ticttseutfdjeniBufik
1943
ImAuftrage der Abteilung Musik
des Reichsministeriums fur Volksauf klarung
und Propaganda
herausgegeben von
HELLMUTHiVON HASE
Gemeinsamer Verlag
von Breitkopf £5 Hartel in Leipzig
und Max Hesses Verlag in Berlin
Siegmun& uon loaueegger
Buchausstattung : Walter Tiemann, Leipzig
Bilder: S.v.Hausegger: BildArchiv Allg. Mus.*Ztg. -W.Egk: U. Schreiber, Rom
Elly Ney: Foto*Ellinger, Salzburg -JohannNepomukDavid: E. Hoenisch, Leipzig
Helmut Brautigam : F. Reinhard, Leipzig
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, ist nicht gestattet
Druck von Breitkopf £5 Hartel in Leipzig
Eum ©eleit
Das Jahrbuch der deutschen Musik will erstmalig die
Lage des deutschen Musiklebens, wie es sich seit der
Machtergreifung des Nationalsozialismus geformt hat,
widerspiegeln. Es durftekeinNachteil sein, dab mit diesem.
Uberblick zehn Jahre gewartet worden ist, bis sich die
neuen Konturen starker abgesetzt haben und die Krafte
organisch sich entwickelnkonnten, wiewohi die Kriegsbe^
dingungen dem neuen Bilde nun auch schon eindrucks^
voll aufgepragt worden sind. Das sich so darstellende
Zeitgemalde strahlt in stolzer Schau die unbeugsamen
Geisteskrafte auch auf tonkiinstlerischemGebiet imGrofi^
deutschen Reich und die Blute unseres musikalischen
Schaffens wie Nachschaffens wieder. Mogen die nachsten
Jahrgange diese Uberschau, die in vielem an das Deutsche
Musikjahrbuch von Rolf Cunz ankniipft, immer noch
reicher entwickelt zeigen. Manches Thema bleibt ihnen
vorbehalten, das nicht den ersten Jahrgang iiberlasten
durfte.
Dr. Drewes
Pormort
Der vorliegende Versuch, eiiV „Jahrbuch der deutschen Musik" zu
gestalteri, ist nicht der erste. Der Gedanke seiner Verwirklichung lag
eigentlich schon immer nahe. Wenn er trotz der wirtschaftlichen Er*
schwerungen der Kriegszeit, von beiden beteiligten Verlegern unab?
hangig geplant, nunmehr gemeinsam in die Tat umgesetzt wird,
so unter'streicht dies das iiberall bestehende Bediirfnis, den jeweils
erreichten Stand der deutschen Musikpflege und der musikalischen
Kultur iiberhaupt alljahrlich chronikartig festzuhalten und iiber die
Arbeit der Musikschaffenden Rechenschaft abzulegen.
Vermieden wurde jede Art trockener Aufzahlung, rein zahlen*
maBiger Statistik und lebloser Tabellen. Das Jahrbucb soil vielmebr
einen lebendigen Querschnitt durch das deutsche Musikleben in seiner
vielgestaltigen Auswirkung bieten und das Wirken aller schaffenden
Krafte eindringlich schildern; Errungenes und Erreicbtes soil mitge*
teilt, Ziele, Hoffnungen und Zukunftsplane,sollen dargelegt werden.
Angesicbts der Fiille des StoiFes und des begrenztenRaum.es muBte
manches wichtige und interessante Gebiet unberiicksichtigt bleiben.
ImWechsel der Jahrgange soil alles an die Reihe kommen, was fiir den
Bestand des deutschen Musiklebens von wirklicher Bedeutung ist. Ein
i.Jahrgang wird nie gleich eine Ideallosung darstellen! Der Heraus*
geber wird-daher fiir anregende Mitarbeit und fordernde Vorschlage
nur dankbar sein.
Bei der Beschaffung der Beitrage unterstiitzten micb Herr Professor
Dr. Hans Joachim Moser, Referent in der Abteilung Musik des
Reichs*Propaganda*Ministeriums, und Herr Albert Dreetz, Minister
rialreferent in der PresseAbteilung der Reichsregierung; beiden
Herren sei dafiir herzlichst gedankt.
Leipzig, Dezember 1942 Der Herausgeber
Unljolt
Seite
Heinz Drewes: Geleitwort 3
Vorwort des Herausgebers 3-
Die Toten des Jahres 9
Riickschau auf das Berichtsjahr 13
I. Gedenktage und besondere Ereignisse 1 3
II.- Urauffiihrungen 17
III. Neugriindungen 19
Hans Joachim Moser : Von der Steuerung des deutschen
Musiklebens .22
AlfredMorgenroth: Aus der berufsstandischen Selbstverwaltung 2 7
Eberhard von Waltershausen : Die Musikarbeit des Haupt*
kulturamts der NSDAP 42
Walter Lott : Neuerscheinungen von Bedeutung 43-
Generalmajor Paul Winter: Musikpflege in derWehrmacht 53-
Gotthold Frotscher : Hitlerjugend musiziert! /9
Maria Ottich : Die Musikarbeit der NS i Gemeinschaft „Kraft
durcb Freude" 61
Walde mar Rosen : Deutscbland im europaischenMusikaustausch 64
Eugen Schmitz : Deutsche Musikforschung im Kriege 71
Hans Joachim Moser : Von der Tatigkeit der Reichsstelle
fiir Musikbearbeitungen 78
Leo Ritter : Die Arbeit der STAGMA im Kriege 83
Fritz Chlodwig Lange : Von der Oper der Gegenwart 89
Seite
Hans Joachim Moser : Das MozartsBild unserer Zeit 94
Wi 1 h e 1 m Zentner: Siegmund von Hausegger no
Karl Laux : Werner Egk 122
Karl Hoi! : Die Musikerin Elly Ney 129
Fritz Oeser: Johann Nepomuk David 134
Gerhard Berger : Helmut Brautigam 14J
Fritz Stege : Der deutsche Rundfunk im dritten Kriegsjahr iji
Fritz Heitmann : Die Orgel - das Instrument unserer Zeit 157
Hellmuth von Hase: Ober die Einbiirgerung neuerWerke
im Konzertsaal 163
Albert Dreetz: Verpflichtung zur Kunstbetrachtung 170
Benno von Arent : Realismus und Illusion im Biihnenbild 173
Harald Kreutzberg : Der Tanzer als Gestalter 179
Herbert Windt: Warum Musik im Film? 182
Aus deutschen Musikverlags'Archiven 184
I. Oswald Schre.nk: Aus dem Archiv des Musikverlages
Ed. Bote 6 G. Bock 1 84
II. Wolfgang Schmieder: Mozart*Dokumente im Archiv
von Breitkopf & Hartel 187
III. Erwin Kroll : Aus der Geschichte des Musikverlages
Robert Lienau 192
Besprechungen 194
Musikalische Gedenktage 1943 , 202
Musikalischer Kalender fur 1943 206
Anzeigen 212
Mt SCoten ties 3abrt8
Oktober 1941 bis September 1942'
ffit acutfd)!ani)8 f teiljdt ftatben Den !5ciDentoU
Freimut Balthasar
Erster Dirigcnt des Leipziger Arzte<Orchesters
Dr. Herbert Birtner
Professor der Musikwissenschaft in Graz
Helmut Brautigam
Einer der begabtesten Komponisten der jungen Generation
Gottfried Gallert
Organist und Chorleiter der St. Nikolai»Kirche zu Flensburg
Wolfgang Hiltscher
Kantor der Friedenskirche zu LeipzigsGohlis
Dr. Joachim Huschke
Musikschriftsteller und Kunstberichterstatter
Helmut Jorns
Dozent an der Hochschule fiir Lelirerbildung in Elbing
Dr. Giinther Lehmann
Junger Musikwissenschaftler
MaxNahrath
Hoffnungsvollcr junger Nachwuchspiunist
Gerh arcl N o w o 1 1 n y
Komponist, Musikreferent der Reichsjugendfiihrung
Ulrich Roller
Biihnenbildner an der Berliner Staatsoper
Walter Zollner
Organist der NikolaisKirche zu Leipzig
3m Beridjtsjafjte ftorben
Luigi Amodio
Erster [Clarinettist am Orchester der Mailander Scala
Emil Burgstaller
Komponist von Mannerchoren und gemischten Choren
Eva Chamberlains<Wagner
Tochter Richard Wagners und Cosimas, Witwe H. St. Chamberlains
Henry de Curzon
Franzosischer Musikgelehrter
Georg Dohrn
Langjahriger Leiter des Breslauer und des schlesischen Musiklebens
Friedrich Diirauer
Intendant des Stadtorchesters „Wiener Symphoniker"
Paul Alexander Ehlers
Leiter der Pressestelle der Bayrischen Staatoper
; Elisabeth Feuge
Kammersangerin, Mitglied der Bayrischen Staatsoper
Clemens von und zu Franc kenstein
Komponist, Generalintendant a. D.
Friedrich Gehmacher
Altprasident der Stiftung „Mozarteum"
Paul Gilson
Flamischer Tondichter
Karl Eduard Goepfart
Komponist, ehemaliger Kapellmeister in Weimar
Marie Gotz*GroBe
, Opernsangerin und Gesangspadagogin
: Grafin Blandina Gravina
Tochter Cosima Wagners aus der Ehe mit Hans von Bulow
Gerhard H e k k i ng
Niederlandischer Cellist, Professor am Pariser Konservatorium
JosefHosl
Kammervirtuos, Geiger, Fiihrer eines Streichquartetts ,
Robert Hutt
Kammersanger, Mitglied der Berliner Staatsoper
Hans Keller
Kammersanger, Intendant des Stadttheaters in Kaiserslautern
Wilhelm Kienzl
der Komponist des „Evangelimann"
Heinz Joachim K or ner
Dirigent des Kolner Hochschulorchesters
Eduard Kupferschmidt
Ehrengauchorleiter des Sangergaues Sachsen<Anhalt
Robert Laugs
Staatskapellmeister und Chordirigent
Karl Liebleitner
Wiener Volksliedsammler
Pablo Luns
Spanischer Operetten* und Singspielkomponist
Robert Manzer
Generalmusikdirektor, langjahriger Letter des Karlsbader Kurorchesters
Herbert Marx .
Komponist und Musikwissenschaftler
Albert Meister
Yorsitzender des deutschen Sangerbundes
Ivo Muchvic
Kroatischer Komponist
Wilhelm Miiller
Miinchner, besonders durch seine Kinderlieder bekannter Komponist
Amadeus Nestler
Leipziger Konzertpianist und Begleiter
Felix Oberhoffer
Zweiter Kapellmeister am Staatstheater in Kassel
Arthur Von Oo st
Flamischer Komponist, Schiiler von P. Benoit und J. Blockx
Reinhold Oppel
Lehrer an der Staatlichen Hochschule fur Musik in Leipzig
Paul Papsdorf
Ehemals Buhnensanger am Deutschen Opernhaus in Berlin
Hans Paulig
Erster Kapellmeister am Opernhaus in Chemnitz
Panajot Pipkoff
Bulgarischer Komponist
Johannes Reichert
Komponist, Chordirigent und Musikerzieher
Gustav Richter
Altestes Mitglied und letzter Mitbegriinderdes Berliner
Philharmonischen Orchesters
Robert Ries
Stellvertretender Leiter der Fachschaft Musikverleger
Hanns Rohr
Chefdirigent der Philharmonie des Generalgouvernements
EmilvonSauer
Konzertpianist, Schiiler Franz Liszts
Hermann Schulken
Chorkomponist und Volksliedbearbeiter
Egon Siegmund
Konzertpianist und Ensemblespieler
Christian Sin ding
Der bekannte norwegische Komponist ■■(
Alfred Sittard
Orgelvirtuos, Direktor des Berliner Staats* und Domchores
Hugo von Steiner ,
Violavirtuos, Lehrer an der Wiener Staatsakademie fiir Musik
Thimotheos Xanthopoulos
Griechischer Komponist, Schiiler Anton Bruckners
Kudtfdjau auf Has Betidjtejaljr
(Oktober 1941 — September 1942)
I. Gedenktage und besondere'Ereignisse
1941
30. September bis 4. Oktober : Tagung des Zentralinstituts fiir Mozart*
Forschung in Salzburg.
Oktober : Das „Rudolphinum", die 1 876 bis 1884 erbaute Prager deut*
sche Kulturstatte, die 1919 bis 1938 dem tschechischen Staate als
Parlamentsgebaude diente, wird seiner urspriinglichen Zweckbe*
stimmung zuriickgegeben (unter anderem als Sitz der Deutscben
Musikschule der Hauptstadt Prag und als Konzerthaus),
Der Landesprasident in Prag verbietet die offentliche Auffiihrung
und mechanische Wiedergabe jiidischer Musik im Protektorat
Bohmen und Mahren.
Der President der Reichsmusikkammer ruft zur Spende von Noten
und Instrumenten fiir die deutsche Wehrmacht an der Front auf.
Die Liibecker Abendmusiken blicken auf ihr 30ojahriges Bestehen
zuriick.
22. Oktober: Professor Fidelio F. Finke, Direktor der Deutschen
MusikA-kademie in Prag, 3*0 Jahre alt.
2j. Oktober: Professor Dr. Georg Schumann, Direktor der Berliner
Singakademie, 7J Jahre alt.
31. Oktober: Professor Max Pauer/ Klaviervirtuos, 73- Jahre alt.
November: Schaffung einer Kulturkammer der Deutschen Volks*
gruppe in Rumanien.
7. November : Professor Paul Lincke, 7j Jahre alt.
18. November: Der Tag der deutschen Hausmusik wird im
ganzen Reich unter starkster Anteilnahme der Bevolkerung be*
gangen. Besondere Beachtung finden die fiir hausliches Musizieren
geeigneten Werke von W. A. Mozart. Salzburg Schwerpunkt der
offentlichen Veranstaltungen.
23. November: Der spanische Komponist Manuel de Falla 6j Jahre
alt.
28. November bis 3'. Dezember: Mozart*Woche des Deutschen
13
Reiches in Wien unter Schirmherrschaft von Reichsminister
Dr. Goebbels und Reichsstatthalter Baldur v. Schirach. Feierliche
ErofFnung dutch den letzteren. Reprasentative Auffuhrungen von
Werken aus alien SchafFensgebieten des Meisters. Wilhelm Furt*
wangler dirigiert das Requiem. Eindrucksvolle Kulturkundgebung
miteiner Festrede von Reichsminister Dr. Goebbels.
Dezember : Die Vereinigte Musikalische und Singakademie in Kdnigs*
berg feiert ihr 7jjahriges Bestehen.
j. Dezember: ijo. Wiederkehr desTodestages vonW.A. Mo<
zart. VeranstaltungenvonMozartTestwochenoderfestlichenAuff
fiihrungen einzelner Werke in alien wichtigen Orten des Reiches
und in zahlreichen Stadten der europaischen Lander.
6. Dezember : Professor Karl Adolf Martienssen, Klavierpadagog,
60 Jahre alt.
16. Dezember: iojahriges Bestehen des NS<Symphonie<Orchesters in
Munchen.
27. Dezember: 100. Geburtstag des BactuBiographen Philipp Spitta.
1942
Januar : 40 jahriges Bestehen des Berliner Sangerbundes.
Griindung eines Deutschen Theaters in den Niederlanden, Er6fF<
nung Spielzeit 1942/43.
8. Januar bis 8. Februar: Deutsches Op erngastspiel in Barcelona.
Aufgefiihrte Werke : Rosenkavalier, Tristan und Isolde, Walktire,
Parsifal.
1 1 . Januar : Professor Dr. h. c. Paul Graener, Mitglied der PreuBischen
Akademie der Kiinste, 70 Jahre alt.
14. Januar: Beethovens „Fidelio" zum ersten Male in der Turkei auf*
gefiihrt (Ankara).
23. Januar: Martin Frey, Musikpadagog und Komponist, 70 Jahre alt.
26. Januar bis 1. Februar: Deutsctwspanisches Musikfest in Ma*
drid und Bilbao. Generalintendant Dr. Heinz Drewes verkiindet
die jahrliche Wiederholung des 1941 erstmalig abgehaltenen
Deutsch^spanischen Musikfestes in Bad Elster.
4. Februar: Der iinnische Komponist Yr jo Kilpinen jo Jahre alt.
8. Februar: 200. Geburtstag von Aadri Erneste Modeste Gr6try.
12. Februar: Eihsetzung eines niederlandischen Kulturrates durch
Reichsminister SeyBdnquart.
22. Februar: i2j. Geburtstag von Niels W. Gade.
14 •
Kj-Februar: ijo. Todestag von Gioacchino Rossini.
Marz: Verbot der Herstellung, Verbreitung und Auffiihrung musika*
lischer Werke von Autoren der Vereinigten Staaten von Amerika.
2. Marz: 7j-jahriges Bestehen des Augsburger Oratorien*Vereins.
14. Marz: 40jahriges Bestehen des Bruno Kittelschen Chores in Berlin,
Reichsminister Dr. Goebbels verleiht ihm den Namen „Deutscher
- Philharmonischer Chor (Bruno KittebChor)".
ij. Marz: 100. Todestag von Luigi Cherubini.
Professor Dr. Gustav Havemann 60 Jahre alt.
18. Marz: Der italienische Komponist Francesco Malipiero 60 Jahre alt.
19. Marz: Opernkapellmeister Robert Denzler jo Jahre alt.
22. Marz: Karl Maendler, Erbauer eines Bach*Klaviers, 70 Jahre alt.
23. Marz: Ludwig HeG, Sanger und Komponist, 6j Jahre alt.
24. Marz : Gino Marinuzzi, Dirigent, 60 Jahre alt.
28. Marz bis 23. April : Jubilaumsfeier der Wiener Philharmoniker aus
AnlaB ihres loojahrigen Bestehens.
April: Staatsschauspieler Paul Hartmann zum Prasidenten der Reichs*
Theaterkammer ernannt.
2. April: Rudolf Bockelmann, Heldenbariton, jo Jahre alt, ,
4. April: Professor Dr. Wilhelm Altmann 80 Jahre alt.
y. April: Konzertsanger Rudolf Watzke jo Jahre alt.
8. April: 2 jo. Geburtstag von Giuseppe Tartini.
Professor Eduard Behm, Komponist, 80 Jahre alt.
10. April: Griindung der Deutschen Sibelius^Gesellschaft. Pra<
sident Generalintendant Dr. Drewes.
Victor de Sabata, Dirigent, jo Jahre alt.
2 1 . April : Kirchenmusikdirektor Richard Fricke 6j Jahre alt.
26. April: Professor Hertha Dehmlow, Gesangspadagogin, 63- Jahre alt.
27. April: loojahriges Bestehen des Kolner Mannergesang'Vereins,
dem die Goldene Zelter^Plakette verliehen wird.
Mai : Achte Mai*Festspiele in Florenz.
6jjahriges Bestehen des Berliner Philharmonischen Orchesters.
i jojahriges Bestehen des GieBener Konzertvereins.
1 . Mai : Der schwedische Komponist Hugo Alfven 70 Jahre alt.
11. Mai: Hofrat Professor Dr. Josef Marx 60 Jahre alt.
13. bis 17. Mai: Salzburger Kulturtage der Hitlerjugend. Darbietun*
gen unter dem Motto „Musik fur Jugend und Volk".
17. Mai: Franz Meyer*Ambros, Komponist, 60 Jahre alt.
20. Mai : Wiederbeginn der Kurse des Deutschen Musikinstituts fur
Auslander.
' ■ : 15 "
22. Mai: 70. Wiederkehr des Tages der Grundsteinlegung zum Fest>
spielhaus in Bayreuth.
29. Mai: 100. Geburtstag des Komponisten Karl Millocker.
13. bis. 13-. Juni: Tagung des Standigen Rates fur die internationale
Zusammenarbeit der Komponisten in Berlin. Richard StrauB als
Prasident wiedergewahlt. Gerhart v. Westerman Generalsekretar
des Prasidenten und Delegierter des Reiches, Emil v. Reznicek und
Werner Egk weitere deutsche Delegierte.
13. bis 18. Juni: Kulturkundgebung der europaischen Jugend in Wei/
mar. Wertungsspiele des Solistennachwuchses im Rahmen der
KongreBarbeit. •
18. Juni: 100. Todestag des mit Beethoven befreundeten Musikver*
legers Tobias Haslinger.
22. Juni: Tagung des Deutschen Fachbeirates im Internationalen Rat
fur Sing* und Sprechkultur in Wiirzburg.
E. v. Telmanyi, Violinvirtuos, jo Jahre alt.
23. Juni: Universitatsprofessor Dr. Hermann Stephani, Komponist,
6/ Jahre alt.
Juli: Berliner Kunstwochen 1942.
2. bis j. Juli : Studentische Tage deutscher Musik in Salzburg.
j. bis 10. Juli: Deutsch*spanisches Musikfest in Bad Elster.
9. Juli bis 16. August: Bayreuther Festspiele fiir Soldaten und Rii*
stungsarbeiter. Auffiihrungen : „Der fliegende Hollander", „Got>
terdammerung", „Der Ring des Nibelungen".
12. Juli: Professor Dr. Eugen Schmitz, Letter der Musikbibliothek
Peters, 60 Jahre alt.
13. Juli: Konzertsanger Professor Karl Erb 63- Jahre alt.
26. Juli : Professor Albert Fischer, Konzertsanger und Gesangspadagog,
60 Jahre alt.
Professor Philipp Jarnach 3-0 Jahre alt.
27. Juli: Der ungarische Komponist und Dirigent Ernst v, Dohnanyi
6 j Jahre alt.
29. Juli: Musikdirektor Fritz Lubrich der Altere 80 Jahre alt.
August : Kurse des Deutschen Musikinstituts fiir Auslander in Leipzig,
Potsdam, Salzburg und Wiesbaden.
3. bis 30. August: Salzburger Festspiele fiir Soldaten und Riistungs*
arbeiter. Opernauffiihrungen : „Figaros Hochzeit" und „ Arabella".
Oberleitung Professor Clemens KrauB.
7. August: Der rumanische Komponist Georges Enescu 60 Jahre alt
16. August: Geheimer Rat Professor Dr. Siegmund v. Hausegger
6 j Jahre alt.
16
27 August: Umberto Giordano, Opernkomponist, ij Jahre alt.
i. bis 7. September: Kriegsmusikwoche 1942 des Warthegaues im
Zeichen Pfitzners.
2. September: Josef Szigeti, Violinvirtuos, jo Jahre alt.
4. September: ioojahriges Bestehen des Mozart'Denkmals in Salz>
burg,
j. September : Professor Max Saal, Harfenist, 60 Jahre alt.
7. bis 13. September: Achtes intemationales Musikfest und Kompo*
nistentreffen in Venedig.
9. September: Bruno Sturmer, JComponist, jo Jahre alt.
26. September: Alfred Cortot, Klaviervirtuos, 6j Jahre alt.
26. bis 29. September: Finnische Musiktage in Wiesbaden.
27. September: Professor Elly Ney 60 Jahre alt.
II. Urauffuhrungen in deutschen . Konzertsalen
a) Reine Orchesterwerke
Abendroth, Walter: Symphonic Dresden.
Badings, Henk : Suite nach altniederlandischen Volksliedern. Miin«
chen.
Berger, Theodor : Ballade. Berlin.
Bongartz, Heinz: Serenade, Nocturne und Scherzo. Saarbrucken.
Cernik, Willy : Riibezahl, symphonische Dichtung. Liegnitz.
David, Johann Nepomuk : Partita Nr. 2. Bremen.
Symphonie Nr. 3. Berlin.
EckhardfeGramatte, Sonja: Symphonie. Breslau.
Degen, Helmut: Hymnische Feiermusik. Mannheim.
Gerster, Ottmar: Hanseatenfahrt. Remscheid.
Graener, Paul: Wiener Symphonie. Berlin.
Grimm, Hans : Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph
Rilke. Danzig.
Heiduczek, Alois: Musik fur Streicher. Beuthen.
Hamann, Bernhard: Orchesterstiick. Bremen.
Hammer, Karl: Praludium und Doppelfuge. Berlin.
Variationen und Fuge iiber ein Thema von Schubert. Zwickau.
Heger, Robert : Dramatische Ouvertiire. Breslau.
Hoffer, Paul: Symphonische Variationen iiber ein Thema von Bach.
Hannover.
Ingenbrand, Josef: Parabello. Bochiim.
Karthaus, Werner: Symphonie Nr. 2. Remscheid.
17
Kauffmann, Leojustinus: Symphonic StraBburg.
Kern, Frida: Symphonische Musik. Linz.
Klenau, Paul v. : Nordische Symphonie Nr. 6. Dresden.
Knaack, Karl : Symphonisches Vorspiel. Aachen.
Komma, Karl Michael: Orchesterkqnzert. Prag.
Leonhardt, Otto : Symphonie Nr. 7. Remscheid.' -
Marx, Joseph: Nordland* Rhapsodic Wien.
Meyer, Karl Walter: Festliche Musik fiir Streicher und Pauken. Ko*
nigsberg. , ' ' <
Zwei kultische Tanze. Konigsberg.
Peeters, Emil: Symphonische Musik Nr. 2. Bochum.
Petzold, Rudolf: Musik fiir Streichorchester: Koln.
Richter, Gotthold Ludwig: Op. 22, erste Symphonie (C). Kattowitz.
Rottger, Heinz : Symphonie. Breslau.
SchwarzfSchilling, Reinhard : Orchester*Konzert. Rostock.
Sehlbach, Erich : Fantasie Nr. 2. Remscheid.
Senfter, Johanna: Symphonie Nr. 6. Hagen.
Simon, Hans: 2. Symphonie. Darmstadt.
Stark, Willi: Symphonie. Mannheim.
Stieber, Hans : Symphonie. Leipzig.
Stover, Walter : Drei Orchesterstiicke. Bremen.
Striegler, Kurt: Symphonie. Dresden.
Trapp, Max: Allegro deciso. Breslau.
Trunk, Richard: Op. 7j Divertimento. Mannheim.
Vogt, Hans: Concerto grosso. Oldenburg.
Wibral, Paul : Drei Orchesterstiicke. Mulheim a. R.
b) Orchesterwerke mit Soloinstrumenten
Anders, Erich : Violoncellkonzert. Liegnitz.
Anton, Max: Oboekonzert. Hagen.
Berger, Theodor: Duo fiir Violine und Violoncell. Frankfurt a. M.
Bialas, Gunther : Bratschenkonzert. Breslau.
Degen, Helmut : Violoncellkonzert. Ludwigshafen:
Flossner, Franz: Op. 10, Divertimento fiir Klavier und Orchester.
Wiesbaden.
Violoncellkonzert. Wiesbaden.
Hamann, Bernhard: Violoncellkonzert. Bielefeld-
Hochstetter, A. C. : Violoncellkonzert. Wien.
Holler, Karl : Violoncellkonzert. Berlin.
Hasse, Karl : Klavierkonzert. Weimar.
18 '•'■'■'■■
Hoffer, Paul: Klavierkonzert. Diisseldorf.
Ktister, .Herbert: Klavierkonzert. Altenburg.
Lederer, Josef: Violinkonzert. Liegnitz.
Munch, Gerhart: Capriccio varlato fiir Klavier und Orchester. Augs*
burg. . •
Schroeder, Hermann: Violoncellkonzert. Miilheim.
Sehlbach, Erich : Concertino fiir Flote. Remscheid.
. c) Gesangswerke
Ernst, Robert: Das Kalendarium (mit Tenorsolo). Schwerin.
Gabriel, Richard: Deutschland, du ewiges Feuer. Kantate. Stettin.
Hessenberg, Kurt: Fiedellieder. M.*Gladbach.
Hoes din, Franz v. : Japanischer Liederzyklus. Mannheim.
Kelling, J. : Vom ewigen Werden. Oratorium. Remscheid.
Reidinger, Friedrich: Gotische Messe. Wien.
Schubert, Heinz : Praludium und Fuge fiir Sopran und Streicher.
Miinchen.
Vom JUnendlichen. Rostock.
Wunsch, Hermann: Deri Gefallenen. Berlin.
Zwissler, Karl Maria : Kantate. Mainz.
Diese 7} Urauffuhrungen verteilen sich auf nachstehende Stadte
wie folgt :
Je 6 Berlin und Remscheid (!) — j Breslau — 4 Mannheim - je }
• Bremen, Dresden, Liegnitz und Wien - je 2 Bochum, Hagen i. W.,
Konigsberg, Miilheim a. R., Miinchen, Rostock, Wiesbaden und
Zwickau - je 1 Aachen, Altenburg, Augsburg, Beuthen, Bielefeld,
Danzig, Darmstadt, Diisseldorf, Frankfurt a. M., Hannover, Katto*
witz ,Koln, Leipzig, Linz, Ludwigshafen, Mainz, M.*Gladbach, Olden*
burg, Prag, Saarbriicken, Schwerin, Stettin, StraBburg, Weimar. ;
III. Neugrundungeri
a) Gesellschaften, Institute, Archive
Berlin: Berliner Hausmusikkreis irii Rahrrien der Landesmusikkam*
mer als Beratungsstelle fiir Laienmusiker.
Breslau'. Niederschlesisches Landesarchiv fiir Volksmusik (Leiter:
Dr. Feldmann) beim Musikwissenschaftlichen Seminar der Uni*
versitat. .
2 * ■.' 19
Essen: Vereinigung „Freunde zeitgenossischer Musik" (Leitung: An.-
ton Hardorfer).
Flensburg: Stadtisches Theater* und Musikarchiv.
GieBen: Arbeitsgemeinschaft „Universitat und Theater". f
Gorlitz: Stadtisches Musikarchiv.
Koln: Kolner Musikarchiv beim Musikwissenschaftlichen Institut der
Universitat.
Mai land: Lehrstuhl fur VerdiTorschung.
Miinster: Musikstudio fur Fachleute und Liebhaber zwecks Ver*
tiefung und Erweiterung der musikalischen Bildung, vor allem in
Bezug auf das zeitgenossische Musikschaffen.
Neu*Strelitz: Theatermuseum.
Prag: Deutsche Musikgesellschaft.
PreBburg: Staatliches Institut fur das slowakische Volkslied an der
PreBburger Universitat.
Rom: Lehrstuhl fur die „plurichromatische Harmpnie" an der Aca*
demia di Santa Cecilia.
St r aB b ur g : Arbeitskreis fur alte Musik.
Thiiringen: 60 Kunstgemeinden in mittleren und kleinen Stadten
des Gaues Thiiringen.
