick iiber die standische Selbstverwaltung der 
deutschen Berufsmusiker im wesentlichen abgeschlossen. Zur Ver* 
vollstandigung unserer Cbronik miissen jedoch noch einige Ereignisse — 
des Jahresfestgehalten werden, die fiir die Kammer insgesamt von 
groBer Bedeutung waren. Hier gilt es zunachst des watirhaft unersetz< 
lichen Verlustes zu gedenken, den die Fachschaft Musikverleger und^ 
mit ihr die ganze deutsche Musikwelt durch das plotzliche Hinscheiden 
ihres stellvertretenden Leiters Dr. Robert Ries erlitten hat. Mit ihm 
ist ein Mann dahingegangen, der sich in ebenso uneigenniitziger wie 
aufopfernder Weise zeitlebens fiir seinen Berufsstand eingesetzt und 
dariiber hinaus die allgemeinen Belange unseres Musiklebens durch 
viele wertvolle Ideen und Ratschlage gefordert hat. So geht unter 
anderem die Einfiihrung des „Tages der deutschen Hausmusik" auf 
seine personliche Anregung zuriick. Auch der Deutsche Sangerbund, 
der Fachverband der Kammer fiir das gesamte Mannerchorwesen, 
hatte einen empfindlichen Verlust zu beklagen, indem sein langjahrk 
ger Bundesfiihrer, Oberbiirgermeister Albert Meister, ein alter Vor* 
kampfer der natiohalsozialistischen Bewegung, durch den Tod abbe* 
rufen wurde. Im Nachbarbereich der zweiten groBen Chororganisation, 
des Reichsverbandes der gemischten Chore Deutschlands, ist dagegen 
ein ebenso erfreuliches wie kulturpolitisch bedeutsames Ereignis zu 
verzeichnen: die vom Reichsminister fiir Volksaufklarung und Propa* 
ganda verfiigte Obernahme des beriihmten Kittelschen Chores in 
Berlin in die Obhut des Reiches, unter gleichzeitiger Verleihung des 
ehrenvollen Namens „Deutscher Philharinonischer Chor". Auch das 
als „Hesses Musiker<Kalender" seit iiber sechs Jahrzehnten bekannte, 
alljahrlich erscheinende Nachschlagewerk des Berufsstandes hat im 

40 



Berichtsjahre eine Namensanderung erfahren, in der sich sinnbildlich 
seine Entwicklung von einer rein privaten zur oiFentlichen Einrichtung 
ausdriickt. Unter der neuen, seiner tatsachlichen Bedeutung entspre* 
chenden Bezeichnung „Deutscher Musiker* (Calender" wird es fortan, 
im gleichen Verlage wie bisher, im unmittelbaren Auftrage der Reichs* 
musikkammer herausgegeben. 

Der Zeitabschnitt, dem die vorstehende Darstellung gait, wurde 
durch einen festlichen Tag gekront, an dem alle deutschen Musiker 
und Musikfreunde mit dem Herzen beteiligt waren. Gemeint ist der 
27. November 1942, an dem Peter Raabe, der President der ReicEs* 
musikkammer, seinen 70. Geburtstag begehen konnte 1 . Generalinten* 
dant Dr. Drewes uberbrachte mit herzlichenWorten imNamen des 
Reichsministers Dr. Goebbels die vom Fiihrer auf seinen Antrag an 
Peter Raabe verliehene Goethemedaille und ein kostbares" Kunst* 
werk. Da auch mehrere andere Reichsminister, an ihrer Spitze der 
Reichsmarschall, ihm ebenfalls aufs herzlichste gratulierten, und er 
endlich von den verschiedensten Dienststellen, kulturellen Organisa* 
tionen und Privatpersonen buchstablich mit tausendfachen Gliick* 
wiinschen und Ehrungen iiberhauft wurde, so bat die Kammer alien 
Grund, die stolze Erinnerung hieran in ihren Annalen festzuhalten - 
im BewuBtsein der immerwahrenden eigenen Dankesschuld gegen den 
Mann, der nunmehr seit iiber sieben Jahren ihre Geschicke lenkt. 

1 Eine ausfiihrliche Wiirdigung des Lebens und Wirkens Peter Raabes ist fur den 
2 . Jahrgang dieses Jahrbuches vorgesehen. Der Herausgeber. 



41 



Eberhard von Waltershausen 



Die Mufikorbeit lies fiauptkulturomtea tier ISSSaiP 



Beethoven auBerte sich einmal in dem Sinne, daB „Religion und 
GeneralbaB" zwei Dinge seien, iiber die sich nicht streiten lieBe. 
Geben wir seinen Worten eine etwas weiter gefaBte und zeitnahere 
Bedeutung, ersetzen wir sie durch „ Weltanschauung und Musik", so 
stoBen wir unmittelbar auf ein zeitgemaBes Kulturproblem inmitten 
, des schweren Ringens um unser volkisches Dasein. Wie der heutige 
Kampf letzten Endes nicht nur um Gebietsveranderungen, sondern 
vor allem auch um kulturelle Giiter geht, so konnen wir bei seiner 
Durchfuhrung nicht auf die geistigen und seelischen Krafte unseres 
Volkes verzichten. Wenn wir die Kultur inmitten der Harten des 
totalen Krieges schiitzen wollen, so miissen wir sie zur Abwehr stark 
machen. Hieraus.ergibt sich zwangslaufig die Notwendigkeit, gleich* 
laufendm.it der Erfassung aller anderen fiir die Festigung des Volks* 
turns unentbehrlichen Belange auch kulturelle Krafte zu einheitlicher 
Zielsetzung zusammenzufuhren. Es ist zwar eine alte Erfahrung, daB 
der wahrhaft groBe Kunstler sich seine Formen und Regeln selber 
schafFt, wie er sich die zur Vollendung seiner Meisterwerke unerlaB* 
lichen Beschrankungen aus eigenem Ermessen auferlegt. Deshalb be* 
faBt sich der Kulturpolitiker auch weniger rriit ihm : der geniale 
Mensch wachst allein nach seinen Gesetzen, Wir leben in einer Zeit 
des Oberganges. Auf alien Gebieten der Kunst begegnen wir einem 
Tasten und Suchen nach neuen Formen und einem dem Erleben 
unserer Tage entsprechenden Ausdruck. Die Zahl der Musikausuben* 
den und der schaffenden Kunstler ist von Jahr zu Jahr angewachsen, 
ohne daB hierdurch eine besondere qualitative Bereicher'ung unseres 
Musiklebens entstanden ware. In der Erkenntnis, daB unsere Musik* 
arbeit ohne einheitliche Zielstrebigkeit und sichere Fiihrung sich 
leicht in unkontrollierbaren Einzelheiten verlieren wiirde, muBte von 
seiten verantwortlicher Stellen mit einer gewissen Oberwachung auch 
eine aufbauende, regelnde Tatigkeit einsetzen, um dort, wo es nottat, 
in die Bresche zu springen, wo es angangig war, den Grundlagen fiir 
neue Entwicklungsmoglichkeiten nachzuspuren und ihnen einen festen 
Rahmen fiir kiinftiges Wachstum zu sichern. So bezog sich die Musik* 

42 



aribeit des Hauptkulturamtes im vergangenen Jahre in gleicher Weise 
auf kiinstlerische wie organisatorische Belange. 

Es ist selbstverstandlich, da8 eine Musik, die iiber den Begriff des 
„Modernen" hinaus dauernde Werte offenbaren will, im Empfinden 
eines Volkes verwurzelt sein muB. Anzunehmen, daB diese Voraus« 
setzungen fur die heutige Instrumental und Chormusik bei uns ohne 
weiteres ausnahmslos gegeben seien, ist mindestens als ein Wagnis zu 
bezeichnen. Erkennen laBt sick jedoch ein starker Widerhall, der das 
Neuerstehen des deutschen Volksliedes begleitet. Aus diesem Grunde 
waren kiinstlerische Bestreburigen des Hauptkulturamtes im vergange* 
nen Jahre vor allem dem deutschen Liede gewidmet. Es wurde ein 
erster groBer Versuch unternommen, Ergebnisse jahrelanger Arbeit 
der breitesten Offentlichkeit unmittelbar zuganglich zu machen. Auf 
der einen Seite wurde aus dem in letzter Zeit entstandenen Liedgut 
der Bewegung eine Anzahl „Kernlieder" ausgewahlt und zum Teil 
als Pflichtlieder bestimmt, deren Erarbeitung und vollstandige Be* 
herrschung von alien Nationalsozialisten gefordert werden muB. Auf 
der anderen Seite war man bestrebt, aus der Masse dessen, was eine 
Zeit kiinstlerischen Verfalls kritiklos in sich aufgenommen hatte, das 
echte deutsche Volkslied wieder herauszuschalen und in weiteste Kreise 
zu tragen. Beide Bestrebungen fanden ihren auBeren Ausdruck in der 
mit der 2. ReichsstraBensammlung am 24. und 2j. Oktober 1942 ver? 
bundenen Liedwerbung, die trotz einiger kriegsbedingter Unvoll* 
kommenheiten in ihrer Auswirkung als ein Erfolg anzusehen ist. Lied« 
Aktionen dieser und ahnlicher Art sind fiir die Folge in regelmaBigen 
Zeitabstanden vorgesehen. Hierdurch soil das Volkssingen auf natiir* 
;, lichemWege in Form eines lebendigen Brauchtums erbliihen. Aus 
ihm wird dann auch unsere Chor* und Instrumentalmusik neue An; 
regung und Nahrung schopfen, fret von allem auBeren Zwang, in 
ungehinderter groBziigiger Entwicklung. So greift die Liedarbeit aufs 
engste in ein anderes Gebiet iiber, auf dem sich in Zukunft allgemein 
kulturelle Ereignisse groBten AusmaBes abspielen werden : die Musik 
zur Feiergestaltung. Das Amt Musik hat durch laufende Mitarbeit in 
der „Neuen Gemeinschaft" praktische Programmvorschlage fiir die 
musikalische Feiergestaltung gebracht. Eigene Feierstunden des Haupt* 
kulturamtes gaben Gelegenheit, die Bewahrung dieser Arbeit zur Dis* 
kussion zu stellen. Im iibrigen beteiligte sich das Amt Miisik an der 
Herausgabe der Zeitschrift „Musik in Jugend und Volk", die durch 
diese enge Bindung auch Organ des Hauptkulturamtes wurde. 

Im Einvernehmen mit dem Reichsministerium fiir Volksaufklarung 
und Propaganda wurden in alien Gauen auch „Volkskonzerte der 

43 



NSDAP" ( „Beschwingte Musik") empfohlen, denen eine national* 
sozialistischer Kulturauffassung angemesssne Programmgestaltungzu* 
grunde liegen soil. Andere Vorschlage zu einheitlicher Ausrichtung 
volkstiimlicher Konzerte, insbesondere auch fur den Rundfunk, sind 
in Vorbereitung. 

Auf organisatorischem Gebiete sind einige wichtige MaBnahmen als 
abgeschlossen zu bezeichnen, andere sind nodi in Bearbeitung. So 
wurde gemeinsam mit der Reichsmusikkammer eine Neuregelung fiir 
nebenberufliches Musizieren festgelegt. Hierzu gehort weiterhin auch 
die Dienstbefreiung von Angehorigen der Musik* und Singgemein* 
scbaften zwecks Ausiibung ihrer kulturellen Betatigung. Zur wirt* 
schaftlichen Stiitzung und Belebung des Musikschaffens wurde in Zu* 
sammenarbeit mit der STAGMA die „Nationalsozialistische Wertung" 
fiir Musikwerke eingefiihrt, die auf Grund ihrer kiinstlerischen Hal* 
tung sich fiir den Einsatz in der nationalsozialistischen Feiergestaltung 
eignen. 

Auf dem Gebiete des Parteimusikwesens wurden Verhandlungen mit 
der PartebKanzlei und,dem Organisationsamt gefiihrt. Als eine der be* 
deutungsvollsten Neugestaltungen im Parteimusikwesen ist das „Natio* 
nalsozialistische Volkskulturwerk" anzusehen. Durch seine Aktivierung 
wird das gesamte Volks* und Chormusikwesen vor neue Aufgaben ge* 
stellt werden. Hier wird sich das anfangs aufgezeigte Ziel, Ausrichtung, 
Oberwachung, Lenkung und Belebung des deutschen Musiklebens im 
Rahmen der Kulturarbeit der NSDAP in praktischer Gestaltung ver* 
wirklichen. 



44 



Walter Lott 

laeuerfcJjeittungeit son Betieuiung 

Die Musikalien*Produktion 
in der Zeit vom Oktobef 1941 bis September 1942 



Einen nicht geringen Anteil an den Musikalien<Neuerscheinungen 
nehmen Ausgaben alter Musik ein. Besonders auf dem Gebiete der 
Laienmusik ist dieses zu verfolgen. So segensreich auf der einen Seite 
die Ausgrabungeh alter Musik sind, so darf auf der anderen Seite nicht 
(ibersehen werden, daB diese Vorliebe fur die Musik der Vergangen* 
heit die Gefahr in sich birgt, daB breite Kreise unseres Volkes immer 
mehr dem zeitgenossischen Schaffen entfremdet werden und sich nicht 
mehr um die Musik unserer Zeit kiimmern. Da es dem Verfasser in 
erster Linie darauf ankommt, einen uberblick iiber das zeitgenossische 
Schaffen zu geben, so bleiben im Rahmen dieser Abhandlung die Neu* 
erscheinungen alter Musik im groBen Ganzeh unberiicksichtigt. Wen 
aber die Ausgaben alter Musik besonders interessieren, der sei auf 
das „Verzeichnis der Neudrucke alter Musik" verwiesen, das als Veri> 
offentlichung des Staatlichen Institutes fur deutsche Musikforschung 
alljahrlich erscheint. 

In der InstrumentabMusik halt das Ringen um Neues an. Das zeigen 
die verhaltnismaBig vielen symphonischen Werke, die im Laufe des 
vergangenen Jahres erschienen sind. Wenn man diej\nschauung ver* 
treten hort, daB nach den Kompositionen Beethoyens, Brahms' und 
Bruckners Neues in dieser Form nicht mehr gesagt werden konne, so 
scheinen unsere Komponisten mit Recht darin anderer Meinung zu 
sein, wie die zahlreichen Neuerscheinungen belegen. 

An symphonischen Werken veroiFentlichte HansBullerian als 
op. 78 seine 7. Symphonie in D«dur, der Leipziger Joh. Nep. David 
als opi 28 seine 3. Symphonie, johann Engeimann als op. 43 eine 
Zarathustra«Symphonie, Harald Genzmer eine „Symphonische Mu* 
sik", Paul Graener als op. no eine Wiener Symphonie, H. Menrich 
als op. 43 „Innsbruck", symphonische Musik um ein Volkslied, Karl 
Schafer als op. 49 eine Symphonie in C^dur und Fried Walter eine 
„Kleine Symphonie" in B^dur. 

In den Formen der Ouvertiire, der Suite und des Divertimento vew 
standen unsere Altvordern eine Sprache zu sprechen, die nicht nur 
den ernsten Musiker, sondern weiteste Kreise der Musikliebhaber ent* 

45 



flammte. Erinnert sei an die Meister des 1 8. Jahrhunderts bis zu Brahms, 
Suppe und Thuille. Besonders macht sich heute das Fehlen von Kom> 
ponisten geltend, die eine echte volkstiimliche Musik zu schreiben ver* 
stehen. Einem Meister wie Suppe z. B. konnen wir zur Zeit niemanden 
entgegenstellen. 

Friedrich Bayer schrieb eine Erntefest>Ouverture. Der volkstiim* 
liche RioGebhardt komponierte eine Ouvertiire, die er „Fulero" 
nennt. Der Danziger Johannes Hannemann laBt eine Barocke Fest* 
Ouvertiire erscheinen, Albert Jung als op. a ein symphonisches Vor* 
spiel mit dem Titel „Weckruf", Alois Melichar eine LustspiebOuver* 
tiire, Friedrich Si ebert ein „Heldisches Vorspiel", Ermanno Wolf* 
Ferrari die Ouvertiire „Die neugierigen Frauen", der Balte Kurt 
v. Wolfurt als dp. 30 ein „ Vorspiel zu einer Komodie" und Mark 
Lothar bearbeitete die Ouvertiire zur komischen Oper „DieWelt 
auf dem Monde" von Joseph Haydn. 

Auch eine Anzahl SuitensWerke sind zu nennen: F. Wolfgang B uh* 
lau schrieb eine Suite D*dur. Johann Nepomuk David veroffentlichte 
als op. 27 die Partita Nr. 2, der Frankfurter Kurt Hessenberg als 
op. 20 eine Suite zu Shakespeares Zauber*Lustspiel „Der Sturm". Eine 
Suite schrieb auch Fritz Ihlau. Unter dem Titel „Landliche Bilder" 
veroffentlichte H. Liebert ein Suitenwerk. Mark Lothar schrieb als 
op. 37 eine „Spanische LustspiebSuite", Max Seeboth eine „Sympho* 
nische Suite" und der Schlesier Gerhard Strecke veroffentlichte seine 
2. Orchester *Suite. 

Divertimenti liegen vor von dem Konigsberger OttoBesch, von 
Max Seeboth und von Altmeister Richard StrauB, der als op. 86 ein 
neues „Divertimento. Klavierstiicke von Francois Gouperin fur kleines 
Orchester bearbeitet" erscheinen laBt. 

An Orchesterwerken sind weiter zu nennen : Spitzweg*Bilder, die wir 
Erich Anders (Freiherr Wolf v. Gudenberg) verdanken. Von dem 
gleichen Komponisten erschien als op. 6} ein Concertino in d'moll. 
Albert Bastian veroffentlichte eine Burleske, Willy Bur khard als 
op. 57 einen Hymnus, Hans Chemin'Petit eine „Festliche Musik 
(Ricercare mit dem Choral ,Lobe den Herren')", zu der auch eine Ein; 
fiihrung angeboten wird, Gerhard Hiittig eine Musik fur Orchester, 
Joseph Ingenbrand einen „Bolero sinfonico", Max Seeboth „Toc* 
cata, Adagio und Fuge", Jean Sibelius als op. 87 Nr.i Humoreske 
Nr. 1, und von Richard StrauB erschien als op. 84 die Festmusik zur 
Feier des 26oojahrigen Bestehens des Kaisefreiches Japan. Als Bearbei* 
ter ist Alois Melichar zu nennen, der die OrgebToccata d*moll von 
J oh. Seb. Bach instrumentierte. 

46 • 



Fur reines Streichorchester werden folgende Werke angezeigt: 
3 Stiicke fiir Streichorchester, Harfe und verschiedene Holzblaser von 
dem volkstiimlichen Komponisten Ernst Fischer : a) , ; Idyll" mit Engl. 
Horn, b) „Reigen" mit Klarinette, c) „Scherzo" mit Flote, von Karl 
Marx, der jetzt in Graz wirkt, eine „Musik fur Streichorchester nach 
alpenlandischen Volksliedern", von KarlSchafer eine Musik fiir 
Streichorchester und von G. A. Schlemm eine Konzertante Musik 
fur Violine und Violoncello mit Streichorchester. 

An Bearbeitungen liegen vor die „Kunst der Fuge" von Joh. Seb. 
Bach fur Streichquartett oder Streichorchester, eingerichtet von 
R. Klemm und C.Weymar. Eine Toccata von Czerny bearbeitete 
der Wiener Schonherr fur 2 Streichkorper. 

In den letzten Jahren wurde der Blasmusik in Deutschland beson; 
dere Aufmerksamkeit geschenkt. Man erkannte, daB vor allem die 
Blaskapellen berufen sind> Instrumentalmusik in weite Volkskreise zu 
tragen. Bis vor wenigen Jahren bestand die Literatur fiir Blasorchester 
fast ausschlieBlich aus Bearbeitungen. Zugleich mit dem. Ausbau der 
Blasorchester bis zum Blas*Symphonie<Orchester (Luftwaffenorchester) 
ging man daran, eine eigene Literatur fiir dieses Gebiet zu schaffen. 
Besondere Verdienste erwarb sich das Luftwaffenministerium mit sen 
nen Beratern Professor Husadel und Oberstleutnant Winter. Das Heer 
(Ernst Lothar v. Knorr) und der Reichsverband fiir Volksmusik (Erwin 
Fischer) verfolgen das gleiche Ziel. Kompositionsauftrage wurden ver* 
geben und eine Arbeit geleistet, die der Muhe gelohnt hat. Heute 
schon liegt ein guter Fundus originaler Blasmusiken vor. Der Erfolg 
und die Aufgabe hat Komponisten von Ruf angeregt fiir Blasorchester 
zu schreiben, und so finden wir auch in diesem Jahre wieder eine 
Anzahl bedeutungsvoller Neuerscheinungen. 

Alfred v. Beckerath laBt eine Symphonie fiir Blasmusik erschei* 
nen,- Arnold E be 1 eine heitere Ouvertiire „Vorspiel zu einem Fest", 
Hermann Grab ner sogar ein Concerto grpsso fur Blasorchester 
(op. J7), Karl Marx steuert eine Turmmusik fiir } Trompeten und 
3 Pos.aunen (op . 37 Nr . 1 ) bei, Richard S c h 6 n i a n schrieb eine indische 
Suite, die er „Brahma" betitelt. Als op. 8j komponierte Bruno Stein 
eine Symphonie ,,Bergwelt". Fried Walter, der durch den Erfolg 
seiner Oper „Konigin Elisabeth" bekanntgewordene junge Komponist, 
veroffentlichte eine reizende „Kleine Suite fiir Blaser und Pauken", 
der Freiburger E. L. Wittmer ein Rondo. AuBerdem ist noch die 
Bearbeitung der Toccata und Fuge in d'moll von Johann Sebastian 
Bach fiir Luftwaffenorchester von L. Stiel zu nennen. 

Bei den Werken fiir Blaser und Streieher,.allein, Klavier zu 2 oder 

47 



4Handen, sowie Klavier mit anderen Instrumenten zeigt sich der 
anfangs schon geauBerte EinfluB der alten Musik. Auf diesen der Haus* 
musik eigenen Gebieten ist der Zugang an neuen Werken, wie in 
alien letzten Jahren, gering. Vielleicht tritt in diesem Kriegsjahre noch 
verscharfend hinzu, daB der Verlag mit neuen hausmusikalischenWer* 
ken zuriickhalt, da diese im allgemeinen viel Papier beanspruchen. 
Fur Blaser allein ist nur eine VerofFentlichung Gustav Bumckes zu 
nennen: op. 70 Tonleiter*Studien fur Saxophon. Etwas besser ist es 
mit der Literatur fiir Streichinstrumente bestellt. Fiir Violine allein 
liegt eine einzige Sonate von Henk B a d i n g s vor. Fiir Cello erschienen 
zwei Studienwerke : Paul Griimmer, „Die Grundlagen der klassischen 
und virtuosen Technik auf dem Violoncello", und Walter Schulz, 
„Grifftechnische Studien fiir fortgeschrittene Cellisten". Fiir Violine 
und Orchester erschien ein Capriccio von Gustav Adolf Schle mm, 
und fiir Cello ein Konzert von Karl Holler (op. 26). In diesem Zu* 
sammenhang ist eine bedeutsame Neuerscheinung zu erwahnen: 
Johann Sebastian Bach, Sechs Suiten fiir Violoncello^Solo. Analyse, 
Fingersatz und Bogenstriche von dem italienischen Cellisten Enrico 
Mainardi, mit einem (mehrsprachigen) Vorwort von Thomaskantor 
Giinther Ramin. - Trios komponierten Werner Eginhard Kohler, 
„Streichtrio" fiir Violine, Viola und Violoncello, Walter Kolneder, 
„Kleine Hochzeitsmusik nach alten alpenlandischen Spielstiicken" fiir 
2 Violinen und Violoncello undHerbertMarx, „Spielbuch fur i-^Vio« 
linen". Ferner erschien eine Sammlung „Der Geigenchor" fiir 3 Vio? 
linen, herausgegeben und bearbeitet von Willy Schneider. - Streichs 
quartette kamen heraus vonWilhelm Kienzl op. 113 E*dur, von dem 
Dresdner Joseph Lederer op. 33 Streichquartett Nr. 2 d*moll und ein 
bedeutsames Werk von Hans Pfitzner, Quartett e^moll op. jo. 

Starker sind die Bemiihungen anerkannter zeitgendssischer Kompo* 
nisten, Werke fiir Klavier zu 2 Handen zu schafFen. Boris B lac her 
schrieb als op. 14 zwei Sonatinen, Helmut Degen eine Spielmusik 
fiir Klavier und eine Suite, Hugo Distler „n kleine Klavierstiicke fiir 
die Jugend". Der Padagoge Martin Frey verofFentlichte „Im Flug", 
melodische Etiiden fiir den ersten Klavierunterricht, und ferner „Ein 
lustiger Wegweiser am Klavier". Der Staatspreistrager KurtHessen* 
berg legt als op.i 2 ,,7 kleine Klavierstiicke" vor. Ein neuer Kompo* 
nistenname fallt auf: HeleneHeydt, von der „Neun kleine Varia* 
tionen iiber .Hanschen klein'" und „Neun kleirte Vortragsetiiden iiber 
„0 du lieber Augustin" arigezeigt werden. ZeitgemaB gibt sich Max 
Jobst mit seinen drei Klavierstiicken op. 30, die er „Inter arma" be? 
titelt. Der Miinchner Carl Orff ve*roffentlichte zusammen mit Luber 

48 s 



„Musik der Landschaft", Album von Liedern und Tanzen. Siegfried 
Reda schrieb eine Sonate, G. A. Schlemm ,,3 Klavierstiicke". Eine 
praktische Klavierschule verfaBte Paul Scheme, „Die Klavierschule 
des denkenden und mitschaffenden Kindes". Franz Teuffel legt ein 
Ubungswerk vor fur fortgeschrittene Klavierspieler „Zum Einspielen". 
- Zu 4 Handen ist nur das „Erste Spielbuch" von Harald Genzmer 
zu melden und eine Obertragung von Pfitzners Sympbonie op. 46 
fur Klavier zu 4 Handen oder fiir 2 Pianoforte zu 4 Handen. Eine 
Sammlung leichter Klavierstiicke Zu 4 Handen „Primo und Secondo" 
verdanken wir Kurt Herrmann. Klavierkonzerte scbufen Dinu Lis 
patti, op. 3 „Concertino im klassischen Stil" fiir Klavier und kleines 
Orcb ester, Walter Niemann, op. 1 j} Konzert fiir Pianoforte und 
Streichorchester, und Kurt Rasch, op. }0 Concertino fiir Klavier und 
Orcbester. C. Bittner gab ein Klavierkonzert des Italieners Giordani 
fiir Klavier und Streichorchester heraus. - Kompositionen fur Klavier 
und Violine liegen vor von Karl Bleyle op. j6 „Sonate e*moH", von 
GustavHavemann „Allegretto scherzoso" und von Wilhelm Furts 
wangler „Sonate Dsdur". Als op. 23 schrieb Kurt Hessenberg eine 
Sonate fiir Cello und Klavier. Der: Alemanne Julius We ismann vers 
offentlichte soeben als op. 72 eine Sonate dsmoll fiir Klarinette und 
Pianoforte und als op. 13/ eine Sonate g*moll fiir Flote und Pianoforte. 
Pauljuon verdanken wir „Trio*Miniaturen" fiir Klarinette, Violons 
cello und Klavier und Hans GeorgBurghardt als op. 42 eine Trios 
sonate fiir 2 Blockfloten und Klavier. Joh. Nep. David gab eine Ubers 
tragung der Fantasie fsmoll von Job. Ludw, Krebs heraus fiir Oboe 
und Orgel (2 man. Cemb. m. Pedal) oder Pianoforte (Cemb. ohne 
Pedal), Pianoforte (Cemb.). Sonstige Klaviertrios oder Klavierquars 
tette usw. sind nicht erschienen. 

GroBes Interesse ist fiir Orgelmusik vorhanden. Die zeitgenossischen 
Komponisten haben in den letzten Jahren allerhand wichtige Werke 
herausgestellt, und auch in diesem Jahre sind erfreulicherweise wieder 
mehrere Veroffentlichungen anzuzeigen. Heinrich Fleischer lieB 73 
leichte Choralvorspiele alter und neuer Meister erscheinen. Der junge 
Westfale Friedrich Hark verofientlichte ein „Chemnitzer Orgelbuch' , 
der Wiener Wilhelm J erger eine Chaconne, Hermann Keller „Die 
Kunst des Orgelspiels", Karl Lampart als op. j6 „Feierklange", 12 
festliche Orgelpraludien (kath.), Siegfried Reda Choralvorspiele, der 
Dresdner Fritz Reuter „Toccata und Fuge in F". Neuausgaben ers 
schienen von Vincent Liibeck, „Orgelwerke", von Claudio Merulo 
„Canzonen", von Samuel Scheidt das „Gorlitzer Tabulaturbuch vom 
Jahre 163-0", das auch fiir Harmonium spielbar ist, und Max Seiffert 

4 • 49 



gab „ 1 3 Fantasien a }" des alten Danziger Meisters Paul Siefert heraus. 
Fur Harfe und Orgel schrieb R. E. Z in gel eine Legende, fur Streich* 
orchester und Orgel Karl Kraft ein „Concerto breve Nr.i a*moll". 

Der groBten Beliebtheit unter den Volksmusikinstrumenten erfreuen 
sich die Balginstrumente, an erster Stelle das Akkordepn, dann Har* 
monika, Bandonion und Konzertina. In der Akkordeon* undHarmo* 
nikaliteratur vor allem bemiiht sich das HohnenWerk in Trossingen 
mit Erfolg, gesundeWerke zu schaffen. Es hat zur Ausbildung von 
Akkordeonlehrern und *schiilern ein Seminar ins Leben gerufen und 
als geistigen Betreuer den Komponisten Hugo Herrmann gewonnen. 
Mit Leidenschaft arbeitet Herrmann an seiner Aufgabe und versteht 
es, namhafte Komponisten fur das Akkordeon zu begeistern. Seinen 
Anregungen verdanken wir einmal wertvolle Kompositionen fiir Balg* 
instrumente und zum anderen auch Bearbeitungen geeigneter klassi* 
scher Werke. Genannt seien: Hugo Herrmann „StraBburger Turm« 
musik", Hans Lang „Bauernhochzeit in den Bergen" und eine „Bay« 
rische Tanzmusik", Gerhard Maasz „Niederdeutsche Abendmusik" 
und Hermann Zilcher op. 49 „Variationen iiber ein Thema von 
Mozart". Von Bearbeitungen alterer Musik sind zu nennen „Dank* 
bare Weisen" von Franz Schubert. 

Geringer ist seit Jahren schon das Interesse fiir Zupfinstrumente. Fiir 
die immer wenig bedachte Harfe sind aber in diesem Jahre einige Ver* 
ofEentlichungen zu melden. Fiir Jugendkreise vor allem sind sogenannte 
„Spielmusiken" gedacht, Werke, bei denen die Stimmparte nachBelie* 
ben von gerade zur Verfiigung stehenden Instrumenten iibernommen 
werden konnen. Auch in diesem Jahre liegen wieder solche Werke aus 
der Feder anerkannter Musiker vor. Fiir Laute und Gitarre erschienen 
Lehrwerke: von W. Gerwig „Das Spiel der Lauteninstrumente" und 
Schaller*Scheit „Lehrwerk fiir die Gitarre". „Freundliche Abend* 
musik" nennt Josef Lee hthaler sein Trio fiir Flote (Viol.), Klarinette 
in A (Viol.) und Gitarre (Klav. oder Cemb, mit Gambe oder Violon< 
cello). An Kompositionen fiir Harfe sindanzufuhren: Ernst Schliepe 
op. 2 j Variationen und Fuge iiber ein altes Lied „In stiller Nacht", 
sowie R. E. Zingel „Eine kleine Serenade" und ein „Phantastischer 
Tanz". 

Wir kommen jetzt zur Vokalmusik. Soweit dabei die Ghormusik in 
Betracht kommt, ist es, von Ausnahmen abgesehen, nattirlich nicht 
moglich, die vielen kleinen Einzelerscheinungen zu nennen. Es liegen 
aber eine ganze Anzahl gewichtiger Werke vor. Richten wir unser 
Augenmerk zuerst auf die geistliche Vokalmusik. Hier sind zu nennen 
2 gemischte Chore von Hugo D istler op. 9 Nr. 1 2 „Fiirwahr, er trug 

50 



unsere Krankheit" und op. 12 Nr. 8 „Das ist je gewiBlich wahr". Karl 
Kraft steuerte als op. 74 eine Missa dominicalis fur vereinigte Ober* 
und Unterstimmen oder 2 Fraueiw (oder Manner*) Stimmen und Orgel 
bei. Von Franz Philipp erschienen als op. 48 Weihnachtsgesange fur 
gemischten Chor unter dem Titel „Als Herre Christ geboren ward", 
und Heinz Schubert schrieb eine 8stimmige Motette „Alles ist ver* 
ganglich". Von Werken fiir eine Singstimme mit Begleitung seien get 
nannt von Karl Kraft op. 76 „Von der Verganglichkeit", kleines 
Triptychon fiir Alt und Orgel auf Texte von Ulrich v. Singenberg, 
und von Hans Friedrich Micheelsen ein geistliches Konzert „Was 
betriibst du dich, meineSeele" fur Alt oder BaB mit Violihe und Orgel. 

Eine Reihe wertvoller weltlicher Werke erschienen fiir gemischten 
Chor a cappella. Zunachst sei ein neues Chorbuch von Walter Rein 
„Das klingende Jahr" angefuhrt, ferner erschienen a*cappella«Kompo« 
sitionen von Ernst Pepping „Lob der Trane" oder „DerWelten 
Lauf ", Deutsche Bankellieder fiir 4stimmigen gemischten Chpr, vofao. 
gleichen Komponisten auch der mit groBem Erfolg aufgefiihrte Liedew 
kreis „Der Wagen" nach Gedichten von Joseph Weinheber. Zu nennen 
ist weiter Heinz Tiessen mit einem gemischten Chor auf einenSpruch 
„Zukunft" (op. 47 Nr. 3). 

Auffallend groB ist die Anzahl wertvoller weltlicher Werke fiir ge* 
mischten Chor mit Orchester. Von Fritz B iicht ger erschien eine Kan< 
tate fiir Bariton, gemischten Chor und Orchester auf Texte von Ste* 
phan George unter dem Titel „Flamme", von dem im Osten gefallenen 
begabten Helmut Brautigam die Langemarck«Kantate „Die Briefe 
der Gefallenen", von Willy Burkh^rd ein Oratorium „Das Jahr" 
(op. 62), von Helmut Degen eine Kantate „Wenn der Bauer Hoch* 
zeit macht", von Hermann Grab ner ein abendfullendes Oratorium 
„Das Lied vomWalde" auf Texte von Max Barthel, von KurtHes* 
sen berg als pp. 22 „Fiedellieder", eine Kantate nachWorten von 
Theodor Storm, von Otto Jochum als op. 78 eine Mozart*Suite, hei> 
tere Gesange nach Mozartschen Kanons fiir gemischte Stimmen mit 
Klavierbegleitung. Hans Pfitzner komponierte zum Lobe Karlsbads 
den Kolbenheyerschen Hymnus „Fons salutifer" (op. x 48), H. F. 
Schaub ein deutsches Tedeum. Von Bruno Stiirmer, der in diesem 
Jahre seinen jo. Geburtstag feierte, erschienen 2 Hymnen op. 1 1 J 
„Deutschlands Hocherbliihn" und op. 1 16 „Die Stunde schlagt". Von 
Kurt Thomas liegen 3 neue Werke vor, op. 38 „Lob der Musik", 
op. 39 „Waidlied" und op. 40 Drei Chore nach Worten von Wolfram 
Brockmeier. Ein groBesChorwerk„Helden" (op. 6i ) aufDichtungenvon 
H. Schwarz und Rudolf G. Binding veroffentlichte Hermann Wunsch. 

> 51 



Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Mannerchorliteratur sind 
wahrend der Kriegsjahre geringer geworden. Wahrend es den gemisch* 
ten Choren noch teilweise moglich ist, trotz Reduzierung der Manner* 
stimmen zu singen, sind die Mannerchore durch Einziehungen ihrer 
Sanger zurWehrmacht starker gehemmt. Dementsprechend gehen 
auch die Erscheinungen fiir dieses Chorgebiet im Kriege zurtick. Wei* 
chen Wert man aber auch im Heere dem Gesang beilegt, zeigt neben 
der Veroffentlichung von besonderen Chorliederreihen fiir die Solda* 
ten die Veroffentlichung eines Chorliederbuches fur dieWehrmacht 
durch Fritz Stein und Ernst Lothar v. Knorr. Auch Hans Pfitzner 
hat mit seinem op. 49 einen Beitrag zur Mannerchorliteratur geliefert; 
als Nr. 1 erschien ein a*cappella*Chor „Wir gehn dahin" und als Nr. 2 
„Das SchiiFlein" fiir Mannerchor mit Sopran, Flote und Horn. Man* 
nerchorwerke mit Orchester verofientlichten Ottmar Gerster „Han* 
seatenfahrt" und Hermann Grabner op. jjb „Schwertspruch" <mit 
Blasorchester). Sehr gering sind die Neuerscheinungen der Frauen* 
chorliteratur. Erwahnung verdienen ein neues Chorbuch fiir Madchen*, 
Frauen* und Knabenstimmen von Erika Steinbach und ein entziik* 
kender kleiner Satz von Max Geb hard „Gesegn dich Laub" mit 
oblig. Engl. Horn oder Klarinette in A. Hier diirfte auch Ernst Pep* 
pings 2sttmmiges Spandauer Chorbuch Erwahnung linden. 

Ausgezeichnete Veroffentlichungen werden fiir Schulmusik ange* 
boten. Eine groBe Anzahl von neuen Schulliederbuchem wird an* 
gezeigt, und Waldemar Klink, der Niirnberger Singschuldirektor, 
setzt mit Gliick seine Sammlung „Junggesang" fort. Darin bringt er 
unter anderem neu „Lustige Tierlieder" von Helmut Brautigam, 
„Alemannische Schelmenliedchen" von Karl Marx und eine lustige 
Kantate „Ich bin Soldat, vallera!" mit kleinem Orchester von Her* 
mann Grabner. Auch von anderer Seite werden Beitrage beigesteuert, 
so von Cesar B res gen eine frohliche Kantate zum Lobe des Hand* 
werks fiir 2 stimmigen Chor, Sprecher und Instrumente mit dem Titel 
„Schneidri, schneidra, schneidrum", von Hermann Fuchs eine Apfel* 
Kantate, von Karl Pfister als op. j6 „Die Sonne scheint", Kinderverse 
von Fr. Volklein fiir 2 Singstimmen und Klavier, von dem Berliner 
Hermann Simon „6 Feiertagschore" auf Worte von MaxBarthel fiir 
3-4stimmigen, unbegleiteten Jugendchor. Nicht vergessen seien die 
zahlreichen Musikblatter und Singblatter, sowie Liederbiicher mit 
Melodien und Texten fiir Formationen usw. 

Auffallig bemerkbar machen sich die vielen Neuerscheinungen fiir 
eine Singstimme mit Klavier. DaB zahllose Wiener Lieder die Hausse 
des Vorjahres fortsetzen, ist bei der Beliebtheit dieser Gattung zu ver* 



52 



stehen. Oberraschend fur den Eingeweihten aber ist das Erscheinen 
sonstiger Lieder, die bei dem geringen Interesse der Sanger und sin* 
genjien Laien fur neue Musik ein groBes Risiko fiir den Verlag dar* 
stellen. Es kamen heraus von Walther Abendroth als op. 12 „Fiinf 
Lieder", von Willy Czer nik, dem Dresdner Staatskapellmeister, } bra* 
vourose Lieder, von Arnold Ebel als op. 47 ein Zyklus „Lieder der 
Zeit", von Gerhard Frommel „Amorosissima" fiir eine hohe Sing* 
stimme, von Karl Gerstberger als op. 26 Fiinf Lieder fiir eine mitt* 
lere Stimme und Klavier, von Walter Jentsch als op, 24 Sechs Lieder 
fiir eine hohe Stimme, von Altmeister Paul J u o n als op. 99 Drei Lieder 
fiir mittlere Stimme, von MarkLothar als op. 39 Zwei Lieder des 
Mephisto, von Alois Melichar Drei Lieder, von Roderich v. Mojsi* 
so vies als op. 95 Lieder nach Gedichten yon Rudolf Kundigraber, von 
Karl Pfister als op. jj „Die Wiesebliiht" nach Gedichten von Fr.Volk* 
lein, von Hugo Rasch als op. 24 Drei Lieder nach Gedichten von 
A. StraBmaier, von Hannes Ruch Sieben Soldatenlieder nach Texten 
von Ludwig Thoma unter dem Titel „Auf Posten stand ein junges 
Blut..." (auch mit Akkordeonbegleitung), von Hermann Simon 
„Kommt ein Kindlein auf die Welt", ein Liederkreis fiir eine lyrische 
Frauenstimme auf Gedichte von Ruth Schaumann, von Karl Winkler 
als op. 4j Sechs Friihlingslieder auf Goethe/Texte und von Karl Au* 
gustWeismann „Fiinf Lieder fiir eine Singstimme mit Pianoforte". 
Auch fiir eine Singstimme mit Orchesterbegleitung sind einige Werke 
angezeigt, so von Erich Anders die „Suite altitalienischer Arien" in 
neuer Fassung fiir hohe Stimme und kleines Orchester, von H. E. 
Apostel als op. 9 Fiinf Gesange auf Texte von Holderlin fiir tiefe 
Stimme, von Hans Chemin*Petit eine Kammerkantate „An die 
Liebe" fiir Sopran und kleines Orchester, von Heinz Schubert „Vom 
Unendlichen" fiir Sopran und Orchester, von Gerhart v. Wester* 
man als op. 12 Rezitativ und Arie fiir Sopran auf Texte von Regina 
Ullmann. 

Von Biihnenwerken wurden Klavierausziige zu folgenden Opern 
gedruckt: zur Oper „Steuben" von Hans Bullerian, zum „Colum* 
bus" von Werner Egk, zur Volksoper „Antje" von Herb. Trantow 
und zii „Das konigliche Opfer" von Georg Vollerthun. 

Auf dem Gebiete der unterhaltenden Biihrienmusik, der Operette, 
des musikalischen Lustspiels und der Revue zeigen sich immer rioch 
nicht die Musiker, die imstande sind, das groBe Erbe der Wiener und 
Berliner Operette anzutreten. Im 19. Jahrhundert und noch zu Anfang 
des 20. Jahrhunderts waren deutsche Musiker in der ganzen Welt 
fiihrend. Deutsche Unterhaltungskomponisten mit kiinstlerischem 

53 



Niveau versorgten In* undAusland mitTanzen, Liedern undMarschen. 
Erinnert sei an die Namen StrauB, Lanner, Ziehrer, Millocker, Lehar, 
Lincke und Kollo, urn nur einige Namen zu nennen. Deutsche Unter* 
haltungsmusik war ein wertvoller, devisenbringender Ausfuhrartikel. 
Was denTanzangeht.so haben uns nach dem erstenWeltkriege Ameri* 
kaner und Englander das Wasser abgegraben. Alles Donnern gegen 
den Jazz wird ihm nichts anhaben konnen. Gefahf droht ihm allein 
von Musikern mit genialen Einfallen. Solche Kerle kann man aber 
nicbt erreden, sie sind entweder da, oder sie fehlen. 

DaB wir zu Bearbeitungen alter Operettenwerke unsere Zuflucht 
nehmen miissen, zeugt von unserer augenblicklichen Schwache. Kla* 
vierausziige erschienen zu folgenden Operetten: „Die Frau ohne Stah:> 
desamt" von A. Brandmayer, zu >,Veilchenredoute" von Karl 
Cerne, zu „Gottin der Liebe" von Drdla und zu „Die Fliegerin" 
von A. Vetterling, Karl Millockers „Husarenstreiche" kamen in 
einer textlichen Neufassung von H. Rainer und musikalischen Bearbei* 
tung von R. Kattnigg heraus. Als einziges Ballett wurde das „Ernte> 
fest" von Friedrich Bayer gedruckt. 

Im AnschluB daran seien noch zwei VeroiFentlichungen von Volks* 
tanzen genannt, und zwar die „Niederhessischen Volkstanze", heraus* 
gegeben von Hans von der Au, und das „Rosentor" von Walther 
Pudelko. 

Unsere Betrachtung sei abgeschlossen mit der Bekanntgabe der 
wissenschaftlicheri VeroiFentlichungen des Staatlichen Institutes fiir 
deutsche Musikforschung, das im verflossenen Kriegsjahre wieder 
drei Bande vorlegen konnte, und zwar erschienen in der Ausgabe 
„Das Erbe deutscher Musik", Reichsdenkmale, als Band XIV „Deut* 
sche Blasermusik vom Barock bis zur Klassik", herausgegeben von 
Helmut Schul'tz, als Band XVII Johann Jakob Walther, „Scherzi 
da Violino solo con il basso continuo 1676", herausgegeben von 
G. Beckmann, und als Band XVIII Carl Philipp Emanuel B ach, „Vier 
Orchestersinfonien mit 1 2 obligaten Stimmen, dem Prinzen Friedrich i 
Wilhelm von PreuBen gewidmet", herausgegeben von Rud. Steglich. 



54 



Generalmajor Paul Winter 

Mufikpflege in tier tFeljrmac&t 



Weil die Musik, die elementarste der Kiinste, eine geheimnisvolle 
Macht iiber das menschliche Herz in sich birgt, hat man zu alien 
Zeiten sich bemiiht, ihre starkende, befliigelnde Kraft der Seele deS 
Kriegers teilhaftig werden zu lassen. 

Unsere Kriegswehrmacht, in der die Waffentrager der Nation ver/ 
einigt stehen, kampft heute' urn Dasein, Lebensraum und Zukunft 
des deutschen Vblkes und Europas. Sie ist ein „Volk inWaffen", ist 
Verkorperung aller leiblichen und seelischen Krafte dieses Volkes, 
seiner Glaubigkeit und Sehnsiichte, seiner Freuden und Sorgen. Sie 
ist wie ein Sammelbecken, in das alle Einzelleben miinden, um als 
machtiger, gelenkter Strom kriegerischer Kraft daraus loszubrecheny 
ist wie ein Schmelztiegel, in dem alle Seelen zusammengegliiht werden 
zu Schwert und Schild, ist wie die ragende Eiche, die ihreWurzeln 
und Aste weitverzweigt ins Erdreich und in die Liifte ausstreckt, um 
alle lebendigen Safte und Krafte einzusaugen, die - in Wind und 
Wetter gehartet - sich ihren Raum an der Sonne erstreitet. 

Es gehort zur Eigenart des deutschen Menschen: gerade in Zeiten 
der Not regt sich in ihm machtig die Sehnsucht nach dem Kraft« 
quell des Musischen. Zu solcher Zeit wachst ihm aus dem wunder* 
sam vielgestaltigen Kulturboden seines Volkstums alles entgegen, des* 
sen er bedarf. In diesem Bediirfnis spiegelt die Kriegswehrmacht heute 
das Fuhlen des ganzen Volkes wieder. Dabei ist weniger von Bedeu* 
tung, was dem Einzelnen als Wunschbild vorschwebt, vielmehr die 
Tatsache, daB die Gesamtheit dieses Bedtirfnis nach dem Hoheren, 
dem Schonen, nach der Kunst — vornehmlich der in Rhythmus und 
Melodie klingenden - im Herzen tragt. 

Diesem Bediirfnis der Gesamtheit trachtet die Musikpflege in der 
Wehrmacht ebenso gerecht zu werden, wie deh militarischen Erforder^ 
nissen. Allerdings erweist sich auch hier der Krieg als ein unerbitt* 
licher Richter iiber die letzten Werte menschlichen Seins und Tuns. 
In der steten Bereitschaft zur Hingabe seines Lebens wird der Mensch 
im tieferen Sinne sehend. Auf dem Hintergrund des Kampfes auf 
Leben und Tod zeichnet sich ihm das Echte, Schone; deutlicher ab 

55 



als im Gewirr des Alltags. Im BewuBtsein der Gefahr und im Angesicht 
des Todes wird er erst die Fiille und "SiiBigkeit des Lebens gewahr 
und kostet sie — oft schon brechenden Auges — im Innersten seines 
Fiihlens wie nie zuvor. Dieses neue, vertiefte Erlebnis des Wertes und 
Sinnes seines Lebens starkt den Menschen, macht ihh gewillt und 
fahig, es im erbarmungslosen Kampf der Gewalten bis zuna Letzten 
zu verteidigen, einzusetzen und auch zu opfern fiir den hoheren 
Zweck der Gemeinschaft, in dem das Einzeldasein erst Berechtigung 
und Weihe erhalt. In diesem auBersten Einsatz des Lebens — ob im 
Kampf yon Mann gegen Mann, ob im Kampf gegen Gefahr zu Lande, 
zu Wasser oder in der Luft, 'gegen Wunden oder Krankheit - rnann* 
haft stark zu bleiben noch im letzten Atemzuge: dafauf will 
unsere ganze soldatische Erziehung vorbereiten; und dazu leistet auch 
die Musikpflege in der Wehrmacht ihren Beitrag. 

In diesem Gedanken stellt die Wehrmacht die Pflege des Soldaten* 
liedes an ersteSte/ie. Das Lied ist zu alien Zeiten „der gute Kamerad" 
des deutschen Soldaten gewesen. In all den Einsamkeiten auf verlasse* 
nem Posten ist es ihm oft der einzige treue Begleiter geblieben, der ihm 
iiber schwere Stunden hinweg geholfen hat. Es ist oft gerade das stillste 
Heimatlied, das wieder stark macht . AufMarsch und See fahrt, am Lager* 
feuer, in Bunker, Quartier und Kaserne bleibt das Singen der leben* 
digste Ausdruck der Soldatenkameradschaft. Zur Forderung dieses 
Singens ist derTruppe in zahlreichen Soldatenliederbiichern das 
alte und neue Volks* und Soldatenlied, nach den verschiedenartigen 
Wiinschen gesammelt, gesichtet und aufgebaut, vermittelt worden. 
Durch den Einsatz vonSingeleitern, die in eigenen Lehrgangen fort* 
laufend fiir diese Tatigkeit ausgebildet werden, hat das praktische 
Singen und das instrumentale Musizieren in den Truppeneinheiten 
einenAufschwung wie nie zuvor genommen. NeueLieder sind in groBer 
Anzahl im Entstehen. Was davon bleibt, wird erst eine spatere Zeit ent* 
scheiden. Bei vielen liegt der Wert nicht so sehr in der Melodie oder im 
Wort, als im Gemeinschafts* erlebnis einer Waffentat oder Waffen* 
gattung : es ist das Lied der Masehinengewehrkompanie, der Panzerjager, 
das U*Boot*Lied, das Lied der Jagdflieger, der Fallschirmschutzen, auf 
das jeder nach seiner Zugehorigkeit wie auf seine Waife stolz ist. 

Die Pflege der Marschmusik hat ihren Schwerpunkt bei den 
Truppenteilen der Ersatzwehrmacht, denn die Zeiten, da man mit 
klingendem Spiel zum Sturm antrat, sind endgultig vorbei. Die 
Musikkorps der Fronttruppe sind vielfach mit derWafFe oder als 
Hilfskrankentrager in oft verlustreichem Einsatz tatig und stehen nur 
in Ruhezeiten fiir ihre musikalische Aufgabe zur Verfiigung. 

56 



Aueh der konzertanten Blasmusik bringt die Wehrmacht er; 
hohtes Interesse entgegen. Durch Wettbewerbe und Auftrage for* 
dert sie die {Composition originaler Blasmusik. Besonderen Anreiz 
bietet hierbei offenbar das erweiterte Instrumentarium der Luftwaffen* 
musik (Einfiihrung des Saxophons, hoher und tiefer Klarinetten und 
Posaunen). ' 

Im Zusammenwirken von Soldatenchoren und Blasorchester formt 
sich ein neuer Stil der Feiergestaltung. Die Chore der Singeleiter 
der Wehrmacht baben sich hierfiir in zahlreichen Veranstaltungen in 
den besetzten Gebieten eingesetzt. Hier sei auch die Betatigung der 
Musikkorps der Wehrmacht und der Waffen^ zur Betreuung der 
Lazarette, der Riistungsbetriebe und im Rahmen desWinterhilfswerkes 
erwahnt. 

Bei den Veranstaltungen der Truppenbetreuung im Kriegs* und 
Heimatgebiet ist der Musik ein groBer Raum gewahrt. Sanger und 
Instrumentalisten, Kammermusikvereinigungen, Orchester undOpern* 
biihnen des Reiches (im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht 
durch „Kraft durch Freude" eingesetzt) vermitteln - keine Aristren* 
gung und Gefahr scheuend - unseren Soldaten von Murmansk bis 
Afrika, von der Atlantikkiiste bis tief in den Osten, in Stunden der 
Entspannung und der Sammlung den ganzen Reichtum der Musik. 
Entscheidend sindhier nicht dieklingendenNamen der ausfuhrenden 
Kiinstler, die sich erfreulich zahlreich in den Dienst der Sache stellen, 
entscheidend ist allein das kulturelle Gesamtergebnis : Unzahlige 
deutsche Soldaten aus alien Berufs* und Bildungsschichten gewinnen 
auf diese Weise eine erstmalige oder eine neue Beziehung zu dem 
edelsten Kulturgut der Musik. Der Kontakt zwischen Horer und 
Kiinstler ist fern der Heimat enger, riamentlich wenn ein verbin* 
dendes Wort die Briicke' zum Kunstwerk schlagt. Im behelfsmaBig 
hergerichteten Raum, auf entlegener Insel oder an Bord eines Schiffes 
lauscht man gesammelter als im konventionellen Konzertsaal. 

Aus dem vertiefenden Erlebnis des Kampfes, in dem er als mitver; 
antwortliches Glied wirkt, empfindet gerade der einfache, unverbildete 
Mann ohne viele Worte, daB auch die Musik unserer groBen Meister 
aus einem Ringen mit dem Schicksal hervorgegangen ist, selbst da, wo 
sie lachelnd und unbeschwert scheint 1 . Der Zucht, Lebendigkeit und 
Klarheit etwa der Brandenburgischen Konzerte Bachs fuhlt er sich 
innerlich zugehorig, da er aus ihnen den soldatischen Geist des 
groBen Konigs in gleicher Weise hort, wie er ihn im eigenen militari* 

1 So lautet Michelangelos Inschrift unter einer Skulptur: ,,und niemand weifi, 
wieviel es B}ut gekostet!" 

57 



schen Tageswerk standig erlebt. Er ist aufgeschlossen fiir dasWerk 
Beethovens, da er in ihm den Mann ahnt, der „dem Schicksal in den 
Racheri greift", so wie es von ihm selbst taglich gefordert wird; denn 
er spurt an sich selber: „Dem Mann muG Musik Feuer aus dem 
Geiste schlagen!" (Beethoven). Staunend und begliickt nimmt er die 
ewig jungen Melodien Mozarts auf, vielleicht erstmals ahnend, daB 
„das zwecklos Schone" die hochste Stufe aller Kunst ist und daB 
„die Unergriindlichkeit im Lacheln sich verbirgt". 

DaB auch die leichte Unterhaltungsmusik zur Erheiterung und 
zum Ausspannen geniigend zuWorte kommt, sei nicht vergessen. In 
dieser Richtung bewegen sich die vielseitigen Bemiihungen des 
Reichsrund funks. Mit zahlreichen Sonderprogrammen vom Hei« 
teren bis zum Ernsten erfiillt er dem Soldaten alle nur denkbaren 
Wunsche und dient so mittelbar der Musikpflege in der Wehn 
macht. In seinen ziindenden Kampfliedern, die zu den Sondermeb 
dungen wie der Schlachtruf des ganzen Volkes erklingeri, hat gerade 
der Rundfunk die Musik wie nie zuvor in eine unmittelbare Beziehung 
zu den Kampfereignissen der Front gebracht. 

SchlieBlich sei noch der reichen Schallplattenspenden gedacht, 
die dem Soldaten Musik zu jeder Zeit und nach eigenerWahl er> 
moglichen, 

Wie Deutschland das am meisten musikliebende und musikschop£> 
rische Land der Erde genannt werden muB, so nimmt auch in seiner 
Wehrmacht die Liebe zur Musik und ihre Pflege einen Platz ein, wie 
ihn andere Volker nicht kennen. Der deutsche Soldat weiB, daB er 
.rait seinem Lebenseinsatz nicht nur fiir die Erhaltung seines Vater* 
landes, sondern auch fiir den Bestand der deutschen Musik eintritt. 



58 



Gotthold Frotscher 



£itlet-3ugent> mufijiert 



Im Leben der Hitlerjugend nimmt die Musik ihren festen Platz 
ein. Ob auf dem Marsche, beim Heimabend oder bei der Feier, 
immer und uberall wird gesungen und musiziert. Dieses Musizieren 
vermag die Einzelnen schneller zur Gemeinschaft. zu formen, als das 
durch das gesprochene Wort allein moglich sein wiirde; denn Musik 
ist unmittelbarster Ausdruck des gemeinsamen Erlebens, sie wendet 
sich an alle Glieder einer lebendigen Gemeinschaft. 

So bedingt die Musikarbeit der Hitler<Jugend zunachst eine Breiten* 
arbeit. Jedem Jungen und jedem Madel wird im Dienste ein Schatz 
von alten und neuen Liedern mitgegeben, die ihnen Besitz fiirs Leben 
werden sollen. Die Reichsjugendfiihruhg hat von Anfang an darauf 
gesehen, dafi das Singen in den Einheiten gepflegt und iiberwacht 
und daB wertbestandiges Liedgut dargereicht wird. Im Mittelpunkte 
der Liedarbeit stehen die i.Liederblatter der Hitler Jugend", die auch 
wahrend des Krieges zweimonatlich in einer Auflage von iiber 
i oo ooo Stiick erscheinen. Als Sonderausgabe konnten im Sommer 
1942 zwolf sechzehnseitige „Liederblatter fiir Jungmadel" heraus* 
gegeben werden, die fiir die in die Formation hineiriwachsenden 
Madel vor allem das Spiel*, Tanz* und Tierlied bereitstellen. GewiB 
wurde die Liedpflege und auch die unerlaBliche Stimmpflege dadurch 
erschwert, daB so gut wie alle alteren Fiihrer unter den Waffen stehen. 
Hier sind indes, soweit es moglich war, die Madel eingetreten und 
haben die Aufgaben ihrer Kameraden zusatzlich mit ubernommen. 

Neben der Breitenarbeit ist aber auch eine Tiefenarbeit erforderlich. 
Es wird verlangt, daB alle musikalisch befahigten und musikbegeister* 
ten Jungen und Madel ihre Anlagen entwickeln und ihr Konnen im 
Dienste der Formation auswirken. Fiir die Ausbildung musikalisch 
Begabter hat die Reichsjugendfiihrung in Zusammenarbeit mit den 
Gemeinden oder als eigene Einrichtungen der Hitlerjugend Jugend* 
musikschulen ins Leben gerufen, aus denen der Nachwuchs fiir die 
Spieleinheiten der Hitler <Jugend hervorgeht, die nach und nach in 
alien Bannen gebildet werden, Das vergangene Jahr ermoglithte eine 
Neuorganisatipn und wirtschaftliche Sicherstellung dieser Musikein* 
heiten. Die Spielgefolgschaften, ^fahnlein und ^gruppen bauen die 

59 



Musik in den Dienstplan ein; sie musizieren zur eigenen Freude, 
fur den Kreis der Kameraden oder auch bei Veranstaltungen der 
NSDAP und in der groBeren Offentlichkeit, sei es bei Heimabenden, 
Lebensfeiem, Kundgebungen oder im Rundfunk. Ihren besonderen 
Einsatz fanden sie mit Fahrten in die neuen Gebiete und zu unseren 
Soldaten in den besetzten Landern. Hunderte von Spielscharen der 
Hitler Jugend besuchten die Besatzungstruppen in Frankreich oder 
Norwegen, die Umsiedler im Osten und die Bewohner Lothringens, 
Luxemburgs oder Oberkrains. Aus der Reihe der Spieleinheiten hebt 
sich eine Anzahl von Choren der Hitlenjugend heraus, die denVergleich 
mit den altiiberlieferten Jugendchoren nicht zu scheuen brauchen. Die 
Musikzuge, Fanfarenziige und B laser kameradschafteri konnten trotz 
kriegsbedingten Schwierigkeiten ihren hohen Stand halten; die 1942 
neugegriindeten Gebietsmusikschulen sichern ihnen einen geschulten 
Nachwuchs und fiihren den Kulturorchestern wie den Musikkapellen 
der Wehrmacht ausgebildete Musiker zu. 

Nicht nur zum eigenen Musizieren will die Hitler Jugend anleiten; 
sie will auch zum Musikhoren erziehen. In den Gebieten und Bannen 
wurden Veranstaltungsringe der Hitlerjugend eingerichtet, denen sich 
Dirigenten, Orchester, Kammermusikvereinigungen undSolisten im'mer 
wieder zur Verfugung stellen. Wiederholt sind bei diesen Konzerten 
auch jugendliche Solisten aufgetreten. 

Die Hitler Jugend weiG, daB Kulturarbeit nicht durch organisatori* 
sche MaBnahmen erfiillt werden kann, sondern einer stetig neu an« 
setzenden Erziehung bedarf. Fiir diese Erziehungsarbeit miissen Men* 
schen bereitstehen, die fachlich durchgebildet sind, aber auch ihre 
weltanschauliche Eignung und ihre Fuhrereigenschaft unter Beweis 
gestellt haben. So hat sich als neuer Typ des Musikerziehers neberi 
dem Schulmusiker und dem Privatmusiklehrer der des Musikerziehers 
der Hitler Jugend herausgestellt. Mit dem Beginn des Winterhalbjahrs 
1942/43 sind die drei an den Hochschulen fiir Musikerziehung in 
Berlin und Graz und der Hochschule fiir Musik in Weimar laufenden 
Lehrgange zu Semiharen erhoben, auf eine dreijahrige Ausbildungs* 
zeit erweitert und damit den sonstigen Musikerzieherseminaren gleich« 
gestellt worden. Fiir Singwartinnen, Bannmusikreferentinnen u. a. 
fanden Schulungen in fast alien Gebieten statt. 

Die Musikarbeit der Hitler Jugend ist durch den Krieg nicht unter* 
bunden, sondern im Gegenteil gesteigert worden. Wenn die Musik* 
iibung in der jungen Generation mit Eifer, Begeisterung, Hingabe 
und FleiB betrieben wird, so liegt auch hierin ein Beweis fur den 
Aufbauwillen und die innere Starke des jungen Deutschlands. 

60 



Maria Ottich 

ZH'e'UQufikarbeit tier MB.-tBemeinftfjaft 
„Kraft imrd) f reu&e" 



Von ihrer allgemeinen Zielsetzung ausgehend haben zwei Amter 
der NS.*Gemeinschaft „Kraft durch Freude" die Musik in ihr Arbeits* 
programm aufgenommen: das Amt „Feierabend" und das Amt „Deut* 
sches Volksbildungswerk". Der Offentlichkeit am bekanntesten ist des 
ersteren Beitrag zum deutschen Musikleben in seiner Form als Be* 
sucherorganisation fur Theater und Konzerte. Was vor eiriem Jahr* 
zehnt noch nahezu unmoglich schien, jedem schaffenden Deutschen 
ohne Unterschied des Standes und Besitzes das Erlebnis der groBen 
nationa en Kunstleistungen zu vermitteln, ist hier Wirklichkeit ge* 
worden. Taglich haben Millionen von Volksgenossen, die tagsiiber 
am Schraubstock oder an der Drehbank stehen, die am Schreibtisch 
oder im heute besonders schwierigen wirtschaftlichen Leben ihre 
Pflicht tun, durch Vermittlung der in alien Gauen verbreiteten Kon* 
zert; und Theatergemeinden die Moglichkeit, nach getaner Arbeit 
Freude, Entspannung und Anregung in Konzerten oder Theatern zu 
finden. Die Konzert* und Theatergemeinden ermoglichen ihren Mit* 
gliedern den Besuch der Veranstaltungen zu ermafiigten Preisen, so 
daB niemand aus Geldmangel zuriickzustehen braucht. Die schonste 
Erfiillung einer Forderung, die RichardWagner vor nahezu einemjahr* 
hundert aufstellte, daB dem Publikum unentgeltlicher Zutritt zu den Vor* 
stellungen ge'geben werden sollte („Die Kunst und die Revolution", 1 849), 
brachte der NS.'Gemeinschaft „Kraft durch Freude" der Auftrag des 
Fiihrers, in jedem Sommer wahrend des Krieges die Bayreuther Fest* 
spiele fiir Frontsoldaten und Riistungsarbeiter durchzufiihren. Durch 
Einfiihrungsvortrage und *schriften mit dem Ideengehalt und der musi* 
kalischen Symbolik von Wagners Werken vertraut gemacht, konnen 
die, die sich mit ihrem Leben oder ihrer ganzen Arbeitskraft fiir den 
Sieg des groBdeutschen Reiches einsetzen, einige Stunden der Erbau* 
ung und inneren Kraftesammlung an Wagners Wirkungsstatte erleben. 

Jedoch nicht allein als Besucherorganisation tritt das Amt Feier* 
abend in Erscheinung; in gemeinsaiiier Arbeit mit den Stadtverwal* 
tungen nimmt es n den Konzertgemeinden entscheidenden EinfluB 
auf die Gestaltung der Programme. Eigene Veranstaltungen berei* 

61 



chern den Spielplan; Chor* und Orchesterkonzerte machen die Mit* 
glieder der Konzertgemeinden mit der klassischen und zeitgenossischen 
Literatur bekannt. Die hervorragendsten Kiinstler bieten mit Freude 
ihre Kunst der schaffenden Bevolkerung dar. Das in Miinchen heimi* 
sche NS.»Symphonieorchester, durch seine unermiidlichen Konzert* 
reisen bekannt, tragt unter der Stabfuhruhg seiner Dirigenten General* 
musikdirektor Fritz Adam, und Staatskapellmeister Erich KloB deut* 
sche Musik in Werkpausen und am Feierabend bis in die groBen 
Fabriksale hinein. Dariiber hinaus setzt sich die NS.*Gemeinschaft 
„ Kraft durch Freude" auch fur noch unbekanntere Krafte ein und 
fordert den kiinstlerischen Nachwuchs durch Verteilung von Stipen* 
dien an vielversprechende Talente. 

Es ware fur die kulturelle Entwicklung ungesund, wenn man dem 
Volke nur die hochentwickelten Kunstleistungen darbieten wollte, 
ohne Sorge zu tragen, daB sich die bodehstandige Kunst weiterer Pflege 
erfreut. Im Zeitalter der technischen Musikiibertragung durch Rund* 
funk, Schallplatte und Tonfilm und des immer sich steigernden 
Uberwiegens typischer GroBstadtbrauche auch im musikalischen 
Kulturleben ist es eine wichtige Aufgabe, Volkslied und «tanz, die 
ureigensten AuBerungen der Volksseele, die sich in jahrhundertelanger 
Uberlieferung von Generation zu Generation vererbt, und zu Beginn 
unseres Jahrhunderts durch fremde Einfliisse zuriickgedammt waren, 
nicht zu vernachlassigen. Die Abteilung „Volkstum undBrauchtum" des 
Amtes „Feierabend" bemiiht sich darum, ihnen die rechte Pflege an* 
gedeihen zu lassen. In Verbindung mit der Kulturarbeit auf dem 
Lande, in Zusammenarbeit mit Werkscharen und Werkfrauengrup* 
pen der Betriebe, bei Kameradschaftsyeranstaltungen, bei Festen und 
Feiern im Jahreskreis lebt altes, schones Brauchtum wieder auf. In 
alien deutschen Gauen werden ofiene Singstunden abgehalten, iiber* 
liefertes und neu aufgezeichnetes Liedgut durch Liederblatter ver* 
breitet. Zur Gestaltung der Lebensfeiern (Geburt, Hochzeit, Tod) 
geben die in Zusammenarbeit mit dem Hauptkulturamt in der Reichs* 
propagandaleitung der NSDAP. herausgegebenen Hefte „Ein Mensch* 
lein ward geboren", ,Ein Kindlein ward geboren" und „Ehelich zu 
werden dienet der Erden" vielfache Anregungen. Eine Werkreihe 
„Klingender Feierabend" bringt den Laienspielgruppen zeitgenossi* 
sches Spielmaterial. Als Gegengewicht zum Jazz entwickelt die Ab* 
teilung „Volkstum und Brauchtum" aus den schonen alten Tanzen 
Rheinlander,Walzer, Polka usw. neueFormen des Gemeinschaftstanzes. 

Von dem bodenstandigen Musiziergut ausgehend, tragt die NS.< 
Gemeinschaft „ Kraft durch Freude" zum Aufbau einer neuen Musik* 

62 ' o ■ 



erziehung des deutschen Volkes bei. 1m Rahmen der Erwachsenen* 
bildung verfolgt das Amt „Deutsches Volksbildungswerk" das Ziel, 
alien musikfreudigen Volksgenossen das Verstandnis musikalischer 
Kunstwerke zu erschlieBen und sie dariiber hinaus zur eigenen musi* 
kalischen Betatigung anzuregen. In zahlreichen bis in die Dorfer und 
Betriebe hineingetragenen Arbeitskreisen, in den Musikabteilungen 
der Volksbildungsstatten sowie in einer Reihe eigener Musikschulen 
des Deutschen Volksbildungswerks wird das Spiel aller Instrumente 
der Haus*, Kammer>, Orchester* und Volksmusik gelehrt. Begabte 
musizierfreudige Erwachsene und Jugendliche, Arbeiter und Ange* 
stellte, Angehorige aller Stande und Berufsschichten konnen ohne Aus* 
nabme an den Kursen teilnehmen. Den Mus zierstoff bieten neben 
Volkslied und *tanz, den Keimgebilden jeden musikalischen Formens, 
die Werke zeitgenossischer und klassischer Komponisten. Als Leit* 
faden fiir Lehrer und Schiiler gibt das Amt Deutsches Volksbildungs* 
werk in seiner „Volksmusikalischen Werkreihe fiir den Unterricht" 
neuzeitlicbe Lehrwerke, Obungs* und Spielhefte sowie theoretische 
und methodische Schriften zur Volksmusikerziehung heraus. Aas den 
Volksmusikschulen soil der Nachwuchs fiir Partei* und Gemeinde* 
kapellen, fiir Spielscharen und Laienorchester hervorgehen. Schiiler, 
die sich fiir die musikalische Berufslaufbahn eignen, werden den Hoch* 
und Fachschulen zugefiihrt. Diese Breite der Volksmusikerziehung 
bietet die Gewahr, da8 es nicht mehr nur dem Zufall iiberlassen bleibt, 
ob musikalische Talente entdeckt und zur richtigen Ausbildung ge* 
leitet werden. — Einfiihrungsvortrage der Volksbildungsstatten iiber 
musikalische, musik* und theatergeschichtliche Themen dienen dazu, 
das Publikum fiir die Aufnahme des am Feierabend dargebotenen 
Kunstgenusses empfanglich zu machen. Sie tragen mit dem Musik* 
unterricht dazu bei, eine Horerschaft heranzubilden, die den Schop* 
fungen des deutschen Kiinstlers, dem dieser Widerhall lebensnotwendig 
und befruchtend ist, aufgeschlossen gegeniibersteht. 

Wahrend des Krieges gilt die besondere Fiirsorge der NS~.*Gemein* 
schaft „Kraft durch Freude" der Wehrmacht. Unzahlige Theaterspieb 
gruppen, Kammermusikvereinigungen und Solistengruppen werden 
hinausgeschickt, um die Verbindung zwischen Front und Heimat rege 
zu gestalten und die Soldaten am deutschen Kulturgut teilhaben zu 
lassen. Biihne und Podium werden vertauscht mit alien moglichen 
Raumen militarischer Unterkiinfte. Bis dicht hinter der Front gehen 
diese Gruppen, musizieren zu Wasser und zu Lande, tragen ihre 
Kunst in die Lazarette hinein und geben den Soldaten nicht selten 
Anregung zu eigener musikalischer Betatigung. 

63 



Waldemar Rosen 



2>eutfcJ)lanti im eutopaifdjcn Mufikaustaufd) 



Die Musik ist oft eine „ Internationale Sprache" genannt worden, 
und die Unmittelbarkeit, mit der die Weirke unserer groBen Meister 
in Rom und Helsinki, in Madrid und Bukarest verstanden werden, 
scheint die Berecktigung dieser Redensart zu bestatigen. Ihre gefahr* 
liche Oberflachlichkeit wird jedoch sogleich deutlich, wenn man dar* 
aus die Folgerung Ziehen wollte, da8 die Musik gerade in ihren genial? 
sten Schopfungen auBerhalb der Gebundenheit an ein Volkstum stehe, 
wie es jedem Menschen von seinen Ahnen mit in diese Welt gegeberi 
ist, daB sie also in ihrem innersten Wesen international sei. Dieser Satz 
wurde bei uns in der Systemzeit nachdrucklicli propagiert, und die 
Feindlander suchen heute mit ihm die Tatsache zu rechtfertigen, daB 
ihre Konzertprogramme sich auch im Kriege in der Hauptsache aus 
Werken deutscher Klassiker zusammensetzen miissen. Ohne Frage 
wurde Mozarts Schaffen durch die italienische Musik seiner Zeit 
bedeutsam beeinfluBt, aber empfindet darum der Italiener nun 
heute die Kunst des Meisters als aus dem Geist seines Volkes geboren? 
So stark individuelle Personlichkeitswerte den Stil unserer groBen 
Komponisten bestimmen, so erleben wir sie doch immer von neuem 
ebenso unmittelbar als Kiinder deutschen Geistes, wie/ sich ein Verdi 
und Puccini in der musikalischen Geste als Italiener und der Sympho? 
niker Sibelius unverkennbar als Sohn des Landes der tausend Seen 
und Walder ofFenbaren. Ja, die Verwachsenheit der groBen Meister 
mit ihrem Volkstum laBt sich aus ihrer musikalischen Handschrift 
wissenschaftlich einwandfrei belegen. Es ist daher kein Spiel mit Wor* 
ten, wenn wir heute — entgegen dem Satz von der Internationalitat der 
Tonsprache - ihre unverganglichen Werke als iiber national verstand; 
lich und giiltig bezeichnen. Der Hinweis auf Mozart geniige, um an* 
zudeuten, wie wertvoll fiir den schopferischen Musikef die Vertraut* 
heit mit der Musikpraxis anderer Lander werden kann. Aber auch 
der ausfuhrende Musiker gewinnt aus der Beschaftigung > mit der 
Musiksprache anderer Nationen und noch mehr aus einem zeit* 
weiligen Wirken ini Ausland Anregungen, ohne die sein Konnen 
Gefahr lauft, einseitig zu werden. Und vollends verlangt der Musik* 

64 



borer unserer Zeit nach"dem wechselreichen Farbenspiel eines Kon* 
zertplans, der ihm gelegentlich auch Beispiele eines fremdlandischen 
Musikschaffens vermittelt und Kiinstler anderer Nationen vorstellt. 
Wenn dies unter der selbstverstandlichen Voraussetzung, geschieht, 
daB die Pflege des volkseigenen Musikguts an erster Stelle, steht, 
wird dadurch sein Blick fiir dessen Eigenart und Wert nur gescharft 
werden. 

Es ware daher kurzsichtig von einem Volk, wenn es sein Musik* 
leben im Sinne einer kiinstlerischen Autarkie von der AuBenwelt ab* 
schlosse und nicht vielmebr sich bemiihte, von der groBen Erleicbte; 
rung des internationalen Austauscbs, die im Verhaltnis zur Mozart; 
Zeit die Moglichkeiten des modernen Verkehrs bieten, Gebrauch 
zu macben. Es ist ein stolzer Beweis fiir die uneingeschrankte Fort* 
fuhrung des deutschen Musiklebens im Kriege unter der Fiihrung 
seines Schirmherrn Reicbsminister Dr. Goebbels, daB auch der Kultur* 
austauscb mit dem Ausland nicbt zuriickgegangen ist, sondern mit 
einer Reihe von Landern sogar bedeutsam erweitert werden konnte. 
Er umfaBte auch im vergangenen Jabre alle.Gattungen der Musik* 
(ibung von der Konzertreise weltberuhmter Orcbester unter ibren 
Meisterdirigenten bis zum einzelnen Solistehkonzert, von groB an* 
gelegten Musiktagen bis zur musikalischen Betreuung auslandfscher 
Arbeiter in Deutschland. Nicht zuletzt dank einer echt kameradschaft* 
lichen Zusammenarbeit der Fachabteilungen in den zustandigen Mini* 
sterien in Berlin und Rom unter ihren Leitern, Generalintendant 
Dr. Heinz Drewes im Reichsministerium fiir Volksauf klarung und 
Propaganda und dem Generaldirektor fiir Theater und Musik im 
italienischen Volkskulturministerium Nicola de Pirro steht Italien 
hierbei an erster Stelle. Der musikalische Austausch dieser beiden 
Lander soil daher hier eine ausfuhrlichere Darstellung findert. 

Einen glanzvollen Auftakt gab dem Konzertwinter die groBe Reise 
des Mailander Scala*Orchesters unter. den Maestri Marinuzzi und 
Rossi. Kein geringerer als Richard StrauB begriiBte die italienischen 
Kiinstler bei ihrem Eintritt in Deutschland, und seine Wiinsche „per 
un glorioso viaggio" fanden in den Triumphen, die das Orcbester in 
zwanzig deutschen Stadten feierte, schonste Erfiillung. Im November 
und Dezember besuchten sodann das Florentiner und das Neapeler 
Kammerorchester zahlreiche deutsche Stadte. 

Zum Gegenbesuch sah Italien die Miinchner Philharmoniker unter 
Leitung von Kabasta sowie das Kammerorchester Edwin Fischer, das 
Gewandhaus*Kammerorchester und das Berliner Kammerorchester 
zu Gast. In breitesten Kreisen des italienischen -Volkes fand zum Aus* 

5 . 65 



klang der Spielzeit im Sommer 1942 die Kapelle des Regiments Her* 
mann Goring begeisterte Aufnahme. Wahrend beriihmte italienische 
Meister des Taktstocks wie Gui, Molinari und der Komponist Casella 
sowie ausgezeichnete Nachwuchsdirigenten deutsctien Einladungen 
folgten, musizierten fuhrende Dirigenten Deutschlands mit den be* 
riihmten italienischen Orchestern, und besonders erregte die inter* 
essante Personlichkeit Herbert von Karajans Aufsehen. 

In iiber siebzig Abenden waren italieniscbe Kammermusikvereini* 
gungen, vor allem das Quartetto di Roma, in Deutschland zu horen. 
Bei den Einladungen deutscher Kunstler nach Italien ist das starke 
Interesse fur die stilreine Wiedergabe der Kammermusik aus der 
Renaissance* und Barockzeit bemerkenswert. Wahrend bei den Instru* 
mentalisten auf deutscher Seite zahlenmaBig die Pianisten (unter an* 
deren Backhaus, Edwin Fischer, Gieseking und Kempff) im Vorder* 
gruhd standen, waren in Deutschland italienische Geiger (darunter 
Gioconda de Vito und Lilia d' Albore) und Cellisten (Mainardi, Ran* 
zato und Baldovino) besonders haufig zu horen. Von deutschen Geigern 
folgten Kulenkampff und Strub italienischen Einladungen. 

Die Tatsache, daB hervorragende deutsche und italienische Sanger 
weit seltener den Weg iiber den Brenner finden, mag ihre Erklarung 
aus den laufenden Opernverpflichtungen in der Heimat, zum Teil 
aber wohl auch aus dem anders gearteten vokalen Klangideal beider 
Volker finden. Die auBerordentlichen Erfolge des italienischen Bari* 
tons der Dresdener Staatsoper Arno Schellenberg in Italien sprechen 
fiir diese Auffassung. Da8 aber die italienischen Musikfreunde auch 
einer so wesentlich deutschen Kunst, wie sie der Leipziger Thomaner* 
chor in strenger Reinheit vermittelt, tiefgehendes Verstandnis ent* 
gegenbringen, zeigte die warmherzige Aufnahme dieses Chors. 

Wie bei den Dirigenten sind die maBgebenden Stellen beider Staaten 
bemiiht, auch Solisten, die im anderen Land noch nicht ihrem kiinst* 
lerischen Rang gemaB bekannt sind, dort einzufuhren. Diesem Zweck 
dient die Einrichtung der Austauschkonzerte; in ihnen finden alljahj* 
lich je zehn Instrumentalisten, Sanger oder Kammermusik*Vereini* 
gungen die Moglichkeit, sich den Musikhorerri der befreundeten 
Nation vorzustellen, ohne daB ihnen hieraus die sonst unausbleiblichen 
Kosten erwachsen. Ahnliche Abmachungen bestehen, wenn auch in 
beschrankterem Umfange, bis jetzt mit Ungarn, Rumanien und Bui* 
garien. Zahlreiche Kunstler wurden auf Grund ihrer Erfolge in diesen 
Veranstaltungen von den Konzertgesellschaften des Gastlandes nun 
auf geschaftlicher Basis wieder verpflichtet und haben sich auf diese 
Weise einen festen Platz im Musikleben des Auslands erobert. 

66 



Der diesen Ausfiihrungen gesetzte Rahmen gebietet, die Fiille derwei* 
,teren internationalenWechselbeziehungen auf musikalischemGebiet nur 
noch in einigen besonders bezeichnenden Beispielen zu beleuchten. 

DieWerke unserer groBen Meister in e'iner Darbietuhg von der 
einzigartigen Orcbesterkultur der Berliner Philharmoniker und in der 
kongenialen Ausdeutung eines Wilhelm Furtwangler zu erleben — 
diesen Wunsch richten alljahrlich alle Lander Europas nach Berlin. 
In der vergangenen Spielzeit erwiesen die beispiellosen Huldigungen, 
die Furtwangler an der Spitze des Orcbesters in Schweden, Danemark 
und der Schweiz entgegennehmen konnte, von neuem, in welchem 
,Ma8e die nachschopferische Gestaltungskraft seiner groBen Personlich* 
keit aucb das von Natur kritische und kiihle Konzertpublikum dieser 
Lander zu faszinieren vermag. 

Von einem „delirio" sprach die Presse auch, als gegen Ende der 
Spielzeit das Orchester unter der Meisterhand Clemens KrauB' und 
mit Viorica Ursuleac als Solistin in Spanien, Portugal und Frankreich 
Triumphe feiern konnte. Die Konzerte, darunter je vier in Madrid 
und Lissabon, waren in kiirzester Frist ausverkauft und gestalteten 
sich allenthalben zu einem kiinstlerischen und gesellscbaftlichen Er* 
eignis ersten Ranges. Bei einem Abend im groBten Gebaude der por* 
tugiesischen Hauptstadt jiibelten sechstausend Horer den deutscben 
Gasten mit iiberstromender Begeisterung zu, was den Gouverneur zu 
der spontanen Anregung veranlaBte, das Konzert am nacbsten Tage 
zu wiederholen. Legte hier die kiinstlerische Fiihrerschaft des einzig* 
artigen Richard StrauBJnterpreten Clemens KrauB die besondere Be* 
riicksicbtigung dieses Meisters nahe, so stand bei der Reise der Berliner 
Philharmoniker am Anfang der neuen Spielzeit, die unter Hans Knap* 
pertsbusch in die Balkanlander fuhrte, das klassische deutsche SchaiFen 
im Vordergrund. Das Orehester konnte es sich dabei erlauben, sein 
Programm konzessionslos auf die groBen symphonischen Werke ab* 
zustellen, und es ist bezeichnend, daB der uberall mit stiirmischer 
Begeisterung begrtiBte Dirigent bei diesem musikalischen Triumph* 
zug mit der „Eroica" und der vierten Symphonie von Brahms die 
nachhaltigsten Erfolge errang. 

Es spricht nicht allein fiir die weitreichende kiinstlerische Geltung, 
sondern auch fiir die padagogischen Fahigkeiten unserer Orchester* 
leiter, wenn sie immer von neuem nach alien Landern des Kontinents 
eingeladen werden. Die Arbeit, die in der vergangenen Spielzeit Furt* 
wangler in Danemark und der Schweiz, Knappertsbusch in Briissel, 
Elmendorff in Italien, Abendroth in Schweden, Jochum und Schuricht 
in Italien, Ungarn und den Niederlanden, Albert in Spanien und 

5 67 



Rumanien - um nur einige Namen herauszugreifen - geleistet haben, 
wird auf Jahre hinaus die stilvolle Pflege deutscher Musik in ganz 
Europa fordern helfen. 

Im gleichen Sinne wirkt sich die Tatigkeitaller deutschen Kunstler 
im Auslande auch auf das Publikum aus, und so bedeutet jede Kon* 
zertreise unserer Solisten oder Kammermusik/Vereinigungen mehrals 
einen augenblicklichen Erfolg. Ungeachtet alter zeitbedingten Schwie* 
rigkeiten der Reise folgten auch im vergangenen Jahr zahlreiehe nam; 
hafte deutsche Kunstler und die besten unseres Solistennachwuchses 
dem Ruf anderer Lander, wenn auch bei weitem nicht alle Anforde* 
rungen erfullt werden konnen. Wenn Walter Gieseking au8er in 
Italien noch in der Schweiz, Ungarn, Rumanien, Spanien und Portugal 
konzertierte, so erneuerte jedes seiner Konzerte die Weltgeltung der 
deutschen Musik. Andererseits rechnet es sich das deutsche Konzert* 
leben zur Ehre an, den Meistern des Auslandes kt}nstlerische Gast* 
freundschaft zu erweisen. Neben den schon oftmals gehannten Italie? 
nern waren im letzten Winter in Deutschland zu horen: Cassado, 
Cortot, Georgescu aus Bukarest, der flamische DirigentHendrik Diels, 
der Rumane Perlea, Manen und die Bustabo, Jose Cubiles und das 
herrliche spanische NationabQuintett, die jungen ungarischen Klavier* 
talente Anda und Karolyi, die beriihmten Sopranistinnen Rauta* 
waara und Antti aus Finnland — eine Reihe, die sich noch mit vielen 
international bekannten Namen fortsetzen liefie. , 

Die umfangreiche Vorbereitungsarbeity die ein so weit verzweigter 
Austausch mit sich bringt, obliegt der Auslandsstelle fur Musik unter 
ihrem geschaftsfuhrenden Letter Hans Sellschopp. Hier werden in 
Verhandlungen mit Kiinstlern und Konzertdirektionen die Planungen 
der Fachabteilung des Ministeriums bearbeitet, die fur den Konzert* 
besucher in Deutschland und ganz Europa das Bild eines mit auslandi* 
schen Kraften aufgelockerten Konzertwesens ergeben. 

Den deutschen Kapellmeistern, die im vergangenen Jahrhundert in 
die weite Welt hinauszogen, blieb es vorbehalten, in vielen Landern 
ein kiinstlerisches Musikleben iiberhaupt erst zu begriinden. DaB diese 
internationale padagogische Bedeutung des deutschen Musikers auch 
heute noch giiltig ist, bewiesen im vergangenen Sommer sehr nach? 
drucklich die Kurse des „Deutschen Musikinstituts fiir Auslander" in 
Potsdam und Salzburg, deren Organisation Professor Dr. Schunemann 
durchfiihrt. Aus einundzwanzig Landern waren allein in Salzburg ein< 
hundertundfiinfzig im praktischen Musikleben stehende auslandische 
Kunstler zum Besuch der Kurse erschienen, darunter dreiBig Diri; 
genten - zum Teil solche namhafter Musikinstitute -, um sich bei 

68 



Professor Clemens KrauB und all den anderen hier als Lehrer wirken* 
den fuhrenden Musikpersonlichkeiten in die Geheimnisse deutschen 
Musizierens einfiihren zu lassen. 

Aber auch im Ausland selbst wirkten deutsche Lehrer. So hielt mit 
besonders nachhaltigemErfolgPaulGrummer inLissabon einenMeister* 
kursus. Eta Harich?Schneider nutzte ihren durch den Krieg verlanger* 
ten Aufenthalt in Japan zu CembakvKursen, die starkstes Interesse 
fanden, und Helmut Fellmer wirkte wie seit Jahren fruchtbar als 
Orchesterleiter an der UenoAkademie in Tokio. 

Das lebhafte Interesse, das die deutschen Konzertveranstalter und 
Musikhorer dem zeitgenossischen Schaffen des Auslands entgegen* 
bringen, findet sein Echo in einer vermehrten Pflege der deutschen 
Musik unseres Jahrhunderts auch jenseits unserer Grenzen. Neben 
der alteren Generation mit Reger, StrauB, Pfitzner und Graener linden 
sich nun auch Namen wie Max Trapp, Werner Egk, Paul Hoeffer, 
Karl Holler, Theodor Berger, Joh. Nep. David, Gerhart von Wester* 
man, Fritz von Borries, Kurt Hessenberg, Gottfried Miiller und nicht 
zuletzt Helmut Brautigam immer haufiger in den Programmen, und 
die letzte Spielzeit brachte darin einen Rekord. 

Wie sehr uns auch auf diesem Gebiet an einem wirklich iiber* 
nationalen Austausch der Geistef gelegen 1st, beweist die Veranstaltung 
von Musiktagen fremder Nationen in Deutschland durch das Reichs; 
ministerium fiir Volksaufklarung und Propaganda. Auf diesem Gebiet 
hat sich mit Spanien bereits eine Uberlieferung herausgebildet, die 
mit der Veranstaltung der deutsch*spanischen Musikwoche in Bad 
Elster im Sommer 1941 begriindet worden war, und die im vergan* 
genenjahr mit einer spanisch*deutschen Woche in Madrid und Bilbao 
sowie mit den deutsch*spanischen Musiktagen in Bad Elster und Dres* 
den 1942 ihre Fortsetzung fand. In den beiden spanischen Stadten 
wurde in fiinf Symphoniekonzerten und einem Kammermusikabend 
durch das ausgezeichnete junge „Spanische Nationalorchester" vo« 
wiegend deutsche Musik unserer Zeit geboten, wobei Werke von 
Trapp und Berger eine besonders beifallige Aufnahme fanden. Saheri 
sich hier der Dirigent Herbert Albert und der Pianist Winfried Wolff 
als Mittler deutschen Schaffens lebhaft gefeiert, so fanden bei der 
Gegenveranstaltung in Bad Elster in Anwesenheit spanischer Ehren* 
gaste und Pressevertreter Werke spanischer Komppnisten in derWieder* 
gabe unter Karl Bohm nnd Eduard Martini mit spanischen Solisten 
ebenso begeisterte Aufnahme. Ein bedeutsamer Hohepunkt der Tage 
war ein Ballettabend der Dresdener Staatsoper mit dem „Spanischen 
Marchen" von HalfFter und de Fallas „Dreispitz". 

69 



Mit dem Ziel, der finnischen Musik und vor allem dem Lebens* 
wcrk des groBen Jean Sibelius in Deutschland weitergebende Verbrei* 
tung und immer tieferes Verstandnis zu sichern, wurde im April 1942 
die Deutsche Sibelius«Gesellschaft gegriindet, deren Prasidentschaft 
Generalintendant Dr. Drewes iibernahm, und die im deutscben ebenso 
wie im finnischen Musikleben starkstem Interesse begegnete. Nach 
ihrem Griindungskonzert in der Berliner Philharmonie, das das Stadti* 
sche Orchester unter Fritz Zaun durchfuhrte, veranstaltete die Geselb 
schaft unter der Schirmherrschaft von Reichsminister Dr. Goebbels 
zu Beginn der neuen Spielzeit eine finnische Musikwoche in Wies* 
baden. Hier horte man in zwei Symphonies und einem Kammermusik* 
konzert sowie einem Liederabend unter Carl Schuricht und mit Anja 
Ignatius, Kerttu Bernhard, der Rautawaara, dem Tenor Huttunen 
und dem Strub*Quartett ein interessantes Programm von Sibelius, 
Palmgren, Uuno Klami, Matedoja, Kilpinen und anderen Meistern 
mit auBerordentlich starkem Publikumserfolg. 

Als wesentlichster Markstein einer Zusammenarbeit der musik* 
schopferischen Krafte im neuen Europa ist die Tagung des Inter* 
nationalen Komponisten*Verbandes zu werten, zu dem sich der bis* 
herige „Standige Rat fur die intemationale Zusammenarbeit der Kom? 
ponisten" unter der Prasidentschaft von Richard StrauB umformte. 
In wichtigen Satzungsanderungen wurde hier auf deutsche und ita* 
lienische Initiative ein Werkzeug geschaiFen, das, aus staatlich bevolb 
machtigten Delegierten der europaischen Lander zusammengesetzt, 
dem geistigen Austausch der Musikscbaffenden des Kontinents bedeut* 
sam erweiterte Moglichkeiten bietet. 

Uberblickt man das hier nur schlaglichtartig skizzierte Geschehen 
im zwischenstaatlich musikalischen Austausch eines Jahres, so zeichnet 
sich auf diesem kiinstlerischen Gebiet bereits das Bild einer schopferis 
schen europaischen Kameradschaft ab, die im Geben und Nehmen 
bodenverwurzelter, ihrer natiirlichen Bindungen an Volkstum und 
Rasse bewuBter Kunstleistungen der SchafFenden und Ausfuhrenden 
eine natiirliche Kraftquelle erschlieBt. So wird die „iibernationale" 
Sprache der Musik in einem MaBe, wie es friiher nie erreicht wurde, 
zu einer Briicke zwischen den Nationen und zu einem geistigen Band, 
das die Millionen Europas im Kunstschaffer. und *erleben umschlingt 
und aneinander bindet zu einer wahren, macbtvoll schopferischen 
Schicksalsgemeinschaft. 



70 



Eugen Schmitz 

Scutfdje Mufikfotfdjung im Krtege 



Als gleich zu Kriegsbeginn oiFenbar wurde, daB in Deutschland 
das Kulturleben riicht nur weitergehen diirfe, sondern .sich sogar als 
besonderes Kampfmittel der inneren Front zu bewahren habe, sah 
sich die deutsche Musikforschung in doppelter Weise den neuen Vers 
haltnissen eingegliedert. Denn sie ist ja ihrem Gegenstande nach dem 
Kunstleben verbunden, ihre Metbode dagegen und zu einem groBen 
Teil auch ihre Ergebnisse reihen sie unter die Wissenschaften und 
deren Pflege ein. Damit erschlossen sich der Musikforschung erfreu* 
lich vieleWege zur Mitarbeit am geistigen Geschehen der Zeit. 
Andererseits freilich hauften sich auch die Schwierigkeiten fur sie. 
Denn alles, was die Kriegsverhaltnisse an notwendigen Einschran* 
kungen und Umstellungen forderten, trat ja nun ebenfalls von zwei 
Seiten an sie heran: in Form von Organisationsfragen sowohl des 
kiinstlerischen wie des wissenschaftlichen Betriebes. 

Es ist ein Zeichen fiir die gesunde Grundlage, auf der die deutsche 
Musikforschung aufgebaut ist, daB sie dieser Schwierigkeiten Herr 
wurde und ihre vielseitige Kulturaufgabe auch im groBenWandel 
der Zeiten voll zu erfiillen vermochte. Das gilt fur die ersten Wochen 
und Monate des Krieges mtt ihren raschen einschneidenden MaB* 
nahmen. Es gilt aber nicht minder fiir die Folgezeit, die nun zwar 
Festigung der Verhaltnisse, aber zugleich auch kriegsnotwendige Ver* 
knappung der Mittel brachte, DaB die Musikforschung alles in allem 
sich ausgezeichnet zu behaupten wuBte, kann ein Blick auf das dritte 
Kriegsjahr in genau dem gleichen MaBe wie die Erinnerung an Voran* 
gegangenes dartun. 

Einer Gefahr gait es fiir die Musikforschung — wie iibrigens fiir 
gar viele andere gerade auch geistige und kunstlerische Betatigungs* 
formen - vor allem auszuweichen : namlich der, die Bejahung der 
besonderen Zeitaufgabe in einer krampfhaften Umstellung auf rein 
auBerlich kriegsverbundene Arbeitsart zu suchen. Wenn etwa in Vor* 
. lesungen, in Zeitschriften oder Biichern gelegentlich einmal dieMilitar* 
musik oder das Soldatenlied wissenschaftlich erfaBt wurde, so war das 
eine kleine, aber auch als solche keineswegs nur von Augenb licks* 

■71 



interessen veranlaBte Gelegenheitsbetatigung, die lediglich am Rande 
des sonst breit und unentwegt im gewohnten Bett dahinflutenden 
Stromes musikalischen Forschens und Wissens lag. 

Denn die Hauptarbeit der deutschen Musikforschung gait aucb im 
Kriege nach wie vor der reichen Fiille ihrer gewohnten, sie seit Jahr* 
zehnten beschaftigenden Probleme. Die Entwicklung alter und neuer 
Tonformen, die verschiedenen entscheidenden Stilwandlungen des 
letzten Jahrtausends, die Schicksale groBer und kleiner Meister der 
Tonkuhst, die Grundlinien und mannigfachen Teilgebiete der Musik* 
asthetik und Akustik, aucb der Musikpadagogik im weitesten Sinne 
des Wortes, die musikalische Notations* und Instrumentenkunde und 
schlieBlich Fragen der vergleichenden Musikwissenschaft : das sind die 
Themen, die aucb in den Kriegsjabren in Vorlesung, Buch und Faeh* 
zeitschrift berrschen. 

Das heiBt nun freilicb nicht, daB die deutscbe Musikforschung 
in ihrer Problemstellung ganz unberuhrt von dem groBen Zeit* 
. gescheben hatte bleiben diirfen oder geblieben ware. Solches ware 
ja wieder das andere, ebensowenig erfreuliche Extrem gewesen. Aber 
auch datu ist es nicht gekommen. Es ergab sicb vielmehr die richtigste 
und beste Losung dergestalt, daB die deutschen Musikforscher da, 
wo ihr Arbeitsgebiet zwingend und ungesucht Ankniipfungspunkte 
zur Geistesbaltung eines in kriegerischer Verteidigungsstellung stehen? 
den Volkes bot, zugriffen und alte, aber doch immer wieder neue 
Aufgaben in zeitgemaB zugespitzter Form sich vornahmen. 

Unter solchem Gesicbtspunkt gewannen zunachst einmaldie natio* 
nalen Belange auf alien musikalischen Gebieten, ganz besonders 
aber in den Bezirken der Musikgeschichte gesteigerte Anziehungs* 
kraft fiir die Musikforscher, indessen das Fremdvolkische, vor allem 
soweit es die Feindvolker betraf; zuriickgestellt, freilich doch keines* 
wegs ausgeschaltet wurde. Dies schon aus dem Grunde nicht, weil 
Erkenntnis des Wesens des Gegners ebenfalls zu den notwendigen 
Aufgaben einer Kriegszeit gehort, und weil gerade das Wissen um 
gegnerisches Kulturleben - oder auch um die Mangel eines solchen - 
in diesem Sinne aufklarend wirken kann. Sonderbeachtung im Rabmen 
des Nationalen fand begreiflichew und berechtigterweise die Geltung 
und derEinfluB deutscherMusik im Auslande, besonders in den 
besetzten oder eroberten Gebieten. Als Erweiterung solcher auf die 
Ergriindung eigenvolkischer Werte eingestellten Musikforschung er* 
gab sich dann ebenfalls ganz naturgemaB .eine Steigerung des Inter* 
esses fiir die Erkenntnis des Volkischen in der Musik uberhaupt. 
Sie bekundet sich vornehmlich in einer neuen Bliite der Volkslied* 

72 



forschung, und zwar nicht nur soweit sie emheimisch deutsches Lied* 
gut ergf iindet, sondern auch der allgemeinen, zwischenvolkischen. Eng 
damit zusammen hangt die Behandlung des Rasseproblems in der 
Musik, die schon seit der Machtergreifung einen bis dahirt ungeahnten 
Aufschwung genommen hatte und nun in den Kriegsjahren erst recht 
die Geister beschaftigte und beschaftigt. Noch ein Schritt weiter muBte 
dann zur; gesteigerten Erorterung weltanschaulicher Fragen in 
der Musikforschung fiihren, die ihrerseits sich nicht nur in selbstandi* 
gen Sonderbetrachtungen erschopften, sondern Methode und Auf* 
fassungsweise der Forscherarbeit iiberhaupt bis ins Einzelste durch* 
drangen. Man beachte in solchem Sinn, urn die geistigen Verbin* 
dungsfaden zu den Stimmungen der Zeit ganz pfien am Tage liegend 
zu finden, nur, wie beispielsweise in jiingsten Beschreibungen des 
Lebens deutscher GroBmeister — etwa Glucks, Haydns, Mozarts — 
sich die Charakterbilder aus dem Beschaulichen ins Kampferische 
gewandelt haben, oder wie die jiingste Beethovenforschung den 
Meister als Bahnbrecher eines „Idealismus der Freiheit" zu verstehen 
sucht. 

Wie wenig sich aber nun die deutsche Musikforschung der Kriegs* 
jahre durch solche zeitbestimmte gedankliche Einstellung von den 
Bahnen gesunder Wirklichkeit abdrangen lieB, zeigt die Tatsache ihrer 
nach wie vor ganz besonders engen Verbundenheit mit demprakti? 
schen Musikleben. Das ist der Punkt, wo die Briicke aus den Bezirken 
der Wissenschaft in die der Kunst fiihrt, eine Briicke, die jetzt im 
Kriege breiter und gangbarer denn je wurde. Es mag in Erinnerung 
gerufen werden, daB iiberhaupt die Pflege alter Tonkunst im. Musik* 
leben der Gegenwart bis hinauf zur neuzeitlichen BachbeWegung letzt> 
lich Anregungen zu danken ist, die von der Musikforschung ausgingen. 
Ja selbst das Ringen der zeitgenossischen Musikschaffenden um die 
Gewinnung eines neubarocken Stils ware ohne die Kenntnis vom ge* 
schichtlichen Barock, wie sie die Musikforschung erarbeitet hat, nicht 
zu denken. Dieser Vor gang- gegenseitiger Befruchtiing von Musik* 
Erkenntnis und Musik*Ausubung, ja Musik*Schaffen, ist heute allge* 
mein. Er zeigt sich aber ganz besonders lebendig auf einem Gebiet, 
das im Kriege vielleicht mehr denn je Bedeutung gewonnen hat: im 
Felde der Hausmusik. In einer Zeit, in der- an die seelische Haltung 
des ganzen Volkes solche Anforderungen gestellt werden wie heute, 
ist hausliches Musizieren ein geistiges Starkungsmittel von unschatz* 
barem Werte. Darum wurde ja auch die Pflege der Hausmusik in alien 
bisherigen drei Kriegsjahren ebenso eifrig wie erfolgreich aufrecht 
erhalten. Gerade daran aber hat die deutsche Musikforschung ihr 

73 



vollgeriittelt MaB verdienstlichen Anteils : sie hat die Hausmusik uner* 
miidlich aus den Quellen alteren, ihr besonders arteigenen Musik* 
gutes gespeist, sie hat durch Klarung iiber den Vortragsstil und nicht 
zuletzt iiber den Bau stilgemaBer und dabei volkstiimlicher Instru* 
mente die Ausubung immer sicherer und bestimmter in die richtigen 
Bahnen gelenkt. Da8 im Zusammenhang mit dem hauslichen Musi* 
zieren, doch dariiber noch hinausgehend, auch die praktische Musik* 
erziehung von der Musikforschung gar manche, gerade unter den 
besonderen Verhaltnissen des Krieges dienliche Anregungen erhielt 
und weiterhin erhalt — man denke etwa an die Beschaftigung unserer 
Sing* und Spielscharen mit alter Musik oder an die gleichgerichtete 
Chorarbeit an unseren musischen Gymnasien — ist auch nicht zu ver* 
kennen. 

Gegenstand und Ergebnisse der deutschen Musikforschung im 
Kriege waren damit angedeutet und umrissen. Ihre Trager sind die 
gleichen wie im Frieden geblieben: die musikwissenschaftlichen In* 
stitute der Universitaten und verwandten Hochschulen, die sonstigen 
fachlichen Forschungsstiitten und Bibliotheken, voran das Staatliche 
Institut fur deutsche Musikforschung in Berlin, und endlich, aber 
nicht zuletzt, das musikwissenschaftliche Schrifttum, wie es in Buch 
und Zeitschrift sich auspragt. Sie alle spiiren wohl die Hand de' 
Krieges, aber sie lassen sich nicht hemmen, geschweige denn nieder^ 
driicken. Wohl stehen viele unserer Hochschullehrer und Studieren* 
den im Felde : aber die musikwissenschaftliche Lehr* und Forschungs* 
arbeit der Universitaten geht trotzdem weiter, nachdem sie nur in 
den allerersten Wochen des Krieges vereinzelt geruht hatte. Sie hat 
sogar erfreulichen Ausbau gefunden durch Neubrdnung des musik* 
wissenschaftlichen Betriebes an Hochschulen der angegliederten oder 
eroberten Gebiete. Neben ehemaligen osterreichischen Universitaten 
darf in solchem Zusammenhang vor allem die deutsche Karls*Univer* 
sitat in Prag genannt werden. Ihr musikwissenschaftliches Institut ist 
durch Ausbau seiner Biicherei und Angliederung eines Musikinstru* 
mentenmuseums gefordert worden und hat sich mit seiner „Abteilung 
Sudosteuropa" heute besonders naheliegenden Forschungszielen zu* 
gewandt. Ein ganz neues Heim fand die Musikforschung an der im 
Kriege errichteten Universitat Posen. Auch hier steht die Forscher* 
tatigkeit zeitgemaB im Zeichen der geistigen ErschlieBung des Ost* 
raums mit Arbeiten iiber russische und polnische Musik. 

In den Bibliotheken oder Bibliotheksabteilungen musikwissenschaft* 
sicher Pragung wird die Arbeit ebenfalls unbeirrt weitergefiihrt, wenn 
lich auch die Reihen der Besucher und Beniitzer gelichtet haben 



74 



und manches dem Forscher ervviinschte wertvolle Werk angesichts der 
kulturfeindlichen Kriegsfiihrung unserer Gegner im Luftschutzkeller 
verschwinden muBte. Jedenfalls nehmen Katalogisierung und Biblio* 
graphie ihren Fortgang, so daB auf diesem Felde nicht Liicken ent* 
stehen, die spater keinesfalls rhehr zu schlieBen waren. Das erscheint 
fiir die Zukunfi der Forschung ja besonders wichtig. So ist denn 
beispielsweise auch die Fortfiihrung der vom Staatlichen Institut fiir 
deutsche Musikforschung herausgegenen Bibliographic gewahrleistet 
und eben erst durch Erscheinen des 4. Jahrgangs betatigt worden. 

Die Arbeitsfreude- aber der neuen sowohl wie der alten Hochschuh 
institute bekundet sich nach auBen vor allem durch die immer hoch 
in ganz stattlicher Zahl erscheinenden Dissertationen. Bei ihnen be* 
deutet nur eine Kriegserscheinung eine voriibergehende Beeintrachti* 
gung der Wirkung: daB sie namlich in steigendem MaBe nicht mehr 
im Druck, sondern nur in Maschinenschrift vorgelegt vverden und 
deshalb nicht in den Austausch, geschweige denn in den Buchhandel 
kommen. Hier nachtraglich das Wichtigste doch noch zur Allgemein* 
verbreitung zu bringen, wird nach dem Kriege eine dankbare Auf* 
gabe des musikwissenschaftlichen Verlagswesens sein. 

Im iibrigen ist es unvermeidlich, daB gerade das Schrifttum der 
deutschen Musikforschung, zu dem ja die Dissertationen auch zahlen, 
unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft sich alle jene Einschran* 
kungen gefallen lassen muB, denen das Verlagswesen iiberhaupt unter* 
liegt. |Und doch zeugt auch da das Geleistete fiir den urigebrochenen 
deutschen Kulturwillen. Es kann nicht Aufgabe dieser kurz zusammen* 
fassenden Uberschau sein, etwa eine Statistik der musikwissenschaft* 
lichen Bucherzeugung wahrend des Krieges zu geben oder gar Einzeb 
erscheinungen, sei es auch nur aus dem jiingstvergangenen Berichts* 
jahr, zu bewerten. Aber es darf zumindesten festgestellt werden, daB 
immer wieder groBangelegte Einzelwerke herauskommen wie etwa 
die letzten Bande von Scherings Leipziger und Seraukys Hallenser 
Musikgeschichte, Brands Arbeit iiber Haydns Messen, Schiinemanns 
Veroffentlichung der Beethovenschen Konversationshefte, Mosers 
Neuausgabe seines Musiklexikons urid ahnliches, und daB vor allem 
auch die musikwissenschaftlichen Schriftenreihen, die von Universi* 
taten und anderen Forschungsinstituten herausgegeben werden, in 
Gang geblieben sind. So haben - beispielsweise und ohne Gewahr fiir 
Vollstandigkeit aufgezahlt - die „Berliner Studien zur Musikwissen* 
schaft", die „Forschungsarbeiten des musikwissenschaftlichen Instituts 
der Universitat Leipzig", die „Kolner Beitrage zur Musikforschung", 
die „Breslauer Studien zur Musikwissenschaft", die „Erlanger" und 

75 



die „Kieler Beitrage zur Musikwissenschaft" bis weit in die Kriegszeit 
herein, zum Teil bis in die letzten Tage, neue, zum Teil umfangreiche 
Arbeiten vorgelegt. Dazu kommen die Veroffentlichungen, die im 
Rahmen der „Schriften zur Volks* und ; Rassenkunde", der „Studien 
zur Volksliedforschung", der „Neuen deutschen Forschungen (Ab* 
teilung Musikwissenschaft) , der ,,Literarhistoriscb<musikwissenschaft* 
lichen Abhandlungen" und der „Schriftenreihe des Handelhauses" 
erschienen. Nicht zu vergessen naturlich der quellenmaBigen prak* 
tischen Neuausgaben vornehmlich in den vom Staatlichen Institut fur 
Musikforschung als „Das Erbe deutscher Musik" betreuten „Reichs* 
denkmalen" und „Landschaftsdenkmalen", die noch in den Jahren 
1941/42 Bande mit Werken von Senfl, Othmayr, Joh. Jak. Walther, 
Ph. E. Bach, Andreas Crappius und einen Band mit alter Blasermusik 
brachten, sowie weitere Veroffentlichungen als unmittelbar bevor* 
stehend ankiindigen. Auch die „Publikationen alterer Musik" konnten 
ihre Folge durch einen den Notre*Dame*Organa gewidmeten Band 
fortfuhren. 

Im musikwissenschaftlichen Zeitschriftenwesen stehen als eigentliche 
Fachorgane das „Archiv fiir Musikforschung" und die „Deutsche 
Musikkultur" nach wie vor auf Posten. Naturlich haben auch sie mit 
Raumnoten zu kampfen. Das hat neben Schlimmem aber das Gute, 
daB nun manche kleinere Forschungsarbeit, die hier nicht mehr unter* 
kommt, denWeg in die mehr aktuell gerichteten Musikzeitschriften 
findet und auch diese dadurch zum Sprachrohr deutscher Musik* 
forschung macht. Von den musikwissenschaftlichen Jahrbiichern miis* 
sen einige, nachdem sie ebenfalls wahrend der ersten Kriegsjahfe ihren 
Platz behauptet hatten, gegenwartig pausieren. Geblieben ist aber das 
„jahrbuch fiir Volksliedforschung". Das „Neue Mozartjahrbuch" ist 
sogar als erfreulicher Zuwachs dazugekommen. 

DaB aber die Pflege der deutschen Musikforschung auch auBerhalb 
der eigentlichen Fachwelt ihre Kreise im Kulturleben der Kriegszeit 
zieht -^ und zwar nicht nur durch kiinstlerische Auswirkung, sondern 
auch als rein wissenschaftliche Erscheinung — , das zeigt die rege 
Tatigkeit, die in vielen groBen und kleinen Stadten ortliche Vereini* 
gungen zur Pflege der Musikg£schichte und ahnlicher Belange ent* 
falten, zeigt desgleichen die Heranziehung der Musikforscher zu 
Kongressen wie etwa der „Mozartwoche des Deutschen Reiches", die 
1 94 1 aus AnlaB der ijo. Wiederkehr von Mozarts Todestag inWien 
stattfand. Obwohl sie der Hauptsache nach als kiinstlerische » Ver* 
anstaltung gedacht war, wurde ihr doch auch eine wissenschaftliche 
Tagung eingegliedert, die ein eindrucksvolles Bild vorii derzeitigen 

76 



Stand der Mozartforschung vermittelte. Und daB dabei auch ,die 
groBen kulturellen Grundlagen der Musik Mozarts zur Erorterung 
kamen — also etwa die Literatur, die bildende Kunst, ja die Politik 
seiner Zeit - ist kennzeichnend fur das weite Blickfeld, das sich der 
deutschen Musikforschung nicht zuletzt unter dem. Eindruck des 
augenblicklichen weltgeschichtlichen Gescheheris erschlossen hat. 

Die alte Weisheit, daB durch Uberwindung von Hindernissen und 
Schwierigkeiten die schafienden, aufbauenden Krafte nur gestarkt wew 
den, bestatigt sich also auch bei einem Blick auf Leistungen und Be* 
tatigungsweise der deutschen Musikforschung im Kriege. Die deut* 
schen Musikforscher selbst aber, denen in diesen Schicksalsjahren 
„Not und Sorg'" und gelegentlich auch „Zwist und Streit" wahrhaftig 
nicht knapp beschieden waren, die aber auf ihre Art doch irhmer 
wieder ,,ein schones Lied" zu singen wuBten und wissen, diirfen mit 
freudigein Stolz auch Hans Sachsens Wahrspruch auf sich anwenden: 

„Seht, Meister nennt man die!" 



77 



Hans»Joachim Moser 

"Don iier Zatigftcit tier IReidjeftelle 
fur jfl9ufikbearbeitungen 



Diese Einrichtung ist am i. Mai 1940 als der Musikabteilung des 
Reichspropagandaministeriums nachgeordnete Dienststelle ins Leben 
getreten. Leiter ist Generalintendant Dr. Heinz Drewes, stellvertreten* 
der Leiter der Verfasser; zu den standigen Lektoren zahlt unter ande* 
ren Kapellmeister Hans Swarowski, auBerdem hat sich die Reichsstelle 
mehrfach des Rates von Generalintendant Prof. Clemens KrauB zu er* 
freuen gehabt. MaBgebend fiir ihre Griindung war der Wunsch, den 
Spielplan der deutschen ernsten wie heiteren Musikbuhnen in einer 
Richtung erweitert und bereichert zu sehen, die auf diesem Gebiet, 
ohne die gesunde Initiative verantwortungsbewuBten Verlegertums 
zu hemmen, treuhanderisch von Reichs wegen Wertvolles. fordert und 
nur*Handlerisches, geschmacklichAnfechtbaresverhindert.DieseAuf' 
gabe wird in freundwilliger Ubereinkunft mit der Reichsdramaturgie 
durchgefuhrt. DieTatigkeit erstreckt sich auf musikdramatischem Ge> 
biet nach zwei Hauptrichtungen : es werden altere Werke neubearbei? 
tet, und es werden zeitgenossische Arbeiten als Werkauftrage vergeben. 
In beiden Fallen steht zahlenmaBig die Operette Cmit dem Singspiel) 
voran, die ernste Oper rangiert der Zahl nach erst an zweiter Stelle - 
und das aus guten Griinden. Auf dem Gebiet der heiteren Muse ist die 
oben angedeutete mogliche Gefahr einer niveaudriickenden Kommer* 
zialisierung begreiflicherweise weit groBer als auf dem Opernfelde; die 
Operette ist meist kurzlebiger, der VerschleiB groBer, und die Fiir* 
sorge der Kunstverwaltung im Dritten Reich gilt ganz besonders dem 
Erquickungsbedurfnis der groBen Volksgenossenschaft, fur die das 
Beste auch an Unterhaltung gerade gut genug sein soil; machtige 
Volkstheater in den neuen Reichsgebieten wie in den heute luftbe* 
drohten Bezirken des Altreichs werden in kommender Aufbauzeit 
auch einen hohen Spielplanbedarf haben, und hier rechtzeitig vorzu* 
arbeiten, gehort zu unserer fursorglichen Friedensplanung. Der Vor< 
sprung der Operette vor der Oper hat aber hinsichtlich der Aufs 
frischung vonWerken der Vergangenheit auch noch andere, wohl ein* 
leuchtende Ursachen: wahrend die Falle, in denen wertvolle Opern 
als solche unerkannt geblieben sind, naturgemaB selten sein werden, 

78 



da die Zeit hier eine selbsttatige Auslese getroffen zu haben pflegt und 
seit Jahrzehnten eifrige Ausgrabespaten am Werk waren, urn nach 
etwaigen verborgehen Schatzen auf diesem Gebiet der mehr iiberzeit* 
lichen Werte zu schiirfen, liegt der Fall auf dem Gebiete der Operette 
einigermaBen anders : diese Gattung war von vornherein stets auf Tages* 
geltung eingestellt, ihreTextbiicher sind in derMehrzahl mit einer heute 
kaum mehr begreif lichen Anspruchslosigkeit, ja ungepflegten Billigkeit 
zusammengezimmert worden und so in der Originalfassung jetzt meist 
unertraglich, in den Witzanspielungen veraltet und unverstandlich. 
Solche zeitbegrenzte Aktualitat hat stellenweise bis in die musikalische 
Materieeingegriffen: Riicksicht auf die begrenzten coder gelegentlich 
auch in einzelnen Beziehungen iiberdurchschnittlichen) Fahigkeiten 
bestimmter Darsteller, die heute in dieser Art fehlen oder anders ublich 
geworden sind, eilige und allzu sparliche Instrumentation konnen der 
Gegenwartswirkung bei sonst kostlichen Einfallen hindernd im Wege 
stehen. Gerade beim Unterhaltungspublikum wird niemand eine histo* 
risch*puristische Haltung voraussetzen diirfen, und was vor sechztg, 
achtzig Jahren in einem Vorstadttheaterchen „klang", wird uns Nach* 
fahren der seither vor sich gegangenen Entwicklung manchmal arg kum* 
merlich vorkommen. Es gait also in solchen Fallen, moglichst die gleiche 
Beziehungsnahe zwischen Kunstwerk und Horerschaft wiederzugewin* 
nen, wie sie zwischen Suppe und den Wienern von i86j, zwischen 
Millocker, Genee, Joh. StrauB und ihrem Publikum von 1880 bestanden 
hat, als die Geistinger und Girardi Jung waren und begeisternd wirkten. 
Selbstverstandlich hat nun aber die Reichsstelle dariiber zu wachen, 
daB diese Erneuerungsarbeit, die nie Selbstzwecklichkeit gewinnen 
durfte, sondern stets als notwendige HilfsmaBnahme betrachtet wird, 
denkbar behutsam undstilgetreu vorgenommen wird -stets wird bei einer 
Nachinstrumentierung Riicksicht auf das dem betreffenden Meister 
gewohnte Orchester obwalten, um ihm wesensfremde Klangfarben 
zu vermeiden, und in der Instrumentenverwendung wird sein ,eigener 
Bestfall zur Richtleite genommen. Oft ist es so, daB an Stelle einer von 
vornherein schwachen oder mit der Zeit verblaBten Nummer eine ' 
andere desselben Autors herangezogen wird - aber nicht nach der 
weithin eingerissenen Unsitte, zu solchem Zweck dauernd die gleichen 
paar Meisterwerke zu pliindern" es ist vielmehr eine reizvolle und oft 
von Erfolg gekronte Aufgabe, aus den unbekannten und meist als 
Ganzes nicht wieder verwendbaren Nebenwerken entsprechende Per* 
len herauszufischen, ohne den Werkstil des zu erneuernden Haupt* 
werks irgend wesentlich zu verletzen. Dies Verfahren hat sich mehr< 
fach auch im Gebiet der ernsten Oper iiberraschend bewahrt. 

79 



Es kamen noch genug andere, speziellere Aufgaben hinzu: ein und 
das andere Werk spielte in einem heute politisch unerwiinscht ge? 
wordenen Milieu, muBte also sinnvoll und doch unauffallig verlegt 
werden - so verpflanzten wir Millockers „Bettelstudent"aus dem Krakau 
Augusts des Star ken in dasBreslau desPrinzenEugen, und ausNedbals 
,',Polenblut" wurde eine im Sudetenland spielende „Erntebraut", wah* 
rend Suppes „Fatinitza" kiinftig nicht mehr 1 8 j4 vor Sewastopol, son* 
dern einige Jahrzehnte spater im bulgarischen Befreiungskrieg spielen 
wird. Oder es handelt sich darum, die an sich nicht ganz abendfiillende 
„Leichte Cavallerie" yon Suppe erweiternd zu aktualisieren, dabei 
aber alle wertvollen Originalbestandteile der Partitur pfleglicb zu er; 
halten - das Werk wird nun in der gelungenen Neuformung durch 
Paul Beyer und Joseph Rixner im Bannkreis von PapaWrangel zwi^ 
schen Holsteinern und Ungarn 1864 launig abrollen. In einem anderen 
Fall war uns deutlich geworden (es handelt sich um Joh. StrauBens 
herrlich reiche Operettenpartitur „ Indigo"), daB der langst vergessene 
OriginalstoiF weit charakteristischere Moglichkeiten bot als die ihm 
spater aufgezwungene Handlung — also gingen wir auf den phantastisch* 
grotesken, knodelessenden Konig eines wienerisch geschauten Indone* 
sien zuriick. Und wenn bei Jos. StrauBens nachgelassener „Fruhlings* 
luft" im Mittelpunkt ein Scheidungsanwalt verherrlicht wurde, so 
zwang die seither gewahdelte Anschauung dazu, hier die stoff lichen 
Akzente anders zu setzen, ohne daB damit dem Witz des Vorwurfs 
Abtrag geschah. Die Liste solcher Falle lieBe sich unschwer vervieb 
fachen, doch das Prinzip wird klar geworden sein. 

Auf dem Gebiet der alteren Oper waren die Moglichkeiten bei 
weitem enger gezogen, schon wegen der hier meist starker vereinheit^ 
lichten Musikteile und der straffer angezogenen Stilforderungen der 
Komponisten selbst. Als der fur Erneuerungsarbeiten bei weitem en 
giebigste Meister erwies sich Albert Lortzing; so wurden „Die beiden 
Schiitzen" aufgefrischt durch Vorsetzung eines ganzen Aktes (aus 
anderen, wenig bekannten Werken desMeisters) und behutsameNach* 
instrumentierung einzelner Stellen unter dem Gesichtspunkt, hier so 
zu verfahren, wie der Kompohist es am Ende seines Lebens i8ji 
an diesem Jugendwerk auf Grund seiner inzwischen gesammelten Er« 
fahrungen vermutlich selbst getan haben wiirde. Oder Lortzings „Ca* 
sanova" ■— an sich ein kostliches Werk, das aber, wie nach des Meisters 
ganzer Natur zu erwarten war, einem solchen Stoff gegeniiber etwas zu 
sehr in der burgerlichen Biedermeierzeit verblieb. Nur einmal ist der 
Autor weit aus dieser herausgeschritten : als er 1848 fur Wien die 
Revolutionsoper „Regina" schrieb, die dann unaufgefiihrt blieb - hier 

80 



fanden sich iiberraschend leidenschaftliche Liebesduette brachliegend, 
die nun einen wirklichen „Casanova" auszubauen ermoglicht haben. 

Die seltene Moglichkeit volliger Neuentdeckung einesWerks bot 
dann die Reichsstelle den Bearbeitern W. Hanke und Dr. Loy durch 
den Hinweis auf Nicolais Jugendoper „Die Heimkehr des Verbann* 
ten", die als „Mariana" auf der Berliner Staatsoper im Februar 1943 
zu einem „Fest der schonen Stimmen" AnlaB geben wird. Der Meister 
der „Lustigen Weiber" hat sich mit dieser Kronung seiner italienischen 
und Wiener Jahre als ein „deutscher Bellini" erwiesen, der alien Melo* 
dienschwung des fruhverdischen Belcanto mit der harmonischen 
Griindlichkeit des deutschen Romantikers zu verbinden weiB und so 
ein Jahrzehnt vpr Verdis ersten Erfolgen sozusagen „Troubadour"* 
furor geliefert hat. 

Eine besonders wichtige Aufgabe stellt der Versuch einer Gluck* 
Renaissance, schon da die Monumentalitat dieser Werke sie fiir Fest« 
anlasse besonders reprasentativ erscheinen laBt. In erster Stelle wird 
die von Prof. Muller*Blattau entdeckte eigene Verdeutschung Glucks 
(mit Alxinger, Wien 1781) der „Taurischen Iphigenie" der deutschen 
Opernwelt wieder zuganglich gemacht werden, die anderen Reform* 
opern sollen folgen. 

Nach Griindung der Reichsstelle meldete sich verstandlicherweise 
bei einzelnen SchafFenden das Bedenken, ob nicht durch das Auftreten 
der erneuerten alteren Werke eine Spielplanverstopfung erfolgen werde, 
die sich ungiinstig auf die Aussichten des zeitgenossischen SchaiFens 
auswirken miiBte. Diese Sorge diirfte unbegriindet sein. Einmal treten 
die Bearbeitungen nicht so gedrangt hervor, wie es zunachst den An< 
schein haben konnte. Sodann ist durch den Wegfall zahlreicher jiidi* 
scher und feindlandischer oder sonstwie unerwiinschter Werke eine 
spiirbare Spielplanleere eingetreten, der ein nie dagewesener Besucher* 
andrang bei den Theatern gegeniibersteht. Auch wird es heute bei 
den Besetzungsschwierigkeiten kein Schade sein, wenn den Biihnen* 
verantwprtlichen eine moglichst vielseitige Auswahl von Werken zur 
Verfugung steht. Deshalb hat Herr Reichsrnintster Dr. Goebbels auf 
Vorschlag der Reichsstelle und zur Betreuung durch diese eine Rejhe 
von Arbeitsauftragen fiir neue Werke erteilt, die binnen zwei 
Jahren seit Auftragserteilung fertig vorliegen sollen, und zwar fiir Opern, 
Singspiele und Operetten. Diese Werkauftrage zielen (was fiir Sing* 
spiel und Operette ja selbstverstandlich ist) auch auf dem Gebiet der 
Oper nicht auf einen sich selbst genugenden Artismus, sondern sind 
in der Hoffnung erteilt, dem Spielplan hochwertige Repertoirestiicke 
zu gewinnen und der Oper zu geben, was der Oper ist. Man darf 

6 

81 



gespannt sein, ob und wieweit dieses Ziel erreicht werden wird. In 
, Dingen des kiinstlerischen Erfolges und seiner Nachhaltigkeit laBt sich 
beim Publikum nichts errechnen und erzwingen; hochstens kann den 
SchafFenden einen „Chance" gegeben und hier und da beratend und 
fordernd eine Handreichung getan werden — die Sache selbst bleibt 
stets ein Gliicksspiel. 

Die Arbeit der Reichsstelle beschrankte sich aber nicht auf die Er* 
teilung von Auftragen, sondern war auch sonst weithin eine gutachte* 
rische — Hunderte von unaufgefordert eingesandten Arbeiten aus dem 
Opern*> Singspieb und Operettengebiet wurden - bald allein, bald in 
Zusammenarbeit mit der Reicbspriifstelle oder der Reichsdramatur* 
gie - auf ihre Eignung hin gepriift, und oft wurde auf Wunscb der 
Autoren eine weitgehende Raterteilung ohne Gewahr daran geknupft — 
eine zusatzlicbe Arbeitsleistung, die die verfiigbaren Krafte oft liber* 
maBig beansprucbte. 

Ferner ergab sich die Notwendigkeit, die Reichsstelle auch in den 
Fragen der Oratorienbearbeitungen zumalHandels, der Kantatentexte 
Bachs, der Kunstliedertexte nichtarischer Verfasser zu Rate zu ziehen. 
Die Umtextierung alttestamentarischer OratorienstoiFe bei Handel 
(auch bei Mozart u. a.) konnte — im fruchtbaren Benehmen mit dem 
Hauptkulturamt der Reichsprqpagandaleitung der.NSDAP. und der 
Reichsjugendfuhrung - besonders in dem Sinn gesteuert werden, ein 
verwirrendes und wiftschaftlich nicht zu rechtfertigendes Zuviel pri* 
vater Geschaftigkeit zu verhindern, dafiir aber bei den wenigen wirk« 
lich guten und notwendigen Unternehmungen beratend und anregend 
einzugreifen, ja geradezu Aufgaben zu stellen. 

DaB schlieBlich die Reichsstelle auch den Organisationsmittelpunkt 
einer ganzen Reihe weiterer wichtiger, mehr musikwissenschaftlicher 
Arbeitsvorhaben abgab, wird vielleicht AnlaB bieteri, dariiber in einem 
spateren Jahrgang dieses Jahrbuches zusammenfassend zu berichten. 

Man wird es zweifellos Reichsminister Dr. Goebbels allgemein Dank 
wissen, daB er mitten im Kriege durch eine solche Neugriindung vielen 
Kiinstlern Anregungen gegeben hat und'den Theaterbesuchern alte 
wie neue Kostlichkeiten zur Entspannung undzurErhebung hat bereit? 
stellen lassen - ein Mazenatentum des Staats, das objektiv wie sub* 
jektiv Friichte zu tragen verdient. 



I 



82 



Leo Ritter 



Die arbett &et STAGMA im CSriege 



Der Aufbau der im Herbst 1933 gegriindeten STAGMA (Staatlich 
genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheber* 
rechte) hatte in den fiinf Jahren ihres Bestehens bis zum Kriegsbeginn 
zu einem gewissen AbschluG gefiihrt. Das Aufkommen der STAGMA 
war im Vergleich zu den von den frtiheren Autorenschutzverbanden 
erzielten Einnahmen urn das Mehrfache gestiegen; es wies zum 
}o. September 1939 einen Betrag von RM. 14372000 auf. DasDonau* 
und Alpenland war bereits im Jabre 1938 in den Geschaftsbereich der 
STAGMA einbezogen und die Gesellschaft der Autoren, Komponisten 
und Musikverleger (AKM) zu Wien mit der STAGMA verschmolzen 
wofden. Hatte schon vorher die STAGMA in ihrer raschen Entwick* 
lung die bis dahin in wirtschaftlicher Beziebung fiihrenden auslandi* 
schen Auffiihrungsrechtsgesellschaften wie die Societe des Auteurs, 
Compositeurs et Editeurs de Musique (Paris), die Performing Right 
Society Ltd. (London) und die American Society of Composers, 
Authors and Publishers (Newyork) uberfliigelt, so fiel ihr nach dem 
ZusammerischluB mit der AKM urid dem hierbei erfolgenden Beitritt 
der bedeutungsvollen Gruppe der Wiener Komponisten noch eindeu* 
tiger die Fuhrung unter den Auffiihrungsrechtsgesellschaften der alten 
und der neuen Welt zu. 

Zunachst gait es, den Apparat der STAGMA auf die Erfordernisse 
des Krieges umzustellen. Die stellvertretende Geschaftsleitung und der 
Beirat der STAGMA gingen hierbei von der Uberlegung aus, daB die 
Einnahmen aus Unterhaltungsmusik<Veranstaltungen erheblich zu* 
riickgehen wiirden und beschlossen im September und Oktober 1939 
eine Reihe einschneidender SparmaBnahmen. Verschiedene Bezirke 
wurden zusammengelegt, der Gesamtheit der Bezirksleiter, bei denen 
ein erhebliches Absinken ihrer Einnahmen aus Provisionen yoraus* 
zusehen war, ein dem Friedensstand gegeniiber gesenktes, immerhin 
aber tragbares Einkommen gewahrleistet, irgendwie entbehrliche Ar* 
beitsraume aufgegeben usw. Durch diese MaBnahmen wurde erreicht, 
daB die bei den Unterhaltungsveranstaltungen tatsachlich eintreteride 
Minderung der. STAG MA* Einnahmen zum guten Teil durch die 

6* 

83 



Senkung der Unkosten ausgeglichen wurde. Hinzu kamen Reichs* 
vertrage mit dem Oberkommando der Wehrmacht, der Organisation 
Todt, dem Prasidenten der Reichskulturkammer und dem Reichs* 
fiihrer jfr fur die Truppenbetreuung, mit der Deutschen Arbeitsfront, 
demReichsarbeitsdienst fiir die weiblichejugend usw., die einen gewis* 
sen Ausgleich brachten, sowie insbesondere Einnahmesteigerungen aus 
Rundfunk, ernsten Konzerten, mecbanischen Lizenzen und Tonfilm. 
Das Endergebnis war, daB die an die Autoren und Verlegef zur Ver* 
teilung kommenden Betrage im ersten, zweiten und dritten Kriegsjahr 
hdher waren als die Verteilungssumme des letzten Friedensjahres mit 
den bisber hochsten Einnahmen, und zwar ohne Beriicksichtigung des 
Staatszuschusses, von dem noch die Rede sein wird. 

Die vertraglichen Beziehungen zur Schallplattendndustrie, die in* 
folge Ablaufs eines zehnjahrigen, zwischen dem BIEM (Bund der inter* 
nationalen Einziehungsgesellschaften fiir mechanische Urheberrechte) 
und der internationalen Schallplattendndustrie gescblossenen Vertra* 
gesEnde 1940 ibrEnde gefunden hatten, konnten infolge des Kxieges 
nicht neu geregelt werden. Dies ist im Interesse der Urheber und 
Verleger, deren Werke durch Wiedergabe auf mechaniscben Vorricb* 
tungen verwertet werden, zu bedauern. Es kann zwar aucb nach dem 
alten BIEM«Vertrag kein Zweifel dariiber besteben, daB die Schalb 
plattendndustrie nicht berechtigt ist, ihre Scballplatten dem. Rundfunk 
zur Sendung gegen Zablung hoher Pauschalsummen zur Verfugung zu 
stellen, ohne den musikalischen Schopfer an diesen Einnahmen zu be* 
teiligen. Der Autor und Verleger erhielt jedoch bei Sendung einer Platte 
an Millionen vonHorern von den an die Schallplattendndustrie gezahb 
ten Pauschalsummen bisMarz 1940 iiberhaupt nichts Und muBte sich 
mit e^inem Pfennigbetrag begniigen, der auf den Verkauf einer Schalb 
platte an eine Privatperson abgestellt war. Da in den letzten J ahrenyor 
dem Kriege mit dem baldigen Ablauf des BIEM/Vertrages gerechnet 
wurde, ist von der Fiihrung eines Rechtsstreites um dieEhtscheidung die* 
serFrageseinerzeit abgesehenworden. Der AusbruchdesKriegesmachte 
jedoch den AbschluB eines neuen Vertrages mit der internationalen 
Schallplatten*Industrie unmoglich. Es wurde daher im Marz 1940 von 
der STAGMA als Vertreterin des BIEM fiir Deutschland mit der 
deutschen Schallplatten*Industrie ein Stitlhalteabkommen getroffen, 
das die Zahlung einer iiberaus bescheidenen Anerkennungsgebiihr 
seitens der Industrie unter Aufrechterhaltung des beiderseitigen 
Rechtsstandpunktes vorsieht. Dieses Abkommen ist fiir einen secbs 
Monate nach FriedensschluB liegenden Zeitpunkt kiindbar, wovon 
zweifellos seitens der STAGMA Gebrauch gemacht werden wird. Es 

84 - ' ■ ■ ' 



ist zu hofien, daB dann endlich den Urhebern und Verlegern eine 
gerechte und angemessene Beteiligung an dem Gewirin zuflieBt, den 
die Schallplattendndustrie aus der Verwertung der Schallplatten durch 
den Rundfunk erzielt. 

Der gesteigerte Besuch, den die Tonnlmtheater in Deutschland 
wahrend des Krieges aufzuweisen haben, konnte sich fur die STAGMA 
nur unwesentlich auswirken, da der Tonnlmtarif vom Friihjahr 1934 
auf der Sitzplatzanzahl beruht. Dieser Tarifgrundlage ist damals der 
Vorzug gegeben worden, da sie krisenfest ist. Sie gestattet anderer* 
seits keine Beteiligung an einem wirtschaftlichen Aufschwung, wie 
er bei den Lichtspieltheatern erfreulicherweise festzustellen ist. 