Weimar: Amtliche Stelle fiir Musikdenkmaler^Pflege beim Tbii*
ringischen Volksbildungsministerium.
b) Orchester, Kammermusik*Vereinigungen, Chore
Berlin: Deutsches Tanz* und Unterhaltungsorchester (Leitung : Franz
Grothe und Georg Haentzschel). - Gemischter Chor „Der neue
Chor" in Verbindung mit dem Arzte* und Rechtswahrer*Orchester
Berlin (Leitung Dr. Julius Kopsch). - Blaser^KammerJvlusikveri'
einigung der PreuBischen Staatsoper.
Bochum: Kammerorchester aus Mitgliedern des Bochumer Stadti*
schen Orchesters.
Bruck(Mur): Stadtisches Symphonie*Orchester.
Chemnitz: Stadtischer Chor (Leitung: Paul Geilsdorf).
Essen: Kammerchor „Brahms«Bund Essener Sangerinnen" (Leitung:
Dr. Ernst Reichert). - HJ*Chor (Leitung: Jo Gromann).
Flensburg: Streichquartett unter Fuhrung von KonzertmeisterHorst
Krause.
Gelsenkirchen: HalfmannshofTrio (Karl Glaser, Violine; Jiirgen
Gildemeister, Violoncell; Walter Dignas, Klavier).
Hamm: Westfalisches Stadte<Orchester unter Musikdirektor Ecca*
20
rius zur Bespielung von i) westfalischen Stadten. - Stadtischer
Mannerchor.
Jena: Streichquartett Herbert Heidemann.
Konigsberg: Streichquartett unter Fiihrung von Konzertmeister
Peter Esser.
Mannheim: Mannheimer Kammer*Trio (Renate Noll, Cembalo;
ErnstHoenisch, Viola d'amore ; Dr. Herbert Schafer, Viola da gamba).
Metz: Knabenchor. Leiturig: Prof. Nilius.
Minden: Stadtisches Orchester.
Warschau: Deutscher Volkschor.
c) Schulen und Kurse
B r eme n : Konservatorium (Meisterkl. )anderNordischenMusikschule.
Budapest: Musisches Gymnasium nach deutschem Vprbild am Na*
tionalkonservatorium.
Danzig: Opern* und Chorschule an der Gaumusikschule Danzig*
WestpreuBen.
Dresden: Opernchorschule und Ausbildungsstatte fur Tanz am
Konservatorium. der Landeshauptstadt.
Florenz: Staatliche Opernchorschule am Teatro Communale.
Frankfurt a. M. : Kurse in sinngemaBer Ausfiihrung zeitgenossi*
scher Kammermusik an der Staatlichen Hochschule fiir Musik.
Hamburg: Musikschule der Hitler*Jugend.
Hannover: Musikschule der Hitlerjugend.
Kassel: Theaterschule am Konservatorium und Musikseminar.
Koln: Kiinstlerisches Priifungsamt der Fachrichtung Musikerzieher.
Leipzig: Hochschule fiir dramatische Kunst.
Miinchen: Opern«Chorschule der Bayrischen Staatsoper.
Posen: Musikschule fiir Jugend und Volk.
Prag: Abteilung fiir Schulmusik am Hochschublnstitut fiir Musik
an der Deutschen KarlssUniversitat.
St. Andra (Karnten): Orchesterschule mit Schiilerheim.
StraBburg: Theater*Chorschule.
Tarnowitz: Musikschule fiir Jugend und Volk.
Teplitz*Schonau: Ludwig van Beethoven*Musikschule.
Troppau: Carl voA DittersdorfMusikschule.
Wanne*Eickel: Musikschule fiir Jugend und Volk.
Weimar: Theaterschule als Bestandteil der Staatlichen Hochschule
fiir Musik.
Zschopau: Musikschule fiir Jugend und Volk.
21
Hans Joachim Moser
Eon tier Steuerung ties tieutftfjen fl&ufifclebeitB
Das deutsche Musikleben ist ein besonders wichtiger, ja infolge der •
Hochstbegabung unseres Volkes fiir Musik einzigartiger Teil des
deutschen Kulturlebens. Dadurch sind seine Antriebe ungemein rege,
aber (wie bei jedem hochentwickelten Organismus) seine Bestandteile
auch entsprechend zart und reizempflndlich. Die Aufgaben des totalis
taren Staates sind durch solche Artung von vornherein weitgehend
bestimmt: hier tut weniger Impuls not als Schutz der Schwachen und
Lenkung der Starken, damit die hier wie in allem Leben lauernden
Zersetzungskeime nirgends Macht gewinnen; verwendet man das Bild
eines SchLffes, so braucht es nicht Feuerung, sondern Steuerung, und
dies mit sach* und fachkundigster Hand. Fiir die tonkiinstlerischen
Dinge allgemeiner Art ist die Musikabteilung des Reichsministeriums
fiir Volksaufklarung und Propaganda zustandig, iiber deren Arbeit
hier gesprochen werden soil; fiir die standischen Belange der Kiinstler, '
Laienmusiker und einschlagigen Wirtschaftsgruppen besteht die
Reichsmusikkammer als Teil der Reichskulturkammer - iiber ihre
Tatigkeit wird gesondert berichtet werden. Da der Reichspropagandaj
minister zugleich Prasident der Reichskulturkammer ist und ein un*
mittelbarer Dienstweg auch von der Musikabteilung zur Reichsmusik*
kammer besteht, ist voile Ubereinstimmung beider Einrichtungen
gewahrleistet. , ■ ■• '
Die Tatigkeit der Musikabteilung des Reichsministeriums furVolks*
aufklarung und Propaganda, die von Generalintendant und General*
musikdirektor Dr. Heinz Drewes geleitet wird, gliedert sich im wesent*
lichen in einen innerdeutschen und einen zwischenvolkischeri Dienst*
bereich. An der Spitze des ersteren steht begreiflicherweise die
fachliche Beratung des Ministeriums. Dann all jene zahllosen Falle, wo
Einsender von Gesuchen Rat und Hilfe begehren — bald geht es um
materielle Notlagen, fiir welche Abhilfe aus der Dr. Goebbels^Spende,
aus dem Kunstlerdank, aus eignen Abteilungsmitteln geschafft oder wo
durch Beratung, Aufklarung und Empfehlung weitergeholfen wird -
bis zu der Erledigung oft wunderlichster Eingaben von Erfindern,
Querulanten und Methodenaposteln. Naturgemafi gehoren zu dieser
22
eigentlich ministeriellen Verwaltiingstatigkeit auch viele Planungen
oder Aufsichtsfunktionen, iiber die sich ihrer Art entsprechend hier
nichts weiter ausfiihren laBt.
Zu den wesentlichen Gegenwartsaufgaben der Musikabteilung
zahlt die Bearbeitung von Personalfragen/ besonders insoferh, als es um
die Besetzung leitender Dirigentenposten im Musikleben der Gaue
und Stadte geht; hier wird nicht nur haung fachlicher Rat seitens der
Gauverwaltu'ngen, Oberburgermeister und Gemeinden eingeholt, son*
dern das Ministerium ist oft allein imstande, die Interessen mehrerer
Orte oder Gebiete gegeneinander abzuwagen und zum erwiinschten
Einklang zu bringen. So wurden in der Berichtszeit namhafte Diris
genten zumal in die Grenzlande und auf wichtige AuBenposten ver*
pflichtet, wobei nicht zuletzt versucht wurde - sachliche Eignung yor*
ausgesetzt - verdiente Frontkampfer an entsprechenden Snellen einzu*
setzen.. Ahnliche Probleme stellte die Neubesetzung wichtiger Chor*
leiterstellen, Konzertmeisterposten u. a. und vor allem die Erhaltung
des Bestandes unserer Kulturorchester, wobei es einen Ausgleich zwi*
schen den militarischen Notwendigkeiten und den kulturellen Auf?
gaben der betreffenden Institute, zu finden gait.
Aber es geht nicht nur um den Personenstand der Orchester, denen
obendrein vielfach Zuschiisse vom Ministerium aus bewilligt werden,
sondern auch um'die klangliche Leistungssteigerung. Das korinte ein*
mal durch Fortbildungskurse geschehen, wie sie z. B. fur bereits im
Dienst stehende Konzertmeister unter Professor Kulenkampff einge*
richtet wurden, zum anderen durch die Beschaffung besserer Instru*
mente. Seit der Inflationszeit und durch die Abwanderungen seit 193 J
ist die Anzahl altitalienischer Meistergeigen in Deutschland bedauer*
lich zuriickgegangen; manches brauchbare Spitzeninstrument wird
leider auch im Lande selbst durch Hortung dem Musikleben vorent*
halten. Durch' eine groBzugige Aktion hat der Herr Minister .eine
stattliche Anzahl hervorragender Geigen, Bratschen und Violoncelli
erwerben lassen, die jiingeren Violinvirtuosen und Mitgliedern nam;
hafter Kammermusikvereinigungen zur Verfugung gestellt worden
sind - ein bemerkenswertes Mazenatentum des Staats an seine Kiinst*
ler mitten im Kriege! Auch wurde der zeitgenossische Streichinstru*
mentenbau in Mittenwald durch Hergabe von Krediten neu be*
lebt, um beste Orchesterinstrumente zu erlangen, und mit der Aus*
arbeitung einer sehr billigen, aber guten „Volksgeige" ein Seitenstuck
zum Volksempfanger geschaffen; ein „Volksklavier" soil folgen. Auch
das Trautonium war in der Berichtszeit Gegenstand vielfacher Forde*
rung.
23
Daneben kam die Vokalmusik nicht zu kurz : fiir die Drucklegung
wichtiger Volksliedsammlungen und die Weiterfiihrung der groBen
HandehAusgabe wurden Beihilfen gegeben, Schallplatten und Schall*
aufnahmeverfahren unterstiitzt (hier freilich auch mancherlei unzeit*
gemaB gewordene Bestande ausgemerzt), Kongresse des Rats fiir Singen
und Sprechen veranstaltet und so versucht, das Feld der Gesangs*
erziehung neu zu bestellen.
Besondere Sorgfalt der Beobachtung und Pflege fand das Konzert*
leben hinsichtlich der Programme, wobei nicht zuletzt die der Ab*
teiliing nachgeordnete „Reichs-/Musikpriifstelle" sich gutachtlich wie
registrierend betatigte. Vor allem wurde hier darauf gedrungen, dem
zeitgenossischen Schaffen zu hinlanglichem Lebensraum zu verhelfen,
damit nicht mit ausschlieBlichen Klassikerkonzerten (einschlieBlich
Reger und StrauB) allzu bequem und trage der Gewohnheit ihr Zoll
gezahlt wird. Wenn zur Zeit auch die Diisseldorfer Reichsmusiktage,
die ausschlieBlich zeitgenossischer Musik gewidmet und durch die Ver?
leihung der nationalen Musik* und Kompositionspreise gekront waren,
im Kriege nicht veranstaltet werden konnen, so wurde doch bei zahh
reichen anderen Musikwochen die Steuerung im Sinn der wertvollen
Produktion der Gegenwart gehandhabt und vielerlei Anregung aus*
gestreut.
Die Aktion der Kulturorchester „Beschwingte Musik" wurde ebenso
wie diejenigen ,,Heitere Stunde am Nachmittag" und „Wehrmacht
spielt fiir die Heimat" in vielen hundert Veranstaltungen durchge?
fiihrt, um das Musikinteresse weitester Vo-kskreise zu fordern, und
sie alle fanden begeistertes Echo.
Auch die Betreuung des musikalischen Schrifttums ist Sache der
Musikabteilung, ob es sich um musikerzieherische oder biographische,
um asthetische oder gattungsgeschichtliche Themen handeln mag, ob
es die Vermeidung unerwiinschter Ausfiihrungen oder die Papier*
bewilligung gilt. Als Gutachter fungieren sowohl die Musikpriifstelle als
auch die Reichsstelle fiir Musikbearbeitungen, fiber deren Tatigkeit
auf S. 78 ff. ein gesonderter Bericht folgt.
Die Auslandsaufgaben der Musikabteilung sind vielfaltiger Art und
gewiB nicht weniger bedeutsam als die inlandischen ; sie erstrecken sich
sowohl auf die Ausstrahlung der deutschen Musik iiber die Reichs*
grenzen hinaus als auch umgekehrt auf die auslandischen Tonsprachen
und ihre Interpreten bei uns. NaturgemaB ist die Naehfrage des Aus*
lands nach deutscher Musik eine gewaltige. Da werden deutsche Or*
chester und Chore, deutsche Kammermusik*Vereinigurigen und
Vokal* oder Instrumentalsolisten, deutsche Musiklehrkrafte aus Nord,
24
Siid, Ost und West, selbst aus Japan, angefordert, bald durch fremde
Ministerien und Botschaften iiber das Auswartige Amt, bald seitens
der Musikreferenten bei unseren Propagandaabteilungen, dazu auch
Noten, Instrumente und Biicher. Da miissen Daten vereinbart werden,
urn Oberschneidungen zu vermeiden, da sind die Aufgaben der ein*
zelnen Korpersehaften gegenseitig abzustimmen, Programmwiinsche
und *vorschlage zu priifen, diePaB* und Devisennote der Kunstler nach
Moglichkeit zu erleichtern. Bald gait es in der Berichtszeit, alles mit
der „Japanischen Festmusik" von Richard StrauB Zusammenhangende
zu regeln, deren Entstehung von der Abteilung angeregt war und.
durch alle Entwicklungsstadien mitbetreut wurde, bald waren die deut*
schen Konzert'Programme fiir den Maggto Florentino oder die Bien*
nale in Venedig mit unseren italienischen Freunden zu besprechen,
eine Kammerorchesterreise durch den Balkan zu organisieren oder die
Fahrt der Berliner Philharmoniker u. a. nach Frankreich, Spanien, Pdr*
tugal durchzufuhren und propagandistisch zu unterstiitzen; die skan*
dinavischen Gebiete hatten Truppenbetreuungswiinsche, die neuen
Volksmusikschulen in den besetzten Ostgebieten brauchten LehrstofF*
beratung, in Paris wurden deutsche Opernmeisterwerke aufgefiihrt,
wozu Einfiihrungsvortrage erfordert wurden. Bald gait es ein Musiker*
jubilaum in Bukarest, bald einen musikalischen Personalfragenkreis in
Briissel oder den Niederlanden. Den Auslandsreferenten der Musik*
abteilung steht hierfiir die . „Auslandsstelle fur Musik" (Geschafts*
fiihrender Leiter Hans Sellschopp) zur Verfiigung.
Nicht weniger bunt und polyphon lauft die andere Sparte, die der
zwischenvolkischen Musikbeziehungen, ab, da yerstandlicherweise
vieles hier auf gegenseitigem Austausch beruht : wie unsere Kunstler
gastlich in alien Landern Europas aufgenommen werden, sehen wir
auch dortige Krafte (vom starkbesetzten Unterhaltungs^Ensemble und
Kulturorchester bis zum einzelnen Streichquartett oder Geigenstern)
mit Vergniigen bei uns, lernen wir durch sie doch auch fremde Musik*
literaturen kennen und schatzen. Da verlangt es eine behutsame Hand,
nicht alles in Berlin zu haufen, sondern auch die Wiinsche und Fas*
sungsmoglichkeiten anderer Musikstadte zu berucksichtigen, giinstige
Zeitpunkte zu erfassen und fiir Abwechslung besorgt zu sein. So
konnte die Musikabteilung gemeinsam mit der Nordischen Geselh
schaft eine eindrucksvolle Ehrung zum Gedachtnis des jiingstverstor*
benen norwegischen Altmeisters Christian Sinding durchfiihren. Dann
gait es etwa, nicht nur die ReichsJVlozartwoche zum ijo.Todestag
des Meisters in Wien zu organisieren, sondern auch die rund zwanzig
Abordnungen befreundeter und neutraler Nationen dort zu betreuen.
' 25
Ein Musterbeispiel des Kulturaustauschs bildeten im Berichts<Zeit*
raum die deutschfspanischen Musikbeziehungen : wir hatten iberische
Komponisten und Interpreten von groBem Namen wiederholt in Bad
Elster und Dresden zu Gast, und umgekehrt,wurden unsere Kiinstler
und Orchester in Madrid, Barcelona und Bilbao begeistert gefeiert.
Zu diesen zwischenvolkischen Beziehungen gehorte auch die Fort*
fuhrungderKammertonverhandlungen.. Keinen kleinenFaktor stellten
in diesem Zusammenhang die Potsdamer und Sajzburger Meisterkurse
des „Deutschen Musikinstltuts Rir Auslander" (Leitung Prof. Dr.
G. Schiinemann) dar. Die Angehorigen von 1 1 Staaten wurden hier
von fiihrenden deutschen Tonkiinstlern entscheidend in ihrer Ent*
wicklung vorangefiihrt und Folgten in dankbarer Aufgeschlossenheit
ihren hingebungsfreudigen Lehrern.
In Wiirzburg tagte der Deutsche FachausschuB des Internationalen
Rats fur Singen und Sprechen, der zu seiner Freude zahlreiche aus*
landische Fachgenossen als Redner in seiner Mitte sah. [
Dies alles konnen, wie es im Wesen der Sache ist, nur Stichproben, f.
Andeutuhgen und Hinweise auf eine umfassende Tatigkeit sein, die
sich ihrer Natur nach nicht nur durch Aktenverwaltung erledigt, son;
dern.ihre Resonanz einzig durch die voile Hingabe der beauftragteri
fachmusikalischen Personlichkeiten zu erzielen vermag von Mensch
zu Mensch, von Kunst zu Kunst, von Kiinstler zu Kiinstler.
Ob es darum ging, die Ausstellung der Mozart;Autographen inWien,
zu eroffnen, rednerisch die deutsch^spanischen und portugiesisch*deut«
schen Musikbeziehungen zu behandeln, oder anlaBlich des Busoni*
schen „Faust" in Florenz den italienischen Musikfreunden presses
maBig unsere deutschen Vorstellungen von einer Vertonung des
„Faust" nahezubringen, ob es die Jahrhundertfeier des Kolner Manner; ,
gesangvereins zu begehen gait oder die jurigen Komponisten in Stib
fragen Beratung heischten — . immer muBte eih seelisches Bekenntnis
abgelegt werden, um wirklich zu iiberzeugen.
Das Hauptereignis derBerichtszeit, dieReichs*Mozartwoche inWien,
hat in besonderem MaBe dafiir zeugen konnen, daB der Versuch einer
Steuerung auf der Habenseite kultureller Navigation verb ucht werden.
darf : es war nicht nur die Verbeugung vor dem unsterblichen Genius,
sondern das Gefiihl tiefen gegenseitigen Verstehens und einer Einig*
keit in den groBen Zielen, das die Vertreter so vieler Volker eines
besseren Europa auf deutschem Boden einte und begliickt empfinden -
lieB, wie uns nicht nur eine schier erdriickend groBe Erbschaft der
Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart und Zukunft im kiinst*
lerischen Bekenntnis weitgehend verbindet.
Z6 .■•.■■■.'■
Alfred Morgenroth
3u8 tier berufeftaniiifdjen Selbftocrujaltung
Arbeitsbericht der Reichsmusikkammer
Mit der Errichtung der Reichskulturkammer und ihrer Einzeb
kammern, von denen die Reichsmusikkammer die an Mitgliederzahl
groBte ist, hat der Nationalsozialismus sogleich nach der Macht*
ergreifung fiir alle Kulturberufe eine Forderung des Parteiprogramms
verwirklicht. Fiir die deutschen Musiker war damit in Erfiillung ge*
gangen, was dieWeitestblickenden unter ihnen seit vielen Jahrzehnten
ersehnt hatten: die Zusammenfassung aller am Musikleben Beteiligten
in einer standischen Selbstverwaltung. Wenn die vielen privaten Ver*
bande der Vergangenheit sich zumeist auf die Verfolgung wirtschafb
licher Sonderinteressen beschrankten und sich teilweise noch dazu
untereinander heftig befehdeten, so steht die Arbeit der Reichsmusik*
kammer von.Anfang an im Zeichen der unaufloslichen Schicksals*
verbundenheit aller musikalischen Berufe und ihrer gemeinsamen Ver*
antwortung vor der Nation. Hieraus ergibt sich ihr oberster Grundsatz,
bei samtlichen MaBnahmen, die sie zu treiFen hat, st'ets das kulturelle
Gesamtwohl voranzustellen. Wieweit sie mit ihm in Einklang stehen,
danach allein konnen sowohl die allgemeinen Pflichten und Rechte der
Mitglieder als auch die verschiedenartigen wirtschaftlichen Anspriiche
der einzelnen Berufsgruppen bemessen werden. Einen ganzen Berufs*
stand in dieser Weise einheitlichauszurichten und zu verwalten, ware
selbstverstandlich unmoglich, wenn seine Fiihrung sich nur auf die
Einsi'cht und freiwillige Unterordnung seiner Angehorigen stiitzen
konnte. Deshalb hat das Reichskulturkammer'gesetz den Kammern
weitgehende staatliche Machtbefugnisse eingeraumt. So steht dem
Prasidenten der Reichsmusikkammer das Recht zu, Bedingungen fiir
den Betrieb, die ErofFnung und SchjieBung von Unternehmungen auf
den Gebieten seiner Zustandigkeit' festzusetzen und alle wichtigen
Fragen dieser Gebiete durch Anordnungen und Vorschriften zu regeln.
Es kann hier nicht im einzelnen dargestellt werden, wie sich die num
mehr achtjahrige Anwenduiig dieses Rechtes fiir das deutsche Musik*
leben und seine Trager ausgewirkt hat; Soviel steht jedenfalls fest, daB
es der Kammer schon in den ersten Aufbaujahren gelurigen ist, den
vor 1933 in seiner Existenz aufs schwerste bedrohten Musikerstand
27
wieder in gesicherte Lebensverhaltnisse zu bringen und sein Ansehen
ebenso durch zielbewuBte Steigerung der fachlichen Leistungen wie
durcb die Ausmerzung ungeeigneter Elemente zu heben.
Selbstverstandlich hat auch hier der Krieg seine Rechte geltend ge*
macbt und nicbt nur in das Arbeitsprogramm, sondern auch in das
Organisationsgefiige eingegriffen. Wie zahllose Mitglieder der Kam*
mer steht ein groBer Teil ihrer Mitarbeiter, an der Spitze Heinz
Ihlert, ihr Mitbegriinder und Geschaftsfiihrer, unter den Waflen. So
muBte der Verwalturigsapparat radikal vereinfacht und auf ausschlieB*
liche Erfullung derjenigen Aufgaben umgestellt werden, die sich aus
den besonderen Notwendigkeiten der Kriegszeit ergeben. Der folgende
Bericht will versuchen, die Fiille dieser Aufgaben zu veranschaulichen,
indem er - unter moglichstem Verzicht auf rein organisatorische Ein*
zelheiten — die wichtigsten Ergebnisse der Kammerarbeit im letzten
Jahre zusammenfaBt.
Beginnen wir mit der Tatigkeit der Zentralverwaltung, die sich
in fiinf Abteilungen gliedert. Von hier aus wird der gesamte Verwal*
tungsapparat gelenkt, dessen tCernstiick die umfangreiche, das ganze
Reichsgebiet umfassende Mitgliederkartei darstellt. Alle Organisa«
tionsj, Haushalts* und Personalfragen der Kammer und ihrer Unter;
gliederungen, auch die Zulassungsverfahren und Abstammungs*
priifungen werden hier abschlieBend bearbeitet. Es liegt in der Natur
der Dinge, da8 mit der Dauer des Krieges die wirtschaftlichen An*
liegen der Mitglieder immer mehr in den Vordergrund der berufs*
standischen Betreuung geriickt sind. Dementsprechend hat die Arbeit
der Wirtschaftsabteilung im Berichtsjahre eine weitere Ausdeh<
nung erfahren, die hauptsachlich durch die zunehmenden kriegswirt*
schaftlichen Verbrauchsregelungen bedingt war. Zur Sicherstellung
des notwendigen Bedarfs an Berufskleidung erhielt die Kammer die
Berechtigung, in besonders dringlichen Fallen Befurwortungen zur
Ausstellung von Bezugsscheinen zu erteilen. Von den zahlreichen An*
tragen dieser Art konnten nach strenger Priifung ungefahr 900 zu*
stimmend entschieden werden. Die Herstellung und Instandsetzung
von Musikinstrumenten ist im Laufe des Jahres einschneidenden Be*
schrankungen unterworfen worden. Es muBten deshalb auch hier, urn
die wichtigsten Berufsinteressen zu wahren, Dringlichkeitsbescheini*
gungen eingefiihrt werden, die von der Wirtschaftsabteilung gepriift
und der Arbeitsgemeinschaft Reichsmusikkammer - Musikinstrumen*
ten*Gewerbe — zugeleitet werden, die dann im Benehmen mit den zu*
standigen Wirtschaftsorganisationen fur die gerechte Verteilung der
vorhandenen Bestande Sorge tragt. Die Mangellage auf diesem Gebiet
28
macht es jedem Musiker zur Pflicht, mehr denn je auf Sicherungen
gegen Verlust oder Beschadigung seines Instrumentes bedacht zu sein.
Die Kammer hat darum mit der Mannheimer Versicherungsgeselb
schaft einen allgemeinen Musikinstrumenten/Versicherungsvertrag ab*
geschlossen, der alien Mitgliederri gegen verhaltnismaBig geringe Ge*
biihren einen weitgehenden Schutz ermoglicht. DerWirtschaftsabtei*
lung liegt weiter die Priifung und Begutachtung samtlicher Devisen*
antrage ob, die von Musikverlagen und sonstigen der Kammer ange*
schlossenen kulturwirtschaftlichen Unternehmen, ebenso wie von den
vielen ins Ausland reisenden Kunstlern gestellt werden. Namhafte Bei* .
hilfen konnten teils aus kammereigenen Mitteln, teils in Form von
Zuschiissen der SoZialversicherungstrager bediirftigen Blaserri fiir
Zahnbehandlungen zur Verfiigung gestellt werden. Das neuerrichtete
Sonderreferat fiir die Betreuung kriegsversehrter Musiker wurde durch
Beihilfen gefordert, ebenso die Uhterstiitzungskassen der Fachschaften
„Musikalienhandler" und „Angestellte des Musikalienhandels". Fiir
Notstandszwecke aller Art, wie Sozialbeihilfen und Darlehen, Unter*
stiitzungen erwerbsunfahiger alter Musiker und Bombengeschadigter,
Bestattungs* und Hinterbliebenenfiirsorge, Instrumentengaben und
Weihnachtsspenden wurden wiederum erhebliche Aufwendungen ge*
macht. An der Durchfiihrung der Gemeinschaftshilfe der gewerb*
lichen Wirtschaft und der Gewinnabschopfung der freien Berufe Ver*
leger und Sortimenter war die Abteilung maBgeblich beteiligt.
In der Kulturabteilung werden alle diejenigen musikkulturellen
Fragen bearbeitet, deren Bedeutung iiber den Aufgabenkreis der ein*
zelnen Fachschaften hinausreicht. Hierher gehoren musikwissenschaft*
liche Dinge, Reformvorschlage aller Art, die Begutachtug von uner*
wiinschtem musikalischen Kulturgut, von Antragen auf Auszeichnungen
undEhrungensowielnstrumentenbeschaffungsmndStipendiengesuchen.
Gefade die letztgenannten, die nach wie vor in groBer Zahl bei der
Kammer eingehen, erforderri eine besortders sorgfaltige Priifung, da*
mit die vom Reich zur Verfiigung gestellten Unterstiitzungsmittel
wirklich nur wiirdigen Bewerbern zugute kommen, die in ihrem Fach
zu mehr als durchschnittlichen kiinstlerischen Leistungeh berufen er*
scheinen. Was die vorerwahnten Reformvorschlage und Erfindungen
betrilFt, so hat die Kammer im Kriege natiirlich Wichtigeres zu tun,
als sich mit Tuftlern und Phantasten auseinanderzusetzen, die den
Kampf gegen den BaBschliissel als ihren Lebensinhalt betrachten oder
die Menschheit mit ausgeklugelten Ton* und Notenschriftsystemen
begliicken wollen, ganz zu schweigen von den beharrlich wiederkehren*
den Entratselungen des altitalienischen Gesangsgeheimriisses oder ahn*
29
licher Pseudoprobleme. Urn so gewissenhafter wird alien emst zu
nehmenden neuen Anregungen nachgegangen, besonders wenn sie
kriegswirtschaftlich, wichtige Materialersparnisseund technische Ver*
besserungen, zum Beispiel an Musikinstrumenten und in der Noten*
herstellung, zum Ziele haben, In der Berichtszeit sind gerade auf die*
sen beiden Gebieten einige aussicbtsreiche Vorschlage zutage getreten.
Der Kulturabteilung war auch die Durchfuhrung der Noten* und In;
strumentenspende fiir die Wehrmacht iibertragen, zu der der President
der Reichsmusikkammer im Oktober 1941 alle deutschen Musiker und
. Musikfreunde auFgerufen hat. Dank der Unterstiitzung des Haupt*
kulturamtes der Reichspropagandaleitung und der regen Mitarbeit
aller beteiligten Dienststellen im Reich hatte dieser Appell den hoch*
erfreulichen ErFolg, daB viele Tausende von Musikinstrumenten und
riesige Mengen von Notenmaterial aller Art unser'en Soldaten an der
Front und in den Lazaretten zur VerFugung gestellt werden konnten.
Zahllose FeldpostbrieFe bezeugen, welche Freude und Begeisterung
diese von alien Kreisen des Volkes dargebrachte Dankesspende bei den
Empfangern hervorgerufen hat. Zu den weiteren Aufgaben der Ab*
teilung gehort die im Einvernehmen mit dem Prasidenten der Reichs*
kulturkammer erfolgende Erteilung von Auftrittsgenehmigungen,
die alle beruflich ins Ausland reisenden Kammermitglieder einzuholen
haben. Im verflossenen Jahre hat sich die schon vorher recht ansehn*
liche Zahl dieser Falle wiederum vermehrt, ein Beweis dafiir, daB im
Zuge der europaischen Neuordnung der zwischenstaatliche Kultur*
austausch eine immer starkere Belebung erfahrt. Seit Kriegsbeginn ist
der Kulturabteilung auch das Mob*Referat eingegliedert,' dem die
Begutachtung aller der Kammer yorgelegten Gesuche um Unabkomm*
lichstellung, Versetzung, Arbeits* und §tudienurlaub sowie Dienst*
verpflichtungs* und oentpflichtungsantrage obliegt. Soweit esdiewehr*
dienstlichen Erfordernisse erlauben, wird selbstverstandlich angestrebt,
daB die im Ehrendienst der Nation stehenden Mitglieder die Verbinv
dung mit ihrem Beruf und ihre spatere Wiedereinsatzfahigkeit riicht
verlieren. SchlieBlich sei noch das gleichfalls zur Kulturabteilung ge*
horige Presse* und Propagandareferat erwahnt, bei dem u. a. die Schrift*
leitung der .„Amtlichen Mitteilungen der Reichsmusikkammer" liegt.