Bedeutend ist der Anstieg der Einnahmen aus ernsten Konzeften 
und Chorveranstaltungen im zweiten und dritten Kriegsjahr. Sie be< 
trugen im Jahre 1939/40 RM. 390000, imjahre 1940/41 RM. 634000, 
im Jahre 1941/42 etwa RM. 93-0000. 

Vor neue Aufgaben gestellt wurde die STAGMA durcb die Ge* 
bietserweiterungen auf Grund der Erfolge des deutschen Heeres. 
Neben den kleinen Gebieten Eupen, Malmedy und Moresnet, die 
unter belgischer Kontrolle gestanden batten, wurden im. Westen das 
ElsaB, Lothringen und Luxemburg in den Arbeitsbereich der STAGMA 
einbezogen. Das ElsaB wurde der Bezirksleitung Westmark (Stuttgart) 
als Zweigstelle StraBburg am 2i.Oktober 1941 angegliedert, ebenso 
Lothringen als Zweigstelle Saarbriicken am 1. September 1941. Luxem* 
burg wurde der Bezirksleitung Rheinland'Westfalen (Koln) angescblos* 
sen. Die Eingliederung ging ohne Schwierigkeiten vor sich, zumal die 
Tarife der franzosischen Societe des Auteurs, Compositeurs et Editeurs 
de Musique (SACEM) erheblich iiber denen der STAGMA gelegen 
hatten. Grundlage der STAGMA^Arbeit bildeten Verordnungen der 
Chefs der Zivilverwaltung im ElsaB, in Lothringen und in Luxemburg, 
die eine sinngemaBe Anwendung des STAGMA«Gesetzes vom 4. Juli 
1933 zum Inhalt hatten. Die Einnahmen, insbesondere aus dem ElsaB, 
sind angesichts der kriegsbedingten Verhaltnisse recht befriedigend. 

Das Sudetenland war bereits im Herbst 1938 zum Reich gekommen. 
Mit der Aufbauarbeit der STAGMA konnte mit Rucksicht auf die 
schwierigen wirtschaftlichen Verhaltnisse im Sudetengau jedoch erst 
im Fruhjahr 1940 begonrien werden. Auch dieses Gebiet — die Bezirks? 
leitung Sudetengau hat ihren Sitz in Reichenberg — steuert eineri er* 
heblichen Beitrag zum Gesamtaufkommen der STAGMA bei. Die 
Randgebiete des Sudetenlandes wurden — der Einteilung der politischen 
Gaue entsprechend - den Bezirken Schlesien, OstpreiiBen, Bayern 
und Donauland angegliedert. 

85 



Im Osten war erheblicher Raumzuwachs zu verzeichnen. Die Be* 
zirksleitung Generalgouvernement mit dem Sitz in Krakau nahm ihre 
Tatigkeit auf Grand einer Verordnung des Generalgouvernementsam 
I.April 1942 auf. Diese Bezirksleitung hat ein Gebiet von 16000 qkm 
mit etwa 1 8 Millionen Einwohnern zu bearbeiten. Die zum Reich zu; 
riickgekommenen Teile WestpreuBens wurden vom Bezirk Qstpreu* 
Ben, Danzig/WestpreuBen iibernommen. SchlieBlich wurde eine Be* 
zirksleitung. Wartheland mit dem Sitz in Posen eingerichtet, die ihre 
Tatigkeit im Januar 1941 aufhahm. Die Bearbeitung der im. Regie* 
rungsbezirk Kattowitz zusammengefaBten ehemalig polnischen Gebiete 
wurde der Bezirksleitung Schlesien (Breslau) ubertragen. 

Einen bedeutungsvollen Zuwachs an altem deutschen Kulturboden 
erhielt das Arbeitsgebiet der STAGMA im Zuge der Angliederung 
des Protektorats Bohmen und Mahren. Im Einvernehmen zwischen 
dem Reichsprotektor in Bohmen und Mahren und dem Reichsminister 
fiir Volksaufklarung und Propaganda sowie zwischen der Autoren* 
schutzvereinigung der Komponisten, Schriftsteller und Verleger (OSA) 
in Prag und der STAGMA erfolgte ein ZusammenschluB der beiden 
Gesellschaften am 1. April 1942. Durch eine Verordnung des Reichs* 
protektors iiber die Vermittlung von Rechten an Werken der Tonkunst 
wurde die STAGMA als alleinberechtigte Gesellschaft fiir das Pro* 
tektorat Bohmen undMahren erklart. Die STAGMA hat dieses ihr iiber* 
tragene Recht nach den im Protektorat geltenden gesetzlichen Bestimmun* 
gen, d. h. in urheberrechtlicher Beziehung nach den Bestimmungen des 
friiheren tschechoslowakischen Urheberrechtsgesetzes wahrzunehmen. 
Die friihere OSA wurde in eine Gebietsdirektipn der STAGMA umge* 
wandelt, die in kulturpolitischen Angelegenheiten des Protektorats und 
inbezug auf Tariffragen dem Reichsprotektor unmittelbar untersteht. 
Mit der Abwicklung der Geschafte der OSA wurden die Leiter der 
STAGMA und der Gebietsdirektion Prag betraut. 

Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung der Recht* 
sprechung gerichtet. Da die Verabschiedung des n^uen Urheber* 
rechtsgesetzes vor Kriegsende nicht erfolgen wird, muBte die ProzeB* 
fiihrung im Altreich noch auf das bestehende Urheberrechtsgesetz 
vom Jahre 1901 aufgebaut werden. , 

Im Verteilungssystem der STAGMA sind wahrend des Krieges be* 
deutsame Anderungen erfolgt. Auf dem Gebiet der Konzertveranstal* 
tungen war es tiblich, ein Drittel der Gesamteinnahmen aus ernsten 
Konzerten und Unterhaltungsveranstaltungen der ernsten Musik zu* 
zuwenden. Infolge der Verschiebung des Verhaltnisses der Einnahmen 
aus diesen beiden Verwertungsgebieten zueinander war es nicht mog* 

86 



j 



lich, diese Regelung auf die Dauer beizubehalten. Durch Entschei* 
dung des Reichsministers fur Volksauf klarung und Propaganda wurden 
den ernsten Autoren und Verlegern zum Ausgleich der fur sie hier* 
durch entstehenden Kiirzung ein StaatszuschuG von RM. I oooooo im 
ersten, je RM. 700000 im zweiten und dritten Kriegsjahr zuerkannt. 
Daneben ist eine erhebliche Steigerung der Einnahmen aus ernsten Kon< 
zerten im weiteren Ver lauf des Krieges festzustellen, wahrend die Einnah* 
men aus Unterhaltungsmusikveranstaltungen infolge des Tanzverbotes 
und aus anderen Griinden standig im Absinken begriffen sind. 

Weiterhin Wurde das im Fruhjahr 1927 in der friiheren GEMA ein< 
gefiihrte Wertungsverfahren, das bereits seit einer Reihe von Jahren 
mehr und mehr eingedammt worden war, durch Entscheidung des 
Reichsministeriums fiir Volksauf klarung und Propaganda im Fruhjahr ' 
1942 aufgehoben. Die Versorgungsstiftungen der deutschen Kompo* 
nisten, Textdichter und Musikverleger wurden hierbei ermachtigt, 
kriegsbedingte Einnahmeriickgange auszugleichen, sofern sie mehr 
als ein Drittel der Einnahmen des letzten oder vorletzten Geschafts* 
jahres betrugen und sofern eine wirtschaftliche Notlage vorlag. AuBer* 
dem wurde ein Teil des der STAGMA zur Verfiigung gestellten 
Staatszuschusses zur Verteilung an Komponisten kulturell besonders 
wertvoller Musik verwendet. 

Der Beirat der STAGMA, der bis zum Jahre 1941 aus drei Mit* 
gliedern, und zwar aus den Leitern der Fachschaften der deutschen 
Komponisten und Musikverleger in der Reichsmusikkammer und der 
deutschen Textdichter in der Reichsschrifttumskammer als Treuhan* 
der der von ihnen vertretenen Urheber und Verleger bestanden hatte, 
wurde durch Entscheidung des Reichsministers fiir Volksaufklarung 
und Propaganda im Februar 1941 urn drei Mitglieder, und zwar je 
etnen Komponisten, Textdichter und Verleger erwettert. Es ist hier/ 
durch die Gewahr geschaffen, daB sowohl die Belange der ernsten 
Kunst wie die der heiteren Muse im Beirat der STAGMA gleich* 
maBig vertreten werden. Weiterhin wurde zur Erorterung von Ver* 
teilungsfragen ein Verteilungsbeirat eingesetzt. 

Auf internationalem Gebiet wurde die bisher gepflegte Zusammen* 
arbeit der STAGMA mit den auslandischen Auffuhrungsrechtsgeselh 
schaften durch den Krieg unterbrochen. Die Internationale Konfode* 
ration der Urheberrechtsgesellschaften, der auch die Urheberrechts* 
gesellschaften der Feindstaaten angehoren, war nicht mehr in der 
Lage, die angeschlqssenen Gesellschaften zu Kongressen oder Arbeits* 
tagungen einzuladen. Da auch wahrend des Krieges die Fuhlung* 
nahme mit den erreichbaren europaischen Gesellschaften fortgesetzt 

87 



werden muBte, traten dieSTAGMA und dieSocieta Italiana degli Autori 
ed Editori (Rom) in die entstandene Liicke, urn in ka,m.eradschaft> 
licher Zusammenarbeit die schwebenden internationalen Fragen zu 
losen. Im November 1940 haben die Sociedad General de Autores de 
Espana (Madrid), imFebruar 1941 die vier skandinavischen Schwester* 
gesellschaften an den Beratungen teilgenommen. Es wurde hierbei 
u. a. die Uberfuhrung des Generalsekretariats der Konfoderation nach 
Berlin beschlossen, die im. Dezember 1941 durchgefiihrt wurde. 

AuBerhalb des Rahmens der Internationalen Konfoderation, deren 
fruhere Verdienste unbestreitbar sind und auf deren Kongressen wert* 
voile Arbeit geleistet wurde, Fand in Berlin vom 16. bis 28, Oktober 
1942 eine Tagung aller erreichbaren europaischen Urheberrechts* 
gesellschaften statt, an der rieben der STAGMA, dem Verband deut« 
scher Buhnenschriftsteller und Biihnenkomponisten und dem Deut* 
schen Verein zur Verwertung von Urheberrechten an Werken des 
Schrifttums die beiden italieriischen, sechs franzosische, fiinf skandi* 
navische, zwei ungarische, zwei rumanische Gesellschaften sowie die 
belgische, hollandische undschweizerischeGesellschaft vertreten waren. 
Bei dieser Tagung wut'de ein vom Leiter der STAGMA und demPrasi* 
denten der SIAE, Staatsrat Giorgio Maria Sangiorgi, eingebrachter 
Antrag auf Griindung einer Vereinigung der europaischen Urheber* 
rechtsgesellschaften mit dem Sitz in Berlin einstimmig angenommen. 
Zum Prasidenten der Vereinigung fur das erste Geschaftsjahr wurde 
Staatsrat Sangiorgi, als standiger Generalsekretar Dr. Clemens Graf von 
Westfalen (STAGMA) gewahlt. Die Vereinigung wird wechselweise 
jahrlich in Deutschland bzw. Italien Tagungen und zwischenzeitlich 
Sitzungen des Rechtsausschusses einberufen. 

Es fiel somit im bisherigen Verlauf des Krieges der STAGMA die 
vierfache Aufgabe zu, einmal die Auswirkungen des Krieges auf ihre 
mit dem offentlichen Leben eng verflochtene Organisation aufzufan* 
gen, zum anderen trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten ihren 
AuBendienst der Ausdehnung des groBeren Deutschland anzupassen, 
weiterhin das Verteilungssystem, das von jeher einem dauerhden 
Wechsel , unterworfen war und immer unterworfen sein wird, der in 
den letzten Jahren eingetretenen Entwicklung anzugleichen und 
schliefilich die kunftige kontinentale Zusammenarbeit auf kultur* 
wirtschaftlichem und urheberrechtlichem Gebiet bereits jetzt vorzu> 
bereiten. Moge der nach Kriegsende zu erwartende allgemeine kuh 
turelle und wirtschaftliche Aufschwung die wahrend des Krieges ge* 
troffenen MaBnahmen mit Erfolg kronen. 



Fritz Chlodwig Lange 

Zut jOper tier (Segenujort 



Die Geschichte der Oper wurde von einem klugen Manne einmal 
geradezu als deren Kriegsgeschichte bezeichnet, und zumindest wah* 
rend der Jahrzehnte seit Wagners Tode sind Krieg und Kriegsgeschrei 
in den Bezirken des musikalischen Theaters nie ganz verstummt. So 
ziemlich alle denkbaren (und auch einige weniger denkbare) Stile und 
Formtypen wurden als Patentlosungen aller mit dem Begriff „Oper" 
seit jeher verbundenen asthetischen Probleme angepriesen und zum 
giiltigen musikalisch*dramatischen Alisdruck des Zeitempfindens er* 
klart. Da gab es das Musikdrama, das dem Wagnerschen Vorbilde 
meistens sklavisch Und unschopferisch nachgeahmt war; zwischen* 
durch holten sich ein paar Spatlinge der romantischen Oper (z. B. 
„Der Trompeter von Sackingen" u. a.) Erfolge bei dem von allzu* 
vielen ebenso leitmotivgepanzerten wie undramatischen Sagenhelden 
ermiideten Publikum, bis die Maestri des Verismus mit ihren theaters 
gerechten Stoffen, geschickt gebauten Biichern und packenden, sang* 
baren Melodieen die Buhnen eroberten . Der liebenswerte Humperdinck 
fiihrte seine Zuhorer in den deutschen Marchenwald, und sein Schiller 
Siegfried Wagner - leider dem orchestralen Stil der vatertichen GroB* 
werke allzusehr verhaftet - suchte es seinem Lehrmeister in der Ge* 
staltungheitererMaren gleichzutun. Impressionismus und franzosischer 
Pointillismus (Debussy), Neuromantik und nationale Opernkunst 
des Auslandes bekamen auf der deutschen Opernbiihne voriiber* 
gehend Geltung. Wolfl>Ferrari erfreute durch seine feinsinnig zise* 
lierten Musiklustspiele; d' Albert schuf — zumindest in „Tieflaud" er* 
folgreich - eine Art von deutschem Verismus. Pfitzner baute nach 
seinen friihen Legendenopern den groBdimensionalen „Palestrina", und 
Richard StrauB § m g seinen wandlungsreichen Weg von der farbigen 
Symphonik einer „Salome" und „Elektra" iiber die melodischen Kost* 
barkeiten seiner Musizieropern („Rosenkavalier", „A r iadne", „A fa * 
bella") bis zu der reifen Meisterschaft seiner schonen Alterswerke 
(„Daphne", „Friedenstag", „Capriccio"). Das sind nur einige Haupt* 
stationen der letzten funfzigjahre deutscher bzw. europaischer Opern* 
geschichte. Soil man noch daran erinnern, daB auch sogar der ,Jazz" - 

89 



etwa in Kreneks „Jonny spielt auf" u. a. - den Opernstil einen Augen; 
blick lang umzupragen drohte, daB - auBer allerlei historisierenden 
und romantisierenden Versuchen - der motorische Expressionismus 
und andere blufFende Gerauschmusik sich auf der Biihne Gehor zu 
verschafFen suchten? 

Lassen wir das Vergangene ruhen! Voriiber, voriiber! "'•; 

Allerdings noch nicht lange voriiber. 

Zu den bedauerlichen letzten Nachwirkungen der vielen volksfrem* 
denExperimente undsnobistischen Kakophonien auf demOperntheater 
vor 1933 gehorte vor allem die Beeintrachtigung des Vertrauens, 
das man dem zeitgenossischen KunstschafFen entgegenbrachte. Allzu« 
oft hatte man sich ja in den neuen Opern geargert, noch haufiger ge< 
langweilt. Darum wollte man das Risiko eines Premierenbesuches nicht 
mehr eingehen. Die kriegsbedingte Hochkonjunktur der Theater hat 
allerdings - zumindest in den GroBstadten - hierin Wandel geschafFen; 
konnten doch im Jahre 1941 nicht weniger als 98 neue Opern auf 
deutschen Buhnen herauskommen, und auch der Skeptiker muBte sich 
davoh iiberzeugen, daB manche der neuen Opernmeister die, Kunst 
schoner Verzauberung in nicht geringerem MaBe zu iiben verstehen, 
als ihre groBen Vorganger. 

Daher ist das vielgehorte Schlagwort von der „Krise der Oper" zu< 
mindest insofern iiberholt, als das Iriteresse des Publikums fur neue 
Opern wieder geweckt ist, und es erscheint nur folgerichtig, daB es 
die zustandigen Stellen im Reichs?Propaganda*Ministerium sich jetzt in 
besonders starkem MaBe angelegen sein laBt, dem zeitgenossischen 
Schaffen den ihm gebiihrenden Platz im Spielplan auch da zu sichern, 
wo etwa ein Theaterleiter noch etwas zu zogernd an das Neue heran* 
geht oder sich nur auf eine propagandistisch besser auswertbare Ur* 
auffiihrung beschrankt, anstatt auch ein paar bereits erprobte neue 
Werke nachzuspielen. Damit hier ein richtiger Ausgleich geschaffen 
werde, ist durch eine generelle Regelung gewahrleistet, daB in einer 
gewissen Zahl von Neuinszenierungen ein bestimmter Prozentsatz dem 
zeitgenossischen Opernschaffen gewidmet sein muB. 

Ist nun so spielplanmaBig wie durch Werkauftrage und SchafFens* 
beihilfen fur die -Forderung der heutigen Opernproduktion get 
sorgt, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daB die neuen geistigen 
Inhalte, die uns aus den natiohalpolitischen Ereignissen der Kampf* 
zeit, der Jahre nach 1933 und des gegenwartigen groBen Ringens um 
die deutsche Zukunft, aber auch aus dem neuen Gemeinschaftsgefuhl 
erwuchsen, auf dem Gebiet des musikalischen Theaters noch nicht 
entsprechende neue Formen erzeugt haben. Allerdings: wohl auch 



90 



noch nicbt erzeugen konnten. Doch ist das Ringen urn einen uns, 
unserem Fiihlen und Erleben gemaBen Opernstil starker und vieb 
faltiger, als je zuvor. Widerspruchsvoll und fast feindlich stehen die . 
stofflichen, stilistischen, formalen und technischen Gegensatze ein* 
ander gegeniiber. Dem Horer wird es oft schwer gemacht, in der 
geradezu „babylonischen" Verwirrurig der musikdramatischen „Spra* 
chen" sich zurechtzuftnden. In dem. einen Punkte stimmen allerdings 
die meisten jiingeren Opernkomponisten iiberein, da8 sie eine un* 
mittelbare Ankniipfung an Wagner, die Obernahme seiner Grund* 
satze ablehnen und so den Willen des aller sklavischen Nachahmung 
abholden und dem „Neuen" das Wort redenden Meisters eigentlich 
getreulicher erfiillen, als die Wagner *Epigonen. 

Wenn man allerdings iiber Wagner binausgebend die Abkehr von 
jeglicber „romantischen" Tradition zum programmatischen Schlag* 
wort erhebt, so kann das bedenklich stimmen; denn die ,;Romantik", 
dies „Sich«ihrer*selbst*bewuBtwerden der deutschen Seele", bat die 
romaniscbe Erfindung „Oper" fiir uns recbt eigentlich zu einer deut* 
schen Kunstform gemacht, hat ihr andererseits iiberhaupt erst die 
Zunge zum Ausdruck des Unsagbaren gelost, so da8 auch die anderen 
groBen Opernvolker, die Italiener und Franzosen, in ihrem musika* 
lischen Theater die BeeinfluBung durch die deutsehe Romantik kaum 
je ganz verleugnen. So muB die von einigen jiingeren Opernkompo* 
nisten angestrebteWiederankniipfung an friihere Entwicklungsformen, 
etwa an die Barockoper, notwendig zu ausdrucksmaBiger Herabminde* 
rung fuhren. 

Auch die zum Teil auf Strawinsky zuriickweisende antiromantische 
Einfiihrung epischer Ausdrucksmittel in die Oper mag in besonders 
gearteten Ausnahmefallen vielleicht kiinstleriscb zu rechtfertigen sein, 
grundsatzlich aber kann sie nicbt als Fortschritt und Bereicherung, 
sondern nur als Riickkehr auf primitivere dramatiscbe Ausdrucksstufen 
gewertet werden. 

Nein, wir mochten jenes bekannte politische Uhland*Wort opern* 
asthetiseh abwandeln: „Es wird kein Haupt iiber dem musikalischen 
Theater leuchten, das nicbt mit einem vollen Tropfen romantischen 
Ols gesalbt ist." Im Gegensatz zu alien konstruktiven, oratorienhaften 
, und statuarischen Stilversuchen soil und wird die neue Oper ein im 
reinen Btihnensinne packendes Drama oder fesselnde Komodie dar* 
bieten. Doch muB das Libretto musikheischend und musiktrachtig, 
also reich an gefiiblsmaBigen, lyrischen Ruhepunkten sein. Alltagsstoffe 
iiberzeugend und musiknah auf die Opernbiihne zu bringen, ist bis 
jetzt nur selten gelungen. Doch verlangt der Horer mit Recht eine 

91 



Handlung, die ihm — in Erschtitterung oder in Heiterkeit — Sinnbild 
des eigenen Schicksals sein kann. Ein Werk von bleibender Bedeutung 
kann nur aus einem urschopferischen Geist erwachsen, der zutiefst 
mit dem Mythus eines Volkstums verbunden ist. Eine solche schop* 
ferische Kraft wird auch die wichtigste Wagnersche Forderung, die 
nach einem eigenen Stil, zu erfiillen vermogen. 

Die Musik muB und wird — im Gegensatz zu all dem ins Kraut 
geschossenen Rezitativ — wieder der Melodie ihr Recht geben. Nicht 
nur der italienische, sondern auch der deutsche unverbildete Horer 
verlangt in der Opernmusik mit Recht die Verbindung sinnfalliger 
Charakteristik mit einer inspirierten Melodik, die auch nach der Auf* 
fiihrung noeh als schones Erlebnis im He'irzen nachklingt. 

Man sollte nicht vergessen: nicht der Sprechgesang Cund ware er 
noch so „wahr" und an dramatischen Akzenten reich), nicht das geist* 
reichste Orchester gibt den Gestalten des Operntheaters ihre Unsterb; 
lichkeit; sowohl die lange Reihe unvergeBlicher Mozart*Figuren, als 
auch Leonore und Florestan, Max, Agathe und Annchen, Senta und 
ihr bleicher Partner, Tannhauser und Elisabeth, Carmen, Aida, Mimi 
und Musette, die Feldmarschallin und Oktavian, Ariadne und Bao 
chus -, sie alle leben kraft ihrer Melodien in unseren Herzen. Wenn 
Lortzing in den „guten Rollen" die sicherste Gewahr fiir den Erfolg 
einer Oper sah, so muB gesagt werden, daB es die einpragsamen und 
dabei charakteristischen Melodien sind, die in erster Linie die Opera* 
rolle zu einer „guten" machen. 

Venn nicht alles triigt, wird die kunftige deutsche Oper wieder 
eine Oper der Melodien, eine Musizieroper, sein. Die vielversprechen* 
den Ansatze dazu — auf mancherlei Wegen und verschiedenen geistigen 
Ebenen — . haben stets den begeisterten Dank der Horer, wenn auch 
nicht immer die Zustimmung der „Ziinftigen" gefunden, die ja von 
jeher das Kunstwerk eher mit fernliegenden „MaBstaben" messen, als 
es mit Herz und Sinnen, wie eben der normale Horer, aufnehmen. 

Da haben wir Carl Orff, den ziindend;ausdrucksstarken Rhythmiker 
und Melodiker, der aus Lied und Tanz sein Marchen vom „Mond" 
schuf, und der demnachst eine neue Marchenoper, „Die Kluge", her; 
ausbringt. Werner Egk, ein Meister der musikgewordenen drama* 
tischen Spannung und Atmosphare, gab sein bisher starkstes Werk 
im ,,Peer Gynt", dem die volkstiimliche „Zaubergeige" voranging, der 
eigene formale Wege gehende „Columbus" folgte; jetzt arbeitet er an 
einer besonders theaternahen Oper nach Calderon „Uber alien Zau* 
bern Liebe" C„Circe"). Cesar Bresgen lieB das „Dornroschen"<Mar* 
chen in einer bald tanzerischsspruhenden, bald lyrisch*holdseligen Me* 

92 



lodienfulle aufleben und hat jetzt ein Spiel aus dem Salzburger Barock 
(„Paris") vollendet. Heinrich Sutermeister wob mit seiner „Zauber* 
insel" eine wahrhafte melodische Verzauberung, die ihn, der schon in 
„Romeo und Julia" die Vereinigung von Melodie und scharfer Cha* 
rakteristik in der Art Mozarts undVerdis mit schonem Gelingen an; 
strebte, als eine der starksten Hoffnungen des Musiktheaters erscheinen 
laBt. OthmarGerster („EnochArden") und Herbert Trantow C,Antje") 
vertreten aufs gliicklichste den Typ der Volksoper, der sicb nach den 
frohlichen Klangen, seines „Schwarzen Peter" jetzt auch Norbert 
Scbulze („Das kalteHerz") und FriedWatter c„Kirmeskrapfen") zuge* 
wendet haben. Von Joseph Haas, ebenfalls einem Meister der volkstiim* 
lichen Oper, werden wir eine „Hochzeit des Jobs" horen. Volkstiimliche 
Ziige hat - mehr vom Stoff und Libretto, als von der Musik her - Mark 
Lothars lustiger „SchneiderWibbel". Hans Brehme macht sich in seinem 
„Uhrmacher von StraBburg" manche musikalischen Ausdrucksmittel 
zunutze, die den alterenMeistern volkstiimlicher deutscherOpernkunst 
zu ihren Erfolgen verhalfen, und auch Hans Stieber strebt in seinem 
interessanten „Dombaumeister" manche volkstiimlichen Wirkungen an. 
Einen besonders beachtlichen und urschopferisch wesentlichen Ansatz 
zu einemneuen popularenOpernstil hat Leo Justinus Kauffmann in seiner 
„Geschichte vom schonen Annerl" gemacht, deren operndramaturgisch 
ausgezeichnetes Buch nach Clemens Brentano von Reinacher und 
E. Bormann geschaffen wurde. Die historische Oper haben Fritz 
von Borries in seinem buhnenwirksamen „Magnus Falander" und 
Ernst Schliepe in seiner „Marienburg" mit modernen Mitteln kulti* 
viert. Reizvolle und sebr biihnengerechte Ansatze zu neuen Formen 
der BufFo*Oper machten der vom StrauBschen Opernstilherkommende 
Clemens Schmalstich in seiner „Hochzeitsfackel" und Julius WeiB< 
mann in seiner nach Holbergs „Vielgeschrei" gearbeiteten „Pfiffigen 
Magd", die sich durch eine besonders originelle Ausgestaltung der 
mit charakterisierender Begleitung versehenen Rezitative auszeichnet. 
Aber wie viele Namen und Werke miiBte man anfiihren, werin man 
Vollstandigkeit bieten wollte! Fiirwahr, fast unabsehbar ist die Reihe 
der Kiinstler, die am Werke sind, die deutsche Oper, inmitten groBter 
politischer und kriegerischerEreignisse, zu einer neuen Bliite zu bringen 
und zu erweisen, daB sie nicht eine Kiinst der Vergangenheit ist. Mit 
Zuversicht und empfangsbereiten Herzen durfen wir der Werke warten, 
die Spiegel und kiindendes Sinnbild unseres zu neuer BewuBtheit er* 
wachten Volkes sind. 



93 



Hans Joachim Moser 

"S>m uaosatt-Bilti unfcret Zeit 

Festrede auf der Reichs*Mozart*Woche 
am }. Dez ember 1941 in Wien 



Wenn wir im Zeichen des Gedenkens daran stehen, daB sich andert* 
halb Jahrhunderte seit Mozarts Hinscheiden gerundet haben, so soil 
das keine Toten*, sondern eine Lebensfeier sein. 1st damals ein GroBer 
mit nur fiinfunddreiBig Jahren dahingegangen, so ist er dadurch doch 
zugleich hiniibergetreten in die Unsterblichkeit machtiger Aus* und 
Einwirkungen auf die weiteste Kulturwelt. Und wenn die Musikfor* 
schung sich erfolgreich bemuht hat, das einstige kurze Dasein des 
irdischen Mozart immer deutlicher wieder aufzugraben, so steht jener 
Spanne von nur drei Jahrzehnten Kiinstlerleben eine Nachgeschichte 
von nunmehr funffacher Dauer gegeniiber, deren Verlauf mit zur 
weiteren Biographie Mozarts gerechnet werden sollte. 

Sie scheint von ihm zu handeln, und sagt' doch in Wahrheit fast 
mehr noch iiber uns und die nachgeborenen Geschlechter aus: wie 
das gemalte Portrat oft mehr dem Maler als dem Dargestellten zum 
Gericht wird. Es gehort zur Wesensbreite und zur eigentiimlichen 
Macht eines echten Genies, kaum einer der spateren Auffassungen 
giinzlich widersprechen zu miissen — alles, was wir an ihm ehrlich zu 
erblicken glauben, steckt tatsachlich in solchem Unerschopflichen mit 
darinnen. Aber was jeder Generation daran als besonders erregend und 
wichtig erscheint, das entlarvt am meisten sie selbst im Spiegel solches 
ewigen Brunnens. Suchen wir kurz die Stationen anzudeuten, die zum 
MozartJBild unserer Tage gefiihrt haben, so stellen die Auffassungen 
in HalbjahrhundertAbstanden ein ahnliches Stiick Geistesgeschichte 
unseres Volkes heraus wie die wechselnden Bach«, Goethe*, Schiller* 
oder KantAuffassungen. Daher darf erwartet werden, daB die Summe 
jener Mozart*Bildnisse einen umfassenderen, plastischeren, sozusagen 
stereoskopisch schaubaren Mozart ergeben werden, als wenn man 
immer nur einen zeit* und richtungsbegrenzten Mozart eigensinnig 
fur den allein richtigen und echten halten wollte. Wir aber vermogen 
keinen hoheren Zoll schuldiger Dankbarkeit darzubringen als das Be* 
miihen um immer intensiveres Eindringen in Personlichkeit undWerk, 
wir sind deshalb doppelt berechtigt, ja verpflichtet, nach seinen ge* 
schichtlich gewandelten Gestaltungen zu fragen. 

94 



Unter den groBten Zeitgenossen Mozarts ist seine Bedeutung, und 
Artung noch ziemlich richtig erkannt und bemessen worden. Obwohl 
Daniel Friedrich Schubart nur erst die „Finta giardiniera" kannte, 
sprach er schon daraufhin von dem „wunderbaren Genie Mozart" und 
von seinen „da und dort ziickenden Genieflammen". Oder Jean Paul 
schreibt im.Jahre 1800 in einem Brief an Herder gele'gentlich des 
Requiems von „Mozartischen Donnerwolken und seinen Nachtigab 
len". Viel zitiert sind iiber Mozart die menschlich so schonen Au8e« 
rungen des alteren Freundes Joseph Haydn, die sich etwa auf die Nach* 
richt von Mozarts Tode zu dem scbmerzlichen Ausruf verdicbteten : 
„Die Nacbwelt bekommt nicbt in hundert Jabren wieder solch Ta* 
lent!" Job. Friedr. Reichardt bemerkt in seiner „Musikalischen Zei* 
tung" aus der Berliner Sicht, daB der so einsam seine Zeit iiberflu* 
gelnde Seb. Bach wohl erst in Mozart den verwandten G e i s * gefunden 
habe, und Zelter fuhrt das treffend gegen Goethe dahin aus, daB das 
„Mystische", in dem er Seb. Bachs Eigentliches zu finden glaubt, bei* 
Mozart viel mehr als bei Ph. Emanuel Bach und bei Haydn vorhanden 
sei, so daB er jenem Altmeister Joh. Sebastian geheimnisvoll nahestehe. 
E. T. A. Hoffmann driickt ungefahr dasselbe so aus, daB Mozart „in 
die Tiefen des Geisterreiches fuhrt". Oder er sagt zu Mozarts Musik: 
„Furcht empfangt uns, aber obne Marter ist sie mehr Ahnung des 
Unendlichen. Liebe undWehmut tonen in holden Geisterstimmen; 
die Nacht geht auf in holdem Purpurschimmer, und in unaussprech* 
licher Sebnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die, freundlich uns in 
ihre Reiben winkend, in ewigen Spbarentanzen durch die Wolken 
fliegen. . . . Mozart nimmt mehr [als Haydn] das Obermenschliche, 
das Wunderbare, welches im inneren Geiste wbhnt, in Ahspruch." 
Hoffmann spricht gelegentlich des Duetts zwischen Donna Anna und 
Don Giovanni von den „entsetzlichen, herzzerschneidenden Tonen" 
und nennt diesWerk als Ganzes „die Oper aller Opern". Vollends 
Goethe! Sein bewunderndes Wort : „Die Entfiihrung aus dem Serail 
schlug alles nieder" (namlich auch Goetbes eigenen Singspieltypus), 
und seine hohe Begeisterung fur „Don Giovanni" und „Zauberfl6te" 
sind bekannt. Seine groBe und wahre Auffassung des Salzburger Mei* 
sters gipfelt recht eigentlich in dem Wort an Eckermann: „Mozart 
hatte den ,Faust' komponieren miissen!" Das war 1829; zwei Jahre 
danach berichtigt Goethe dem gleichen Vertrauensmann gegeniiber 
seinen eigenen Ausdruck: „Wie kann man sagen, Mozart babe seinen 
,Don Juan' komponiert — Komposition! als ob es ein Stiick Kuchen 
oder Biskuit ware, das man aus Eiern, Mehl und Zucker zusammen* 
riihrt! Eine geistige Schopfung ist es, das Einzelne wie das Ganze aus 

. ' 95 



einem Geiste und GuB und von dem Hauche eines Lebens durch; 
drungen, wobei der Produzierende keineswegs versuchte und stiickelte 
und nach Willkiir verfuhr, sondern wobei der damonische Geist seines 
Genies ihn in der Gewalt hatte, So daB er ausfiihren muBte, was 
jener gebot." Da haben wir einen Mozart, der seherhaft unter dem 
Diktat von oben schafft, getrieben von hochsten Machten. Der zu* 
nachst Letzte, der diesen damonischen Mozart voll erkannt und betont 
hat, diirfte der niederdeutsche Musikromantiker Ludwig Spohr ge* 
wesen sein, von dem unmittelbare Wege zu Schumann, Wagner und 
Brahms weiterlaufen, und zwar weniger in literarischen Zeugnissen als 
kraft seiner Kompositionspraxis : jene Mozartsche Chromatik und har* 
monische Farbigkeit, seine schmerzvolhreizsame SiiBe, die alle bei Beet; 
hoven bereits wieder zugunsten einer mannlich*heroisch geklarten Dia* 
tonik zuriickgedrangt erscheinen, sie bilden dieWurzeln des Spohr* 
schen Stils, von dem man sagen konnte, er bilde die Briicke vonMozarts 
r g*moll<Quintett iiber die „Jessonda" zum „Tristan". 

Es gehort auch zu den positiven Seiten jener Friihportrats, daB 
Mozarts Volksart schon klar erkannt wofden ist. So sagt Stendhal 
(Henri Beyle) 1 824 in seiner „Vie de Rossini" : „Mozart wird in Italien 
niemals den Beifall finden, den er in Deutschland . . . genieBt, aus 
dem ganz einfachen Grunde, weil seine Musik nicht fur jenen Him* 
melsstrich geschaiFen ist — die Liebe ist in Bologna anders als in Konigs* 
berg. . . . Bisweilen ist die Kraft von Mozarts Musik so groB, daB einem 
die Seele durch das Grenzenlose der heraufbeschworenen Vision ur* 
plotzlich von tiefster Schwermut ergriffen wird und sich darin verliert." 

Die entscheidende Wende der Mozart*Auffassung von Klassik und 
Rpmantik weg zum Biedermeier brachte iiberraschenderweise kein Ge; 
ringerer als Hegel mit seinem gewaltigen Ordnungswillen, um nicht zu 
sagen^ seinem gelassenenWunsch nach Ruhe, den er auch in der Musik 
und hier wieder bei dem von ihm sonderlich verehrten Mozart ge* 
spiegelt zu sehen wunschte.-Iri seinen Yorlesungen iiber Asthetik, die 
seit ihrem Erscheinen ( 1 83 j) uberall in der gebildetenWelt gelesen wud 
den, heiBt es: „So ist mir z. B. in den Symphonien Mozarts . . . der 
Wechsel der besonderen Instrumente oft wie ein dramatisches Konzer* 
tieren, wie eine Art von Dialog vorgekommen . . ., so daB hier in der 
anmutigsten Weise ein Zwiegesprach des Klingens und Wiederklin* 
gens, des Beginns, Fortfiihrens und Erganzens entsteht. Die Musik . . . 
erhalt von Seiten des Geistes her sogleich die Aufforderung, wie die 
Aflekte selbst, so auch deren Ausdruck, zu ziigeln, um nicht zum 
bacchantischen Toben und wirbelnden Tumult der Leidenschaften 
fortgerissen zu werden oder im Zwiespalt der Verzweif lung stehen zu 

96 



bleiben, sondern im Jubel der Lust wie im hochsten Schmerze noch 
frei und in ihrem Ergusse selig zu sein. Von dieser Art ist die wahrhaft 
idealische Musik, der melodische Ausdruck in Palestrina, Durante, 
Lotti, Pergolesi, Gluck, Haydn, Mozart" (schon diese Zusammensteh 
lung ist kennzeichnendb. Und Hegel fahrt fort: „Die Ruhe der Seele 
bleibt in den Kompositionen dieser Meister unverloren; der Schmerz 
driickt sich zwar gleichfalls aus, doch er wird immer gelost, das klare 
EbenmaB verlauft sich zu keinem Extrem, alles bleibt in gebandigter 
Form fest zusammen, so daB der Jubel nie in wiistes Toben ausartet 
und selbst die Klage die seligste Beruhigung gibt." Man muB sich zu 
dieser Hegelschen Kennzeichnung vergegenwartigen, daB es das Zeit< 
alter der nazarenischen Kunstideale war, und daB auf das Mozart*Bild 
nun vor allem der Gegensatz der machtigen Erscheinung Beethovens 
zuwirken begann, durch die der bisherigeSpitzenhalterderEntwicklung 
auf die Romantik zu plotzlich in die kiihlereBeleuchtung des Traditions; 
bewahrersversetzt erschien. Dafiirbezeichnend ist einBriefpassusMoritz 
Hauptmanns, des klugen, aber etwas philistrosen nachmaligen Tho* 
maskantors, der 1833 schreibt, er habe es bei den letzten Beethoven< 
schen Werken kaum mehr aushalten konnen : „Und es war, wenn dar< 
auf eines von Mozart gemacht wurde, als ob der Friede Gottes iiber 
einen kame." Und spater sagt Hauptmarin: „Ein siiBer Friede kommt 
auf mich, weiB nicht wie mir geschah, wenn ich an Mozart nur denke; 
und ich schame mich nicht zu sagen, daB in diesem Augenblick, wo 
ich an ,FigaroV ,Don Juan', ,Zauberflote' und ,Cosi fan tutte' denke, 
mir die hellen Tranen iiber die Backen laufen." Ganz ahnlich auBert 
sich Adalbert Stifter in seinen „Feldblumen" von i8jo. 

Diese Mozart^Schwarmerei ist selbst bei dem feurigen Genius Robert 
Schumann zu verspiiren, der bei der groBen g^molhSymphonie Mozarts 
nichts anderes zu horen vermeint als „griechisch schwebende Grazie", 
wahrend wir heute das Kopfthema eher (wenn ich meine eigene „Ge* 
schichte der deutschen Musik" zitieren darf) als „Flehen gehetzter 
Nachtgeister" umschreiben wiirden. 

Kennzeichnend nicht nur fur Schumanns Mozart;Bild, sondern zu< 
gleich fur den VorJMietzscheschen Akademismus in der Auffassung 
des klassischen Altertums ist sein Satz : „Heiterkeit, Ruhe, Grazie, die 
Kennzeichen der antiken Kunstwerke, sind auch die der Mozartschen 
Schule. Wie der Grieche seinen donnernden Zeus noch mit heiterm 
Gesicht zeichnete, so halt Mozart seine Blitze." Und immer wird 
Mozart jetzt mit RaiFael verglichen - mit einem RafFael freilich, so ein< 
seitig serafisch, wie man ihn damals sah! Es kommt um die Mitte des 
19. Jahrhunderts zu einer ausgesprochenen Formatverkleinerung, ja 

97 



Verniedlichung des Mozart*Bildes; das zeigt sich besonders greifbar 
auch in der Auffassung der bildenden Ktinstler von Mozarts Gestalt 
undWesen. Man sehe sich doch die zwischen i8j6 und 189I) den 
Zentenardaten, errichteten MozarbDenkmaler an: wahrend die On* 
ginalportrats 1770- 1790 von Helbling, Cignarolli, Jos. Lang, Leonh. 
Posch und Doris Stock den unansehnlichen, kaum mittelgroBen, aber 
geistdurchgliihten, verarbeiteten, schlieBlich leidenden Mozart phra« 
senlos gegeben hatten, stellt man jetzt einen ansehnlichen, glatt repra* 
sentativen Schonlingdar, konventionell, rokokohaft geschleckt, lachelnd, 
elegant, manchmal also wirklich nur eine Biskuitkomposition aus Ei, 
Mehl und Zucker. 

Und wie das erstemal Beethovens Auftreten einseitig die vermeintlich 
apollinischen Elemente an Mozarts Erscheinung gegensatzlich in den 
Vordergrund gebracht hatte, so geschah es das zweitemal durch die 
hochromantische Gestalt Richard Wagners. 

Der Bayreuther Riese selbst ist bekanntlich ein leidenschaftlicher 
MozartoVerehrer gewesen, der z. B. iiber die „Zauberflote in seiner 
Abhandlung „Uber deutsches Musikwesen" schon 1841 das schone 
Wort gepragt hat, das enthusiastisch die Deutschheit des Wiener Mei* 
sters betont: „Mozart selbst schloC sich der volkstiimlichen Richtung 
der deutschen Operette an und komponierte auf deren Grundlage die 
erste grofie deutsche Oper: die ,Zauberfl6te'. . . . Das Genie tat hier 
fast einen zu groBen Riesenschritt, denn indem es die deutsche Oper 
erschuf, stellte es zugleich das vollendetste Meisterstiick derselben hin, 
das unmoglich iibertrofien, ja dessen Genre nicht einmal mehr erwei< 
tert und fortgesetzt werden konnte." Schrieb dies an Mozarts jo. Todes* 
tag der Komponist des „Rienzi", so hat der Polemiker von „Oper und 
Drama" zehn Jahre spater, als er das Wirkungsfeld fiir sein kommen* 
des, dichtungentsprossenes „Kunstwerk der Zukunft" freiraumen 
muBte, dieAkzente bereits vollig anders gesetzt: jetzt ist ihm. Mozart 
der Vertreter der zu iiberwindenden musikantischen Konzertieroper. 
Er schreibt: „Fiir Mozart ist mit Bezug auf seine Laufbahn als Opern* 
komponist nichts charakteristischer als die unbesorgte Wahllosigkeit, 
mit der er sich an seine Arbeiten machte : ihm fiel es so wenig ein, iiber 
den der Oper zugrunde liegenden asthetischen Skrupel nachzudenken, 
daB er vielmehr mit groBter Unbefangenheit an die Komposition jedes 
ihm ^tufgegebenen Operntextes sich machte, sogar unbekummert dar* 
um, ob dieser Text fiir ihn als reinen Musiker dankbar sei oder nicht. 
. . . So hatte Mozart nur das unerschopfliche Vermogen der Musik 
dargetan, jeder Anforderung des Dichters an ihre Ausdrucksfahigkeit 
in undenklichster Fiille zu entsprechen, und bei seinem ganz unreflek* 

98 



tierten Verfahren hatte der herrliche Musiker auch in derWahrheit 
des dramatischen Ausdruckes, in der unendlichen Mannigfaltigkeit der 
Motivierung, dieses Vermogen der Musik in bei weitem reicherem 
MaBe aufgedeckt als Gluck und alle seine Nachfolger." Man.kann sich 
angesichts dieser Ausfiihrungen nur freuen, daB Wagner solch nur sehr 
begrenzter Musikhistoriker und begnadeter Musikdramatiker, nicht 
aber umgekehrt, gewesen ist! Denn er sah nicht, konnte und wollte es 
in seiner geschichtlichen Situation nicht sehen, daB Mozarts Gipfeh 
leistungen fur die Biihne nur eine andere, aber nicht geringere Losung 
des musikdramatischen Problems darstellen als die wortbestimmten 
Wagnerschen Reifewerke : die Oper als vollendetes Kraftespiel von ein* 
maligen Charaktereri, die der Musiker als Menschengestalter voll 
Dichterintuition mit Musikmitteln restlos ausgefofmt hat. Zwischen 
den literarisch betonten Musikdramatikern Monteverdi, Gluck, Wag* 
ner und dem anderen auBersten Fall, daB reine Musikanten Opern 
schrieben, also etwa vom Geprage Rossinis, Bellinis, Donizettis, zu 
denen Wagner Mozart stellen wollte, sehen wir diesen heute auf einer 
dritten, mittleren Linie stehen, zu der auch der Opernmeister Handel, 
zuder ein Weber und Verdi rechnen: vollendete Menschenzeichnung, 
aber mit Musik^, nicht mit Literaturmitteln erreicht. 

Es gehort zu den ironischen Wendungen der Geistesgeschichte, daB 
das sonnige Nur*Musikantentum Mozarts noch einmal richtigbestim*. 
mend durch einen groBen Betrachter festgelegt worden ist, der damit - 
nun aber aus ganz anderen Griinden — den Wiener GroBmeister gegen 
Wagner absetzen wollte: durch Friedrich Nietzsche. In „Menschliches, 
Allzumenschliches" (1879, also nach der Abwendung von seinem bis* 
herigen Triebschener Idol) verherrlicht er „Mozarts Anmut und Grazie 
des Herzens", immer unausgesprochen im Bestreben, sich neue Gotter 
zu errichten, die nichts von dem vermeintlich driickenden nordischen 
Dunst der Nibelheimbereiche kennen. So sagt Nietzsche ebendort: 
„Mozart findet seine Inspirationen im Schauen des bewegtesten siid* 
landischen Lebens; er traumte immer von Italien, wenn er nicht dort 
war." (Wozu man sich erinnere, daB Stendhal richtiger das genaue 
Gegenteil behauptet hatte.) Oder in einemBrief Nietzsches an Erwin 
Rohde (1886): „Wir haben helle, harmlose, unschuldige Mozartsche 
Gliicklichkeit und Zartlichkeit in Tonen notig." Und der Zarathustra* 

o- 

Dichter schwarmt weiter : „ . . . -der heitere, sonnige, zartliche, leichb 
sinnige Geist Mozarts, dessen Ernst ein giitiger und nicht ein furcht* 
barer Ernst ist, dessen Bilder nicht aus der Wand herausspringen wob 
len, um die Anschauenden nicht in Entsetzen und Flucht zu jagen. 
Oder meint ihr, Mozartische Musik sei gleichbedeutend mit ,Musik 

7 ' 99 



des steinernen Gastes7 Und nicht nur Mozartische, sondern alle 
Musik?" 

Der Einsiedler von SilsJVIaria und Turin formt sich also einen Mo; 
zart, den er antiwagnerisch mit seinen spaten Musik*Laren zusammen; 
sieht, mit dem Bizet von „Carmen" und dem Peter Gast des „Lowen 
von Venedig". Und doch war diese personliche Vorstellung eiri Mozart* 
Bild, das nicht unzeitgemaB genannt werden konnte, da sich bei einem 
solchen damals alles zusammenfand, was sich aus der drangendenTages* 
wirklichkeit des Wagner*Lisztschen „Fortschritts" in die riickschritt? 
lichen Gefilde eines sanften Akademismus fliichtete. Wie anders der groBe 
Dane Soren Kierkegaard damals mit seinem hellsichtigen Enthusiasmus 
fur die Damonie des Don Giovanni JVleisters ! Er leistete als einsamer 
AuBenseiter, was Nietzsche ohne seine Befangenheit im Wagner*Pro< 
blem zu Mozart auch hatte leisten konnen - und so geriet Nietzsche 
in diesem Fall sehr wider Wunsch und Wollen in die Front der Durch* 
schnittlichen. Kennzeichnend ist etwa der treffliche Schwabe Heinrich 
Adolf Kostlin in seiner Musikgeschichte von 1884 mit den Satzen: 
„Die Beseeltheit im Verein mit dem Adel der Formgebung gieBt iiber 
Mozarts Werke einen nicht weiter definierbaren sonnigen Glanz aus, der 
selbst dem Schmerze, wo er musikalisch dargestellt wird, etwas himm< 
lisch Verklartes gibt. Mit einem Wort, es kommt bei Mozart das 
Musikalisch*Schone zur vollsten und ausschlieBlichen Darstellung - 
das verleiht seinen Werken jenen wahrhaft beriickenden Zauber, dem 
kein unbefangenes Menschenkind widerstehen kann. Die vollqueh 
lende, mit seelischem Gehalte getrankte Melodie ist Tragerin des 
Schonen selbst, bei aller sinnlicheri Fiille und Kraft abgelost yon der 
Erdenschwere, geistig und leichtgebaut — so wie es eben das Schone 
als der Geist in sinnlicher Form selbst ist." Ernst Otto Lindner hatte 
1864 die Formel gepragt, in Mozart sei „die ganzeWelt tonkiinstle; 
risch zu ihrem naiven Ausdruck gekommen". Emil Naumann (J.) etwa 
verkiindet als Vertreter einer ganzen Gruppe von Autoren 1 &7J '■ . 
„Wahrend Mozart den Kenner hinreiBt und ihn immer neue Tiefen 
des musikalischen Ausdrucks, immer entztickendere Schonheiten der 
Form und des reinsten, einschmeichelndsten Wohllautes entdecken 
laBt, ist er zugleich der popularste unter den Heroen der Tonkunst : 
so volkstiimlich, daB seine Melodien ebensowohl durch die Glocken* 
spiele deutscher Tiirme und von Spieldosen und Spieluhren reprodu* 
ziert werden, als in StraBen und Gassen, in Feld und Wald vom. Volk 
selbst gesungen, getrallert, zur Unterhaltung, ja sogar zum Tanz auft 
gespielt werden." Dagegen halte man die Meinung Goethes zu Ecker* 
mann rund fiinfzig Jahre zuvor : „Meine Sachen konnen nicht popular 

100 



werden - ist derm Mozart popular? ist es derm Raffael?" Gerade wir 
heute werden es nicht tadeln, wenn Naumann an Mozarts vielen Seiten 
gerade die volkstiimliche hervorhebt; aber der Unterschied beider 
Standpunkte ist doch bezeichnend nicht -nur fiir die Blickweise beider 
Frager, sondern auch fiir den Abstandswandel : wahrend das Mozart* 
hdren einem Goethe noeh fortwahrend uberraschendNeuesundUnge* 
wohntes bringen muBte, war das einHalbjahrhundert spater erheblich 
anders, so dab Mozart*GenuB j etzt als Vergmigen an der steten Wieder* 
begegnung mit langst Bekanntem aufgefaBt werden konnte. „Reich 
mir die Hand, mein Leben", „In diesen heilgen Hallen", „Ihr, die 
ihr Triebe", „Kdmm lieber Mai", „Ein Madchen oder Weibchen" 
- das und noch viel mehr gehorte hundert Jahre nach Mozarts 
Tode zum Volks*, Haus* und Schulliederbestand der Deutschen und 
wurde in hunderterlei Transkriptionen gegeigt, geblasen und geklim* 
pert, dieser Ausschnitt war auf dem bestenWege, als „absinkeftdes Kub 
turgut" sich ins UnterbewuBte unseres Musikbesitzes zu verfliiehtigen. 
Mozart gait damals als Mittelstiick des feststehenden „Wiener Drei> 
gestirns" Haydjv-Mozart-Beethoven, indessen problemlosemBesitzman 
sich sonnte/Mozart war der legitime Lieblirig unserer GroBtanten ge* 
worden/der UberdruB daran erklart, daB damals sogar ein neudeutsches 
Pamphlet unter dem Titel „Mozartheuchelei" (von Paul Zschorlich) 
hat/erscheinen konnen. Und auch der Auffiihrungsstil der Mozartschen 

festerwerke entsprach dem weitgehend: man gab „Figaro" und ,,Don 
Juan" (keinMensch sprach mehr. von „Don Giovanni") an den meisten 

Arten Deutschlands in behabigem Tempo als biedere Singspiele mit ge* 
spVochenem Dialog und durchschnittlich mit jener feststehenden Rou* 
tine, die besser mit „Schlamperei" zu iibersetzen gewesen ware. Dazu 
gehort, daB die damaligen Klavierausziige seit Neefe und Aug. 
Eberh. Miiller immer nur die Ouvertiire, die Arien und Ensembles, 
nirgends aber die Seccorezitative boten - diese Helen ja im deutschen 
Theater uberall weg. Bezeichnend ist etwa fur Wien, daB Max Kalbeck 
i. J. 1 88 1 schreiben muBte: ,,Eine in alien Teilen sorgfaltig heraus* 
gearbeitete Auffuhrung des ,Don Juan' gehort ndch immer zu deil 
unbefriedigten Wiinschen. . . . Denn es handelt sich dabei nicht um 
etliche Zutaten und Veranderungen, sondern um einen Bruch mit der 
traditionellen Schablone uberhaupt." Diese Erneuerung ist dann in 
Wien 1887 bei dem Zentenarjubilaum desWerkes auf Grund der 
Kalbeckschen Ubersetzung begonnen worden. Gb Grandaur in Miin? 
chen oder Frh. v. Wolzogen in Schwerin, ob Bulthaupt in Bremen oder 
andere Dramaturgen und Regisseure sonstwo, das BewuBtsein neuer, 
strengerer Verantwortlichkeit begann sich gegeniiber den Biihnen* 

101 



werken erstmals zu regen, unci die., wiewohl ungleichwertige, Gesamt* 
ausgabe erweckte ahnliche Fragen nach der Werktreue auch fur die 
iibrigen Mozartschen Schaffensbereiche. Ich glaube, ein noch ent* 
scheidenderes Verdienst um das neue Mozart *Bild als alle Musikphilcv 
logie hat da ein groBer Kunstler gehabt, Richard StrauB, der den drei 
Buffoopern Da Pontes alsBerlinerHofkapellmeister um 1900 ein neues, 
elektrisches Fluidum, ein faszinierendes Brio zukommenMieB, die 
Seccos selber mit kiihner Freiheit der Motiveinverwebung amNFliigel 
aus dem Stegreif begleitete und so die Interpretation - wenn ein Aus* 
druck aus der heutigen Technik gestattet ist - erst wieder „auf voile 
Tourenzahl" brachte. Darstellungen wie derDonGiovanniDAndrades, 
so wie ihn Sleevogt gemalt hat, bezeugen diesen sozusagen impression 
nistischnflockig und zugleich gedankenscharf gesehenen Mozart voll 
neuentdeckter, elektrisierender Spritzigkeit. 

Nun aber erhoben sich auch wissenschaftliche Fragestellungen von 
grundsatzlicher Art. Die MozartnForschung hatte sich jahrzehntelang bei 
dem Bilde beruhigt, das der hochverdieiite Bonner Archaologe Otto Jahn 
i8jj fiir den bevorstehenden 100. Geburtstag des Meisters gezeichnet 
hatte - kritisch raumte Jahn mit manchen anekdotischen Legenden 
auf, die seit Schlichtegroll, Niemetschek, Rochlitz und Nissen fort« 
bestanden hatten, und setzte doch zugleich unbewuBt eine neue Legende 
an die Stelle der vorigen, die kurz zuvor schon Ignaz v. Seifried gepragt 
hatte, die von dem Gotterliebling, der von Kindesbeinen an mit jedem 
Werk die bisherigen anerkannten Leistungen auf dem betreffenden 
Gebiet sofort aus dem Sattel geworfen habe. Es war also noch der friihe 
Typ der Heroendarstellung, dem die notwendigen Kenntnisse der vor 
und neben Mozart giiltigen Leistungen fehlte, so daB der Held fast 
hintergrundslos alles Licht allein erhielt. Andererseits war es spater 
eine arge Vergroberung, zu behaupten, auch Jahn habe nur den 
„Sonnenjungling" Mozart gekannt. Seine Analysen bedeuten schon 
eine gewaltige Vertiefung gegen die bis dahin ublichen, wenn ja auch 
seine reaktionare Steliung gegen Wagner Jahns Farbengebung spiirbar 
dampfi. Wenn man denkt, wie revolutionar neu etwa der Prager Nie* 
metschek bei der dortigen Erstauffiihrung anno 1783 Mozarts „Ent< 
fiihrung" empfunden hatte, so ist bei Jahn von solchem Konquista* 
dorentum der Mozartschen Kunst nicht gern die Rede - Mozart ist 
ihm doch bei aller Anerkennung leidenschaftlicher Schmerzakzente 
mehr der Genius des musikalischen Wohlverhaltens und der miihelose 
Uberfliigler der Italiener. Der erste, der hiergegen aus reicheremWis^ 
sen um die Leistungen des damaligen Italien protestierte, war 1 87S bis 
1 882 Friedrich Chrysander, noch umfassender ist esHermann Kretzschn 

102 



' mar gewesen mit seinem Aufsatz im Peters>jahrbuch von 190J „Mozart 
in der Geschichte der Oper". Wenn Kretzschmar da zu behaupten 
wagte, Mozart bleibe in seinem „Titus" weit hinter den gleichzeitigen 
Italienern zuriick, so erscheint uns diese RelatLvierung heute schon 
wieder einigermaBen iiberholt -und doch hat jene skeptische Revolu* 
tionierung ihren groBen kritischenWert gehabt, gait sie doch nicht 
nur der historischen Gerechtigkeit zwischen den Nationen, sondern 
aucK einer viel tieferen Erforschung dessen, worin denn eigentlich 
Mozarts Anders? und Besonderssein im Vergleich zur damals tatsach* 
lichen Musikumwelt bestanden habe. Man begann nun allgemeiner - es 
ist dabei aueh der anregungsreiche AlfredHeuB mit Ehren zu nennen - 
das Antlitz des Meisters von vielen verhiibschenden Biedermeieruber* 
malungen zu reinigen, man entdeckte uberraschend kiihne, originelle 
Ziige, die man kaum geahnt hatte. An diesem Punkt verdient der 
Dresdener Mozart*Forscher Arthur Schurig Hervorhebung, der in sei* 
nem zweibandigen Werk von 191 3 mit Scharfe, in der Neubearbeitung 
von 1923 gemildert unter den Illusionen der Otto Jahnschen Idealisie* 
rung aufgeraumt und einen niichtern realen „Mozart" an deren Stelle 
gesetzt hat. Es ist hier nicht der Ort, die neuen Bestandsaufnahmen an 
Tatsachlichem alle aufzuzahlen, die bei Kochels Werkverzeichnis samt 
dessen Neubearbeitungen liegen, die bis ins Kleinste gehende EinfluB? 
analyse bei den Jugendwerken durch die scharfsinnigen Franzosen 
deWyzewa und Graf George Saint Foix, die kritische Briefsammlung 
Ludwig Schiedermairs, alle Kleinforschung in der Zeitschrift der 
Mozart *Gemeinde, die Urtextausgaben der Berliner Akademie der 
Kiinste usw. 

Nun aber ist mit groBterWarme undVerehrung der Mann zu nem 
nen, dessen Name in keinem Mozart*Vortrag von fachwissenschafb 
lichem Anspruch fehlen darf : Hermann Abert. Denn all dieses neue 
Erkenntnismaterial floB wie in einem Zentralarchiv in seiner hervor* 
ragenden Mozart*Biographie von 1919/20 zusammen, die zwar noch 
dem Namen nach eine vierte Auf lage des Jahnschen Werkes sein wollte, 
inWahrheit aber etwas vollig Neues gebracht hat - durchsetzt mit 
ausgezeichneten Gattungsgeschichten, die zu jeder von Mozart be? 
dachten Werkgruppe wahre Entwicklungsstammbaume beitrugen. Vor 
allem fand sich hier jene neue Mozart*Auffassung durchgesetzt, von 
der man sagen darf, daB sie recht eigentlich „das Mozart*Bild unserer 
Zeit" begriindet hat : das unbestechlich „sachliche" Bild des Musikers, 
in dessen Schaffen wieder die alte damonische GroBe, das gliihend 
ernste Ringen um die letzten Dinge, das bei aller Formenvirtuositat 
zutiefst Erlebte des Gestaltens neu entdeckt und bewiesen hervortritt. 

103 



■Si 



Das war ein bewuBter Bruch mit jenem 19. Jahrhundert, das mit pup? 
penhaften Gipsbiisten namens Mozart die Konzertsale und Opern* 
foyers ausgeschmiickt hatte, und es ist begreiflich, daB in Wien ein 
damals herrschender alter Musikhistoriker hinter dem verlorenen 
gepflegten Schonling seiner Jugend vernehmlich herklagte. Aber der "*% 

Neugewinn war doch ein unvergleichlich hoherer ! 

GewiB kann sich auch die objektivst eingestellte Forschung nie ganz l\ 

der eigenen Zeitstimmung entziehen. Trotzdem darf betont werden, 
daB Saint Foix und Abert, in ihrem Gefolge oder ihrer Richtung aueh '" 

Schurig, Schiedermair, Rob. Haas, Paumgartner usw. sich auf weit ver< 
laBlicheren Untergrund als die friiheren Deuter der Mozartschen Er< 
.scheinung gestellt haben — nicht nur indem sie viber umfassendere 
und prazisere Material* und Umweltkenntnis verfiigten, sondern weil 
sie sich vor allem auf das im Kern allein wichtige Material stiitzten : 
auf die Mozartschen Tonwerke selbst. GewiB kann auch die Analyse 
gelegentlich subjektiv vorbeischieBen, denn sie geht nun eihmal durch 
das Medium der analysierenden Personlichkeit hifldurch, deren Tern* 
perament.und Voriiberzeugtheit nie ganz auszuschalten ist, Man hore 
aas gleiche Mozartsche Klavierkonzert das eine Mai von Gieseking 
oder Cortot, das andere Mai von Edwin Fischer oder Wilhelm Kempff 
gespielt, dann hat man die ganze Weite der Niiancierungsmoglich* 
keiten von Spieldosenzierliehkeit bis zu romantischer Ausdrucksinter* 
pretation vor sich! Immerhin wird der kunstwissenschaftliche Analy* 
tiker nicht so frei wie der reine Kiinstler verfahren. H. Abert z.B. ist 
dadurch, soweit sich heute beurteilen laBt, vor entschiedenen MiB* 
griffen bewahrt geblieben, hat vielmehr das innere Portrat Mozarts 
aus denWerken der verschiedenen Altersstufen denkbar zuverlassig 
zusammengebaut; so verzeichnet er schon in Fruhwerken nach spru* 
delnden Satzbegirinen die baldigen uberraschenden Abbiegungen in 
griibelnde Nachdenklichkeit. Er hebt in DunStiicken die „blutzie* 
henden" Moll *Trubungen und Mozarts rhythmische Energie hervor. 
Ein anderer Mozart<Kenner jener Jahre hat die diskret „fallenden ■ 

SchluBpointen" als Kennzeichen seines dramatischen Stils heraus* ;; 

gearbeitet. Oder man denke an die oft anzutrefiende Vielthemigkeit '.;■' 

der Mozartschen Sonatensatze — das sind objektiv feststellbare Merk* 
male seiner geistigen Artung, seiner iiberquellenden Wesensfiille, 
die iiber ihn genau so verlaBliche und tiefgreifende Aussagen machen, 
wie gegenteilige Befunde bei anderen Meistern deren sparsame Phan* 
tasie und geistige Okonomie bezeugen wiirden. NaturgemaB wird es 
bei der Saint > Foixschen Auffassung zahlreicher sich folgender Stih 
Wend<?n, die ja nicht nur einen Wechsel der Vorbilder, sondern auch 

104 • 



der Gestaltungsmethoden innerhalb des Mozartschen Schaffens her> 
ausmodellieren, schwierig, sich das gemeinsame Band der Dauereigenart 
Mozarts immer klar zu vergegenwartigen. Ihr Prinzip ist gewiB alles 
andere als die Prinzipienlosigkeit gewesen, sie springt uns unverkenn* 
bar entgegen, auch wenn sie sich kaum in Begriffe und Worte fassen 
laBt.Wenn nach solch feinster Verastelung der Auslegung auchwieder 
zum Zusammenbau gedrangt werden muB, so wird dessen Ergebnis 
nur unvergleichlicb plastischer und gestufter herauskommen als zuvor. 

Diese Plastik, diese gesteigerte Scharfe der Ziige ist vor allem durch 
kraftigere Striche im Antlitz hervorgerufen. Ich meine damit nicht 
die grausame Lust, etwaige Schatten der Mozartschen Personlichkeit 
hervorzuheben, wie in Vergroberung der Schurigschen Illusionslosig* 
keit heuer ein Buch wieder eihmal seine Stubenmadeleien zu einer 
Hauptsachehatmachenwollen. Eherz.B. dasGrundtimbre derSchwer? 
mut, fjir das der neueste Mozart sBiograph, Egon v. Komorczynski, 
treffend auf all die herrlichen gimoll'Schopfungen und auf die so be* 
sohders personlich gehaltenen c*moll<Klavierwerke hingewiesen hat. 

Die geschilderte Veranderung der Mozart*Auffassung laBt sich auch 
aus gewissen spurbaren Verschiebungen innerhalb des heutigen Mo« 
zart*Repertoires von Konzertsaal und Oper bestatigen — beide hangen 
wechselseitig zusammen : so ist etwa der im Biedermeier hochbeliebte 
„Titus" gegen ehedem stark zuriickgetreten, und neben die Mozart* 
schen Klavierwerke sind diejenigen von Beethoven, Chopin, Schu* 
mann, Brahms vorgeriickt; dafiir gehoren beispielsweise die einst fast 
unbekannten Violinkonzerte jetzt zum eisernen' Bestand. Das sind 
nicht so sehr Geschmackswandlungen als Bediirfnisfragen. Am bemer* 
kenswertesten ist da ; wie z.B. Don Giovanni heute spiirbar etwas gegen 
Cosi fan tutte zurucktritt; und warum? Der „Oper aller Opern" ist 
ein Jahrhundert romantischer Musikdramen nachgefolgt, die sich 
durch starke Reizmittel in der Schatzung des groBen Publikums nach 
vorn gedrangt haben, wahrend Mozarts „Opera*seria"A.nteile man; 
chen Horer bereits etwas historisch anmuten. „Cosi fan tutte" aber 
steht jetzt als ein Opus sui generis unicum in endlich entdeckter Herr* 
lichkeit da — ein Triumph vollendeter Stilreiriheit des Wiener Rokokos, 
als ideale Vertreterin der moralinfreien Musikkomodie, als vielleicht 
lebendigstes Abbild der Mozart*Mythe, wie wir sie heute ahnen mit 
ihrer gefahrlich^erotischen, heiter<skeptischen Ironie. Joseph Gregor 
hat den Griinden dieser neuen Hochschatzung iiberzeugend nach> 
geforscht. 