Diese erscheinen zur Zeit altmpnatlich und enthalten auBer den An*
ordnungen und Bekanntmachungen der Kammer selbst alle Fiir ihren
GeschaFtsbereich wichtigen Erlasse und Verfugungen oberster Reichs*
behorden, des Sondertreuhanders der Arbeit fur die kulturschaffenden
Berufe und sonstiger Dienststellen. Grundlegende Anordnungen des
Prasidenten werden gleichzeitig im Reichsanzeiger sowie im Volki*
30
schen Beobachter veroffentlicht. Den Mitgliedern werden sie ebenso
wie alle iibrigen Verlautbarungen von allgemeinerer Bedeutung auBer*
dem durch die Fachpresse bekanntgegeben.
Die juristische Priifung und Formulierung nicht nur dieser Anord*
nungen, sondern iiberhaupt sa.ttitlicb.er grundsatzlichen Entscheidun*
gen der Kammer geht in der Rechtsabteilung vor sich. Hier wird
einerseits die tagliche Arbeit der iibrigen Abteilungen und Fach*
schaften nach der rechtlichen Seite hin unterbaut und anderersetts aus
deren Ergebnissen der juristische Extrakt gezogen. So vollzieht sich
mitten aus der Praxis heraus der Aufbau ernes neuen Musikrechts,
dessen wichtigste Fundamente die Reichskulturkammergesetzgebung,
dasGesetz iiber dasUrheberrecht anWerken derLiteratur undTonkunst
sowie das Gesetz iiber die Vermittlung von Musikauffiihrungsrechten
bilden. Durch Erstattung von Gutachten fur Gerichte, Behorden, die
Akademie fiir Deutsches Recht und die Stagma tragt die Abteilung
dazu bei, daB sich im. deutschen Musikleben eine einheitliche Recht;
sprechung entwickelt. Neben allgemeinen verwaltungsrechtlichen Fra*
- gen spielen hier die Urheberrechtsprobleme keine geringe Rolle, der
Schwerpunkt liegt aber bei der arbeits* und sozialrechtlichen Betreu*
iing der Mitglieder. Zur einschlagigen Beratung der nachschaffenden
Musiker sind deshalb in den groBeren Landesleitungen der Kammer
besondere R.echtsstellen eingerichtet worden, die in geeigneten Fallen
auch ProzeBvertretungen iibernehmen. Zu den weniger beliebten,
doch leider unerlaBlichen Aufgaben der Abteilung gehort schlieB?
lich die Durchfiihrung von Ablehnungs*, AusschluB? und Ordnungs;
strafverfahren.
Unter deri rechtsschopferischen MaBnahmen des Berichtsjahres
steht an allgemeiner Bedeutung die Anordnung iiber die Ausiibung
einer nachschaffenden musikalischen Tatigkeit vom 2}. April 1942
obenan. Sie bringt eine Reihe neuer Definitionen, die fiir das gesamte
Berufsrecht grundtegend sind. So wird hier z. B. dasWesen der musi*
kalischen Tatigkeit, unabhangig vori der Art ihrer Ausiibung, recht?
lich klar umrissen, ebenso der Begriffdes nebenberuflichenMusizierens.
Die zunachst vielleicht auffallig erscheinende begriffliche Unterschei?
dung zwischen „Musikern im Hauptberuf " und „Berufsmusikern",
die hier erstmalig durchgefiihrt wird, ist insofern praktisch bedeu*
tungsvoll, als zur Fiihrung der letztgenannten Bezeichnung nur solche
hauptberuflichen Musiker berechtigt sind, die eine ausreichende fach>
liche Vorbildung und Befahigung nachweisen konnen. Nur fiir diese
Gruppe von Kamrnermitgliedern gilt die wichtige Erleichterungsvor*
schrift in der 2. Durchfuhrungsverordnung iiber die Beschrankung des
31
Arbeitsplatzwechsels vom 7. Marz 1941, wonach fur Berufsmusiker die
Zustimmung des Arbeitsamtes zur Losung von Arbeitsverhaltnissen
und zur Einstellung von Arbeitskraften nicht erforderlich ist. Neu ist
auch die Bestimmung, daB Jugendliche unter 18 Jahren und Musik*
studierende aller Altersstufen zur Ausiibung einer nachschaffenden
musikalischen Tatigkeit einer besonderen Erlaubnis bedurfen. Ebenso
gibt die Anordnung dem Prasidenten der Reichsmusikkammer die
Moglichkeit, die Berechtigung zur nebenberuflichen Musikausiibung
von der tatigen Mitgliedschaft in einer 'Laienmusikgemeinschaft ab*
hangig zu machen, wenn ihm dies zur Wahrung musikalischer Belange
angezeigt erscheint. Fur die landschaftlich gebundene Volksmusik*
pflege wird sich diese Regelung in Zukunft ohne Zweifel segensreich
auswirken. Im Zusammenhang hiermit soil nicht unerwahnt bleiben,
daB die Anordnung auch die bisher vielfach umstrittene Frage der
unentgeltlichen musikalischen Betatigung endgultig klarstellt. Ein
anderer Fragenkomplex, der gleichfalls der Klarung bedurfte, namlich
das auBerdienstliche Musizieren und Untef richten von Angehorigen ,
der Wehrmacht, der Waffen^J, der Ordnungspolizei und des RAD,
konnte durch entsprechende Vereinbarungen mit den zustandigen
Fiihrungsinstanzen in einer fur alle Teile befriedigenden Weise bet
reinigt werden. Ein weiterer Fortschritt in der Reform des musikali*
schen Erziehungswesens wurde durch den ErlaB uber die Aufnahme
einer musikerzieherischen Tatigkeit vom ij. September 1942 erzielt,
der den Zutritt zu diesem Beruf von der Erfiillung bestirhmter Be*
dingungen abhangig macht. Auch die Voraussetzungen fiir die Zu*
lassung zum Musikalienhandel sind durch einen besonderen ErlaB
neu geregelt worden, der die kulturelle Verantwortung des Musikalien*
handlers als Mittlers zwischen den Musikschaffenden einerseits und den
Berufs* und Laienmusikern andererseits eindeutig betont. Die ver*
schiedenen imBerichtsjahre herausgekommenenNeuerungen imTarif*
ordnUngswesen und in der Frage der Gagengestaltung sollen an dieser
Stelle nur kurz erwahnt werden, ebenso die gemeinsame Anordnung
der Prasidenten der Reichstheaterkammer und der Reichsmusikkam*
mer zur Erhaltung des Bestandes der Theater und Orchester vom
1. Juni 1942, die sich als wirksamer Schutz gegen die friiher vorgekom*
menen Abwerbungen erwiesen hat. Zur Abrundung des Bildes seien
noch einige fiir die nachste Zeit geplante MaBnahmen angedeutet, mit
deren Vorbereitung die Rechtsabteilung im letzten Abschnitt des Be*
richtsjahres befaBt war. Es handelt sich zunachst um eine Anordnung,
durch die alle nachschaffenden Musiker mit groBerem Nachdruck als
bisher zur wahrheitsgemaBen Ausfiillung von Programmlisten und
32
deren Einreichung an die Stagma angehalten werden sollen, was sich
als unbedingt notwendig erwiesen hat, urn die gesetzlich verbiirgten
Anspriiche der Komponisten und Verieger sicherzustellen. Ferner ist
beabsichtigt, auf Grund der in den letzten Jahren gemachteri Erfah*
rungen das Auftreten auslandischer Musiker in Deutschland durch
eine allgemeine Auslander*Anordnung neu zu regeln. Und schlieBlicb
sollen in einer Anordnung zur Erhaltung der kulturellen und wirt*
schaftlichen Leistungsfahigkeit des deutschen Musikverlages und Mu*
sikalienhandels samtliche bis jetzt erlassenen musikverlegerischen und
musikalienhandlerischen Rechtsvorschriften (mit Ausnahme der Ver>
kaufsordnung fiir den deutschen Musikalienhandel) neu zusammens
gefaBt und erganzt werden.
Nach dieser Ubersicht iiber die Zentralverwaltung wenden wir uns
nun der Fachverwaltung zu, welche die drei groBen Gruppen „Be«
rufsmusiker", „Laienmusik" und „Musikwirtscbaft" umfaBt,
Was die beiden letztgenannten betrifit, so sind ihre Aufgabengebiete
dermaBen verschiedenartig und weit verzweigt, daB ihre Darstellung
den hier zur Verfugung stehenden Raum sprengen wiirde. Sie mag
deshalb einer spateren Gelegenheit vorbehalten bleiben. Im folgenden
wollen wir uns auf diejenigen fiinf Fachschaften beschranken, in denen
die eigentlichen Berufsmusiker zusammengeschlossen sind. Wahrend
das Wirken der Zentralverwaltung, wie wir sahen, vorwiegend im
Zeichen grundsatzlicher Fragen und Entscheidungen steht, liegt hier
der natiirliche Schwerpunkt alles Handelns in der berufsstandischen
Betreuung des einzelnen Mitgliedes. Es versteht sich darum von selbst,
daB gerade in diesen Fachschaften die Umstellung des gesamten Arbeits*
programms der Kammer auf die Kriegserfordernisse besonders sinn*
fallig in Erscheinung tritt.
So betrachtet es die Fachschaft Komponisten als ihre gegen*
wartige Hauptaufgabe, das kompositorische Schaffen der im Felde
stehenden Kameraden zu fordern. Sie bat zu diesem Zweck gleich zu
Beginn des Krieges Sonderkonzerte mit Werken feldgrauer Kompo<
nisten ins Leben gerufen. Der Gedanke wurde dann vom Rundfunk
aufgegriffen, dessen unter diesem Motto stehende Sendungen, die so*
wohl ernste wie unterhaltende Werke beriicksichtigen, langst zur stan*
digen Einrichtung geworden sind. Aber auch in den Konzertsalen hat
sich die Idee allenthalben durchgesetzt, und es gibt heute im ganzen
Reich keine nennenswerteMusikstadt, die nicht entweder in besonderen
Veranstaltungen oder zumindest im Rahmen der iiblichen Konzert*
programme den Schopfungen unserer Feldgrauen eine wiirdige Pflege
angedeihen laBt. In vielen Fallen hat die Fachschaft durch Verhand*
3 .33
ungen mit den Truppenteilen erwirken konnen, daB die Komponisten
die Moglichkeit erhielten, an besonders wichtigen Auffuhrungen dieser
Art personlich teilzunehmen oder sie sogar selbst zu leiten. Manches
neueWerk hat von hier aus auch denWeg zum Verleger gefunden.
Was diese Form der Betreuung den vielen Hunderten zum Wehrdienst
einberufenen Komponisten innerlich bedeutet, laBt sich am besten en
messen, wenn man daran denkt, wie sehr im vorigen Weltkrieg gerade
die kiinstlerisch SchafFenden unter dem Gefuhl der seelischen Vereins
samung und des Vergessenwerdens gelitten haben. Heute wissen sie,
daB die Heimat an ihren Sorgen Anteil nimmt und ihr Berufsstahd sich
nach Kraften um ihre Werke kiimmert. Auch in den Kammermusik*
Veranstaltungen der Fachschaft Komponisten, die regelmaBig in der
„Kameradschaft der deutschen Kiinstler" in Berlin stattfinden, wird
dem soldatischen Schaffen der gebiihrende Platz eingeraumt. Insgesamt
gelangten hier im Berichtsjahr in 10 Konzerten 96 neueWerke von
33 Komponisten zur Auffiihrung. Bis zum SchluB der dieswinterlichen
Spielzeit sind noch 6 Konzerte mit ungefahr 40 Werken vorgesehen.
Diese Zifferri stellen aber nur einen geringen Bruchteil der Einsen*
dungen dar, die der Kammer laufend zugehen, und zwar nicht nur
von den Autoren selbst, sondern auch von den verschiederisten Dienst*
stellen. Sie alle zu sichten und zu beurteilen ist die keineswegs leichte
und nicht immer dankbare Aufgabe des Werkpriifungsausschusses der
Fachschaft Komponisten, der im Berichtsjahr rund 950 Kompositionen
samtlicher Werkgattungeri begutachtet hat, wobei die Einreic'hungen
fiir die Konzerte feldgrauer Komponisten noch nicht einmal mitge*
rechnet sind. Besonders schwer ist es natiirlich, fiir Werke, die an sich
ernst zu nehmen sind, aber ausgesprochen problematischen Charakter
tragen, Auffuhrungsrnoglichkeiten zu finden. Noch haufiger kommt
es freilich vor, daB Arbeiten wegen mangelnder technischer und kunst*
lerischer Reife zuriickgewiesen werden miissen. Gesondert sammelt und
sichtet die Fachschaft unter dem Kennwort „Das Lied der Front" alle
nachweislich im Felde entstandenen Liedkompositionen soldatischen
Inhalts, von denen die besten nach dem Kriege in wiirdiger Form ver*
oiFentlicht werden sollen. Viele Soldaten senden lediglich Gedichte
mit der Bitte um Vertonung ein. Auch diese werden gepriift und,
sofern sie sich zur musikalischen Behandlung eignen, die Namen und
Anschriften ihrer Verfasser in den gedruckten Mitteilungen der Fach*
schaft interessierten Komponisten bekanntgegeben. Um die materielle
Fiirsorge, die den Mitgliedern zuteil wird, nicht unerwahnt zu lassen,
sei schlieBlich noch auf die Versorgungsstiftung der deutschen Kompo*
nisten hingewiesen, dereri Kuratorium iiberall da, wo durch Kriegsein*
34 ,
wirkung eine wirtschaftliche Notlage entsteht, helfend eingreift. Audi
im letzten Jahre konnten diejenigen Komponisten, die einen kriegs*
bedingten Riickgang ihrer Einnahmen an Auffiihr ungsgebiihren bei
der Stagma zu verzeichnen batten, wiederum mit ansehnl'ichen Auss-
gleichsbeihilfen bedacht werden.
Innerbalb der Fachschaft Solisten bat der Krieg insofern eben>
falls ungewohnliche Verhaltnisse geschaffen, als der gewaltige, alle
vergleichbaren Leistungen von 1914 bis 1918 in den Schatten stellende
Ausbau der kulturellen Truppenbetreuung die Arbeitskraft der deut*
scben Konzertsolisten in etnem MaBe beansprucht, wie es friiher nie*
mand fur moglicb gehalten hatte. Man kann ohne Obertreibung sagen,
daB heute nicbt nur jeder einigermaBen leistungsfabige Solist voll be*
schafiigt, sondern iiberdies allenthalben ein fiihlbarer Mangel an
kiinstlerischen Kraften eingetreten ist. Um dieser Entwicklung gegen*
iiber die vordringlicben kulturellen , Bediirfnisse der Volksgemein*
schaft sicherzustellen, hat der Generalbevollmachtigte fur den Arbeits*
einsatz sicb zu einer einschneidenden Anordnung veranlaBt gesehen.
Danacb konnen seit dern 1. September 1942 ausiibende Kiinstler fur
die Reichskulturkammer oder eine mit kulturellen Betreuungsaufgaben
befaBte Stelle in der Heimat oder im besetzten Gebiet kriegsdienst*
verpflichtet werden, entweder fur einen bestimmten Zeitraum oder
aucb fur unbegrenzte Zeit. Das Entgelt wird hierbei innerhalb eines
angemessenen Rahmens vom Sondertreuhander der Arbeit fiir die
kulturschaffenden Berufe festgesetzt. Fiir die Fachscbaft Solisten hat
diese Entwicklung. der Dinge eine Fiille neuer Aufgaben. mit sich ge*
bracht. Sie wird, obwohl sie aus guten Griinden keine eigene Vermitt*
lungseinrichtung unterhalt, standig von vielen Seiten um Nacbweis und
Begutachtung von Kiinstlern aller Art angegangen. So weit wie moglich
stellt sie diese beratende Tatigkeit in den Dienst der Nacbwuchsforde*
rung. Aber auch alteren Berufsangehorigen, die den AnschluB an die
Praxis verloren hatten, konnte in zahlreichen Fallen geholfen werden.
Die Notwendigkeit, Streitfalle zu schlichten, ergab sich besonders im
Zusammenhang mit kriegsbedingten MaBnahmen, wie beispielsweise
bei Absagen von Konzerten infolge von hoherer Gewalt oder von Vor>
kommnissen, die der eine Vertragspartner im Gegensatz zum andern
fiir hohere Gewalt ansah. Es ist die Aufgabe der Fachschaft, bei solchen
Auseinandersetzungen vermittelnd und ausgleichend einzugreifen.
Eine Berufsgruppe, die so viel unterwegs sein muB wie die konzer*
tierenden Solisten, wird von den gegenwartigen Beschrankungen des
Reiseverkehrs naturgemaB besonders stark betroffen. Ein erheblicher
Teil des letztjahrigen Schriftverkehrs mit der Fachschaft bezog sich
35
deshalb auf die Ausstellung aller moglichen Bescheinigungen, anges
fangen von der Berufskleidung bis zur Schlafwagen* und Hotelbenut*
zung. Was den erstgenannten Punkt betrifft, so hat der President der
Reichsmusikkammer durch Verfiigung vom 14. November 1941 aus*
driicklich darauf hingewiesen, da8 bei der heutigen Materialknapp*
heit eine weitgehende Vereinfachung der Konzertgarderobe angezeigt
erscheint, zumindest iiberall da, wo es sich nicht um ganz besonders
representative und festliche Veranstaltungen bandelt. SchlieBlich sei
hier einer gemeinniitzigen Einrichtung gedacht, die der Fachschaft
Solisten ihr Dasein verdankt und von ihr mit besonderem Eifer be*
treut wird : der in verschiedenen groBeren Stadten seit Jahren durch*
gefiibrten sogenannten „Konzerte junger Kiinstler". In Berlin, wo sie
von der Kammer selbst gemeinsam mit dem Hauptkulturamt der
Reichshauptstadt veranstaltet werden, linden jahrlich etwa 20 solcher
Konzerte statt, in denen durchschnittlich jo bis 70 junge Begabungen
der Oifentlichkeit vorgestellt werden; die hierfur erforderlichen Mittel
stellt das Propaganda«Ministerium zur Verfiigung. Die bier Auftreten*
den werden auf Grand einer Priifung von einem besonderen Fachaus*
. schuB ausgewahlt, der zugleich auch die „Stunde der Musik" und die
Berliner Konzertgemeinde hinsichtlicb der Heranziehung von Nach<
wuchskiinstlern berat. Wer sich in diesen Konzerten bewahrt, bat die
Moglicbkeit zu wiederboltem Auftreten sowohl in Berlin als auch in
den entsprechenden Veranstaltungsreihen im Reich, die ihrerseits auf
dem Austauschwege besonders erfolgreicbe eigene Krafte nach Berlin
entsenden. Der Vollstandigkeit halber ist noch zu erwahnen, daB in
dieser Fachschaft auch die Berufsinteressen der deutschen Kirchen*
musiker vertreten werden.
Fur die Fachschaft Orchester standen in der Berichtszeit zwei
Probleme im Vordergrund : die Mitarbeit bei der Erhaltung der Spieb
fahigkeit unserer Kulturorchester und beim Orchesteraufbau in den
neuen West? und Ostgebieten. Der AuBenstehende macht sich kaum
eine Vorstellung davon, wieviel Kleinarbeit geleistet werden rnuBte,
damit noch jetzt, im vierten Kriegsjahre, rund 180 offentliche On
chester in Deutschland ihre kiinstlerische Tatigkeit fortsetzen konnen.
Da gait es, samtliche Unabkommlichstellungen in diesem Bereich nach
der fachlichen Seite hin zu iiberpriifen, die Wehrbehorden bei den
verschiedentlichen Auskammaktionen entsprechend zu beraten, zu
zahllosen Antragen wegen Anwerbung auslandischer Orchestermusiker
Stellung zu nehmen, Vertragsbrtiche zu verhiiten und schlieBlich seit
der scbon oben erwahnten, gemeinsam mit der Reichstheaterkammer
erlassenen Anordnung vom 1. Juni 1942 jeden einzelnen Stellenwechsel
36
i
zu iiberwachen. In materieller Hinsicht kamen und kommen weiterhin
dazu Dringlichkeitsbescheinigungen und sonstige Hilfe bei BeschaS
fung von Musikinstrumenten und Instrumententeilen, z. B. Rohrholz,
ganz abgesehen von den wiederholt beriihrten Berufskleidungssorgen.
Auch amWiederaufbau einiger bombengeschadigter Orchesterinstitute
war die Fachschaft mit Rat und Tat beteiligt. Die von ihr in die Wege
geleitete Aktion „ Kapellmeister im Felde" bat manchem irn Front*
einsatz stehenden Dirigenten die Moglichkeit verschafft, fur kurze Zeit
die WalFe mit dem Taktstock zu vertauschen und in der Heimat Gast*
konzerte mit nambaften Klangkorpern zu leiten. Dem Leiter der Fach?
schaft ist aucb das neuerrichtete Sonderreferat zur Betreuung kriegs*
versehrter Musiker iibertragen, das die Aufgabe hat, verwundete Be*
rufskameraden fachlich und individuell zu beraten und sie bei der
Erlangung geeigneter neuer Arbeitsplatze tatkraftig zu unterstiitzen.
Es stent zu diesem Zweck mit dem Oberkommando der Wehrmacht,
der Nationalsozialistischen Kriegsopferversorgung, dem Arbeits* und
Erziehungsministerium sowie . den Wehrkreisfursorge* und Versor*
gungsstellen in standiger Verbindung. Trotz der kurzen Zeit seines
Bestehens hat das Referat schon jetzt eine Reihe sehr erfreulicher An
beitserfolge aufzuweisen, die das ihm von all diesen Instanzen und
nicht zuletzt von den kriegsversehrten Kameraden selbst entgegen*
gebrachte Vertrauen rechtfertigen. Neben alledem konnte die Fach*
schaft ihre vielfaltigen Zivilaufgaben planmaBig weiterfordern. So
wurden Musterdienstordnungen fiir Kulturorchester und Kurkapellen
ausgearbeitet, Anregung zur verstarkten Pflege der zeitgenossischen
Orcbestermusik und zur kiinstlerischen Reform der Kurkonzertpro*
gramme gegeben und gemeinsam mit der Fachschaft Musikerziehung
neue MaBnahmen zur Losung.des Nachwuchsproblems durchberaten.
Das halbmonatlich erscheinende Mitteilungsblatt der Fachschaft unter*
richtet ihre Mitglieder laufend iiber alle wichtigeren Vorgange sowie
iiber die offenen Stellen, die dem der Fachschaft angeschlossenen
„Orchesternachweis" gemeldet werden.
Auf keinem musikalischen Berufsgebiet sind die Veranderungen, die
der Krieg mit sich gebracht hat, wohl so deutlich fiir die gesamte
OfFentlichkeit sichtbar geworden wie in der Unterhaltungsmusik.
Hier hat im Laufe des letzten Jahres der Einsatz auslandischer Faeh*
krafte eine zahlenmaBige Hohe erreicht, die jeden Vergleich mit
friiheren Verhaltnissen unmoglich macht. Diese Entwicklung ist an
sich als Zeiterscheinung unschwer zu begreifen, wenn man sich ver*
gegenwartigt, da8 gerade an dem iiberwiegend von Mannern aus*
geiibten Beruf des deutschen Unterhaltungsmusikers die wehrpflichti*
37
gen Jahrgange einen auBergewohnlich star ken Anteil haben. So kommt
es, daB in seinen Reihen durch die Einberufungen besonders groBe
Liicken entstanden sind, die nun eben fur die Dauer des Krieges durch
ausliindische Arbeitskameraden ausgefiillt werden miissen. Fiir die
Fachschaft Unter halt ungsmusik haben sich aus dieser Lage viele
neue Probleme und praktische Aufgaben ergeben, auf deren niannig*
fache Schwierigkeiten hier nicht naher eingegangen werden kann. Auf
die in Vorbereitung befindliche AuslanderAnordnung, die dieses
Sondergebiet der berufsstandischen Betreuung in zusammenfassender
Weise regeln soil, wurde bereits an anderer Stelle hingewiesen. Zu
den kulturell wichtigsten Obliegenheiten der Fachschaft gehort es dar*
iiber zu wachen, daB die Pflege der Unterhaltungsmusik im heutigen
Deutschland von artfremden Auswiichsen und Zersetzungserschei*
nungen rein erhalten bleibt. Die zum Schutz des nationalsozialistischen
Kulturempfindens ergangenen Verbote der Darbietung unerwunschter
Musik und des Singens in auslandischen Sprachen gelten selbstver?
standlich fiir in* und auslandische Unterhaltungsmusiker gleicher*
maBen. Grundlegende Bedeutung kommt in . dieser Beziehung den
„Richtlinien iiber die Ausfuhrung von Unterhaltungsmusik" zu, die %
unlangst der Generalsekretar der Reichskulturkammer im Einverneh* *
men mit der Abteilung Musik des ReichsoPropagandaministeriums ^
und dem Prasidenten der Reichsmusikkammer erlassen hat. Was in den
vorangehenden Abschnitten iiber kriegswirtschaftliche Bescheinigun*
gen aller Art, Dienstverpflichtungen und dergleichen aus gefiihrt wurde, i
hat sinngemaB auch fiir diese Fachschaft Geltung. Deshalb hier statt |
weiterer Einzelheiten nur noch einige Zahlen aus der fnit ihr eng zu* j
sammenarbeitenden Zentralstellenvermittlung fiir Unterhal* i
tungskapellen. Diese hat in der Zeit vom i. Oktober 1941 bis
}0. September 1942 nicht weniger als 2893 Kapellenleiter, darunter
741 Auslander, mit insgesamt 12733 Musikern, davon 4249 auslandi*
schen, vorwiegend fiir den Einsatz in Musikgaststatten, zum Teil aber
auch in der Wehrmachtsbetreuung, vermittelt. Der hierdurch erzielte
Gagenumsatz betrug im ganzen iiber 9 Millionen Reichsmark. Die
Anfragen des Auslandes, die zum groBten Teile positiv erledigt werden
konnten, kamen aus Schweden, Finnland, Norwegen, Danemark, Hoh
land, Belgien, Frankreich,, Spanien und der Slowakei.
Aus wohl erwogenen Griinden war die Kammerfuhrung darauf be*
dacht, von der durch den Krieg verursachten Verkleinerung des
Organisationsapparates die Fachschaft Musikerziehung soweit
wie irgend moglich auszunehmen, wenngleich auch hier personelle
Einschrankungen unvermeidlich waren. SchlieBlich ist es ja die „pada*
38
1
i
gogische Provinz", in der sich der kiinftige Leistungsstand aller musi*
kalischen Berufszweige und damit die Weiterentwicklung unserer
Musikkultur iiberhaupt entscheidet. Unter diesem Gesichtspunkt muB-
es yerstanden werden, daB die Fachschaft die berufliche.Fortbildung
ihrer Mitglieder nach wie vor als ihre Hauptaufgabe ansieht. An
den 200 Schulungslagern und Schulungswochen, die sie bis jetzt
durchgefiihrt hat, haben insgesamt 9454 Musikerzieher teilgenommen,
das ist rund ein Drittel der in der Fachschaft zusammengeschlossenen
Berufsangehorigen. Daneben wurden in den groBeren Stadten auch
im vergangeneri Jahre wieder laufende Fortbildungskurse abgehalten.
Genau so planmaBig konnten in alien Gauen des Reiches die standigen
Musikerzieher; und ChorleitenPriifungen fortgesetzt werden, die dazu
dienen, das fur die Zulassung zum Beruf erforderliche Mindestkonnen
der Bewerber festzustellen. Der hier als oberste Instanz fungierende
ReichsprufungsausschuB der Fachschaft ist im August 1942 zu seiner
400. Sitzung zusammengetreten, wobei darauf hingewiesen wurde,
daB von ihm bereits 3^29 Priifungsfalle bearbeitet worden sind, von
denen J7 v. H. positiv entschieden werden konnten. Im Laufe des Be*
richtsjahres sind die Priifungen auf folgende Gebiete ausgedehnt
worden: ElsaB, Lothringen, Luxemburg, Warthegau und Bohmeiv
Mahren.
Der zweite groBe Aufgabenkreis der Fachschaft liegt in der Be<
treuung der deutschen Hausmusikpflege. Auf diesem Kerngebiet
unserer musikalischen Volkskultur ist im Berichtsabschnitt eine weitere
hochst erfreuliche Aufwartsentwicklung eingetreten, woran die der
Fachschaft angeschlossene Arbeitsgemeinschaft fur Hausmusik, die alle
einschlagigen Verbande erfaBt, keinen geringen Anteil hat. Der „Tag
der deutschen Hausmusik", der als umfassende Leistungsschau aller
hausmusikalischen Krafte alljahrlich im November stattfindet, stand
1 94 1 im Zeichen Mozarts und fand in einer groBen Veranstaltungs;
reihe in Salzburg seinen offiziellen Hohepunkt. Soweit sie von der
Statistik erfaBt werden konnten, sind an diesem Tage im GroBdeut*
schen Reich nicht weniger als 8739 Hausmusikveranstaltungen gezahlt
worden. Der 10. Hausmusiktag im Jahre 1942 hat einen noch starkeren
Widerhall in der gesamten musikalischen Offentlichkeit ausgelost. Er
war hauptsachlich demWerk des unsterb lichen Thomaskantofs ge<
widmet und erlebte dementsprechend in der Bachstadt Leipzig seine
reprasentativste Gestaltung. Wie alljahrlich, so wurden auch diesmal
am Hausmusiktag Musikliebhaber, die sich um die Pflege des haus*
lichen Musizierens besonders verdient gemacht haben, durch eine
Ehrengabe des Prasidenten der Reichsmusikkammer ausgezeichnet.
39
Zu samtlichen Veranstaltungen sind wiederum verwundete Soldaten
als Gaste eingeladen, auBerdem in Lazaretten selbstandige Hausmusik*
stunden abgehalten worden, deren Zahl sich 1941 auf 433 belief. In
diesem Zusammenhang soil rticht unerwahnt bleiben, daB zahlreiche
Hausmusikgruppen von Mitgliedern der Fachschaft Musikerziehung
sich standig fiir die Truppenbetreuung zur Verfiigung stellen.
SchlieBlich noch ein Wort iiber das Blindenkonzertamt, das
als Sondereinrichtung der Reichsmusikkammer die iiber 1000 blinden „
Berufskameraden aller Sparten (mit Ausnahme der Orchesterberufe, >
in denen Blinde sich naturgemaB nicht betatigen konnen) in sozialer
und kultureller Hinsicht einheitlich betreut. Es beaufsichtigt auch die
Blindenkonzerte, die auf gesetzlicher Grundlage als genehmigungs*
pflichtige Veranstaltungen durchgefiihrt und zu denen nur musikalisch
voll leistungsfahige blinde Kiinstler zugelassen werden.
Damit ware der Uberblick iiber die standische Selbstverwaltung der
deutschen Berufsmusiker im wesentlichen abgeschlossen. Zur Ver*
vollstandigung unserer Cbronik miissen jedoch noch einige Ereignisse —
des Jahresfestgehalten werden, die fiir die Kammer insgesamt von
groBer Bedeutung waren. Hier gilt es zunachst des watirhaft unersetz<
lichen Verlustes zu gedenken, den die Fachschaft Musikverleger und^
mit ihr die ganze deutsche Musikwelt durch das plotzliche Hinscheiden
ihres stellvertretenden Leiters Dr. Robert Ries erlitten hat. Mit ihm
ist ein Mann dahingegangen, der sich in ebenso uneigenniitziger wie
aufopfernder Weise zeitlebens fiir seinen Berufsstand eingesetzt und
dariiber hinaus die allgemeinen Belange unseres Musiklebens durch
viele wertvolle Ideen und Ratschlage gefordert hat. So geht unter
anderem die Einfiihrung des „Tages der deutschen Hausmusik" auf
seine personliche Anregung zuriick. Auch der Deutsche Sangerbund,
der Fachverband der Kammer fiir das gesamte Mannerchorwesen,
hatte einen empfindlichen Verlust zu beklagen, indem sein langjahrk
ger Bundesfiihrer, Oberbiirgermeister Albert Meister, ein alter Vor*
kampfer der natiohalsozialistischen Bewegung, durch den Tod abbe*
rufen wurde. Im Nachbarbereich der zweiten groBen Chororganisation,
des Reichsverbandes der gemischten Chore Deutschlands, ist dagegen
ein ebenso erfreuliches wie kulturpolitisch bedeutsames Ereignis zu
verzeichnen: die vom Reichsminister fiir Volksaufklarung und Propa*
ganda verfiigte Obernahme des beriihmten Kittelschen Chores in
Berlin in die Obhut des Reiches, unter gleichzeitiger Verleihung des
ehrenvollen Namens „Deutscher Philharinonischer Chor". Auch das
als „Hesses Musiker<Kalender" seit iiber sechs Jahrzehnten bekannte,
alljahrlich erscheinende Nachschlagewerk des Berufsstandes hat im
40
Berichtsjahre eine Namensanderung erfahren, in der sich sinnbildlich
seine Entwicklung von einer rein privaten zur oiFentlichen Einrichtung
ausdriickt. Unter der neuen, seiner tatsachlichen Bedeutung entspre*
chenden Bezeichnung „Deutscher Musiker* (Calender" wird es fortan,
im gleichen Verlage wie bisher, im unmittelbaren Auftrage der Reichs*
musikkammer herausgegeben.
Der Zeitabschnitt, dem die vorstehende Darstellung gait, wurde
durch einen festlichen Tag gekront, an dem alle deutschen Musiker
und Musikfreunde mit dem Herzen beteiligt waren. Gemeint ist der
27. November 1942, an dem Peter Raabe, der President der ReicEs*
musikkammer, seinen 70. Geburtstag begehen konnte 1 . Generalinten*
dant Dr. Drewes uberbrachte mit herzlichenWorten imNamen des
Reichsministers Dr. Goebbels die vom Fiihrer auf seinen Antrag an
Peter Raabe verliehene Goethemedaille und ein kostbares" Kunst*
werk. Da auch mehrere andere Reichsminister, an ihrer Spitze der
Reichsmarschall, ihm ebenfalls aufs herzlichste gratulierten, und er
endlich von den verschiedensten Dienststellen, kulturellen Organisa*
tionen und Privatpersonen buchstablich mit tausendfachen Gliick*
wiinschen und Ehrungen iiberhauft wurde, so bat die Kammer alien
Grund, die stolze Erinnerung hieran in ihren Annalen festzuhalten -
im BewuBtsein der immerwahrenden eigenen Dankesschuld gegen den
Mann, der nunmehr seit iiber sieben Jahren ihre Geschicke lenkt.
1 Eine ausfiihrliche Wiirdigung des Lebens und Wirkens Peter Raabes ist fur den
2 . Jahrgang dieses Jahrbuches vorgesehen. Der Herausgeber.
41
Eberhard von Waltershausen
Die Mufikorbeit lies fiauptkulturomtea tier ISSSaiP
Beethoven auBerte sich einmal in dem Sinne, daB „Religion und
GeneralbaB" zwei Dinge seien, iiber die sich nicht streiten lieBe.
Geben wir seinen Worten eine etwas weiter gefaBte und zeitnahere
Bedeutung, ersetzen wir sie durch „ Weltanschauung und Musik", so
stoBen wir unmittelbar auf ein zeitgemaBes Kulturproblem inmitten
, des schweren Ringens um unser volkisches Dasein. Wie der heutige
Kampf letzten Endes nicht nur um Gebietsveranderungen, sondern
vor allem auch um kulturelle Giiter geht, so konnen wir bei seiner
Durchfuhrung nicht auf die geistigen und seelischen Krafte unseres
Volkes verzichten. Wenn wir die Kultur inmitten der Harten des
totalen Krieges schiitzen wollen, so miissen wir sie zur Abwehr stark
machen. Hieraus.ergibt sich zwangslaufig die Notwendigkeit, gleich*
laufendm.it der Erfassung aller anderen fiir die Festigung des Volks*
turns unentbehrlichen Belange auch kulturelle Krafte zu einheitlicher
Zielsetzung zusammenzufuhren. Es ist zwar eine alte Erfahrung, daB
der wahrhaft groBe Kunstler sich seine Formen und Regeln selber
schafFt, wie er sich die zur Vollendung seiner Meisterwerke unerlaB*
lichen Beschrankungen aus eigenem Ermessen auferlegt. Deshalb be*
faBt sich der Kulturpolitiker auch weniger rriit ihm : der geniale
Mensch wachst allein nach seinen Gesetzen, Wir leben in einer Zeit
des Oberganges. Auf alien Gebieten der Kunst begegnen wir einem
Tasten und Suchen nach neuen Formen und einem dem Erleben
unserer Tage entsprechenden Ausdruck. Die Zahl der Musikausuben*
den und der schaffenden Kunstler ist von Jahr zu Jahr angewachsen,
ohne daB hierdurch eine besondere qualitative Bereicher'ung unseres
Musiklebens entstanden ware. In der Erkenntnis, daB unsere Musik*
arbeit ohne einheitliche Zielstrebigkeit und sichere Fiihrung sich
leicht in unkontrollierbaren Einzelheiten verlieren wiirde, muBte von
seiten verantwortlicher Stellen mit einer gewissen Oberwachung auch
eine aufbauende, regelnde Tatigkeit einsetzen, um dort, wo es nottat,
in die Bresche zu springen, wo es angangig war, den Grundlagen fiir
neue Entwicklungsmoglichkeiten nachzuspuren und ihnen einen festen
Rahmen fiir kiinftiges Wachstum zu sichern. So bezog sich die Musik*
42
aribeit des Hauptkulturamtes im vergangenen Jahre in gleicher Weise
auf kiinstlerische wie organisatorische Belange.
Es ist selbstverstandlich, da8 eine Musik, die iiber den Begriff des
„Modernen" hinaus dauernde Werte offenbaren will, im Empfinden
eines Volkes verwurzelt sein muB. Anzunehmen, daB diese Voraus«
setzungen fur die heutige Instrumental und Chormusik bei uns ohne
weiteres ausnahmslos gegeben seien, ist mindestens als ein Wagnis zu
bezeichnen. Erkennen laBt sick jedoch ein starker Widerhall, der das
Neuerstehen des deutschen Volksliedes begleitet. Aus diesem Grunde
waren kiinstlerische Bestreburigen des Hauptkulturamtes im vergange*
nen Jahre vor allem dem deutschen Liede gewidmet. Es wurde ein
erster groBer Versuch unternommen, Ergebnisse jahrelanger Arbeit
der breitesten Offentlichkeit unmittelbar zuganglich zu machen. Auf
der einen Seite wurde aus dem in letzter Zeit entstandenen Liedgut
der Bewegung eine Anzahl „Kernlieder" ausgewahlt und zum Teil
als Pflichtlieder bestimmt, deren Erarbeitung und vollstandige Be*
herrschung von alien Nationalsozialisten gefordert werden muB. Auf
der anderen Seite war man bestrebt, aus der Masse dessen, was eine
Zeit kiinstlerischen Verfalls kritiklos in sich aufgenommen hatte, das
echte deutsche Volkslied wieder herauszuschalen und in weiteste Kreise
zu tragen. Beide Bestrebungen fanden ihren auBeren Ausdruck in der
mit der 2. ReichsstraBensammlung am 24. und 2j. Oktober 1942 ver?
bundenen Liedwerbung, die trotz einiger kriegsbedingter Unvoll*
kommenheiten in ihrer Auswirkung als ein Erfolg anzusehen ist. Lied«
Aktionen dieser und ahnlicher Art sind fiir die Folge in regelmaBigen
Zeitabstanden vorgesehen. Hierdurch soil das Volkssingen auf natiir*
;, lichemWege in Form eines lebendigen Brauchtums erbliihen. Aus
ihm wird dann auch unsere Chor* und Instrumentalmusik neue An;
regung und Nahrung schopfen, fret von allem auBeren Zwang, in
ungehinderter groBziigiger Entwicklung. So greift die Liedarbeit aufs
engste in ein anderes Gebiet iiber, auf dem sich in Zukunft allgemein
kulturelle Ereignisse groBten AusmaBes abspielen werden : die Musik
zur Feiergestaltung. Das Amt Musik hat durch laufende Mitarbeit in
der „Neuen Gemeinschaft" praktische Programmvorschlage fiir die
musikalische Feiergestaltung gebracht. Eigene Feierstunden des Haupt*
kulturamtes gaben Gelegenheit, die Bewahrung dieser Arbeit zur Dis*
kussion zu stellen. Im iibrigen beteiligte sich das Amt Miisik an der
Herausgabe der Zeitschrift „Musik in Jugend und Volk", die durch
diese enge Bindung auch Organ des Hauptkulturamtes wurde.
Im Einvernehmen mit dem Reichsministerium fiir Volksaufklarung
und Propaganda wurden in alien Gauen auch „Volkskonzerte der
43
NSDAP" ( „Beschwingte Musik") empfohlen, denen eine national*
sozialistischer Kulturauffassung angemesssne Programmgestaltungzu*
grunde liegen soil. Andere Vorschlage zu einheitlicher Ausrichtung
volkstiimlicher Konzerte, insbesondere auch fur den Rundfunk, sind
in Vorbereitung.
Auf organisatorischem Gebiete sind einige wichtige MaBnahmen als
abgeschlossen zu bezeichnen, andere sind nodi in Bearbeitung. So
wurde gemeinsam mit der Reichsmusikkammer eine Neuregelung fiir
nebenberufliches Musizieren festgelegt. Hierzu gehort weiterhin auch
die Dienstbefreiung von Angehorigen der Musik* und Singgemein*
scbaften zwecks Ausiibung ihrer kulturellen Betatigung. Zur wirt*
schaftlichen Stiitzung und Belebung des Musikschaffens wurde in Zu*
sammenarbeit mit der STAGMA die „Nationalsozialistische Wertung"
fiir Musikwerke eingefiihrt, die auf Grund ihrer kiinstlerischen Hal*
tung sich fiir den Einsatz in der nationalsozialistischen Feiergestaltung
eignen.
Auf dem Gebiete des Parteimusikwesens wurden Verhandlungen mit
der PartebKanzlei und,dem Organisationsamt gefiihrt. Als eine der be*
deutungsvollsten Neugestaltungen im Parteimusikwesen ist das „Natio*
nalsozialistische Volkskulturwerk" anzusehen. Durch seine Aktivierung
wird das gesamte Volks* und Chormusikwesen vor neue Aufgaben ge*
stellt werden. Hier wird sich das anfangs aufgezeigte Ziel, Ausrichtung,
Oberwachung, Lenkung und Belebung des deutschen Musiklebens im
Rahmen der Kulturarbeit der NSDAP in praktischer Gestaltung ver*
wirklichen.
44
Walter Lott
laeuerfcJjeittungeit son Betieuiung
Die Musikalien*Produktion
in der Zeit vom Oktobef 1941 bis September 1942
Einen nicht geringen Anteil an den Musikalien<Neuerscheinungen
nehmen Ausgaben alter Musik ein. Besonders auf dem Gebiete der
Laienmusik ist dieses zu verfolgen. So segensreich auf der einen Seite
die Ausgrabungeh alter Musik sind, so darf auf der anderen Seite nicht
(ibersehen werden, daB diese Vorliebe fur die Musik der Vergangen*
heit die Gefahr in sich birgt, daB breite Kreise unseres Volkes immer
mehr dem zeitgenossischen Schaffen entfremdet werden und sich nicht
mehr um die Musik unserer Zeit kiimmern. Da es dem Verfasser in
erster Linie darauf ankommt, einen uberblick iiber das zeitgenossische
Schaffen zu geben, so bleiben im Rahmen dieser Abhandlung die Neu*
erscheinungen alter Musik im groBen Ganzeh unberiicksichtigt. Wen
aber die Ausgaben alter Musik besonders interessieren, der sei auf
das „Verzeichnis der Neudrucke alter Musik" verwiesen, das als Veri>
offentlichung des Staatlichen Institutes fur deutsche Musikforschung
alljahrlich erscheint.
In der InstrumentabMusik halt das Ringen um Neues an. Das zeigen
die verhaltnismaBig vielen symphonischen Werke, die im Laufe des
vergangenen Jahres erschienen sind. Wenn man diej\nschauung ver*
treten hort, daB nach den Kompositionen Beethoyens, Brahms' und
Bruckners Neues in dieser Form nicht mehr gesagt werden konne, so
scheinen unsere Komponisten mit Recht darin anderer Meinung zu
sein, wie die zahlreichen Neuerscheinungen belegen.
An symphonischen Werken veroiFentlichte HansBullerian als
op. 78 seine 7. Symphonie in D«dur, der Leipziger Joh. Nep. David
als opi 28 seine 3. Symphonie, johann Engeimann als op. 43 eine
Zarathustra«Symphonie, Harald Genzmer eine „Symphonische Mu*
sik", Paul Graener als op. no eine Wiener Symphonie, H. Menrich
als op. 43 „Innsbruck", symphonische Musik um ein Volkslied, Karl
Schafer als op. 49 eine Symphonie in C^dur und Fried Walter eine
„Kleine Symphonie" in B^dur.
In den Formen der Ouvertiire, der Suite und des Divertimento vew
standen unsere Altvordern eine Sprache zu sprechen, die nicht nur
den ernsten Musiker, sondern weiteste Kreise der Musikliebhaber ent*
45
flammte. Erinnert sei an die Meister des 1 8. Jahrhunderts bis zu Brahms,
Suppe und Thuille. Besonders macht sich heute das Fehlen von Kom>
ponisten geltend, die eine echte volkstiimliche Musik zu schreiben ver*
stehen. Einem Meister wie Suppe z. B. konnen wir zur Zeit niemanden
entgegenstellen.
Friedrich Bayer schrieb eine Erntefest>Ouverture. Der volkstiim*
liche RioGebhardt komponierte eine Ouvertiire, die er „Fulero"
nennt. Der Danziger Johannes Hannemann laBt eine Barocke Fest*
Ouvertiire erscheinen, Albert Jung als op. a ein symphonisches Vor*
spiel mit dem Titel „Weckruf", Alois Melichar eine LustspiebOuver*
tiire, Friedrich Si ebert ein „Heldisches Vorspiel", Ermanno Wolf*
Ferrari die Ouvertiire „Die neugierigen Frauen", der Balte Kurt
v. Wolfurt als dp. 30 ein „ Vorspiel zu einer Komodie" und Mark
Lothar bearbeitete die Ouvertiire zur komischen Oper „DieWelt
auf dem Monde" von Joseph Haydn.
Auch eine Anzahl SuitensWerke sind zu nennen: F. Wolfgang B uh*
lau schrieb eine Suite D*dur. Johann Nepomuk David veroffentlichte
als op. 27 die Partita Nr. 2, der Frankfurter Kurt Hessenberg als
op. 20 eine Suite zu Shakespeares Zauber*Lustspiel „Der Sturm". Eine
Suite schrieb auch Fritz Ihlau. Unter dem Titel „Landliche Bilder"
veroffentlichte H. Liebert ein Suitenwerk. Mark Lothar schrieb als
op. 37 eine „Spanische LustspiebSuite", Max Seeboth eine „Sympho*
nische Suite" und der Schlesier Gerhard Strecke veroffentlichte seine
2. Orchester *Suite.
Divertimenti liegen vor von dem Konigsberger OttoBesch, von
Max Seeboth und von Altmeister Richard StrauB, der als op. 86 ein
neues „Divertimento. Klavierstiicke von Francois Gouperin fur kleines
Orchester bearbeitet" erscheinen laBt.
An Orchesterwerken sind weiter zu nennen : Spitzweg*Bilder, die wir
Erich Anders (Freiherr Wolf v. Gudenberg) verdanken. Von dem
gleichen Komponisten erschien als op. 6} ein Concertino in d'moll.
Albert Bastian veroffentlichte eine Burleske, Willy Bur khard als
op. 57 einen Hymnus, Hans Chemin'Petit eine „Festliche Musik
(Ricercare mit dem Choral ,Lobe den Herren')", zu der auch eine Ein;
fiihrung angeboten wird, Gerhard Hiittig eine Musik fur Orchester,
Joseph Ingenbrand einen „Bolero sinfonico", Max Seeboth „Toc*
cata, Adagio und Fuge", Jean Sibelius als op. 87 Nr.i Humoreske
Nr. 1, und von Richard StrauB erschien als op. 84 die Festmusik zur
Feier des 26oojahrigen Bestehens des Kaisefreiches Japan. Als Bearbei*
ter ist Alois Melichar zu nennen, der die OrgebToccata d*moll von
J oh. Seb. Bach instrumentierte.
46 •
Fur reines Streichorchester werden folgende Werke angezeigt:
3 Stiicke fiir Streichorchester, Harfe und verschiedene Holzblaser von
dem volkstiimlichen Komponisten Ernst Fischer : a) , ; Idyll" mit Engl.
Horn, b) „Reigen" mit Klarinette, c) „Scherzo" mit Flote, von Karl
Marx, der jetzt in Graz wirkt, eine „Musik fur Streichorchester nach
alpenlandischen Volksliedern", von KarlSchafer eine Musik fiir
Streichorchester und von G. A. Schlemm eine Konzertante Musik
fur Violine und Violoncello mit Streichorchester.
An Bearbeitungen liegen vor die „Kunst der Fuge" von Joh. Seb.
Bach fur Streichquartett oder Streichorchester, eingerichtet von
R. Klemm und C.Weymar. Eine Toccata von Czerny bearbeitete
der Wiener Schonherr fur 2 Streichkorper.
In den letzten Jahren wurde der Blasmusik in Deutschland beson;
dere Aufmerksamkeit geschenkt. Man erkannte, daB vor allem die
Blaskapellen berufen sind> Instrumentalmusik in weite Volkskreise zu
tragen. Bis vor wenigen Jahren bestand die Literatur fiir Blasorchester
fast ausschlieBlich aus Bearbeitungen. Zugleich mit dem. Ausbau der
Blasorchester bis zum Blas*Symphonie<Orchester (Luftwaffenorchester)
ging man daran, eine eigene Literatur fiir dieses Gebiet zu schaffen.
Besondere Verdienste erwarb sich das Luftwaffenministerium mit sen
nen Beratern Professor Husadel und Oberstleutnant Winter. Das Heer
(Ernst Lothar v. Knorr) und der Reichsverband fiir Volksmusik (Erwin
Fischer) verfolgen das gleiche Ziel. Kompositionsauftrage wurden ver*
geben und eine Arbeit geleistet, die der Muhe gelohnt hat. Heute
schon liegt ein guter Fundus originaler Blasmusiken vor. Der Erfolg
und die Aufgabe hat Komponisten von Ruf angeregt fiir Blasorchester
zu schreiben, und so finden wir auch in diesem Jahre wieder eine
Anzahl bedeutungsvoller Neuerscheinungen.
Alfred v. Beckerath laBt eine Symphonie fiir Blasmusik erschei*
nen,- Arnold E be 1 eine heitere Ouvertiire „Vorspiel zu einem Fest",
Hermann Grab ner sogar ein Concerto grpsso fur Blasorchester
(op. J7), Karl Marx steuert eine Turmmusik fiir } Trompeten und
3 Pos.aunen (op . 37 Nr . 1 ) bei, Richard S c h 6 n i a n schrieb eine indische
Suite, die er „Brahma" betitelt. Als op. 8j komponierte Bruno Stein
eine Symphonie ,,Bergwelt". Fried Walter, der durch den Erfolg
seiner Oper „Konigin Elisabeth" bekanntgewordene junge Komponist,
veroffentlichte eine reizende „Kleine Suite fiir Blaser und Pauken",
der Freiburger E. L. Wittmer ein Rondo. AuBerdem ist noch die
Bearbeitung der Toccata und Fuge in d'moll von Johann Sebastian
Bach fiir Luftwaffenorchester von L. Stiel zu nennen.
Bei den Werken fiir Blaser und Streieher,.allein, Klavier zu 2 oder
47
4Handen, sowie Klavier mit anderen Instrumenten zeigt sich der
anfangs schon geauBerte EinfluB der alten Musik. Auf diesen der Haus*
musik eigenen Gebieten ist der Zugang an neuen Werken, wie in
alien letzten Jahren, gering. Vielleicht tritt in diesem Kriegsjahre noch
verscharfend hinzu, daB der Verlag mit neuen hausmusikalischenWer*
ken zuriickhalt, da diese im allgemeinen viel Papier beanspruchen.
Fur Blaser allein ist nur eine VerofFentlichung Gustav Bumckes zu
nennen: op. 70 Tonleiter*Studien fur Saxophon. Etwas besser ist es
mit der Literatur fiir Streichinstrumente bestellt. Fiir Violine allein
liegt eine einzige Sonate von Henk B a d i n g s vor. Fiir Cello erschienen
zwei Studienwerke : Paul Griimmer, „Die Grundlagen der klassischen
und virtuosen Technik auf dem Violoncello", und Walter Schulz,
„Grifftechnische Studien fiir fortgeschrittene Cellisten". Fiir Violine
und Orchester erschien ein Capriccio von Gustav Adolf Schle mm,
und fiir Cello ein Konzert von Karl Holler (op. 26). In diesem Zu*
sammenhang ist eine bedeutsame Neuerscheinung zu erwahnen:
Johann Sebastian Bach, Sechs Suiten fiir Violoncello^Solo. Analyse,
Fingersatz und Bogenstriche von dem italienischen Cellisten Enrico
Mainardi, mit einem (mehrsprachigen) Vorwort von Thomaskantor
Giinther Ramin. - Trios komponierten Werner Eginhard Kohler,
„Streichtrio" fiir Violine, Viola und Violoncello, Walter Kolneder,
„Kleine Hochzeitsmusik nach alten alpenlandischen Spielstiicken" fiir
2 Violinen und Violoncello undHerbertMarx, „Spielbuch fur i-^Vio«
linen". Ferner erschien eine Sammlung „Der Geigenchor" fiir 3 Vio?
linen, herausgegeben und bearbeitet von Willy Schneider. - Streichs
quartette kamen heraus vonWilhelm Kienzl op. 113 E*dur, von dem
Dresdner Joseph Lederer op. 33 Streichquartett Nr. 2 d*moll und ein
bedeutsames Werk von Hans Pfitzner, Quartett e^moll op. jo.
Starker sind die Bemiihungen anerkannter zeitgendssischer Kompo*
nisten, Werke fiir Klavier zu 2 Handen zu schafFen. Boris B lac her
schrieb als op. 14 zwei Sonatinen, Helmut Degen eine Spielmusik
fiir Klavier und eine Suite, Hugo Distler „n kleine Klavierstiicke fiir
die Jugend". Der Padagoge Martin Frey verofFentlichte „Im Flug",
melodische Etiiden fiir den ersten Klavierunterricht, und ferner „Ein
lustiger Wegweiser am Klavier". Der Staatspreistrager KurtHessen*
berg legt als op.i 2 ,,7 kleine Klavierstiicke" vor. Ein neuer Kompo*
nistenname fallt auf: HeleneHeydt, von der „Neun kleine Varia*
tionen iiber .Hanschen klein'" und „Neun kleirte Vortragsetiiden iiber
„0 du lieber Augustin" arigezeigt werden. ZeitgemaB gibt sich Max
Jobst mit seinen drei Klavierstiicken op. 30, die er „Inter arma" be?
titelt. Der Miinchner Carl Orff ve*roffentlichte zusammen mit Luber
48 s
„Musik der Landschaft", Album von Liedern und Tanzen. Siegfried
Reda schrieb eine Sonate, G. A. Schlemm ,,3 Klavierstiicke". Eine
praktische Klavierschule verfaBte Paul Scheme, „Die Klavierschule
des denkenden und mitschaffenden Kindes". Franz Teuffel legt ein
Ubungswerk vor fur fortgeschrittene Klavierspieler „Zum Einspielen".
- Zu 4 Handen ist nur das „Erste Spielbuch" von Harald Genzmer
zu melden und eine Obertragung von Pfitzners Sympbonie op. 46
fur Klavier zu 4 Handen oder fiir 2 Pianoforte zu 4 Handen. Eine
Sammlung leichter Klavierstiicke Zu 4 Handen „Primo und Secondo"
verdanken wir Kurt Herrmann. Klavierkonzerte scbufen Dinu Lis
patti, op. 3 „Concertino im klassischen Stil" fiir Klavier und kleines
Orcb ester, Walter Niemann, op. 1 j} Konzert fiir Pianoforte und
Streichorchester, und Kurt Rasch, op. }0 Concertino fiir Klavier und
Orcbester. C. Bittner gab ein Klavierkonzert des Italieners Giordani
fiir Klavier und Streichorchester heraus. - Kompositionen fur Klavier
und Violine liegen vor von Karl Bleyle op. j6 „Sonate e*moH", von
GustavHavemann „Allegretto scherzoso" und von Wilhelm Furts
wangler „Sonate Dsdur". Als op. 23 schrieb Kurt Hessenberg eine
Sonate fiir Cello und Klavier. Der: Alemanne Julius We ismann vers
offentlichte soeben als op. 72 eine Sonate dsmoll fiir Klarinette und
Pianoforte und als op. 13/ eine Sonate g*moll fiir Flote und Pianoforte.
Pauljuon verdanken wir „Trio*Miniaturen" fiir Klarinette, Violons
cello und Klavier und Hans GeorgBurghardt als op. 42 eine Trios
sonate fiir 2 Blockfloten und Klavier. Joh. Nep. David gab eine Ubers
tragung der Fantasie fsmoll von Job. Ludw, Krebs heraus fiir Oboe
und Orgel (2 man. Cemb. m. Pedal) oder Pianoforte (Cemb. ohne
Pedal), Pianoforte (Cemb.). Sonstige Klaviertrios oder Klavierquars
tette usw. sind nicht erschienen.
GroBes Interesse ist fiir Orgelmusik vorhanden. Die zeitgenossischen
Komponisten haben in den letzten Jahren allerhand wichtige Werke
herausgestellt, und auch in diesem Jahre sind erfreulicherweise wieder
mehrere Veroffentlichungen anzuzeigen. Heinrich Fleischer lieB 73
leichte Choralvorspiele alter und neuer Meister erscheinen. Der junge
Westfale Friedrich Hark verofientlichte ein „Chemnitzer Orgelbuch' ,
der Wiener Wilhelm J erger eine Chaconne, Hermann Keller „Die
Kunst des Orgelspiels", Karl Lampart als op. j6 „Feierklange", 12
festliche Orgelpraludien (kath.), Siegfried Reda Choralvorspiele, der
Dresdner Fritz Reuter „Toccata und Fuge in F". Neuausgaben ers
schienen von Vincent Liibeck, „Orgelwerke", von Claudio Merulo
„Canzonen", von Samuel Scheidt das „Gorlitzer Tabulaturbuch vom
Jahre 163-0", das auch fiir Harmonium spielbar ist, und Max Seiffert
4 • 49
gab „ 1 3 Fantasien a }" des alten Danziger Meisters Paul Siefert heraus.
Fur Harfe und Orgel schrieb R. E. Z in gel eine Legende, fur Streich*
orchester und Orgel Karl Kraft ein „Concerto breve Nr.i a*moll".
Der groBten Beliebtheit unter den Volksmusikinstrumenten erfreuen
sich die Balginstrumente, an erster Stelle das Akkordepn, dann Har*
monika, Bandonion und Konzertina. In der Akkordeon* undHarmo*
nikaliteratur vor allem bemiiht sich das HohnenWerk in Trossingen
mit Erfolg, gesundeWerke zu schaffen. Es hat zur Ausbildung von
Akkordeonlehrern und *schiilern ein Seminar ins Leben gerufen und
als geistigen Betreuer den Komponisten Hugo Herrmann gewonnen.