Diese Verdunkelung und Vertiefung des Mozart*Bildes zeigt sich 
auch in der dichterischen Mozart<Gestaltung. Von Morikes Novelle 

\ 105 



iiber die Prager Reise bis zu Karl Sohle einschlieBlich wachst aus anek* 

dotischem Grunde ein liebenswerter, mehr harmloser als zunachst 

bedeutend wirkender Mozart auf, in den eine giitige Laune der Vor* 

sehung den himmlischen Musikanten hineinversteckt hat. Wenn mans 

chem heut dies Morikesche Mozart*Bild nicht mehr ganz geniigen 

will, so eben, weil es mit seiner Zeit allzu eng stilverbunden war. Erst 

in unserer Generation hat sich das dichterische Mozart<Bild entschei* 

dend gewandelt: so in der „Requiem"*Novelle der Susanne Trautwein 

und vor allem in dem „Requiem"*Drama des Jenaer Juristen Heinrich 

Gerland, das ich fur die bedeutendste bisherige MozarkDichtung 

halte : hier ist von vornherein Mozarts Gestalt in alien Fasern von damo* 

nischer Schicksalsgewalt umwittert, hier ist sie einmalige Tragerin eines „« 

wahrhaft gedankentrunkenen Todesmythos geworden. Man darf dieses 

neue, vertiefte Mozart*Bild nicht fur eine einfache Zeitmode halten, 

die sich an die Stelle des biedermeierlichen optimistischen Bildes ge< 

setzt habe und als ein Irrtum so gut wie jenes vorige angesehen werden 

konne, gewissermaBen als bloBe Geschmacksverschiebung. Sondern es 

ist doch wohl so, daB das neue Mozart*Bild des 20. Jahrhunderts als 

ein gewonnener und erarbeiteter Kenntniszuwachs zu demjenigen des ' 

19. Sakulums hinzugekommen ist. Beide stehen nicht einfach neben* 

einander zu beliebiger Auswahl je nach Lust und Stimmung des eim 

zelnen Horers und Verehrers, sondern sie erganzen und iiberdecken 

sich auf ganz eigentumliche Weise. Man kann das Verhaltnis beider 

etwa so bestimmen : gewiB, wir haben durch scharferes Hineinhoren 

und durch analytisches Abheben der Mozartschen Sondersprache vom 

damals Zeitiiblichen den damonischen Menschen und Kiinstler Mozart 

wiederentdeckt; aber es ware verkehrt, daruber alles Seraphische, Ge« 

ordnete, Heitere seiner Kunst zu unterschatzen oder gar als unwesent* 

lich wegschieben zu wollen. 

Hier gilt es, gerade von Mozart her, auch zu einer Klarung der 
Zweiheit des Apollinischen und Dionysischen zu gelangen. Einmal 
kommt zum Gliick weder der eine noch der andere beider Kiinstler* 
typen jemals hundertprozehtig chemisch rein vor, sondern stets in 
Mischungen, wobei nur die Anteilquoten und dam.it die Setzung 
der Hauptbetonung wechseln - selbst bei Mozart mochte man manch* 
mal von Satz zu Satz einer Symphonie, vom Durthema zum Mollthema 
innerhalb eines Satzes das Vorzeichen, ob mehr apollinisch oder mehr 
dionysisch, vertauschen. Vor allem hiite man sich, in diese Artunter* 
schiede Wertunterscheidungen einzumischen! GewiB, als Nietzsche 
1 870 mit unter dem EinfluB desWagnerschen Prophetentums dem „bloB 
noch" apollinischen, um nicht zu sagen, zu Akademismus und Auf kla« 

106 



rungverwiesenenEuripid.es undSokrates die damonischeDionysiermythe 
von Aischylos und Heraklid entgegensetzte, war en ihm das noch Wert? 
unterschiede - neun Jahre spater, wie wir sahen, gab er dem neuen Gotte 
Mozart alle Konigsinsignien eines Apolliniertums, das nun iiber die 
Manadik des alten Weingottes triumphierte. Darum : wenn wir Mozart 
hochste Ehren zuschreiben, so darf er nicht ein geringerer Mozart 
heiBen, dem wir auch Ordnung, Heiterkeit, Klarheit zuerkennen. Und 
umgekehrt : wir diirfen Mozart nicht, weil er uns ersten Ranges diinkt, 
zum Dionysier urn jeden Preis stempeln wollen und ihn dort mit 
tragischem Pathos beschweren, wo er spriihend heiter zu spielen ist. 

Gerade weil wir den Anteil des Chaotischen, Damonischen, Pessi* 
mlstischen in Mozarts Natur scharf erkannt haben, ergibt sich die 
stilhafte Harmonie, die edle Formenbandigung, die bliihende Selig* 
keit seiner Werke doppelt als Charakter* und Kunstleistung, als Lebens* 
aufbau eines der groBten Menschen unseres Volkes, den wir deshalb 
ganz besonders lieben und verehren und anderen Volkern als den 
unsern stolz yor Augen halten diirfen. Denn er zeigt gerade solche 
erworbenen und erarbeiteten Eigenschaften in der Vollendung, die 
unsere Gegner und die Nichtkenner deutschen Wesens uns gern als 
weltenfern absprechen : die „Maze" und „Fuoge", die zarte Diskretion, 
die kluge Zuriickhaltung, die Ausgewogenheit zwischen Rahmen und 
Inhalt bei aller drangenden Fiille des zu Sagenden, eben : die Klassi* 
zitat. Unsere Feinde hohnen wohl: ja, so war Deutschland in solch 
seltenem Hochstfall vielleicht hie und da vor hundertfunfzig Jahren! 
Nein, die wirklich lebendige und allgemeine Mozart* Verehrung bei 
uns, die ja nicht bloBe Kalenderbeflissenheit an Jubilaumstagen ist, 
beweist, daB wir auch heute noch so sind, daB wir nicht nur einen an* 
geblich klotzigen Teutonismus in uns haben und hegen. Und wenn 
unser Mozart*Bild unbewuBt darauf zielt, all diese Feinheit, Vornehm* 
heit, Klugheit Mozarts neben und iiber seine bliihende Anmut und 
himmlischen Gottesgaben zu stellen, so spricht das unserem heutigen 
geistigen Deutschland vielleicht kein ganz schlechtes Zeugnis aus. Es 
wird Aufgabe der Zukunft sein, diese Gerichtsprobe der MozartsPflege 
immer noch besser zu bestehen. 

An diesem Punkt erhebt sich wie von selbst die Frage, in welcher 
Richtung sich wohl kiinftig das Mozart*Bild entwickeln werde und 
welche Aufgaben sich zu diesem Ziele der kommenden Mozart*For« 
schung darbieten. Ich glaube, daB uns weniger als weitere biographische 
und bibliographische Daten immer eingehendere Einzelerforschung 
der Werke an sich und in ihremgegenseitigen zeitgeschichtlichen Zu* 
sammenhang not tut. Wahrend iiber die Entwicklung der Friihwerke 

107 



minutiose Forschungen vorliegen, sollte man nun jetzt vor allem von 
den letzten Reifewerken aus riickwarts schreiten und sie formell vvie 
harmonisch immer tiefer schiirfend analysieren, und zwar vor allem 
sub specie der Mozartschen Gestaltungspsychologie. Hier konnte ver* 
mehrte Kenntnis der Werkbeziehungen untereinander noch zuman< 
cher Entdeckung AnlaB geben; um nur einige Beispiele zu nefinen : 
zwischen dem D*dur*Flotenkonzert und Blondcheris Arie „Welche 
Wonne, welche Lust", zwischen einer Ilia Arie, dem Andante der 
g*moll*Symphonie und Taminos Bildnisarie, zwischen Holzbauers 
„Wenn das Silber detner Haare", dem Mozartschen Hornkonzert 
Kochel 447 und der Sarastro*Arie „0 Isis und Osiris", oder zwischen 
Mozarts Lied „An Chloe" und -mehreren seiner andef en Vokal* wie 
Instrumentalwerke schlagen sieh solche Beziehungsbriicken, die sich 
gegenseitig sinnvoll zu erhellen vermogen. 

Dann ware z.B. eine Darstellung der Mozartschen harmonischen 
Neuheiten, seiner aus demBarock iibernommenen, aber neu gepragten 
Septj und Nonakkordketten, dann seiner Chromatik und deren 0ber< 
springen Zurnal auf Schubert und Spohr hin vonnoten und forderlich 
als ein Hauptkapitel der noch ungeschriebenen Hohengeschichte unse; 
rer deutschen Harmonik mindestens von Schiitz und Bach bis zu 
Schubert und Wagner. Ich stelle mir vor, jene noch auBerordehtlich 
zu vef feinernde Kenntnis des Mozartschen Personalstils miiBte zu 
einem Grade der Sicherheit gelangen, der es einmal ermoglichen wird, 
in so umstrittenen Fragen der Echtheit wie heute etwa beim Es<dur> 
Violinkonzert und dem Adelaide* Konzert, im Verlauf des „ Requiems" 
oder bei der Ballettmusik „Die Rekrutierung" zu vollig sicherem Ja 
oder Nein zu gelangen. Eine der wichtigsten Aufgaben aber wird es 
sein, eine Personlichkeit wie' Mozart fiir die Rassentypologie, die deut* 
schen Stammesfragen und die Erforschung des deutschen National* 
charakters sowie ihre Stellung im gesamtabendlandischen Konzert 
immer tiefer zu begreifen und auszuschopfen. 

Alfred Orel hat die gliickliche Formulierung gefunden : „Mozarts 
deutscher Weg" ; darunter laBt sich zweierlei versteheii: einmal Mo* 
zarts . geradliniger Weg aus der gegenreformatorisch iiberfremdeten 
Jiigendwelt zu immer' bewuBterem Bekenntnis seines Deutschtums — 
Mannheim, Paris, Entfuhrung, Zauberflote bilden die Hauptstationen 
fiir den immer starkeren Durchbruch seiner individualistischen Son* 
derartung durch alle Schichten fremder Kunstformeln hindureh. Aller* 
dings suche man die „Deutschheit" bei Mozart nicht als patriotische 
Phrase, sdndern in ihrer schwerstwiegenden Bedeutung : all ihre schil* 
lernde Zwischenfarbigkeit, auf der einen Seite den schier grenzenlos 

108 



ausgreifenden Weltdrang und aucbwieder die griibelnde Innenschau, 
den Hang zum Irrationalen und Metaphysischen, aber auch rein musi< 
kantisch das liedhafte Aussingen seines Herzenstons voll ewiger Jung* 
lingssehnsucht und im keuschen Uberschwang derNaturseligkeit. Zum 
andern heiBt „deutscherWeg" Mozarts deutscher Leidensweg — d. h. es 
gilt ein immer klareres Erkennen, wie schwer es die Mitwelt allezeit unse* 
ren groBten und treuesten Sohnen gemacht hat. Das bedeutet yor 
allem eine kulturpolitische Lehre fiir Gegenwart und Zukunft, die 
man immer deutlicher in der Praxis anzuwenden lerne: es geniigt 
nicht, den Uberdurchschnittlichen erst hundert oder hundertfunfzig 
Jahre nach seiriem Tode zu verherrlichen; sondern man begreife seine 
GroBe schon bei Lebzeiten und mache es den schopferischen Men* 
schen, solange sie noch selbst etwas davon haben, ein wenig schoner 
und leichter als ehedem! 

Doch zuriick zu den fachlichen Aufgaben der Mozart^Forschung ! 
Wie uns fast durchgangig Untersuchungen der Stil* Ausklange fehlen, 
so wiirde auch im Fall Mozarts eine aligemeine Nachgeschichte seiner 
musikalischen Auswirkungen wesentlich sein - so finden sich in der 
Pariser Schreckensoper „Camilla" des Italieners Fernando Paer ganze 
Figaro'Szenen nachgebildet •— , es seien dafiir dann alle groBen deut* 
schen Meister, Beethoven wie Schumann, Brahms wie Reger genannt, 
wozu meine heutigen Ausfiihrungen nur eine schmale Seitenskizze 
darzustellen vermogen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daB erst noch 
kiinftiges Schaflen hierzu wesentliche Beitrage liefern wird, weil Mo< 
zarts geschichtliche Aufgabe sich im Grunde niemals erschopfen und 
erledigen kann. Im Gegenteil: wirklich lebendiges Verstehen der 
Aufgaben des Mozart'Schrifttums wird immer da, wo sich Ansatze 
zum Starrwerden einer Mozart;Tradition und Mozart* Auffassung zei* 
gen sollten, gegen solche Kanonisierung angehen und den Nachwuchs 
dazu anhalten miissen, solche festwerdenden Tafeln zu zerbrechen, 
weil einzig imWandel, in der blutvollen Entwicklung die Garantie 
fortzeugenden Kunstlebens liegt. 

Darum scheiden wir vom heutigen Mozart;Bilde nicht mit deni 
selbstgewissen Gefiihl, „wie wir's so herrlich weit gebracht", sondern 
im Gegenteil mit der aufrichtigen Hoffnung, auch hierin dermaleinst 
von unseren Kindern und Enkeln kraftig mattgesetzt und iiberholt 
zu werden. Denn wichtiger, als daB wir „recht behalten", ist, daB die 
ewigen Meister, urn die wir es uns in ehrlichem Bemuhen sauer werderi 
lieBen, in unverminderter Ausstrahlungskraft immer neue Lebens* 
keime aussenden konnen zum Heil kiinftiger Geschlechter. 



109 



Wilhelm Zentner 



Sicgmunii oon fiouaeggcr 



Drei Eigenschaften gilt es in Siegmund v. Hausegger zu verehren : 
den bedeutenden Kbmponisten, den groBen Dirigenten sowie den 
beispielhaften Musikerzieher. Alle diese Fahigkeiten entspringen einer 
gemeinsamen Wurzel, der wesenhaft deutschen Musikgesinnung. Was 
dem Leben und Wirken dieses Mannes jenebestimmende Grundrich; 
tung gibt, von der er, ein Vorbild kiinstlerischer Unbeirrbarkeit, una 
keines Schrittes Breite abgewichen, ist die klare, im Bewahrungsfeuer 
der Uberzeugung gehartete Grundanschauung von Wesen und Auf* 
gabe der Musik. Siegmund v. Hausegger hat diese bereits im Vater* 
hause empfangen. Als Sohn des Grazer Musikschriftstellers Dr. Fried* 
rich v. Hausegger, der mit seinem Buche „Die Musik als Ausdruck" 
der meehanistischeg Asthetik eines Eduard Hanslick (J) von der Musik 
als „tonerid bewegter Form" eine unmittelbar vom Innerlichen aus* 
gehende Kunstauffassung entgegenstellte und verfocht, trat der junge 
Musiker fruhzeitig ein Geisteserbe an, das er nicht nur in Treuen 
gewahrt, vielmehr hundertfach durch die eigene kiinstlerische Tat neu 
erworben, erweitert und bestatigt hat. Siegmund v. Hauseggers ge« 
samtes Leben ist ein Leben fur die deutsche Musik gewesen, und zwar 
ein Einsatz in den Brennpunkten des Kampfes um hohe und hochste 
Giiter des deutschen Geistes. Denn groBe und erhabene Ziele muBten 
es sein, wenn Siegmund v. Hausegger, von der metaphysischen Auf* 
gabe der Kunst durchdrungen, sich an ihnen entziinden sollte. Stets 
ist fur ihn die Blickrichtung auf das Wesentliche maBgebend gewesen. 
Wechslergeschafte auf dem lauten Markt der Mode hat er nie be* 
trieben, unbekiimmert um den billigen Vorwurf, „unmodern" zu sein. 

Siegmund v. Hausegger hat es selbst einmal ausgesprochen,daB Eltern* 
haus und Heimat den Nahrboden abgaben, aus dem der werdende 
Kiinstlerdie entscheidenden Krafte seines geistigeft undseelischenWachs* 
turns gewinnt. Durch diese beiden Elemente wird gleichsam die Tonart 
bestimmt, in der das kiinftige Lied des Lebens erklingen mag. Zwei 
Schicksalsgaben sind es gewesen, denen der Kiinstler die bestimmende 
Richtung seines Lebens zudanken hatte: die Erziehung im elterlichen 
Heime und der landschaftliche Zauber seiner Grazer Heimat. 

110 .,'. ' 



Die sommers in das Bliitenmeer ihrer Garten versunkene Stadt, 
iiberragt vom umwaldeten SchloBberg, durch die als Sendbote ferner 
Schneegipfel die gebirgsgriine Mur stromt, lieB friihzeitig das kind* 
liche Gemiit jene Verbundenheit des menschlichen Erlebens mit den 
Eindriicken der Natur ahnen, die fur den Komponisten nachmals so 
oft AnlaB schopferischen Gestaltens werden sollte. Im Elternhause 
besaB die Musik eine dauernde Heim* und Prlegestatte. RegelmaBig 
■ wurde bier musiziert. Bei diesen Hauskonzerten, die einen stattlichen 
Kreis von Kiinstlern und kunstverstandigen Liebhabern um den vor* 
trefflich klavierspielenden Hausherrn und die mit einer schonen 
Stimme begabte Hausfrau scharten, empfing das Kind — zunachst vom 
Nebenzimmer aus - die ersten musikalischen Eindriicke. DaB diese 
nicbt ohne Widerhall blieben, zeigt der Versuch, sich am Klavier in 
ersten freien Fahtasien zu ergehen. Nacb vollendetem sechsten Lebens* 
jahre tritt der Knabe in die musikalische Schule des Vaters, der ibm 
jedoch nicht bloB Lebrer, vielmehr zugleicb Freund und Berater ge* 
worden ist. NatiirlicheBegabung und Erziehung konnten sich so aufs 
harmoniscbste durchdringen. Es lag im Zuge der Kunstanschauungen 
Friedrich v. Hauseggers, daB er den Sohn, dem die Musik weniger eine 
virtuose Fertigkeit als vielmehr alldurchdringende LebensauBerung 
bedeuten sollte, vor der Einpressung in reine Fachlichkeit, vor Erstar* 
rung in einem engbegrenzten Musikertum zu schirmen trachtete. 

NaturgemaB zielte der lebhafte Wunsch des Vaters dahin, der Sohn 
moge in einer spateren Komponistenlaufbahn jenes hohe Gliick des 
kiinstlerischen Schaffens finden, das Friedrich v. Hausegger, der sich 
in der Jugend zum Brotstudium der Jurisprudenz gezwungen gesehen 
hatte, versagt geblieben war. 

GewiB ist es fiir die kiinstlerische Entwicklung Siegmund v. Haus* 
eggers von weittragender Bedeutung geworden, wenn ihn der Vater 
inuner wieder auf die unmittelbare Beziehung zwischen Kunst und 
Leben, jedoch auch zwischen Kunst. und Charakter hinwies. Nichts 
hatte der vaterlichen Betreuung ferner gelegen, als einen abstrakten 
Theoretiker oder blutarmen Astheten heranzubilden. Friih schon 
leuchteten dem werdenden Kiinstler jene Gestirne auf, die seinem 
Schaffen und Wirken unverriickbare Richtungsweiser geworden sind : 
Bach, Beethoven, Richard Wagner und Anton Bruckner, dessen 
j. Symphonie bekanntlich ihre Urauffiihrung in Graz erlebte. In 
diesen Genien lernte der junge Hausegger nicht nur erhabene musika* 
lische Vorbilder kennen, denen es kiinstlerisch nachzueifern gait; hier 
begegnete er zugleich jenen charakterlichen Werten und Tugenden, 
die den Menschen Siegmund v. Hausegger auszeichnen. In dem.karnp* 

111 



ferischen Einsatz des Vaters gegen eine im innersten Wesen undeutsche 
Musikasthetik sowie in dessen Bahnbrechertum fur die damals noch 
leidenschaftlich umstrittene Kunst Richard Wagners, die der Sohn 
heiBen Herzens miterlebte, erstarkte iiberdies das BewuBtsein, daB es 
ein bequemes GenieBen oder lassiges Gewahrenlassen fiir denjenigen 
nicht geben kann und darf, der sich dem Banner ernes Ideals ver* 
schworen hat. Dazu kamen, ebenfalls dargetan am Beispiel des auch 
politisch hervortretenden Vaters, die Eindriicke jener Fehden, die der 
deutschgesinnte Osterreicher im damaligen Kaiserstaate zu bestehen 
hatte und die sich in Graz unmittelbar vor den Augen des Jiinglings 
abspielten, dessen Neigung auf den obersten Klassen des Gymnasiums 
immer mehr in den Bann der nordisch*germanischen Sage und Ge* 
schichte geraten war. All diese Dinge sind sowohl fiir die menschliche 
Haltung Siegmund v. Hauseggers wie fiir sein kiinstlerisches Schaffen^ 
im Sinne groBer Grundthemen, maBgebend geworden. 

Mensch und Kiinstler lassen sich bei diesem Meister nicht trennen. 
IhrS gegenseitige Durchdringung formt sich zum Bilde einer Person* 
lichkeit, deren Lebensbahnen in klaren, reinen und zielbewuBt ge* 
fiihrten Linien verlaufen. Uberraschungen und Sensationen fehlen wie 
alles, was sonst mit der Wiirde der Kunst unvereinbar ware. Lauterkeit 
der Gesinnung und innere Wahrhaftigkeit sind die eigentlichen Prage* 
stempel des Hauseggerschen Wesens. Stets hat der Kiinstler seine 
hpchste Aufgabe daf in erblickt, der Stimme seines musikalischen Ge> 
wissens zu folgen, das zugleich der Ruf eines inneren Ethos gewesen 
ist. Erprobt und gestarkt hat sich dieses Musikgewissen am Riickhalt 
einer unbestechlich deutschen Musikgesinnung ; deutsch nicht in der 
auBeren Gebarde, sondern im innersten Sein. Siegmund v. Hausegger 
hat daher sehr wohl zu unterscheiden gewuBt zwischen einer lediglich 
„patriotischen" und „nationaler" Kunst. Alles, was er geschaffen, ge< 
hort der letzteren hoheren Gattung an, die, naeh einem schonen Worte 
Hans Pfitzners, nichts anderes darstellt als eine ,,-Selbstbesinnung auf 
das eigene Wesen". Wunderbare Krafte der Zuversicht, einer unbe< 
sieglichen GewiBheit, daB deutsche Art und Kunst niemals untergehen 
konne, sind dem Meister aus dieser inneren Einkehr ziigewachsen. Er 
ist damit, gerade in den Jahren drohender Zersetzung, Entseelung und 
Entdeutschung unserer Musik ein Hort des Vertrauens fiir viele ge< 
worden, die - von seinem Vorbild befeuert - treu zur Fahne standen. 
Wer etwa die Miinchener Kampfjahre nach 1920 miterleben durfte, 
weiB, was fur ein befreiender Jubel die Reihen durchwogte, wenn 
Hauseggers Deutung der geliebten Werke eines Beethoven, Bruckner, 
Liszt oder Reger uns den Geist dieser Meister aus berufeiisten Handen 

112 



empfangen lieB. Ein gewisser Kliingel von MusikJntellektuellen lief 
allerdings Sturm gegen den Mann, dessen gesamtes Wirken ein glti* 
hendes Bekenntnis zum eingeborenen Deutschtum als der Wurzel 
seiner Kfaft bedeutete. Derartige Anfeindungen, vor allern von Ver* 
achtern des Romantischen, hat Sieigmund v. Hausegger immer wieder 
erfahren miissen, denn sein Glaube an eine tibersinnliche Sendung der 
Musik war den Niichternheitsaposteln der Sachlichkeit ebenso eine 
Unbegreiflichkeit wie jenen Leuten, die in der Musik lediglich einen 
bequemen Zeitvertreib, im Konzert bestenfalls ein gesellschaftlich.es 
Ereignis zu linden hofiten. Schon als Dirigent der Miinchener Volks* 
Symphoniekonzerte und der „Modernen Abende"des Kaim*Orche* 
sters hatte der junge Kapellmeister durch den Ernst, die Folgerichtig* 
keit und Kiihnheit seiner Programmgestaltung Aufsehen erregt. Hatte 
er es doch zur Bedingung gemacht, niemals ein Konzert dirigieren zu 
miissen, das seinen kiinstlerischen Uberzeugungen widerstritt. Als ihm 
dann im Jahre 1903 die Leitung der Frankfurter Museumskonzerte 
iibertragen wurde, schritt Siegmund v. Hausegger auf der von ihm 
eingeschlagenen Bahn weiter, Kurzerhand brach er in Frankfurt mit 
jener beliebten und bequemen Programmschablone, die den Horer 
zu weiter nichts als einem oberflachlichen „GenieBen" verpflichten 
wollte. „Kunst ist kein Amusement, der Gesellschaft als verfeinerter 
Luxusartikel dienstbar. Sie ist die hellste Emanation des menschlichen 
Geistes und deshalb mit der wichtigste Kulturfaktor. Daraus erwachst 
jedem Kiinstler die Pflicht, sich ihrer Wiirde stets inne zu sein, sowie 
sich ihre im hochsten Sinn erzieherische Bedeutung vor Augen zu 
halten." Diese Erklarungen, denen der Dirigent, der bei aller schrift* 
stellerischen Begabung niemals ein Freund bloBer Worte gewesen ist, 
sofort die entsprechende Tat folgen lieB, muBten gleich einer Kampfi 
ansage wirken. In echtHauseggerschemldealismusforderte er,der vom 
Kiinstler ein Hochstes verlangte, auch vom Publikum die unerlaB* 
lichen Voraussgtzungen des guten Willens, der inneren Bereitschaft 
sowie der Achtung vor dem Kunstwerk. Das Element des Virtuosen 
wurde in seinen Vortragsfolgen zuruckgedammt zugunsten des Synv 
phonischen. Jedes der von Hausegger gestalteten Programme stellte 
nicht nur dem Dirigenten, zugleich auch dem Publikum eine Aufgabe 
im Sinne einer Erziehung zur Musik. Bald sahen sich die Horer ein* 
gefuhrt in den Personlichkeitsstil eines einzelnen Meisters, bald er* 
hielten sie Kunde vom Entwicklungsgang der Musik und von den 
iiber weite Epochen hiniiber reichenden Zusammenhangen, oder sie 
lernten Gegensatze kennen, die dazu angetan waren, tiefere Einblicke 
in die jeweilige Eigenart einzelner GroBer im Reiche der Tonkunst zu 

8 113 



gewahren. Die Zusammenstellung einer Vdrtragsfolge ohne die 
Lebensader einer kunstlerischen Planung, des leitenden Gedankens 
war fur den Dirigenten Siegmund v. Hausegger ein Ding der Unmog* 
lichkeit. Dem Wunsche eines gewissen Teils des Publikums nach „Ab* 
wechslung" oder „Zerstreuung" setzte er ein kategorisches Gebot der 
„Sammlung" entgegen. Zu Zugestandnissen irgendwelcher Art hat sich 
seine Standpunkttreue niemals bereden lassen. Fruhe schon dammerte 
dem Leiter der rVrunchener Volks*Symphoniekonzerte die Erkenntnis 
auf, dafi das Eigenste unseres Wesens, die deutsche Musik, nicht das 
Privileg einer Anzahl Bevorrechteter sein konne, sondern Besitztum 
aller werden miisse, die Verlangen danach fiihlten. Ebenso dringend ; 
wuBte der Mahner freilich auch vor einer Oberfutterung mit Musik 
zu warnen. 

Nach Frankfurt gait die weitere Dirigententatigkeit des Meisters den 
Symphoniekonzerten des Bluthner*Orchesters in Berlin (1910-191JP 
sowie den Philharmonischen Konzerten in Hamburg (19 10-1920). Da* 
bei gelang es ihm, in Berlin hauptsaehlich die Jugend in den Bann 
seiner Konzerte zu ziehen und ebenso fiir das Musikleben in Ham* 
burg bahnbrechende Kulturarbeit zu leisten, wo er unter anderem 
die „Brahms«Stadt" fiir den bewunderten Bruckner gewann. Bemer* 
kenswert ist neben der eifrigen Pflege des ewigen Vorrats deutschef 
Musik, den Hauseggers Entdeckerfreude iibrigens durch manches 
„Stiefkind" der allgemeinen Geltung bereicherte, ein nicht minder 
unentwegter Einsatz fiir das Schaffen der Zeitgenossen. ,Jedem Stre* 
ben, das sich mit Begabung und Konnen verbindet, muB freie Bahn 
ges'chafFen werden, nicht nur um seiner selbst willen, sondern zu aller* 
erst, weil dem kunftigen Genius Siegespforten errichtet werden miissen. 
Wann und woher er kommen wird, wissen wir nicht; vielleicht wird 
er im ,Sauseln desWindes' sich verkiinden, das wir nicht iiberhoren 
diirfen." Allen Elementen der Verniichterung und Zersetzung hat 
sich allerdings dieser Kiinstler, dem die Musik edelsten Ausdruck des 
Menschentums bedeutete, mit kompromiBloser Entschlossenheit und 
Festigkeit widersetzt; diesen unholden Geistern EinlaB zu gestatten, 
ware ihm gleichsam als Verrat an den Voraussetzungen der eigenen 
seelischen Existenz erschienen. 

Die Kronung der Hauseggerschen Dirigentenlauf bahn ist schlieBlich 
die Miinchener Zeit geworden (1920-1938). Unter der genialen Stab* 
fuhrung desMannes, dem Musikmiinchen bereits um diejahrhundert* 
wende die Erstauffuhrung von Bruckners 8.Symphonie zu danken 
hatte, sind die Miinchener Philharmoniker zu einem der fuhrenden 
deutschen Orchester zusammengeschweiBt worden, zum weithin be* 

114 



kannten, Ruhm unci Ruf auf zahlreichen Konzertreisen mehrenden 
„Bruckner*Orchester". Munchen selbst aber errang sich vor allem 
durch die Bruckner*Freudigkeit dieses wahlverwandten Deuters An* 
sehen und Uberlieferung einer ausgesprochenen Bruckner*Stadt. Die 
denkwiirdige Auffiihrung der „Neunten" in der Urgestalt, der Haus* 
egger zum Vergleich die bisher iibliche Fassung gegenuberstellte, ist 
zum Ausgangspunkt fur den Umschwung in der gesamten Bruckner* 
Pflege geworden, die sich nunmehr, durch das Miinchener Beispiel 
ermuntert, zu den Originalfassungen bekannte. Als den Gipfelpunkt 
seines Wirkens fiir Anton Bruckner muBte Siegmund v. Hausegger 
jenen Tag empfinden/da er 1937, beimEinzug der Bruckner *Biiste in 
den Ehrensaal der Regensburger Walhalla, in der Minoritenkirche, 
deren gotische Basilika eine den klanglichen und geistigen AusmaBen 
der Symphonie wundervoll gemaBe Umwelt erstehen lieB, des Meisters 
„Fiinfte" dirigierte: das unvergeBliche Erlebnis der Regensburger 
Festtage. 

Mit seinen Miinchener Dirigentenverpflichtungen hatte Siegmund 
v. Hausegger zugleich'als President der Munchener Akademie der 
Tonkunst die Leitung einer der groBen deutschen Musikhochschulen 
iibernommen. Ich habe mich oft gefragt, was damals, im Jahre 1920, 
den achtundvierzigjahrigen Meister bewogen haben mag, einenHaupt* 
teil seiner Lebensarbeit fortan musikpadagogischen Zielen zuzu* 
wenden, zumal schon der Dirigentenberuf ihn zu einem zeitweise 
schmerzlichen Verzicht auf die schopferische Tatigkeit, die auf die 
Erholungspausen verspart werden muBte, genotigt hatte. Musik* 
erzieherisch hatte er freilich bereits als Musikschriftsteller, als Er* 
lauterer der darzustellenden Werke und musikgeistiger Programme 
gestalter gewaltet. GewiB ist ein Mann wie Hausegger nicht an die 
Spitze der Munchener Akademie der Tonkunst getreten, um ein 
etwa in ihm steckendes Stuck Schulmeister zu befriedigen. Der Grund 
lag tiefer. Er wurzelte im Kern seiner Natur. Es war das eingeborene 
VerantwortungsbewuBtsein allem deutschen Wesen gegeniiber, das 
seine Gewissensstimme dahin erhob, er diirfe sich einer solchen Auf* 
gabe, zumal in den kritischen Jahren der Gefahrdung durch die Ele* 
ment'e der Zersetzung, nicht entziehen. Mit seinem gesamten Schaffen 
und Wirken, mit Leib und Seele ihr ergeben, fiihlte sich Siegmund 
v. Hausegger geradezu personlich verantwortlich fiir das Schicksal der 
deutschen Musik und insbesondere fiir die Art und Weise, wie sich 
dieses Schicksal in Hand und Herz der Nachwuchsgeneration ge* 
stalten solle. Um der deutschen Jugend Wegeweiser und Hort art* 
eigenen Musikempfindens zu werden, hat der schopferische Kunstler 

8* . 

115 



in Hausegger Jahre seines Lebens, und zwar Mannesjahre der besten 
Kraft und hochsten Reife, bewuBt geopfert, beseelt von der felsen* 
festen GewiBheit, auch damit ein Innerstes und Unmittelbarstes seines 
Wesens einzusetzen. Bedeutende und heute beriihmte Komponisten, 
Dirigenten und Instrumentalisten sind denn auch aus seiner Schule 
hervorgegangen. Denn in der Heranbildung von musikalischen Per* 
sonlichkeiten, nicht etwa eines einseitigen Spezialistentums hat Haus« 
egger stets das Hauptziel seiner Erziehungsarbeit gesehen. Stilbib 
dung ist eines der vornehmsten Gebote seines Unterrichts gewesen. 
Die Entfaltung einer wahrhaft deutschen Musikgesinnung war grund* 
legende Selbstverstandlichkeit. Eine besondere Liebe gait dabei der 
Schulung von Konzertdirigenten sowie dem Ausbau eines Orchester* 
wesens, das sich auf dem Felde der synrphonischen Musik mit ebenso 
viel Sicherheit und StilbewuBtsein zu bewegen vermochte wie im Auf* 
gabenkreis der dramatischen Musik. Beim Dirigierunterricht lag der 
Schwerpunkt auf der lebendigen Vorfiihrung am Klavier, in der die 
musiki! und geistspruhende Personlichkeit des Lehrers, eines Meisters 
, im Partiturspiel, allerdings auch Unvergleichliches an den Schuler 
weiterzureichen hatte. Vor allem hat in solehen unvergeBlichen Stun? 
den die einzigartige Personlichkeit des Lehrers dem Schuler mit einer 
formalen, musikalischen und gedanklichenDurchleuchtungdes Kunst* 
werkes zugleich jene Ehrfurcht ins Herz zu senken vermocht, die dem 
Genius als demVollzieher einer erhabenen Sendung ziemt. Denn erst 
mit dieser Ehrfurcht wird, nachHauseggersUberzeUgung, demKiinstler 
jene Voraussetzung zuteil, die ihn allein befahigt, als Nachschaffender 
nach den letzten Tiefen einer groBen Schopfung zu schiirfen. 

Herzpunkt des Hauseggerschen Wesens ist freilich stets der schopfe* 
rische Kiinstler geblieben. Des Meisters kompositorisches SchafFen 
prunkt allerdings nicht mit zu schwindelnden Zahlenpyramiden ge< 
tiirmten Opusnummern; allein nicht die Masse des Geschaffenen, der 
Gehalt ist das Entscheidende. Da es der Kiinstler nicht iiber sich zu 
gewinnen vermochte, sein Wesen gleichzeitig in mehrere Tatigkeiten 
zu zerspalten, weil er das, was er tat, immer ganz tun muBte, kam fur 
ihn ein schopferisches Gestalten, das nUr „nebenbei" hatte geschehen 
konnen, nicht in Frage. Daher iinden sich zwischen der Dirigenten* 
und Musikerziehertatigkeit in nahezu periodiseher Wiederkehr Leben* 
abschnitte, die ausschlieBlich dem. kompositorischen Schaffen gehoren. 
In solehen Zeiten musikalischen Schopfertums entstanden in der Tat 
Werke, die wirklich geschrieben werden muBten, weil sie nichts 
Geringeres als notwendige Befreiungen der Seele von ihrem innersten 
Zwange darstellen. Sie sind gewissermaBen im unmittelbaren Auftrag 



116 



der zu kiinstlerischer Formung drangenden Erlebniskrafte geschrieben. 
Hauseggers strenges Sichtungsvermogen hat nie Unwesentliches oder 
Unfertiges dem Licht der Offentlichkeit iiberantwortet. So wird jede 
schopferische AuBerung, vom Lied bis zur Symph.on.ie, notwendiges 
Glied fur die Erkenntnis der Gesamtpersonlichkeit. Man kann dieserd 
Werk unmoglich bequeme Kostproben entnehmen, una es sich sozu* 
sagen im Extrakt einzuverleiben. Wer den Komponisten Siegmund 
v. Hausegger kennen lernen will, muB sich schon mit der Summe des 
von ihm Geschaffenen auseinandersetzen. 

Der Meister hat einmal zwei Wege unterschieden, die jedem musi* 
kalischen Schaffen gewiesen seien: von der Musik zum Leben und 
vom Leben zur Musik. In leuchtender GroBe verkorpert sich dieser 
erste Musikercharakter in Genien wie Mozart oder Schubert, die 
Inkarnationen ihrer Kunst, „Musik an sich" zu sein scheinen. Ihnen 
stehen in Beethoven und Wagner Manner gegeniiber, die sich von der 
Fiille und Uberfiille ihres menschlichen und geistigen Erlebens zum 
Ausdruck in der Musik gedrangt sahen, um darin das Tiefste ihres 
Wesens zu ofFenbaren. Es liegt im Zuge der bereits geschilderten 
Kiinstlerpersonlichkeit Siegmund v. Hauseggers, wenn diese sich 
hauptsachlich durch das Vorbild der letzteren gefesselt und zu eigenem 
Schaffen angeregt fuhlte. „Meist war fiir mein Komponieren nicht ein 
rein musikalischer AnstoB maBgebend, sondern fast immer ein dichte* 
rischer Gedanke, ein Natureinclruck oder menschliches Erleben" : mit 
diesen Worten halten wir den Schliissel zum Wesenscharakter der 
Hauseggerschen Inspirationskrafte in Handen. Kein Wunder, daB sich 
der junge Komponist zunachst zum Musikdrama gewiesen sah, von 
dem er bereits in seinen Knabenjahren im Erlebnis Bayreuths unaiis* 
loschliche Eindriicke empfangen hatte. Seine Gper „Zinnober" (1898) 
hat kein Geringerer als Richard StrauB bei ihrer Miinchener Uraiif* 
fuhrung aus der Taufe gehoben. Sie war gedanklich auf dem echt 
Hauseggerschen, urromantischen Gegensatz zwischen Ideal und Wirks 
lichkeit aufgebaut. Diese Wirklichkeit bekam der junge Komponist 
freilich bald in den unholden Gewalten des Theaterbetriebs zu kosten, 
die — man darf wohl sagen, leider! -? den Musikdramatiker in ihm 
verstummen lieBen. Dafiir wandte er sich um so entschiedener anderen 
Gattungeri zu, die ebenfalls der Eigeriart seiner Begabung sowie seiner 
Grundauffassung von den Aufgaben der Musik entgegenkamen: dem 
Lied, dem Chorwerk und der symphonischen Dichtung. In Lied und 
Chorschaffen muBten ihn notwendigerweise diejenigen Dichtungen 
am unmittelbarsten anziehen, die entweder seinem Naturgefiihl oder 
seinem Verlangen nach menschlicher Aussage Nahrung boten. Frei 

117 



von jeder Liebaugelei mit, dem Gefalligen zeichneh sich Siegtnund 
v. Hauseggers Liedef durch eine musikalische Durchblutung und 
Erfiillung des Dichterwortes aus, wie solche nur dem begnadeten 
Lyriker gegeben sein kann. Vielleicht das Kostlichste hat der Meister 
in der wahrhaft tiefgriindigen Ausdichtung altdeutscher Texte ge* 
schaffen, die gleich einem. GeistesgruB iiber Jahrhunderte hinweg an* 
mutet. Auch die symphonischen Werke zeigen sich in den Keimzellen 
ihres Entstehens vom Geistigen und Dichterischen her befruchtet. 
Nietzsches Verherrlichung des dionysischen Lebensdranges ent* 
flammte den Komponisten zu seiner „Dionysischen Fantasie" mit 
dem. prachtvollen Schwung ihrer jugendlichen Begeisterungskrafte, 
einem Dythirambus hochlodernder Lebensfreude, dessen edles Feuer 
die ganze leidenschaftliche Glut eines Ur*Musikers offenbart. Sein 
Temperament schleuderte mit ahnlich eruptiver Gewalt die Ton< 
dichtung „Barbarossa" aus, als sich des Kiinstlers nationales Fiihlen 
iiber die Bedriickung des deutschen Elementes im alten Osterreich 
emporte. In „Wieland der Sehmied" gab Siegmund v. Hausegger, 
der Bewunderer nordischen Sagengutes, ein Gleichnis vom hohen Flug 
des deutschen Geistes, der selbst da triumphiert, wo er auBerlich zu 
unterliegen scheint. „Natursymphonie" und „Aufklange" erganzen 
sich gegenseitig, indem das erstere den Menschen in allgemein kos* 
mische Zusammenhange mit der Schopfung einordnet, wahrend das 
andere mehr dem subjektivenEmpfinden undErleben Ausdruck leiht. 
In keiner der beiden Schopfungen herrscht programmatisch*abstrakte 
Bindung, vielmehr bewegt sich die Musik auf ihrem eigensten Gebiete, 
indem sie Sinnbild und Ausdruck des Unsagbaren und Unwagbaren 
wird. In dem Variationenwerke der , , Auf klange" lautert sich musikali* 
sches Formenspiel zu einem wundervollen Gewebe feingesponnenen 
tonpoetischer Beziehungen: Charakter*Variationen in des Wprt'es 
hochster und edelster Bedeutung. Und in der Natursymphonie hnden 
wir die Natur als Tragerin ewig wechselnder Bewegung, als Trosterin 
und Vernichterih, als scheinbares Chaos, dem plotzlich die Allmacht 
des Schopfergedankens entbliiht, vor dem alle Vorgange des auBeren 
Lebens, Geburt und Tod, Werden und Vergehen, nur ein Ein* und Aus< 
atmen, ein Gleichnis desEwigen sind: in der Tat, hierfmdetderHorer, 
zu iiberwaltigender musikalischer Aussage gebannt, das Grundmotiv 
der Hauseggerschen Personlichkeit in seiner hochsten Verklarung : 

„GroBe Gedankenund ein reines Herz! " 



118 



BElerluier3eidjm8 

Jugendkompositionen: Daruntereine Messe fur Chor, Soli. Orchester und Orgel 
(1889), eine Oper „Helfrid", Dramatisches Marchen in einem Aufzug, Dich« 
tung vom Komponisten (1892), Kompositionen fiir Gesang, Klavief, Kamrner* 
musik und Orchester. 

„Zinnober", Humoristisch*fantastische Handlung in drei Aufziigen, nach E. T. A. 
Hoffmanns Erzahlung „Klein Zaches, genannt Zinnober". Dichtung vom Kom< 
ponisten (189P (Albert Ahn). 

Itietier 

Lieder fur eine Singstimme mit Klavier (R (5 E) 1 

Lenz Wanderer, Morder, Triumphator Christoph, Rupprecht, Nikolaus (Bier< 

<Konr. Ferd. Meyer) (1896) baum) (1897) 

Herbst (Liliencron) (1897) Glaube nur (Bierbaum) (1898) 

Sehnsucht (Bierbaum) (1897) Genug (Bierbaum) (1898) 

Ekstase (Bierbaum) (1897) Mein Schweinchen (Rob. Burns) C1898) 

Das Lied von Feme (Bierbaum) (1898) Der Teufel ist fort (Rob. Burns) (1898) 

Mittag im Felde (Greif) (1898) Sommer ist 'ne schone Zeit (Rob. Burns) 
Abendwolke (Konr. Ferd. Meyer) (1898) (1898) 

Mondnacht (Friedr. V. Hausegger)(i896) Das suBe Liebchen (Rob. Burns) (1898) 

Komm her und laB dich kiissen (Bier< Auf der Heide (Holty) (1898) 

baum) (1898) Wiegenlied (Hoffmann v. Fallersleben) 
? (Bierbaum) (1897) (1898) 

Bleib, mein Trauter (Rob. Burns) (1898) Das Liebchen (Volkslied) (1898) 

Jetzt rede du (Konr. Ferd. Meyer) (1896) Tief von fern (Dehmel) (1898) 

Sonntags (Konr. Ferd. Meyer) (1897) , Uber die Heide (Storm) (1898) 

Letzte Bitte (Bierbaum) (1897) Lied des Harfenmadchens (Storm) (1898) 

Schwiile (Konr. Ferd. Meyer) ( 1-896) Und hat der Tag all seine Qual . . . (Jens 
Winter (Bierbaum) (1897) Peter Jacobsen) (1907) 

VorderErnte (Konr. Ferd. Meyer) (1896) Herbstnachtliche Wolken (Keller) (1902) 

Mk trockenen Blumen (Bierbaum) (1897) Erster Schnee (Keller) (190 j) 

Eingelegte Ruder (K. F. Meyer) ,(1898) Die Spinnerin (Keller) (1910) 

Drei Lieder nach altdeutschen Dichtungen (R&E) (1921): 
Reisesegen — Uienensegen — Tanzliedchen. 

Drei Gesange nach mittelhochdeutschen Dichtungen fiir eine Frauenstimme, 
Bratsche und Klavier (R £5 E): 
Liebesklage (192J) - Der Falke (1926) - Liebeslted (1927). 

Drei Lieder fur eine mittlere Singstimme und Klavier (Rahter): 

Saerspruch (1900) ^- Weihenacht (Bierbaum) (1899) - Zu Pferd! ZuPferd! 
(Hebbel) (1907). 

Drei Lieder fur eine Singstimme und Klavier (Kahnt): 

Siehst du den Stern (Keller) (1901) - Ewig Jung ist nur die Sonne (Konr. Ferd. 
Meyer) (1900) — Sinnend am bewegten Meere (Rob. Burns) (1902). 

1 R £> E = Ries a Erler 

119 



Lieder der Liebe, nach Dichtungen vqn Lenau fur Tenor und Klavier (Rob. 
Forberg): 

Frage (1902) - Stumme Liebe (1903) — Friihlingsblick {1903) - Friihlings* 
gedrange (1902) - Mondlicht (1903) - Zweifelnder Wunsch (1902) — Urwald, 
in deinem Brausen (1963). Orchesterfassung unverdffentlicht: 

Unveroffentlichte Lieder: "'.''. 

Sehnsucht {Mich. Georg Konrad) (1901, umgearbeitet 1941) - Gewitterabend 
(Keller) (1907, umgearbeitet 1941) - Ruhetal (Uhland) (1937) - Abendwolken 
(Uhland) (1937) — Um Mitternacht (Weinheber) (1938) — War's dunkel, ich lag 
imWalde (Eichendorff) (1941). 

Gesange fiir eine Singstimme mit Orchester:. 

Zwei Gesange fiir Tenor (R & E) : 

Schwiile (Konr. Ferd. Meyer) (1896) - O war es dpch (Liliencron) (1902). 

Drei Hymnen an die Nacht (Keller) fiir Bariton (Kahnt) : 

Stille der Nacht (1901) - Unruhe der Nacht (1901) - Unter Sternen (1902). 

Zwei Gesange fiir Tenor (Rahter) : ' 

Der Nachtschwarmer (Keller) (1908) - Sturmabend (Hebbel) (1902). 

Bearbeitungen fur eine Singstimme mit Klavier: 

' Ich fahr dahin - All mein Gedanken (Volkslieder, Lochheimer Liederbuch) 

(1929). Unveroffentlicht. 

Kantate „Die ihr des unermefilichen Weltalls Schopfer ehrt" von W. A. Mozart, 

Begleitung fiir Orchester gesetzt (1903). Unveroffentlicht. -a* 

A cappella: 'ft 

Requiem fiir achtstimmigen gemischten Chor (Orgel ad libitum) (Hebbel) (1907) J. 

(Hug). ■ ; |, 

Der arme Kunrad (Heinrieh v. Reder) fiir vierstimmigen Mannerchor ( 1908) (Rahter). J 

Drei gemischte Chore nach Dichtungen von Josef Weinheber (1938) (Schott): 
Den Toten - An einen Schmetterling - Auf einem sonnigen Feldrain. 

Mit Orchester: 

Zwei Mannerchore (R & E) : 

Schmied Schmerz (Bierbaum) (1897) - Neuweinlied (Bierbaum) (1898). A 

Zwei Mannerchore (R & E) : ' 

Totenmarsch (Martin Bdelitz) (1902) - Schlachtgesang (Volklied) (1903-). V 

Zwei Gesange fur gemischten Chor (R & E) : 

Stimme des Abends (Dehmel) (1902) - Schnitterlied (Konr. Ferd; Meyer) (1898). 

Zwei Gesange fur gemischten Chor mit groflem Orchester (Leuckart) : 
Sonnenaufgang (Keller) (1908) - Weihe der Nacht (Hebbel) (1908). 

Morgensegen, fiir gemischten Chor, Tenorsolo, Orchester und Orgel (nach althochs 

deutscher Dichtung) (1923-). Unveroffentlicht. . t 

120 



Bearbeitungen: 

Fur gemischten Chor a cappella, Volksliederbuch filr gemischten Chor, heraus* 
gegeben auf Veranlassung des Deutschen Kaisers (19 1 p (Peters): 
Preis der Himmelskonigin — Der Schnitter Tod — Trennungsschmerz - Ade 
zur guten Nacht — Bei dem Freien ist Gefahr — Schneiders Hollenfahrt. 

Fur gleiche Stimmen a cappella, Volksliederbuch fiir die Jugend, herausgegeben von 
der Staatlichen Kommission fiir das Volksliederbuch c 1929) (Peters): 
Drum gehet tapfer an — Des Morgens zwischen drein und vieren. 

Fur Mannerchor mit Orchester 

„Gesang der Geister fiber den Wassern" von Franz Schubert, fur achtstimmigen 
Mannerchor, Begleitung fiir groBes Orchester gesetzt (1903*) (R & E). 

Sgmpljonifdje Wvckt 

Dionysische Phantasie, Symph. Dichtung ffir groBes Orchester (1897) (R&E). 

Barbarossa, Symph. Dichtung in drei Satzen fiir groBes Orchester (1900) (R&E). 

Wieland der Schmied, Symph. Dichtung fiir groBes Orchester (1903) (R & E). 

Natursymphonie, fiir groBes Orchester, Orgel und SchluBchor fiber Goethes ■ 
Prooemion (191 1) (Leuckart). 

Aufklange, Symphonische Variationen fiber ein Kinderlied (1917) (R&E). 

! : 

Sonftiges 

„Das Mariannle", Musik zu einem Kindermarchen von Hella v. Hausegger, mit 
Bildem von Willy v. Beckerath (1919). Unveroflentlicht. 

Musik zu dem Marionettenspiel „Die goldene Kette" von Hella v. Hausegger ( 1939). 
Unveroflentlicht. 

Sdjriften 

Gedanken eines Schauenden, Herausgabe gesammelter Aufsatze von Friedrich 
v. Hausegger (1903) (Bruckmann). 

Alexander Ritter, ein Bild seines Charakters und Schaffens, erschienen in der 
Sammlung „Die Musik" (1908) (Marquardt & Co.). 

Richard Wagners Briefe an Frau Julie Ritter, herausgegeben 1920 (Bruck* 
mann). ■ 

BetrachtungenzurKunst, Gesammelte Aufsatze von Siegmund v. Hausegger, er< 
schienen in der Sammlung „Die Musik", herausgegeben von Dr. Arthur Seidl 
(1920) (Kistner & Siegeb. 

Briefwechsel zwischen Peter Rosegger und Friedrich v. Hausegger, heraus< 
gegeben von Siegmund v, Hausegger (1924) (Staackmann). 

Friedrich v. Hausegger, Gesammelte Schriften („Die Musik als Ausdruck", 
„Das Jenseits des Kfinstlers", ,,Die kiinstlerische Personlichkeit"). Neu heraus< 
gegeben von Siegmund v. Hausegger (1938). (Bosse) 



121 



i 



Karl Laux 



Uletner «£gk 



In das musikalischeBild der Gegenwart ist die Erscheinung Werner 
Egks als eine der interessanten Figuren hineingestellt. Sein Name ist 
ein BegrifF, mehr vielleicht noch als sein Werk, das wie das aller leben* 
den Komponisten der iiblen, aber leider iiblichen Skepsis der Zeit* 
genossen begegnet. Aber wenn aucb solcb ein skeptischer und durch 
nichts zu bewegender Vertreter des p. p. Publikums weder den „Peer .# 

Gynt" Egks noch eines seiner Orchesterwerke kennt, so weiB er doch, £ 

daB da ein junger Musiker viel von sich reden macbt. Er hat gelesen, % 

daB Egks Werke im Ausland aufgefiihrt werdert, daB er fiir seine 
„01ympische Festmusik" mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet 
wurde, daB ihm im Jahre 1939 der Nationalpreis fiir Komponisten ver* 
liehen wurde, und schlieBlich, daB er als Letter der Fachschaft Kompo* 
nisten in der Reichsmusikkammer ein bedeutendes offentliches Amt 
bekleidet. . 

Die Kenner aber verehren in Werner Egk einen der eigenwilligsten 
Kopfe unter den heutigen Komponisten, eine der groBten Begabungen 
der neuen Opernbiihne : in der EHskussion, die heute um diese Form 
musikalischer AuBerung entbrannt ist, hat Egk Gewichtigstes mitzu* 
reden, um so mehr, als er auch immer wieder am Opernpult erscheint, 
als Dirigent eigener wie fremder Werke, aber auch wieder ein Theore* 
tiker der Oper genannt zu werden verdient, der sich zu den Problemen 
seine eigenen Gedanken macht und diese ab und zu in geschliffener, 
oft ironisch zugespitzter, oft humoryoll gefarbter, immer aber erfri* 
schender Weise zu formulieren vermag — ein getreues und keineswegs 
zufalliges Abbild ubrigens seiner musikalischen Diktion. 

Eigenwillig schon derWeg, der Egk zur Musik gefiihrt hat. Er 
wurde am 17. Mai 1 901 als SproB eines alten schwabisch*bayrischen 
Bauerngeschlechts in Auchsesheim bei Augsburg geboren. Das Gym* 
nasium absolvierte er in Augsburg, seine musikalischen Studien in 
Miinchen. Man darf dabei nicht an einen schulmaBigen Lehrgang 
denken. „Gelernt habe ich, wann und wo ich kohnte; studiert habe 
ich nur bei wenigen Lehrern, und es war kein beriihrnter Musiker 
darunter." Von vornherein geht er also jeder Abhangigkeit aus dem 

122 



Weg. Bezeichnend fur Egk und seinWerk, das in der Zusammen; 
fassung der Kiinste dureh das Biihnenwerk gipfelt, ist auch, daB seine 
Neigungen urspriinglich ebenso sehr der bildenden Kunst und der 
Literatur wie der Musik galten. Bei einem Aufenthalt in Italien voll* 
zog sich die endgiiltige Wendung. Nach kurzem Aufenthalt in Mum 
chen und Berlin wurde Werner Egk 1929 in Lochham bei Miinchen 
seBhaft. Dort lebt er seinem SchafFen, sofern ihn nicht seine vielen 
Verpflichtungen da* und dorthin rufen. 

Das bisherige SchafFen Egks hat sich zu einem abgeschlossenen 
Ganzen gerundet 1 . Am Anfang steht nach einer „Standmusik fiir 
Blasorchester", nach Horspielen fiir den Rundfunk und dem Orato* 
rium „Furchtlosigkeit und Wohlwollen" (1930) die „Funkoper": 
„Columbus" (1933), am Ende wieder dieser ,, Columbus" nun in 
szenischer Fassung, als „Bericht und Bildhis" bezeichnet und damit 
abgehoben von der iiblichen Form des musikalischen Biihnen* 
werkes, der Oper, angenahert den epischen Bezirken, dem Orato* 
rium, von dem es aber wieder scharf abgegrenzt ist. Dazwischen 
in der Hauptsache Biihnenwerke, zwei Opern, die „Zaubergeige" 
(193P und „Peer Gynt" (1938), und das Ballett ,Joan von Zarissa" 
(1940). Sind die anderen Werke nur Parerga und Paralipomena, wie 
etwa die Instrumentalwerke Wagnere neben den Musikdramen oder 
die Anton Bruckners neben den Symphonien? Keineswegs. Sie waren 
es dem Umfang nach, denn es sind meist kurze Werke. Eine „Musik 
fiir grofies Orchester" (1933), „Sechs Miniaturen fiir Kammerorche* 
ster" (1933), die Musik zu dem Festspiel ,Job, der Deutsche" U933), 
die „Georgica" (drei Bauernstiicke fiir Orchester, benannt nach dem 
beriihmten Lehrgedicht des Vergil, 1934), die „Geigenmusik mit Or* 
Chester" (1936), die „01ympische Festmusik" (1936), die „Gottinger 
Kantate" (nach Holty) fiir BaBstirrime und kleines Orchester, die im 
Auftrag der Stadt Gottingen 1937 geschaffen wurde, und die „Kolo* 
raturarie iiber ein altes Wiener Strophenlied" (1940). Das alles sind 
aber keine Nebenwerke, wenn man sie auf ihren Kunstwert hin ansieht, 
wie etwa die „Gottinger Kantate", die ein wahres Meisterwerk im 
Kleinen ist. Sie sind es auch nicht, wenn man ihre soziologische Funk* 
tion betrachtet. So wie die Kantate auf Bestellung hin geschrieben 
wurde, so ist auch die 01ympia*Musik ein Auftragswerk. D. h. also, 
dab der Komponist Werner Egk an dem Leben seines Yolkes teil* 
nimmt, aii seinen Festen, zu deren Geprage er mit seiner Musik bei* 
tragt. Das heiBt, daB er dem kunstlerischen Individualismus abge* 
schworen hat, daB er sich der Genieinschaft nahert, aus der er seiner* 

1 Alle WerkeEgks sind bei B.Schott's Sohnein Mainz erschienen. 

123 



seits Krafte seines Musizierens zieht. Das gilt in erster Linie fur die 
von der Volksmusik seiner schwabisch<bayrischen Heimat sehr stark 
beeinfluBten Werke, fiir die „Georgica", fur „Die Zaubergeige" und 
deren Widerhall in der „Geigenmusik", es gilt aber auch fur sein 
ganzes Musizieren, das von daher die kraftigen Umrisse und die klaren 
Linien einer sich schaff gegen den Himmel abzeichnenden Alpen* 
landschaft hat. " 

Das ergibt — sehen wir einmal davon ab, da8 sie oft sehr kiihn ist - 
eine Anschaulichkeit der Egkschen Spraehe, die unmittelbar anspricht. 
Auch in seinen Biihnenwerken, bei denen noch hinzukommt, daB Egk 
eine ausgesprochene Theaterphantasie besitzt. So kann er das errei? 
chen, was ihm als Ziel vorsehwebt: das gesamte Publikum zu inter* 
essieren und zu fesseln. In seinem „Lochhamer Opernbrief", dem 
Vorwort zu seiner ersten Oper, der „Zaubergeige", deren Text 
Ludwig Andersen nach Graf Pocci bearbeitete, bekennt er sich dazu : 
,/. . . indeni ich vorbrachte, welche Empfindungen mich angetrieben 
haben, ein so einfaches, richtiges Theaterstuck wie die , Zaubergeige' 
zu komponieren. Vor allem waren es die Empfindungen; die ich beim 
Besuch der Oper regelmaBig dann hatte, wenn ich auf ,Urlaub' war. 
Auf ,Urlaub', d. h., wenn ich nicht als Musiker in die Oper ging, der 
doch immer in erster Linie die Verpflichtung fiihlt, in die musikali* 
schen Mysterien einzudringen, sondern wenn ich mir vornahm, als 
ganz gewohnlicher Volksgenosse einen Abend lang in vollen Ziigen 
zu genieBen. RegelmaBig aber bemerkte ich mit MiBfallert, daB ich 
dann nur mangelhaft auf meine Rechnung kam. Entweder konnte ich 
urn keinen Preis herausbekommen, was auf dem Theater eigentlich 
gespielt wurde, oder ich bemerkte viel zu friih, wie das Stuck ausgehen 
muBte. Dann - meistens im zweiten Akt - beschlich mich haufig eine 
gewisse Schlafrigkeit, die ich darauf zuruckfuhren konnte, daB die 
Handlung viel zu oft stehen blieb, um den Sangern niehr Gelegenheit 
zu geben, sich auszubreiten. Sicherlich handelte es sich meistens um 
zauberhafte Gesange, gegen die man schwer etwas sagen kann, aber 
sie dauerten einfach etwas zu lange, die Melodie wurde zu oft auf 
einem rafiinierten Prokrustesbett gestreckt, gedehnt und gewendet, 
was sicher ein ungewohnlich kunstvolles Verfahren darstellt, leidef 
aber der gewohnlichen theatralischen Spannungabtraglich ist. Ganz 
deutlich habe ich iibrigens festgestellt, daB an den betreffenden Stellen 
auch andere Leute als ich, ja eigentlich die Mehrzahl, richtige Schlafi 
augen bekamen. Ich erschrak naturlich sehr und beschloB im stillen, 
bei meiner Oper alles zu vermeiden, was die Leute einschlafem 
konnte." 

124 



Er hat dies in der Tat getan. Schon in der „Zaubergeige", mehr 
noch dann im „Peer Gynt", dessen Textbuch er selbst nach Ibsens 
Schauspiel schuf. Schon dieses Libretto beweist; daB Egk der geborene 
Dramatiker ist. Es gehort zu den besten der zeitgenossischen Oper. 
Es ist voll Spannung und Abwechslung, es btetet dem Musiker, was 
er braucht, und es kommt im Sprachlichen oft zu eindeutigen und 
einpragsamen Formulierungen. So etwa, wenn der heimkehrende Peer 
Gynt den „Unbekannten", der ihn hinab ins Trollreich fiihren will, 
fragt: JVIiiBten wir .nicht aufwarts gehn?" Damit ist zugleich der 
ethische Akzent der Egkschen Werke angegeben, der im „Peer Gynt" 
besonders ausgepragt gesetzt ist: hier ist die Schilderung der trieb* 
haften Trollwelt der dunkle Hintergrund fur den Weg, den Peer Gynt 
zu gehen hat, den Weg, der aufwarts fiihrt in das reine Reich Solveigs. 
In daS/Reich der segenspendenden Liebe, deren „heilige Bezauberung" 
im Epilog des Balletts „Joan von Zarissa" gervihmt wird : „Nur wenn 
auch unsre Brust ihr Glanz durchgliiht / Und ihre helle Flamme uns 
durchspriiht, /Wenn Sinn und Seele ganz sich ihr ergeben, / Kann 
unser Sein zum Leben sich erheben!" Es ist das Fazit eines Lebens, 
das an der Liebe zerbrochen ist. So steht auch Christoph Columbus, 
der Mann, der das Paradies zu entdecken glaubte, bei seinem Tode 
vor einer Enttauschung : „Ich sehe mein Paradies, inmitten der Insel 
ist ein Brunnen, der unaufhorlich^ flieBt, ein Brunnen, dem Tag urn 
Tag, dem Stunde urn Stunde mehr Blut entstromt. Dieses Blut be* 
sudelt die Insel, das Meer ist rot von Blut von Espagnola bis Spanien." 
Aber daraus formt sich die siiBe Frucht der bitteren Erkenntnis: 
„Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der 
Verstand bekommt. Denn es ist besser, sie" zu hesitzen, als Silber, und 
ihr Ertrag ist besser als Gold." Diese SchluBworte des Columbus legen 
den Sinn des Werkes und die moralische Abstcht des Komponisteri dar. 

Werner Egk ist aber weit entfernt davon, in der Oper ein „Lehr* 
stiick" zu sehen. Als echter Dramatiker gestaltet er den Konflikt und 
seine Losung. Die Nutzanwendung zu Ziehen, iiberlaBt er dem H6rer> 
Eine lehrhafte Tendenz ist vor allem seiner Musik fremd- Das wiirde 
seinem ganzen Wesen, das wiirde der geschilderten Grundhaltung 
seines Musizierens widersprechen. Es steckt voll Vitalitat, voll einer 
theatralischen Vitalitat. Diese laBt ihn fiir jeden Stoff die rechte Form, 
den eigentiimlichen Ausdruck finden, laBt ihn die Mittel des Musikers 
in immer treffender Weise einsetzen. Sie stehen ihm in vippiger Fiille 
zur Verfiigung. Werner Egk weiB um die Geheimnisse der Melodie, 
die er in der „Zaubergeige" bald irh derben Moritatenton, bald in 
stiller, in sich versponnener Lyirik einsetzt, rnit>der im „Peer Gynt" 

125 



die Welten Solveigs, Peer Gynts, def „Rothaarigeri" und des „Alten" 
wie in einem Brennspiegel festgehalten werden. Wahrend in dem 
Tanzspiel ,Joan von Zarissa" die Stimme schweigt, wird sie im „Co* 
lumbus" nur zum objektiven „Bericht" aufgerufen. Kein groBerer 
Gegensatz ist denkbar. Nun nimmt die Melodik eine kiihle Gelassen* 
heit, eine glaserne Starrheit an, die nichts mehr mit der lyrischeri Bieg* 
samkeit, mit der seelischen Ergriffenheit der „Peer*Gynt"*Lyrik zu tun 
hat. Es reden hier nicht Menschen. Es reden Ideen. 

Um diese Melodik schlieBt sich der Bliitenkelch einer Harrnonik, 
die bezaubernde Farben hat. Egk kntipft darin an die unmittelbare 
Vergangenheit an, deren Ergebnisse er virtuos verwertet und zu neuen, 
in der Hauptsache kraftigeren Konturen verdichtet. Ihre Kuhnheiten, 
die bis zur Bitortalitat gesteigert werden, werden vielfach durch eine 
die alten Moglichkeiten erschopfende und zugleich neueWege wei* 
sende Instrumentation wieder aufgehoben. Egk ist der seit Richard 
StrauB virtuoseste Orchestertechniker, einer, der neue Farben „hort 
und sie aber auch mit untruglichem Instinkt „schreibt". Dabei ist es 
nicht nur die klangkombinatorische Gabe Egks, die immer wieder 
iiberrascht, sondern auch die Art und Weise, wie er die Ausdrucks< 
, fahigkeit des einzelnen Instruments sozusagen neu entdeckt und damit 
ihre Verwendungsmoglichkeit erweitert. Vieles von dieser Egkschen 
Instrumentation ist als gangbare Miinze bereits in die Sprache der 
jungen Generation aufgenommen worden. Was sie von dem Klang* 
rausch des romantischen Orchesters abhebt, ist ihre Scharfe, die oft 
angewandte Sparsamkeit, ihre unnachahmliche Transparenz. 

Dieser AnschluB an die Vergangenheit zeigt uns auch, wo das 
musikalische Biihnenwerk Werner Egks steht. Er, der im Vorwort 
zum ersten „Columbus" den Grundsatz ausgesprochen hat: „Die 
musikalische Sprache des Werkes leitet sich von den groBen Vorbil* 
dem des letzten Jahrhunderts her uncLfiihft die uns von ihnen ge* tt\ 

schaffenen harmonischen und melodischen Ausdrucksmoglichkeiten 
bewuBt und organisch weiter, besonders durch eine Anreicherung der ' 
Harmonik und der orchestralen Farben", dieser so fest in der Gegen; 
wart verwurzelte Komponist ist jeder Stilkopie abhold, hat nichts mit 
jener immer mehr in die Erstarmng geratenen Barocktendenz zu tun. 
Daher finden wir bei ihm auch nicht, vor allem nicht in den ausge^ 
sprochenen Opern, die strenge Festlegung auf geschlossene Nummern, 
soweit diese sich als Zwangsjacken des dramatischen Geschehens aus; 
wirken. Ebensoweit entfernt ist er auch, das braucht kaum betont zu 
werden, von der „unendlichen Melodie", die ihre Aufgabe und "Sen? 
dung mit dem Wagnerschen Gesamtkunstwerk erfullt hat. Es ist das 

126 



Geheimnis des Dramatikers Egk, daB er dem Musiker immer wieder 
geschlossene Musikformen ermoglicht, die aus der Handlung heraus* 
wachsen. Dazu sind vor allem die groBen Ensembles zu zahlen, in 
denen Egk ein Meister ist. Die Gerichtsszene im „Peer Gynt" z. B., 
die aufbauend auf einer einpragsamen, in ihrer Sprachkraft urimiB* 
verstandlichen Melodie sich immer mehr weitet, zum groBen Chor 
arischwillt, von Einzelstimmen wieder unterbrochen wird, um schlieB* 
lich mit dem Triumphgeschrei des Trollreiches zu eriden : „Vo nichts 
ist, hat noch keiner was gefunden, und wer zuletzt lacht, der lacht 
immer gut" - diese Szene ist echtestes Operntheater, ist ein Beweis 
fur die Lebensfahigkeit der Oper, in der Moglichkeiten offenstehen> 
die dem Schauspiel stets verwehrt sind. 