Mit Leidenschaft arbeitet Herrmann an seiner Aufgabe und versteht
es, namhafte Komponisten fur das Akkordeon zu begeistern. Seinen
Anregungen verdanken wir einmal wertvolle Kompositionen fiir Balg*
instrumente und zum anderen auch Bearbeitungen geeigneter klassi*
scher Werke. Genannt seien: Hugo Herrmann „StraBburger Turm«
musik", Hans Lang „Bauernhochzeit in den Bergen" und eine „Bay«
rische Tanzmusik", Gerhard Maasz „Niederdeutsche Abendmusik"
und Hermann Zilcher op. 49 „Variationen iiber ein Thema von
Mozart". Von Bearbeitungen alterer Musik sind zu nennen „Dank*
bare Weisen" von Franz Schubert.
Geringer ist seit Jahren schon das Interesse fiir Zupfinstrumente. Fiir
die immer wenig bedachte Harfe sind aber in diesem Jahre einige Ver*
ofEentlichungen zu melden. Fiir Jugendkreise vor allem sind sogenannte
„Spielmusiken" gedacht, Werke, bei denen die Stimmparte nachBelie*
ben von gerade zur Verfiigung stehenden Instrumenten iibernommen
werden konnen. Auch in diesem Jahre liegen wieder solche Werke aus
der Feder anerkannter Musiker vor. Fiir Laute und Gitarre erschienen
Lehrwerke: von W. Gerwig „Das Spiel der Lauteninstrumente" und
Schaller*Scheit „Lehrwerk fiir die Gitarre". „Freundliche Abend*
musik" nennt Josef Lee hthaler sein Trio fiir Flote (Viol.), Klarinette
in A (Viol.) und Gitarre (Klav. oder Cemb, mit Gambe oder Violon<
cello). An Kompositionen fiir Harfe sindanzufuhren: Ernst Schliepe
op. 2 j Variationen und Fuge iiber ein altes Lied „In stiller Nacht",
sowie R. E. Zingel „Eine kleine Serenade" und ein „Phantastischer
Tanz".
Wir kommen jetzt zur Vokalmusik. Soweit dabei die Ghormusik in
Betracht kommt, ist es, von Ausnahmen abgesehen, nattirlich nicht
moglich, die vielen kleinen Einzelerscheinungen zu nennen. Es liegen
aber eine ganze Anzahl gewichtiger Werke vor. Richten wir unser
Augenmerk zuerst auf die geistliche Vokalmusik. Hier sind zu nennen
2 gemischte Chore von Hugo D istler op. 9 Nr. 1 2 „Fiirwahr, er trug
50
unsere Krankheit" und op. 12 Nr. 8 „Das ist je gewiBlich wahr". Karl
Kraft steuerte als op. 74 eine Missa dominicalis fur vereinigte Ober*
und Unterstimmen oder 2 Fraueiw (oder Manner*) Stimmen und Orgel
bei. Von Franz Philipp erschienen als op. 48 Weihnachtsgesange fur
gemischten Chor unter dem Titel „Als Herre Christ geboren ward",
und Heinz Schubert schrieb eine 8stimmige Motette „Alles ist ver*
ganglich". Von Werken fiir eine Singstimme mit Begleitung seien get
nannt von Karl Kraft op. 76 „Von der Verganglichkeit", kleines
Triptychon fiir Alt und Orgel auf Texte von Ulrich v. Singenberg,
und von Hans Friedrich Micheelsen ein geistliches Konzert „Was
betriibst du dich, meineSeele" fur Alt oder BaB mit Violihe und Orgel.
Eine Reihe wertvoller weltlicher Werke erschienen fiir gemischten
Chor a cappella. Zunachst sei ein neues Chorbuch von Walter Rein
„Das klingende Jahr" angefuhrt, ferner erschienen a*cappella«Kompo«
sitionen von Ernst Pepping „Lob der Trane" oder „DerWelten
Lauf ", Deutsche Bankellieder fiir 4stimmigen gemischten Chpr, vofao.
gleichen Komponisten auch der mit groBem Erfolg aufgefiihrte Liedew
kreis „Der Wagen" nach Gedichten von Joseph Weinheber. Zu nennen
ist weiter Heinz Tiessen mit einem gemischten Chor auf einenSpruch
„Zukunft" (op. 47 Nr. 3).
Auffallend groB ist die Anzahl wertvoller weltlicher Werke fiir ge*
mischten Chor mit Orchester. Von Fritz B iicht ger erschien eine Kan<
tate fiir Bariton, gemischten Chor und Orchester auf Texte von Ste*
phan George unter dem Titel „Flamme", von dem im Osten gefallenen
begabten Helmut Brautigam die Langemarck«Kantate „Die Briefe
der Gefallenen", von Willy Burkh^rd ein Oratorium „Das Jahr"
(op. 62), von Helmut Degen eine Kantate „Wenn der Bauer Hoch*
zeit macht", von Hermann Grab ner ein abendfullendes Oratorium
„Das Lied vomWalde" auf Texte von Max Barthel, von KurtHes*
sen berg als pp. 22 „Fiedellieder", eine Kantate nachWorten von
Theodor Storm, von Otto Jochum als op. 78 eine Mozart*Suite, hei>
tere Gesange nach Mozartschen Kanons fiir gemischte Stimmen mit
Klavierbegleitung. Hans Pfitzner komponierte zum Lobe Karlsbads
den Kolbenheyerschen Hymnus „Fons salutifer" (op. x 48), H. F.
Schaub ein deutsches Tedeum. Von Bruno Stiirmer, der in diesem
Jahre seinen jo. Geburtstag feierte, erschienen 2 Hymnen op. 1 1 J
„Deutschlands Hocherbliihn" und op. 1 16 „Die Stunde schlagt". Von
Kurt Thomas liegen 3 neue Werke vor, op. 38 „Lob der Musik",
op. 39 „Waidlied" und op. 40 Drei Chore nach Worten von Wolfram
Brockmeier. Ein groBesChorwerk„Helden" (op. 6i ) aufDichtungenvon
H. Schwarz und Rudolf G. Binding veroffentlichte Hermann Wunsch.
> 51
Neuerscheinungen auf dem Gebiete der Mannerchorliteratur sind
wahrend der Kriegsjahre geringer geworden. Wahrend es den gemisch*
ten Choren noch teilweise moglich ist, trotz Reduzierung der Manner*
stimmen zu singen, sind die Mannerchore durch Einziehungen ihrer
Sanger zurWehrmacht starker gehemmt. Dementsprechend gehen
auch die Erscheinungen fiir dieses Chorgebiet im Kriege zurtick. Wei*
chen Wert man aber auch im Heere dem Gesang beilegt, zeigt neben
der Veroffentlichung von besonderen Chorliederreihen fiir die Solda*
ten die Veroffentlichung eines Chorliederbuches fur dieWehrmacht
durch Fritz Stein und Ernst Lothar v. Knorr. Auch Hans Pfitzner
hat mit seinem op. 49 einen Beitrag zur Mannerchorliteratur geliefert;
als Nr. 1 erschien ein a*cappella*Chor „Wir gehn dahin" und als Nr. 2
„Das SchiiFlein" fiir Mannerchor mit Sopran, Flote und Horn. Man*
nerchorwerke mit Orchester verofientlichten Ottmar Gerster „Han*
seatenfahrt" und Hermann Grabner op. jjb „Schwertspruch" <mit
Blasorchester). Sehr gering sind die Neuerscheinungen der Frauen*
chorliteratur. Erwahnung verdienen ein neues Chorbuch fiir Madchen*,
Frauen* und Knabenstimmen von Erika Steinbach und ein entziik*
kender kleiner Satz von Max Geb hard „Gesegn dich Laub" mit
oblig. Engl. Horn oder Klarinette in A. Hier diirfte auch Ernst Pep*
pings 2sttmmiges Spandauer Chorbuch Erwahnung linden.
Ausgezeichnete Veroffentlichungen werden fiir Schulmusik ange*
boten. Eine groBe Anzahl von neuen Schulliederbuchem wird an*
gezeigt, und Waldemar Klink, der Niirnberger Singschuldirektor,
setzt mit Gliick seine Sammlung „Junggesang" fort. Darin bringt er
unter anderem neu „Lustige Tierlieder" von Helmut Brautigam,
„Alemannische Schelmenliedchen" von Karl Marx und eine lustige
Kantate „Ich bin Soldat, vallera!" mit kleinem Orchester von Her*
mann Grabner. Auch von anderer Seite werden Beitrage beigesteuert,
so von Cesar B res gen eine frohliche Kantate zum Lobe des Hand*
werks fiir 2 stimmigen Chor, Sprecher und Instrumente mit dem Titel
„Schneidri, schneidra, schneidrum", von Hermann Fuchs eine Apfel*
Kantate, von Karl Pfister als op. j6 „Die Sonne scheint", Kinderverse
von Fr. Volklein fiir 2 Singstimmen und Klavier, von dem Berliner
Hermann Simon „6 Feiertagschore" auf Worte von MaxBarthel fiir
3-4stimmigen, unbegleiteten Jugendchor. Nicht vergessen seien die
zahlreichen Musikblatter und Singblatter, sowie Liederbiicher mit
Melodien und Texten fiir Formationen usw.
Auffallig bemerkbar machen sich die vielen Neuerscheinungen fiir
eine Singstimme mit Klavier. DaB zahllose Wiener Lieder die Hausse
des Vorjahres fortsetzen, ist bei der Beliebtheit dieser Gattung zu ver*
52
stehen. Oberraschend fur den Eingeweihten aber ist das Erscheinen
sonstiger Lieder, die bei dem geringen Interesse der Sanger und sin*
genjien Laien fur neue Musik ein groBes Risiko fiir den Verlag dar*
stellen. Es kamen heraus von Walther Abendroth als op. 12 „Fiinf
Lieder", von Willy Czer nik, dem Dresdner Staatskapellmeister, } bra*
vourose Lieder, von Arnold Ebel als op. 47 ein Zyklus „Lieder der
Zeit", von Gerhard Frommel „Amorosissima" fiir eine hohe Sing*
stimme, von Karl Gerstberger als op. 26 Fiinf Lieder fiir eine mitt*
lere Stimme und Klavier, von Walter Jentsch als op, 24 Sechs Lieder
fiir eine hohe Stimme, von Altmeister Paul J u o n als op. 99 Drei Lieder
fiir mittlere Stimme, von MarkLothar als op. 39 Zwei Lieder des
Mephisto, von Alois Melichar Drei Lieder, von Roderich v. Mojsi*
so vies als op. 95 Lieder nach Gedichten yon Rudolf Kundigraber, von
Karl Pfister als op. jj „Die Wiesebliiht" nach Gedichten von Fr.Volk*
lein, von Hugo Rasch als op. 24 Drei Lieder nach Gedichten von
A. StraBmaier, von Hannes Ruch Sieben Soldatenlieder nach Texten
von Ludwig Thoma unter dem Titel „Auf Posten stand ein junges
Blut..." (auch mit Akkordeonbegleitung), von Hermann Simon
„Kommt ein Kindlein auf die Welt", ein Liederkreis fiir eine lyrische
Frauenstimme auf Gedichte von Ruth Schaumann, von Karl Winkler
als op. 4j Sechs Friihlingslieder auf Goethe/Texte und von Karl Au*
gustWeismann „Fiinf Lieder fiir eine Singstimme mit Pianoforte".
Auch fiir eine Singstimme mit Orchesterbegleitung sind einige Werke
angezeigt, so von Erich Anders die „Suite altitalienischer Arien" in
neuer Fassung fiir hohe Stimme und kleines Orchester, von H. E.
Apostel als op. 9 Fiinf Gesange auf Texte von Holderlin fiir tiefe
Stimme, von Hans Chemin*Petit eine Kammerkantate „An die
Liebe" fiir Sopran und kleines Orchester, von Heinz Schubert „Vom
Unendlichen" fiir Sopran und Orchester, von Gerhart v. Wester*
man als op. 12 Rezitativ und Arie fiir Sopran auf Texte von Regina
Ullmann.
Von Biihnenwerken wurden Klavierausziige zu folgenden Opern
gedruckt: zur Oper „Steuben" von Hans Bullerian, zum „Colum*
bus" von Werner Egk, zur Volksoper „Antje" von Herb. Trantow
und zii „Das konigliche Opfer" von Georg Vollerthun.
Auf dem Gebiete der unterhaltenden Biihrienmusik, der Operette,
des musikalischen Lustspiels und der Revue zeigen sich immer rioch
nicht die Musiker, die imstande sind, das groBe Erbe der Wiener und
Berliner Operette anzutreten. Im 19. Jahrhundert und noch zu Anfang
des 20. Jahrhunderts waren deutsche Musiker in der ganzen Welt
fiihrend. Deutsche Unterhaltungskomponisten mit kiinstlerischem
53
Niveau versorgten In* undAusland mitTanzen, Liedern undMarschen.
Erinnert sei an die Namen StrauB, Lanner, Ziehrer, Millocker, Lehar,
Lincke und Kollo, urn nur einige Namen zu nennen. Deutsche Unter*
haltungsmusik war ein wertvoller, devisenbringender Ausfuhrartikel.
Was denTanzangeht.so haben uns nach dem erstenWeltkriege Ameri*
kaner und Englander das Wasser abgegraben. Alles Donnern gegen
den Jazz wird ihm nichts anhaben konnen. Gefahf droht ihm allein
von Musikern mit genialen Einfallen. Solche Kerle kann man aber
nicbt erreden, sie sind entweder da, oder sie fehlen.
DaB wir zu Bearbeitungen alter Operettenwerke unsere Zuflucht
nehmen miissen, zeugt von unserer augenblicklichen Schwache. Kla*
vierausziige erschienen zu folgenden Operetten: „Die Frau ohne Stah:>
desamt" von A. Brandmayer, zu >,Veilchenredoute" von Karl
Cerne, zu „Gottin der Liebe" von Drdla und zu „Die Fliegerin"
von A. Vetterling, Karl Millockers „Husarenstreiche" kamen in
einer textlichen Neufassung von H. Rainer und musikalischen Bearbei*
tung von R. Kattnigg heraus. Als einziges Ballett wurde das „Ernte>
fest" von Friedrich Bayer gedruckt.
Im AnschluB daran seien noch zwei VeroiFentlichungen von Volks*
tanzen genannt, und zwar die „Niederhessischen Volkstanze", heraus*
gegeben von Hans von der Au, und das „Rosentor" von Walther
Pudelko.
Unsere Betrachtung sei abgeschlossen mit der Bekanntgabe der
wissenschaftlicheri VeroiFentlichungen des Staatlichen Institutes fiir
deutsche Musikforschung, das im verflossenen Kriegsjahre wieder
drei Bande vorlegen konnte, und zwar erschienen in der Ausgabe
„Das Erbe deutscher Musik", Reichsdenkmale, als Band XIV „Deut*
sche Blasermusik vom Barock bis zur Klassik", herausgegeben von
Helmut Schul'tz, als Band XVII Johann Jakob Walther, „Scherzi
da Violino solo con il basso continuo 1676", herausgegeben von
G. Beckmann, und als Band XVIII Carl Philipp Emanuel B ach, „Vier
Orchestersinfonien mit 1 2 obligaten Stimmen, dem Prinzen Friedrich i
Wilhelm von PreuBen gewidmet", herausgegeben von Rud. Steglich.
54
Generalmajor Paul Winter
Mufikpflege in tier tFeljrmac&t
Weil die Musik, die elementarste der Kiinste, eine geheimnisvolle
Macht iiber das menschliche Herz in sich birgt, hat man zu alien
Zeiten sich bemiiht, ihre starkende, befliigelnde Kraft der Seele deS
Kriegers teilhaftig werden zu lassen.
Unsere Kriegswehrmacht, in der die Waffentrager der Nation ver/
einigt stehen, kampft heute' urn Dasein, Lebensraum und Zukunft
des deutschen Vblkes und Europas. Sie ist ein „Volk inWaffen", ist
Verkorperung aller leiblichen und seelischen Krafte dieses Volkes,
seiner Glaubigkeit und Sehnsiichte, seiner Freuden und Sorgen. Sie
ist wie ein Sammelbecken, in das alle Einzelleben miinden, um als
machtiger, gelenkter Strom kriegerischer Kraft daraus loszubrecheny
ist wie ein Schmelztiegel, in dem alle Seelen zusammengegliiht werden
zu Schwert und Schild, ist wie die ragende Eiche, die ihreWurzeln
und Aste weitverzweigt ins Erdreich und in die Liifte ausstreckt, um
alle lebendigen Safte und Krafte einzusaugen, die - in Wind und
Wetter gehartet - sich ihren Raum an der Sonne erstreitet.
Es gehort zur Eigenart des deutschen Menschen: gerade in Zeiten
der Not regt sich in ihm machtig die Sehnsucht nach dem Kraft«
quell des Musischen. Zu solcher Zeit wachst ihm aus dem wunder*
sam vielgestaltigen Kulturboden seines Volkstums alles entgegen, des*
sen er bedarf. In diesem Bediirfnis spiegelt die Kriegswehrmacht heute
das Fuhlen des ganzen Volkes wieder. Dabei ist weniger von Bedeu*
tung, was dem Einzelnen als Wunschbild vorschwebt, vielmehr die
Tatsache, daB die Gesamtheit dieses Bedtirfnis nach dem Hoheren,
dem Schonen, nach der Kunst — vornehmlich der in Rhythmus und
Melodie klingenden - im Herzen tragt.
Diesem Bediirfnis der Gesamtheit trachtet die Musikpflege in der
Wehrmacht ebenso gerecht zu werden, wie deh militarischen Erforder^
nissen. Allerdings erweist sich auch hier der Krieg als ein unerbitt*
licher Richter iiber die letzten Werte menschlichen Seins und Tuns.
In der steten Bereitschaft zur Hingabe seines Lebens wird der Mensch
im tieferen Sinne sehend. Auf dem Hintergrund des Kampfes auf
Leben und Tod zeichnet sich ihm das Echte, Schone; deutlicher ab
55
als im Gewirr des Alltags. Im BewuBtsein der Gefahr und im Angesicht
des Todes wird er erst die Fiille und "SiiBigkeit des Lebens gewahr
und kostet sie — oft schon brechenden Auges — im Innersten seines
Fiihlens wie nie zuvor. Dieses neue, vertiefte Erlebnis des Wertes und
Sinnes seines Lebens starkt den Menschen, macht ihh gewillt und
fahig, es im erbarmungslosen Kampf der Gewalten bis zuna Letzten
zu verteidigen, einzusetzen und auch zu opfern fiir den hoheren
Zweck der Gemeinschaft, in dem das Einzeldasein erst Berechtigung
und Weihe erhalt. In diesem auBersten Einsatz des Lebens — ob im
Kampf yon Mann gegen Mann, ob im Kampf gegen Gefahr zu Lande,
zu Wasser oder in der Luft, 'gegen Wunden oder Krankheit - rnann*
haft stark zu bleiben noch im letzten Atemzuge: dafauf will
unsere ganze soldatische Erziehung vorbereiten; und dazu leistet auch
die Musikpflege in der Wehrmacht ihren Beitrag.
In diesem Gedanken stellt die Wehrmacht die Pflege des Soldaten*
liedes an ersteSte/ie. Das Lied ist zu alien Zeiten „der gute Kamerad"
des deutschen Soldaten gewesen. In all den Einsamkeiten auf verlasse*
nem Posten ist es ihm oft der einzige treue Begleiter geblieben, der ihm
iiber schwere Stunden hinweg geholfen hat. Es ist oft gerade das stillste
Heimatlied, das wieder stark macht . AufMarsch und See fahrt, am Lager*
feuer, in Bunker, Quartier und Kaserne bleibt das Singen der leben*
digste Ausdruck der Soldatenkameradschaft. Zur Forderung dieses
Singens ist derTruppe in zahlreichen Soldatenliederbiichern das
alte und neue Volks* und Soldatenlied, nach den verschiedenartigen
Wiinschen gesammelt, gesichtet und aufgebaut, vermittelt worden.
Durch den Einsatz vonSingeleitern, die in eigenen Lehrgangen fort*
laufend fiir diese Tatigkeit ausgebildet werden, hat das praktische
Singen und das instrumentale Musizieren in den Truppeneinheiten
einenAufschwung wie nie zuvor genommen. NeueLieder sind in groBer
Anzahl im Entstehen. Was davon bleibt, wird erst eine spatere Zeit ent*
scheiden. Bei vielen liegt der Wert nicht so sehr in der Melodie oder im
Wort, als im Gemeinschafts* erlebnis einer Waffentat oder Waffen*
gattung : es ist das Lied der Masehinengewehrkompanie, der Panzerjager,
das U*Boot*Lied, das Lied der Jagdflieger, der Fallschirmschutzen, auf
das jeder nach seiner Zugehorigkeit wie auf seine Waife stolz ist.
Die Pflege der Marschmusik hat ihren Schwerpunkt bei den
Truppenteilen der Ersatzwehrmacht, denn die Zeiten, da man mit
klingendem Spiel zum Sturm antrat, sind endgultig vorbei. Die
Musikkorps der Fronttruppe sind vielfach mit derWafFe oder als
Hilfskrankentrager in oft verlustreichem Einsatz tatig und stehen nur
in Ruhezeiten fiir ihre musikalische Aufgabe zur Verfiigung.
56
Aueh der konzertanten Blasmusik bringt die Wehrmacht er;
hohtes Interesse entgegen. Durch Wettbewerbe und Auftrage for*
dert sie die {Composition originaler Blasmusik. Besonderen Anreiz
bietet hierbei offenbar das erweiterte Instrumentarium der Luftwaffen*
musik (Einfiihrung des Saxophons, hoher und tiefer Klarinetten und
Posaunen). '
Im Zusammenwirken von Soldatenchoren und Blasorchester formt
sich ein neuer Stil der Feiergestaltung. Die Chore der Singeleiter
der Wehrmacht baben sich hierfiir in zahlreichen Veranstaltungen in
den besetzten Gebieten eingesetzt. Hier sei auch die Betatigung der
Musikkorps der Wehrmacht und der Waffen^ zur Betreuung der
Lazarette, der Riistungsbetriebe und im Rahmen desWinterhilfswerkes
erwahnt.
Bei den Veranstaltungen der Truppenbetreuung im Kriegs* und
Heimatgebiet ist der Musik ein groBer Raum gewahrt. Sanger und
Instrumentalisten, Kammermusikvereinigungen, Orchester undOpern*
biihnen des Reiches (im Auftrag des Oberkommandos der Wehrmacht
durch „Kraft durch Freude" eingesetzt) vermitteln - keine Aristren*
gung und Gefahr scheuend - unseren Soldaten von Murmansk bis
Afrika, von der Atlantikkiiste bis tief in den Osten, in Stunden der
Entspannung und der Sammlung den ganzen Reichtum der Musik.
Entscheidend sindhier nicht dieklingendenNamen der ausfuhrenden
Kiinstler, die sich erfreulich zahlreich in den Dienst der Sache stellen,
entscheidend ist allein das kulturelle Gesamtergebnis : Unzahlige
deutsche Soldaten aus alien Berufs* und Bildungsschichten gewinnen
auf diese Weise eine erstmalige oder eine neue Beziehung zu dem
edelsten Kulturgut der Musik. Der Kontakt zwischen Horer und
Kiinstler ist fern der Heimat enger, riamentlich wenn ein verbin*
dendes Wort die Briicke' zum Kunstwerk schlagt. Im behelfsmaBig
hergerichteten Raum, auf entlegener Insel oder an Bord eines Schiffes
lauscht man gesammelter als im konventionellen Konzertsaal.
Aus dem vertiefenden Erlebnis des Kampfes, in dem er als mitver;
antwortliches Glied wirkt, empfindet gerade der einfache, unverbildete
Mann ohne viele Worte, daB auch die Musik unserer groBen Meister
aus einem Ringen mit dem Schicksal hervorgegangen ist, selbst da, wo
sie lachelnd und unbeschwert scheint 1 . Der Zucht, Lebendigkeit und
Klarheit etwa der Brandenburgischen Konzerte Bachs fuhlt er sich
innerlich zugehorig, da er aus ihnen den soldatischen Geist des
groBen Konigs in gleicher Weise hort, wie er ihn im eigenen militari*
1 So lautet Michelangelos Inschrift unter einer Skulptur: ,,und niemand weifi,
wieviel es B}ut gekostet!"
57
schen Tageswerk standig erlebt. Er ist aufgeschlossen fiir dasWerk
Beethovens, da er in ihm den Mann ahnt, der „dem Schicksal in den
Racheri greift", so wie es von ihm selbst taglich gefordert wird; denn
er spurt an sich selber: „Dem Mann muG Musik Feuer aus dem
Geiste schlagen!" (Beethoven). Staunend und begliickt nimmt er die
ewig jungen Melodien Mozarts auf, vielleicht erstmals ahnend, daB
„das zwecklos Schone" die hochste Stufe aller Kunst ist und daB
„die Unergriindlichkeit im Lacheln sich verbirgt".
DaB auch die leichte Unterhaltungsmusik zur Erheiterung und
zum Ausspannen geniigend zuWorte kommt, sei nicht vergessen. In
dieser Richtung bewegen sich die vielseitigen Bemiihungen des
Reichsrund funks. Mit zahlreichen Sonderprogrammen vom Hei«
teren bis zum Ernsten erfiillt er dem Soldaten alle nur denkbaren
Wunsche und dient so mittelbar der Musikpflege in der Wehn
macht. In seinen ziindenden Kampfliedern, die zu den Sondermeb
dungen wie der Schlachtruf des ganzen Volkes erklingeri, hat gerade
der Rundfunk die Musik wie nie zuvor in eine unmittelbare Beziehung
zu den Kampfereignissen der Front gebracht.
SchlieBlich sei noch der reichen Schallplattenspenden gedacht,
die dem Soldaten Musik zu jeder Zeit und nach eigenerWahl er>
moglichen,
Wie Deutschland das am meisten musikliebende und musikschop£>
rische Land der Erde genannt werden muB, so nimmt auch in seiner
Wehrmacht die Liebe zur Musik und ihre Pflege einen Platz ein, wie
ihn andere Volker nicht kennen. Der deutsche Soldat weiB, daB er
.rait seinem Lebenseinsatz nicht nur fiir die Erhaltung seines Vater*
landes, sondern auch fiir den Bestand der deutschen Musik eintritt.
58
Gotthold Frotscher
£itlet-3ugent> mufijiert
Im Leben der Hitlerjugend nimmt die Musik ihren festen Platz
ein. Ob auf dem Marsche, beim Heimabend oder bei der Feier,
immer und uberall wird gesungen und musiziert. Dieses Musizieren
vermag die Einzelnen schneller zur Gemeinschaft. zu formen, als das
durch das gesprochene Wort allein moglich sein wiirde; denn Musik
ist unmittelbarster Ausdruck des gemeinsamen Erlebens, sie wendet
sich an alle Glieder einer lebendigen Gemeinschaft.
So bedingt die Musikarbeit der Hitler<Jugend zunachst eine Breiten*
arbeit. Jedem Jungen und jedem Madel wird im Dienste ein Schatz
von alten und neuen Liedern mitgegeben, die ihnen Besitz fiirs Leben
werden sollen. Die Reichsjugendfiihruhg hat von Anfang an darauf
gesehen, dafi das Singen in den Einheiten gepflegt und iiberwacht
und daB wertbestandiges Liedgut dargereicht wird. Im Mittelpunkte
der Liedarbeit stehen die i.Liederblatter der Hitler Jugend", die auch
wahrend des Krieges zweimonatlich in einer Auflage von iiber
i oo ooo Stiick erscheinen. Als Sonderausgabe konnten im Sommer
1942 zwolf sechzehnseitige „Liederblatter fiir Jungmadel" heraus*
gegeben werden, die fiir die in die Formation hineiriwachsenden
Madel vor allem das Spiel*, Tanz* und Tierlied bereitstellen. GewiB
wurde die Liedpflege und auch die unerlaBliche Stimmpflege dadurch
erschwert, daB so gut wie alle alteren Fiihrer unter den Waffen stehen.
Hier sind indes, soweit es moglich war, die Madel eingetreten und
haben die Aufgaben ihrer Kameraden zusatzlich mit ubernommen.
Neben der Breitenarbeit ist aber auch eine Tiefenarbeit erforderlich.
Es wird verlangt, daB alle musikalisch befahigten und musikbegeister*
ten Jungen und Madel ihre Anlagen entwickeln und ihr Konnen im
Dienste der Formation auswirken. Fiir die Ausbildung musikalisch
Begabter hat die Reichsjugendfiihrung in Zusammenarbeit mit den
Gemeinden oder als eigene Einrichtungen der Hitlerjugend Jugend*
musikschulen ins Leben gerufen, aus denen der Nachwuchs fiir die
Spieleinheiten der Hitler <Jugend hervorgeht, die nach und nach in
alien Bannen gebildet werden, Das vergangene Jahr ermoglithte eine
Neuorganisatipn und wirtschaftliche Sicherstellung dieser Musikein*
heiten. Die Spielgefolgschaften, ^fahnlein und ^gruppen bauen die
59
Musik in den Dienstplan ein; sie musizieren zur eigenen Freude,
fur den Kreis der Kameraden oder auch bei Veranstaltungen der
NSDAP und in der groBeren Offentlichkeit, sei es bei Heimabenden,
Lebensfeiem, Kundgebungen oder im Rundfunk. Ihren besonderen
Einsatz fanden sie mit Fahrten in die neuen Gebiete und zu unseren
Soldaten in den besetzten Landern. Hunderte von Spielscharen der
Hitler Jugend besuchten die Besatzungstruppen in Frankreich oder
Norwegen, die Umsiedler im Osten und die Bewohner Lothringens,
Luxemburgs oder Oberkrains. Aus der Reihe der Spieleinheiten hebt
sich eine Anzahl von Choren der Hitlenjugend heraus, die denVergleich
mit den altiiberlieferten Jugendchoren nicht zu scheuen brauchen. Die
Musikzuge, Fanfarenziige und B laser kameradschafteri konnten trotz
kriegsbedingten Schwierigkeiten ihren hohen Stand halten; die 1942
neugegriindeten Gebietsmusikschulen sichern ihnen einen geschulten
Nachwuchs und fiihren den Kulturorchestern wie den Musikkapellen
der Wehrmacht ausgebildete Musiker zu.
Nicht nur zum eigenen Musizieren will die Hitler Jugend anleiten;
sie will auch zum Musikhoren erziehen. In den Gebieten und Bannen
wurden Veranstaltungsringe der Hitlerjugend eingerichtet, denen sich
Dirigenten, Orchester, Kammermusikvereinigungen undSolisten im'mer
wieder zur Verfugung stellen. Wiederholt sind bei diesen Konzerten
auch jugendliche Solisten aufgetreten.