Das instrumentale Zwischenspiel als geschlossene Nummer tritt bei 
Werner Egk gerne alsTanz in irgendeinerForm auf. Nachklang bayri^ 
scher Dorfmusik oder Fernhall mondaner Tanzbar, immer ist es der 
Rhythmiker, der sich an ihnen entziindet. Dabei zeigt Egks Ton« 
spracheeinen rhythmischenReichtum/derdieVorherrschaftdesTaktes 
verdrangt, der allerh'GleichmaB, aller Kontinuitat abgeneigt ist. Daher 
auch seine Vorliebe fiir die Tanze unserer Zeit mit ihren rhythmic 
schen Finessen. Er gebraucht sie - im „Peer Gynt" namlich - nicht um 
ihrer selbst willen, sondern als Kennzeichnung jener Welt, in die sich 
Peer Gynt verirrt hatte. Dafiir sind sie ihm gut genug, daher der 
parodistische Tonfall, das bunte Flittergewand, das Harmonik und 
Instrumentation iiber sie geworfen haben. 

Das starke rhythmische Gefiihl ist es, das Egks Musik zu „Joan 
von Zarissa" auBerst tanzerisch erscheinen laBt. Aber es ist mehr als 
ein Ballett. Als „dramatische Tanzdichtung" erschien dasWerk bei 
der Berliner Urauffuhrung auf dem Theaterzettel. In der Tat ist 
der dramatisch*symbolhafte Charakter dieser Musik nicht minder 
in die Augen springend, ihre gestische Sinnfalligkeit nicht minder 
bestechend als ihre tanzerische. Der Dramatiker, der Visionar des 
Theaters verleugnet sich auch hier nicht. Nicht nur, daB Egk auBere 
Situationen wie den Zweikampf mit unerhorter Anschaulichkeit in 
der Musik zum Ausdruck bringt, auch die seelische Schilderung hat 
Tiefe. Ein Stuck wie „Isabeaus Klage" ruhrt in seiner schlichten Ein« 
fachheit ans Innerste — es zeigt sich auch hier, wie sehr es Werner 
Egk gegeben ist, Klage, Trauer, Einsamkeit, Schmerz des Abschieds, 
Heimweh auszudriicken. Demgegeniiber die „Verfuhrung Isabeaus", 
ein in sinnlich gluhenden Farben der Melodik, Harmonik und In* 
strumentation gemaltes Bild von einzigartiger Leuchtkraft. 

Der Dramatiker Egk laBt es nicht dabei bewenden, einige „Tanz* 

127 



nummem" aneinanderzureihen, er faBt das Ganze in eineni Prolog 
und Epilog (beide werden gespirochen) zusammen, er verbindet die 
einzelrien Bilder durch Chore, denen altfranzosische Chansons, Dich* 
tungen des Charles von Orleans, des letzten groBen Trouveres, Schiitf 
zers des genialen Francois Villon, zugrunde liegen, Chore, deren zehn* 
stimmiges Brokat die Pracht altfranzosischer Gobelins widerspiegelt. 
Und schlieBlich vereint Egk Tanz, Chor und Instrumente in einem 
groBen „Rondeau*Finale", das „die iiberschaumende Lebensfreude und 
den Triumph der Liebe synibolisiert". Mit der Verlegung nach dem 
mittelalterlichen Burgund und seiner iiberfeinecten Kultur, deren 
Raffinement von der triebhaften Lebensgier noch iibertroffen wird, 
hat Werner Egk dem DonJuan/StofF, dem. dramatischen, demOpern* 
stoff schlechthin, eine neue Seite abgewonnen. 

DaB es immer wieder die gleichen Gestalten und Stoffe sind, die die 
Dicker wie die Musiker zu immer neuer Auseinandersetzung zwingeh, 
hat er im Vorwort zu der Punkoper „Columbus" ausgesprochen. „Es 
sind dies Gestalten, deren Schicksal den Menschen aller Zeiten etwas 
Allgemeines und Bedeutungsvolles enthullt."' Das gilt von alien dra* 
matischen Werken Egks, fur die er ein andermal in echt Egkseher 
Pragung die Maxime aufgestellt hat : „Eine Wahrheit ist tausend SpaBe, 
ein Prophet tausend SpaBmaeher wert, und sich waschen ist schlieBlich 
gesiinder als sich schrhinken." Und, so fiigen wir hinzu, Solveig ist fur 
unsere Volks? und Horgemeinschaft wichtiger als Salome, wichtiger 
als Trieb und unfruchtbarer Tod ist die Heimkehr ins Miitterliche. 



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128 



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■Karl Hall 



Sie Mufikerin €11 y IQejr 



Am 27. September 1942 wurde die Pianistin Elly Ney sechzig Jahre 
alt. An diesem markanten Tage ihres Lebenslaufes verdichtete sich 
im Gefiihl und im BewuBtsein von mindestens zwei Generationen 
ihrer Mitwelt eine Fiille von Erinnerungen und Erfahrungen zum 
Gesamtbilde einer Personlichkeit, die wohl keiner, der ihr jemals 
begegnete, vermissen mochte und wohl jeder, der iiberhaupt fur 
Musik und Musikertum empfanglich ist, als eine ungemein stark be* 
gabte und fruchtbar wirkende anerkeniit. Obwohl Frau Ney nur 
Musikinterpretin ist, wird sie fast wie eine schaffende Musikerperson* 
licbkeit verehrt. Fragen wir nach dem Grunde dieses Sachverhalts, so 
erkennen wir ihn ganz allgemein in ihrem nahen Verhaltnis zum 
absoluten Wesen der Tonkunst und insbesondere in der seltenen 
Ubereinstimrriung ihres musikalischen Charakters mit dem Geiste und 
und den Wirkungskraften bestimmter groBer Komponisten, und zwar 
solcher Meister, die ein gut Teil ihrer iiberragenden Menschlichkeit 
und Gestaltungskunst in Werken fiir Klavier und mit Klavier offen* 
bart haben. Diese Virtuosin des Tastenspiels auf dem modemen Kon* 
zertfliigel macht von jeher Musik nur um der Musik willen, ohne An? 
spruch auf personliche Geltung. Diese urwiichsige, Von der Natur 
rn.it ganz seltenen technischen, seelischen und geistigen Anlagen 
ausgestattete Musikerin ist in Jahrzehnten strebenden Bemiihens so 
sehr Instrument jener hoheren, schopferisehen Machte geworden, daB 
einerseits die Wirkung ihrer personlichen Leistung von der Wirkung 
der Sache, der sie dient, vollig aufgesogen und iiberwolbt wird und 
andererseits dieses objektiv gerichtete Mittlertum gerade durch seine 
Identitat mit dem Willen des schopferisehen Geistes einen Rang und 
eine Wiirde empfing, wie selbstische und eigenwillige Interpreten sie 
nie erreichen konnen. Wer mit solcher Begabung und Zielsetzung 
Musik ausiibt x und iiberdies unablassig sein technisches Konnen auf 
der dazu notigen Hohe halt, erreicht das Optimum ihrer begliickenden 
Wirkung sowohl fiir sich selbst als auch fiir andere. Kann der Inter* 
pret mehr wiinschen und bewirken als den iiberzeugenden Gleichklang 
seiner Leistung mit dem Idealbilde des genialen Werks? : 

9 129 



Wie die groBen schopferischenPersonlichkeiten der Kunstgeschichte, 
so wachsen auch die grofien Nachschaffenden meistens aus dem SchoBe 
unverbrauchter Volkskraft, aus dem zahen Ringen eines starken In* 
stinktes mit den Bindungen eines beengten Lebens und mit den hohen 
Anspriichen, die jede auf gemeihgultige und erhebehde Wirkung ge* 
richtete Aufgabe stellt. Auch das Schicksal Elly Neys bestatigt diese 
Erfahrung. Zwar waren auch hier die musikalische Veranlagung und 
die Art ihrer kunftigen Entfaltung blutmaBig vorbereitet, aber die 
spatere Leistungskraft und Haltung muBten trotzdem im angedeu* 
teten Sinne Schritt fiir Schritt errungen werden. Dabei waren nicht 
nur rein kiinstlerische Anstrengungen notig, sonderri auch die vielen 
Lockungen zum leichteren Erfolg zu iiberwinden, die gerade auf dem 
Gebiet offentlichen Wirkens naheliegen. Das organische Wachstum 
dieser Musikerin und die von ihr schon seit geraumer Zeit erreichte 
vorbildliche Harmonie vonWollen und Konnen sind deshalb nicht 
nur als Auswirkung einer auBerordentlichen Naturbegabung anzuf 
sehen; sie sind auch als eine ungewfihnliche sittliche Leistung zu be* 
greifen und zu bewerten. 

Die Kunstlerin Elly Ney ist in der Kaserne des Infanterieregiments 39 
in Diisseldorf geboren. Ihr Vater war aktiver Feldwebel. Ihre Mutter 
war vor der Verheiratung eine bescheidene Klavierlehrerin. Der starke 
Unterschied der Temperamente beider Eltern wurde durch die Liebe 
zur Musik iiberbriickt. Die Mutter der Mutter hatte einst als junges 
Madchen in Mtinster i.W. Orgel gespielt und einen Kirchenchor ge> 
leitet. Schon von dieser GroBmutter her wirkte in die familiare Ge< 
meinschaft die Verehrung Beethovens hinein. Der Zufall wollte, daB 
Vater Ney in der Geburtsstadt dieses Meisters eine Zivilversorgung 
als Statidesbeamter fand. Hier in Bonn wuchs Elly Ney mit noch sechs 
Geschwistern auf. Ihr friih erwachtes musikalisches Talent, von der 
Mutter giitig umhegt, vom Vater strenger beaufsichtigt, wurde vom 
zehnten Lebensjahre an dem Kolner Konservatorium anvertraut. Der 
naive Spieltrieb des Madchens und der freiheitliche Grundzug seines 
Wesens straubten sich lange gegen das zweckhafte Studium, das der 
Vater im Auge hatte, aber die Selbstiiberwindung, die das Erlerrien 
der virtuosen Klaviertechnik forderte, wurde durch das tiefere und 
mehr zwanglose Erleben der Musik in der Chorklasse Franz Wiillners 
und in der Kammermusikklasse Friedrich Griitzmachers gelohnt. 
Schon friih trat die junge Pianistin als Begleiterin von Sangern und 
Instrumentalisten an die Offentlichkeit. Mit neunzehn Jahren erspielte 
sie sich zwei bedeutende Musikpreise- Ein Jahr weiterer, letzter Aus? 
bildung in Wien bei Emil von Sauer, und die fertige Kunstlerin erhielt 

130 



schon eine Lehrstellung an der Kolner Anstalt. Das Unterrichten 
machte ihr Freude, aber je mehr sie ihre Anlagen selbstandig ausbaute, 
desto mehr wuchsen ihre Erfolge und ihre Aussichten auf dem Kon* 
zertpodium. Bald entschied sie sich fur die Solistenlaufbahn. In went* 
gen Jahren riickte sie in die vorderste Linie der technisch souveranen 
und personlich eigenartig gepragten Pianisten vor. Im Jahre 191 4 
griindete sie ein eigenes Trio, mit dem sie wahrend des Krieges auch 
das neutrale Ausland bereiste., Nach dem ersten Weltkrieg dehnte sie 
ihren Wirkungsbereich auf Amerika aus. Im Jahre 193 1 griindete sie 
eine neue Trio*Vereinigung. Ebenso bewahrt und beruhmt als Ge* 
stalterin eigener Klavierabende wie als Solistin groBer Symphonic 
konzerte und als fiihrende Kraft im Kammer*Ensemble, fiihlte Frau 
Ney sich im reiferen Lebensalter mehr und mehr verpflichtet, ihre in 
langer Praxis erworbenen Einsichten auch dem pianistischen Nach* 
wuchs nutzbar zu machen. Seit 1939 unterrichtet sie regelmaBig im 
Rahmen der sommerlichen Meisterkurse in Salzburg. Schon viel 
langer stellt Elly Ney ihre Kunst in den Dienst der ausgesprochen 
gemeinntitzigenMusikpflege in volkstumlichen, fiir jedermann leicht 
zuganglichen Konzerten sowie in Sonderveranstaltungen fiir die Jugend 
und neuerdings auch fiir Arbeiter und Soldaten. So gab und gibt diese 
groBe Kiinstlerin ein gut Teil der ihr verliehenen und von ihr er* 
worbenen Fahigketten dem Volkstum zuriick, in dem sie wurzelt, dem 
Volkstum, dessen reiches musikalisches Erbe ihr den Aufschwung zur 
wahren Meisterschaft der Wiedergabe und damit auch den Aufstieg 
zum Weltruhm ermoglicht hat. 

Die musikalische Laufbahn Elly Neys stand, wie gesagt, schon von 
der Erbmasse her im Zeichen Beethovens. Ihre enge Beziehung zur 
Beethoven*Stadt Bonn und die Eindriicke, die sie von Franz Wiillner 
empfing - dieser ist bekanntlich ein Schiiler von Beethovens Famulus 
Schindler gewesen— , trugen ein ubriges dazu bei, daB die junge Kiinst* 
lerin immer tiefer in die Sphare dieses Meisters eindrang und all* 
mahlich zu einem vollkommenen Instrument seiner Musik und seines 
Geistes heranreifte. Beethovens hohe Auffassung von der Tonkunst 
und von ihrer Sendung fiir die Menschheit hat auch die eigene Musik* 
anschauung und Berufsauffassung Elly Neys bestimmt. Das Vorbild 
seiner heroischen Haltung gegeniiber alien niederziehenden Machten 
des Lebens hat den Willen dieser Frau und auch ihr Ausdrucks* 
vermogen so gestahlt, daB sie trotz ihrer weiblichen Natur auch die 
mannliche Seite des Wesens seiner Kunst im Sinne autoritarer Stell* 
vertretung wiederzugeben vermag. Ihr Beethoven*Spiel vermittelt uns 
mit den Klangen und Rhythmen zugleich die ganze Geistigkeit dieses 

9 131 



Meisters. Fast konnte man sagen, Elly Ney habe als Interpretin dieses 
ungemein mannlichen Genies die Grenzen ihres Geschlechtes weit 
iiberschritten. Und doch hat sie auch im Dienste Beethovens ihr weib* 
lichesWesen in solchem Grade bewahrt, daB ihrem Musizieren auch 
hier nichs Unnatiirliches und Gewaltsames anhaftet. Im Gegenteil, 
gerade die ungewohnliche Kraft ihres weiblichen Instinkts gibt ihrem 
Beethoven*Spiel den Charakter einer genialen Volkommenheit, die 
den Gegensatz der Geschlechter aufhebt. Im gleichen Sinne gestaltet 
Elly Ney auch die Klavierwerke des bei aller Herbheit weicheren 
Brahms. Und in geradezu begliickender Einheit auBern sich ihre 
„weibliche" Empfindsamkeit und ihr ,,mannlicher" Formwille bei der 
Interpretation des Meisters, dessen Schaffen diese Krafte in bisher 
einzigartiger Synthese magisch verbindet: bei der Interpretation 
Mozarts. DaB sich Frau Ney den Werken des Salzburger Meisters erst 
in letzter Zeit mit besonderer Liebe zuwandte, kennzeichnet in beson< 
derer Weise ihren Eintritt ins Stadium einer letzten menschlich'en und 
kiinstlerischen ReiFe. In diesem Stadium ist die Problematik des Lebens 
schoh iiberwunden, wird die Kunst als eine klarende, losende, mittels 
des Gleichnisses der Vollkommenheit trostende und erlosende Kraft 
des Geistes begriffen. Naturlich hat Elly Ney sich und uns auch die 
Klangwelt der anderen Meister der Klaviermusik erschlossen. Ihre 
feinfiihlige Musikalitat und ihre in jeder Hinsicht uberlegene Spiel* 
technik bewahren sich auch im Zeichen Schuberts, Schumanns und 
Chopins; von Beethoven und Brahms her hat sie auch den Zugang 
zu Reger gefunden. Aber die Hohenlinie ihres „Nachschaffens" wird 
durch die Namen Beethoven, Brahms und Mozart gekennzeichnet. 

So sehen wir in Elly Ney eine Musikerin, die nach bester deutscher 
Uberlieferung die Tonkunst um ihrer selbst willen betreibt und kein 
hoheres Ziel kennt, als das, dieWerte dieser Kunst moglichst vielen 
zu vermitteln. Eine Interpretin, die ihr ganzes, groBes Konnen nur als 
Mittel zu diesem Zweck betrachtet, die ihren elementaren Musizier* 
trieb iiber gefahrliche Stadien des Sturmes und Dranges hinweg im 
Geiste der groBen Meister bandigte, die als Instrument ihres Willens 
auch deshalb so iiberzeugend wirkt, weil sie auch in das Leben dieser 
Meister und in dereri ganze Kultursphare tief eingedrungen ist. Eine 
Frau, die wie nur wenige auf diesem Gebiet iiber den Rang der 
Virtuosin hinaus das Format einer groBen geistigen Personlichkeit 
erreichte. Fast unberiihrt von den Anstrengungen ihres auBerlich un< 
steten Daseins, innerlich Jung erhalten durch den Kontakt mit alien 
jugendlichen Kraften und Strebungen der Gegenwart, steht die 
Sechzigjahrige noch immer im Vordergrund des deutschen Musik* 

132 



lebens. Ihre Begabung, ihre Leistung und ihre Gesinnung wurden 
wiederholt offentlich ausgezeichnet. Bei der Jahrhundertfeier von 
Beethovens Todestag, im Jahre 1927, wurde die Begriinderin der 
„Volkstumlichen Beethoven<Feste" in Bonn zur Ehrenbtirgerin dieser 
Stadt ernannt. Im. Jahre 19.J7 wurde ihr vom Fiihrer des Deutschen 
Reiches der Professortitel verliehen. Was sie am tiefsten begliickt, ist 
die durch zahllose Erfahrungen verbiirgte GewiBheit, als Kiinstlerin 
einen iiberpersonlichen, gemeinniitzigen Auftrag zu erfiillen und da; 
durch sowohl den edelsten schopferischen Kraften ihrer Kunst als 
auch alien Menschen, die den Wunsch haben, sich durch diese Krafte 
erheben und erbauen zu lassen, innig verbunden zu sein. Der schlich* 
ten und groBziigigen Art ihres Spiels entspricht ihre Erscheinung und 
ihr Auftreten im taglichen Leben. Die Rheinlanderin Elly Ney ist — 
auch das gehort zum Geheimnis ihrer Lebenskraft und ihrer Wirkung - 
eine typische Reprasentantin ihres Volkstums. Warmblutig, impulsiv, 
mit kraftigem Humor begabt, im Fiihlen wie im Denken ganz ohne 
Scheuklappen, someisterte sie die Aufgaben, die das Leben ihr stellte. 
Es gehort zum Bilde dieser vollebigen Kiinstlerin, daB sie auch Gattin 
war und Mutter ist. Ihrer Ehe mit dem Geiger und Dirigenteri Dr. 
Willem. van Hoogstraten, s der am Mozarteum in Salzburg wirkt, ist 
eine Tochter entsprossen, die neuerdings als Schauspielerin bekannt 
wurde. Ihrem originellen Lebensstil im Landhause zu Tutzing am 
Starnberger See entspricht die ungezwungene Gebarde ihres Av£t 
tretens vor dem Publikum. Wenn diese stattliche und doch schlanke 
Frau im schlichten Kleid, mit leicht geneigtem Kopf und einem 
freundlichen Lacheln das Podium betritt, ist ohne weiteres die mensch* 
liche Fiihlung mit alien kunstfreudigen, um der Kunst willen versanv 
melten Horern hergestellt. Um auch die innere Fiihlung mit ihnen 
zu finden, pflegt sie gelegentlich das Publikum. auch in Worten anzu* 
sprechen und an das musikalische Ereignis heranzufiihren. Das alles 
ist nicht Pose, sondern spontanef Ausdruck ihres Empfindens, ihrer 
Gesinnung und ihrer Berufsauffassung. So hoch Elly Ney vom Gehalt 
der von ihr interpretiertenWerke, von ihrer personlichen Begabung und 
auch vom Beifall ihrer groBen Horgemeinde getragen wurde — sie ist 
immer ein bescheidener Mensch geblieben. In dieser Beziehung gilt 
auch fur ihr Leben und Streben das Wort ihres Leitsternes Beethoven : 
„Der wahre Kiinstler hat keinen Stolz. Indes er vielleicht von anderen 
bewundert wird, trauert er, noch nicht dahin gekommen zu sein, wohin 
ihm der bessere Genius wie eine feme Sonne vorleuchtet." 



133 



Fritz O.eser 



3oljamt laepomuk 2>auUi 



Bei der Vielfalt der geistigen Stromungen innerhalb der-Musik 
dieser Tage tut es gut, von Zeit zu Zeit Umschau zu halten, inwie» 
weit der GarungsprozeB vergangener Jahrzehnte bereits festen For* 
men undWerten Platz gemacht hat. So schwierig es ist, dasWesen 
eines schaffenden Musikers zu kennzeichnen, wenn sein Leben noch 
unabgeschlossen und sein Werk dem Widerstreit der Meinungen iiber* 
antwortet ist, so werden doch auch die Krafte der Gegenwart am ehe> 
sten in ihrer lebendigen AuGerung , begriffen, wenni.sie am Beispiel 
der schopferischen Personlichkeit zu Tage treten. Leben und Schaffen 
JohannNepomukDavids,der heute die Staatliche Hochschule fiir 
Musik in Leipzig leitet, verdienen vor allem, in diesem Zusammen< 
hang dargestellt zu werden. Denn der 47Jahrige, der in wenigen 
Jahren eine der eindringlichsten Gestalten des zeitgenossischen Musik< 
schaffens geworden ist, steht jetzt auf der Hohe seines Lebens und 
seiner SchaiFenskraft, und sein Lebensweg bildet mit seinem Schaffen 
ein so sinnvolles Ganzes, wie es in uhserer Zeit nicht sehr haufig i?t. 

Einfach sind die Lebensdaten: geboren am }0. November 189J als 
viertes unter dreizehn Kindern eines Schullehrers in Eferding a,' d. Do> 
nau, musikalisch erzogen in St. Florian und im Stiftsgymnasium zu 
Kremsmunster, studiert David von 1920 bis 1923 an der Akademie 
und Universitat in Wien und nimmt dann nach einer Zwischentatig* 
keit in Linz eine Stelle als Organist und Chorleiter im nahen Wels an. 
Sein dortiger Bach«Chor macht ihn im. engeren Umkreis der Heimat, 
sein Orgelschaffen im weiteren des Reiches bekannt. 1934 erfolgte die 
Berufung nach Leipzig als Lehrer fiir {Composition und Leiter der 
Kantorei. Dort wirkt er heute, seit 1942 als Leiter der Hochschule, 
von dort breitet sich seinWerk aus und findet immer starkere An* 
erkennung. 

Die geistige Entwicklung, die sich in diesem Lebensgang verbirgt, 
hat Davids Schaffen ein so markantes Profil und eine so unverwechseh 
bare Eigenart verliehen, daB vom Erscheinen des ersten Orchester* 
stiickes an — der „Partita fiir Orchester" 1936, die Davids Namen 
zuerst dem Kreis der Konzertbesucher bekannt machte und eines der 



134 

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meistaufgefiihrten zeitgenossischen Orchesterwerke wurde — sich eine 
entsprechende formelhafte Kennzeichnung Davids einbiirgerte: einen 
„Kontrapunktiker" aus Prinzip und unerhorter Begabung nennt man 
ihn und glaubt damit, seine Starke und seine Begrenzung erkannt zu 
haben. Es schwingt in dieser Benennung die Verwunderung dariiber 
mit, wie dieser Sohn eines Gaues, dessen Menschen an der Musik zu* 
erst den sinnlicheri Wohlklang lieben, dazu gelangt, Musik in strenger 
Auffassung als eine geistige Kraft und Aufgabe zu begreifen. DaB 
David, der menschlich in jeder Faser seines Herzens ein Sohn seiner 
Heimat geblieben ist, zu dieser Anschauung vom Wesen der Musik 
gelangte, hat seine Ursache in dem grundlegenden Erlebnis seines 
beginnenden Mannesalters : in der Begegnung mit dem Genius J ohann 
SebastianBachs, die sich vollzog, als der Ort des ersten Wirkens, 
Wels, ihm zugleich die Klangmittel bot, die Bachschen Geist am 
reinsten ausdriicken : Orgel und Chor. 

Dies war in den Jahren 1924- 193 4. DaB bis dahin das Chaos der 
Nachkriegszeit auch diesen Werdenden in seinen Bann gezogen hatte, 
bezeugt die „Kammersymphonie" des 28jahrigen, die nach einer 
Symphonie „Media vita in morte sumus" als das Hauptereighis der 
ungedruckten und verworfenen Jugendwerke angesehen werden muB : 
eine nervos zerfaserte Musik, mit fruchtbaren Ansatzen, die sichdann 
in der Partita reif entfalten konnteri, im ganzen aber nicht mehr als 
ein Zeichen der Garung. Was David danach in Bach begegnete, war 
dasWunder der Melodie, der reinen, aus sich selbst schwingenden 
Linie, aus deren Verschlingung mit gleichgearteten sich die besondere 
Art polyphoner Formgestaltung ergibt, - alles am eindringlichsten vers 
korpert in den Orgelwerken Bachs und im Altersstil der „Kunst der 
Fuge". Sie vor allem hat, wenige Jahre spater in Leipzig zur klingen* 
den Auferstehung erweckt, Davids Erkenntnisdrang nach einem 
bohrenden Studium sondergleichen die Richtung gewiesen. In Orgeb 
werken zeigt sich dann zuerst, d^B solches Bemiihen nicht ungesegnet 
blieb; ohne in einer Nachahmung barocken Stiles befangen zu bleiben, 
ist Davids Schaffen von Bachschem Geiste, vom Gesetz reiner Melodik 
und ihrer Bindung im polyphonen'Gewebe der Stimmen befruchtet 
worden. Bis heute ist David der Orgel treu geblieben, und das groB* 
artige „Choralwerk", eine Schule der Satz* und Ausdrucksmoglich* 
keiten des Instrumentes, ist bereits jetzt als das begriffen worden, was 
es ist: die starkste schopferische Leistung fur diese Gattung seit Reger. 

Noch eindringlicher mag sich David der Geist der Polyphonie im 
Gleichklang der Menschenstimmen enthiillt haben. Die Innigkeit 
seines Verhaltnisses zum unbegleiteten Chorgesang wird noch heute 

135 



ersichtlich, wenn er mit der Kantorei seiner Hochschule die Schatze 
der a cappella*Literatur zur Auffiihrung bringt. Es spricht fiir die Weite 
seiner nachschaffenden Kiinstlerpersonlichkeit, daB er nicht nur die 
groBenWerke der klassis'chen Chorpolyphonie und Madrigalkunst 
mit ungewohnlicher Spannkraft zu verlebendigen ,weiB, sondern auch 
einem Grenzwerk des Chorsatzes, der „Deutschen Motette" yon 
Richard StrauB, zu einer staunenerregend echten Wiedergabe verhilft, 
obgleich darin das schopferische Gegenprinzip zu allem wirksam ist, 
was David als das Wesen der Musik an Bach ofienbar geworden war. 
Denn wenn auch hier wie dort das Wort eine Bindung mit dem Melos 
eingeht und ihm damit geistig*seelische Bedeutsamkeit verleiht, so be* 
steht doch fiir David dieWurde echter Melodik darin, daB sie ein 
eigenstandiges selbstgeniigsames Sein verkorpert, das vielleicht eine 
bestimmte Bedeutung, nicht aber seinen Sinn, seinen Wert, seine Fiille 
erst durch den Gehalt des Wortes erhalt. Aus der Vermahlung solcher 
selbsteigener Melodie mit dem sinntrachtigen Wort kann sich ein gei* 
stiges Licht besonderer Art ergeben, und in Davids eigenem spateren 
Motettenschaffen gibt es Stellen, die dieses „Licht" ungeheuer intent 
siv erleben lassen: etwa das unvergeBliche „Klar wie ein Kristall" oder 
der SchluB der zweiten Offeribarungsmotette. Aber niemals erschiene 
David als echtes Melos, als reine Musik, was nicht an sich „ist", son* 
dern nur „bedeutet". Deshalb ist ihm schopferisch die Welt der Oper 
fremd und sein Werk innerhalb der Krafte der Gegenwart der auBerste 
Gegenpol zu dem des theaterbesessenen Werner Egk. Deshalb fehlt im 
Schaffen seiner Reifezeit ganzlich das Lied, und deshalb schlieBlich 
treten in seiner Musik bloBe Gefiihlserregungen, also alles eigentlich 
Ichhafte und die musikalische Ausdruckswelt, die dieses sich zu Be* 
ginn der musikgeschichtlichen Neuzeit erschuf, vollig hinter den Kraf* 
ten der „reinen" Musik und der Verkiindigung iiberpersonlicher Ge* 
halte zuriick. 

i David hat in einem vielbeachteten Vortrag zum Bremer Bachfest 
1939 iiber den „Kontrapunkt in der musikalischen Kunst" die Pro* 
bleme, die sich aus dem Kontrapunkt als der Formenwelt des reinen 
Melos ergeben, in den groBen Rahmen der Schwesterkiinste Dichtung 
und Musik gestellt. Deutlich ist in diesen Worten zu verspiiren, wie 
stark das zentrale Erlebnis „Bach" die schopferische Kraft des Nach* 
geborenen aufgerufen und wie die Welt des Musikers sich geweitet 
und genahrt hat an Kraften, die wie Bach an einem geistigen Kosmos 
noch diesseits „reinmenschlicher" Gefiihle und Erlebnisse gebaut 
haben, - am Goethe des „Faust", an Dante, an den Kathedralen der 
Gotik. Vor solchem Hintergrund verraten die Einwande, die gegen 

136 



Davids Stilprinzip vorgebracht werden: der Kontrapunkt solle nur 
dienen, nicht herrschen, weil er sorist die Phantasie ersticke, ihre 
Bedingtheit. Sie stammen aus dem Blickwinkel einer abgeschlossenen 
Zeitepoche, die wie Klassik und Romantik den Kontrapunkt nur als 
Steigerungsprinzip im „Kampf" der Themen oder als technisches 
Mittel zur Wiedergabe seelischer Wallungen kannte. Die unendlich 
reichen und starken Jahrhunderte, die, lange schweigend und nun 
wieder vernehmlich zu uns sprecbend, binter dem groBen Zeitalter 
der scbrankenlosen Ich*Verherrlichung stehen, lehren uns, daB Kon* 
trapunkt nicht zuerst Tecbnik ist und seine Formenwelt nicht nur 
„Kunststucke" umfaBt, sondern gerade die elementaren Baukrafte der 
Musik, die ihm zugrundeliegen : die Spannung des Intervalls, das frei* 
schwebende Gleicbgewicht der Linien sind auch am tiefsten im seeli« 
schen Ursprung der Musik verwurzelt. Unserer Zeit ist die schwere 
Aufgabe gestellt, unter der Last eines iibergroBen Erbes neu beginnen 
zu miissen, und gar zu gern weicht sie ihr noch durch die Flucht in 
Motorik und unverpflichtendc Spielmusik aus. Sie sollte deshalb 
nicht geringschatzig als „Konstr.uktion" werten, was wirkliche Bau* 
kraft, Fahigkeit neuen architektonischen Gestaltens ist. Denn Um« 
kehrungen und Nachahmungen und all ihre Abarten sind Formen, 
die das Melos selberwill, sie erfullen und bestatigen zugleich seine 
Gestalt und ihren Wachstumsdrang. Wie David das schon unbewuBt 
erfiihlt, zeigt das schone, schlanke Hauptthema des Flotenkon* 
zertes, das so im eigenen Gleichgewichte, „selig in ihm selbst", 
schwingt, daB es, vom Anfang oder vom SchluB begonnen, sich 
„krebsgangig" in gleicher Kurvewolbt: 



fEEE ^EEE^EE^EE^ 



p tf—f-^ r- f-i J L_| _^ = |_ r j ] f : 



Das ist als „Kunststiick" sinnlos, weil praktisch ohne jede Nutzungs* 
moglichkeit, als Anzeichen dafiir, wie hier das Schaffen zuerst hin* 
gebungsvolles Lauschen auf das Eigenleben der Melodie ist, sehr auf* 
schluBreich. Oder man greife ein anderesThema aus dem Finale dieses 
Werkes heraus, das in seiner sonnigen Warme, seiner schwingenden 
Heiterkeit ein besonderer Gluc.ksfall in .Davids SchafFen ist und viel 
starkere Verbreitung erfahren wiirde, wenh ihm nicht als Instrument 
talkonzert die Hindernisse des heutigen Konzertbetriebes - Vernach* 
lassigung bei den Proben usw. — entgegenstehen wiirden : wie verwand* 
lungstrachtig in Gestalt und Ausdruck das Melos ist, wenn es sich 
nach eigenen Gesetzen ausformen kann, wie wenig eine strenge Bin* 

137 



dung die Phantasie an direr Entfaltung hindert, geht aus der kontra* 
punktischen Umwandlung des versonnenen Einleitungsthemas in das 
tanzerische Klarinettenthema hervor : 



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jBj^Si^ 



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pp • 

Wer wiirde darauf komrhen, daB das zweite eine Spiegelkrebsum* 
kehrung des ersten ist, wenn er nicht in den Fehler verfiele, den er 
vielleicht dem Komponisten vorwirft : mit den Augen zu sehen, statt 
mit den Ohren zu horen? — Freilich hat David aus dieser Art von 
Wachstumswillen der Melodie die auBersten Folgerungen gezogen, wie 
niemand vor ihm, und dem freischwingenden Gegeneinander der 
Stimmeri auch da Raum gewahrt, wo es zu hartesten Klangreibungen 
fuhrt. Auch da jedoch bleibt es in einer atemraubenden Weise be» 
gliickend, weil auch in den starksten „senkrecht" horbaren Disso* 
nanzen die Spannkraft der melodischen Strebungen als wesenhafter 
erlebt wird, als der bloBe Wohlklang, - in Wahrheit klingt bier etwas 
vom Geist der Katbedralen wieder, wie ihn David bescbreibt: „Keine 
Wande - keine Mauern — keine Akkorde, sondern Pfeiler, die den 
Raum tragen ..." Urid bezeichnenderweise liegt nicht in den stark/ 
sten Ballungen, nicbt einmal in den groBen Augenblicken, da sich die 
Flut der melodischen Bewegung in Dreiklangen von prachtvoller 
Leuchtkrafi sammelt, der innere Kern dieses Schaffens bloB, sondern 
in den Offenbarungen der Stille: im Ineinanderkreisen des As*dur* 
Kanons aus dem „Lehrstiick" fur Orgel, oder wieim Mittelsatz der 
8<stimmigenMotette „ExDeo nascimur" drei Kanonstimmen dieMelo* 
die des „Wenn mein Stiindlein vorhanden ist" singen, in flusternden 
Vierteln, in schwebenden Halben, in ruhenden Ganzen, alles von dem 
feier lichen Grundsymbol des „In Christo morimur" gehalten, — nichts 
Herzbewegenderes gibt es als diese losende Reinheit und Innigkeit. 
Sie verrat, daB nicht nur die gestaltenden Grundkrafte, sondern auch 



138 



die tiefsten seelischen Wurzeln von Davids Schaffen die gleichen 
sind wie bei den groBen Meistern friiherer Jahrhunderte, deren Werke, 
mit dem sichtbaren oder horbaren „Soli Deo Gloria" geschmiickt, ihn 
den Weg zu sicb selbst gefiihrt haben. 

In der Rede zum Bachfest findet sicb das schone und tiefeWort, 
„daB eine Musik, die unsere Freuden und Leiden ausspricht, uns 
holder ist als die siiBeste Musik, die unsere Gegenwart nicht zur 
Kenntnis nimmt, sondern einfach da ist als ein Lobgesang Gottes' . 
Solche Einsicht in die Grundfrage alles heutigen MusikschalFens hatte 
David wohl kaum in der Zeit kommen konnen, da in Wels die ersten 
Orgelwerke und Motetten entstanden, die als Kunst im Raum der 
Kirche solchen Widerstand nicht zu spiiren brauchten. Sie kommt 
ihm in dem Augenblick, als mit demWeggang von der Heimat in 
die groBe Stadt ihm neue Anregungen zuflieBen, die seinen SchafFens* 
kreis machtig erweitern. Wie das Orgelwerk erst von Leipzig aus in 
die Breite wirkt, da in der Schule der Organisten, von Karl Straube 
lebhaft gefordert, nun David als Lehrer von starker Anziehungskraft 
tatig ist, wie auch die Motettenkomposition erst in Leipzig ihre reif* 
sten Friichte bringt, so bewirkt die lebendige Beruhrung mit der Welt 
der Konzerte, daB David sich wieder dem Orchester zuwendet und 
damit in den eigentlichen Streit der Ansichten gerat. Die zwolfjahrige 
Pause im Orchesterschaffen tragt nun Frucht: nach der Partita 1936 
entsteht in rascher FolgeWerk umWerk, dabei allein drei Symphonien. 

Die Hinwendung zum groBen Orchesterwerk und besonders zur 
Symphonie kennzeichnet einen entscheidenden Wandel in Davids Ent# 
wicklung. Wenn das Orgeb und ChorschafFen sich in einer Haltung 
vollzieht, die diesen Gattungen von jeher am gemaBesten war, so be> 
deutet die Erneuerung der Symphonie aus dem. Geist der Polyphonie 
eine grundsatzliche Abkehr vom iiberlieferten symphonischen Erbe. 
Mit einer Ausnahme: das ist Bruckner, und nichts ist so symbolisch 
im Lebensweg und Entwicklungsgarig Davids, als daB er, aufgeweckt 
durch den Geist Bachs und durch ihn gleichsam in seine Stadt gezogen, 
hier in der Reife seines Lebens und Wir kens den Weg zuriickfindet 
zum Genius der Heimat und damit zu den eigenen Urspriingen." So 
steht in der Mitte seines Schaffens, zeitlich und der Gattung nach, eine 
Huldigung an Bruckner: der „Introitus, Choral und Fuge iiber ein 
Thema von Bruckner", Orgelwerk und gleichzeitig Wegweiser zum 
orchestralen SchafFen, ist zwar schon am Ende der Welser Jahre ge< 
schrieben, erlangt aber bezeichnenderweise seine endgiiltige Gestalt 
erst 1939 in Leipzig, als David zu den Quellen seines Lebens zuriick* 
gekehrt ist. Was er stilistisch mit Bruckner gemeinsam hat, ist wenig; 

139 



die tanzerische Vitalitat und der eigentiimlich schwingende Rhythmus 
der Scherzosatze, das elementare Leuchten an Hohepunkten des reinen 
Klanges (Blechblaser!) sind eher als Erbe des gemeinsamen Volksstam* 
mes und der gemeinsamen Landschaft anzusehen. DerenTanzlust klingt 
in dem oberbayrischen „Zwiefacben" (dem taktwechselnden Volks; 
tanz) des Scherzos der 2.Symphonie oder in den Laridlerweisen des 
Finales der 2. Partita auf - noch einmal bat sich so diese gesegnete 
Landschaft in demWeg eines Sangerknaben von St.Florian in die 
weiteWelt der groBen Musik erfiillt. Dariiber hinaus hat David mit 
Bruckner die geistige Haltung und die Aufgabe gemein. Bruckners 
geschichtliche Leistung war, abgesehen von seiner unvergleichlichen 
Schopferkraft, die- Oberwindung der klassischen Dialektik der The* 
menverarbeitung durch eine neue Bewertung der melodischenSub* 
stanz, die in seiner weitraumigen Themengestaltung mit all ihren 
Folgen fur die Formanlage und Klanggebung spurbar ist. Seine Losung 
ist einmalig und muBte ohne Nachfolge bleiben. Ihren entscheidenden 
Grundansatz aufgegriffen zu haben, kann heute schon als die Leistung 
DavidsFur unsere Zeit angesprochen werden. Ein Thema wie das seiner 
3. Symphonie, 



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voller Spannkraft und doch gelost und in sich ruhend, beschwort durch 
sein bloBes Scsein die kontrapunktische Gestaltenwelt herauf, die der 
aus einer entgegengesetzten Geisteshaltung stammenden Symphonies 
form bis dahin fremd war. Aus ihr heraus das symphonische Gesetz 
neu zu erfiillen, war ein kiihnes Wagnis, sein Gelingen stellt nun etwas 
wahrhaft GroBes dar. Das Thema, bloBer Antrieb eines erregenden 
dramatischen Geschehens in derBliitezeit der Symphonik, wird so in 
letzter Folgerichtigkeit von Bruckners entscheidender Tat zum tragen* 
den Melodiesymbol, zum Cant us firmus einer polyp honen Archif 
tektur, die auch das klassische ZweithemensPrinzip iiberbriickt und 
an seiner Stelle von Satz zu Satz Bogen schlagt, am Ende so alle melo* 
dischen Symbole ineinander wolbend. 

Innerhalb dieses Bauplans entfaltet David eine unerschopf liche Fiille 
von formalen Losungen. Fiir die einheitliche Gestaltung der ersten 



140 



Partita hat das barocke Vorbild die Richtung gewiesen; ihr Zentrum 
ist die Spiegelkrebsfuge, - erstaunlich deswegen, weil die unerhorte 
Kunst, 73 ausgedehnte Takte in Spiegelung riickwarts ablaufen zu 
lassen, noch iibertroffen wird von der Kraft der Phantasie, die daraus 
eine Musik von verzebrender Inbrunst scbafft. Danach erfolgt in der 
i. Symphonie die Verwirklichung des gleichen Baugedankens im 
Rahmen der viersatzigen Symphonieform: an der Durchfuhrung des 
i. Satzes, die an Stelle des „Kampfes" der Motive gerade die Heim* 
findung des Themas in sein stilles, weitaussingendes Urbild bringt, 
laBt sich ablesen, wie einschneidend der Cantus firmus*Gedanke das 
klassische Symphoniegefiige gewandelt bat. War die leittonbestimmte 
Melodik der Partita noch am ehesteh einer Polyphonie Bachschen Ge* 
, prages zuzurechnen, so entfaltet sicb die der Symphonie innerhalb des 
aolischen a*moll mit ihrer Fur Davids Melodik und Akkordik typischen 
Doppelquartfolge zum erstenmal in freier Linearitat, In der i. Sym* 
phonie tritt dazu noch eine auBerst kiihne Harmonik und eine Ge* 
wait des Ausdrucks, die im Verein mit den gliihenden Klangfarben das 
Werk zum Hohepunkt der monumentalen Seite des Davidschen Schaft 
fens macht. Gipfel ist die Finale*Chaconne, die hinsichtlich des uner* 
schopflich stromenden Erfindungsreichtums und der formalen Au6 
tiirmung in dieser Form und in dieser Zeit kein Gegenstiick hat. In 
der Folge kiindigt sich eine Waiidlung an : sie ist spiirbar im Motetten* 
schaffen, das nach dem groBartigen DoppebCantusdirmus*Bau „Ex 
Deo nascimur" iiber die innigen Choralvariationen „Ich 'vvollt, daB ich 
daheime war" zu der vereinfachten und ganz verinnerlichten Inbrunst 
der beiden Motetten iiber Worte der Offenbarung Johannis (1939) 
fuhrt. Auch das Hervortreten des kammermusikalischen Schaf* 
fens, das erstmalig nach Welser Anfangen wiederauflebt, mag als An* 
zeichen dafiir gelten. Es ist durch konzertante Momente mitbestimmt, 
fiir die zum Teil Davids Liebe zu kostbaren alten Instrumenten und 
ihren unentdeckten Moglichkeiten die Ursache sein diirfte. Nutzt das 
Duo von 1938 die polyphonen Moglichkeiten von Geige und Cello 
vielleicht zu sehr auf Kosten der klanglichen Wirkung aus, so weist da* 
fiir die weitgesponnene Melodik der Sonate fiir Flote, Bratsche und 
Gitarre (1941) auch dem symphonischen Schaffen neue Wege. Sie hat 
David teilweise in der 2. Partita (deren letzter Satz eine besonders 
gelungene Vereinigung von Scherzo* und Finaleform ist) und vor allem 
in seiner 3. Symphonie beschritten; hier ist es das innige Adagio, das 
die wachsende Reifung und Vertiefung an einer zentralen Stelle der 
Symphonieform beleuchtet. — Ein volliges Novum ist das Divert!* 
mento „Kume, kum Geselle min" insofern, als es David erstmalig 

141 



ganz von der Seite einer kecken Musizierfreude zeigt, die bis dahin 
nur episodisch aufgeklungen war. Die zugespitzte Rhythmik, beson* 
ders des witzigen SchluBsatzes, und die delikaten Klangfarben sind ein 
Beleg dafiir, wie David bei aller gleichbleibenden Eigenart seiner 
Klangsprache (die Orgelmixturklangeb auch das Orchester immer 
besser zu nutzen weiB. 

DaB sich, das musikantische Divertimento harmonisch in Davids 
Schaffen einfiigt, ist wiederum als eine Gabe der Heimat zu werten, 
die ihren Kindern den Frohsinn und die Tiefe zugleicb geschenkt hat. 
Eine ahnliche Mischung der Elemente findet sicb z. B. im dichterischen 
Schaffen von Davids Landsmann Jos e f We i n h e b e r, der mit ihm auch 
gemeinsam hat, dafi sein Werk den ersten starken Widerhall im Alt* 
reiche fand Cnoch heute sind es die Stadte Mitteb und Norddeutsch? 
lands - Leipzig, Berlin, Bremen u. a. - die Davids Musik am meisten 
aufgeschlossen sind, wahrend die groBe Hauptstadt der heimatlichen 
Gaue immer noch abseits bleibtb. Wie David aus dem Erlebnis des 
Melos heraus den machtvollen Bau seiner Symphonien errichtet, so 
g'ewinntWeinheber aus der neu erlebten Gewalt des Wortes das Can* 
tus*firmus;Gebaude seiner groBen Sonettenzyklen. Angesichts solcher 
Wesensverwandtschaft ware zu wiinschen, daB ein Zusammenwirken 
beider das hervorbrachte, was David uns noch schuldig geblieben ist 
und wofiir das groBartige Cunveroffentlichte) „Ezzolied" von 1928 ein 
starkes Versprechen darstellt: die Vereinigung des vokalen und instru* 
mentalen Schaffens im groBen Chorwerk. Es konnte eine Erfiillung 
unserer Zeit werden, wie es die Symphonien bereits heute sind. Denn 
ob es gleich miBlich ist, den Propheten fur den Lebenden zu spielen, 
sei doch, ohne an Wertvergleich zu denken, dies bekannt : wenn ein 
Mensch unserer Zeit die beiden groBen Schopfernaturen, die als Weg* 
weiser seines Schaffens genannt wurden, als wahrhafter Erbe durch 
Geburt und Erlebnis so in sich aufnehmen kann, daB fruchtbar Neues 
entsteht, und wenn der Horer nicht allein als Musiker von diesem 
Konnen begeistert, sondern mehr noch als horender Mensch von der . 
gelassenen Kraft, der Fulle und der unsagbaren Reinheit dieser Musik 
immer aufs Neue im Innersten ergriffen wird, so kann ihm der Glaube 
nicht zuschanden werden, daB hier ein Werk ist, das dauern wird und 
von dem zu zehren unser Nutzen und unsere Ehre ware; 



142 



BPetfujerjeidjnia 



Orchesterwerke : 



Symphonie (Nr. i) in asmoll fur Orchester, Werk 18 (1937). 
Symphonie Nr^ 2 fur Orchester, Werk 20 (1938). > 

..Symphonie Nr. 3 fur Orchester, Werk 28 (1941). 
Partita (Nr. 1) fiir Orchester (1933"). 
Partita Nr. 2 fiir Orchester, Werk 27 (1940). 

„Kume, kum, geselle min". Divertimento nach alten Volksliedern fur Orchester, 
Werk 24 (1939). Hierzu: Ausgabe fur Blasquintett und Klavier. 
Variationen iiber ein Thema von J oh. Seb. Bach fiir Kammerorchester, Werk 29 a 
(1942). 

Symphonische Variationen iiber ein Thema von Heinrich Schiitz fiir Orchester, 
Werk 29b (1942). 



Soloinstrumente mit Orchester: 

Konzert fiir Flote und Orchester (1936). Hierzu: Ausgabe fiir Flote und Klavier. 
Introitus, Choral und Fuge iiber ein Thema von Anton Bruckner fiir Orgel und 
9 Blasinstrumente, Werk 23-' (1939). 



Kammermusik ohne Klavier: 

Trio in G*dur fur Violine, Viola und Violoncell (1931). 

Duo concertante fiir Violine und Violoncell, Werk 19 (1937:1. 

Sonate fiir Flote, Viola und Gitarre, Werk 26 (1940). 

Trio fijr Flote, Violine und Viola, Werk 30 (1942). 

Duo<Sonate fiir Viola d'amore und Viola da gamba, Werk 31a (1942). 

Sonatiiie fur Flote allein, Werk 31b (1942). 



Orgelwerke: 

Choralwerk. - — Choralvorspiele, Partiteri, Toccaten, Fantasien, Passacaglien u. a. 
fiir Orgel, Heft I — VIII (1932-194D. 

Erstes Heft Nr. 1-6. - Zweites Heft Nr. 7-i3".-DrittesHeftNr. 16-21. -Viertes 
Heft Nr. 22-27. - Fiinftes Heft Nr. 28-32. - Sechstes Heft Nr. 33 : Christus, der 
. ist meiri Leben. Ein Lehrstuck fiir Orgel. — Siebentes Heft Nr. 34-36: Fiir Orgel* 
Positiv. — Achtes Heft Nr. 37 : Es sungen drei Engel ein' siiBen Gesang. Geist* 
liches Konzert fiir Orgel. 
Chaconne in a<moll fiir Orgel (1927). 

Zwei Hymnen (Pange lingua - Veni creator) fiir Orgel (1928). 
' Passamezzo und Fuge in g«noll fiir Orgel (192 8). 
Ricercare in omoll fur Orgel (1928). 
Toccata und Fuge in fimoll fiir Orgel C1928).. 
Fantasia super „L'homme arme" fiir Orgel (1929). 
Praeambel und Fiiga in d«noll fiir Orgel (1930). 

Zwei kleine Praludien und Fugen in a<moll und G<dur fiir Orgel (1931). 
Zwei Fantasien und Fugen in e*moll und C'dur fiir Orgel (1933-). 

143 



Geistliche gemischte Chore a cappella: 

Stabat mater fur sechsstimmigen gemischten Chor 0927). (A. Bohm & Sohn, 

Augsburg). 

„Ein Lammlein geht unci tragt die Schuld". Motette zu vier Stimmen (193^). 

„Herr, nun selbst denWagen halt". Choralmotette zu vier bis fiinf Stimmen 

U93P- 
' „Nun bitten wir den heiligen Geist". Choralmotette zu vier ungleichen Stimmen 

CI93P- - 

„Ex Deo nascimur — in Christo morimur — Ex spiritu sancto reviviscimus". Mo> 

tette fur achtstimmigen gemischten Chor (1936). 

„Ich wollt, da8 ich daheime war". Choralmotette fur vierstimrnigen gemischten 

Chor (1936). 

,,Kyrie" (Herre Gott, erbarme dich). Liturgischer Satz fur drei Stimmen (1937). 

,,Der gerechten Seelen sind in Gottes Hand" fur yierstimmigen gemischten Chor 

(1937)- 

„Wer Ohren hat zu horen, der hore". Motette fur vier* und funfstimmigen ge< 

mischten Chor, Werk 23a (1939). 

„Und ieh sah einen neuen Himmel". Motette fur vier* und funfstimmigen ge* 

mischten Chor, Werk 23b (1939).^ 

Geistjiche gemischte Chore mit Instrumenten: 

. „Frohlich wir nun all' fangen an". Kantate fur drei Stimmen (Sopran, Alt, BaB), 
Oboe und Orgel U941). 

Weltlicher Mannerchor a cappella: 

„Mensch werde wesentlich". Spruch von Angelus Silesius fur dreistimmigen 
Mannerchor (1937). 

Weltlicher gemischter Chor mit Instrumenten: ■■«.■■'■,. 

„Heldenehrung". Motette nach einem Fiihrerwort fur yierstimmigen gemischten 
Chor und 3 Posaunen (1942). 

Lieder mit Orgelbegleitung: 

„Ich stiirbe gem aus Minne . . .". Gottesminnelieder nachWorten der Meehthild 
von Magdeburg fiir Frauenstimme und Orgel, Werk 32 (1942). 

Samtliche Werke emit Ausnahme des „Stabat mater") sind bei 
Breitkopf £5 Hartel in Leipzig erschienen 



144 




foljann IQepomuk IDamb 




Joelmut Brtiutigam 



Gerhard Berger 

Helmut Brautigam 

im Osten gefalien.am 17. Januar 1942 

Sollt' ich aus der Feme schauen ? 
■',■. Nein ! ich teile Sorg' und Not. 

(Faust, Euphorion) : 

Wir haben im Kriege verlernt, von Tragik zu sprechen. Das Schick; 
sal, das iiber unserem Volke Uegt, ist zu groB, als daB wir das Schicksal 
eines Einzellebens herausheben mochten. Wenn es auf Leben und Tod 
geht, wird jeder gleich wichtig und gleich entbehrlich. Und doch emp; 
finden wir anders, wenn jene schopferischen Menschen von uns gehen, 
deren Leben uns alien gilt. Sie kiinden fur ihre Zeit und ihr Volk, ihre 
Sprache bezeugt dessen Kraft und seinen Urbestand. Sie sind die Vor* 
hut auf dem Weg in die Zukunft und geben die MaBstabe. Das 
Schicksal schenkt sie nur in kleiner Zahl, und wenn sie uns yerlassen, 
stehen wir vor einer Leere, die nicht mehr auszufiillen ist. 

Wir rechnen Helmut Brautigam zu diesen schopferischen Menschen. 
Kaum 28 Jahre waren ihm gegohnt, aber er nutzte sie so, daB er nun 
in der Reihe der Wenigen steht, die uns Bleibendes zu sagen haben. 
So groB das Schafien ist, das er in wenigen Jahfen in unsere Hande 
legte, auf demWege, den er durcheilen wollte, ist es nur ein erster 
Schritt, ein Auftakt zu den hohen Zielen, die er sich gesetzt hatte. 

Helmut Brautigam wurde am 16. Februar 191 4 in Crimmitschau in 
Sachsen geboren. Im elterlichen Kantorenhause, das ihm die erste 
Ausbilduhg im Klavier;, Orgeh und Violinspiel mitgab/ wuchs er 
schnell in eine lebendige Musikiibung hinein und lernte friih, sein 
Konnen in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Wahrend seiner 
Gymnasiastenzeit unterrichtete ihn der Organist am Mariendom in 
Zwickau, Paul Gerhardt. Entscheidend wurde fur ihn die Begegnung 
mit der Jugendbewegung. Sie gab seinem f\6nnen das rechte Wirkungs* 
feld und weckte in ihm den Wandervogel in seinen schonsten Seiten, 
der Liebe zur deutschen Heimat und zum Volkslied. Bis zu seinem 
Tode stand die Jugendmusikarbeit im Vordergrund all seiner Betati* 
gung. Nach Abitur und Arbeitsdienst durchwanderte er den Balkan, 
Griechenland und Italien. 1934 begann er sein Studium am Landes* 
konservatorium der Musik zu Leipzig, wo ihn Max Ludwig im Tons 
satz unterrichtete. Nach der Reifeprufung am Kirchenmusikalischen 
Institut studierte er bis zum Kriegsbeginn bei Johann Nepomuk David 

IO 1 AC 

145 



Kontrapunkt und bei Hermann Abendroth Dirigieren. Neben seinem 
Studium war er in der Studentenfuhrung seiner Hochschiile, im 
Jugendfunk des Reichssenders Leipzig und beim Sachsischen Volks* 
liedarchiv leitend tatig und wurde 1938 Lehrer an der Leipziger 
Jugendmusikschule. Zu Beginn des Krieges zum Wehrdienst einbe; 
rufen, nahm er am Feldzug in Frankreich teil und blieb dort bis 
Ende 1 94 1. Anfangjanuar 1942 kam er nach RuBland, wo er bereits 
nach wenigen Tagen in einer Schlacht siidlich des Ilmensees als Unter* 
offizier gefallen ist. 

Helmut Brautigams Wirken gait der Gemeinschaft. Alle Einseitig; 
keit und Absonderung lag ihm fern, immer wollte er mitten im Leben 
stehen. Seine Schaffenskraft suchte in die Gegenwart auszustrahlen, 
wollte unmittelbare Fiihlung mit der Umwelt finden, gleichgiiltig, 
ob der Arbeitskreis des Studentenbundes, die Rundfunkspielschar der 
HJ. oder zuletzt auch die soldatiscbe Kameradschaft das Betatigungs* 
feld wurden. Allen Problemen seiner Zeit aufgeschlossen entwickelte 
und weitete er in unermiidlicher Aufnahmebereitschaft sei'nen Wissens« 
und Wirkungskreis, wurde neben der schopferischen Tatig keit Fiihrer 
und Erzieher. Seine Liebe gait nicht nur den Freunden und Scbiilern, 
sondern ebenso der Forderung der unmusischen Menschen, die ihm 
begegneten. Dabei war sein Wirken niemals lehrhaft. Er predigte 
nicht mit Worten, sondern iiberzeugte durch seine Personlichkeit und 
musikalische Kraft. Der heitere Ernst, die Schlichtheit und Urspriings 
lichkeit seines Wesens zwangen jeden, der ihm gegeniibertrat, zur Ge* 
folgschaft und begeisterten fur die Ideale, denen er selbst folgte. Weil 
er bescheiden und selbstverstandlich, ohne jedes Pathos vorlebte, was 
er forderte, wurde er schnell Vorbild und Mittelpunkt fur alle gleich* 
gesinnten jungen Menschen. 

So wuBte er sich iiber sein Schaffen hinaus verantwortlich. Dienst 
an der Kunst war fiir ihn volkische Aufgabe. Was Helmut Brautigam 
wagte und von sich forderte, war - der politische Kiinstler. Einheit 
des schopferischen Kiinstlers, Kunsterziehers und soldatischen Fiihrers 
war das Ideal, auf das sich der Hohenflug seines Strebens richtete. Mit 
heiBem Herzen setzte er sich fiir eine Erneuerung des deutschen We? 
sens ein, tief iiberzeugt von der ethischen Sendung der Kunstl Nur 
eine Besinnung auf die letzten Urwerte konnte unserem uberziichteten 
Zeitalter neue Verwurzelung geben. Er sah diese Urkrafte im Volks* 
turn. Aus ihm sollte die Neugeburt unserer kultufellen Gesinnung &ti 
folgen, aus dem Geist des Volksliedes sollte sich die M us ik erneuern. 
Helmut Brautigam war kein Ideologe, sondern Praktiker und Musi* 
kant. Er redete nicht, sondern ging zu den Quellen und sammelte die 

146 



Volkslieder dort, wo sie noch lebendig waren. Ob er seine engere Hei* 
mat durchwanderte oder zu den Bauerndorfern der jugoslawischen 
Batschka auf Fahrt ging, iiberall spiifte er den vef klingenden Weisen 
nach, lockte die verborgenen Lieder hervor, ermutigte Frauen und 
Madchen zur Treue zu ihrem Volkstum und half die kostbaren Schatze 
heben und beleben. Was er heimbrachte, sollte ja nicht Archive fallen, 
sondern lebendiger Brauch, greifbarer Besitz werden und letzten Endes 
der Ausdruck einer neuen Lebenshaltung, die sich auf organischem 
Wege, iiber Familie und singende Gemeinschaft durchsetzen sollte. 
Aus den Elementen gesunder Geselligkeit und echter Volkskunst sollte 
auch die groBe Kunst neue Kraft und Antriebe empfangen und damit 
breiteren Zugang, tiefere Verwurzelung finden. Die Kunst sollte nicht 
mehr Kunststiicke fiir Kenner bieten, sondern wieder Kiinderin einer 
groBen Gemeinsamkeit sein. In seinem Schaffen hat Helmut Brautigam 
diese Aufgabe einer Losung entgegengefiihrt und dazu beigetragen, 
eine Briicke iiber das Entweder*Oder von. Volks* und Kunstmusik zu 
schlagen. 

Als mit der Einberufung zum Wehrdienst seiner Wirksamkeit Gren* 
zen gesetzt wurdeh, begann fiir ihn eine Zeit desNachsinnens. Helmut 
Brautigam, der ein Meister desWortes war und in vielen formvoll* 
endeten Gedichten auch in dieser Kunstgattung sein Konnen bewies, 
hat in einer umfangreichen „Weltschau" niedergelegt, wie sich ihm 
das Weltgeschehen als Kosmos voll organischer Logik darstellte. Er 
ging auch hier wieder aufs Ganze. Goethe und Holderlin waren seine 
Fiihrer, aber nicht weniger vertiefte er sich zum Aufbau seines Welt* 
bildes in alle Zweige der Natur* und Geisteswissenschaften. Wo ihm 
wissenschaftliche Ergebnisse fehlten, griff er unbefangen zur Hypo* 
these. Aus seiner Schau spricht der Kiinstler, der in tiefem Griibeln 
nach den letzten Zusammenhangen fragt, nicht vom Zweifel getrieben, 
sondern vom Wunsch aufzubaueri. Helmut Brautigam war ein glaubi* 
ger, zuversichtlicher Mensch, der auch das Negative vom Guten her 
sah und ins Positive zu wenden wuBte. Aber er sah die Wirklichkeit. 
Als Hintergrund seiner uberlegungen wird die Erkenntnis immer 
deutlicher, daB es gegenwartig nicht allein urn ein neues politisches 
BewuBtsein geht, sondern um die Erneuerung unserer religiosen Bin* 
dung. Auf einsamer Kiistenwache am Atlantischen Ozean sinnt er den 
letzten Fragen nach. Der Tod seines besten Freundes Erich Wetzig 
priift sein Wollen und lautert seine Erkenntnis. Vielleicht ist er in 
- dieser Einsamkeit zum erstenmal ganz zu sich selbst gekommen. Er 
sieht nun auch seinen Auftrag neu. Die Kunst muB iiber den Aus* 
druck politischer Gemeinsamkeit hinausgehen und neuer Gottesdienst, 

147 



Mittelpunkt einer kultischen Gemeinschaft werden. So reift in ihm der 
Plan zu einem groBen Weihespiel, das die ganze Gesetzlichkeit des 
menschlichen Lebens mythisch umspannen soil. 

Helmut Brautigam ist an derWende seines Lebens gefallen. Wir 
ahnen, daB er in dem kommenden Lebensabschnitt seine Schopfer? 
kraft nicht mehr verschwenderisch nach vielen Seiten ausgestrahlt 
hatte, sondern in der Hinwendung zu den Scbwerpunkten musikali? 
schen Schaffens seine besondere Lebensaufgabe linden wollte. Aber er 
war nach einem anderen Gesetz angetreten. Was uns als unfaBbare 
Tragik erscheinen mag, war fur ihn, der immer dem Ganzen lebte, 
letzte Bewahrung. Er wollte fur das neue Reich, dem seine Lebens* 
arbeit gait, auch als Soldat einstehen und bewies mit seinem Sterben, 
daB er bereit war, den Weg des politischen Kiinstlers bis in die letzte 
Konsequenz zu gehen. 

Wie das Leben Helmut Brautigams, so steht auch sein Schaffen in 
der Bindung an die Gemeinschaft. Der Grundstoff seiner Musik ist 
das Volkslied, seine Ausdrucksform der Kanon. Im Volkslied spricht 
sein naturhaftes Volkstum, aber ebenso eingewurzelt und von friihster 
Jugend vertraut ist ihm die kontrapunktische Denkweise. Ein drittes 
Element ist der rhythmisch*motorische Impuls, der seiner Musik die 
belebende Kraft gibt. Die Einheit seines Wesens spiegelt sich auch in 
seinenWerken wieder. Sie sind ein organisches Ganzes, werden von 
einer rhythmisclwthematischen Grundhaltung durchwaltet. Der pflan« 
zenhaften Organik des Lied^Korpers entspricht die organische Logik 
des Kontrapunkt*Geistes. Denn der Kontrapunkt ist hier niemals Spie* 
lerei oder beliebiges Ausdrucksmittel, sondern Notwendigkeit des 
innersten Wesens, eine Gesinnungsangelegenheit. Aus ihm spricht die 
strenge Bindung. Er ist niemals Zufall, sondern immer Symbol. Des< 
wegen nennt man Helmut Brautigams Stil oft „barock", aber er ist es 
nicht durch archaisierende Ruckwendung, sondern als Ausdruck einer 
Geisteshaltung, in der die Bindung an die Gemeinschaft ungestort ist. 
Die meisten und wohl auch die schonsten Werke hat er fur die 
singende Gemeinschaft geschrieben. Sein vokales Schaffen spannt sich 
vom einstimmigen Feier* und Soldatenlied iiber schlichte und kunst* 
voile Kanons, Volksliedsatze und dreistimmige Madchenlieder bis zum 
groBen Chor? und Kantatenwerk. Allein durch seine Volksliedsatze hat 
uns Helmut Brautigam UnvergeBliches geschenkt. Sie sind niemals 
„Bearbeitungen", die geistreiche Einfalle anbringen wollen, sondern 
spiegeln das reine Wesen des Liedes wieder, ja vertiefen meist in der 
Linienfiihrung der freien Stimmen seine Schonheit und Eigenheit. Die 
gleiche Echtheit zeichnet seine Volksliedkantaten aus, die - oft durch 

. 148 



Volkstanze belebt - mit urwiichsiger Frische musizieren. Zu dieser 
Urspriinglichkeit gehort aucti Helmut Brautigams gesunder Humor. 
Auch die Heiterkeit war fiir ihn eine ernste Sache und nichts lag ihm 
ferner als Ironie und Persiflage. In seiner Hand erhielt alles Gewicht. 
So sind seine Spielmusiken keine Spielereien, sondern wollen bei aller 
Unbefangenheit ernst genommen werden. Auch in seinen groBeren 
Werken waltet diese Verbindung von volksliedhafter Einfalt und 
kontrapunktischer Oberlegenheit. Wenn er in den Feiermusiken und 
ernsten Chor* und Kantatenwerken seine Spracbe steigert, erhebt sich 
die Musik zu bynanischer GroBe und schreitet mit schlankem, grie« 
chischem Pathos und strahlender Leuchtkraft. Als schonstes Beispiel 
hierfiir muB wohl der sechsstimmige gemischte Chor „War ich eine 
blanke Leier" genannt werden. In der Orgeb und Orchestermusik, vor 
allem aber in seinen Kammermusikwerken und Sololiedern ist er ganz 
zu sich selbst hingewendet und gibt uns Einblick in den unerschopf* 
lichen Reichtum seiner Gestaltungskraft. Sein kontrapunktisches Kon* 
nen, dem Joh. Nep. David die letzte Vertiefung gab, karin sich hier 
in hochster Vergeistigung entfalten. Und in alien Werken erleben wir 
staunend, wie rhythmische Vielseitigkeit und selbstandiges Atmen der 
Linien, wie Freiheit und Widerspiel der Einzelkrafte sich doch immer 
organisch dem Gesetz des Ganzen fugen. 

So steht Helmut Brautigam bei denen, die uns wieder etwas zu sagen 
haben. Er spricht fiir uns und wir finden uns in ihm. Seine ganze Kraft 
und Hingabe gait der Jugend unseres Volkes. Schpn. deshalb gehort 
sein Werk der Zukunft. 



B7etktjer3ei(t)me 

Das Verzeichnis fiihrt die Werke an, die im Druck erschienen oder daftir bestimmt 

sind. Eine groBe Zahl von Jugendwerken oder Werken, .fiir die eine Ufnarbeitung 

geplant war, befirtdet sich noch im NachlaB. 