Die Hitler Jugend weiG, daB Kulturarbeit nicht durch organisatori*
sche MaBnahmen erfiillt werden kann, sondern einer stetig neu an«
setzenden Erziehung bedarf. Fiir diese Erziehungsarbeit miissen Men*
schen bereitstehen, die fachlich durchgebildet sind, aber auch ihre
weltanschauliche Eignung und ihre Fuhrereigenschaft unter Beweis
gestellt haben. So hat sich als neuer Typ des Musikerziehers neberi
dem Schulmusiker und dem Privatmusiklehrer der des Musikerziehers
der Hitler Jugend herausgestellt. Mit dem Beginn des Winterhalbjahrs
1942/43 sind die drei an den Hochschulen fiir Musikerziehung in
Berlin und Graz und der Hochschule fiir Musik in Weimar laufenden
Lehrgange zu Semiharen erhoben, auf eine dreijahrige Ausbildungs*
zeit erweitert und damit den sonstigen Musikerzieherseminaren gleich«
gestellt worden. Fiir Singwartinnen, Bannmusikreferentinnen u. a.
fanden Schulungen in fast alien Gebieten statt.
Die Musikarbeit der Hitler Jugend ist durch den Krieg nicht unter*
bunden, sondern im Gegenteil gesteigert worden. Wenn die Musik*
iibung in der jungen Generation mit Eifer, Begeisterung, Hingabe
und FleiB betrieben wird, so liegt auch hierin ein Beweis fur den
Aufbauwillen und die innere Starke des jungen Deutschlands.
60
Maria Ottich
ZH'e'UQufikarbeit tier MB.-tBemeinftfjaft
„Kraft imrd) f reu&e"
Von ihrer allgemeinen Zielsetzung ausgehend haben zwei Amter
der NS.*Gemeinschaft „Kraft durch Freude" die Musik in ihr Arbeits*
programm aufgenommen: das Amt „Feierabend" und das Amt „Deut*
sches Volksbildungswerk". Der Offentlichkeit am bekanntesten ist des
ersteren Beitrag zum deutschen Musikleben in seiner Form als Be*
sucherorganisation fur Theater und Konzerte. Was vor eiriem Jahr*
zehnt noch nahezu unmoglich schien, jedem schaffenden Deutschen
ohne Unterschied des Standes und Besitzes das Erlebnis der groBen
nationa en Kunstleistungen zu vermitteln, ist hier Wirklichkeit ge*
worden. Taglich haben Millionen von Volksgenossen, die tagsiiber
am Schraubstock oder an der Drehbank stehen, die am Schreibtisch
oder im heute besonders schwierigen wirtschaftlichen Leben ihre
Pflicht tun, durch Vermittlung der in alien Gauen verbreiteten Kon*
zert; und Theatergemeinden die Moglichkeit, nach getaner Arbeit
Freude, Entspannung und Anregung in Konzerten oder Theatern zu
finden. Die Konzert* und Theatergemeinden ermoglichen ihren Mit*
gliedern den Besuch der Veranstaltungen zu ermafiigten Preisen, so
daB niemand aus Geldmangel zuriickzustehen braucht. Die schonste
Erfiillung einer Forderung, die RichardWagner vor nahezu einemjahr*
hundert aufstellte, daB dem Publikum unentgeltlicher Zutritt zu den Vor*
stellungen ge'geben werden sollte („Die Kunst und die Revolution", 1 849),
brachte der NS.'Gemeinschaft „Kraft durch Freude" der Auftrag des
Fiihrers, in jedem Sommer wahrend des Krieges die Bayreuther Fest*
spiele fiir Frontsoldaten und Riistungsarbeiter durchzufiihren. Durch
Einfiihrungsvortrage und *schriften mit dem Ideengehalt und der musi*
kalischen Symbolik von Wagners Werken vertraut gemacht, konnen
die, die sich mit ihrem Leben oder ihrer ganzen Arbeitskraft fiir den
Sieg des groBdeutschen Reiches einsetzen, einige Stunden der Erbau*
ung und inneren Kraftesammlung an Wagners Wirkungsstatte erleben.
Jedoch nicht allein als Besucherorganisation tritt das Amt Feier*
abend in Erscheinung; in gemeinsaiiier Arbeit mit den Stadtverwal*
tungen nimmt es n den Konzertgemeinden entscheidenden EinfluB
auf die Gestaltung der Programme. Eigene Veranstaltungen berei*
61
chern den Spielplan; Chor* und Orchesterkonzerte machen die Mit*
glieder der Konzertgemeinden mit der klassischen und zeitgenossischen
Literatur bekannt. Die hervorragendsten Kiinstler bieten mit Freude
ihre Kunst der schaffenden Bevolkerung dar. Das in Miinchen heimi*
sche NS.»Symphonieorchester, durch seine unermiidlichen Konzert*
reisen bekannt, tragt unter der Stabfuhruhg seiner Dirigenten General*
musikdirektor Fritz Adam, und Staatskapellmeister Erich KloB deut*
sche Musik in Werkpausen und am Feierabend bis in die groBen
Fabriksale hinein. Dariiber hinaus setzt sich die NS.*Gemeinschaft
„ Kraft durch Freude" auch fur noch unbekanntere Krafte ein und
fordert den kiinstlerischen Nachwuchs durch Verteilung von Stipen*
dien an vielversprechende Talente.
Es ware fur die kulturelle Entwicklung ungesund, wenn man dem
Volke nur die hochentwickelten Kunstleistungen darbieten wollte,
ohne Sorge zu tragen, daB sich die bodehstandige Kunst weiterer Pflege
erfreut. Im Zeitalter der technischen Musikiibertragung durch Rund*
funk, Schallplatte und Tonfilm und des immer sich steigernden
Uberwiegens typischer GroBstadtbrauche auch im musikalischen
Kulturleben ist es eine wichtige Aufgabe, Volkslied und «tanz, die
ureigensten AuBerungen der Volksseele, die sich in jahrhundertelanger
Uberlieferung von Generation zu Generation vererbt, und zu Beginn
unseres Jahrhunderts durch fremde Einfliisse zuriickgedammt waren,
nicht zu vernachlassigen. Die Abteilung „Volkstum undBrauchtum" des
Amtes „Feierabend" bemiiht sich darum, ihnen die rechte Pflege an*
gedeihen zu lassen. In Verbindung mit der Kulturarbeit auf dem
Lande, in Zusammenarbeit mit Werkscharen und Werkfrauengrup*
pen der Betriebe, bei Kameradschaftsyeranstaltungen, bei Festen und
Feiern im Jahreskreis lebt altes, schones Brauchtum wieder auf. In
alien deutschen Gauen werden ofiene Singstunden abgehalten, iiber*
liefertes und neu aufgezeichnetes Liedgut durch Liederblatter ver*
breitet. Zur Gestaltung der Lebensfeiern (Geburt, Hochzeit, Tod)
geben die in Zusammenarbeit mit dem Hauptkulturamt in der Reichs*
propagandaleitung der NSDAP. herausgegebenen Hefte „Ein Mensch*
lein ward geboren", ,Ein Kindlein ward geboren" und „Ehelich zu
werden dienet der Erden" vielfache Anregungen. Eine Werkreihe
„Klingender Feierabend" bringt den Laienspielgruppen zeitgenossi*
sches Spielmaterial. Als Gegengewicht zum Jazz entwickelt die Ab*
teilung „Volkstum und Brauchtum" aus den schonen alten Tanzen
Rheinlander,Walzer, Polka usw. neueFormen des Gemeinschaftstanzes.
Von dem bodenstandigen Musiziergut ausgehend, tragt die NS.<
Gemeinschaft „ Kraft durch Freude" zum Aufbau einer neuen Musik*
62 ' o ■
erziehung des deutschen Volkes bei. 1m Rahmen der Erwachsenen*
bildung verfolgt das Amt „Deutsches Volksbildungswerk" das Ziel,
alien musikfreudigen Volksgenossen das Verstandnis musikalischer
Kunstwerke zu erschlieBen und sie dariiber hinaus zur eigenen musi*
kalischen Betatigung anzuregen. In zahlreichen bis in die Dorfer und
Betriebe hineingetragenen Arbeitskreisen, in den Musikabteilungen
der Volksbildungsstatten sowie in einer Reihe eigener Musikschulen
des Deutschen Volksbildungswerks wird das Spiel aller Instrumente
der Haus*, Kammer>, Orchester* und Volksmusik gelehrt. Begabte
musizierfreudige Erwachsene und Jugendliche, Arbeiter und Ange*
stellte, Angehorige aller Stande und Berufsschichten konnen ohne Aus*
nabme an den Kursen teilnehmen. Den Mus zierstoff bieten neben
Volkslied und *tanz, den Keimgebilden jeden musikalischen Formens,
die Werke zeitgenossischer und klassischer Komponisten. Als Leit*
faden fiir Lehrer und Schiiler gibt das Amt Deutsches Volksbildungs*
werk in seiner „Volksmusikalischen Werkreihe fiir den Unterricht"
neuzeitlicbe Lehrwerke, Obungs* und Spielhefte sowie theoretische
und methodische Schriften zur Volksmusikerziehung heraus. Aas den
Volksmusikschulen soil der Nachwuchs fiir Partei* und Gemeinde*
kapellen, fiir Spielscharen und Laienorchester hervorgehen. Schiiler,
die sich fiir die musikalische Berufslaufbahn eignen, werden den Hoch*
und Fachschulen zugefiihrt. Diese Breite der Volksmusikerziehung
bietet die Gewahr, da8 es nicht mehr nur dem Zufall iiberlassen bleibt,
ob musikalische Talente entdeckt und zur richtigen Ausbildung ge*
leitet werden. — Einfiihrungsvortrage der Volksbildungsstatten iiber
musikalische, musik* und theatergeschichtliche Themen dienen dazu,
das Publikum fiir die Aufnahme des am Feierabend dargebotenen
Kunstgenusses empfanglich zu machen. Sie tragen mit dem Musik*
unterricht dazu bei, eine Horerschaft heranzubilden, die den Schop*
fungen des deutschen Kiinstlers, dem dieser Widerhall lebensnotwendig
und befruchtend ist, aufgeschlossen gegeniibersteht.
Wahrend des Krieges gilt die besondere Fiirsorge der NS~.*Gemein*
schaft „Kraft durch Freude" der Wehrmacht. Unzahlige Theaterspieb
gruppen, Kammermusikvereinigungen und Solistengruppen werden
hinausgeschickt, um die Verbindung zwischen Front und Heimat rege
zu gestalten und die Soldaten am deutschen Kulturgut teilhaben zu
lassen. Biihne und Podium werden vertauscht mit alien moglichen
Raumen militarischer Unterkiinfte. Bis dicht hinter der Front gehen
diese Gruppen, musizieren zu Wasser und zu Lande, tragen ihre
Kunst in die Lazarette hinein und geben den Soldaten nicht selten
Anregung zu eigener musikalischer Betatigung.
63
Waldemar Rosen
2>eutfcJ)lanti im eutopaifdjcn Mufikaustaufd)
Die Musik ist oft eine „ Internationale Sprache" genannt worden,
und die Unmittelbarkeit, mit der die Weirke unserer groBen Meister
in Rom und Helsinki, in Madrid und Bukarest verstanden werden,
scheint die Berecktigung dieser Redensart zu bestatigen. Ihre gefahr*
liche Oberflachlichkeit wird jedoch sogleich deutlich, wenn man dar*
aus die Folgerung Ziehen wollte, da8 die Musik gerade in ihren genial?
sten Schopfungen auBerhalb der Gebundenheit an ein Volkstum stehe,
wie es jedem Menschen von seinen Ahnen mit in diese Welt gegeberi
ist, daB sie also in ihrem innersten Wesen international sei. Dieser Satz
wurde bei uns in der Systemzeit nachdrucklicli propagiert, und die
Feindlander suchen heute mit ihm die Tatsache zu rechtfertigen, daB
ihre Konzertprogramme sich auch im Kriege in der Hauptsache aus
Werken deutscher Klassiker zusammensetzen miissen. Ohne Frage
wurde Mozarts Schaffen durch die italienische Musik seiner Zeit
bedeutsam beeinfluBt, aber empfindet darum der Italiener nun
heute die Kunst des Meisters als aus dem Geist seines Volkes geboren?
So stark individuelle Personlichkeitswerte den Stil unserer groBen
Komponisten bestimmen, so erleben wir sie doch immer von neuem
ebenso unmittelbar als Kiinder deutschen Geistes, wie/ sich ein Verdi
und Puccini in der musikalischen Geste als Italiener und der Sympho?
niker Sibelius unverkennbar als Sohn des Landes der tausend Seen
und Walder ofFenbaren. Ja, die Verwachsenheit der groBen Meister
mit ihrem Volkstum laBt sich aus ihrer musikalischen Handschrift
wissenschaftlich einwandfrei belegen. Es ist daher kein Spiel mit Wor*
ten, wenn wir heute — entgegen dem Satz von der Internationalitat der
Tonsprache - ihre unverganglichen Werke als iiber national verstand;
lich und giiltig bezeichnen. Der Hinweis auf Mozart geniige, um an*
zudeuten, wie wertvoll fiir den schopferischen Musikef die Vertraut*
heit mit der Musikpraxis anderer Lander werden kann. Aber auch
der ausfuhrende Musiker gewinnt aus der Beschaftigung > mit der
Musiksprache anderer Nationen und noch mehr aus einem zeit*
weiligen Wirken ini Ausland Anregungen, ohne die sein Konnen
Gefahr lauft, einseitig zu werden. Und vollends verlangt der Musik*
64
borer unserer Zeit nach"dem wechselreichen Farbenspiel eines Kon*
zertplans, der ihm gelegentlich auch Beispiele eines fremdlandischen
Musikschaffens vermittelt und Kiinstler anderer Nationen vorstellt.
Wenn dies unter der selbstverstandlichen Voraussetzung, geschieht,
daB die Pflege des volkseigenen Musikguts an erster Stelle, steht,
wird dadurch sein Blick fiir dessen Eigenart und Wert nur gescharft
werden.
Es ware daher kurzsichtig von einem Volk, wenn es sein Musik*
leben im Sinne einer kiinstlerischen Autarkie von der AuBenwelt ab*
schlosse und nicht vielmebr sich bemiihte, von der groBen Erleicbte;
rung des internationalen Austauscbs, die im Verhaltnis zur Mozart;
Zeit die Moglichkeiten des modernen Verkehrs bieten, Gebrauch
zu macben. Es ist ein stolzer Beweis fiir die uneingeschrankte Fort*
fuhrung des deutschen Musiklebens im Kriege unter der Fiihrung
seines Schirmherrn Reicbsminister Dr. Goebbels, daB auch der Kultur*
austauscb mit dem Ausland nicbt zuriickgegangen ist, sondern mit
einer Reihe von Landern sogar bedeutsam erweitert werden konnte.
Er umfaBte auch im vergangenen Jabre alle.Gattungen der Musik*
(ibung von der Konzertreise weltberuhmter Orcbester unter ibren
Meisterdirigenten bis zum einzelnen Solistehkonzert, von groB an*
gelegten Musiktagen bis zur musikalischen Betreuung auslandfscher
Arbeiter in Deutschland. Nicht zuletzt dank einer echt kameradschaft*
lichen Zusammenarbeit der Fachabteilungen in den zustandigen Mini*
sterien in Berlin und Rom unter ihren Leitern, Generalintendant
Dr. Heinz Drewes im Reichsministerium fiir Volksauf klarung und
Propaganda und dem Generaldirektor fiir Theater und Musik im
italienischen Volkskulturministerium Nicola de Pirro steht Italien
hierbei an erster Stelle. Der musikalische Austausch dieser beiden
Lander soil daher hier eine ausfuhrlichere Darstellung findert.
Einen glanzvollen Auftakt gab dem Konzertwinter die groBe Reise
des Mailander Scala*Orchesters unter. den Maestri Marinuzzi und
Rossi. Kein geringerer als Richard StrauB begriiBte die italienischen
Kiinstler bei ihrem Eintritt in Deutschland, und seine Wiinsche „per
un glorioso viaggio" fanden in den Triumphen, die das Orcbester in
zwanzig deutschen Stadten feierte, schonste Erfiillung. Im November
und Dezember besuchten sodann das Florentiner und das Neapeler
Kammerorchester zahlreiche deutsche Stadte.
Zum Gegenbesuch sah Italien die Miinchner Philharmoniker unter
Leitung von Kabasta sowie das Kammerorchester Edwin Fischer, das
Gewandhaus*Kammerorchester und das Berliner Kammerorchester
zu Gast. In breitesten Kreisen des italienischen -Volkes fand zum Aus*
5 . 65
klang der Spielzeit im Sommer 1942 die Kapelle des Regiments Her*
mann Goring begeisterte Aufnahme. Wahrend beriihmte italienische
Meister des Taktstocks wie Gui, Molinari und der Komponist Casella
sowie ausgezeichnete Nachwuchsdirigenten deutsctien Einladungen
folgten, musizierten fuhrende Dirigenten Deutschlands mit den be*
riihmten italienischen Orchestern, und besonders erregte die inter*
essante Personlichkeit Herbert von Karajans Aufsehen.
In iiber siebzig Abenden waren italieniscbe Kammermusikvereini*
gungen, vor allem das Quartetto di Roma, in Deutschland zu horen.
Bei den Einladungen deutscher Kunstler nach Italien ist das starke
Interesse fur die stilreine Wiedergabe der Kammermusik aus der
Renaissance* und Barockzeit bemerkenswert. Wahrend bei den Instru*
mentalisten auf deutscher Seite zahlenmaBig die Pianisten (unter an*
deren Backhaus, Edwin Fischer, Gieseking und Kempff) im Vorder*
gruhd standen, waren in Deutschland italienische Geiger (darunter
Gioconda de Vito und Lilia d' Albore) und Cellisten (Mainardi, Ran*
zato und Baldovino) besonders haufig zu horen. Von deutschen Geigern
folgten Kulenkampff und Strub italienischen Einladungen.
Die Tatsache, daB hervorragende deutsche und italienische Sanger
weit seltener den Weg iiber den Brenner finden, mag ihre Erklarung
aus den laufenden Opernverpflichtungen in der Heimat, zum Teil
aber wohl auch aus dem anders gearteten vokalen Klangideal beider
Volker finden. Die auBerordentlichen Erfolge des italienischen Bari*
tons der Dresdener Staatsoper Arno Schellenberg in Italien sprechen
fiir diese Auffassung. Da8 aber die italienischen Musikfreunde auch
einer so wesentlich deutschen Kunst, wie sie der Leipziger Thomaner*
chor in strenger Reinheit vermittelt, tiefgehendes Verstandnis ent*
gegenbringen, zeigte die warmherzige Aufnahme dieses Chors.
Wie bei den Dirigenten sind die maBgebenden Stellen beider Staaten
bemiiht, auch Solisten, die im anderen Land noch nicht ihrem kiinst*
lerischen Rang gemaB bekannt sind, dort einzufuhren. Diesem Zweck
dient die Einrichtung der Austauschkonzerte; in ihnen finden alljahj*
lich je zehn Instrumentalisten, Sanger oder Kammermusik*Vereini*
gungen die Moglichkeit, sich den Musikhorerri der befreundeten
Nation vorzustellen, ohne daB ihnen hieraus die sonst unausbleiblichen
Kosten erwachsen. Ahnliche Abmachungen bestehen, wenn auch in
beschrankterem Umfange, bis jetzt mit Ungarn, Rumanien und Bui*
garien. Zahlreiche Kunstler wurden auf Grund ihrer Erfolge in diesen
Veranstaltungen von den Konzertgesellschaften des Gastlandes nun
auf geschaftlicher Basis wieder verpflichtet und haben sich auf diese
Weise einen festen Platz im Musikleben des Auslands erobert.
66
Der diesen Ausfiihrungen gesetzte Rahmen gebietet, die Fiille derwei*
,teren internationalenWechselbeziehungen auf musikalischemGebiet nur
noch in einigen besonders bezeichnenden Beispielen zu beleuchten.
DieWerke unserer groBen Meister in e'iner Darbietuhg von der
einzigartigen Orcbesterkultur der Berliner Philharmoniker und in der
kongenialen Ausdeutung eines Wilhelm Furtwangler zu erleben —
diesen Wunsch richten alljahrlich alle Lander Europas nach Berlin.
In der vergangenen Spielzeit erwiesen die beispiellosen Huldigungen,
die Furtwangler an der Spitze des Orcbesters in Schweden, Danemark
und der Schweiz entgegennehmen konnte, von neuem, in welchem
,Ma8e die nachschopferische Gestaltungskraft seiner groBen Personlich*
keit aucb das von Natur kritische und kiihle Konzertpublikum dieser
Lander zu faszinieren vermag.
Von einem „delirio" sprach die Presse auch, als gegen Ende der
Spielzeit das Orchester unter der Meisterhand Clemens KrauB' und
mit Viorica Ursuleac als Solistin in Spanien, Portugal und Frankreich
Triumphe feiern konnte. Die Konzerte, darunter je vier in Madrid
und Lissabon, waren in kiirzester Frist ausverkauft und gestalteten
sich allenthalben zu einem kiinstlerischen und gesellscbaftlichen Er*
eignis ersten Ranges. Bei einem Abend im groBten Gebaude der por*
tugiesischen Hauptstadt jiibelten sechstausend Horer den deutscben
Gasten mit iiberstromender Begeisterung zu, was den Gouverneur zu
der spontanen Anregung veranlaBte, das Konzert am nacbsten Tage
zu wiederholen. Legte hier die kiinstlerische Fiihrerschaft des einzig*
artigen Richard StrauBJnterpreten Clemens KrauB die besondere Be*
riicksicbtigung dieses Meisters nahe, so stand bei der Reise der Berliner
Philharmoniker am Anfang der neuen Spielzeit, die unter Hans Knap*
pertsbusch in die Balkanlander fuhrte, das klassische deutsche SchaiFen
im Vordergrund. Das Orehester konnte es sich dabei erlauben, sein
Programm konzessionslos auf die groBen symphonischen Werke ab*
zustellen, und es ist bezeichnend, daB der uberall mit stiirmischer
Begeisterung begrtiBte Dirigent bei diesem musikalischen Triumph*
zug mit der „Eroica" und der vierten Symphonie von Brahms die
nachhaltigsten Erfolge errang.
Es spricht nicht allein fiir die weitreichende kiinstlerische Geltung,
sondern auch fiir die padagogischen Fahigkeiten unserer Orchester*
leiter, wenn sie immer von neuem nach alien Landern des Kontinents
eingeladen werden. Die Arbeit, die in der vergangenen Spielzeit Furt*
wangler in Danemark und der Schweiz, Knappertsbusch in Briissel,
Elmendorff in Italien, Abendroth in Schweden, Jochum und Schuricht
in Italien, Ungarn und den Niederlanden, Albert in Spanien und
5 67
Rumanien - um nur einige Namen herauszugreifen - geleistet haben,
wird auf Jahre hinaus die stilvolle Pflege deutscher Musik in ganz
Europa fordern helfen.
Im gleichen Sinne wirkt sich die Tatigkeitaller deutschen Kunstler
im Auslande auch auf das Publikum aus, und so bedeutet jede Kon*
zertreise unserer Solisten oder Kammermusik/Vereinigungen mehrals
einen augenblicklichen Erfolg. Ungeachtet alter zeitbedingten Schwie*
rigkeiten der Reise folgten auch im vergangenen Jahr zahlreiehe nam;
hafte deutsche Kunstler und die besten unseres Solistennachwuchses
dem Ruf anderer Lander, wenn auch bei weitem nicht alle Anforde*
rungen erfullt werden konnen. Wenn Walter Gieseking au8er in
Italien noch in der Schweiz, Ungarn, Rumanien, Spanien und Portugal
konzertierte, so erneuerte jedes seiner Konzerte die Weltgeltung der
deutschen Musik. Andererseits rechnet es sich das deutsche Konzert*
leben zur Ehre an, den Meistern des Auslandes kt}nstlerische Gast*
freundschaft zu erweisen. Neben den schon oftmals gehannten Italie?
nern waren im letzten Winter in Deutschland zu horen: Cassado,
Cortot, Georgescu aus Bukarest, der flamische DirigentHendrik Diels,
der Rumane Perlea, Manen und die Bustabo, Jose Cubiles und das
herrliche spanische NationabQuintett, die jungen ungarischen Klavier*
talente Anda und Karolyi, die beriihmten Sopranistinnen Rauta*
waara und Antti aus Finnland — eine Reihe, die sich noch mit vielen
international bekannten Namen fortsetzen liefie. ,
Die umfangreiche Vorbereitungsarbeity die ein so weit verzweigter
Austausch mit sich bringt, obliegt der Auslandsstelle fur Musik unter
ihrem geschaftsfuhrenden Letter Hans Sellschopp. Hier werden in
Verhandlungen mit Kiinstlern und Konzertdirektionen die Planungen
der Fachabteilung des Ministeriums bearbeitet, die fur den Konzert*
besucher in Deutschland und ganz Europa das Bild eines mit auslandi*
schen Kraften aufgelockerten Konzertwesens ergeben.
Den deutschen Kapellmeistern, die im vergangenen Jahrhundert in
die weite Welt hinauszogen, blieb es vorbehalten, in vielen Landern
ein kiinstlerisches Musikleben iiberhaupt erst zu begriinden. DaB diese
internationale padagogische Bedeutung des deutschen Musikers auch
heute noch giiltig ist, bewiesen im vergangenen Sommer sehr nach?
drucklich die Kurse des „Deutschen Musikinstituts fiir Auslander" in
Potsdam und Salzburg, deren Organisation Professor Dr. Schunemann
durchfiihrt. Aus einundzwanzig Landern waren allein in Salzburg ein<
hundertundfiinfzig im praktischen Musikleben stehende auslandische
Kunstler zum Besuch der Kurse erschienen, darunter dreiBig Diri;
genten - zum Teil solche namhafter Musikinstitute -, um sich bei
68
Professor Clemens KrauB und all den anderen hier als Lehrer wirken*
den fuhrenden Musikpersonlichkeiten in die Geheimnisse deutschen
Musizierens einfiihren zu lassen.
Aber auch im Ausland selbst wirkten deutsche Lehrer. So hielt mit
besonders nachhaltigemErfolgPaulGrummer inLissabon einenMeister*
kursus. Eta Harich?Schneider nutzte ihren durch den Krieg verlanger*
ten Aufenthalt in Japan zu CembakvKursen, die starkstes Interesse
fanden, und Helmut Fellmer wirkte wie seit Jahren fruchtbar als
Orchesterleiter an der UenoAkademie in Tokio.
Das lebhafte Interesse, das die deutschen Konzertveranstalter und
Musikhorer dem zeitgenossischen Schaffen des Auslands entgegen*
bringen, findet sein Echo in einer vermehrten Pflege der deutschen
Musik unseres Jahrhunderts auch jenseits unserer Grenzen. Neben
der alteren Generation mit Reger, StrauB, Pfitzner und Graener linden
sich nun auch Namen wie Max Trapp, Werner Egk, Paul Hoeffer,
Karl Holler, Theodor Berger, Joh. Nep. David, Gerhart von Wester*
man, Fritz von Borries, Kurt Hessenberg, Gottfried Miiller und nicht
zuletzt Helmut Brautigam immer haufiger in den Programmen, und
die letzte Spielzeit brachte darin einen Rekord.
Wie sehr uns auch auf diesem Gebiet an einem wirklich iiber*
nationalen Austausch der Geistef gelegen 1st, beweist die Veranstaltung
von Musiktagen fremder Nationen in Deutschland durch das Reichs;
ministerium fiir Volksaufklarung und Propaganda. Auf diesem Gebiet
hat sich mit Spanien bereits eine Uberlieferung herausgebildet, die
mit der Veranstaltung der deutsch*spanischen Musikwoche in Bad
Elster im Sommer 1941 begriindet worden war, und die im vergan*
genenjahr mit einer spanisch*deutschen Woche in Madrid und Bilbao
sowie mit den deutsch*spanischen Musiktagen in Bad Elster und Dres*
den 1942 ihre Fortsetzung fand. In den beiden spanischen Stadten
wurde in fiinf Symphoniekonzerten und einem Kammermusikabend
durch das ausgezeichnete junge „Spanische Nationalorchester" vo«
wiegend deutsche Musik unserer Zeit geboten, wobei Werke von
Trapp und Berger eine besonders beifallige Aufnahme fanden. Saheri
sich hier der Dirigent Herbert Albert und der Pianist Winfried Wolff
als Mittler deutschen Schaffens lebhaft gefeiert, so fanden bei der
Gegenveranstaltung in Bad Elster in Anwesenheit spanischer Ehren*
gaste und Pressevertreter Werke spanischer Komppnisten in derWieder*
gabe unter Karl Bohm nnd Eduard Martini mit spanischen Solisten
ebenso begeisterte Aufnahme. Ein bedeutsamer Hohepunkt der Tage
war ein Ballettabend der Dresdener Staatsoper mit dem „Spanischen
Marchen" von HalfFter und de Fallas „Dreispitz".
69
Mit dem Ziel, der finnischen Musik und vor allem dem Lebens*
wcrk des groBen Jean Sibelius in Deutschland weitergebende Verbrei*
tung und immer tieferes Verstandnis zu sichern, wurde im April 1942
die Deutsche Sibelius«Gesellschaft gegriindet, deren Prasidentschaft
Generalintendant Dr. Drewes iibernahm, und die im deutscben ebenso
wie im finnischen Musikleben starkstem Interesse begegnete. Nach
ihrem Griindungskonzert in der Berliner Philharmonie, das das Stadti*
sche Orchester unter Fritz Zaun durchfuhrte, veranstaltete die Geselb
schaft unter der Schirmherrschaft von Reichsminister Dr. Goebbels
zu Beginn der neuen Spielzeit eine finnische Musikwoche in Wies*
baden. Hier horte man in zwei Symphonies und einem Kammermusik*
konzert sowie einem Liederabend unter Carl Schuricht und mit Anja
Ignatius, Kerttu Bernhard, der Rautawaara, dem Tenor Huttunen
und dem Strub*Quartett ein interessantes Programm von Sibelius,
Palmgren, Uuno Klami, Matedoja, Kilpinen und anderen Meistern
mit auBerordentlich starkem Publikumserfolg.