Chor< und Kantatenwerke: 

2 Motettefi fur funfstimmigen Chor nach Rilke, Werk i (B & H). 
4 Weihnachtsmotetten fur vierstimmigen Chor, Werk 4 (B & H). 

3 sechsstimmige Chore nach altgriechischen Texten, Werk 12 (B &H). 

7 MadchenliederfurFrauenchoraus„DesKnabenWunderhorn",Werk ij(B8H). 

Der Baum, j gemischte : Chore nach Joh. Linke (K 6 S). 

Lebenslust (Goethe) fur; achtstimmigen Chor (auch als sechsstimmigen Tripeb 

kanon) (B 6 H). 

i,Lob der Musik",- Kantate fiir Chor, Soli und Instrumente, Werk 7 (K £5 S). 

„Die Briefe der Gefallenen" (Langemarck* Kantate) fiir sechsstimmigen Chor und 

Orchester (Bias* oder grofies Orchester), Werk 16 (B OH). 



149 



„Der Krieg stoBt in sein Horn", Soldatenkantate fiir Mannerchor und Blas< 

orchester tVo). "' 

„Die heilige Stunde" (Hochzeitskantate), Werk 18 (Ka). 

„Guten Abend euch alien beisammen" (Quodlibetkantate) (Vo). 

„ Von allerlei Tieren", Kantate fiir Kinderchor, 2 Blaser und 3 Violinen (K 8 S). 

„Das groBe Saufi und FaBnachts*Quodlibet" fur 1-8 Stimmen (Vo). 

Solo*, Kinder* und Volkslieder: 

Sommerliederbuch fur Singstimme und Klavier, Werk 9 (Vo). 

6 Gesange urn Winter und Weihnachten fiir Alt, Klarinette, Violine und Violon* 

cello, Werk 10a (Ka). 

3 Lieder fiir Bariton und Streichquartett, Werk 10b (Ka). 

18 Kinderlieder fiir Singstimme und Klavier (Vo). 

Wiegenlied fur Singstimme und Klavier (B £i H). 

3 Weihnachtslieder fiir a) Singstimme und Klavier, b) Frauenchor, o Gemischten ; 
Chor (To). 

4 Weihnachtskanons nach Baumanniiedern (Vo). 
12 Kanons (B &H). 
3- historische Soldatenlieder (K & S). 
,,Ich spring in diesem Ringe", 10 Volksliedsatze (Vo). 
Deutsche Volkslieder aus der jugoslawiscken Batscbka (Ba). 
2 j Batschkalieder in Satzen fiir Choi (B & H). 
6 lothringische Volkslieder in vierstimmigen Satzen. \ 

Kammer* und Spielmusik: ■'....■■ 

Kleine Weihnachtsmusiken fiir Blockflote und Klavier, Werk j (B8 H). 

Sonate fur Klavier, Werk 6(B6 H). 

2. Sonate fiir Violine und Klavier (B 6 H). 

Tokkata fur Orgel, Werk 2 (B & H). 

Feiermusik fiir Orgel tiber „Wenn alle untreu werden", Werk 14, 1 (B & H). 

Kleine Jagdmusik fur 9 Blaser, Werk 1 1 (B & H). , 

Lieder und Tanze aus Sachsen, 2 Reihen (B & H). 

Marsche und Tanze aus Sachsen (in der Reihe „Volk musiziert';) (Nagel) 

„Frohliche Musik" fiir / Melodieinstrumente (K £5 S). 

„Aufzug" fiir lnstrumente (Ka). 

Kleine Musik fiir Streicher (Vo). > ' 

Musik zu Gedichten von Johannes Linke (Vo). 

Grchester musik: 

Orchestermusik, Werk 8 (B & H). 

Konzert fiir Flote, Oboe, Fagott mit Streichorchester und zwei Hornern, Werk 13 

(B&H). 

Festliche Musik fiir Orchester (mit SchluBchor „Wenn die Stiirme Leben wek* 

ken"), Werk 17 (B & H). 

Festlicher Marsch fiir 3 Blaserchore (B &H). 

Tanzerische Suite fiir Orchester (B (i H). 

Verleger'Angaben : Ba = Barenreiter* Verlag, Kassel — B t) H = Breitkopf £5 Hartel, 
Leipzig - Ka = Georg Kallmeyer Verlag, Wolfenbiittel — K&S = Fr. Kistner 
F. C. W. Siegel, Leipzig - To = P. J. Tonger, Koln - Vo = Ludwig 
* ■■. Voggenreiter Verlag, Potsdam. 



150 



Fritz Stege 



Set Dcutfdjc TRuntifunk im Written Kriegsjaljr 



Wenige offentliche Einrichtungen sind mit dem Zeitgeschehen so 
eng und innig verbunden wie der Rundfunk. In der jeweiligen An* 
passung an die allgemeine staatspolitische und kulturpolitische Lage 
ist er als „Stimme der Zeit" der Tagespresse vergleichbar, wie diese 
auf Aktualitat, Belehrung und Unterhaltung angewiesen. Aber dar* 
iiber hinaus fiillt der Rundfunk mit durchschnittlich 34 taglichen 
Sendestunden (Reichsprogramm, Deutschlandsender und Eigen* 
sendungen der Reichssender), darunter 2oStundenMusik, weit groBere 
Zeitraume aus, als etwa zur Lektiire der allenfalls zweimal taglich er* 
scheinenden Tageszeitung benotigt wird. Bei der zweckdienlichen 
Auswertung der Suggestivkraft, die dem klingenden Wort, dem musi< 
kalischen Ton innewohnt, ist der Rundfunk zweifellos das wirkungs* 
vollste und weitestreichende propagandistische Mittel, das in der 
Schnelligkeit der Ubertragung und in der Erfassung abgelegenster 
Gebiete desErdballs jeder anderweitigenVerbreitungsart iiberlegen ist. 

Der Krieg stellte den Sendebetrieb der Reichs*Rundfunk*Gesellschaft 
vor neue Aufgaben und Probleme. Es gait vor allem, die Verbindung 
zwischen Front undHeimat aufs engste zu befestigen. Der Rundfunk 
soil, wie sich Reichsminister Dr. Goebbels auBerte, den Soldaten und 
alien, die ihre Kraft im Dienste des Vaterlandes verbrauchen, „ein 
guter Freund und Kamerad" sein, „eine Aufmunterung und ein An; 
sporn, ein standiger Begleiter durch die Fahrnisse des Krieges. Be« 
lehrend und aufklarend soil er wirken in den groBen Fragen der Zeit. 
Wenn die Stunde da ist, soil er die Herzen erheben und die Gewissen 
aufriitteln. Er soil den Feind attackieren, wo er sich zeigt. Er soil die 
Interessen des Vaterlandes verteidigen, wenn das notwendig erscheint. 
Den Ernst soil er ernst und die Heiterkeit heiter nehmen". Bei der 
Gestaltung des Alltags soil uns der deutsche Rundfunk „ein treuer 
Heifer sein". 

. In politischer und sozialer Hinsicht hat der deutsche Rundfunk 
Leistungen vollbracht, die vielleicht erst jetzt die Notwendigkek und 
Unentbehrlichkeit dieser Einrichtung im vollen Unifang erkennen 
lassen, Eine solche Auswertung aller Moglichkeiten, die von erfinderi< 

151 



schen, propagandistisch leistungsvollen Personlichkeiten erwogen 
wurden, ist die groBte Errungenschaft des Rundfunks im! Kriege. 

Somit ist es selbstverstandlich, daB auch im dritten Kriegsjahr die 
Erfahrungen der ersten beiden Jahre nicht allein zugrundegelegt, 
sondern noch wesentlich erweitert wurden. Es zeugt fiir den ungebro* 
chenen Kulturwillen der Nation, wenn im Jahr 1942 auf dem kiinst* 
lerischen Sektor einschneidende MaBnahmen durchgefiihrt werden 
konnten, die mit ihrer Neugestaltung des Sendeprogramms eine 
wesentliche Bereicherung und Auf lockerung der bisherigen Vortrags* 
folge bedeuteten. 

Das entscheidende Problem, das durcb. die bekannte Einteiiung in 
zehn Sendegruppen gelost wurde, bestand in der sinnvolien Aus* 
balancierung von Ernst und Heiterkeit, von konzertanter und tanze* 
risch*unterhaltsamer Musik - ein Problem, das bereits so alt ist wie 
der Rundfunk selbst. Denn stets werden die Freunde der leichten 
Muse dem Rundfunk bei gehaltvolleren Sendungen eine ungemigende 
Beriicksichtigung ihrer Interessen zum Vorwurf machen, und der 
anspruchsvollere Horer wird sich iiber die Fiille von Unterhaltungs; 
sendungen beklagen. DaB es iiberhaupt zu diesen Gegensatzen kom* 
men konnte, liegt in der Natur des Rundfunks begriindet. Der 
Konzertbesucher nimmt an der Auffuhrungsstatte stilistisch ein* 
beitliche Programme entgegen, obne erwarten zu miissen, daB das 
Symphoniekonzert nach einer kurzen Schaltpause in ein heiter.es 
Unterhaltungsprogramm iiberblendet. Der Rundfunk, der sich nicht 
an bestimmte Horerkreise, sondern an das ganze Volk wendet, muB 
dasMischprogramm seinen Sendungen zugrunde legen, das jedem 
etwas bietet. Derartige Selbstverstandlichkeiten verdienten nicht aus* 
gesprochen zu werden, wenn von einsichtsloser Seite nicht immer 
wieder Forderungen an den Rundfunk herangetragen wurden, die 
seinem Charakter widersprechen. Eigenwiinsche haben vor den allge; 
meinen Aufgaben des Rundfunks und den zeitbedingten Gegeben* 
heiten zuriickzutreten. 

Eine andere Frage, die in diesem Zusammenhang gerade im letzten 
Jahr vielfach aufgeworfen wurde, gilt der angeblich „stilwidrigen" 
Vermischung von ernster und heiterer Musik im Rahmen ein und 
derselben Sendiing, wie sich etwa bei den Sendereihen „Fortsetzung 
folgt" oder „Fvir jeden etwas" zeigte. Aber auch hier bleiben Grenzen • 
des Geschmacks durchaus gewahrt, und keinem Horer wird zuge* 
mutet, eine plotzliche innere Umstellung von einem Symphoniesatz 
zu einem Schlager zu vollziehen. DaB allerdings die . Schranken zwi* 
schen schwerer und leichter Kost verwischt werden und ein gutes 

152 



Unterhaltungsstiick neben ein gehaltvolles Werk ernsteren Charakters 
tritt - wer wollte diesen an sich erfolgreichen und notwendigen Ver* 
such der Uberbrii'ckung von zumeist nur in unserer Einbildung be* 
stebenden Gegensatzen zwischen ernster urid heiterer Kunst beklagen? 
Vielleichtist der gesamte Charakter unserer Zeit wendiger und volb 
zieht innere Umstellungen schneller, als es in vergangenen Jahrzehnten 
der Fall war. Bemiihen wir uns aber; den erzieherischen Wert solcher 
Mischprogramme nicbt zu verkennen. Der Volksgenosse, der keine 
eigene Kunstanschauung besitzt und aus allzu ausgedehnten Sendun* 
gen symphonischer Musik nicht viel mehr als die sattsam bekannten 
Vorurteile gegen „Moll" und „Opus" gewonnen hat, gelangt zu einer 
neuen und besseren Einstellung, wenn ihm eine Beethoven^Romanze 
oder ein kleiner Quartettsatz von Schubert zwischen einem StrauB* 
Walzer und einem neuzeitlichen, gehaltvollen Unterhaltungsstiick 
begegnet. Plotzlich ist ja die klassische „Opusmusik" gar nicht mehr. 
so langweilig, wie es ihm das MiBtrauen vorgetauscht hatte — ja, es 
bereitet sogar Vergniigen, ein Tanzchen von Haydn oder Serenaden* 
musik von Mozart zwischen Tanzstiicken j lingerer Herkunft „mit* 
zunehmen". 

Man hat im letzten Jahr beispielsweise den Versuch unternommen, 
Vorurteile diirch indirekte erzieherische Beeinflussung mit Hilfe der 
wenig beachteten und doch so iiberaus wichtigen „Ansage" zu be* 
seitigen, etwa dadurch, daB die Aufmerksamkeit auf Nebenumstande 
gelenkt wurde wie die ,,artistische" oder „technische" Leistung, die 
zur Bewaltigung der Rosineh*Arie oder der Figaro^Arie erforderlich 
ist. Amiisant sind dann Zuschriften mit Hoferwiinschen aus Soldaten; 
kreisen mit der Bitte, doch noch einmal jeries Stiick vorzutragen, 
worin mit so unglaublicher Fixigkeit gesungen werde. 

Die erzieherische Bedeutung des Rundfunks liegt auf der Hand - 
auch in solchen Fallen, in deneri der Laie ohne Kenntnis der tieferen 
Zusammenhange eine kulturpolitische Beziehung der Vorgange am 
Mikrophon vielleicht gar nicht ahnt. Die Fanfaren der Sondermeh 
dungen sind uns langst vertraut, sie haben aber mit dazu beigetragen, 
ahnlich wie die musikalischen Ankiindigungen der Frontberichte, die 
neuen Fanfaren des „Zeitspiegels", das „Gutenac'ht<Lied" um 24 Uhr, 
nicht zuletzt die neuen Volkslieder (U*Boot«Lied u. a.) in ihrem Ein* 
satz innerhalb der Tageseireignisse ein lebendiges Brauchtum zu 
schaffen, das unmittelbar vom Rundfunk in das Volksleben dringt. 

Der Rundfunk als kulturpolitisches Instrument — der Rundfunk als 
Erzieher des Volkes — der Rundfunk als lebendiges musikalisches 
Echo unserer Zeit - furwahr, die Zahl der Gesichtspunkte, unter 

153 



denen der Sendeplan aufgestellt wird, gibt zu den vielseitigsten An* 
regungen und Erorterungen AnlaB und laBt sich auf wenigen Druck* 
seiten gar nicht erschopfend genug behandeln. Der Rundfunk ist heute 
das fortschrittlichste Instrument und geht von anderen Vorausset* 
zungen aus als die Oper und das Konzertleben. Einst begniigte man 
sich damit, Opern und Konzerte in Nachahmung der allgemeinen 
Musiktatigkeit zu senden. Heute wechseln die Sendeformen in stetiger 
Entwicklung und Vervollkommnung, wahrend die Erscheinungsform 
der Oper, des Konzertes gewissen Grenzen unterliegt, deren Auf* 
hebung zur Selbstverneinung fiihren wiirde. , 

Seit dem i.Marz 1942 verfugt der Reichsrundfunk wieder iiber 
• zwei verscbiedene Sendeprogramme, und die Frage der Auswagung ver* 
schiedener Musikgattungen hat damit eine befriedigende, )a begeistert 
aufgenommene Losung gefunden. Reichsminister Dr. Goebbels iiber* 
trug dem Generalsekretar der Reichskulturkammer, Ministerialdirek; 
tor Hans Hinkel, die kunstlerische Betreuung des Programms, und 
die bereits erwahnte Gruppeneinteilung erwies sich als bedeutungs* 
voile praktische Neuerung. Die einzelnen Gruppen erhielten folgende 
Aufgaben: 
Gruppe A: Leichte Tanz* und Unterhaltungsmusik, verantwortlich : 

Georg Haentzschel. 
Gruppe B : Gehobenere Unterhaltungsmusik, verantwortlich: Franz 

Grothe. 
Gruppe C: Allgemeine volkstiimliche Unterhaltung, verantwortlich: 

Werner Plucker. 
Gruppe D : Kabarettistische Sendurigen, verantwortlich : Giinther 

Schwerkolt. ' 

Gruppe E : Unterhaltungssendungen vornehmlich fiir die Front, ver; 

antwortlich: Heinz Goedecke. 
Gruppe F: Leichtere, populare klassische Musik, verantwortlich: 

Fritz GanB. ■ [ 

Gruppe G: Ernste, aber allgemein verstandliche Musik, verantwort* 

lich: Generalmusikdirektor Rudolf Schulz*Dornburg. 
Gruppe H: Musikalische Solisten, verantwortlich: Prof. Michael 

Raucheisen. 
Gruppe I: Kunstlerische Wortsendungen, verantwortlich: Theodor 

Loos. 
Gruppe K: Schwere, weil unbekanntere klassische Musik, verantwort* 

lich: Dr. Gerhart v.Westerman. 
Gesamtleitung : Chef vom Dienst, Dr. Martin Schonicke. 

Diese neue „Programm»Redaktion" unter der „Hauptschriftleitung" 

154 ! 



:l 



einer volkserfahrenen und volksverbundenen Personlichkeit stellt in 
ihrem auBeren Aufbau eine bewuBte Parallele zur Tageszeitung dar. 
Wie das tagliche Nachrichtenblatt wendet sich der Rundfunk an alle, 
um jedem etwas zu bieten, und wie das Auge des Zeitungslesers iiber 
die vielen Sparten von Politik zum Feuilleton, vom Zeitgeschehen zur 
Unterhaltung und Belehrung gleitet, so sprechen auch zum Ohr des 
Rundfunkhorers alle jene Einzelgebiete, aus denen die Welt der Klange 
besteht und deren Benennung der lebendigen Praxis entwachsen ist. 
Und gerade diese Voraussetzung mag die Bedenken einzelner Uber* 
schlauer zerstreuen, die vielleicht glauben, jedes Musikstiick werde 
zunachst einmal etikettiert und rubriziert, je nachdem ob die unter* 
haltenden Werte einen „leichten", „gehobenen" oder „volkstunv 
lichen" Charakter tragen, und die der Meinung sein konnten, das 
„Leichte" lieBe sich niemals „heben", und die „unbekannte" klassi* 
sche Musik konne niemals in die Klasse der „bekannten" eingehen. 
Derartige Uberlegungen sind geistvolle Spielereien, denen keine 
praktische Bedeutung beizumessen ist. Entscheidend ist die lebendige 
Idee, die das Musikgeschehen durchdringt und tragi, nicht aber der 
musikalische Einzelwert der Gattung, der vielleicht in den ersten 
sechzehn Takten „gehoben" anmutet, aber von Seite 3, Takt 4 an 
„leichte" Tone anschlagt. 

Wie in der Tageszeitung tritt auch im Rundfunk der verantwortliche 
Sachbearbeiter hinter seiner Leistung zuruck. Wer unter den Lesern 
hat wohl je einen Blick auf das „Impressum" geworfen, um festzu* 
stellen, wer eigentlich fur den Unterhaltungsteil, fur Politik verant* 
wortlich zeichnet? Lediglich in der Auswahl und Zusammenstellung 
des Inhalts auBert sich der personliche EinfluB des Schriftleiters. 
Wenn nunmehr auch der Rundfunk eine ahnliche Einrichtung ge* 
schafien hat, so ergibt sich aus dem freien Wettbewerb von zehri 
gleichgestellten Ressortleitern eine wesentliche und sogar ausschlag* 
gebende Bereicherung des Rundfunkprogramms. Denn das natur* 
gegebene Ziel dieser Entwicklung ist die Herausbildung und Ver* 
tiefung der personlishen Note, die jeder Gruppenleiter fiir seine 
Sendungen in Anspruch nimmt. Je nach den personlichen Erfah* 
rungen und der organisatorischen Begabung wird der verantwortlich 
Zeichnende seinen Ehrgeiz darin bekunden, der eigenen Sendung 
einen ausgepragten Charakter zum Unterschied von anderweitigen 
Darbietungen zu geben. 

Einige Einzelheiten mogen zur Charakterisierung dieser grundsatz* 
lich neuen Programmgestaltung dienen. ' 

Jeder, der sich bemiiBigt fuhlt, zu den Sendungen des letzten Halb* 

155 



jahres eine kritische Stellung einzunehmen, muB sich immer wieder 
die Tatsache vergegenwartigen, daB der Rundfunk im Kriege auch 
auf kiinstlerischem Gebiet Aufgaben besonderer Art zu erfiillen hat, 
die weit iiber die Interessen einzelner Kreise oder Richtungen hinaus* 
geben. An die Stelle musikalischer Experimente hat weitgehend die 
Efheiterung und Entspannung zu treten, deren die auBere' wie die 
innere Front bedarf. Dem gleichen Bedurfnis entspricht die Ein* 
schrankung des gesprochenen Wortes (Horspiel) gegenuber dem Ton. 
In starkerem, MaBe wird durch die Aktivitat der Gruppe Raucheisen 
das gesungene Wort in Liedsendungen reizvoll intimen Charakters 
mit Meistern der Sangeskunst gepflegt. 

. Obgleich letzten Endes jede Sendung dazu bestimmt ist, das Ohr des 
Frontsoldaten zu efreichen, hat es sich als notwendig erwiesen, solda* 
tische Sondersendungen einzurichten, in denen spez'iell auf die 
Psyche des Frqntkampfers eingegangen wird. Neben einigen bereits 
abgelaufenen Sendereihen wie „AmWachtfeuer", „AHes herhoren" 
u. a. sind hier auf der Kurzwelle die beliebten Sendungen , A n ker* 
spill" und „Blinkfeuer Heimat" zu nennen, die von unseren Marine* 
Einheiten in allerWelt abgehort werden. . 

Es gibt s'chlechterdings keine kiinstlerische Gelegenheit des Tages* 
geschehens, die sich der Rundfunk entgehen lieBe, keine Gattung 
der Musik, von der neuerdings besonders beriicksichtigten Filmmusik 
bis zu den Berliner Furtwangler*Konzerten, die riicht im Rundfunk* 
programm vertreten ware. 

Ob Bayreuther und Salzburger Festspiele iibernomnien, Berliner 
Kunstwochen iibertragen und durch eigene Yeranstaltungen erganzt 
werden, ob beruhmte Dirigenten des In* und Auslandes eingeladen, 
Sendereihen mit neuen Werken der im Felde stehenden Komponisten 
veranstaltet, ob Opern und Qratorien dargebracht werden oder ein 
neues „Tanz* und Unterhaltungsorchester" eine maBgebliche Rich* 
tung des Tahzmusikstils begriindet — iiberall beweist der Rund* 
funk Zeitnahe und kiinstlerische Hohe. Mit diesen beiden 
Begriffen steht das Programm des Rundfunks auf gesunden, ertrag* 
reichen Grundlagen. 



156 



Fritz Heitmann 



Sie £)rgel - tuts fnftrument unfetet Zeit 



Vor kurzem sind als ausgedehnte gewichtige Veranstaltung die „Ben 
liner Orgeltage" abgeschlossen worden. Sie brachten eine Ubefschau 
iiber die heute auf dem Gebiet der Orgelmusik wirksamen Krafte. 
Wohl fiir alle Teilnehmer der Tagung hat sicK die' Uberzeugung 
ergeben, da8 diese Veranstaltung mehr war als die Nebeneinander* 
stellung einiger beliebiger Orgelkonzerte. Jedem Unvoreingenoms- 
menen wird klar geworden sein, daB die Berliner Orgeltage, die sich 
ausschlieBlich mit dem orgelmusikalischen SchafFen unserer Tage be* 
fafiten, gleichsam eine Kristallisation des musikalischen Geschehens 
der Gegenwart iiberhaupt darstellten, daB die musikalischen Energien 
unserer Zeit hier gesammelt in die Erscheinung traten. 

1st es nicht gewagt, eine derartig kiihne Behauptung aufzustellen 
angesichts eines Instrumentes, das als das alteste und iiberlieferungs; 
reichste seine Sendung schon langst erfiillt zu haben schien, in einer 
Zeit, inder iiberalterteWerte durch jugendkraftigeAntriebe stiirmisch 
beiseitegedrangt oder vernichtet werden? 1st es moglich, der Orgel 
den Rang einer „Konigin der Instrumente", den sie einst besessen, 
heute ohne Ein'schrankung wieder zuzuerkennen? 

Die Berliner Orgeltage sind keine Einzelerscheinung. In diesem 
Jahre erst boten die Breslauer und darauf die Erlanger Orgeltage einen 
stolzen Uberblick iiber die in der deutschen Orgelkunst beschlossenen 
musikalischen Werte. Und nicht fiir einen kleinen Kreis von Kennern 
und Liebhabern des Instruments ofihete sich hier der Zugahg zu einem 
verhaltnismaBig abseitigen Gebiet der musikalischen Kultur, sondern 
wie bei groBen stadtischen Veranstaltungennahm die gesarrite musi* 
kalische Bevolkerung teil an dem Reichtum kiinstlerischen Lebens, 
der sich in den Werken der groBen Meister aller Zeiten auf der Orgel 
entfaltete. ~ ■ 

Der Auftrieb des orgelmusikalischen Lebens, der etwa nach dem 
ersten Weltkriege 19 14/18 seinen Anfang genbmmen hat, verlauft in 
einem deutlich wahrnehmbaren Crescendo bis in die Gegenwart. 
Handelte es sich bei den groBen Orgeltagungen in Hamburg, Freiburg 
i. Br. und Freiberg i. Sa. in den zwanziger Jahren, die alle Fachleute 

157 



dieses Gebietes aus dem Reich um sich versammelten, hauptsachlich 
urn ein Durehkneten der Bauprobleme des Instrumentes, die durch 
eine grundsatzliche Veranderung des orgelmusikalischen Wollens her* 
vorgerufen waren, so beobachten wir seitdem ein standiges Wachsen 
der musikalischen Anziehungskraft der Orgel auf die junge Kompo* 
nistengeneration, die weit mehr als in friiherer Zeit in dem mystisch* 
obertonreichen Klange der Orgel das ihr gemaBe Ausdrucksmittel 
erkennt. 

Die Orgel ist wieder eine Orgel geworden! Etwa seit den Tagen 
Joh. Seb. Bachs stand das Instrument in einer ihm musikalisch sich 
immer mehr entfremdenden Welt und daher allerlei An* und Ein* 
grifien in seinen klanglich*dispositionellen Aufbau ausgesetzt, ziemlich 
vereinsamt und kaum beachtet da. Hin und wieder, wie in den Tagen 
der musikalischen Romantik, begeisterte sich ein hervorragender 
Musiker (wie etwa Schumann oder Brahms) fur die Reckenhaftigkeit 
des Instruments und lieB sich von ihm zu vereinzelten kompositori* 
schen Gaben entziinden. Die riesenhafte Gestalt Max Regers umfaBte 
spater die Orgel mit der ganzen Inbrunst musikalischen Schopfertums, 
hinterlieB ihr bedeutendste Werke und stellte mit ihnen die Orgel 
wieder mitten in den Strom des musikalischen Lebens. Dennoch ist 
auch er eine Ausnahmeerscheinung gewesen, ein groBer Unzeit* 
gemaBer, bei dem die stets geheimnisvoll wirksam gebliebene magische 
Kraft der Orgel sich in zum Teil ungeheuren expressionistisch*musika* 
lischen Entladungen geauBert hat, die den Rahmen des der Orgel ge* 
maBen Klang* und Musizierstiles zeitweilig fast zu sprengen drohten. 
Ein Daruberhinaus konnte es nicht geben, und die Folgezeit wandte 
sich von den . fur die klangliche Deutung der Regerschen Werke 
charakteristischen Ausdrucksmitteln der Orgel (wie Register* und 
Jalousieschweller, Massierung der Register) ab mit dem Bemuhen, das 
Wesen der Orgel wieder in volliger Reinheit und Urspriinglichkeit, 
wie es sich in den Werken der klassischen Meister geauBert hatte, zur 
Geltung zu bringen. Seit dem groBen Besinnen in den Zeiten der 
Orgeltagungen hat eine durchgreifende Erneuerung des Klangkorpers 
der Orgel nach der architektonischen Seite eingesetzt, und wir konnen 
heute wieder auf Orgeln musizieren, die von ihrer Eigengesetzlichkeit 
als Instrumente wie die klassischen Werke der Orgelbauer Schnitger 
oder Silbermann in begliickender Weise zu iiberzeugen vermogen. 

Der Zug der Zeit zur Orgel ofFenbart sich in den sehr eindring* 
lichen Bemiihungen um das Instrument und in dem heutigen reichen 
und wesenhaften Schaffen auf dem Gebiet der Orgelmusik iiberaus 
deutlich.; Alle Erscheinungen kultureller Art werden ja getragen von 

158 



1 

gewaltigen Lebensstromen, die alles ihnen nicht GemaBe auf geistigem 
Gebiet sehr bald, in Frage stellen wiirden. Unsere harte Zeit, die das 
Schicksal des gesamten Volkes vor das Ergehen des Einzelnen zu stellen 
hat, pragt alien kiinstlerischen Neuschopfungen ihren gebieterischen 
Stempel auf. Im Bereiche der Baukunst entstehen Monumentalbauten 
groBten Stiles, fernab jeder biedermeierlich*besinnlichen, romantisch* 
vertraumten oder altertumlich*verschn6rkelten Bauweise. Auf dem 
Gebiete des Monumentalinstrumentes der Orgel wird schon im rein 
AuBer lichen des Prospektes die zweckhafte Sachlichkeit gegeniiber 
dem barocken Uberschwang friiherer Orgelansichten betont. Uberall 
in der Kunst erkennt man den Willen zum Uberpersonlichen unter 
Abweridung von der Darstellung subjektiver Empfindsamkeiten. Das 
ist in der Musik die Aufgabe der Orgel, und es ist kein Zufall, daB 
dieses Instrument von jeher bei groBen kultiscben Feiern als Dolmetsch 
musikalischer Gemeinschaftsempfindungen betrachtet wurde. Auch 
heute sind ihr bei den groBen nationalen Feiern besondere Aufgaben 
gestellt, und nicht umsonst nimmt sich die Hitlenjugend der Orgel 
als ihres Instrumentes in nachdriicklicher Weise an. Man darf also 
wohl sagen, daB die Orgel in starkem MaBe im Leben des Volkes 
verankert ist, und erwarten, daB aus diesem breiten gebrauchsmusika* 
lischen Untergrunde kiinstlerische Hohenwerke wie in friiheren Zeiten 
der Orgel entwachsen werden. 

Die anfangs erwahnten Berliner Orgeltage haben eine voile Erful* 
lung dieser Erwartung gebracht. Die gegenwartig auf kompositori* 
schem Gebiet in Deutschland fuhrenden Personlichkeiten waren in 
dieser Veranstaltung mit Ofgehverken vertreten, die man zurri besten 
musikalischen Geistesgut unserer Zeit zahlen wird. In Ankniipfung 
an die Orgelformen Bachs und die Werke der vorbachischen Organic 
sten wurde uns in Kompositionen von Joh. Nep. David,, Hugo Distler, 
Gustav Geierhaas, Hermann Grabner, Karl Hasse, Hans*Friedrich 
Micheelsen, Werner Penndorf, Ernst Pepping, Eberhard Wenzel neben 
Werken von mehr gebrauchsmusikalischer Pragung von Helmut De* 
gen, KurtFiebig, Friedrich Hark, KurtHessenberg,Hans«OskarHiege, 
Friedrich Hogner, Karl Holler> Armin Knab, Siegfried Reda und Jo* 
hannes Weyrauch ein Orgelfruhling beschert, der alle Anstrengungen 
und Bemiihungen um seine KlangWerdung reichlich belohnte. 

Charakteristisch fiir dieses OrgelschaiFen auf breitester Linie ist das 
VorstoBen in ganz neue musikalische Bezirke. Hier regt sich wirklich 
und zumeist in den strengsten Formen der Orgelpolyphonie das musi* 
kalische Wollen unserer Zeit. DaB die schaffende Jugend sich zum 
Teil sehr radikal gebardet und Probleme neben Probleme stellt, darf 

159 



man ihr nicht veriibeln. Diese Probleme zeigen uns nur den Tiefgang 
der groBen schopferischen Wellean, die zur Zeit die Orgel uberflutet 
und machen deutlich, wie stark die Auseinandersetzung hervorragen* 
der Geister mit der Orgel und ihrem Wesen heute ist. Wehn also bei 
einmaligem Erklingen die, kiihn*gezackte und herb ineinander ver* 
schrankte Polyphonie etwa Joh. Nep; Davids in ihrer unerbittlichen 
formalen Logik nicht jedem Horer sofort die ihr zugrundeliegende 
musikalische Vision vermittelt, so ist dies kein Grund, an der ganz 
auBerordentlichen Potenz dieser Werke zu zweifeln. Nur ganz ein* 
gehende Beschaftigung mit ihnen wird zum vollen Verstandnis fuhren, 
und sowohl der Ausdeuter solcher Musik, der sich mit dem restlosen 
Einsatz seiner Personlichkeit dieser Werke anzunehmen hat, als auch 
der Aufnehmende miissen die Verpflichtung in sich spiiren, diese tief* 
griindigen Schopfungen sich ganz zu eigen zu machen. Ein Einhoren 
in diese neue musikalische Welt ist unter alien Umstanden erforderlich 
und ein hoher Grad von Wachheit und Bereitwilligkeit, sich solches 
Neuland zu erobern. Wenn Ernst Pepping in seiner ,jStilwende der 
Musik" fur seine Kompositionsweise den Anspruch erhebt, in ganz 
neue musikalische Bereiche vorzudringen, so wird man verstehen, daB 
auf dem so uberlieferungsreichen Instrument der Orgel Geduld und 
Ausdauer zum Einleben in diese Bereiche am allermeisten zu fordern 
sind. Fiir den an der Orgelkunst iiberhaupt interessierten und fur neue 
musikalische Werte aufgeschlossenen Menschen hat sich mit den Ben 
liner Orgeltagen ein auBerordentlicher musikalischer Reichtum auft 
getan. Wer an die Zukunft der deutschen Musik glaubt, wird sich mit 
den dort gehorten Werken zumindest auseinandersetzen miissen und 
ihre Phantasieweite und ungewohnliche kiinstlerische Spannkraft er> 
kennen. 

Der Orgel als konzertierendes Instrument gait das EroffnungS' 
konzert der Tagung. Welch prachtvoll musizierenden Stiicke sind die 
beiden Concert! von Ernst Pepping! Man wird an den Musizierstil des 
alten Concerto grosso erinnert und fiihlt sich.doch getragen von einem 
rhythmisch*musikalischen FlieBen modernster Pragung. Hier werden 
iiberlieferte Formen wie Praludium, Fuge, Passacaglia, Canzone, Cha< 
conne mit einer Oberlegenheit gehandhabt, die in ihrer Kiihnheit und 
der Fiille ihrer musikalischeri Gesichte ihresgleichen sucht.. Welch ein 
Kunstwerk dann das geistliche Konzert ( ,Es sungen drei Engel ein 
siiBen Gesang" von Joh. Nep. David! Wie herrlich singt es in dem^ 
Mittelsatz, und wie natiirlich schlieBen sich die Ecksatze in einer 
Chaconnenfuge und einer mit kanonischen Fiihrungen durchsetzten 
Toccata uni den tragenden Cantus firmus des geistlichen Liedes! 

160 



Immer wieder bricht bezeichnenderweise in diesen Kompositionen die 
Sehnsucht zur Melodie sieghaft durch stark formgebundene Elemente 
der Komposition durch. Aucb der Mittelsatz des neuen Orgelkonzer* 
tes von Hans*Eriedrich Micheelsen, eines auBerst lebendig'en Werkes 
von ungebundenster konzertanter Haltiing, singt sich in fast liedmaBig* 
romantischer Weise aus. 

Dann der Abend der groBen Choralbearbeitungen! Das Lehrstiick 
Joh. Nep. Davids iiber „Christus, der ist mein Leben" : ein geheimnis* 
reiches Werk, in dem kiihnste formal e Satzkunst Ausdruck mystischer 
Entriicktheit und eines visionaren musikalischen Schauens geworden 
ist, das nur in dieser Formung zum Klang kristallisieren konnte. Wie 
groB auch die Bearbeitung def alten Melodie vom Tode „Mitten wir 
im Leben sind" von Ernst Pepping - in seiner Herbheit und drama* 
tisch*musikalischen Wucht ein packendes kiinstlerisches Zeugnis un< 
serer toddurchwehten Zeit! Hugo Distlers Partita „Nun komm' der 
Heiden Heiland" und ebenso die Variationen „Was mein Gott will' 
von Werner Penndorf umspielen in lockerer rnusikalischer Schreib* 
weise die alten Lieder und zeugen nicht minder von ziindender kom* 
positorischer Intuition. , 

Wie manches ware iiber die kleinen Choralbearbeitungen, die den 
tragenden Unterbau auch des heutigen orgelmusikalischen Schaffens 
bilden, zu sagen! Uberall bemerkt man ein musikalisches Gestalten 
aus dem Geiste der Gegenwart, der den vielen Tonsetzern die Feder 
gefiihrt und alien Kompositionen eine irgendwie gemeinsame Note 
gegeben hat. Die strenge Baugesinnung der Alten ist im Kompositions* 
stil dieser Kleinformen bei der jungen Generation weithin wieder 
lebendig geworden, und bei aller Neuartigkeit der Zusammenklange 
spurt man die Ehrlichkeit der polyphonen Linienfiihrung und die 
innere Notwendigkeit auch dissonanten musikalischen Ausdrucks. Un* 
moglich, bei der Fiille der Darbietungen in diesem Rahmen auf alle 
Einzelheiten einzugehen. Als Besonderheit erklang in der letzten 
Orgelveranstaltung Joh. Nep. Davids Introitus, Choral und Fuge iiber 
ein Thema von Anton Bruckner fur Orgel und neun Blaser. Das ist 
ein Monumentalwerk von unverkennbarer GroBe! Wie hier der feier* 
liche Klang- des koniglichen Instruments mit dem der Horner, Trom* 
peten und Posaunen im strengsten Fugenstil mit* und gegeneinander 
konzertierend auf den Gipfel eines Kathedralbaues in Toneia gefiihrt 
wird, das ist bewundernswert und in der Musik unserer Zeit von er* 
eignishafter Bedeutung. 

Deutschland, von jeher das fiihrende Land der Orgelmusik, ist auf 
diesem Gebiet in weiterem steilen Aufstieg begriffen, wenn die hervor* 

/ 161 



ragendsten Komponisten unserer Zeit das Instrument mit solchen 
Gaben beschenken. Wahrend die Orgel in den iibrigen europaischen 
Landern und jenseits des Ozeans nicht selten noch verurteilt ist, einer 
wenig orgelgemaBen Kompositionsweise zu dienen oder gar die kiim? 
merliche Rolle eines Ersatzinstrumentes zu spielen, entfaltet sie heute 
in unserem Vaterlande die ganze urspriingliche Kraft ihres Wesens 
und entwickelt sich mit einer Fiille bedeutender arteigener Werke zum 
modernsten Instrument unserer Zeit. Wir haben es nicht notig, auf 
der Orgel Anleihen aus anderen Instrumentalgebieten zu machen, 
um musikalisch wirksam zu werden (wie ich es z. B. vor einigen Jabren 
in Nordamerika mit Klaview und Orcbesterwerken in Orgelkonzerten 
erlebte) ; wir konnen die Werke unserer Orgelklassiker in ibrer herben 
Eigenart und ohne Verzerrung auf der Orgel sprechen lassen und sind 
trotzdem oder gerade deswegen weitgebenden Verstandnisses sicher. 
DaG es moglich ist, zum Vortrag eines fiir ( den Horer so iiberaus am 
spruchsvollen Werkes wie des dritten Teiles der „Klavieriibung" von 
Joh. Seb. Bach jeweils Tausende von Horern um die Orgel zu ver< 
sammeln, beweist" die tiefgreifende Wirksamkeit des Instruments, das 
heute mit seinen erhabenen Klangen die Seele unseres Volkes sowie 
den schaffenden Genius unserer erlesensten musikalischen Geister in 
starkstem Mafie wieder beriihrt und daher mit Recht das Instrument 
unserer Zeit- genannt werden darf. 



162 



Hellmuth von Hase 

Hbet Hie <£intiurgeumg neucr Wttkt 
im Honjertfaal 



Wollte man zahlenmaBige Erhebungen dariiber anstellen, wie viele 
der Bijcher, die em Durchschnittsleser im Laufe der Zeit liest, im 
20. Jahrhundert geschrieben sind und wie viele aus friiheren Jahr* 
hunderten stammen, so wiirde man zweifellos feststellen, da8 dem 
zeitgenossischen Schrifttum im allgemeinen bei weitem der Vorzug 
gegeben wird. Im Gegensatz hierzu zeigt ein Blick auf die Spielfolgen 
des Konzertlebens der Gegenwart, daB die Musik unseres Jahrhunderts 
meist riur mit einem recht geringen Bruchteil vertreten ist. Es wiirde 
Sache des Statistikers sein, hierfiir genauere-Zahlenangaben zu bet 
schaiFen. Sicher ist aber, daB der zeitgenossische Schriftsteller in weit 
groBerem Umfange zu seiner Mitwelt spricht und von dieser gehort 
wird, als der ernste Tonsetzer unserer.Zeit. Es soli hier nicht erortert 
werden, inwieweit die zeitgenossischen Komponisten oder ihre Horer 
an dieser Tatsache „schuld" sind; vielleicht sind die Klangvorstel* 
lungen der modernen Tonsetzer den Ohren der Horer um Genera? 
tionen voraus — vielleicht sind auch die Horehden in ihrer Aufnahme? 
fahigkeit den Tonschopfungen der Gegenwart gegeniiber um Jahr» 
zehnte „zuriick" — gleichviel, es fehlt an der rechten Verbundenheit, 
und beide Teile sind meist miteinander etwas unzufrieden. 

Das war nicht immer so. Bis zum Ende des 18. jahrhunderts war die 
Musikpflege fast durchweg eine zeitgenossische. Der Tonsetzer schrieb 
Gebrauchsmusik fur seine Zeit, zumeist im Rahmen eines Amtes oder 
Auftrages; die Horer lebten im musikalischen Geist ihrer Zeit und 
gingen mit. Erst die entwickelte Vervielfaltigungstechnik des 19. Jahr* , 
hunderts gestattete den Kapellen und den einzelnen Kiinstlern, sich 
ein „Repertoire" zuzulegen und nun auch die Kunst alterer Meister 
regelmaBig zu pflegen. Die GroBmeister der Klassik und Romantik 
konnten sich nunmehr auf lange Zeit feste Platze in den Konzert* 
programmen sichern und diese allmahlich nahezu ganz ausfulleii. So 
war es um die letzte Jahrhundertwende schon dahin gekommen, daB 
die Wiedergabe eines zeitgenossischen Musikstiickes ein bedeutsame* 
res Ereignis bildete, das als „Erstauffuhrung" oder gar „Urauffuh* 
' rung" betont herausgestellt wurde. Nur einige wenige Uberragende 

163 



konnten sich zu einer Art zeitgenossischer „Programm*Klassiker" ent* 
wickeln und sich neben den alteren Klassikern einen festen erheblichen 
Anteil an den Spielfolgen sichern. Das Programm der Symphonies 
konzerte von heute besteht jedenfalls im wesentlichen aus Werkeri 
einiger Weniger: Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann,; 
Brahms, Bruckner, Richard StrauB und eben noch Max Regef - alles 
iibrigeVorhandene erfahrt ab und zu „ehrenvolle Erwahnung", so bei 
60. und 70. oder 100. und 200. Geburtstagen, bei der Verleihung der 
Goethe*Medaille und beim Sterbefall; damit ist dann wieder auf Jahre 
hinaus der Pflicht geniigt worden ! 

Es ist der Pioniertatigkeit des ehemaligen Allgemeinen Deutschen 
Musikvereins und nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus 
den Kulturbehorden des Reiches, haufig aber auch der eigenen Initia* 
tive und dem spontanen Einsatz zeitverbundener Dirigenten und fort* 
schrittlicher Konzertvorstande zu danken, wenn allmahlich die Ein* 
sicht wuchs, daB man dem SchafFen der Zeitgenossen wieder einen 
breiteren Platz auf den Spielfolgen der Konzerte einraumen miisse. 
Allein das gute Beispiel blieb zumeist vereinzelt und fand nicht ge* 
nug Nachahmer; und schlieBlich schlug die chronische Interesselosig* 
keit an moderner Musik in eine andere Untugend um: in den „Ur* 
auffuhrungs*Fimmel" der Systemzeit. Es ist genau genommen kein 
iiberragendes Verdienst, eine Urauffiihrung zu veranstalten. Diri* 
gent, Orchester und Konzertverein ernten das Lob, Schrittmacher 
moderner Musik zu sein, Tages* und Fachpresse zeigen erhohte Auf* 
merksamkeit, und ein Schimmer des alten Premierenglanzes liegt iiber 
dem festlich erregten Saal. Weit verdienstvoller - weil meist undank; 
barer - ist es, die zweite, dritte oder vierte Auffiihrung eines neuen 
Werkes zu iibernehmen oder gar das uraufgefuhrte Werk in geringem 
zeitlichen Abstand an der gleichen Stelle zu wiederholen! Ein neues 
Werk entsteht ja nicht fur den kurzen Zeitraum einer ersten Wieder* 
gabe, sondern soil, wenn es wertvoll ist, zum standigen Besitz unseres 
volkischen Musiklebens werden - es soil in der breiten musikalischen 
OiFentlichkeit eingebiirgert werden. Ehe wir die Wege untersuchen, 
die zu einer solchen Einbiirgerung neuer Kompositionen im Konzert* 
saal fiihren, sei zunachst einmal festgestellt, welche Griinde es sind, 
die einer starkeren Beriicksichtigung des Schaffens lebender Tonsetzer 
bisher noch im Wege stehen. 

Wir sehen jetzt im Kriege iiberall ausverkaufte Konzertsale, und 
bei der Programmbildung braucht daher weniger auf den Kassen* 
rapport Riicksicht genommen zu werden. In normalen Zeiten aber 
macht sich eine Novitat auf dem Programm sofort in einem schwacheren 



164 



KartenverkauFmerkbar. Dabei entspringt die Abneigung vieler Horer 
gegen die Bekanntschaft mit dem Neuen meist einer bloBen Bequem* 
lichkeit. Man betritt nicht gem unsicheren Boden, wo sieh das 
allgemeine Urteil nicht auf ausgefahrenen Geleisen bewegt und man 
noch nicht „mitreden" kann — man schwelgt lieber in den altver* 
trauten Klangen, die miihelos Entspannung und Unterhaltung ge*. 
wahren. Stellt die Bemiihung una das Verstandnis zeitgenossischer 
Musik schon an den Vollmusiker grofiere Anforderungen, urn wie* 
viel tnehr muB sich erst def musikalische Laie denWeg zu ihr er* 
arbeiten, und zu dieser Arbeit ist der GroBteil unserer Konzert/ 
besucher noch keineswegs sofort bereit. Aber schlieBlich gibt auch 
der fortschrittlich gesinnte und im vorerwahnten Sinne arbeitswillige 
Horer nicht gern zu, daB er aus einem erstmals vernommenen Stuck 
nichts zu machen versteht, und so bleibt der Kreis, der sich urn den 
Kiinder neuartiger Klange schart, meist klein. Auch der Dirigent 
ftihrt verstandliche Griinde dafiir ins Feld, daB er sich nicht allzu oft 
an eine Neuigkeit wagt: die Orchestermitglieder sind wie er selbst 
hauflg iiberlastet, die erforderlicheh Mehrproben schwer durchzu* 
setzen, der Erfolg ist unsicher, und die besonderen Aufwendungen 
fur Orchestermateriale und AufFuhrungsgebtihren sind bei den Ver; 
waltungsinstanzen nicht gern gesehen. Aber das alles sind allenfalls 
Erklarungen und keineswegs Entschuldigungen. Keinen dieser Griinde 
konnen wir gegeniiber dem Recht der Lebenden auf Gehor gelten 
lassen. Woher sollen die Tonsetzer von heute den Mut zum weiteren 
Schaffen finden (— und die Verleger den Mut zur Drucklegung neuer 
Werke -), wenn all ihr Miihen bei ihren Zeitgenossen keinen oder nur 
sparlichen Widerhall findet? Mit der bloBen Urauffuhrung, die man 
schlieBlich iiberall anbringt, ist es ja nicht getan. Erst wenn alle Krafte, 
die an der Gestaltung unseres Musiklebens mitwirken, dafiir «inge> 
spannt werden, die als wertbestandig erkannte zeitgenossische Musik 
in unseren Konzertsalen einzubiirgern, werden wir erreichen, daB die 
Klange unserer Zeit neben dem kostbaren alten Bestand gleichberech* 
tigt eine dauernde Heinv und Pflegestatte finden. Die Wege, die zu 
diesem. Ziele fiihren, sind erfolgversprechend und mannigfaltig gertug. 
Zunachst sollte es zur ausnahmslosen Regel werden, in jedem Sym* 
phoniekonzert (auBer bei abendfiillenden Einzelwerken und geschlos? 
senen KomponistenAbenden) ein zeitgenossisches Werk zu bringen 1 . 
Die Zahl der zu Unrecht vernachlassigten-zeitgenossischen Tonsetzer 

1 Wir wollen den BegrifF „zeitgenossisch" hierbei moglichst weit fassen, etwa gletch? 
gesetzt mit „urheberrrechtlich geschutzt"; denn die Zahl der Komporiisten, die erst 
nach ihremTode zu verdienter Anerkennung gelangen, ist leider immer noch groG! 

165 



ist betrachtlich. An StofF kann es also nie mangeln. Man schlage nur 
fleiBig in den Kritiken<Sammlungen der Tages* und Fachpresse nach, 
und man wird eine Fiille von zeitgenossischen Werken entdecken, die 
einen Konzertwinter lang begeisterte Aufnahme bei Publikum und 
Kritik gefunden haben, dann aber schnell in Vergessenheit geraten 
sind, einfach weil sich keiner mehr ihrer annahm! - In erhohtem MaB 
•gilt diese Pflicht zur Pflege zeitgenossischer deutscher Musik bei Gast* 
spielen deutscher Orchester und Dirigenten im Auslande; von ihrer 
Erfiillung sollte die Genehmigung solcher Veranstaltungen glattweg 
abhangig gemacht werden! 

Die nachste Forderung geht dahin, ein neues Werk nicht ohne best? 
mogliche Vorbereitung des Horers auf diesen einwirken zulassen. Es 
ist eine Barbarei ohnegleichen, eine moderne Symphonie dem meist 
vom Arbeitsdrang des Alltags abgehetzten Konzertbesucher sozut 
sagen auf den niichternen Magen zu setzen; und doch ist diese 
Barbarei die Regel. Auf dem Programm steht zu lesen, daB z. B. die 
Symphonie Nr. j in E*dur des im Jahre 1910 geborenen Komponisten 
XY zu horen ist; es folgen die Tempoangaben der vier Satze: urid 
das ist meist alles, was der normale Konzertbesucher uber das Werk 
und seinen Schopfer erfahrt. Ohne irgendeine innere Einstellung, 
ohne jede irgendwie geweckte Vorstellung von dem Kommenden laBt 
der Horer das Werk monatelangen Schaifens, das Ergebnis stunden* 
langer miihevoller Proben fiber sich hinwegrauschen, und - ist so 
klug als wie zuvor! Wie kann man da Kontakt, Fluidum, Mitgehen, 
Mitfiihlen, Verstandnis von ihm verlangen? Man muB ihm noch 
dankbar sein, wenn er - trotz seiner inneren Enttauschung - in der 
unklaren Erkenntnis, daB das SchaiFen des Komponisten, das Miihen 
des Dirigenten und des Orchesters Anerkennung verdiene, willig 
Beifall spendet. 

Allerdings sind die Mittel zu einer eindringlichen Vorbereitung des 
Horers auf ein neues Werk nicht ganz einfach. Der erfolgreichste Weg, 
der einfuhrende Vortrag am Vorabend oder Vormittag des Kon* 
zerttages, wird selten gangbar sein, da der Konzertbesucher selten 1 
noch die Zeit fur eine besondere Veranstaltung eriibrigen wird.- So 
empfehlen wir nachdriicklich die einfiihrendenWorte unmittelbar 
vor Beginn desWerkes, und zwar am besten gesprochene Worte, 
mogen sie frei vorgetragen oder abgelesen sein. Es besteht im Konzert* 
leben noch eine unbegreifliche Scheu vor dem gesprochenen Wort. 
Der Kunstler auf dem Podium darf sein Bestes geben, er darf sich 
bei der BegruBung und beim Beifall dankend verbeugen : aber den 
Mund auftun darf er beileibe nicht! Dabei wiirden oft schon wenige 



J 



166 



Worte geniigen, Um eine Briicke des Verstandnisses zum Horer zu 
schlagen; der belebenden Wirkung und der Vertiefung des person* 
lichen Bandes zwischen Horern und Interpreten durch das gesprochene 
Wort sei in diesern Zusammenhang nur ganz am Rande Erwahnung 
getan. — EntschlieBt man sich nicht zum kurzen Wort an den Horer, 
so bleiben nock die einfiihrenden Bemerkungen auf dem Pro* 
gramm iibrig. Sie seien kurz und gemeinverstandlich, auf das Wesent* 
liche gerichtet, frei von unniitzen Fremdworten und ungelaufigen 
Fachausdriicken, sorgfaltig und einpragsam stilisiert; Werturteile, vor 
allem Superlative, sind fehl am. Ort. Es gibt kein feststehendes Rezept 
dafiir, was alles in die einfiihrenden Bemerkungen aufzunehmen ist — 
jedes Werk wird seiner besonderen Erklarung bedurfen. Der Kompo* 
nist oder der Dirigent werden am besten beurteilen konnen, auf welche 
Besonderheiten des Werkes der Horer am zweckmaBigsten hinzu* 
weisen ist, auf den formalen Aufbau oder den thematischen Gehalt, 
auf neuartige Klangwirkungen oder Eigenheiten der Instrumentation, 
auf den landschaftlichen oder nationalen Kolorit, auf die tragende 
Idee des Werkes oder auf die personlichen Umstande y unter denen 
es entstand; der Horer wird schon fur sparsame Hinweise dankbar 
sein und durch sie in unmittelbare Beziehung zu dem Werk gebracht 
werden. SchlieBlich kann der Komponist selbst einen gewissen Anhalt 
zum Verstandnis des Werkes durch die Wahl des Titels geben. Es 
bedeutet keineswegs einen Obergang zur Programmusik, wenn einem 
Werke der absoluten Musik eine Uberschrift vorangestellt wird, die 
ihm eine authentische Charakteristik auf den Weg gibt 

Werkanalysen auf den Programmen sind abzulehnen; der Horer, 
bemuht, die geschilderte Gliederung und den thematischen Gehalt 
des Werkes zu verfolgen, verteilt seine Aufmerksamkeit auf Ohr und 
Auge und kommt so um die rechte Ruhe zum ungestorten Horen. 
Wer in der Partitur nachzulesen vermag, wird davon insondere bei 
wiederholtem Horen des gleichenWerkes viel Nutzen haben; Taschen* 
partituren sollten schon langere Zeit vor der Erstauffiihrung in den 
Musikalienhandlungen vorratig sein. 

Ausfiihrlicher als dies auf den Programmen moglich ist, kann und 
soil sich die P r e s s e an der Vorbereitung der musikalischen Offentlich* 
keit auf ein neuesWerk beteiligen. Eine ausfuhrliche Vorschau auf 
Werk und Verfasser, ohne Werturteile und sonstige subjektive Be* 
einflussung, sollte die Regel sein. Dazu sowie zu einer sorgsamen nach* 
traglichen Wiirdigung der Auffuhrung mu8 aber die Presse auch 
rechtzeitig instand gesetzt werden durch bereitwillig verschafften Ein* 
blick in das Werk selbst, also durch Zutritt zu den nichtoffentlichen 

167 



Proben, durch Oberlassung von Partituren und Klavierausziigen sowie 
durch ausfiihrliche Angaben iiber den Lebensgang und das sonstige 
Schaffen des Komponisten. 

Zur Auffiihrung der Neuigkeit selbst ist vor allem zu sagen, daB 
mit den Proben nicht gespart werden darf. Die Neuigkeit sollte im 
Programm moglichst am Anfang stehen, um ihr die unverbrauchte 
Aufnahmefahigkeit der Horer zugute kommen zu lassen. Dringend 
abzuraten ist im Interesse baldiger Einbiirgerung des Werkes von 
Manuskriptauffiihrungen. Sie bringen den Nachteil mit sich, daB die- 
Presse und die zum Nachlesen bereiten Horer keine gedruckten 
Ausgaben in die Hande bekommen konnen; im Falle eines Erfolges 
kann das Interesse anderer zur Annahme bereiter Dirigenten nicht 
durch Ubersendung von Partituren befriedigt werden - das Werk 
gerat in Vergessenheit, und mancher bedeutsame Urauffuhrungserfolg 
ist auf diese Weise schon wirkungslos verpufft. 

Kein wirksamerer Dienst kann der Einbiirgerung eines neuen Wer* 
kes erwiesen werden, als durch die in kurzem zeitlichen Abstande 
folgendcWiederholung an gleicher Stelle, sei es nun ganz oder 
teilweise, im gleichen Konzert oder in der gleichen Spielzeit, jeden* 
falls aber so bald, daB das Interesse an dem eben gehorten Werk noch 
frisch ist. Die Wiederholung im gleichen Konzert ist nichts Neues; 
Hans von Bulow, Arthur Nikisch und eine Reihe namhafter lebender 
Dirigenten haben sich wiederholt spontan dazu entschlossen, und der 
Erfolg gab ihnen immer recht. Es gehort nur ein wenig Oberwindung 
alter Gewohnheiten und Vorurteile dazu! Nach SchluB des Konzertes 
kiindige man die Wiederholung der Neuigkeit an und lasse die Uxu 
interessierten nach Hause gehen : die Zuriickbleibenden werden dop* 
pelt dankbar sein und kunstlerischen Gewinn davon tragen. Die 
Orchestermusiker werden in dem BewuBtsein, ihren personlichen Ein? 
satz richtig gewiirdigt zu sehen, leicht fiir eine solche „uberstunde" 
zu gewinnen sein. Eine Wiederholung in der gleichen Konzertzeit 
wird vielleicht noch weiterreichende Wirkung haben; sie zu bewerk* 
stelligen, diirfte nirgends auf unuberwindliche Hindernisse stoBen. 

Von entscheidender Bedeutung fiir die Einbiirgerung eines wert* 
vollen erstaufgefiihrten Werkes ist der Umfang, in dem es in den 
nachstfolgenden Spielzeiten auf den Programmen beriicksichtigt wird. 
Es ist grundfalsch und wirkt auf das Werk geradezu todlich, wenn 
seine Wiederaufnahme von den Konzertvorstanden abgelehnt wird, 
weil „wir es doch erst vor fiinf Jahren gebracht haben". Man kann 
ein gutes, aber vielleicht nicht leicht eingangiges Stuck der Horew 
schaft nur dann lieb und vertraut machen, wenn man es in kurzen 



168 



Abstanden beharrlich wieder aufs Programm setzt - nicht um neue 
KassenreiBer zu ziichten, sondern um dazu beizutragen, da8 die 
Musikpflege unserer Tage nicht ausschliefilich auf den in friiheren 
Jahrhunderten gewonnenen Fundamenten fuBt, sondern von den 
schopferischen Kraften unserer eigenen Zeit kraftig durchblutet wird. 
Die Kulturarbeit des neuen Deutschland hat eine unerwartet groBe 
Zahl neuer Horer erstmalig an die ernste Musik herangefiihrt. Diese 
durchweg aufgeschlossenen, aber zumeist musikalisch ungeschulten 
Horer miissen - will man nicht halbe Arbeit tun - von vornherein 
auch mit der Musik der lebenden SchafFenden vertraut gemacht wer* 
den. Gerade aber bei ihnen wird dies nur gelingen, wenn die fur die 
Einbiirgerung neuer Werke aufgestellten Forderungen voll erfiillt 
werden. Rief ihnen vor Jahren Peter Raabe zu: „Keine Angst vor der 
Symphonie!", so wollen wir sieheute mit der Parole „Keine Angst vor 
der zeitgenossischen Musik! " zur lebendigen Teilnahme an der Musik* 
pflege unserer Zeit ermuntern; nur miissen wir dann auch folgerichtig 
die aufgezeigten Wege gehen, die den Laien zum rechten Verstand* 
nis der neuen Musik fiihren. Wir miissen uns auch dariiber klar 
sein, dafi auf dieser Linie mit bl oBen Anregungen im Stile von „man 
sollte doch" und „man miiBte eigentlich" nichts geschafFt wird, und 
in diesem Sinne sind auch die vorstehenden Ausfiihrungen nicht ge« 
dacht. Wenn aber die greifbar formulierten Vorschlage zur Einbiirge* 
.rung der zeitgenossischen Musik von seiten der lebenden Tonsetzer 
als Forderungen aufgegriffen werden und ihre Ausfiihrung von den 
Kulturbehorden des Reiches angeordnet und iiberwacht wird, werden 
die Friichte in Gestalt einer ungeahnten Bereicherung unseres Musik* 
lebens durch die schopferischen Antriebe der fruchtbaren Geister 
unserer Zeit nicht ausbleiben. 



169 



Albert Dreetz 



Mufikbettadjtung ala XTerpflidjtung 



> 



Seit vielen Jahren stellt nun schon die deutsche Presse — und daran ,* 

hat bezeichnenderweise auch der gegenwartige Krieg kaum etwas ge* 
andert - ein ziemlich getreues Spiegelbild des deutschen Musiklebens ■* 

dar. GewiB erhalt der Musikbetrachter aus dem Musikleben Impulse; *| 

nicbt minder zahlreich und mannigfach sind andererseits die Antriebe, 
die er an das Musikleben und seine unmittelbaren Trager verscbenkt. 
Es ist ein fortwahrendes Geben und Nehmen, das sich fur beide Seiten 
fruchtbringend, ja begliickend auswirken kann. Der wahrhafte Kiinst* \- 

ler wird deshalb auch in dem wahrhaften Kunstbetrachter stets den 
Heifer, den Freund und getreuen Mitstreiter fur die gute Sache er* 
blicken. Mag der Stoff, mit dessen Formung sich die Manner der Presse := 

beruflich zu befassen haben, scheinbar auch noch so verschieden sein ^ 

von demjenigen, der das Material des Musikers bildet, so beriihrt sich 
der Journalismus in seinem tiefsten Wesen mit dem Musischen den; 
noch aufs Engste : auch er verlangt von alien denen, die sich ihm ver* 
schrieben haben, vollige Aufgeschlossenheit, Eignung und nicht zu* 
letzt kiinstlerische Schopferkraft in hohem Grade. Auch die inhalts; 
reiche formvollendete Kunstbetrachtung kann und soil ein Kunstwerk 
im kleinen, einen wohlgebildeten Organismus darstellen. DaB unseren 
Musikjournalisten diese Tugenden in hohem MaBe zu eigen sind, das 
zeigen ihre Werke, die in den Augen der Musiker aus aller Welt ein 
begehrenswertes Zeugnis sind. Im iibrigen: daB elementar kiinstleri* 
sches Schopfer* und Gestaltertum viele unter ihnen durchpulst, laBt 
auch die lange Liste ihrer eigenen, zum Teil hochst beachtlichen 
Kompositionen erkennen. Auf eine kurze Formel gebracht laBt sich 
uberhaupt ganz allgemein die erfreuliche Feststellung machen, daB 
Kunstschaffende und Kunstbetrachtende in den letzten, Jahren recht 
eng und kameradschaftlich zusammengeruckt sind. Nicht als ob es 
nun keinen Musiker eitlen Sinnes mehr gabe, der sich von einem 
wertenden Zeitungsmanne nicht hin und wieder einmal falsch be* 
urteilt fiihlte, der nicht am liebsten den braven Kunstbetrachter per* 
sonlich dafiir verantwortlich oder gar haftbar machen mochte, daB die 
Betrachtung seiner Leistung yielleicht um ein paar Zeilen kiirzer aus* 

170 



fiel, als die Wiirdigung der Leistung eines seiner Kollegen, obwohl 
zum Kummer des Verfassers allein kriegsbedingte Raumfragen den 
Feuilletonchef oder einen sonst verantwortlichen Schriftleiter zu der 
entsprechenden Kiirzung bestimmten. Nicht als ob es heutzutage 
keinen Konzertagenten mehr gabe, der nicht in der Zustellung von 
Frei* bzw. Dienstkarten an den Kunstschriftleiter unter Hinweis auf 
seine ohnehin ausverkauften Sale ein sogar nicht einmal notwendiges 
Ubel erblickt, wobei er natiirlich vergiBt, da8 der Kunstbetrachter 
nicht dazu da ist, ihm in erster Linie zu vollen Salen zu verhelfen, 
sondern daB er eine offentliche Aufgabe erfiillt. Nicht als ob es anderer* 
seits heutzutage keinen Kunstbetrachter mehr gabe, dem es mitunter 
nicht schwer fiele, das durch die Umwandlung der Kritik in die Kunst* 
betrachtung oder aus anderen Riicksichten nun einmal erforderlich 
gewordene MaB in der Beurteilung zu halten. Aber alle derartigen 
oder ahnlichen Falle sind gottlob Ausnahmefalle! 

Bezeichnend dagegen ist, daB Kunstschaffende und Kunstbetrachter 
in echter Kameradschaft zueinander stehen, daB sie das Gefiihl des 
gegenseitigen Vertrauens beseelt, zumal das eherne und verbindende 
„Ich dien" hiiben wie driiben zum Grundsatz geworden ist. Bezeich* 
nend ist ferner, daB sich unsere Musikbetrachter auf der Grundlag£ 
nationalsozialistischer Weltanschauung, wohlausgeriistet mit dem noti; 
gen Fachwissen und kulturpolitischem Instinkt, mit ernstem Ver* 
antwortungsbewuBtsein ihrer wichtigen und schonen Aufgabe unter* 
Ziehen, Mittler zwischen Kunstwerk und Kunstempfangenden und 
somit zu ihrem Teil - um ein Wort des Reichspressechefs zu zitieren - 
„das publizistische Gewissen der deutschen Kunst" zu sein. Verankert 
im Reichsverband der deutschen Presse, ihrer Berufsorganisation, und 
in Zusammenarbeit mit der Presseabteilung der Reichsregierung, die 
ihnen beratend und fordernd zur Seite steht und die doirt vermittelt 
und eingreift, wo es das Gebot der Stunde erfordert, gehen sie dieser 
Aufgabe nach. Leitsatz dabei ist: Ehrfurcht vor den ewigen kiinst* 
lerischen Werten, Verantwortung vor dem Volksganzen! Das bedeu* 
tet, daB der Kunstbetrachter nun nicht etwa ausnahmslos loben miiBte. 
Nein, er ist vielmehr verpflichtet, dort zuruckhaltend zu sein oder gar 
abzulehnen, wo es sich um Dinge handelt, die vielleicht noch verein* 
zelt dieser Weltanschauung zuwiderlaufen sollten. Eine besonders 
schone Verpflichtung sei hier nicht vergessen. Sie erwachst dem 
Kunstbetrachter daraus, Wegbereiter des echten und gesunden jungen 
SchafFens zu sein. Und zur Ausiibung dieser bahnbrechenden Pionier* 
arbeit war der Musikbetrachtung in den vergangenen Monaten ja er* 
freulicherweise in zunehmendem MaBe Gelegenheit gegeben. 

171 



Arbeit gab es iiberhaupt in Fiille, wenn man bedenkt, daB einmal 
die Zahl der Musikveranstaltungen gestiegen, die Besetzung der 
Kunstschriftleitungen zum anderen aber unter den kriegsbedingten 
Verhaltnissen selbstverstandlich eine wesentlich schwachere ist. So ist 
es ja gar nichts Seltenes, dafi beispielsweise in Berlin allein an einem 
Abend acht, zehn und noch mehr Konzerte oder dergleichen statt/ 
finden, wahrend zu ihrer Besprechung den groBen Berliner Zeitungen 
- von zwei, drei Ausnahmen abgesehen - durchschnittlich nur ein 
Musikbetrachter zur Verfugung stent, da die meisten seiner Arbeits* 
kameraden an der Front sind. Ihr Arbeitspensum kommt also noch zu 
dem seinigen hinzu. Wenn man die sich hieraus ergebenden Schwierig* 
keiten beriicksichtigt und auBerdem die augenblicklich ziemlich be* 
schrankten Raumverhaltnisse der Tages* und Fachpresse in Rechnung 
stellt, so ist es immer wieder erstaunlich zu^sehen, welch zum Teil 
recht erfreuliche Losungen die Schriftleitungen gerunden haben, um 
den kulturellen Anforderungen vielfaltiger Art nach Moglichkeit ge* 
recht zu werden. Es ist eben der eiserne Wille, die Kulturarbeit auf> 
recht zu erhalten, der auch die deutsche Musikpresse befliigelt und 
der aus den Zeitumstanden heraus immer neue Losungen schafFt. 
So hat sich der in den beiden reprasentativen Musikkundgebungen 
des Jahres, den Bayreuther und Salzburger Festspielen zutagetretende 
kulturelle Leistungswille, ihrem Charakter als Dank der Heimat an 
ihre tapferen Soldaten entsprechend, sinnfallig und wiirdig in den be> 
treiFenden Kunstbetrachtungen ofFenbart. Kriegsfeuilleton und fach> 
lich fundierte PK.^Berichte haben das Antlitz des Kulturteils der deut* 
schen Tageszeitungen entscheidend geformt und der Musikfachpresse 
eine zeitbedingte Pragung verliehen. In ihre verantwortungsreiche 
Kriegsaufgabe sind unsere Musikschriftleiter sehr.bald hineingewach* 
sen. Wissen sie doch genau, worum es geht! Daher werden sie auch 
kiinitighiri fortfahren, von ihrem Platz aus die hehren und unver* 
gleichlichen Werte deutsche? Musik und deutscher Kultur zu bei 
schirmen, die ihre Berufskameraden drauBen an den Fronten mit dem 
Schwerte verteidigen. 



172 



Benno von Arent 



Kealismue unti fllufion im Bufjnenbilti 



BewuBt wollen wir bei einer Betrachtung des heutigen Biihnenbildes 
den Realismus und die Illusion neben* oder vielmehr gegeneinander 
stellen. Immer wieder sehen selbst Fachleute im illusionistischen 
Biihnenbild ein realistisches und betonen das in Wort und Sehrift. 
Sie gehen dafnit auf Irrwegen, die nicht deutlich genug gekennzeichnet 
werden konnen, weil sie Verwirrung sowohl in den Kopfen der Schaf* 
fenden als auch der Schauenden hervorrufen. 

In der bildenden Kunst ist Realismus spviel wieNaturalismus; dieser 
bezeichnet das Verhaltnis der kiinstlichen Darstellung zum Natur* 
objekt, und zwar imHinblick auf die iiberzeugende Ubereinstimmung 
mit dem unmittelbar anschaulichen Eindruck. Illusion dagegen ist eine 
Tauschung, ein Irrtum, etwas Triigerisches. 

Wenn also ein Bilhnenbildner die Aufgabe hat, einen Wald darzu? 
stellen, so muB er ^zwar immer die Illusion eines Waldes bei dem Be; 
schauer hervorrufen, aber er darf sich kein Schema fur einen Wald 
machen. Derselbe Wald paBt nicht fiir alle Opern. Es ist, wenn der 
Autor einen Wald vorschreibt, durchaus nicht gleichgiiltig, wie dieser 
Wald aussieht. Er muB dem inneren Geschehen deS Werkes unten 
malend Vorschub leisten. So muB also, um nur einige Beispiele zu 
nennen, der Wald in Schillers ,„Raubern" da's Revolutionare des Stiik; 
kes unterstreichen. Das Sakrale der ParsivahDichtung muB der Be< 
schauer schon imWalde zu Richard Wagners „Parsifal"<Weihespiel er* 
kennen. Der Wald in Shakespeares „Sommernachtstfaum" soil die 
ganze SiiBe und den erotisierenden Duft des Geschehens auf der 
Buhne unterstreichen, und endlichmuB der Wald zu der Humpero 
dinckschen Marchenoper „Hansel und Gretel" die ganze Innerlich* 
keit deutscher Marchenwelt verkorpern. 

Somit hat der Buhnenbildner.die hohe Aufgabe, dem seelischen und 
dem inneren Charakter des Werkes, fiir das er arbeitet, Ausdruck zu 
yerleihen. Wenn es sich, um noch weitere Beispiele anzufiihren, um 
die Zeit der Bauernkriege im „Florian Geyer" handelt, so spielt das 
Stiick zwar in der gleichen Zeit wie Wagners ,,Meistersinger", aber 
die Ausfiihrung des Biihnenbildes muB, dem Gehalt des Werkes erit* 

173 



sprechend, eine grundverschiedene sein. In jedem Falle mu8 sein 
Biilinenbild eine ganz bestimmte Illusion hervorrufen, sowohl bei dem 
Besehauer als auch bei dem Mitempfindenden. Er darf nur Diener 
am Werk sein und muB deshalb auch im Biihnenbild und in den 
Kostiimen so weit illusionsfordernd wirken, als er dadurch das Ver* 
standnis des Werkes erleichtert und seinen seelischen Ausdriick ver* 
tieft. ^ 

Das Biihnenbild ist ja nicht nur der auBere Rahmen, in dem die 
Handlung spielt. Man rechnet dazu die Dekoration an sich, das 
Kostiim, die Beleuchtung, die Masken der Darsteller und bedingt 
auch ihre Bewegung sowie die des Chores und der Massen, ja sogar 
einen groBen Teil der Anordnungen der Regie. Das alles ist der bild< 
hafte, optische Mtttler zwischen dem darzustellenden Werk und dem 
Zuschauer. Damit ist seine kiinstlerische Gestaltung aber nicht Selbst* 
zweck, sondern das Biihnenbild ist Diener am Werk und am Horer. 
So sind ihm auch in der Freiheit seiner kiinstlerischeri Arbeit ganz be* 
stimmte Grenzen gesetzt, deren Uberschreitung zu grundlegenden 
Fehlern fiihrt. 

Wir erinnern uns noch mit Schaudern der Zeit, in der Biihnenbild 
und Regiekunst selbstherrlich mit dem Werk und der Vorstellung, 
die der Autor und der Besehauer von dem Werk hatte, umgingen und 
wegen billiger Efiekte ohne Sinn darauflos experimentierten. Sie stie* 
Ben dem gesunden Empfinden der Zuschauer vor den Kopf, denen 
diese L'art pour l'art<Spielereien zwar nicht immer richtig bewuBt 
wurden, die aber, befremdet durch derlei Auswiichse, dem Theater 
fernblieben. Sicherlich ist derjenige, der aus beruflichen Griinden ein 
Theater oft besuchen muB, leicht geneigt, ein experimentell aufge* 
zogenes Theaterstiick als besonders interessant anzusehen, weil ihm 
- und dies gilt besonders bei klassischen Werken - etwas Besonderes, 
etwas scheinbar Neues geboten wird. Aber damit wird der weitaus gro* 
Beren Menge der Zuschauer die Illusion empfindlich gestort; ihre 
gesunde Auffassung von den Dingen lehnt derlei selbstzweckliche 
Spielereien ab. 

Gegeniiber der Zeit vor 1933 ist heute eine grundsatzliche Ande< 
rung eingetreten. „Die Kunst muB wieder zum Volke kommen, damit 
das Volk wieder zur Kunst kommt!" Spricht man das aus, so ist da* 
mit gesagt, daB der Kunstler nicht ein Einzelwesen mit besonderen 
Rechten und wenig Pflichten oder gar ein iiber allem Volkhaften 
schwebendes internationales Wesen sein darf. An erster Stelle muB er 
dem Volk, aus dem er kommt, leidenschaftlich verpflichtet sein. Ihm 
muB er dienen; ihm muB er dieWerke der Schopfer verstandlich 

174 



machen. Und damit kommen wir wieder auf die Aufgaben des Biihnen* 
bildners selbst. zuriick. 

Das Biihnenbild muB sich nach dem Schopfer des Biihnenwerkes 
ricbten! Hatte z. B. Puccini den „Tannhauser" unter gleicher Voraus* 
setzung wie Wagner und mit demselben Text komponiert, so miiBte 
das zugehorige Biihnenbild doch ein anderes als bei Wagner seiii. Ja, 
um bei Puccini zu bleiben, wiirde man Puccinis „Boheme" und Leon; 
cavallos „Boheme" biihnenbildnerisch zu gestalten haben, so wtirden, 
trotz des ganz gleichen Stoffes, ganz verschiedene Biihnenbilder er* 
forderlich werden, weil Puccini seine „Boheme" italienisch auffaGte und 
Leoncavallo, der ganz von Paris beeindruckt war, schon in der Musik 
Paris und sein Leben einfing. Und wenn man in beiden Fallen Paris 
auf die Biibne zaubert, so kann man sich in Frankreich das nicht ge« 
statten, was man unbeschadet in Berlin tun darf : hier kann der Kiinst* 
ler die Notre Dame in die Gegend von Montmartre setzen. Nur ein 
wissenschaftlich strenger Beschauer rechnet ihm das nach, das Public 
kum aber im groGen empfindet Paris schon durch die Silhouette der 
Notre Dame, die jedem Kind bekannt ist, und dadurch erweckt der 
Buhnenbildner in jedem sofort das Bild „Paris". Es sei dabei klar zum 
Ausdruck gebracht, daB das illusionsfordernde und das illusionistische 
Biihnenbild keineswegs ungeeignet ist, dem Seelischen eines Stiickes 
Ausdruck zu verleihen. Ganz im Gegenteil, mit den Mitteln der Illu< 
sionsforderung, die niemals Realistik bedeutet, kann man auf der 
Biihne uberhaupt keine Realistik zeigen. Ganz abzulehnen ist natiir; 
lich die abstrakte Dekoration, die nur ein dekoratives Monstrum hm* 
stellt, das mit dem Geschehen und dem Platz der Handlung nichts zu 
tun hat. Denn auch Shakespeare wurde eine andere, bessere Biihne 
vefwendet haben, wenn er sie hatte bekommen konnen. Die Primiti* 
vitat seiner Biihne war nur ein Notbehelf; das v hat er selbst oft genug 
ausgesprochen. Es ist ja nicht so, daB er etwa auf Grund tiefgriihdiger 
Uberlegung zur primitiven Biihne gekommen ware. rVlan sollte iibern 
haupt in der Kunst nicht zur Primitivitat zuriickgehen. Ein feiner 
Kunstkenner hat das einmal richtig und treffend etwa so ausgedriickt: 
wir bewundern zwar bei dem kulturellen Stand eines Negers dessen 
Plastiken vom Standpunkt der Hohe seiner Kultur aus; wenn aber 
ein Europaer mit der Hohe seiner Kultur dasselbe darstellt, so miissen 
wir das als kulturlos, weil nicht ausreichend, ablehnen und verurteilen. 
Warum sollten wir dann aber auf der Biihne, wie manche es fordern, 
dahin zuriickgehen, daB wir nur andeutungsweise Dekorationen und 
Kostiime hinstellen und zu einer Stilisierung kommen, die dem groBten 
Teil des Publikums fremd und ganzlich unverstandlich ist? Gerade in 

175 



unserer Zeit, in der Hunderttausende, ja Millionen taglich die The* 
ater besuchen, diirfen wir nichts tun, was nur dazu angetan ist, dem 
Geschmack einiger Snobs Rechnung zu tragen. Fur diese Menschen ist 
der deutsche Kiinstler nicht da; fur sie hat auch weder ein Wagner, 
noch ein Weber oder ein Puccini komponiert, und gerade diese Kom* 
ponisten sind in den letzten Jahren dem Volke lieb und wert geworden. 

Warum iiberhaupt diese Mutlosigkeit gegeniiber empfindsamen oder 
„mitempfindenden" Dekoratidnen? Man kann nun einmal die „But* 
terfly" nicht ohne Kirschbliiten gestalten; die Musik schreit ja gerade* 
zu danach. Man muB auch im „Tannhauser" die Nebel ziehen lassen, 
nicht um damit Realistik zu treiben, sondern einfach aus der Musik 
heraus. Genau so bringen wir heute den Abendstern wieder, den man 
in der Systemzeit fortgelassen hat (denn der Dichter und Komponist 
verlangt ihn und das Publikum erwartet ihn mit Recht), ohne gleich 
einen ganz genauen Sternenhimmel erscheinen zu lassen, an dem der 
Astronom seine Studien treiben kann, Und wenn im letzten Bild des 
„Tannhauser" einige Blatter herunterfallen, so hat das mit Realistik 
nichts zu tun, sondern ist nur eine Symbolisierung des inneren Ge* 
schehens auf der Biihne. Wollte man das ablehnen, so miiBte man ja 
auch sagen, daB ein Caspar David Friedrich ein realistischer Mater 
gewesen sei, Er war aber ein symbolischer, viel mehr in die Seele ein* 
greifender als irgendein Expressionist. Was nun ein Caspar Friedrich 
David und die groBen Romantiker iiberhaupt durch ihre Bilder an 
seelischem. Ausdruck geschaffen habenydas konnen wir auch im Biih* 
nenbild zu erreichen versuchen. Denn diese Bilder atmen ja wahre 
Musikalitat. Zu jedem dieser Bilder fallt dem musikalischen Men* 
schen, wenn er sie ruhig und stumm betrachtet, Musik ein. Wie viele 
FComponisten haben sich von solchen Bildern inspirieren lassen! Er* 
innern wir uns nur an Ottorino Respighis Orchesterwerk „Pini di 
Roma", in dem er in vier Stimmungsbildern die so oft gemalten 
Piriien von Rom schildert, an der Villa Borghesa, bei den diistern 
Katakomben, auf dem romischen Hiigel Gianicolo, dem Janusberg 
auf dem rechten Tiberufer und auf der Via Appia. 

Es ware nun denkbar, daB hier eingewendet wiirde: das sind j a 
realistische Bilder. Solchen abwegigen Gedankenpfaden diirfen wir 
aber nicht folgen. Ja, wir miissen sie mit alien Mitteln schon deshalb 
bekarripfen, weil sie von dem fortfiihren, zu dem wir alle streben: 
zum gemeinschaftlichen Denken und Empfinden, das auch im Biih* 
nenbild seinen Ausdruck zu finden hat. Fur sie arbeiten wir! Wer uns 
auf diesem Wege nicht folgt, wer nur um eines Andersmachens oder 
um geistiger Akrobatik willen aus Spielerei das Biihnenbild zaubert, 



176 



der tut mit seinem kiinstlerischen Konnen Unrecht; denn er setzt es 
nicht richtig, nicht im nationalsozialistischen Sinne an. 

Ebenso fehlerhaft ist es, eine Oper iiber das ihr zukommende MaB 
inneren musikalischen Gehalts hinaus auszustatten, also die Ausstat* 
tung zu iiberspitzen, d. h. mehr zu geben, als die Musik und die 
Raumlichkeit erlauben, nur aus Besorgnis, das Werk konne sonst lang* 
weilig werden. Das geschieht dann immer auf Kosten der Musik und 
der Darstellung. Deshalb hat der Biihnenbildner auch die Verpflich* 
tung, auBer bei den gerade fur eine groBe Ausstattung erdachten und 
aus sie besonders eingestellten- Stiicken, Zuriickhaltung zu iiben. Oft 
muB er sich bescheiden, um die Musik nicht durch Farbe oder Form 
zu iibertonen. Auch da ist der natiirliche Instinkt maBgebend. Immer 
soil sich der Kiinstler, und das gilt besonders fur den Biihnenbildner, 
von der Verpflichtung fiihren lassen, die Kunst, die er aus der Summe 
der Begabungen seiner Vorfahren, also dem Volke selbst, empfangen 
hat, auch diesem wieder nutzbar zu machen, sie ihm wiederzugeben. 
Er hat auf der Biihne alien Zuschauern gegeniiber eine kulturpoli^ 
tische Aufgabe zu erfullen. Dabet kann er trotzdem weiterbildend, 
kulturbildend, kunstbildend, steigernd im Technischen wie im Kiinst^ 
lerischen wirken. Ein solcher Fortschritt ergibt sich ja ganz von selbst. 
Das Biihnenbild ist niemals stehen geblieben; es hat sich im Laufe 
der Jahre geandert und ist zu ganz anderen Ausdrucksformen ge* 
kommen, auch wenn man illusionsfordernd, d. h. eben die Dinge 
genau darstellend arbeitete. Eine Schusterstube der „Meistersinger" hat 
vor zwanzig, dreiBig, vierzjg Jahren jedesmal anders ausgesehen und 
wird sich auch in der kommenden Zeit andern. Das richtet sich nach 
ganz bestimmten Vorstellungen, die man jeweils von einer solchen 
Werkstatt hat. Im Gegensatz zu Irrwegen in der Systemzeit soil man 
ruhig von der Auffassung ausgehen, daB man den Geruch der Arbeit, 
des Leders und der Handarbeit neben dem Gefiihl geistiger Arbeit 
spiiren muB. Friiher war hier die Arbeit fast ganz ausgeschaltet, die 
Werkstatt glich mehr einem saalahnlichen Raum, der von Burger* 
geist und nicht vom Handwerksgeist erfullt war. Zwar waren die 
groBen Handwerker der damaligen Zeit auch groBe Burger, Stadt* 
vater und wohlhabende Leute, aber das ist heute fur uns nicht so 
wesentlich. Das Wesentliche ist fiir uns heute mehr das Handwerkliche 
als das Biirgerliche. 

Aus dem Gesagten fassen wir kurz noch einmal zusammen: Der 
Biihnenbildner kann und muB gewisse Stiicke realistisch darstellen, 
ja, das Realistische oft noch realistischer gestalten. Er muB verdichten 
in Farbe und Form, wie auch der Dichter dichtet. Wenn der Vorhang 

177 



aufgeht, so muB der Zuschauer gleich in die gewiinschte Stimmung 
versetzt werden. Dabei darf man nicht davor zuriickschrecken, durch 
Beleuchtungseffekte, durch Besonderheiten der Dekoration und durch 
Einbauten die Wirkung auf den Beschauer noch zu verstarken Das 
erreicht man oft mit der ^Composition der Farben der Kostiime. Man 
kann mit den Kostiimen z. B. beim Auftritt von Choren durch farb« 
liche Stimmungen auch Stimmungen im Publikum erzielen. Das 
schwarze Kostiim wirkt meist traurig, ein rot oder bunt angezogener 
Chor kann, durch Beleuchtung unterstiitzt, dem Wollen des Biihnen? 
gestalters naher kommen. Er darf dabei nicht ein einzelnes Kostiim aus 
einer Gruppe herausnehmen und stilistisch ganz abweichend behan* 
deln, weil dann das Ganze ebensowenig stimmt, als wenn man aus dem 
Orchester eine Instrijmentengruppe fortlassen wurde. Man muB dann 
eben alles umkomponieren. 

Das mag schwerer klingen, als es in Wirklichkeit ist. Empfindet than 
aber den Grundton der Musik eines Werkes — und nur so kann man 
als Buhnenbildner richtig arbeiten — , dann flieBt, ist man ein wirk* 
licher Kiinstler des Buhnenbildes, alles von selbst. Der Buhnenbildner 
muB eben die Musik, das Gesamtwerk ins Unaussprechliche, ins rein 
Gefuhlsbedingte fortsetzen, dann ist er auf dem rechten Weg und 
wird von denen verstanden werden, fur die er arbeitet. „Licht senden 
in die Tiefen des menschlichen Herzens ist des Kiinstlers Beruf !" Dazu 
kann der Buhnenbildner so unendlich viel beitragen, wenn er seine 
Berufung richtig erfaBt hat, im Sinne unserer Zeit! 



178 



i 



Harald Kreutzberg 

2>er T&mtt ate ©cftalter 



Ich werde oft gefragt: „Welche Ihrer Tanzgestaltungen sind Ihnen 
die liebsteni 1 Die heiteren, die ernsten oder die stark, dramatischen?" 
- „Sie sind mir alle gleich lieb", kann' ich darauf nur antworten, „denn 
was ich mochte, ist, den Reichtum und die Vielfaltigkeit des Lebens 
durch mein Kunstmittel, die Bewegung, darstellen.' 

Ein Schauspieler, der nur den Konig Lear „kann", ist fur meinen 
BegrifFkein guter Schauspieler. Ein Maler, der nur wilde Sturmland* 
schaften malen kann und die Schonheit einer kleinen Blume nicht 
sieht und nicht die Lust verspiirt, auch diese darzustellen, scheint mir 
kein guter Maler. Die Welt ist so reich und vielfaltig, das Leben voll 
von wechselnden Geschehnissen, Menschen kommen und gehen, jeder 
ist andersartig und jeder hat sein eigenes Schicksal, Der schopferische 
Mensch steht in diesem Treiben und halt die Augen offen, und wie 
auf die Platte des photographischen Apparates zeichnen sich die Bilder 
ein. Da liegen sie nun, aufbewahrt in einer dunklen Kammer des Her* 
zens und warten, daB sie „entwickelt" werden. Welch eine Lust, in 
dieses geheime Archiv hinunter zu steigen. Welche Vielfalt, welch ein 
Reichtum! Tausend bunte Bilder wirbeln um einen und jedes lockt 
zur Verlebendigung. Gelingt es dir, schopferischer Kiinstler, jedes fur 
sich wieder zu seinem Leben zu verhelfen, so ist jede dieser Schop* 
fungen eine Tat. Und da gibt es dann diese Frage nicht mehr: „Weh 
ches ist dir das liebste?" Jedes ist mit derselben Liebe und derselben 
Inbrunst wieder geboren, und wenn es gelungen ist, so ist jedes, ob 
eine kleine Idylle, ob der Schrei einer gequalten Seele, ein Kunstwerk 
von Wert. Aber eben nur wenn es gelungen ist, und bis zu diesem 
Gelingen ist ein weiter und oft beschwerlicher Weg. Es gibt viele auf« 
nahmefahige Menschen, die mit offenen Augen durch die Welt gehen 
und die vielfaltigsten Bilder des Lebens in die „Scheuern" sammeln. 
Aber dort liegen sie, bereichern wohl ihn selbst, aber erstehen nie 
wieder zu einem zweiten Leben. Das ist die unerhorte Gnade des 
schopferischen Menschen, daB er wiederzuerwecken vermag. Doch 
dieses Wieder*Erwecken ist kein leichtes Unterfangen, und nicht im* 
mer gliickt es. Oft gelingt nur ein schemenhafies blasses Leben, das 

179 



bald wieder verwelkt, oft gelingt es gar nicht, und alleWiederbelebungs* 
versuche bleiben erfolglos. Dann wieder in einer besonders begnadeten 
Stunde ersteht eine Gestalt zu kraftvollem, atmendem Leben, und 
Blut stromt durch ihre Adern, 

Mit den Mitteln der Bewegung eine Gestalt lebendig zu machen, 
ist natiirlich besonders schwer, denn mit dem Wort kann. man viel 
mehr ausdriicken und klarere Bilder schaffen. Es soil ja der Zuschauer 
nicht nur im Augenblick des Scbauens in die betreffende StimmUng 
gebracht werden oder die dargestellte Person leibhaftig sehen, er soil 
diesen Eindruck auch in seinem Innern mitnehmen und sich daran 
erinnern konnen. Wird ihm von einem Kiinstler zum Beispiel ein Ge* 
dicht vorgetragen und er ist von dem, was er horte, beeindruckt, so 
klingen ihm wohl noch spater einige Worte oder der Sinn ganzer Satze 
nach. Er kann sie nachsagen, sich daran klammern, und es ersteht ihm 
auch beim kunstlosen Nachsagen dieser Worte deutlich wieder das, 
was er damals empfand. Der Tanzer hingegen zeichnet ihm Gesten in 
den Raum, die sofort wieder verwehen, und alles droht wie ein Schat* 
ten zu versinken. Und doch ist es moglich, auch mit der Bewegung so 
klar zu reden wie mit Worten. Es muB nur eben alles viel zwingender 
und eindeutiger erzahlt werden. Eigene Unklarheiten oder unmitzer 
Zierat werden das Bild verwirren, und jeder Augenblick, in dem bei 
der Erschaffung des Tanzgebildes nicht letzte Konzentration auf das 
Thema vorherrschte, wird den Eindruck verschwimmen.lassen. So wie 
mancher Redner mit wenigen aber treffenden Worten viel mehr sagt 
als der, der einen Schwall von Satzen iiber die Zuhorer loslaBt, so 
wird auch der Tanzgestalter seine klaren und wirklich zum Thema 
gehorenden Gesten dem Beschauer einzuhammern vermogen. 



Es ist mir immer eine groBe Freude, wenn sich Menschen, die 
mich tanzen sahen, noch nach Jahren an bestimmte Tanze erinnern, 
ja einige Bewegungen daraus sogar mit ungelenken Gebarden vorzu* 
fuhren trachten. Das zeigt mir dann, daB meine Sprache klar war 
und das, was ich gesagt habe, verstanden wurde. Der Weg zu dieser 
Klarheit und Einfachheit ist schwer. Ich habe eine Idee, sehe fertig 
vor mir, was ich gestalten will. Aber wenn ich mit der eigentlicheh 
Arbeit beginne, wenn ich die Idee zu gestalten versuche, geht es mir 
wie einem Zeichner, der Papier und Stift vor sich liegen hat und plotz* 
lich vor der Aufgabe erschrickt, seine gliihende, innere Vision mit 



180 



diesem herzlosen Material Wirklichkeit werden zu lassen. Man steht 
in einem kahlen, niichternen Tanzraum und soil nun das; was man 
eben noch so klar und deutlich in sich fiihlte, vor seinem inneren Auge 
sail, zur Gestalt formen! In diesem Augenblick ist man wie ein 
Schwimmer, der tollkuhn ins Wasser springt, ohne zu wissen, wohin 
ihn die Stromung treibt. Was einmal Form werden soil, das ist zu* 
nachst nichts weiter als eine mebr oder weniger verworrene Impro* 
visation. So entsteht die erste rohe Skizze, und so wie der Zeichner 
sich langsam zu immer groBerer Klarheit bindurchringt und auf ein« 
mal nur noch zehn Striche braucht, wo ihm erst tausend notig schienen, 
geht es einem als Tanzer auch. Die Form schalt sich allmahlich her« 
aus. Manchmal allerdings geschieht das groBe Wunder, daB schon in 
einer einzigen Stunde ein Tanz in seiner Grundform feststeht. Das 
sind die gottbegnadeten Stunden, in denen einem alles wie von selbst 
gelingt — aber meistens ist es bis zur letzten Klarheit ein langer und 
miihseliger Weg. Ob das Thema heiter, ernst oder tragisch ist, immer 
kommt es darauF an, etwas zu schaffen, das wirklich gestaltet ist und 
iiberzeugt. Und ist es gelungen, dann habe ich die gleiche Liebe 
dafiir, ob es ein heiteses oder ein ernstes Thema war, und dankbar 
neige ich mich dann vor den geheimnisvollen Kraften, die mich zu 
diesem Gelingen fuhrten. 



181 



Herbert Windt 



BJarum /Bufik im film? 



Musik ist etwas Irreales. Der Film ist es auch; wenigstehs da, wo 
er Kunstwerk sein will. Und Kunst ist nie Natur im Sinne von natura* 
listisch, sondern etwas „Kiinstliches", etwas bewuBt AuBernatiirliches, 
das selbstverstandlich nach den ihm eigenen GesetzmaBigkeiten ge* 
konnt sein muB. So ist es bei alien Kiinsten, von der Architektur bis 
zur Musik. Und so ist es auch bei einer der jiingsten ECunstgattungen 
unserer Zeit, dem Film. Es ist sicherlich kein Zufall, daB von den 
ersten Tagen des Films an die Musik zu seinem treuesten Verbiindeten 
wurde — nicht die Sprache! Denn es gab eine Zeit, da drehte man 
Filmaufriahmen nach Musikschallplatten! Ich selbst habe in meiner 
Kindheit unter andererri den „Einzug der Gaste auf der Wartburg" 
und das „Lied an den Abendstern" im Film erlebt; etwa im Jahre 
190J.I Ebensogut hatte man Filrae nach Sprechplatten drehen konnen. 
DaB man es nicht tat, sondern im Gegenteil zum stummen Filmbild, 
das mit Musik gar nichts zu tun hatte, die Musik als Begleitung bald 
iiberhaupt nicht mehr entbehren konnte, beweist, wie richtig man 
schon damals die Wichtigkeit der Verbindung von Bild und Musik' 
erkannt hatte. Man wollte im Film im wahrsten Sinne naiv wirken, 
d. h. unverbogen und nicht intellektuell, also gefiihlsmaBig, und man 
hatte herausgefunden, daB Musik am ehesten dazu angetan war, die 
seelische Ausdeutung der Bildfolge zu erhohen. Das fuhrte zu einer 
Bliitezeit des stummen Films, in der man sogar zu bestimmten Filmen 
Originalmusik komponieren lieB. A us dieser Ehe entsprangen die 
ersten Filme, eine Gemeinschaft von Bild und Musik, in der letztere 
das Geschehen auf der Leinwand dramaturgisch vertiefte und das, 
was unsere Augen sahen, unserm Herzen naherbrachte. Ja — es war 
die Musik, die iiber grobe Unzulanglichkeiten und Ubertreibungen 
hinwegsehen lieB und uns da noch fuhrte und ergriffen machte, wo 
wir ohne Musik wahrscheinlich gelacht hatten. Und hier liegt das 
Kernproblem des Filmkunstwerkes. Hier hatte man aufbauen miissen. 
Statt dessen kam der Tonfilm! Sagen wir ruhig: der Gerauschfilm! 
Denn abgesehen von der Sprache entdeckte man jetzt jegliches Ge< 
rausch. Ob es wichtig war oder nicht - Gerausch um jeden Preis, 

182 



beinahe noch mehr, als es in der Natur schon ohnehin gab. Nature 
lich brachte man aucb Musik. Es wurde der Musikfilm geboren, im 
Sinne von Opern*, Operetten* und Schlagerfilm, letzterer in Hoch/ 
konjunktur. Die Industrie bluhte! Aber die Quelle, aus der die Art* 
eigenschaft des Filmkunstwerkes fliefien sollte, war verstopft — lange 
Jahre hindurch, teilweise sogar bis heute noch! Denn ein Zuviel 
an Sprache und Gerauschen degradierte den Film mitunter zu einer 
reinen Bild* und Gerauschfotographie. Damit ging aoer alle Kunst 
zugrunde! Denn Kunst besteht auch im Fortlassen des Unwichtigen, 
im Beschranken auf das Allernotwendigste, im Dichten gleich „Dicht* 
machen", das alles Zufallige riicksichtslos ausmerzt! 

Aber wozu erscheint ein Mensch auf der Leinewand, wenn nicht 
gleich losgeredet werden darf? Wozu eine Tiir, wenn sie nicht zu? 
oder auf klappt? Wozu gehen Menschen? Natiirlich doch nur, um ihre 
Schritte horen zu lassen, und bitte: synchron! Und nun stelle man 
sich einmal vor: warum klappt eine Tiir, wenn es unwichtig ist? Ja - 
sie kann und soil schon klappen — aber dann im dramaturgischen 
Sinn, wenn es so sein muB; oder aber — sie klappt nicht, und die Stille, 
mit der sie nicht klappt, kann zu einer unerhorten Eindringlichkeit 
werden, die noch unterstrichen werden kann, wenn die Musik, die 
etwa diese Szene begleitet, auch die Pause ausspart. So gibt es tausend 
Moglichkeiten, die alle erst einmal zu berucksichtigen sind, wenn wir 
vom Kunstwerk Film sprechen wollen! 

Alles im Leben ist Musik - fur den, der sie in sich hat, und wer 
sie da nicht hat, der hat sie auch nicht von auBen! „. . . aber die Seele 
spricht nur Polyhymnia aus", sagt Schiller. Und der Film kommt aus 
dem Leben, um uns dieses Leben in gesteigerter Form wiedererleben 
zu lassen. Wir aber erleben nicht mit dem Gehirn, sondern mit dem. 
Herzen. Wir wollen, daB sich der Film an unser Gefiihl wende. Und 
wenn der Film nun dasselbe will, dann soil er uns nicht mit den Ge* 
rauschen des Alltags totschlagen, sondern soil auch diese Gerausche in 
eine hohere und gesteigerte Form erheben, und zwar nach innen, 
nicht .nach auBen! Denn wozu wurde iiberhaupt die Musik zum Film 
ersonnen? Geschah es nicht, um die Vielfaltigkeit aller wahrnehm* 
baren Klange und Gerausche des Tages und der Nacht, alles Laute 
und alles Leise, alien Larm und alle Stille zu verdichten und jeweils 
auf den innersten Klang der Seele abzustimmen? Um das rein AuBer* 
liche inwendig ertragbar zu machen? Also Mittler zu sein zwischen 
Realem und Irrealem; zwischen der auBeren Erscheinungsform und 
der inneren Erlebniswelt die Briicke zu sein, ohne die weder das 
eine noch das andere bestehen kann. Und darum: Musik im Film! 

183 



AUS DEUTSCHEN M USI K VE RLAGS > ARCHI VEN I 
Oswald Schrenk 

Sue oetn &td)tti 
oes dQufifeuerlttgea (£t». Bote & 6. Bo* 



Seit dem 27.Januar 1838 besteht der Berliner Musikverlag Ed. Bote 
£5 G. Bock; er kann also auf hundertundfiinf Jahre zuriickblicken. Es 
ist nur natiirlich, wenn diese Tatigkeit iiber drei Menschenalter hin* 
weg auch ihren Niederschlag in dem Archiv des Hauses gefunden 
hat. Vieles, was einst zu dem Besitz des Verlages gehort hat, hat in* 
zwischen in der Musiksammlung der- PreuBischen Staatsbibliothek 
seine endgiiltige Heimstatt gefunden. So hat der Verlag vor dem 
Weltkrieg 1914— 1918 viele hundert Briefe heriihmter Meister der Staats* _ 
bibliothek geschenkt. Auch so manches wertvplle Manuskript ist dort 
fur alle Zeiten der Allgemeinheit zuf iickgegeben, so hat der Verlag noch 
anlaBlich seines hundertjahrigen Bestehens Regers Partitur der Suite 
im alten Stil op. 93 der Staatsbibliothek zum Geschenk gemacht. 
• Aber auch das,, was der Verlag heute noch in seinem Archiv be? 
wahrt, hat ein ansehnliches AusmaB und wird jedem Musikfreund 
Interesse abgewinnen. Dazu gehort zunachst eine stattliche Bild* 
sammlung mit eigenhandigen Widmungen von Meistern wie Liszt, 
v.Biilow, Robert und Clara Schumann, Verdi, Puccini, Mascagni, 
Leoncavallo, Johann und Richard StrauB, Tschaikowsky, d'Albert, 
Kienzl, v. Schillings, Reger und vielen anderen. 

Bedeutsamer sind zweifellos die umfangreichen Briefsammlungen, 
die mehrere tausend Stuck umfassen. Hier wiederum sind Briefe von 
Schumann, Lortzing, Wagner, Bruckner, Tschaikowsky die wertvolb 
sten. Aber es finden sich auch solche yon Nichtmusikern wie Alex« 
ander v. Humboldt und Adolf Menzel. 

ZahlenmaBig den breitesteh Raum nehmen die vielen hundert 
Briefe Max Regers ein, die er in seiner jahrelangen Zusammenarbeit 
mit Bote & Bock an das Haus gerichtet hat. Die erste Veroffentlichung 
aus diesem reichen Material brachte der Verlag in dem Buch „Max 
Regers Meisterjahre" von Lotte Taube heraus, dem dieser Schrift* 
wechsel, der Regers Personlichkeit in mannigfachem Lichte zeigt, zu* 
grunde liegt. Hier erofinet sich auch fiir die spatere umfangreiche 
Forschung rioch ein reiches Betatigungsfeld. 

Jedoch der wesentlichste Archivbesitz eines Musikverlages besteht 

184 



in seinem Manuskript*Notenschatz. Durch umfangreiche Arbeiten im 
Sommer 1938 sind viele wertvolle Autographen ans Tageslicht ge* 
kommen. Mit Vorrang ist hier der NachlaB Otto Nicolais, des Mei* 
sters der Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" zu nennen. Eigent* 
lich ist nur dies eineWerk im BewuBtsein der Gegenwart geblieben. 
Wohl wyBte man von dem einen pder anderen Werk Nicolais, einiges 
war auch bekannt, der groBte Teii blieb aber verschollen. Heute aber 
konnen wir sagen, daB weitaus das meiste seines Scbaffens erhalten 
geblieben ist. Der Verlag kam in den Besitz dieser Manuskript* 
Material e durch Kauf von dem Vater Daniel Nicolai, der selbst 
Musiker und Komponist war, und aus dessen Feder auch einige Werke 
erhalten geblieben sind. 

Zu dem wertvollsten der nachgelassenen Werke gehort das „Tede* 
um", das Nicolai 1832, also im Alter von zweiundzwanzig Jahren 
komponiert und auch in der Berliner Singakademie uraufgefuhrt hat. 
Dieses „Tedeum" fur Soli, Chor und Orchester erklang nach seiner 
Wiederauffuhrung Weihnachten 1938 zum erstenmal nach hundert* 
undfiinf Jahren an der Statte seiner ersten Auffiihrung. AuBer den 
deutschen Sendern schlossen sich damals zehn Lander mit ihren Sen< 
der der Ubertragung an. Weiterhin sind erhalten geblieben die Parti* 
turen zu den italienischen Opern des Meisters „Enrico secondo", „I1 
Templario" und „I1 Proscritto". Von der letzteren existiert noch eine 
deutsche Fassung von der Hand Nicolais, die er fur die Wiener Erst« 
auffiihrung selbst fur die deutsche Buhne iibertragen hat. (Eine neuer* 
liche Bearbeitung von anderer Seite ist jetzt vollendet und wird in 
der PreuBischen Staatsoper zu Berlin herauskommen.) Neben diesen 
groBenWerken ist tins eine Reihe kleinerer Werke fur Orchester, 
Chor, Lieder mit {Clavier* und Instrumentalbegleitung in die Hande 
gefallen. Hier sind vor allem die in den letzten Jahren oft aufgefuhrte 
Weihnachts<Ouverture, das Orchesterwerk „PreuBens Stimme", die 
Motetten und manches gehaltvolle Lied erwahnenswert. Kurz vor 
seinem Tode schrieb Nicolai als letztesWerk den 31: Psalm „Herr, 
auf Dich trau ich". Es ist ein aussohnender Gedanke, daB wir nun* 
mehr auch diese letzte kompositorische Arbeit in der Handschrift des 
Meisters geborgen wissen. Hinter dem letzten Takt der Partitur steht : 
Berlin j Februar i849/Nicolai. Am 1.1. Mai des gleichen Jahres traf 
Otto Nicolai der todliche Gehirnschlag. Durch die Auffindung dieser 
Werke sind wir in der Lage, den Meister der „Lustigen Weiber" in 
vollkommenerer Weise zu beurteilen. Es wird unsere Aufgabe sein, 
wie bereits begonnen, das Lebenswerk des Meisters in seiner Gesamt* 
heit zu erforschen und der Welt zuganglich zu machen. 

185 



Von Conradin Kreutzer ist uns ein bisher unbekanntes Manuskript 
erhalten geblieben, die Oper „Konig Conradin", die in den Jahren 
1847-18JO entstanden ist, aber anscheinend nie zur Auffuhrung ge* 
langt ist. In einem Brief schreibt Kreutzer selbst iiber dieses sein 
letztes Werk: „Ich hoffe zu Gott, wir werden groBe Ehre und viele 
Freuden damit erleben, denn ich halte Konig Conradin fur meine 
gelungenste Arbeit." Ihm selbst ist es dennoch versagt geblieben, sein 
letztes Werk erklingen zu horen. Vielleicht erweckt die Nachwelt es 
noch einmal zurn Leben. 

Auch von Hector Berlioz isjt neben Briefen ein wertvolles Manu« 
skript im Hause. Hier bandelt es sich um den eigenhandigen Klavier* 
auszug der Oper „Benedict und Beatrice", die auch bei Bote £5 Bock 
erschienen ist. 

Allein von Friedrich v. Flotow fanden sich im Archiv des Hauses 
siebzehn bisher unbekannte Opernpartituren des Schopfers der be* 
riihmten „Martha" . Alle sind fein sauberlich vom Komponisten selbst 
geschrieben. Zu einer Wiedererweckung erschienen sie weniger ge* 
eignet, trotz mancher sehr gelungenen und feinsinnigen Einzelziige. - 
Der bekannte junge Komponist Boris Blacher hat aus den wertvollsten 
Ballettmusiken dieser Opern in sehr reizvoller Bearbeitung ein neues 
Ballett „Das Zauberbuch von Erzerum" zusammengestellt, das in der 
Spielzeit 1942/43 zum erstenmal im Staatstheater Stuttgart erklungen 
ist. Damit wird ein Teil unbekannter Flotowscher Melodien der 
OiFentlichkeit zuganglich gemacht. 

Daneben bewahrt das Archiv des Hauses wertvolle Handschriften 
von Eugen dAlbert, dessen Kompositionen zahlenmaBig sehr stark 
vertreten sind, von Mascagni, tlichard StrauB, Schillings, Pfitzner und 
Reger, um nur einige zu nennen. Von Reger existieren als Manuskript 
allerdings nur kleinere Werke wie Chore und Lieder, weil der Kom* 
ponist die Handschriften seiner groBeri Orchestervverke fiir sich be* 
anspruchte. 

Ist das Archiv des Hauses der Niederschlag der Tatigkeit eines 
vergangenen Jahrhunderts, bewahrt es die geleistete Arbeit in seinen 
Dokumenten, Briefen, Bildern und seiner standig wachsenden be* 
deutsamen Bibliothek fur kommende Zeiten und Geschlechter, so ist 
der Verlag trotz der gegenwartigen kriegsbedingten Einschrankungen 
weiterhin tatig und aktiv. Neue Werke erscheinen und umfangreiche 
Plane harren der Erfiillung nach siegreicher Beendigung des K.rieges. 



186 



AUS DEUTSCHEN M USI K VE RLAGS*A RCHIVEN II 
Wolfgang Schmieder 

Mo5ort-2)okumentc im ardjiu uon 
Breitkopf & Cartel 

Als sich im Jahre 1 800 das wenig erfreuliche Spiel urn den Haupt* 
anteil von Mozarts handschriftlichem NachlaB zugiinsten des Musik* 
verlegers Johann Anton Andr£ in Offenbach entschied, stand zu 
erwarten, daB mitdiesem kostbaren Besitz auch die Initiative in Mozart* 
Veroffentlichungen groBen Stils auf diesen Verlag iiberginge. Gleich* 
wohl waren es aber Breitkopf & Hartel, die - damals bereits ein fast 
hundert Jahre altes Unternehmen — unentwegt ihre „Oeuvres com; 
plettes de W. A. Mozart" weiter herausgaben und die dann ein Men* 
schenalter spater durch die groBe kritische Gesamtausgabe der Werke 
Mozarts die Mozart* Verleger des 19. Jahrhunderts wurden. Die 
Griinde hierfiir liegen tief. Sie sind zu einem erheblichen Teil sowohl 
in der genialen Verlegerpersonlichkeit Gottfried Christoph Hartels 
und in der verantwortungsbewuBten Verlagstatigkeit seiner Sohne als 
auch in der wirtschaftlichen Schlagkraftigkeit des angesehenen Hauses 
zu suchen. Es bediirfte aber eines eingehenden Studiums, alle die 
Krafte aufzuzeigen, die diesen Trotzdem»Erfolg ermoglichten, an dem 
auBerdem natiirlich auch die rasch anwachsende Verehrung fur Mo* 
zarts Werke wesentlichen Anteil hatte. Und dazu ist hier nicht der 
Ort. Hier soil diese Tatsache nur eine erste, das Folgende voraus* 
nehmende Erklarung dafiir sein, daB trotz des Mangels an groBeren 
Mozart*Autographen im BreitkopfGHartelschen Geschaftsarchivdoch 
von „Mozart*Dokumenten" berichtet werden kann. I a ;l 

Freilich handelt es sich nicht diirchweg um Stiicke, die einen groBen 
Handelswert haben. Diese erschopfen sich mit den beiden autographen 
Liedern fur dreistimmigen Chor und Orgelbegleitung K.V. 483 und 
484, die Mozarts Witwe 1799 an den Verlag schickte, mit den zahh 
reichen Briefen aus seinem Familienkreis, besonders mit denen Kon* 
stanzes 1 ) — auch von dem Vater Leopold und der Schwester Nannerl 
liegen Briefe vor - sowie mit einigen wertvollen Erstdrucken, z. B. der 
Partituren zum „Don Giovanni" und zum Requiem und mit einigen 

!) Sie korrespondierte auch noch als Staatsratin v. Nissen lebhaft mit dem Verlag. 
Die Existenz dieser so gezeichneten, bisher noch unbekannten und unveroffentlichten 
Briefe entdeckte der Schreiber dieser Zeilen wahrend seiner Tatigkeit als Archivar 
des Hauses Breitkopf & Hartel. 

187 



Bildern. Die Starke der Breitkopf & Hartelschen Mozart*Dokumente 
liegt auf einem anderen Gebiet. Und es soil mit Nachdruck darauf 
hingewiesen werden, daB ein betrachtlicher Teil dieser Stiicke libera 
haupt nur in einem. Musikverlagsarchiv angetrofFen werden kann. 
Briefe, Musikmanuskripte, Bilder, Erstausgaben und Programme birgt - 
jede, die kleinste wie die groBte'Sammelstelle, sei es eine Bibliothek, 
eine Gesellschaft, ein Forschungsinstitut oder eine Gedachtnisstatte. 
Wo aber fanden sich beispielsweise Biicher, die iiber die Entstehungs* 
gescbichte von Erst* oder Friihdrucken wichtige Auskunft erteilen, die 
das Datum der Fertigstellung auf den Tag genau angeben, die iiber 
den oder die ungenannten Kiinstler der Titelkupfer AufschluB ge« 
wahren, die den Verdeutscher eines italienischen Textes festhalten, die 
den Verfasser eines Klavierauszuges nennen, oder die auf die Frage 
nach der Provenienz einer handschriftlichen Vorlage zu antworten 
vermogen? Oder wo ware ein Museum oder eine Bibliothek, die an 
Hand einer Fiille von gedruckten Verlegerzirkularen mit privaten und 
geschaftlichen Benachrichtigungen Erscheinungsdaten von Erstaus* 
gaben feststellen korinten? Und woran lieBe sich die Wertschatzung 
eines Meisters deutlicher ablesen als an Auf lageziffern oder an eigens 
fiir seine Werke angelegten Bestellbiichern? 

Da es den Rahmen der vorliegenden Betrachtung sprengen wiirde, 
alle derartigen Mozart'Dokumente einzeln aufzufiihren, sollen im 
folgenden nur einige Kostproben gegeben- werden. Die Grundlagen 
fiir eine exakte Erfassung aller Mozart*Materialien des Archivs waren 
auBerdem. trotz aller Vorarbeiten erst noch an Ort und Stelle zu 
schafFen. - Das Archiv birgt eine Reihe von Folianten, die die Bezeich* 
nung „Typographische Druckbiicher" und „Musikdruckbiicher" tra*- 
gen. In diesen ist die Herstellungsgeschichte jedes Werkes bis ins Ein* 
zelne festgehalten. Wer also heute beispielsweise das erste Heft aus der 
erwahnten Reihe der „Oeuvres complettes" in die Hande bekommt, 
findet unter Nr. i jj des betreffenden Bandes, daB es im „Marz 1798" 
fertig wurde, daB fiir Zeichnung der Titelvignette an Schnorr 1 ) 
1 o Reichstaler und fiir den „Stich derselben an Bohm" 2 ) 40 Reichstaler 
aufgewendet wurden. Ferner findet er meistens in diesen Biichern die 
Auf lagenhohe der Erstausgabe, die Nachdrucke, den Namen des Kor> 
rektors und das ihm gezahlte Honorar sowie den Namen und die 
Forderung desjenigen, der die Vorlage fiir den Heftinhalt lieferte. 

- 1 )' Hans Friedrich Veit Schnorr v. Carolsfeld (1764— 1841), Akademiedirektor in 
Leipzig, Vater des Malers Julius und GroBvater des'ersten Tristansangers Ludwig. 

2 ) Wenzl Bohme C1769 — 1823), Kupferstecher aus Wien, seit 1797 in Leipzig seB< 
haft; daselbst Mitglied der Akademie der Kunste. 

188 






Wie wichtig derartige Notizen sein konnen, laBt sich z.B. auch an. 
einem undatierten, verhaltnismaBig friihen Klavierauszug zu „Figaros 
Hochzeit" erweisen. Hier teilt das Druckbuch nicht nur mit, daB der 
Druck am 13. Februar 1797 beendet war, sondern es verrat auch den 
im Titel und sonst nirgendwo genannten Verfasser des Klavieraus« 
zuges Siegfried Schmiedt 1 ) . 

DaB sich die Korrespondenz eines Musikverlagshauses wesentlich 
von Briefsammlungen in Museen oder Bibliotheken unterscheidet, liegt 
auf der Hand. Das Archiv von Breitkopf £5 Hartel besitzt von Mozart 
selbst keine Briefe. Von denen aus seinem Familienkreis war bereits 
die Rede. Urn so stattlicher ist aber die Zahl solcher Briefe, die auf 
Mozarts Werke Bezug nehmen. Gottfried Christoph Hartel war durch 
den Handschriftenverkauf der Witwe gehalten, sich — kostees was es 
wolle - Kopien von Mozarts Werken zu verschaffen. Und da er durch 
seine weitverzweigten Geschaftsverbindungen, besonders aber auch 
iiber die Mitarbeiter an der neugegriindeten „Allgemeinen Musikali* 
schen Zeitung" (1798 ft".) iiberall hin Beziehungen hatte, fiel ihm das 
• nicht allzu schwer. Eine wahre Fundgrube bieten z. B. die noch durch? 
aus nicht voll ausgewerteten Briefe des Mozart*Biographen Franz 
Xaver Niemetschek, der mit Mozart personlich bekannt war, der von 
Prag aus fleiBig Ausschau hielt nach Mozartschen Werken und der 
auch wichtige Angaben iiber unechte und unvollstandige Werke 
machte. So steckte er sich hinter den dortigen Flotisten Leitl, dessen 
Sammlung Mozartscher Blasermusik ihm bekannt war, und veranlaBte 
ihn, zahlreiche Kopien fur Breitkopf & Hartel anzufertigen 2 ), oder er 
stellte bereits 1799 fest, daB die unter Mozarts Namen verofFentlichte 
c;molbKlaviersonate (K.V. Anh. 284 a) nicht von Mozart, sondern von 
Anton Eberl sei 3 ), oder er teilte am 26. Juni 1799 mit, daB das Lied 
„VergiB mein nicht" (K.V. Anh. 246), das gleichfalls unter Mozarts 
Namen „heraus" sei, nicht von diesem, sondern von Jacquin*) stamme, 
oder er iiberschickte am 20. Februar 1801 unbekannte Secco'-Rezitative 

1) In die 3. Auflage des KochebVerzeichnisses (1937) ging schon einesehr betfachb 
liche Anzahl derartiger Angaben fiber, aber es bleibt fur weitere Forschungen nocb 
viel zu tun iibrig. Die daselbst S. 62$ stehende Notiz fiber obigen Klavierauszug ist 
auch bereits iiberholt, da sich ein Exemplar des seltenen Druches im Archiv von Breit* 
kopf & Hartel befindet.. 

2) Vgl. K.V. i 9 6c-£ 

3 ) Nach ihm war es erstGerber, der in der 2. Auflage seines Lexikons i8i2ff. dar< 
auf aufmerksam machte. 

4 ) Vermutlich Emil Gottfried Edler v. Jacquin, ein um die Jahrhundertwende wohl 
in Wien wirkender Komponist. Moglicherweise handelt es sich hier um die K.V., 
y Auflage, S. 883 W. Ehlers zugeschriebene Komposition. . 

189 



zu „Don Giovanni", deren Bedeutung erst unlangst durch einen Fund 
in der Bibliothek des Istituto musicale in Florenz ins rechte Licht 
geriickt werden konnte 1 }. Die Bedeutung derartiger „Geschaftsbriefe" 
fur die Forschung ist gar nicht abzuschatzen. DaB sie durch die in 
Form von Briefkopierbiichem erhaltenen Antwortbriefe der Firma 
noch an Wert gewinnen, braucht nicht besonders betont zu werden. 

Daneben stehen die bereits kurz erwahnten Verlegerzirkulare. Hier 
sind es namentlich ihre teils geschriebenen, teils gedruckten New 
erscheinungslisten, die oft den einzigen Anhalt bieten fiir die Da* 
tierung von Erstausgaben. Im Falle Mozart sind die von Johann Anton 
Andre und Artaria wohl die ergiebigsten; und es darf verraten werden, 
daB zwar fiir die 3 . Auf lage des tCochel bereits ganze Listen voll Aus* 
ziigen aus solchen Zirkularen hergestellt und entsprechend verwertet 
worden sind, daB aber eine voile Ausbeute auch auf diesem Gebiet 
durchaus noch nicht erreicht ist. Bedeutsam fiir die Feststellung der 
termini post und ante quern sind auch oft die datierten Mitteilungen 
von Veranderungen in der Firma, die ihren Niederschlag auch auf den 
Titeln in den Notenheften finden, oder von der Griindung eines Ver* 
lages. 

AbschlieBend sei neben dem Hinwgis auf das wichtige, der Mozart* 
Forschung nicht unbekannte alte handschriftliche thematische Ver* 
zeichnis, dessen Herkunft — es diirfte aus der Zeit urn 1800 stammen — 
noch festzustellen ist, von etnem Geschaftsbuch ganz besonderer Art 
die Rede. Es tragt die Aufschrift „Unmittelbare Pranumeranten auf 
Mozarts Werke" und enthalt die Namen aller derer, die im Jahrzehnt 
nach Mozarts Tode Abonnenten der „Oeuvres complettes de W. A. 
Mozart" wurden. Das Buch ist in mehrfacher Hinsicht interessant und 
lehrreich. Einmal, weil es eine Reihe von Namen enthalt, die fiir Mo« 
zarts Leben oder Werk von Bedeutung sind, sodann aber vor allem 
auch, weil es das Inkognito der Masse der begeisterten Mozart* Ver* 
ehrer bald nach Mozarts Tode liiften hilft. Gibt es nicht zu denken, 
daB sich unter den Abonnenten ein „Feueressenkehrer" und ein „Hof* 
mechanikus" und ein „Medailleur" befinden, daB also die Musik* 
begeisterung auch in Standen angetroffen wird, von denen man eine 
solche nicht unbedingt erwartet hatte? 

Es wiirde zu weit fuhren, hier dasBuch eingehender zu betrachten 2 ), 
aber ein kurzer Blick auf die bekanntesten Personlichkeiten uriter den 
„Pranumeranten" sei immerhin geworfen - im Vertrauen auf den 

i) Vgl. „Music and Letters", Vol. XIX, Nr. 4, Oktober 1938. 
2 ) Eine bereits abgeschlossene ausfuhriiche Abhandlung uber dieses Buch harrt 
noch der Veroffentlichung. 

190 ■ 



Reiz, den es wohl allenthalben ausiibt, diejenigen gewissermaBen von 
Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, die ihrer Mozart* Ver* 
ehrung durch die Bestellung seiner gesammelten Werke Ausdruck ge< 
geberi haben. Constanze Mozart und Nannerl erhielten je ein Frei* 
exemplar. Dieselbe Ehre ward auch Joseph Haydn zuteil. Aus der 
Reihe der Besteller seien genannt: Carl Ludwig Fischer, der erste „Os« 
min" bei der Urauffuhrung der „Entfiihrung" (1786), Franz Anton 
Maurer, ein sehr beriihmter „Sarastro" anSchikaneders Theater, Carl 
Gottlieb Berger, jener Leipziger Geiger, dem Mozart bei seinem Auf* 
enthalt in Leipzig auf seiner Stube vorgespielt haben soil, der bereits 
erwahnte Flotist Leitl aus Prag, ferner natiirlich auch Niemetschek. 
Selbstverstandlich fehlen weder der Herr Hofrat Rochlitz, der blumige 
und phantasievolle Berichterstatter iiber Mozarts Leipziger Aufenthalt, 
noch die Thomaskantoren August Eberhard Miiller - dieser lebhaft 
beteiligt an der Entstehung der „Oeuvres" — und Johann Gottfried 
Schicht. Auch daB Himmel, Zumsteeg und der Kirnberger^Schiiler 
Schwencke unter den Bestellern vertreten sind, ist gewiB nicht uw 
interessant. Aus der Reihe beriihmter Nichtmusiker seien genannt: 
Der bereits erwahnte Maler Veit Schnorr v. Carolsfeld, die Dichter 
Christian Felix WeiBe und Johann Timotheus Hermes, der Schrifb 
steller Friedrich Nicolai und der Herr „Appellationsrat" Korner in 
Dresden, der Vater Theodor Korners; DaB die Werke Mozarts auch 
an den Weimarer Hof gingen, bezeugt die Pranumeration von Johann 
Friedrich Kranz, dem „FConzertmeister in Weimar", der sein Exemplar 
ausdriicklich fiir die Herzogin Anna Amalia bestellte. 

Mit dieser kleinen Namenauslese aus dem alten Abonnentenver* 
zeichnis sei die Betrachtung der Mozart*Dokumente des Breitkopf 
£5 Hartelschen Geschaftsarchivs beschlossen. Erschopfend behandelt 
ist damit das Mozart^Material desArchivs, wie betont, nicht im gering^ 
sten. Aber der Sinn dieser Zeilen war ja nicht, eine verzeichnismaBige 
Quellehbeschreibung zu geben, sondern auf den Wert und die beson* 
dere Art der Mozart*Materialien des altesten deutschen Musikverlags* 
archivs aufmerksam zu machen und den Blick der Wissenschaft auf 
neue oder bisher noch nicht voll ausgenutzte Ansatzmoglichkeiten fiir 
die Mozart*Forschung zu richten. 



191 



AUS DEUTSCHEN M U SI K VE RLAG S; ARCH1 VEN III 

Erwin Kroll 

Mm Her ©efdjidjte Ues Mufikuerlagca "Robert Kienau 



Als altesten Berliner Musikverlag diirfen wir den von Robert 
Lienau ansprechen. Denn er ist aus der schon 179/ bestehenden, 
Adolph Martin Schlesinger gehorenden Buch* und Musikhandlung 
hervorgegangen, die Lienau 1864 von den Erben des 1838 ver* 
storbenen (nichtarischen) ersten Besitzers kaufte. Kein Geringerer als 
Karl Maria von Weber sang 1812 in Cottas Morgenblatt das Lob 
dieses rascb auf bltihenden Unternehmens, obne sich iibrigens als Ver* 
fasser zu bekennen, und wies dabei auf eigene Werke hin,die er die* 
sem Verlage anvertraut hatte. So erschien damals der Klavierauszug 
der „Silvana", und nach und nacb folgten weitere, rasch bekannt 
werdende Werke des Komponisten, darunter die Lieder nach Korners 
„Leier und Schwert", die „Aufforderung zum Tanz", der „Frei* 
schiitz". Nicht immer war Weber mit dem Geschaftsgebaren des ihmi 
sonst freundschaftlich verbundenen Verlegers einverstanden. So 
wandte er sicb einmal gegen dessen unerlaubte Arrangements der 
„Freischutz"*Musik und hielt mit seinem Unwillen nicbt zuriick, als 
im September 1822 „Euryanthe" nicht angenommen wurde. Seitdem 
war es aucb mit dem freundschaftlichen Verkehr zwischen Komponist 
und Verleger vorbei. Docb hat der Verlag nach Webers Tode noch 
den „Oberon" veroffentlichen diirfen und von der Witwe den ge* 
samten NachlaB des Komponisten erworben, dessen Werke er nun< 
mehr in vielen sorgfaltigen Ausgaben weithin verbreitete. Daneben 
waren es unter ahderem Schopfungen von Spohr, Hummel und 
Liszt, deren er sich annahm. Auch Berlioz' bekannte Instrument 
tationslehre erschien bei ihm, und seine Erben kauften den NachlaB 
von Chopin und Werke von Cornelius. 

Zu diesen Schatzen erwarb Lienau, der iibrigens nach dem Kauf 
des Verlages in einem verstaubten Paket auch die erste gedruckte, von 
Zelter herausgegebene Partitur der Bachschen Matthaus^Passion ge* 
funden hatte, im Jahre 1 87 j die reichen Bestande des Wiener Verlags* 
hauses Tobias Haslinger, das zunachst Steiner geleitet hatte; und damit 
kommeh wir auf Beethoven. Schon Schlesinger war 1819 mit diesem 
Meister durch einen seiner Sonne in Verbindung getreten und hatte 

192 



die „Schottischen Lieder", ferner die letzten Klaviersonaten und Quar< 
tette erhalten. Auch Beethovens allbekannter Marsch fur das Yorck* 
sche Korps erschien in einer Sammlung des Verlages. Dieser Besitz . 
vermehrte sich nun um den Haslingerschen. Es waren von der Klavier? 
sonate op. 90 an zahlreiche Werke des Meisters, darunter die 7. und 
8. Symphonie. Man weiB, wie burschikos Beethoven mit dem Verlage 
verkehrte. Bezeichnete er sich in seinen Briefen als Generalissimus, so 
gait Steiner als Generalleutnant oder Gbergeneral, Haslinger als dessen 
Adjutant, und Diabelli, der Korrektor Steiners, als GroB* oder General? 
profoB. Robert Lienau hat diese Briefe nebst anderen Beethoven*Er* 
innerungen in seinem Archiv getreulich behiitet. Sein Sohn Robert, 
der den Verlag 1 9 1 o zusammen mit seinem Bruders Wilhelm iibernahm 
und heute Alleinleiter ist, veranlaBte eine Herausgabe durch Max 
Unger, der mit philologischer Sorgfalt auch iiber den Verbleib der 
Manuskripte berichtete 1 . Mit den Beethovensehen Werken erwarb 
Lienau vom Haslingerschen Verlage unter anderem die Spohrsche 
Violinschule, zahlreiche Kompositionen von Czerny und die ersten 
300 Schppfungen des Walzerkonigs Johann StrauB. 

Auch mit Franz Liszt bestand ein reger verlegerischer Verkehr. 
Die meisten Ungarischen Rhapsodien, die Ubertragungen der Lieder 
Chopins, spater (von Haslinger ubernommen) das Es^dur^Klavierkon; 
zert, die Transkriptionen Schubertscher Musik — das sind nur einige 
von den Werken Liszts, fur die Lienau eintrat. Lowes „Uhr" er* 
warb Schlesinger i8jj, ohne im geringsten zu ahnen, daB er damit ein 
Vermogen verdienen'wiirde. Fiir Lowes Balladen hat sich dann Lienau 
mit groBem Erfolg eingesetzt. Im iibrigen waren es neue Klassiker? 
ausgaben, die den Ruf seines Verlages verbreiteten. Auch Beziehungen 
zu neuen Meistern, z. B. zu Dvorak, wurden angekniipft, und wenn 
Robert Lienau d. J. Werke von Sibelius, darunter dasViolinkonzert, 
und Bruckner s dritte und achte Symphonie sowie sein Te Deum 
erwarb, so tat er es aus einer Berufsgesinnung heraus, die nach seinen 
im Nachwort des vorhin erwahnten Briefwechsels niedergelegten Wor* 
ten darin zum Ausdruck kam, „daB das Zusammenwirken dieser 
Manner sich nicht auf das rein Geschaftliche beschrankte, sondern 
daB die Verleger als Freunde und Berater im Bannkreis des Genius, 
von hohem Idealismus und echtem Kunstsinn erfiillt, der Verbreitung 
seiner Meisterwerke sich aufopfernd hingaben und dadurch der Kunst 
wichtige Dienste leisteten". 

1 Max Unger, Ludwig van Beethoven und seine Verleger S. A. Steiner und Tobias 
Haslinger in Wien, Ad. Mart. Schlesinger in Berlin. Ihr Verkehr und Briefwechsel. 
Berlin 1921. 

I} > 193 



Befptedjungen 



fScrmann Weuttera £>per „£tig|TtU8" 

Hermann Reutter, der zweiundvierzigjahrige Leiter der Musikhoch' 
schule in Frankfurt a. M,, ist fur die Musikwelt seit langem ein Begriff. 
Mit Kammermusik, Chor* und Biihnenwerken („Der groBe Kalender", 
„Dr. Johannes Faust") hat er sich als ein fortschrittlicher, eigene Wege 
suchender Komponist bekannt gemacht. Mit seinem „Odysseus" ver* 
sucht er sich zum erstenmal an der ernsten Oper groBen Stils. Die 
Wahl des homerischen Stoffes verrat seinen Instinkt fiir die Bedingt* 
heiten der Musikbiihne. Ist doch der Mythos mit seinen iiberwirk' 
lichen und sifmbildhaften Gestalten und Begebenheiten seit jeher die 
gegebene StofFwelt for die irreale Kunstform des gesungenen Dramas. 
Rudolf Bach hat in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten ein 
zwar reichlich breit angelegtes, aber dichterisch wertvolles Textbuch 
geschrieben. In neun Bildern werden einzelne Stationen der Irrfahrt 
des Odysseus bis zu seiner endlichen Heimkehr nach Ithaka dargestellt. 
Die Art dieser Darstellung ist mehr episch als dramatisch. Ihre Be; 
sonderheit ist die Verwendung eines Chores, der nicht handelnd auf> 
tritt, sondern in zwei Reihen frontal zum Zuschauer unterhalb der 
Rampe im Orchester sitzt. Die Rolle dieses Chores, der Elemente des 
Oratoriums in die Oper hineintragt, ist nicht eindeutig. Einerseits er* 
zahlt er, was zwischen den einzelnen Szenen geschieht, andererseits 
mischt er sich aber auch in die Handlung ein und erteilt den Personen 
auf der Biihne Ratschlage und Ermahnungen. SchlieBlich gebardet er 
sich auch als Moralist, der die Vorgange betrachtet und deutet. „Ewig 
ist dessen Gedachtnis, der das Verhangte besteht" verkiindet er im 
Hinblick auf den Helden. Damit schlieBen sich Rudolf Bach und 
Reutter den heute beliebten lehrhaften Tendenzen der Gegenwarts* 
oper an, die gern ein heldisches Leben beispielhaft vor dem Horer 
aufrollt. (Egks „Columbus" und Borcks „Napoleon" erstreben Ahn« 
liches.) 

Die episch^oratorische Fassung des Textes entspricht der Eigenart 
von Reutters Tonsprache. Sie schildert rnehr als daB sie entwickelt 
und vorwarts treibt. Sie schaiFt in einzelnen Bildern (Insel der Circe - 
Beschworung der Schatten in der Unterwelt - Abschied von Nausikaa) 

194 



; 



eine suggestive Klangatmosphare und erhebt sich streckenweise zu 
einer bemerkenswerten Kraft der musikalischen Charakterisierung. 
Dabei ist das rhythmische und koloristische Element im allgemeinen 
starker als der melodische Einfall, obgleich Reutter zweifellos sehr 
sangbar schreibt und das Orchester dem Sanger unterordnet. Als 
formbildendes Element benutzt er gern ostinate Rhythmen und Fi* 
guren. Sie fassen die ariosen und liedhaften Gebilde zusammen, die 
sich innerhalb der durchkomponierten Szenen abzeichnen. Der stark 
beteiligte Chor ist — wohl in der Absicht auf lapidare Wirkung — 
meist sehr einfach behandelt, dabei aber in der Ausdrucksgebarde 
gliicklich stilisiert.' 