Als wesentlichster Markstein einer Zusammenarbeit der musik*
schopferischen Krafte im neuen Europa ist die Tagung des Inter*
nationalen Komponisten*Verbandes zu werten, zu dem sich der bis*
herige „Standige Rat fur die intemationale Zusammenarbeit der Kom?
ponisten" unter der Prasidentschaft von Richard StrauB umformte.
In wichtigen Satzungsanderungen wurde hier auf deutsche und ita*
lienische Initiative ein Werkzeug geschaiFen, das, aus staatlich bevolb
machtigten Delegierten der europaischen Lander zusammengesetzt,
dem geistigen Austausch der Musikscbaffenden des Kontinents bedeut*
sam erweiterte Moglichkeiten bietet.
Uberblickt man das hier nur schlaglichtartig skizzierte Geschehen
im zwischenstaatlich musikalischen Austausch eines Jahres, so zeichnet
sich auf diesem kiinstlerischen Gebiet bereits das Bild einer schopferis
schen europaischen Kameradschaft ab, die im Geben und Nehmen
bodenverwurzelter, ihrer natiirlichen Bindungen an Volkstum und
Rasse bewuBter Kunstleistungen der SchafFenden und Ausfuhrenden
eine natiirliche Kraftquelle erschlieBt. So wird die „iibernationale"
Sprache der Musik in einem MaBe, wie es friiher nie erreicht wurde,
zu einer Briicke zwischen den Nationen und zu einem geistigen Band,
das die Millionen Europas im Kunstschaffer. und *erleben umschlingt
und aneinander bindet zu einer wahren, macbtvoll schopferischen
Schicksalsgemeinschaft.
70
Eugen Schmitz
Scutfdje Mufikfotfdjung im Krtege
Als gleich zu Kriegsbeginn oiFenbar wurde, daB in Deutschland
das Kulturleben riicht nur weitergehen diirfe, sondern .sich sogar als
besonderes Kampfmittel der inneren Front zu bewahren habe, sah
sich die deutsche Musikforschung in doppelter Weise den neuen Vers
haltnissen eingegliedert. Denn sie ist ja ihrem Gegenstande nach dem
Kunstleben verbunden, ihre Metbode dagegen und zu einem groBen
Teil auch ihre Ergebnisse reihen sie unter die Wissenschaften und
deren Pflege ein. Damit erschlossen sich der Musikforschung erfreu*
lich vieleWege zur Mitarbeit am geistigen Geschehen der Zeit.
Andererseits freilich hauften sich auch die Schwierigkeiten fur sie.
Denn alles, was die Kriegsverhaltnisse an notwendigen Einschran*
kungen und Umstellungen forderten, trat ja nun ebenfalls von zwei
Seiten an sie heran: in Form von Organisationsfragen sowohl des
kiinstlerischen wie des wissenschaftlichen Betriebes.
Es ist ein Zeichen fiir die gesunde Grundlage, auf der die deutsche
Musikforschung aufgebaut ist, daB sie dieser Schwierigkeiten Herr
wurde und ihre vielseitige Kulturaufgabe auch im groBenWandel
der Zeiten voll zu erfiillen vermochte. Das gilt fur die ersten Wochen
und Monate des Krieges mtt ihren raschen einschneidenden MaB*
nahmen. Es gilt aber nicht minder fiir die Folgezeit, die nun zwar
Festigung der Verhaltnisse, aber zugleich auch kriegsnotwendige Ver*
knappung der Mittel brachte, DaB die Musikforschung alles in allem
sich ausgezeichnet zu behaupten wuBte, kann ein Blick auf das dritte
Kriegsjahr in genau dem gleichen MaBe wie die Erinnerung an Voran*
gegangenes dartun.
Einer Gefahr gait es fiir die Musikforschung — wie iibrigens fiir
gar viele andere gerade auch geistige und kunstlerische Betatigungs*
formen - vor allem auszuweichen : namlich der, die Bejahung der
besonderen Zeitaufgabe in einer krampfhaften Umstellung auf rein
auBerlich kriegsverbundene Arbeitsart zu suchen. Wenn etwa in Vor*
. lesungen, in Zeitschriften oder Biichern gelegentlich einmal dieMilitar*
musik oder das Soldatenlied wissenschaftlich erfaBt wurde, so war das
eine kleine, aber auch als solche keineswegs nur von Augenb licks*
■71
interessen veranlaBte Gelegenheitsbetatigung, die lediglich am Rande
des sonst breit und unentwegt im gewohnten Bett dahinflutenden
Stromes musikalischen Forschens und Wissens lag.
Denn die Hauptarbeit der deutschen Musikforschung gait aucb im
Kriege nach wie vor der reichen Fiille ihrer gewohnten, sie seit Jahr*
zehnten beschaftigenden Probleme. Die Entwicklung alter und neuer
Tonformen, die verschiedenen entscheidenden Stilwandlungen des
letzten Jahrtausends, die Schicksale groBer und kleiner Meister der
Tonkuhst, die Grundlinien und mannigfachen Teilgebiete der Musik*
asthetik und Akustik, aucb der Musikpadagogik im weitesten Sinne
des Wortes, die musikalische Notations* und Instrumentenkunde und
schlieBlich Fragen der vergleichenden Musikwissenschaft : das sind die
Themen, die aucb in den Kriegsjabren in Vorlesung, Buch und Faeh*
zeitschrift berrschen.
Das heiBt nun freilicb nicht, daB die deutscbe Musikforschung
in ihrer Problemstellung ganz unberuhrt von dem groBen Zeit*
. gescheben hatte bleiben diirfen oder geblieben ware. Solches ware
ja wieder das andere, ebensowenig erfreuliche Extrem gewesen. Aber
auch datu ist es nicht gekommen. Es ergab sicb vielmehr die richtigste
und beste Losung dergestalt, daB die deutschen Musikforscher da,
wo ihr Arbeitsgebiet zwingend und ungesucht Ankniipfungspunkte
zur Geistesbaltung eines in kriegerischer Verteidigungsstellung stehen?
den Volkes bot, zugriffen und alte, aber doch immer wieder neue
Aufgaben in zeitgemaB zugespitzter Form sich vornahmen.
Unter solchem Gesicbtspunkt gewannen zunachst einmaldie natio*
nalen Belange auf alien musikalischen Gebieten, ganz besonders
aber in den Bezirken der Musikgeschichte gesteigerte Anziehungs*
kraft fiir die Musikforscher, indessen das Fremdvolkische, vor allem
soweit es die Feindvolker betraf; zuriickgestellt, freilich doch keines*
wegs ausgeschaltet wurde. Dies schon aus dem Grunde nicht, weil
Erkenntnis des Wesens des Gegners ebenfalls zu den notwendigen
Aufgaben einer Kriegszeit gehort, und weil gerade das Wissen um
gegnerisches Kulturleben - oder auch um die Mangel eines solchen -
in diesem Sinne aufklarend wirken kann. Sonderbeachtung im Rabmen
des Nationalen fand begreiflichew und berechtigterweise die Geltung
und derEinfluB deutscherMusik im Auslande, besonders in den
besetzten oder eroberten Gebieten. Als Erweiterung solcher auf die
Ergriindung eigenvolkischer Werte eingestellten Musikforschung er*
gab sich dann ebenfalls ganz naturgemaB .eine Steigerung des Inter*
esses fiir die Erkenntnis des Volkischen in der Musik uberhaupt.
Sie bekundet sich vornehmlich in einer neuen Bliite der Volkslied*
72
forschung, und zwar nicht nur soweit sie emheimisch deutsches Lied*
gut ergf iindet, sondern auch der allgemeinen, zwischenvolkischen. Eng
damit zusammen hangt die Behandlung des Rasseproblems in der
Musik, die schon seit der Machtergreifung einen bis dahirt ungeahnten
Aufschwung genommen hatte und nun in den Kriegsjahren erst recht
die Geister beschaftigte und beschaftigt. Noch ein Schritt weiter muBte
dann zur; gesteigerten Erorterung weltanschaulicher Fragen in
der Musikforschung fiihren, die ihrerseits sich nicht nur in selbstandi*
gen Sonderbetrachtungen erschopften, sondern Methode und Auf*
fassungsweise der Forscherarbeit iiberhaupt bis ins Einzelste durch*
drangen. Man beachte in solchem Sinn, urn die geistigen Verbin*
dungsfaden zu den Stimmungen der Zeit ganz pfien am Tage liegend
zu finden, nur, wie beispielsweise in jiingsten Beschreibungen des
Lebens deutscher GroBmeister — etwa Glucks, Haydns, Mozarts —
sich die Charakterbilder aus dem Beschaulichen ins Kampferische
gewandelt haben, oder wie die jiingste Beethovenforschung den
Meister als Bahnbrecher eines „Idealismus der Freiheit" zu verstehen
sucht.
Wie wenig sich aber nun die deutsche Musikforschung der Kriegs*
jahre durch solche zeitbestimmte gedankliche Einstellung von den
Bahnen gesunder Wirklichkeit abdrangen lieB, zeigt die Tatsache ihrer
nach wie vor ganz besonders engen Verbundenheit mit demprakti?
schen Musikleben. Das ist der Punkt, wo die Briicke aus den Bezirken
der Wissenschaft in die der Kunst fiihrt, eine Briicke, die jetzt im
Kriege breiter und gangbarer denn je wurde. Es mag in Erinnerung
gerufen werden, daB iiberhaupt die Pflege alter Tonkunst im. Musik*
leben der Gegenwart bis hinauf zur neuzeitlichen BachbeWegung letzt>
lich Anregungen zu danken ist, die von der Musikforschung ausgingen.
Ja selbst das Ringen der zeitgenossischen Musikschaffenden um die
Gewinnung eines neubarocken Stils ware ohne die Kenntnis vom ge*
schichtlichen Barock, wie sie die Musikforschung erarbeitet hat, nicht
zu denken. Dieser Vor gang- gegenseitiger Befruchtiing von Musik*
Erkenntnis und Musik*Ausubung, ja Musik*Schaffen, ist heute allge*
mein. Er zeigt sich aber ganz besonders lebendig auf einem Gebiet,
das im Kriege vielleicht mehr denn je Bedeutung gewonnen hat: im
Felde der Hausmusik. In einer Zeit, in der- an die seelische Haltung
des ganzen Volkes solche Anforderungen gestellt werden wie heute,
ist hausliches Musizieren ein geistiges Starkungsmittel von unschatz*
barem Werte. Darum wurde ja auch die Pflege der Hausmusik in alien
bisherigen drei Kriegsjahren ebenso eifrig wie erfolgreich aufrecht
erhalten. Gerade daran aber hat die deutsche Musikforschung ihr
73
vollgeriittelt MaB verdienstlichen Anteils : sie hat die Hausmusik uner*
miidlich aus den Quellen alteren, ihr besonders arteigenen Musik*
gutes gespeist, sie hat durch Klarung iiber den Vortragsstil und nicht
zuletzt iiber den Bau stilgemaBer und dabei volkstiimlicher Instru*
mente die Ausubung immer sicherer und bestimmter in die richtigen
Bahnen gelenkt. Da8 im Zusammenhang mit dem hauslichen Musi*
zieren, doch dariiber noch hinausgehend, auch die praktische Musik*
erziehung von der Musikforschung gar manche, gerade unter den
besonderen Verhaltnissen des Krieges dienliche Anregungen erhielt
und weiterhin erhalt — man denke etwa an die Beschaftigung unserer
Sing* und Spielscharen mit alter Musik oder an die gleichgerichtete
Chorarbeit an unseren musischen Gymnasien — ist auch nicht zu ver*
kennen.
Gegenstand und Ergebnisse der deutschen Musikforschung im
Kriege waren damit angedeutet und umrissen. Ihre Trager sind die
gleichen wie im Frieden geblieben: die musikwissenschaftlichen In*
stitute der Universitaten und verwandten Hochschulen, die sonstigen
fachlichen Forschungsstiitten und Bibliotheken, voran das Staatliche
Institut fur deutsche Musikforschung in Berlin, und endlich, aber
nicht zuletzt, das musikwissenschaftliche Schrifttum, wie es in Buch
und Zeitschrift sich auspragt. Sie alle spiiren wohl die Hand de'
Krieges, aber sie lassen sich nicht hemmen, geschweige denn nieder^
driicken. Wohl stehen viele unserer Hochschullehrer und Studieren*
den im Felde : aber die musikwissenschaftliche Lehr* und Forschungs*
arbeit der Universitaten geht trotzdem weiter, nachdem sie nur in
den allerersten Wochen des Krieges vereinzelt geruht hatte. Sie hat
sogar erfreulichen Ausbau gefunden durch Neubrdnung des musik*
wissenschaftlichen Betriebes an Hochschulen der angegliederten oder
eroberten Gebiete. Neben ehemaligen osterreichischen Universitaten
darf in solchem Zusammenhang vor allem die deutsche Karls*Univer*
sitat in Prag genannt werden. Ihr musikwissenschaftliches Institut ist
durch Ausbau seiner Biicherei und Angliederung eines Musikinstru*
mentenmuseums gefordert worden und hat sich mit seiner „Abteilung
Sudosteuropa" heute besonders naheliegenden Forschungszielen zu*
gewandt. Ein ganz neues Heim fand die Musikforschung an der im
Kriege errichteten Universitat Posen. Auch hier steht die Forscher*
tatigkeit zeitgemaB im Zeichen der geistigen ErschlieBung des Ost*
raums mit Arbeiten iiber russische und polnische Musik.
In den Bibliotheken oder Bibliotheksabteilungen musikwissenschaft*
sicher Pragung wird die Arbeit ebenfalls unbeirrt weitergefiihrt, wenn
lich auch die Reihen der Besucher und Beniitzer gelichtet haben
74
und manches dem Forscher ervviinschte wertvolle Werk angesichts der
kulturfeindlichen Kriegsfiihrung unserer Gegner im Luftschutzkeller
verschwinden muBte. Jedenfalls nehmen Katalogisierung und Biblio*
graphie ihren Fortgang, so daB auf diesem Felde nicht Liicken ent*
stehen, die spater keinesfalls rhehr zu schlieBen waren. Das erscheint
fiir die Zukunfi der Forschung ja besonders wichtig. So ist denn
beispielsweise auch die Fortfiihrung der vom Staatlichen Institut fiir
deutsche Musikforschung herausgegenen Bibliographic gewahrleistet
und eben erst durch Erscheinen des 4. Jahrgangs betatigt worden.
Die Arbeitsfreude- aber der neuen sowohl wie der alten Hochschuh
institute bekundet sich nach auBen vor allem durch die immer hoch
in ganz stattlicher Zahl erscheinenden Dissertationen. Bei ihnen be*
deutet nur eine Kriegserscheinung eine voriibergehende Beeintrachti*
gung der Wirkung: daB sie namlich in steigendem MaBe nicht mehr
im Druck, sondern nur in Maschinenschrift vorgelegt vverden und
deshalb nicht in den Austausch, geschweige denn in den Buchhandel
kommen. Hier nachtraglich das Wichtigste doch noch zur Allgemein*
verbreitung zu bringen, wird nach dem Kriege eine dankbare Auf*
gabe des musikwissenschaftlichen Verlagswesens sein.
Im iibrigen ist es unvermeidlich, daB gerade das Schrifttum der
deutschen Musikforschung, zu dem ja die Dissertationen auch zahlen,
unter den Bedingungen der Kriegswirtschaft sich alle jene Einschran*
kungen gefallen lassen muB, denen das Verlagswesen iiberhaupt unter*
liegt. |Und doch zeugt auch da das Geleistete fiir den urigebrochenen
deutschen Kulturwillen. Es kann nicht Aufgabe dieser kurz zusammen*
fassenden Uberschau sein, etwa eine Statistik der musikwissenschaft*
lichen Bucherzeugung wahrend des Krieges zu geben oder gar Einzeb
erscheinungen, sei es auch nur aus dem jiingstvergangenen Berichts*
jahr, zu bewerten. Aber es darf zumindesten festgestellt werden, daB
immer wieder groBangelegte Einzelwerke herauskommen wie etwa
die letzten Bande von Scherings Leipziger und Seraukys Hallenser
Musikgeschichte, Brands Arbeit iiber Haydns Messen, Schiinemanns
Veroffentlichung der Beethovenschen Konversationshefte, Mosers
Neuausgabe seines Musiklexikons urid ahnliches, und daB vor allem
auch die musikwissenschaftlichen Schriftenreihen, die von Universi*
taten und anderen Forschungsinstituten herausgegeben werden, in
Gang geblieben sind. So haben - beispielsweise und ohne Gewahr fiir
Vollstandigkeit aufgezahlt - die „Berliner Studien zur Musikwissen*
schaft", die „Forschungsarbeiten des musikwissenschaftlichen Instituts
der Universitat Leipzig", die „Kolner Beitrage zur Musikforschung",
die „Breslauer Studien zur Musikwissenschaft", die „Erlanger" und
75
die „Kieler Beitrage zur Musikwissenschaft" bis weit in die Kriegszeit
herein, zum Teil bis in die letzten Tage, neue, zum Teil umfangreiche
Arbeiten vorgelegt. Dazu kommen die Veroffentlichungen, die im
Rahmen der „Schriften zur Volks* und ; Rassenkunde", der „Studien
zur Volksliedforschung", der „Neuen deutschen Forschungen (Ab*
teilung Musikwissenschaft) , der ,,Literarhistoriscb<musikwissenschaft*
lichen Abhandlungen" und der „Schriftenreihe des Handelhauses"
erschienen. Nicht zu vergessen naturlich der quellenmaBigen prak*
tischen Neuausgaben vornehmlich in den vom Staatlichen Institut fur
Musikforschung als „Das Erbe deutscher Musik" betreuten „Reichs*
denkmalen" und „Landschaftsdenkmalen", die noch in den Jahren
1941/42 Bande mit Werken von Senfl, Othmayr, Joh. Jak. Walther,
Ph. E. Bach, Andreas Crappius und einen Band mit alter Blasermusik
brachten, sowie weitere Veroffentlichungen als unmittelbar bevor*
stehend ankiindigen. Auch die „Publikationen alterer Musik" konnten
ihre Folge durch einen den Notre*Dame*Organa gewidmeten Band
fortfuhren.
Im musikwissenschaftlichen Zeitschriftenwesen stehen als eigentliche
Fachorgane das „Archiv fiir Musikforschung" und die „Deutsche
Musikkultur" nach wie vor auf Posten. Naturlich haben auch sie mit
Raumnoten zu kampfen. Das hat neben Schlimmem aber das Gute,
daB nun manche kleinere Forschungsarbeit, die hier nicht mehr unter*
kommt, denWeg in die mehr aktuell gerichteten Musikzeitschriften
findet und auch diese dadurch zum Sprachrohr deutscher Musik*
forschung macht. Von den musikwissenschaftlichen Jahrbiichern miis*
sen einige, nachdem sie ebenfalls wahrend der ersten Kriegsjahfe ihren
Platz behauptet hatten, gegenwartig pausieren. Geblieben ist aber das
„jahrbuch fiir Volksliedforschung". Das „Neue Mozartjahrbuch" ist
sogar als erfreulicher Zuwachs dazugekommen.
DaB aber die Pflege der deutschen Musikforschung auch auBerhalb
der eigentlichen Fachwelt ihre Kreise im Kulturleben der Kriegszeit
zieht -^ und zwar nicht nur durch kiinstlerische Auswirkung, sondern
auch als rein wissenschaftliche Erscheinung — , das zeigt die rege
Tatigkeit, die in vielen groBen und kleinen Stadten ortliche Vereini*
gungen zur Pflege der Musikg£schichte und ahnlicher Belange ent*
falten, zeigt desgleichen die Heranziehung der Musikforscher zu
Kongressen wie etwa der „Mozartwoche des Deutschen Reiches", die
1 94 1 aus AnlaB der ijo. Wiederkehr von Mozarts Todestag inWien
stattfand. Obwohl sie der Hauptsache nach als kiinstlerische » Ver*
anstaltung gedacht war, wurde ihr doch auch eine wissenschaftliche
Tagung eingegliedert, die ein eindrucksvolles Bild vorii derzeitigen
76
Stand der Mozartforschung vermittelte. Und daB dabei auch ,die
groBen kulturellen Grundlagen der Musik Mozarts zur Erorterung
kamen — also etwa die Literatur, die bildende Kunst, ja die Politik
seiner Zeit - ist kennzeichnend fur das weite Blickfeld, das sich der
deutschen Musikforschung nicht zuletzt unter dem. Eindruck des
augenblicklichen weltgeschichtlichen Gescheheris erschlossen hat.
Die alte Weisheit, daB durch Uberwindung von Hindernissen und
Schwierigkeiten die schafienden, aufbauenden Krafte nur gestarkt wew
den, bestatigt sich also auch bei einem Blick auf Leistungen und Be*
tatigungsweise der deutschen Musikforschung im Kriege. Die deut*
schen Musikforscher selbst aber, denen in diesen Schicksalsjahren
„Not und Sorg'" und gelegentlich auch „Zwist und Streit" wahrhaftig
nicht knapp beschieden waren, die aber auf ihre Art doch irhmer
wieder ,,ein schones Lied" zu singen wuBten und wissen, diirfen mit
freudigein Stolz auch Hans Sachsens Wahrspruch auf sich anwenden:
„Seht, Meister nennt man die!"
77
Hans»Joachim Moser
"Don iier Zatigftcit tier IReidjeftelle
fur jfl9ufikbearbeitungen
Diese Einrichtung ist am i. Mai 1940 als der Musikabteilung des
Reichspropagandaministeriums nachgeordnete Dienststelle ins Leben
getreten. Leiter ist Generalintendant Dr. Heinz Drewes, stellvertreten*
der Leiter der Verfasser; zu den standigen Lektoren zahlt unter ande*
ren Kapellmeister Hans Swarowski, auBerdem hat sich die Reichsstelle
mehrfach des Rates von Generalintendant Prof. Clemens KrauB zu er*
freuen gehabt. MaBgebend fiir ihre Griindung war der Wunsch, den
Spielplan der deutschen ernsten wie heiteren Musikbuhnen in einer
Richtung erweitert und bereichert zu sehen, die auf diesem Gebiet,
ohne die gesunde Initiative verantwortungsbewuBten Verlegertums
zu hemmen, treuhanderisch von Reichs wegen Wertvolles. fordert und
nur*Handlerisches, geschmacklichAnfechtbaresverhindert.DieseAuf'
gabe wird in freundwilliger Ubereinkunft mit der Reichsdramaturgie
durchgefuhrt. DieTatigkeit erstreckt sich auf musikdramatischem Ge>
biet nach zwei Hauptrichtungen : es werden altere Werke neubearbei?
tet, und es werden zeitgenossische Arbeiten als Werkauftrage vergeben.
In beiden Fallen steht zahlenmaBig die Operette Cmit dem Singspiel)
voran, die ernste Oper rangiert der Zahl nach erst an zweiter Stelle -
und das aus guten Griinden. Auf dem Gebiet der heiteren Muse ist die
oben angedeutete mogliche Gefahr einer niveaudriickenden Kommer*
zialisierung begreiflicherweise weit groBer als auf dem Opernfelde; die
Operette ist meist kurzlebiger, der VerschleiB groBer, und die Fiir*
sorge der Kunstverwaltung im Dritten Reich gilt ganz besonders dem
Erquickungsbedurfnis der groBen Volksgenossenschaft, fur die das
Beste auch an Unterhaltung gerade gut genug sein soil; machtige
Volkstheater in den neuen Reichsgebieten wie in den heute luftbe*
drohten Bezirken des Altreichs werden in kommender Aufbauzeit
auch einen hohen Spielplanbedarf haben, und hier rechtzeitig vorzu*
arbeiten, gehort zu unserer fursorglichen Friedensplanung. Der Vor<
sprung der Operette vor der Oper hat aber hinsichtlich der Aufs
frischung vonWerken der Vergangenheit auch noch andere, wohl ein*
leuchtende Ursachen: wahrend die Falle, in denen wertvolle Opern
als solche unerkannt geblieben sind, naturgemaB selten sein werden,
78
da die Zeit hier eine selbsttatige Auslese getroffen zu haben pflegt und
seit Jahrzehnten eifrige Ausgrabespaten am Werk waren, urn nach
etwaigen verborgehen Schatzen auf diesem Gebiet der mehr iiberzeit*
lichen Werte zu schiirfen, liegt der Fall auf dem Gebiete der Operette
einigermaBen anders : diese Gattung war von vornherein stets auf Tages*
geltung eingestellt, ihreTextbiicher sind in derMehrzahl mit einer heute
kaum mehr begreif lichen Anspruchslosigkeit, ja ungepflegten Billigkeit
zusammengezimmert worden und so in der Originalfassung jetzt meist
unertraglich, in den Witzanspielungen veraltet und unverstandlich.
Solche zeitbegrenzte Aktualitat hat stellenweise bis in die musikalische
Materieeingegriffen: Riicksicht auf die begrenzten coder gelegentlich
auch in einzelnen Beziehungen iiberdurchschnittlichen) Fahigkeiten
bestimmter Darsteller, die heute in dieser Art fehlen oder anders ublich
geworden sind, eilige und allzu sparliche Instrumentation konnen der
Gegenwartswirkung bei sonst kostlichen Einfallen hindernd im Wege
stehen. Gerade beim Unterhaltungspublikum wird niemand eine histo*
risch*puristische Haltung voraussetzen diirfen, und was vor sechztg,
achtzig Jahren in einem Vorstadttheaterchen „klang", wird uns Nach*
fahren der seither vor sich gegangenen Entwicklung manchmal arg kum*
merlich vorkommen. Es gait also in solchen Fallen, moglichst die gleiche
Beziehungsnahe zwischen Kunstwerk und Horerschaft wiederzugewin*
nen, wie sie zwischen Suppe und den Wienern von i86j, zwischen
Millocker, Genee, Joh. StrauB und ihrem Publikum von 1880 bestanden
hat, als die Geistinger und Girardi Jung waren und begeisternd wirkten.
Selbstverstandlich hat nun aber die Reichsstelle dariiber zu wachen,
daB diese Erneuerungsarbeit, die nie Selbstzwecklichkeit gewinnen
durfte, sondern stets als notwendige HilfsmaBnahme betrachtet wird,
denkbar behutsam undstilgetreu vorgenommen wird -stets wird bei einer
Nachinstrumentierung Riicksicht auf das dem betreffenden Meister
gewohnte Orchester obwalten, um ihm wesensfremde Klangfarben
zu vermeiden, und in der Instrumentenverwendung wird sein ,eigener
Bestfall zur Richtleite genommen. Oft ist es so, daB an Stelle einer von
vornherein schwachen oder mit der Zeit verblaBten Nummer eine '
andere desselben Autors herangezogen wird - aber nicht nach der
weithin eingerissenen Unsitte, zu solchem Zweck dauernd die gleichen
paar Meisterwerke zu pliindern" es ist vielmehr eine reizvolle und oft
von Erfolg gekronte Aufgabe, aus den unbekannten und meist als
Ganzes nicht wieder verwendbaren Nebenwerken entsprechende Per*
len herauszufischen, ohne den Werkstil des zu erneuernden Haupt*
werks irgend wesentlich zu verletzen. Dies Verfahren hat sich mehr<
fach auch im Gebiet der ernsten Oper iiberraschend bewahrt.
79
Es kamen noch genug andere, speziellere Aufgaben hinzu: ein und
das andere Werk spielte in einem heute politisch unerwiinscht ge?
wordenen Milieu, muBte also sinnvoll und doch unauffallig verlegt
werden - so verpflanzten wir Millockers „Bettelstudent"aus dem Krakau
Augusts des Star ken in dasBreslau desPrinzenEugen, und ausNedbals
,',Polenblut" wurde eine im Sudetenland spielende „Erntebraut", wah*
rend Suppes „Fatinitza" kiinftig nicht mehr 1 8 j4 vor Sewastopol, son*
dern einige Jahrzehnte spater im bulgarischen Befreiungskrieg spielen
wird. Oder es handelt sich darum, die an sich nicht ganz abendfiillende
„Leichte Cavallerie" yon Suppe erweiternd zu aktualisieren, dabei
aber alle wertvollen Originalbestandteile der Partitur pfleglicb zu er;
halten - das Werk wird nun in der gelungenen Neuformung durch
Paul Beyer und Joseph Rixner im Bannkreis von PapaWrangel zwi^
schen Holsteinern und Ungarn 1864 launig abrollen. In einem anderen
Fall war uns deutlich geworden (es handelt sich um Joh. StrauBens
herrlich reiche Operettenpartitur „ Indigo"), daB der langst vergessene
OriginalstoiF weit charakteristischere Moglichkeiten bot als die ihm
spater aufgezwungene Handlung — also gingen wir auf den phantastisch*
grotesken, knodelessenden Konig eines wienerisch geschauten Indone*
sien zuriick. Und wenn bei Jos. StrauBens nachgelassener „Fruhlings*
luft" im Mittelpunkt ein Scheidungsanwalt verherrlicht wurde, so
zwang die seither gewahdelte Anschauung dazu, hier die stoff lichen
Akzente anders zu setzen, ohne daB damit dem Witz des Vorwurfs
Abtrag geschah. Die Liste solcher Falle lieBe sich unschwer vervieb
fachen, doch das Prinzip wird klar geworden sein.
Auf dem Gebiet der alteren Oper waren die Moglichkeiten bei
weitem enger gezogen, schon wegen der hier meist starker vereinheit^
lichten Musikteile und der straffer angezogenen Stilforderungen der
Komponisten selbst. Als der fur Erneuerungsarbeiten bei weitem en
giebigste Meister erwies sich Albert Lortzing; so wurden „Die beiden
Schiitzen" aufgefrischt durch Vorsetzung eines ganzen Aktes (aus
anderen, wenig bekannten Werken desMeisters) und behutsameNach*
instrumentierung einzelner Stellen unter dem Gesichtspunkt, hier so
zu verfahren, wie der Kompohist es am Ende seines Lebens i8ji
an diesem Jugendwerk auf Grund seiner inzwischen gesammelten Er«
fahrungen vermutlich selbst getan haben wiirde. Oder Lortzings „Ca*
sanova" ■— an sich ein kostliches Werk, das aber, wie nach des Meisters
ganzer Natur zu erwarten war, einem solchen Stoff gegeniiber etwas zu
sehr in der burgerlichen Biedermeierzeit verblieb. Nur einmal ist der
Autor weit aus dieser herausgeschritten : als er 1848 fur Wien die
Revolutionsoper „Regina" schrieb, die dann unaufgefiihrt blieb - hier
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fanden sich iiberraschend leidenschaftliche Liebesduette brachliegend,
die nun einen wirklichen „Casanova" auszubauen ermoglicht haben.