Als ein anregender, ernster und selbstandiger Beitrag zur Oper. 
unserer Zeit errang das Werk bei seiner Urauffuhrung in Frankfurt 
einen unbestrittenen Erfolg. Gertrud Runge 



6einrid) Sutermeiftcrs ^auberinfel" 

Die zweiaktige Oper „Die Zauberinsel" von Heinrich Sutermeister 
stellt das vorlaufige SchluBglied einer langen Reihe, von Vertonungen 
dar, die Shakespeares „Sturm" galten. Es sei nur an den „Tempest" 
von John Christopher Smith (17J6), an die Biihnenmusiken eines 
Purcell und Robert Johnson, an die mannigfachen Kompositionen des 
deutschen 18. Jahrhunderts - „Die Geisterinsel" von Rolle, Aspeb 
mayer, Peter v. Winter, Reichardt, Zumsteeg, Wenzel Miiller — und 
der neueren Zeit - Urspruchs „Sturm">Oper, Ouvertiiren und Ton? 
dichtungen von Rietz, Vierling, RaiF — , sowie einschlagige Werke von 
Berlioz, Tschaikowsky u. a. erinnert. In unseren Tagen hat sich auch 
der Italiener Afturo Rossato des StoiFes bemachtigt. Ohne der Gefahr 
zu achten, die in dem Sprichwort „Wer davon iBt, stirbt daran" liegen 
konnte, hat auch Sutermeister nach Shakespeares Alterslverk gegriiFen, 
ermutigt durch das einzige Beispiel einer erfolgreichen musikdrama* 
tischen ShakespeareJSJachfolge, wie es Verdi in dreifacher Abwand* 
lung, aber doch imrrier auf den Blutgesetzen seines Opernideals fuBend, 
gegeben hat. Sutermeisters Erfolg als Vertoner \on „Romeo und 
Julia" bestatigt ja auch bisher das Recht seines Vorgehens als Libret* 
tist und Komponist. 

Als sein eigener Buchverfasser schopft Sutermeister wie in seiner 
ersten Shakespeare^Oper auch diesmal wieder nicht nur aus der Quelle 
Schlegels, sondern auch aus anderen literaturgeschichtlichen Ubew 
lieferungen, aus der deutschen Barockdichtung, aus alten deutschen 
Opernlibretti usw. Sein dramaturgisches Verfahren beruht auf kluger 

195 



wissenschaftlicherEinsicbt und kiinstlerischer Kombinationsgabe. Alles 
ist von einem sicheren und guten Geschmack (iberwacbt. Auch ein 
eigenes dichterisches Vermogen sorgt fur Findung und Herausarbei* 
tung des im Opernsinne Wirksamen und Plastischen. Das Finale — 
einsetzend, nacbdem Prospero mit Hilfe Ariels sein Erziehungswerk 
an Mensch und Kreatur vollendet und den freundlicben Luftgeist 
entlassen bat - geht in breiter Kantatenform in einen Preis der Men* 
schenliebe iiber. 

Die musikalischen Stilelemente sind eine einpragsame, beinabe 
allzu sinnfallige Melodik und eine iiberaus effektvolle Instrumentation 
von oft Berliozscher Farbigkeit und SiiBe. Dem StoIF entsprechend 
tritt der Cbor beberrschend in Erscheinung, und zwar wesentlich als 
Trager magischer, hintergriindiger Stimmungen, die der Biihne ge* 
wissermaBen die seeliscben Bezirke des Traumes erobern wollen. Die 
geistige Stellung der neuen Oper scheint durch die nationale Herkunft 
des Komponisten abgegrenzt: Sutermeister ist Schweizer und stebt dem 
Willen der jiingsten deutschen Generation ebenso priifend und ab* 
wagend nahe wie den alteren Idealen der Franzosen und dem beson* 
ders heiB umworbenen Vorbild Verdis. Die symphoniscb*musikdrama* 
tiscbe Linie der WagnenNachfolge wird bewuBt vermieden zugunsten 
einer Renaissance der Nummernoper mit Arien, Duetten, Ensembles 
aller Art sowie verbindenden rezitativischen Partien von auBerordent* 
licber Plastik und Ausdruckskraft. In den komischen Szenen (Caliban, 
Trunkenbolde) dient die chansonmaBige, kabarettistiscb zugespitzte 
Form* und Farbgebung dem dramatische'n Ziel, soweit diese Partien 
nicbt iiberhaupt gesprochen werden. Im ganzen stellt sich das' Werk 
als buntscheckiges kiinstlerisches Gebilde von groBtem Einfallsreich* 
turn im einzelnen und von einer gewissen eklektizistischen, ribch nach 
einem festen personlichen Standpunkt suchenden Gesamthaltung dar. 
AuBerordentliche, geradezu suggestiv werbende Kraft lag in der Wie* 
dergabe der „Zauberinsel" an der Dresdner Staatsoper unter Dr. Karl 
Bohms Leitung. Dr. Hans Schnoor 

Joljann Wepomuk Sanitis Srittc S|[mpljonie (Cfferk 28) 

Es mag befremden, daB eine neue symphonische Form au.s Stib 
bezirken aufwachst, die der klassischen Kultur der Sonate sehr fern* 
liegen. In Johann Nepomuk Davids Orgel* und Chorschaffen treffen 
sich Einfliisse aus der niederlandischen Renaissance und dem deut* 
schen Friihbarock; kaum ein anderer verkorpert so entschieden wie 
er den polypbonen Geist der neuen Musik. Aber mag einmal diese 



196 



Distanz von den Formbegriffen des 19. Jahrhunderts ihn vor dem 
Schicksal des Epigonentums bewahren, dem die meisten nachbeethoven* 
schen Erneuerer der symphonischen Form verfieleh, so kommt doch 
wiederum ein Verbindendes dazu : seine nahe geistige und blutmaBige 
Beziehung zu Bruckner als demjenigen unter den groBen Symphoni* 
kern, der in seinen Urspriingen und Auswirkungen iiber das 19. Jahr* 
hundert hinausgreift, dessen Werk wie eine weitgespannte Briicke von 
Bach bis zur Gegenwart die polypbone Kraft der Musik iiber das Jahr* 
hundert derSonatehinwegtragt. Diese polyphone Kraft wird for Davids 
Symphonik vollends bestimmend. Zwar bleibt die Folge der vier cha> 
rakteristischen Satztypen for sie verbindlich. Innerhalb der Satze aber 
herrscht nicht so sehr das Nacheinander der monodischen Form mit 
der Gegenuberstellung dramatisch zugespitzter Kontraste, als vieb 
mehr das Zugleich des polyphonen Prinzips mit seiner einheitlichen 
linearen Spannung. 

Der erste Satz der dritten, in Odur stehenden Symphonie baut sich 
auf aus drei Themengruppen. Auf das langausgesponnene, von einer 
flieBenden Begleitungsfigur getragene Hauptthema der Violinen folgt 
eine Oberleitungsgruppe des ganzen, bis zu Hornern, Trompeten und 
Pauken besetzten Orchesters; das dritte, lyrische Thema der Fagotte 
und Oboen erhebt sich nach Umfang und Gewicht nicht zur Bedeutung 
eines gleichwertigen Seitenthemas, sondern scheint mehr der Bruckner* 
schen SchluBgruppe zu entsprechen, so daB die dualistische Spannung 
der Sonatenform nicht zustandekommt. Fast unmerklich setzt die 
Durchfohrung ein, die in dreimaligem Ansatz die Moglichkeiten des 
Hauptthemas zu polyphoner Verarbeitung ausnutzt und in die breiter 
und kontrapunktisch reicher ausgefiihrte Reprise zuriickleitet. Im 
Adagio steht dem schlichten, ganz orgelmaBig empfundenen Haupt* 
gedanken, der in viermaligem kanonischen Einsatz in der Unterquarte 
ein weites harmonisches Feld umgreift, ein akkordischer Seitensatz von 
Brucknerscher Klangtiefe entgegen, der sich im Verlauf mit dem 
Hauptthema verbindet : Barock und Romantik sind verschmolzeh. Das 
Scherzo mit dem gesangvollen Trio kommt der romantischen Form 
am nachsten. Das Finale faBt das thematische Material aller Satze zw 
sammen. Vor der kontrapunktischen Verdichtung des Schlusses kommt 
es zu einem uberraschenden Moment der Beruhigung: iiber dem 
Grundton der Dominante tiirmt sich im Pianissimo solistischer Strei* 
cher und Blaser ein Klanggebaude von zwolf aufeinandergeschichteten 
Quarten - ein Ausschwingen nach der Seite des Harmonisch«Koloristi* 
schen, das hier zum einzigen Male den FluB der linearen Energie 
unterbricht. 

197 



Die Bedeutung der Davidschen Symphonien beruht, wenigstens fur 
den gegenwartigen Betrachter, nicht so sehr in der Besonderheit ihrer 
individuellen Gestaltiing - ihre Ahnlichkeit untereinander gehort zu 
ihren wesentlichen Merkmalen - als vielmehr darin, daB sie gerade 
durch die Stetigkeit der Wiederholung einen neuen Typus aufstellen, in 
dem sich die flieBenden Formkrafte der Zeit zu endgultiger Gestalt zu 
festigen scheinen. Sie bauen auf dem erweiterten Tonalitatsbegriff, der 
das klare, aber enge System des Rationalismus, das System Rameaus, 
aus dem schon die Romantik herausdrangte, heute abgelost hat. Fiir 
die feste Endlichkeit der klassischen Architektonik stent die irrationale 
Weite des neuen Musikgefiihls, die von den Willenskraften der melo* 
discben Linie, den urspriinglichen Kraften des polypbonen deutschen 
Musikgeistes, bewegt wird. In Davids Symphonien scheint — und das 
ist das Entscheidende - das chaotische Element, das der groBen Musik 
der Gegenwart seit dem.- Zerfall der alten Ordnungen innewohnt, 
durch die formende Kraft eines iiberlegenen Weltgefiihls gebandigt. 
In ihnen kli.ngt die dunkle Unrast und das unerbittliche Schicksal, 
das liber unserer Zeit steht. Aber starker ist der Glaube, der liber dem 
aufgewiihlten Grunde der Zeit das feste Gebaude der kiinstlerischen 
Form errichtet, Biirgschaft einer neuen Sicherheit und Vollendung, der 
unsere Kunst entgegenwachst. Werner Oehlmann 



jpoul (Sroencra „Wkntt Sptpbonte" (Wtxk no) 

Am 2 j. November 1941 brachte Hans Knappertsbusch mit den 
Berliner Philharmonikern ein neues Instrumentalwerk Paul Graeners 
zur UraufTiihrung, das sich „Wiener Symphonie" benannte. Diese 
Bezeichnung wahlte der Komponist, eigener Aussage zufplge, in ehr« 
fiirchtiger Erinnerung an die GroBtaten symphonischen SchafFens, die 
in Wien durch dortige Meister von Haydn bis Bruckner verwirklicht 
wurden, Ausgepragt „Wienerisches" etwa im Sinne tanzerischer Froh* 
lichkeit soil- in dem Werk nicht aufklingen, ebensowenig freilich ge> 
wollte Nachbildung des Stiles der Wiener Symphoniekomponisten. 
Eine solche tritt hochstens insofern in Erseheinung, als ja jede frucht* 
bare Entwicklung der Symphonie in den von jenen GroBen gewiesenen 
Bahnen fortzuschreiten hat. 

Die drei Satze des auf Scherzo oder Menuett verzichtenden Werkes 
bieten anmutvoll besinnliche Musik halb klassizistischer, halb romantic 
scher Pragung. Musikalisches Neubarock wird nur ganz episodenhaft 
spiirbar. Meisterliche Formung 1st gleich dem ersten F*dur*Allegro 
eigen, trotz seines iiberquellenden Themenreichtums und der gedank* 

198 



lich kiihn ausschweifenden Durchfuhrung. Auch das beschwingte 
Odur*Finale wei8 seinem abwechslungsvollen Bilderreichtum archi; 
tektonische Geschlossenheit zu geben. Stimmurigsvoll klingt es mit 
einem besinnlichen Andahte*Epilog aus. Der eigentliche langsame 
Satz, ein schwarmerisches B*dur*Larghetto, dem eine kurze gesangvolle 
AndantesEinleiturig vorangestellt ist, gewinnt durcb ein kraftvolles 
Gegenthema ein fast dramatisches Geprage. Durcb feine Klangkultur 
ist bei mittlerer Orchesterbesetzung dieses reicbe tbematische Ge> 
scheben der Symphonie noch besonders eindringlich gemacht. So darf 
man hoiFen, daB dasWerk dauerndHeimatrecht in unseren Konzertsalen 
gewinnt. Eugen Scbmitz 

JF ricHriri) 6et3f clU : O/illjcltn f urtujfinglcr, Wt$ unH BJefen 

Zum ersten Male wird hier der Lebensweg und die kiinstlerische 
Personlichkeit Wilhelm Furtwanglers, des unbestritten groBten Diri* 
genten unserer Tage, einer eingehenden Betrachtung und Wiirdigung 
unterzogen. Mit glanzender Darstellungsgabe und Verarbeitung eines 
iiberreichen Materials wird der Weg des Blutes aufgezeigt, der durch 
Vereinigung der vaterlichen Abnen aus dem Scbwarzwald und der 
kiinstlerisch gerichteten miitterlichen Vorfabren sowohl die Natur* 
verbundenheit wie die geniale musikalische Veranlagung Furtwanglers 
erklart. Die Lehr; und Wanderjahre in Miinchen, Breslau, Zurich, 
StraBburg, der unerhort glanzende Aufstieg zur hochsten Meister* 
scbaft iiber Liibeck, Mannheim, Frankfurt, Leipzig, mancherlei Krisen 
und Kampfe, das alles wird mit lebendiger Sachlichkeit dargestellt bis 
zur Gegenwart, wo Furtwangler als markanteste Erscheinung des heu* 
tigen deutschen Musiklebens an der Spitze der Berliner Philharmonic 
ker seinen Ruhm in.alleWelt ausstrahlen laBt. 

Der zweite' Teil fuhrt in die geistige Werkstatt des Dirigenten. Hier 
gibt der Verfasser scharfsinnige und grtindsatzliche Ausfiihrungen 
iiber das Wesen der Dirigierkunst und im besonderen iiber Furt* 
wanglers Orchestertechnik und suggestive Nachgestaltungskraft. Viel 
Anregung bieten auch die Kapitel iiber die Stellung des groBen Diri* 
genten zu den GroBmeistern, zur Gegenwartsmusik, seine Bedeutung 
als Komponist, Schriftsteller, die geistvolle Gegeniiberstellung der 
„ GroBen Drei" (Hans von Bulow - Arthur Nikisch - Wilhelrh Furt* 
wangler) und die Ausfiihrungen iiber die menschliche und kiinst; 
lerische Vielseitigkeit Furtwanglers. Keiner, der sich mit dem ein* 
maligen Dirigentenphanomen „Furtwangler' auseinandersetzen will, 
kann an diesem fesselnd und begeistert geschriebenen, reich bebib 
derten Buche voriibergehen. Dr. Wilhelm Jung 

199 



Weuts Moiaxt-JabxbVKt) 

Im Auftrage des Zentralinstituts fiir Mozartforschung am Mozar< 
teum Salzburg herausgegeben von EricWalentin. 2.Jahrgangd942). 

Der 2. Jahrgang des „NeuenMozartJahrbuches", das die Tradition 
des von Hermann Abert geleiteten Jahrbuchs fortzuftihren gewillt ist, 
bringt neben allgemeiner gehaltenen Themen und gehaltvollen Auf* 
satzen von L. Schiedermair, H. v. Srbik und R. Haas erfreulicherweise 
mancherlei Einzelforschungen von Gewicht. H. Engel verbreitet sich in 
gliicklichen Formulierungen iiber Mozart und Beethoven, den Ton* 
artgeheimnissen der Mozartschen Opernarien spiirt Th. W. Werner 
nach; wahrend E. Graf die Anregungen E. Schenks weiterverfolgt 
und nach „Leitmotiven" bei dem Pagen Cherubin sucht. Hier wird 
indessen mehr Vorsicht zu iiben sein. Ein Kapitel zur Mozart*Popu* 
larisierung im friihen 19. Jahrhundert liefert K. G. Fellerer mit einem 
kenntnisreichen Beitrag iiber die damaligen Mozart*Beairbeitungen, 
In einer aufschluBreichen literarischen Untersuchung macht V. Junk 
den Zusammenhang von Goethes „Faust" II (Euphorionszene) mit 
seinem 2. Teil der „Zauberflote" wahrscheinlich. W. Rauschenberger 
befaBt sich mit Mozarts Abstammung und Ahnenerbe, M. Zenger 
erganzt seine vorjahrigen Ausfiihrungen iiber falsche Mozart*Bildnisse. 
Zu den ertragreichsten Beitragen des Jahrbuchs gehort die Abhand* 
lung von E. Valentin iiber Konstanze Mozart und ihren zweiten Gat* 
ten N. Nissen, die in sorgfaltiger Kleinarbeit viel Neues bringt (unter 
anderem Geburtsort und *datum der Konstanze)/ Von Bedeutung sind 
ferner die Mozart*Funde in Donaueschingen, iiber die F. Schnapp 
eingehend berichtet. Den BeschluB des reichhaltigen Bandes bilden 
der vollstandige Abdruck eines bisher nur fragmentarisch bekannten 
Briefes von Leopold Mozart durch L. Weinhold und die dankenswerte 
Beschreibung der neuen Mozart*Autographe in der Leipziger Stadt* 
bibliothek durch E. H. Miiller v. Asow mit der erstmaligen Wieder* 
gabs der 6 deutschen Tanze KV. joo nach dem Autograph. 

Rudolf Gerber 



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111' 



MWf: 



Wiener Pljil^armonifter 1842— 1942 Von den Wiener Philharmonikem 

•^herausgegeben. 

■**?* 

- Rechtzeitig zur Jahrhundertfeier des beriihmten Meisterorchesters 
der Wiener Philharmoniker erschien eine Jubilaumsschrift, die sich 
durch einen sehr aparten Inhalt ausze'ichnet und mit schonen Licht* 
bildern und aufschluBreichen Faksimiles geschmiickt ist. Das Heft 

200 ' 



W 



tragt als stolzes Motto die Widmung des Reichsleiters Baldur v. Schi* 
rach, die mit den Worten beginnt : „Die Wiener Philharmoniker sind 
kein Orchester, sondern eine Kultur." Tonsetzer, Meister des Takt* 
stocks, DichterundWissenschaftlerwetteifernhier, denihervorragenden 
Klangkorper ihre Verehrung und Liebe in herzlicher wie geistvoller 
Form kundzutun. Da stellt sich etwa Richard StrauB mit einem warm< 
herzigen Schreiben ein. Der Meister bedauert, dafi er die „klingende 
Gabe", die er dem Orchester zugedacht hatte, nicht rasch genug habe 
fordern konnen, urn sie termingerecbt vorzulegen. (Inzwischeri ist be*, 
kanntlich die symphonische Dichtung fertiggestellt und tragt den 
Titel „Donau"b StrauB 1 schlieBt seinen Gliickwunsch und sein Lob mit 
den Worten: „Nur wer die Wiener Philharmoniker dirigiert hat, 
weiB, was sie sind!" Gerhart Hauptmann schildert in dankbarer Er; 
innerung die erste Konzertbegegnung mit dem Jubelorchester als ein 
Erlebnis, das ihm „zu einem Besitz der Seele" wurde, an dem er sich 
in vielen Stunden eines langen' Lebens erfreut habe. Max Mell befaBt 
sich liebevoll mit der „Landschaft der Philharmoniker", deren bib 
dende Kraft den bildenden Sinn des werdenden Kiinstlers beruhrt. 
Josef Weinheber bringt der Musikerschaft eine Vers'Symphonie dar, 
nach Satzen in Grave, Allegro, Allegretto, Scherzo mit'Trio und Finale 
maestoso gegliedert. E. G. Kolbenheyer preist in einem kleinen Poem 
die Jubilare und die Macht der Musik. Wilhelm Furtwangler nennt 
die Philharmoniker „das fleischgewordene Musikgewissen dieserStadt", 
von deren Kultur im Vormarz Heinrich Ritter v. Srbik ein plastisches 
Gemalde entwirft. Aurel Wolfram sucht in einem gedankenreichen 
Aufsatz „Wien und die Philharmoniker" die Voraussetzungen fur die 
Griindung und das Werden des Orchesters klarzulegen. So vereinigen 
sich die verschiedengearteten Beitrage zu einem duftenden Gratula* 
tionsstrauB fur den vielkopfigen Jubilar und klingen in einen Hymnus 
einstimmigen Lobes zusammen. Dr. Roland Tenschert 



201 



flBufikalifdje ©e&enktage 
1943 



Hi 






350. ©CbUl'tOtag. MelchiorSchildt (geb. ij-93, Datum unbekannt), bedeutem 
der norddeutscher Organist, aus der Schule Sweelincks hervoi gegangen. 

3OO.3T0tie8ttig. 20. April: Christof Demantius, sachsischer Kantor, Kompo; 
nist und Verfasser theoretischer Schriften. / 29. November: Claudio 
Monteverdi, Schopfer zahlreicher Madrigale und Opern. 

300. (5ttJUtt8tttg. 2j. Oktober : Georg Ludwig A g r i c o 1 a , thiiringischer Kapelb 
meister und Komponist. 

25O.Zollt0tag. 13. Februar: Johann Kaspar Ker 11, SchiilerFrescobaldis, Ka« 
pelb und Orgelmeister, Komponist. 

250.(5£butt8tttg. 30. November: Christoph Forster, thiiringischer Kompo< 
nist. 

2OO.20SC8tUg. ip.Januar: Geminiaho Giacomelli, Opernkomponist, Schii« 
ler A. Scarlattis. / 16. August: Mathias Klotz, Mittenwalder Geigen* 
bauer. / Antonio Vivaldi (Datum unbekannt), Komponist bedeutender 
Konzerte und Kammermusiken. 

200.(5elJUi:t8tag. ip.Februar: LuigiBoccherini, Komponist (Kammermusik, 
Symphonien). 

J50. 2bl)C8t0g. 6. Februar: Carlo Goldoni, Lustspieldichter, Verfasser zahl* 
reicher Operntexte.' 

, 150. (Beblirtatag. 6. Marz: Bernhard Klein, Komponist. / 10. August: August 

Neithardt, -Griinder des Berliner Ddmchors, Komponist. 
IOO. 2ToBC8tng.B4. April: Joseph banner, Walzerkomponist. / 23". Juni: 
Friedrich Kind", Dichter des „Freischutz"*Textes. / 14. September: Karl 
Almenrader, Fagottvirtuos. , 

IOO. 6ebtltt8tttg. i6.Januar: Adolf Zander, Begriinder der Berliner Lieder; 
tafel. / 23'.Januar: Graf Bolko v. Hochberg, Generalintendant, Kompo* 
nist. / 4. April: Hans Richter, bedeutender Dirigent. / 8. April: Asger 
H merik, danischer Komponist. / 9. April: Theodor Helm, Wiener 
Musikkritiker. / 2. Mai: Karl Michael Ziehrer, Wiener Operetten* 
- komponist. / ij. Mai: Max Staegemann, Theaterdirektor. / 28. Mai: 
Giovanni Sgambati, Pianist und Komponist. / 3. Juni: Eniil Hegar, 
Chordirigent und Gesangspadagog / 7. Juni: Eduard Mertke, Klavier* 
padagog. / 10; Juni: Heinrich v. Herzogenberg, Kompositions; 
lehrer, Komponist. / ij.Juni: Edvard Grieg, norwegischer Komponist. / 
9. Juli: Ernst Challier, Musikalienhandler, Herausgeber wichtiger musi* 
kalischer Nachschlagebiicher. / ij. August: Jules de Swert, Violon* 



», 



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202 



cellist und Komponist. / 20. August: Christina Nilsson, Sangerin. / 
16. November: Georg HeinrichWitte, langjahriger Essener Musikdirek; 
tor, Komponist. /-14. Dezember: Luise Ress,,Gesangsmeisterin. / 17. De< 
zember: Aglaja Orgeni, Koloratursangerin. / 19. Dezember: Julius 
Bechgaard, danischer Komponist. / 2^. Dezember: Gustav Jensen 
(Bruder Adolfs), Geigenvirtuos. 

75-2Toi)E8tCig. 3. Januar: Moritz Hauptmann, Thomaskantor, / 13. No* 
vember: Gioacchino Rossini, der bedeutende italienische Opernkompo* 
nist. / 2j. November: Franz B rend el, Musikschriftsteller, Mitbegriinder 
des Allgemeinen Deutschen Musikvereins. 

50. 2oll£8ttig. 22. Januar: Vincenz Lachner, Hofkapellmeister, Kompos 
nist. / 26. Februar: Hermine Spies, Sangerin. / 2. Juni: Victoria Gervi* 
nus, Herausgeberin der Arien Handels. / ij. Juni: Franz Erkel, Schop* 
fer der ungarischen nationalen Oper. / 16. Juli: Antonio Ghislanzoni, 
Musikschriftsteller und Qpernlibrettist. / 6. August: Alfredo Catalani, 
italienischer Opernkomponist. / 19. August: Dr. KonstantinWurzbach, 
Musikschriftsteller. / 6. November: Peter Tschaikowsky, der groBe 
russische Komponist. / 13. November: Robert van Maldeghem, flami< 
scher Organist! / 14. November: Theodor Wachtel, Biihnensanger (Te* 
nor). 

25. SolJEBttig. 18. Januar: Amalia Materna, Wagner;Sangerin. / Enrico 
Golisciani (im Februar, Tag nicht bestimmt), Operntextdichter. / 
22. Januar: GustavSchreck, Komponist und Thomas* Kantor. / 4. Marz: 
Emil Sjogren, schwedischer Komponist, Organist.'/ 26. Marz: Claude 
Debussy, franzosischer Komponist. / 28. April: Otto Lessmann, lang* 
jahrigerHerausgeber der „AUgemeinen Musikzeitung". / 10. Juni: Arrigo 
Boito, Opernkomponist und rtextdichter. / 13. Juli: Hermann Scholtz, 
Komponist, ChopinsHerausgeber. / 2. August: Martin Krause, Klavier* 
padagog. / 20. Dezember: Peter Gast, Freund Nietzsches, Komponist. 
IO. ITollEBttig. 8. Januar: Wladimir v. Pachmann, Pianist. / 16. Januar: 
Willy Burmester, Violinvirtuos. / 29. Januar: Peter Griesbacher, 
Kirchenkomponist und Theoretiker. / 8. Februar: Oskar Fleischer, 
Grander der Internationalen Musikgesellschaft. / 1 1 . Februar : Paul E rt e 1, 
Komponist, Herausgeber der Deutschen Musikerzeitung. / 24. Marz: 
Desire Thomassin, Maler und Komponist. / 4. April : EwaldStraesser, 
Symphoniker und Theorielehrer. / 12. Juni: Elisabeth Wintzer, Lieder* 
komponistin. / 22. Juni: Wilhelm Rinkens, Komponist. / 24, Juli: Max 
v. Schillings, bedeutender Dirigent und Theaterintendant. / 28. Juli: 
Eduard Schiitt, Komponist. / 10. August: LudwigNeubeck, Dirigent, 
Theaterleiter, Rundfunkintendant. / 14. August: Eugen Haile, Lieder* 
komponist. / 18. September: Rudolf Peterka, Komponist. / 27. Septem* 
ber: Mario Costa, Operettenkomponist. / 26. Oktober : Julius Klengel, 
Violoncellvirtuos und Komponist. / 17. November:. Max Hehemahn, 
Reger<Biograph. / 2 Jr. November: Josef Pommer, Volksliedforscher. / 
2. Dezember: Joseph Gruber, Kirchenkomponist, BrucknenSchiiler. 

203 



EPicfotige (Seburtatoge lebenDer ^auftkcrpetfonltdjkcUen 



80. (SebUttBtng. 2j. Januar: Landgraf Alexander Fried rich von Hessen, 
Komponist. / 7. Februar: Pietro Mascagni, italienischer Opernkompo* 
nist. / 13. Februar: Heinrich Pfannschmidt, Berliner Organist. / 
8. Marz: Ellen Gulbranson, die einstige Bayreuther Briinnhilde. / 
26. Marz: Eduard NoBler, Chorkomponist. / 23% Mai: Wolfgang Gol* 
ther, Herausgeber der Schriften Richard Wagners. / 2. Oktober: Karl 
Pasler, Musikschriftsteller, Herausgeber der Klavierwerke Haydns. 

75. <6tbUtt8tttg. 6. Januar: Arthur Seybold, Hamburger Violinpadagog. / 
3-. Februar: Lodewijk Mortelmans, flamischer Musikpadagog und 
Komponist. / 2. j. Februar: Clemens Meyer, Schwerin, Bratschist, Musik* 
schriftsteller, Musikpadagog. / 19. Marz: Luigi Stefano Giarda, italieni* 
scher Violoncellvirtuos, Theoretiker und Symphoniker. / 22. April: Jose 
Vianna da Motta, Lissabon, Konservatoriumsdirektor, Klaviervirtuos 
und Dirigerit. j ij. Mai: Martin Grabert, Berlin, Kirchenmusikdirektor 
und Komponist. / 20. August: Euigi Forino, italienischer Violoncello 
' virtuos und Padagog. / 20.4Dktober: August Weweler, westfalischer 
Komponist. / 18. November: Enrico Polo, italienischer Violinmeister, 
Herausgeber zahlreicher iilterer Werke. / 28. November: Franz Drdla, 
Wiener Violinvirtuos und Komponist. 

70. ©ttlllttStog. 6. Januar: Karl Straube, Thomaskantor von 1918-1940. / 
1 j. Januar: Josef Brauneis, Wiener Liederkomponist. / 2}. Januar: 
Heinrich Cassimir, Karlsruhe, Musikpadagog. / 2. Februar: Raphael 
Molitor, Abt, Musikforscher. / 9. Marz: Vincenz Goller, Leiter der 
kirchenmusikalischen Abteilung an der Wiener Akademie der Torikunst./ 
14. April: Viktor Keldorfer, Wien, Chordirigent und Komponist. / 
2. Mai: Max Schipke, Berlin, Musikpadagog. / 7. Mai: Hugo Rasch, 
Berlin, Liederkomponist. / 10. Mai: Waldemar Wendland, Berlin, 
Opernkomponist. / 24. Juni: Jorgen Forchhammer, Miinchen, Stimm* 
bildner. / 22. Juli: Franciscus Nagler, Dresden, Kirchenmusiker. / 
11. August: Rudolf Maria Breithaupt, Berlin, Musikpadagog. / 9. Sep; 
tember: Theodor Kroyer, Professor der Musikwissenschaft an der Uni* 
versitat Koln. / 12. September: Wolfgang Zeller, Filmkomponist. / 
26. September: Amilcara Zanella, italienischer Konservatoriumsdirektor 
und Komponist. / 10. November: Karl v. Schirach, lntendant des 
Staatstheaters in Wiesbaden. / 26. November: Klemens Neumann, 
schlesischer Chordirigent. / 14. Dezember: Joseph Jongen, fiihrender 
belgischer Komponist. / 18. Dezember: Adolf Vogl, Miinchen, Musik* 
schriftsteller. / 24. Dezember: Rosario Scalero, italienischer Violin; 
virtuos und Komponist. / 31. Dezember: Theodor Otto, Schulmusik* 
lehrer, Organist, Volksliedbearbeiter. 



204 



60. ©EbUtfBtng. j. Januar: Hermann v. Glenck, Miinchen, Komponist und 
Dirigent. / 19. Januar: Gewandhauskapellmeister Hermann Abendroth. 
/ 1. Februar: Fausto Torrefranca, bedeutender Musikwissenschaftler 
Italiens. /" 11. Februar: Paul v. Klenau, Opernkomponist und Symphcv 
niker. / 28. Februar: Gustav Beckmann, Musikwissenschaftler in Ber* 
lin. / 6. Marz: Franz Kauf, oberschlesischer Musikpadagog und Kompo* 
nist. / 14. Marz: Joan Manen, Geigenvirtuos, Komponist. / 24. Marz: 
\ Theodor Blumer, Leipzig, Komponist, Rundfunkdirigent. / 31. Marz: 
Oskar v. Pander, Musikschriftleiter und Komponist / 9. April: 
Renzo Bossi, italienischer Komponist und Padagog. / 17. April: Walter 
W. Goetze, Operettenkomgonist. / 3. Mai: Helmuth Pommer, Volks* 
liedforscher. / 28. Mai: Willy Renner, Klaviervirtuos und Padagog; 
Vaclav Talich, Dirigent der Prager Philharmonic /Dr. Max Unger, 
Musikforscher (zur Zeit in Italien) ; Riccardo Zandonai, italie* 
nischer Opernkomponist. / ij. Juni: Vitus Rathsach, danischer Mu* 
sikpadagog. / 16. Juni: Fritz KrauB, Biihnensanger (Tenor). / 14. Juli: 
Luigi Parigi, bedeutender Florenzer Musikkritiker. / ij. Juli: Alfredo 
Casella, italienischer Komponist. / 6. August: Francesco Santo* 
liquid o, italienischer Komponist und Musikwissenschaftler. / if. August 
Arnold Ebel, Berlin, Kirchenmusikdirektor, Komponist und Padagog. / 
29. August: Erich Anders (Freiherr Wolff v. Gudenberg), Intendant, 
Komponist. / 18. September: Hans<Albert Mattausch, Berlin, Dirigent 
und Opernkomponist. / 1 1 . November : Ernest Ansermet, der bedeu* 
tende Genfer Dirigent. / 9. Dezember: Wilhelm Heinitz, Musikf 
wissenschaftler an der Hamburger Universitat. 

50. (BeburtBtag. 10. Januar: Alfred Baresel, Leipzig, Musikschriftsteller. / 
23. Januar: Anton Bauer, Miinchen, Komponist und Theoretiker. / 
27. Februar: Joseph MeBner, Domkapellmeister in Salzburg. / 
31. Marz: Clemens KrauB, Intendant der bayrischen Staatsoper. / 
8. April: Fritz Peter, Fuhrer eines Streichquartetts, Lehrer an den Folk* 
wangschulen in Essen. / 14. April: Franz Mi t tier, Wien, Pianist und 
Komponist. / 2 j. April: Emil Peeters, Bochum, Kapellmeister und 
Komponist. / 29. April: Wolfram Humperdinck, Intendant der Stadti* 
schen Theater in Kiel: / 16. Mai: Paul van Kempen, Aachen, Dirigent. / 
ij. Mai: Ernst Schliepe, Leiter der Fachschaft Solisten in der Reichs* 
musikkammer, Opernkomponist. / }o. Mai: Guido Gatti, Turin, Vor* 
kampfer der jungitalienischen Musikwissenschaft. / i.Juni: Erwin ZiL 
linger, Landeskirchenmusikdirektor in Liibeck, Komponist. / 27. Juni: 
GustavFritzsche, Fuhrer des Dresdener Streichquartetts. / 16. Juli: Her* 
mannErdlen, Hamburger Padagog und Komponist. / i8.Juli:WilliKahl, 
Koln, Musikwissenschaftler. / ly. Juli: Gabriele Englerth, bayrische 
Kammersangerin. / 29. Juli: Walter Schulz, Weimar, Violoncellist. / 
6. August: Max Spile ker, Theaterintendant in Konigsberg. / 4. Okto'ber: 
Hans Schno or, Dresdner Musikkritiker. / }. Dezember: Richard GreB, 
Direktor des Kasseler Konservatoriums, Komponist.- 

205 



flQufikaliftljet fcalenfcet 
fur 1943 



3onuor 



Fr 1907 f Cyrill Kistler 

Sa 1843 Uraufftihrung des 

„Fliegend. Hollander" 



3 So 

4 Mo 

5 Di 

6 Mi 

7 Do 

8 Fr 

9, Sa 189 



1710 
1740 
1838 
1873 
1891 
1713 
1830 
1 



f Moritz Hauptmann 

* G. B. Pergolesi 
f Antonio Lotti 

* MaxBruch 

* KarlStraube" 

t Wilhelm Tauberf • 
f Arcangelo Corelli 

* Hans von Biilow - 

* KarlHoyer 



10 So 1899 f Albert Becker 

1 1 Mo 1 83-6 * Christian Sinding 

— 1872 * Paul Graener 

12 Di 1837 * Adolf Jensen 

13 Mi 1842 * Heinrich Hofmann 

14 Do 1800 * Ludwig von Kochel 

— 1 8/i f Luigi Spontini 
15; Fr 19 1*3 * Helmut Zernick 



16 Sa 



"j" Wilhelm Berger 



17 So 183-7 
— 1942 

18 Mo 1726 

19 D» 1883 

20 Mi 13-86 

21 Do 1 83-1 
21 Fr 1893 
23 So 1922 



* Wilhelm Kienzl 

•j- Helmut Brautigam 

* Prz. Heinr. v. PreuBen 

* Hermann Abendroth 

* J. Hermann Schein 
■f Albert Lortzing 

•j" Vincenz Lachner 

f Arthur Nikisch 



24 So 1883 f Friedrich von Flotow 



23- Mo 

26 Di 

27 Mi 

28 Do 

29 Fr 

30 Sa 



1712 
1886 

!793" 
173-6 
1901 
1832 
1872 



Friedrich der GroBe 

* Wilhelm Furtwangler 
■\ Joh. Chr. Friedr. Bach 

* Wolfg. Amad. Mozart 
"j- Guiseppe Verdi ' 

* Franz Wiillner . 

* Francois Auber 



1697 * Joh. Joachim Quantz 



)i So ■ 1797 * Franz Schubert 



f ebruor 



i Mo 


1880 


* Hans Grisch 


!f 


Mo 


13-71 


* M. Praetorius 162 if 


2 Di 


If94 


f Pierluigi Palestrina 




■ — . 


183-7 


J f M.I. Glinka 


3 Mi 


1854 


*■ Theodor Kewitsch 


16 


Di 


1914 


* Helmut Brautigam 


A Do 


1892 


* Yrjo Kilpirten 


17 


Mi 


163-3 


* Arcangelo Corelli 


3- Fr 


1748 
1907 


"* Chr. Gottl. Neefe 
f Ludwig Thuille 


18 


Do 


1869 


Uraufftihrung des 
Requiem von Brahms 


6 Sa 


18.18 


* Henry Ch. Litolff 


'9 
20 


Fr 

Sa ■ 


1743 
179 1 


* Luigi Boccherini 




1823 
1797 




''- Carl Czerny 


8 Mo 


f Joh. Friedr. Doles 


- 21 


So 


13-3-6 


* Sethus Calvisius. 


9 Di 


' 1 760 


* Johann Dussek 


22 


Mo 


1810 


* Frederic Chopin' 


10 Mi- 


1889 


* Michael Raucheisen 


2 5 


Di 


1810 


* G. Friedrich Handel 


ll Do 


1742 


* Andre Gretry 


24 


Mi 


i8 9r 


-j" Ignaz Lachner 


— 


1830 


* Hans von Bronsart 


^ 


Do 


1873 


* Enrico Caruso 


12 Fr . 


1894 


f Hans von Bfilow 


26 


Fr 


1770 


f Guiseppe Tartini 


13 Sa 


1883 


f Richard Wagner 


27 


Sa 


1887 


'[" Alexander Borodin 



14 So 1890 f Wilhelm Fitzenhagen 28 So 1824 * Robert von Keudell, 



206 



Oflati 



i Mo 


1882 


f Theodor Kullak 


2 Di 


1824 


* 7riedrich Smetana 


■} Mi 


1824 


t G.B.Viotti 


— ■ 


1952 


f Eugen dAlbert 


4 Do 


1888 


* Gerard Bunk 


5 Fr 


i8 r , 


* Berthold Kellermann 


6 Sa 


i860 


"j" Friedrich Dotzauer 


7 So 


1851 


* Friedrich Damm 


8 Mo 


1839 
171 4 


* Joseph Rheinberger 

* Ph. Emanuel Bach 


— 


1869 


"j" Hector Berlioz 


9 Di 
10 Mi 


I82J 

1844 


* Joseph Czapeh 

* Pablo deSarasate 


— 


191 


.f Carl Reinecke 


ii Do 


1818 


* Antonio Bazzini 


12 Fr 


18,2 


•j" Friedrich Kuhlau 


13 Sa 


1888 
i860 


* Hans Knappertsbusch 

* Hugo Wolf 


14 So 


1681 


* G. Philipp Telemann 


13- Mo 


1804 
1842 


* Joh. StrauB (Vater) 
"1" Luigi Cherubini 



16 Di 


1869 


* Willy Burmester 


17 Mi 


1800 


* Friedrich Zollncr 


18 Do 


1877 


* Josef Eizenberger 


19 Fr 


1873 


* Max Reger 


— 


1879 


* Joseph Haas 


20 Sa 


1812 


"j" J. L. Dussek 


2.1 So 


i68y 


* Joh. Sebastian Bach 


22 Mo 


1687 


"j" Jean<Baptiste Lully 


23 Di 


1811 


* Wilhelm Taubert 


24 Mi 


1817 


* Louis Maillart 


2f Do 


1631 


'j" Philippus Dulichius 


. — 


1871 


* Hermann Abert 


26 Fr 


1827 


*|* Ludwig van Beethoven 


27 Sa 


!72} 


"Urauff. der Johannes* 
passion von J. S. Bach 


— 


173-7 


"j" Johann Stamitz 


28 So 


1898 


"j" Anton Seidl 


29 Mo 


1 747 


* J.W.HaBlerfi822 


30 Di 


IflO 


* Antonio Cabezon 


31 Mi 


1703 


•J - Joh. Christoph Bach 


— 


1732 


* Joseph Haydn 



april 



1 Do 


1866 * Ferruccio Busoni 


2 Fr 


1803 * Franz Lachner 


— 


1877 * Arnold Schering 


3 Sa 


1 897 "j" Johannes Brahms 


4 So . 


1843 * Hans Richter 


f Mo 


1784 * Louis Spohr 


— 


1 877 * Arnold Schering 


6 Di. 


1 660 * Johann Kuhnau 


— . 


1 8 13- * Robert Volkmann 


7 Mi 


183-8 f Anton Diabelli 


8 Do 


1848 "j" Gaetano Donizetti 


9 Fr 


1933 "j - Sigfrid Karg^Elert 


10 Sa 


1838 * Eduard Kremser 


— 


1864 * Eugen dAlbert 


11 So 


1928 -j- Arthur Seidl 


12 Mo 


1801 * Joseph Lanner 


— 


1886 * Christian Lahusen 


13 Di 


1894 f Philipp Spitta 


14 Mi 


1 73-9 "I' G. Friedrich Handel 


— ' 


1843 "j - Joseph Lanner 


15 Do 


1893 -j" Rudolf Radecke 



16 Fr 18 

17 Sa 16 



•j" Joh. Baptist Cramer 
* Joh. David Heinichen 



18 So 


1819 


* Franz von Suppe 


' ' — 


1 861 


f Aug. Heinr. Neithardt 


19 Mo 


1868 


* Max von Schillings 


— . ■ 


938 


+ Wolfgang von Bartels 


20 Di 


869 "j" Carl Loewe 


21 Mi 


877 


* Richard Fricke 


22 Do 


868 


* Vianna da Motta 


— 


892 


■j" Edouard Lalo 


23 Fr' 


71 r 


* Joh. Friedr. Doles 


24 Sa 1 


721 


* J. Philipp Kirnberger 


23- So 


861 


* Enrico Bossi 


— ■ 


90 $■ 


* Gerhard Nowottny 


26 Mo. 


90 i 


'j* Robert von Keudell 


— 


8f4 


* Adolf Wallnofer 


27 Di 


767 


* Andreas Romberg " 


— 


812 


* Friedrich von Flotow 


28 Mi 


870 


* Hermann Suter 


29 Do 


847 


* Joachim Andersen 


30 Fr 


870 


* Franz Lehar 



207 



/Mai 



i Sa 


1786 Urauffuhrung des 




„Figaro" von Mozart 


— , 


1904 f Anton Dvorak 


2 So 


1892 f Wilhelm Rust 


3 Mo 


1836 f Adolphe Adam 


4 Di 


1 94 1 "j" Heinrich Zollner 


5 Mi 


1840 f G. Benedikt Bierey 


— 


1869 * Hans Pfitzner 


6 Do 


1 839 * Ernst Seyffardt 


7 Fr 


1824 Urauffuhrung der 




9. Symphonie von 




L . van Beethoven 


— 


1833 * Johannes Brahms 


8 Sa 


1844 * Hermann Gradener 


9 So 


1880 f Hermann Berens 


io 'Mo 


1914 "j" Ernst v. Schuch 


ii Di 


1.849 'f OttoNicolai 


— . 


1916 "j" Max Reger 


12 Mi 


1842 *" Jules Massenet 


— 


1884 "[" Friedrich Smetana 


13 Do 


1 838 * Julius Stern 


14 .FV 


1803 * J. P. E. Hartmann 



13- Sa 



832 -j- Fr. Karl Zelter 



16 So 


1838 


* 


Hans Trnecek 


17 Mo 


1884 f 


Louis Brassin 


18 Di 


1 834 j" ; Henry Lemoihe 


19 Mi 


1014 


f 


Thomas Koschat 


20 Do 


1896 


t 


Clara Schumann 


21 Fr.- 


1893 f 


Franz von Suppe 


22 Sa 


1813 


* 


Richard Wagner 


23 So 


I7H 


* 


G.B.Viotti 


24 Mo 


1872 


* 


Richard Tragner 


23 Di 


1904 


* 


Kurt Thomas ^ 


— 


1889 


* 


H.J.Moser 


26 Mi 


1870 


* 


Bruno Kittel 


27 Do 


1822 


* 


J. Joachim Raff 


— 


1840 


t 


Nicolo Paganini 


28 Fr 


1787 


t 


Leopold Mozart 


— 


1803 


t 


Luigi Boccherini 


29 Sa 


1842 


& 


Karl Millocker 



30 So 1910 "j" M. A. Balakirew 

31 Mo 1723 J. S. Bachs Antritt als 

Thomaskantor 
—— 1809 f Fr. Joseph Haydn 



3uni 



1 Di 

2 Mi 

3 Do 

4 Fr 
3 Sa 



6 So 

7 Mo 

8 Di 

9 Mi 

10 Do 

11 Fr 

12 Sa 



13 So 

14 Mo 
iS Di 



639 "j* Melchior Franck • 

807 * Robert Fiihrer 

877 "|" Ludwig von Kochel 

899 "j" Johann StrauB 

893 "j" Hans Mich. Schletterer 

826 f Karl Maria vori Weber 



844 
810 
914 
810 
843 
863 



863 



* Siegfried Wagner 

* Philipp Rufer 

* Robert Schumann 

* Gottfried Muller 

* Otto Nicolai 

* H. von Herzogenberg 
Urauff. des „Tristan" 

f Joh. Bernh. Bach 

* Richard StrauB, 
f Pietro Alfieri 



793 * Anton Schindler 

917 "j" Teresa Carreno 

394 .■]• Orlando di Lasso 

91 1 "j" Johann Svendsen 

843 * Edvard Grieg 



16 Mi 


1804 f Joh. Adam Hiller 


— 


1815 


* Ottojahn 


17 Do 


1818 


* Charles Gounod 


— . 


1900 


* Hermann Reutter 


18 Fr 


1870 


* Johannes Biehle 


19 Sa 


1717 


* Johann Stamitz 


20 So 


1916 


■\ Oscar Chilesotti 


21 Mo 


I7i2 


* Joh. Christ. Friedr. Bach 


— 


1868 


Urauffuhrung der 
„Meistersinger" 


22 Di 


i8 9 r 


* Philipp de Cerda 


23 Mi 


1824 


* Carl Reinecke 


— 


1874 


* Gerhard von KeuBler 


24 Do 


1882 


•j- Joachim Raff 


25 Fr 


1822 


f E. T. A. Hoffmann 


26 Sa 


1483 


* Hans Buchner 


27 So 


1789 


* Friedrich Silcher 


■ — 


1814 


f Joh. Friedr, Reichardt 


28 Mo 


is.,- 


* Robert Frariz 


29 Di 


1801 


* Pietro Alfieri 


30 Mi 


1722 


* Georg Benda 



208 



3uli 



i Do 


1784 f Wilh. Fried. Bach 


2 Fr 


1714 * Christ. Willib.Gluck 


' — • 


191 1 f Felix Mottl 


ySa 


18/4 * Leos Janacek- 


— 


1862 * Fr. Ernst Koch 


4 So- 


18/4 * Heinrich Zollner 


; Mo 


1864 * Stephan Krehl 


6 Di 


1874 * Gerhard von KeuBler 


7 Mi 


1902 * Karl Gustav Fellerer 


8 Do 


1826 * Friedrich Chrysander 


9 Fr 


183-3- * Paul Zilcher 


— 


1879 * Ottorino Respighi 


io Sa 


19 19 .■(• Hugo Riemann 


it So 


1897 * Friedrich Hogner 


12 Mo 


167/ * F. dall'Abaco f 1742 


— 


1773 f Joh. Joach. Quantz 


i) Di 


1876 "j" Karl Breidenstein 


14 Mi 


1833- * K.J.Brambach 


— . 


1926 ")" Berthold Kellermann 


13- Do 


1729 "j" joh. David Heinichen 


— 


18/7 •]- Karl Czerny 



16 Fr 


19 1 7 f Philipp Scharwenka 


17 Sa 


1896 j" Selmar Bagge 


18 So 


1849 * Hugo .Riemann 


19 Mo 


181 1 * Vincenz Lachner 


: — . 


1842 * Karl Zeller 


20 Di 


1873- * Max Schneider 


21 Mi 


1883 * Wolfgang von Bartels 


ii Do 


187} * Franciscus Nagler 


23 Fr 


1836 * Robert Emmerich 


24 Sa 


1803 * AdolpheAdam 


2/ So 


1883 * Alfredo Casella 


26 Mo 


1 8 2 4 ■ * ■ Moritz Fiirstenau 




1882 Urauff. des ); Parsifal" 


27 Di 


1783 f Philipp Kirnberger 


— 


1924 "j" Ferruccio Busoni 


28 Mi 


173-0 f Joh. Seb. Bach 


— 


1802 "j" Guiseppe Sarti 


29 Do 


183-6 "j" Robert Schumann 


— 


1930 "j" Alexander von Fielitz 


30 Fr 


1813 * Eduard Eggeling 


31 Sa 


1886 f Franz Liszt' 



auguft 



i So 


1903 


f Otto Taubert 


2 Mo 


1926 f Karl Zuschneid 
192 1 f Enrico Caruso 


3 Di 


802 


"j- Pr. Heinr. v. PreuBen 


4 Mi 

5 Do 


[930 
811 


f Siegfried Wagner 
* Ambroise Thomas 


6 Fr 


1877 


* Max Damberger 


7 Sa 


927 


f Wilhelm Rudnick 


8 So 


'7f9 


f Karl Heinrich Graun 


9 Mo 


1919 


"j" Rugiero Leoncavallo 


10 Di, 


[806 

84 f 


f Michael Haydn 
* Thomas Koschat 


11 Mi 


801 


* Eduard Devrient 


12 Do 


»« 


* J. Louis Nicode 


13 Fr 


928. f LeosJanaiSek 
912 f Jules Massenet 


— 


927 


f Hermann Abert 


14 Sa 


870 


-j". Franz Hauser 


13- So 


824 


* Wilhelm Rust 


16 Mo 


900 

79 r 


"j" Gustav Fliigel 

* Heinrich Marschner 


— 


872 


* Siegmund v. Hausegger 



17 Di 


1786 f Friedrich der GroBe 


— 


1898 ,f Karl Zeller 


18 Mi 


1881 


* Hermann Zilcher 


— 


1901 


•j- Richard Kleinmichel 


19 Do 


1824 


* E. Georg Goltermann 


20 Fr 


19 10 


•j- Arthur Coquard 


21 Sa 


1893 


* Lili Boulanger 


22 So 


If99 


-[- Luca Marenzio 


— 


1862 


* Claude Debussy 


23 Mo 


1847 


* Gustav Laska 


24 Di 


18 r6 


* Felix Mottl 


— i 


1876 


* Karl Pembaur 


23- Mi 


1774 


"j- Niccolo Jommelli 


26 Do 


1814 


* Heinrich Kotzold 


— 


i860 


"[■ Friedrich Silcher 


27 Fr 


1611 


-j- Tomas Victoria 


28 Sa 


1829 


* Albert Dietrich 


• — 


183-0 


Urauff. der Oper 
„Lohengrin" 


29 So 


ir26 


■\ Thomas Stoltzer 


30 Mo 


1883- 


* Otto Chmel ' 



1830 



14 



209 



September 



i Mi 


i8f 4 


* Engelb. Humperdinck 


— 


1886 


* Othmar Schoeck 


2 Do 


1866 


* Victor von Woikowsky* 
Biedau 


3 Fr 


190 1 


f Friedrich Chrysander 


4 Sa 


1824 


*. Anton Bruckner 


— 


1907 


■j" Edvard Grieg 


; So 


1910 


"j" Friedrich Haberl 


6 Mo 


178 1 


* Anton Diabelli 


jDi 


1902 


•j- Franz Wiillner 


8 Mi 


1841 


* Anton Dvof ak 


'9 Do 


if8; 


* Girolamo Frescobaldi 


■ — 


isrr 


* H. St. Chamberlain 


jo Fr 


173-1 


* Bartolommeo Campa» 
gnoii 


ii Sa 


1807 


^ Ignaz Lachner 


— 


1874 


* Heinr. Kasp. Schmid 


12 So 


1789 


* Fr. Xaver Richter 





1818 


* Theodor Kullak 


i} Mo 


1819 


* Clara Schumann 


14 Di 


1737 


* Michael Haydn 


— 


1760 


* Luigi Cherubini 



1 j Mi 


1848 * Wilhelm Fitzenhagen 


16 Do 


1914 * Miguel Candela 


17 Fr 


1907 f Ignaz Briill 


18 Sa 


1903 f Theodor Kirchner 


19 So 


1902 * Franz Burkhart 


20 Mo 


1832 * Johann Joseph Abert 


21 Di 


i8jo * Hans Sitt 


— 


1908 '1" Pablo de Sarasate 


22 Mi 


1807 * Julius Knorr 


2) Do 


1782 * Jaques Fereol Mazas 


24 Fr 


183/ f Vincenzo Bellini 


— 


183-9 * Julius Klengel 


23- Sa 


1849 f Johann StrauB (Vater) 


— 


1909 f J. Albeniz 


26 So 


1877 * Alfred Cortot 


27 Mo 


1882 * EllyNey 


— 


192 1 "j - Engelb. Humperdinck 


28 Di 


1871 * Max Burkhardt 


29 Mi 


1867 * Hannes Ruch 


30 Do 


1 79 1 Urauff. der „Zauber< 



— • 1840 



flote" von W. A. Mozart 
Johann Svendsen 



£)ktobtx 



1 Fr 


1 876 f Henri Bertini 


2 Sa 


1920 


-j- Max Bruch 


3 So 


1828 


* Woldemar Bargiel 


4 Mo 


1877 


-j- Eduard Devrient 


5 Di 


1879 


* Halfdan Cleve 


. — 


1919 


"|" Jean Louis Nicod6 


6 Mi 


1886 


* Edwin Fischer 


— 


1896 


* Otto Siegl 


7 Do 


18 5 f 


* Felix Draeseke 


8 Fr 


irsr 


* Heinfich Schutz 


9 5a 


1900 


-j- HeinrichvonHerzogenj 
berg' , 


10 So 


1813 


* Guiseppe Verdi 


. — .' . 


1876 


* Walter Niemann 


11 Mo 


1833- 


* Theodor Thomas 


— 


1896 f Anton Bruckner 


12 Di 


is rr 


* Arthur Nikisch 


13 Mi 


1792 


* Moritz Hauptmann 


14 Do 


183-9 f Chamille Chevillard 


iy Fr 


1898 


* Giinther Ramin 


16 Sa 


1621 


\ Jan Pieter Sweelinck 


17 So 


1849 


* Frederic Chopin 



18 Mo 

19 Di 

20 Mi 

21 Do 

22 Fr 

23 5a 



1893 "[■ Charles Gounod 

18 1 8 * Friedrich Mergner 

1792 * Bernhard Fiirstenau 
1842 Urauff. des „Rienzi" 

1786 * Henry Lemoine 

181 1 * Franz Liszt 

183-9 -j - . Louis Spohr 

1 80 1 * Albert Lortzing 



24 So 


1723- "j" Alexander Scarlatti 


— 


1892 -j- Robert Franz 


— . 


1903 * Heinz Drewes 


23- Mo 


1823- * Johann StrauB 


26 Di 


1 874 ( Peter Cornelius 


27 Mi 


1782 .* Nicolo Paganini 


■ — 


1933 f Julius Klengel 


28 Do 


1798 * Henri Bertini 


— 


191 2 -j- Edgar Tinel 


29 Fr 


1787 Urauffiihrung der 




Oper „DonJuan" 


— 


183-6 * Hans Winderstein 


30 5a 


1883 f Robert Volkmann , 



31 So 1830 * Robert Radecke 



210 



m 



Woocmber 



i Mo 


1 80 1 * Vincenzo Bellini 


2 Di 


1739 * Karl von Dittersdorf 


— 


1887 f Jenny Lind 


3 Mi 


19 1 5 "j" Hans von Bronsart 


4 Do 


1 876 Urauff. der I. Sympho* 




nie von Joh. Brahms 


— 


1878 * Alfred Sittard 


3- Fr 


189/ * Walter Gieseking 


6 Sa 


1672 -J" Heinrich Schiitz 


— 


1793- "j" Georg Benda 


7 So 


1866 * Paul Linke 


8 Mo 


183-8 * Josef Krug>Waldsee 


9 Di 


1 890 . -j- C&ar Frank 


io Aft 


1821 f Andreas Romberg 


ii Do 


1872 * Frfedrich Stock 


i J Fr 


1767 * Bernhard Romberg 


i j Sa 


1868 j - Gioacchino Rossini 


14 So 


171 9 * Leopold Mozart 


— 


1774 * Luigi Spontirii 


iy Mo 


1787 f Christ. Willib. Gluck 


16 £W , 


189/ * Paul Hindemith 



17 Mi 


1816 * Aug. Wilh. Ambros 


18 Do 


18/2 -j- Bernhard Fiirstenau 


19 Fr 


1650 -J- Joh. Herm. Schein 


— 


1828 -j- Franz Schubert 


20 Sa 


1803- Urauff. des „Fidelio" 


21 So 


17 18 * Fr. Wilh. Marpurg 


— 


1877 * Siegfrid Karg#Elert 


22 Mo 


1710 * Wilh. Friedem. Bach 


— 


1780 * Konradin Kreutzer 


2) Di 


1676 * Joh. Bernh. Bach 


— ' 


1 847 * Ernst von Schuch 


24 Mi 


161J "j" Sethus Calvisius 


2$ Do 


189/ * Wilhelm Kempff 


26 Fr 


1 89 j -j* Gustav Jensen 


27 Sa 


1872 * Peter Raabe 


28 So 


1 86 1 -J- Robert Ffihrer 


29 Mo 


1643 -j- Claudio Monteverdi 


— 


1797 * G^etano Donizetti 


— 


1924 -j - Giacomo Puccini 


30 Di 


1796 * Carl Loewe 


— 


1893- * Joh. Nep. David 



'BtZttabtt 



1 Mi 


1729 * Giuseppe Sarti 


2 Do 


1877 Urauff. d. II. Sympho* 




nie von Joh. Brahms 


3 Fr 


13-96 * Nicola Amati 


4 Sa 


1 866 * Edward Moffat 


3 So 


1791 f W.A.Mozart 


6 Mo 


1642 * Joh. Christoph Bach 


7 Di 


1863 * Pietro Mascagni 


8 Mi. 


1865 * Jean Sibelius 


9 Do 


1867 * Paul Clausnitzer 


10 Fr 


1823 ■f Theodor Kirchner 


11 Sa 


173-8 * Fr. Karl Zelter 


— 


1803 * Hector Berlioz \ 


12 So 


1887 * Kurt Atterberg 


— 


1936 "j" Karl Hoyer 


13 Mo 


1893 * J. Butnikoff 


14 Di 


1788 f Philipp Emanuel Bach 


— 


1849 1" Konradin Kreutzer 


13- Mi 


1883- * Walther Davisson 


16 Do 


1770 * Ludwig van Beethoven 


— 


1842 j- Joh. Friedr. Rochlitz 



17 Fr 


1879 * Fritz Stein 


18 Sa 


1737 -j - Antonio Stradivari 


— 


1786 * Karl Maria von Weber 


19 So 


13-62 * Philippus Dulichius 


20 Mo 


1929 -j- Max Chop 


21 Di 


1890 f Niels W.Gade 


22 Mi 


183-3 * Teresa Carrefio 


— 


183-8 * Giacomo Puccini 


23 Do 


1874, * Rafael Calleja 


24 Fr 


1824 * Peter Cornelius 


— 


1870 *■ Rosario Scalero 


. — 


1728 * Joh. Adam Hiller 


23- Sa 


1843 * Gustav Jensen 


26 So 


1916 f Bernhard Scholz 


27 Mo 


1 84 1 * Philipp Spitta 


28 Di 


1736 "j" Antonio Caldara 


. 


i860 * Alexander von Fielitz 


29 Mi 


1898 ■")■ Georg Goltermann 


30 Do 


183-0 * Wilhelm Rudnick 


31 Fr 


1842 Urauff. d. „Wildschutz' 


■ — 


1899 f Karl Millocker 



'4 



211 





. "•-- 










STaftftcn-ipottituren 








zeitgenosstscher 








Orchestei;* und KammermusikiWerk< 








KarlBlegle rm 


Earl Mar* 


RM 






Der Taucher. Ballade fur 


Streichquartett, gmoll 


2. ; 






groBes Orchester 2.jo 


©ottfrieo Miller 








Streichquartett Nr. 2 2. — 


Konzert, op. j: 


2.JO 






ferruccio Bufoni 


Vitt^lan IQcroaJt 








Rondo arlecchinesco i.ro 


Streichquartett Ddur 


I,— 






Tanzwalzer, op. y$ i.jo 


Streichquartett Nr. j 


)■— 






3oljann IQepmuk Datjiti 


£>thmar Sdjoedt 

Streichquartett C dur 


2.— 






Partita (Nr. 1) . _$■. — 


Elegie, op. }6 


}■— 






Partita Nr. 2, Werk 27 j.jo 


Vom Fischer un syner Fru 


12. — 






Symphonie Nr. 1, Werk 18 yjo 
Symphonie Nr. 2, Werk 20 $.yo 
Symphonie Nr. }, Werk 28 }.fo 


3 eon Sibelius 

Finlandia, op. 26 Nr. 7 
Der Schwan von Tuonela 


I. JO 

1.20 






- Divertimento („Kume, 


Tapiola, op. 112 


2.J-0 






kum"), Werk 24 2.J0 


Symphonie Nr. 1, erholl 


s-— . 






Streichtrio G dur 2.— 


Symphonie Nr. 2, D dur 


5 — 






Trio fur Flote, Violine und 


Symphonie Nr. 4, a moll 


i.;o 






Viola, Werk 30 2.- — 


Kurt Stomas 








2Uejean&er 


Streichquartett fmoll 


2. — 






f rieoridj uon Btffai 


Hermann Zildjer 








Drei Stiicke fur Streichtrio 2.— 


Klavierquintett cismoll 


2.J0 






Streichquartett Nr. 2 2.— 


Marienlieder, op. J2 a 


}■— 






Brcitkopf&6i 


irtel in KciP3ig 

















;?*¥'■■ 



m 











tfkue Etamen 






imVerlage 






Breitkopf & Hartel 






iaU8<£ricjFougftel>t 


ftans 2llfon$ Walptxt 






Finnisches Volkslied 


An Diotima 






filr Streichorchester 


Vie'r Gesiinge von Friedrich 






BSim Saaget 


Holderlin fur Gesarig und 
Klavier- 






Konzert fur Streichorchester 


Schilflieder 






©eorg pitckmaper 

Musik fiir Streichorchester 


Fiinf Gedichte von Nicolaus 
Lenau fiir mittlere Stimme 
und Klavier 






Toccata und Fuge fiir Orgel 


Sonate 






Soriatine fur Klavier 


fiir Violoncell und Klavier 






Karl ScjuJta 


Choralfantasie 






Maskerade 


iiber „Es ist ein Sehnitter" 






Ein Ballett nach Lautenmusi* 


fur Orgel 






ken des 1 6. Jahrhunderts fiir 


Variationen 






Orchester 
Concertino 


fiir Klavier iiber ein deutsches 
Volkslied („Schwesterlein") 






in 4 Satzen, fiir Orchester 








Fabeln 


Drei Madrigale 






SiebenLieder fiir Bariton und 


fur drei und vier Stimmen 






Streichorchester ' 


ohne Begleitung 






Diese Werke erscheinen im Laufe des Jahres 1943 






Breitkopf a Mxtti in IciP3ig 














NEUEKSCHEINUNGEN 

K,tum BeetljouenB Rontrerfationeljeftc 

im Auftrage der PreuBischen Staatsbibliothek 

herausgegeben von 

PROF. DR. GEORG SCHtJNEMANN 

Zunehmende Schwerhorigkeit zwang Beethoven, diese Notizbiicher (von 
400sind i36erhalten undin.der PreuB. Staatsbibliothek) zumVerkehr mit 
der Aufienwelt zu b enutzen. Sie sind eine unschatzbareQuelle fiirBeethovens 
Leben und werden zum erstenmal veroffentlicht. Das Monumentalwerk 
wird 8 Bande umfassen. Jeder Band ist 400 Seiten stark und enthalt j Lichts 
drucktafeln. Buchausstattung mustergultig, Einband vonProf.W.Nauhaus. 

Fertig liegt vor: Band I geb. Leinen RM i7.r0 
Band II geb. Leinen RM 27.^0 

Die weiteren Bande erscheinen in Abstanden von etwa sechs Monaten. 
Abnahme von Band I verpflichtet zur Abnahme des ganzen Werkes. " 



2>ae dftujikle*ikon 

von HANS JOACHIM MOSER 

2. Auflage 

Umfang 1 100 Seiten mit zahlreichen Abbildungen 

Preis gebunderf etwa RM 2/.- 

Die Neuauf lage des z. Z. in Lieferungen erscheinenden Werkes wird im 
Sommer 1943 vollstandig vorliegen. Mit 32 Bildtafeln geschmiickt, ist 
sie von Grund aus umgearbeitet und auf den neuesten Stand der Wissen* 
schaft gebracht. Mosers Musiklexikon enthalt alle irgendwie wichtigeh 
Lebensgeschichten und unterrichtet uber die gesamte Musikgeschichte, 
Musikasthetik und Musiktheorie Mosers Musiklexikon ergibt das mo< 
dernste Bild des auch musikalisch vollig veranderten neuen Europa. 



fi&tft fieffes tferlag, Berlin 



NEUER.SCHEINUNGEN 

200 Mre Staateoper Berlin tm BUD 

herausgegeben im Auftrage der Generalintendanz 

der PreuBischen Staatstheater von 

DR. JULIUS KAPP 

Chefdramaturg der Staatsoper Berlin 

Format 30x21 cm, Umfang 260 Seiten mit iiber 90,0 Abbildungen auf Kunst* 

druckpapier und 24 Farbtafeln mit 48 Abbildungen in Neunfarbendruck. 

Preis gebunden RM ■})-.—■ 

Dieses Prachtwerk im besten Sinne gelangte zum 20ojahrigen Bestehen 
der Staatsoper Berlin am 7. Dezember 1942 zur Ausgabe. Es stellt mit 
seinem unerschopf lichen und vielfach unveroffentlichten Bildmaterial, 
besonders aus der Bibliothek und dem Museum der PreuBischen Staats* 
theater, ein Werk dar, das auch den verwohntesten Opern< und Biicher* 
liebhaber begeistert und ein Kulturdokument von bleibendem Wert ist. 



2)er lieutfdjc MufikerkalentiEr 1943 

Herausgegeben im Auftrage der Reichsmusikkammer 

Der 6 j-.Jahrgang dieses bewahrten Nachschlagewerkes erscheint wiederum 
in drei Banden, zwei Anschriftsbanden und einem Merkbuch, und spiegelt 
auf etwa 2000 Seiten das gesamte vielgestaltige Musikleben GroBdeutscru 
lands von etwa 600 Stadten in ubersichtlicher Weise wieder. Der neue 
Jahrgang ist bereichert durch die Einbeziehung der besetzten Gebiete. 
Der „Deutsche Musikerkalender" ist mit seinen etwa 70 000 Musik* und 
Musiker<Adressen, mitderWiedergabederamtlichenBestimmungen, seinen 
zahlreichen Verzeichnissen, taglichem Notiz* und Stunden<Kalender usw. 
unentbehrlich fur jeden, der im deutschen Musikleben irgendwie tatig ist. 

Preis der drei Bande RM 1 o.— 



Mm fieffea Vtxluq, Berlin