Die seltene Moglichkeit volliger Neuentdeckung einesWerks bot
dann die Reichsstelle den Bearbeitern W. Hanke und Dr. Loy durch
den Hinweis auf Nicolais Jugendoper „Die Heimkehr des Verbann*
ten", die als „Mariana" auf der Berliner Staatsoper im Februar 1943
zu einem „Fest der schonen Stimmen" AnlaB geben wird. Der Meister
der „Lustigen Weiber" hat sich mit dieser Kronung seiner italienischen
und Wiener Jahre als ein „deutscher Bellini" erwiesen, der alien Melo*
dienschwung des fruhverdischen Belcanto mit der harmonischen
Griindlichkeit des deutschen Romantikers zu verbinden weiB und so
ein Jahrzehnt vpr Verdis ersten Erfolgen sozusagen „Troubadour"*
furor geliefert hat.
Eine besonders wichtige Aufgabe stellt der Versuch einer Gluck*
Renaissance, schon da die Monumentalitat dieser Werke sie fiir Fest«
anlasse besonders reprasentativ erscheinen laBt. In erster Stelle wird
die von Prof. Muller*Blattau entdeckte eigene Verdeutschung Glucks
(mit Alxinger, Wien 1781) der „Taurischen Iphigenie" der deutschen
Opernwelt wieder zuganglich gemacht werden, die anderen Reform*
opern sollen folgen.
Nach Griindung der Reichsstelle meldete sich verstandlicherweise
bei einzelnen SchafFenden das Bedenken, ob nicht durch das Auftreten
der erneuerten alteren Werke eine Spielplanverstopfung erfolgen werde,
die sich ungiinstig auf die Aussichten des zeitgenossischen SchaiFens
auswirken miiBte. Diese Sorge diirfte unbegriindet sein. Einmal treten
die Bearbeitungen nicht so gedrangt hervor, wie es zunachst den An<
schein haben konnte. Sodann ist durch den Wegfall zahlreicher jiidi*
scher und feindlandischer oder sonstwie unerwiinschter Werke eine
spiirbare Spielplanleere eingetreten, der ein nie dagewesener Besucher*
andrang bei den Theatern gegeniibersteht. Auch wird es heute bei
den Besetzungsschwierigkeiten kein Schade sein, wenn den Biihnen*
verantwprtlichen eine moglichst vielseitige Auswahl von Werken zur
Verfugung steht. Deshalb hat Herr Reichsrnintster Dr. Goebbels auf
Vorschlag der Reichsstelle und zur Betreuung durch diese eine Rejhe
von Arbeitsauftragen fiir neue Werke erteilt, die binnen zwei
Jahren seit Auftragserteilung fertig vorliegen sollen, und zwar fiir Opern,
Singspiele und Operetten. Diese Werkauftrage zielen (was fiir Sing*
spiel und Operette ja selbstverstandlich ist) auch auf dem Gebiet der
Oper nicht auf einen sich selbst genugenden Artismus, sondern sind
in der Hoffnung erteilt, dem Spielplan hochwertige Repertoirestiicke
zu gewinnen und der Oper zu geben, was der Oper ist. Man darf
6
81
gespannt sein, ob und wieweit dieses Ziel erreicht werden wird. In
, Dingen des kiinstlerischen Erfolges und seiner Nachhaltigkeit laBt sich
beim Publikum nichts errechnen und erzwingen; hochstens kann den
SchafFenden einen „Chance" gegeben und hier und da beratend und
fordernd eine Handreichung getan werden — die Sache selbst bleibt
stets ein Gliicksspiel.
Die Arbeit der Reichsstelle beschrankte sich aber nicht auf die Er*
teilung von Auftragen, sondern war auch sonst weithin eine gutachte*
rische — Hunderte von unaufgefordert eingesandten Arbeiten aus dem
Opern*> Singspieb und Operettengebiet wurden - bald allein, bald in
Zusammenarbeit mit der Reicbspriifstelle oder der Reichsdramatur*
gie - auf ihre Eignung hin gepriift, und oft wurde auf Wunscb der
Autoren eine weitgehende Raterteilung ohne Gewahr daran geknupft —
eine zusatzlicbe Arbeitsleistung, die die verfiigbaren Krafte oft liber*
maBig beansprucbte.
Ferner ergab sich die Notwendigkeit, die Reichsstelle auch in den
Fragen der Oratorienbearbeitungen zumalHandels, der Kantatentexte
Bachs, der Kunstliedertexte nichtarischer Verfasser zu Rate zu ziehen.
Die Umtextierung alttestamentarischer OratorienstoiFe bei Handel
(auch bei Mozart u. a.) konnte — im fruchtbaren Benehmen mit dem
Hauptkulturamt der Reichsprqpagandaleitung der.NSDAP. und der
Reichsjugendfuhrung - besonders in dem Sinn gesteuert werden, ein
verwirrendes und wiftschaftlich nicht zu rechtfertigendes Zuviel pri*
vater Geschaftigkeit zu verhindern, dafiir aber bei den wenigen wirk«
lich guten und notwendigen Unternehmungen beratend und anregend
einzugreifen, ja geradezu Aufgaben zu stellen.
DaB schlieBlich die Reichsstelle auch den Organisationsmittelpunkt
einer ganzen Reihe weiterer wichtiger, mehr musikwissenschaftlicher
Arbeitsvorhaben abgab, wird vielleicht AnlaB bieteri, dariiber in einem
spateren Jahrgang dieses Jahrbuches zusammenfassend zu berichten.
Man wird es zweifellos Reichsminister Dr. Goebbels allgemein Dank
wissen, daB er mitten im Kriege durch eine solche Neugriindung vielen
Kiinstlern Anregungen gegeben hat und'den Theaterbesuchern alte
wie neue Kostlichkeiten zur Entspannung undzurErhebung hat bereit?
stellen lassen - ein Mazenatentum des Staats, das objektiv wie sub*
jektiv Friichte zu tragen verdient.
I
82
Leo Ritter
Die arbett &et STAGMA im CSriege
Der Aufbau der im Herbst 1933 gegriindeten STAGMA (Staatlich
genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheber*
rechte) hatte in den fiinf Jahren ihres Bestehens bis zum Kriegsbeginn
zu einem gewissen AbschluG gefiihrt. Das Aufkommen der STAGMA
war im Vergleich zu den von den frtiheren Autorenschutzverbanden
erzielten Einnahmen urn das Mehrfache gestiegen; es wies zum
}o. September 1939 einen Betrag von RM. 14372000 auf. DasDonau*
und Alpenland war bereits im Jabre 1938 in den Geschaftsbereich der
STAGMA einbezogen und die Gesellschaft der Autoren, Komponisten
und Musikverleger (AKM) zu Wien mit der STAGMA verschmolzen
wofden. Hatte schon vorher die STAGMA in ihrer raschen Entwick*
lung die bis dahin in wirtschaftlicher Beziebung fiihrenden auslandi*
schen Auffiihrungsrechtsgesellschaften wie die Societe des Auteurs,
Compositeurs et Editeurs de Musique (Paris), die Performing Right
Society Ltd. (London) und die American Society of Composers,
Authors and Publishers (Newyork) uberfliigelt, so fiel ihr nach dem
ZusammerischluB mit der AKM urid dem hierbei erfolgenden Beitritt
der bedeutungsvollen Gruppe der Wiener Komponisten noch eindeu*
tiger die Fuhrung unter den Auffiihrungsrechtsgesellschaften der alten
und der neuen Welt zu.
Zunachst gait es, den Apparat der STAGMA auf die Erfordernisse
des Krieges umzustellen. Die stellvertretende Geschaftsleitung und der
Beirat der STAGMA gingen hierbei von der Uberlegung aus, daB die
Einnahmen aus Unterhaltungsmusik<Veranstaltungen erheblich zu*
riickgehen wiirden und beschlossen im September und Oktober 1939
eine Reihe einschneidender SparmaBnahmen. Verschiedene Bezirke
wurden zusammengelegt, der Gesamtheit der Bezirksleiter, bei denen
ein erhebliches Absinken ihrer Einnahmen aus Provisionen yoraus*
zusehen war, ein dem Friedensstand gegeniiber gesenktes, immerhin
aber tragbares Einkommen gewahrleistet, irgendwie entbehrliche Ar*
beitsraume aufgegeben usw. Durch diese MaBnahmen wurde erreicht,
daB die bei den Unterhaltungsveranstaltungen tatsachlich eintreteride
Minderung der. STAG MA* Einnahmen zum guten Teil durch die
6*
83
Senkung der Unkosten ausgeglichen wurde. Hinzu kamen Reichs*
vertrage mit dem Oberkommando der Wehrmacht, der Organisation
Todt, dem Prasidenten der Reichskulturkammer und dem Reichs*
fiihrer jfr fur die Truppenbetreuung, mit der Deutschen Arbeitsfront,
demReichsarbeitsdienst fiir die weiblichejugend usw., die einen gewis*
sen Ausgleich brachten, sowie insbesondere Einnahmesteigerungen aus
Rundfunk, ernsten Konzerten, mecbanischen Lizenzen und Tonfilm.
Das Endergebnis war, daB die an die Autoren und Verlegef zur Ver*
teilung kommenden Betrage im ersten, zweiten und dritten Kriegsjahr
hdher waren als die Verteilungssumme des letzten Friedensjahres mit
den bisber hochsten Einnahmen, und zwar ohne Beriicksichtigung des
Staatszuschusses, von dem noch die Rede sein wird.
Die vertraglichen Beziehungen zur Schallplattendndustrie, die in*
folge Ablaufs eines zehnjahrigen, zwischen dem BIEM (Bund der inter*
nationalen Einziehungsgesellschaften fiir mechanische Urheberrechte)
und der internationalen Schallplattendndustrie gescblossenen Vertra*
gesEnde 1940 ibrEnde gefunden hatten, konnten infolge des Kxieges
nicht neu geregelt werden. Dies ist im Interesse der Urheber und
Verleger, deren Werke durch Wiedergabe auf mechaniscben Vorricb*
tungen verwertet werden, zu bedauern. Es kann zwar aucb nach dem
alten BIEM«Vertrag kein Zweifel dariiber besteben, daB die Schalb
plattendndustrie nicht berechtigt ist, ihre Scballplatten dem. Rundfunk
zur Sendung gegen Zablung hoher Pauschalsummen zur Verfugung zu
stellen, ohne den musikalischen Schopfer an diesen Einnahmen zu be*
teiligen. Der Autor und Verleger erhielt jedoch bei Sendung einer Platte
an Millionen vonHorern von den an die Schallplattendndustrie gezahb
ten Pauschalsummen bisMarz 1940 iiberhaupt nichts Und muBte sich
mit e^inem Pfennigbetrag begniigen, der auf den Verkauf einer Schalb
platte an eine Privatperson abgestellt war. Da in den letzten J ahrenyor
dem Kriege mit dem baldigen Ablauf des BIEM/Vertrages gerechnet
wurde, ist von der Fiihrung eines Rechtsstreites um dieEhtscheidung die*
serFrageseinerzeit abgesehenworden. Der AusbruchdesKriegesmachte
jedoch den AbschluB eines neuen Vertrages mit der internationalen
Schallplatten*Industrie unmoglich. Es wurde daher im Marz 1940 von
der STAGMA als Vertreterin des BIEM fiir Deutschland mit der
deutschen Schallplatten*Industrie ein Stitlhalteabkommen getroffen,
das die Zahlung einer iiberaus bescheidenen Anerkennungsgebiihr
seitens der Industrie unter Aufrechterhaltung des beiderseitigen
Rechtsstandpunktes vorsieht. Dieses Abkommen ist fiir einen secbs
Monate nach FriedensschluB liegenden Zeitpunkt kiindbar, wovon
zweifellos seitens der STAGMA Gebrauch gemacht werden wird. Es
84 - ' ■ ■ '
ist zu hofien, daB dann endlich den Urhebern und Verlegern eine
gerechte und angemessene Beteiligung an dem Gewirin zuflieBt, den
die Schallplattendndustrie aus der Verwertung der Schallplatten durch
den Rundfunk erzielt.
Der gesteigerte Besuch, den die Tonnlmtheater in Deutschland
wahrend des Krieges aufzuweisen haben, konnte sich fur die STAGMA
nur unwesentlich auswirken, da der Tonnlmtarif vom Friihjahr 1934
auf der Sitzplatzanzahl beruht. Dieser Tarifgrundlage ist damals der
Vorzug gegeben worden, da sie krisenfest ist. Sie gestattet anderer*
seits keine Beteiligung an einem wirtschaftlichen Aufschwung, wie
er bei den Lichtspieltheatern erfreulicherweise festzustellen ist.
Bedeutend ist der Anstieg der Einnahmen aus ernsten Konzeften
und Chorveranstaltungen im zweiten und dritten Kriegsjahr. Sie be<
trugen im Jahre 1939/40 RM. 390000, imjahre 1940/41 RM. 634000,
im Jahre 1941/42 etwa RM. 93-0000.
Vor neue Aufgaben gestellt wurde die STAGMA durcb die Ge*
bietserweiterungen auf Grund der Erfolge des deutschen Heeres.
Neben den kleinen Gebieten Eupen, Malmedy und Moresnet, die
unter belgischer Kontrolle gestanden batten, wurden im. Westen das
ElsaB, Lothringen und Luxemburg in den Arbeitsbereich der STAGMA
einbezogen. Das ElsaB wurde der Bezirksleitung Westmark (Stuttgart)
als Zweigstelle StraBburg am 2i.Oktober 1941 angegliedert, ebenso
Lothringen als Zweigstelle Saarbriicken am 1. September 1941. Luxem*
burg wurde der Bezirksleitung Rheinland'Westfalen (Koln) angescblos*
sen. Die Eingliederung ging ohne Schwierigkeiten vor sich, zumal die
Tarife der franzosischen Societe des Auteurs, Compositeurs et Editeurs
de Musique (SACEM) erheblich iiber denen der STAGMA gelegen
hatten. Grundlage der STAGMA^Arbeit bildeten Verordnungen der
Chefs der Zivilverwaltung im ElsaB, in Lothringen und in Luxemburg,
die eine sinngemaBe Anwendung des STAGMA«Gesetzes vom 4. Juli
1933 zum Inhalt hatten. Die Einnahmen, insbesondere aus dem ElsaB,
sind angesichts der kriegsbedingten Verhaltnisse recht befriedigend.
Das Sudetenland war bereits im Herbst 1938 zum Reich gekommen.
Mit der Aufbauarbeit der STAGMA konnte mit Rucksicht auf die
schwierigen wirtschaftlichen Verhaltnisse im Sudetengau jedoch erst
im Fruhjahr 1940 begonrien werden. Auch dieses Gebiet — die Bezirks?
leitung Sudetengau hat ihren Sitz in Reichenberg — steuert eineri er*
heblichen Beitrag zum Gesamtaufkommen der STAGMA bei. Die
Randgebiete des Sudetenlandes wurden — der Einteilung der politischen
Gaue entsprechend - den Bezirken Schlesien, OstpreiiBen, Bayern
und Donauland angegliedert.
85
Im Osten war erheblicher Raumzuwachs zu verzeichnen. Die Be*
zirksleitung Generalgouvernement mit dem Sitz in Krakau nahm ihre
Tatigkeit auf Grand einer Verordnung des Generalgouvernementsam
I.April 1942 auf. Diese Bezirksleitung hat ein Gebiet von 16000 qkm
mit etwa 1 8 Millionen Einwohnern zu bearbeiten. Die zum Reich zu;
riickgekommenen Teile WestpreuBens wurden vom Bezirk Qstpreu*
Ben, Danzig/WestpreuBen iibernommen. SchlieBlich wurde eine Be*
zirksleitung. Wartheland mit dem Sitz in Posen eingerichtet, die ihre
Tatigkeit im Januar 1941 aufhahm. Die Bearbeitung der im. Regie*
rungsbezirk Kattowitz zusammengefaBten ehemalig polnischen Gebiete
wurde der Bezirksleitung Schlesien (Breslau) ubertragen.
Einen bedeutungsvollen Zuwachs an altem deutschen Kulturboden
erhielt das Arbeitsgebiet der STAGMA im Zuge der Angliederung
des Protektorats Bohmen und Mahren. Im Einvernehmen zwischen
dem Reichsprotektor in Bohmen und Mahren und dem Reichsminister
fiir Volksaufklarung und Propaganda sowie zwischen der Autoren*
schutzvereinigung der Komponisten, Schriftsteller und Verleger (OSA)
in Prag und der STAGMA erfolgte ein ZusammenschluB der beiden
Gesellschaften am 1. April 1942. Durch eine Verordnung des Reichs*
protektors iiber die Vermittlung von Rechten an Werken der Tonkunst
wurde die STAGMA als alleinberechtigte Gesellschaft fiir das Pro*
tektorat Bohmen undMahren erklart. Die STAGMA hat dieses ihr iiber*
tragene Recht nach den im Protektorat geltenden gesetzlichen Bestimmun*
gen, d. h. in urheberrechtlicher Beziehung nach den Bestimmungen des
friiheren tschechoslowakischen Urheberrechtsgesetzes wahrzunehmen.
Die friihere OSA wurde in eine Gebietsdirektipn der STAGMA umge*
wandelt, die in kulturpolitischen Angelegenheiten des Protektorats und
inbezug auf Tariffragen dem Reichsprotektor unmittelbar untersteht.
Mit der Abwicklung der Geschafte der OSA wurden die Leiter der
STAGMA und der Gebietsdirektion Prag betraut.
Besonderes Augenmerk wurde auf die Entwicklung der Recht*
sprechung gerichtet. Da die Verabschiedung des n^uen Urheber*
rechtsgesetzes vor Kriegsende nicht erfolgen wird, muBte die ProzeB*
fiihrung im Altreich noch auf das bestehende Urheberrechtsgesetz
vom Jahre 1901 aufgebaut werden. ,
Im Verteilungssystem der STAGMA sind wahrend des Krieges be*
deutsame Anderungen erfolgt. Auf dem Gebiet der Konzertveranstal*
tungen war es tiblich, ein Drittel der Gesamteinnahmen aus ernsten
Konzerten und Unterhaltungsveranstaltungen der ernsten Musik zu*
zuwenden. Infolge der Verschiebung des Verhaltnisses der Einnahmen
aus diesen beiden Verwertungsgebieten zueinander war es nicht mog*
86
j
lich, diese Regelung auf die Dauer beizubehalten. Durch Entschei*
dung des Reichsministers fur Volksauf klarung und Propaganda wurden
den ernsten Autoren und Verlegern zum Ausgleich der fur sie hier*
durch entstehenden Kiirzung ein StaatszuschuG von RM. I oooooo im
ersten, je RM. 700000 im zweiten und dritten Kriegsjahr zuerkannt.
Daneben ist eine erhebliche Steigerung der Einnahmen aus ernsten Kon<
zerten im weiteren Ver lauf des Krieges festzustellen, wahrend die Einnah*
men aus Unterhaltungsmusikveranstaltungen infolge des Tanzverbotes
und aus anderen Griinden standig im Absinken begriffen sind.
Weiterhin Wurde das im Fruhjahr 1927 in der friiheren GEMA ein<
gefiihrte Wertungsverfahren, das bereits seit einer Reihe von Jahren
mehr und mehr eingedammt worden war, durch Entscheidung des
Reichsministeriums fiir Volksauf klarung und Propaganda im Fruhjahr '
1942 aufgehoben. Die Versorgungsstiftungen der deutschen Kompo*
nisten, Textdichter und Musikverleger wurden hierbei ermachtigt,
kriegsbedingte Einnahmeriickgange auszugleichen, sofern sie mehr
als ein Drittel der Einnahmen des letzten oder vorletzten Geschafts*
jahres betrugen und sofern eine wirtschaftliche Notlage vorlag. AuBer*
dem wurde ein Teil des der STAGMA zur Verfiigung gestellten
Staatszuschusses zur Verteilung an Komponisten kulturell besonders
wertvoller Musik verwendet.
Der Beirat der STAGMA, der bis zum Jahre 1941 aus drei Mit*
gliedern, und zwar aus den Leitern der Fachschaften der deutschen
Komponisten und Musikverleger in der Reichsmusikkammer und der
deutschen Textdichter in der Reichsschrifttumskammer als Treuhan*
der der von ihnen vertretenen Urheber und Verleger bestanden hatte,
wurde durch Entscheidung des Reichsministers fiir Volksaufklarung
und Propaganda im Februar 1941 urn drei Mitglieder, und zwar je
etnen Komponisten, Textdichter und Verleger erwettert. Es ist hier/
durch die Gewahr geschaffen, daB sowohl die Belange der ernsten
Kunst wie die der heiteren Muse im Beirat der STAGMA gleich*
maBig vertreten werden. Weiterhin wurde zur Erorterung von Ver*
teilungsfragen ein Verteilungsbeirat eingesetzt.
Auf internationalem Gebiet wurde die bisher gepflegte Zusammen*
arbeit der STAGMA mit den auslandischen Auffuhrungsrechtsgeselh
schaften durch den Krieg unterbrochen. Die Internationale Konfode*
ration der Urheberrechtsgesellschaften, der auch die Urheberrechts*
gesellschaften der Feindstaaten angehoren, war nicht mehr in der
Lage, die angeschlqssenen Gesellschaften zu Kongressen oder Arbeits*
tagungen einzuladen. Da auch wahrend des Krieges die Fuhlung*
nahme mit den erreichbaren europaischen Gesellschaften fortgesetzt
87
werden muBte, traten dieSTAGMA und dieSocieta Italiana degli Autori
ed Editori (Rom) in die entstandene Liicke, urn in ka,m.eradschaft>
licher Zusammenarbeit die schwebenden internationalen Fragen zu
losen. Im November 1940 haben die Sociedad General de Autores de
Espana (Madrid), imFebruar 1941 die vier skandinavischen Schwester*
gesellschaften an den Beratungen teilgenommen. Es wurde hierbei
u. a. die Uberfuhrung des Generalsekretariats der Konfoderation nach
Berlin beschlossen, die im. Dezember 1941 durchgefiihrt wurde.
AuBerhalb des Rahmens der Internationalen Konfoderation, deren
fruhere Verdienste unbestreitbar sind und auf deren Kongressen wert*
voile Arbeit geleistet wurde, Fand in Berlin vom 16. bis 28, Oktober
1942 eine Tagung aller erreichbaren europaischen Urheberrechts*
gesellschaften statt, an der rieben der STAGMA, dem Verband deut«
scher Buhnenschriftsteller und Biihnenkomponisten und dem Deut*
schen Verein zur Verwertung von Urheberrechten an Werken des
Schrifttums die beiden italieriischen, sechs franzosische, fiinf skandi*
navische, zwei ungarische, zwei rumanische Gesellschaften sowie die
belgische, hollandische undschweizerischeGesellschaft vertreten waren.
Bei dieser Tagung wut'de ein vom Leiter der STAGMA und demPrasi*
denten der SIAE, Staatsrat Giorgio Maria Sangiorgi, eingebrachter
Antrag auf Griindung einer Vereinigung der europaischen Urheber*
rechtsgesellschaften mit dem Sitz in Berlin einstimmig angenommen.
Zum Prasidenten der Vereinigung fur das erste Geschaftsjahr wurde
Staatsrat Sangiorgi, als standiger Generalsekretar Dr. Clemens Graf von
Westfalen (STAGMA) gewahlt. Die Vereinigung wird wechselweise
jahrlich in Deutschland bzw. Italien Tagungen und zwischenzeitlich
Sitzungen des Rechtsausschusses einberufen.
Es fiel somit im bisherigen Verlauf des Krieges der STAGMA die
vierfache Aufgabe zu, einmal die Auswirkungen des Krieges auf ihre
mit dem offentlichen Leben eng verflochtene Organisation aufzufan*
gen, zum anderen trotz aller kriegsbedingten Schwierigkeiten ihren
AuBendienst der Ausdehnung des groBeren Deutschland anzupassen,
weiterhin das Verteilungssystem, das von jeher einem dauerhden
Wechsel , unterworfen war und immer unterworfen sein wird, der in
den letzten Jahren eingetretenen Entwicklung anzugleichen und
schliefilich die kunftige kontinentale Zusammenarbeit auf kultur*
wirtschaftlichem und urheberrechtlichem Gebiet bereits jetzt vorzu>
bereiten. Moge der nach Kriegsende zu erwartende allgemeine kuh
turelle und wirtschaftliche Aufschwung die wahrend des Krieges ge*
troffenen MaBnahmen mit Erfolg kronen.
Fritz Chlodwig Lange
Zut jOper tier (Segenujort
Die Geschichte der Oper wurde von einem klugen Manne einmal
geradezu als deren Kriegsgeschichte bezeichnet, und zumindest wah*
rend der Jahrzehnte seit Wagners Tode sind Krieg und Kriegsgeschrei
in den Bezirken des musikalischen Theaters nie ganz verstummt. So
ziemlich alle denkbaren (und auch einige weniger denkbare) Stile und
Formtypen wurden als Patentlosungen aller mit dem Begriff „Oper"
seit jeher verbundenen asthetischen Probleme angepriesen und zum
giiltigen musikalisch*dramatischen Alisdruck des Zeitempfindens er*
klart. Da gab es das Musikdrama, das dem Wagnerschen Vorbilde
meistens sklavisch Und unschopferisch nachgeahmt war; zwischen*
durch holten sich ein paar Spatlinge der romantischen Oper (z. B.
„Der Trompeter von Sackingen" u. a.) Erfolge bei dem von allzu*
vielen ebenso leitmotivgepanzerten wie undramatischen Sagenhelden
ermiideten Publikum, bis die Maestri des Verismus mit ihren theaters
gerechten Stoffen, geschickt gebauten Biichern und packenden, sang*
baren Melodieen die Buhnen eroberten . Der liebenswerte Humperdinck
fiihrte seine Zuhorer in den deutschen Marchenwald, und sein Schiller
Siegfried Wagner - leider dem orchestralen Stil der vatertichen GroB*
werke allzusehr verhaftet - suchte es seinem Lehrmeister in der Ge*
staltungheitererMaren gleichzutun. Impressionismus und franzosischer
Pointillismus (Debussy), Neuromantik und nationale Opernkunst
des Auslandes bekamen auf der deutschen Opernbiihne voriiber*
gehend Geltung. Wolfl>Ferrari erfreute durch seine feinsinnig zise*
lierten Musiklustspiele; d' Albert schuf — zumindest in „Tieflaud" er*
folgreich - eine Art von deutschem Verismus. Pfitzner baute nach
seinen friihen Legendenopern den groBdimensionalen „Palestrina", und
Richard StrauB § m g seinen wandlungsreichen Weg von der farbigen
Symphonik einer „Salome" und „Elektra" iiber die melodischen Kost*
barkeiten seiner Musizieropern („Rosenkavalier", „A r iadne", „A fa *
bella") bis zu der reifen Meisterschaft seiner schonen Alterswerke
(„Daphne", „Friedenstag", „Capriccio"). Das sind nur einige Haupt*
stationen der letzten funfzigjahre deutscher bzw. europaischer Opern*
geschichte. Soil man noch daran erinnern, daB auch sogar der ,Jazz" -
89
etwa in Kreneks „Jonny spielt auf" u. a. - den Opernstil einen Augen;
blick lang umzupragen drohte, daB - auBer allerlei historisierenden
und romantisierenden Versuchen - der motorische Expressionismus
und andere blufFende Gerauschmusik sich auf der Biihne Gehor zu
verschafFen suchten?
Lassen wir das Vergangene ruhen! Voriiber, voriiber! "'•;
Allerdings noch nicht lange voriiber.
Zu den bedauerlichen letzten Nachwirkungen der vielen volksfrem*
denExperimente undsnobistischen Kakophonien auf demOperntheater
vor 1933 gehorte vor allem die Beeintrachtigung des Vertrauens,
das man dem zeitgenossischen KunstschafFen entgegenbrachte. Allzu«
oft hatte man sich ja in den neuen Opern geargert, noch haufiger ge<
langweilt. Darum wollte man das Risiko eines Premierenbesuches nicht
mehr eingehen. Die kriegsbedingte Hochkonjunktur der Theater hat
allerdings - zumindest in den GroBstadten - hierin Wandel geschafFen;
konnten doch im Jahre 1941 nicht weniger als 98 neue Opern auf
deutschen Buhnen herauskommen, und auch der Skeptiker muBte sich
davoh iiberzeugen, daB manche der neuen Opernmeister die, Kunst
schoner Verzauberung in nicht geringerem MaBe zu iiben verstehen,
als ihre groBen Vorganger.
Daher ist das vielgehorte Schlagwort von der „Krise der Oper" zu<
mindest insofern iiberholt, als das Iriteresse des Publikums fur neue
Opern wieder geweckt ist, und es erscheint nur folgerichtig, daB es
die zustandigen Stellen im Reichs?Propaganda*Ministerium sich jetzt in
besonders starkem MaBe angelegen sein laBt, dem zeitgenossischen
Schaffen den ihm gebiihrenden Platz im Spielplan auch da zu sichern,
wo etwa ein Theaterleiter noch etwas zu zogernd an das Neue heran*
geht oder sich nur auf eine propagandistisch besser auswertbare Ur*
auffiihrung beschrankt, anstatt auch ein paar bereits erprobte neue
Werke nachzuspielen. Damit hier ein richtiger Ausgleich geschaffen
werde, ist durch eine generelle Regelung gewahrleistet, daB in einer
gewissen Zahl von Neuinszenierungen ein bestimmter Prozentsatz dem
zeitgenossischen Opernschaffen gewidmet sein muB.
Ist nun so spielplanmaBig wie durch Werkauftrage und SchafFens*
beihilfen fur die -Forderung der heutigen Opernproduktion get
sorgt, so bleibt doch die Tatsache bestehen, daB die neuen geistigen
Inhalte, die uns aus den natiohalpolitischen Ereignissen der Kampf*
zeit, der Jahre nach 1933 und des gegenwartigen groBen Ringens um
die deutsche Zukunft, aber auch aus dem neuen Gemeinschaftsgefuhl
erwuchsen, auf dem Gebiet des musikalischen Theaters noch nicht
entsprechende neue Formen erzeugt haben. Allerdings: wohl auch
90
noch nicbt erzeugen konnten. Doch ist das Ringen urn einen uns,
unserem Fiihlen und Erleben gemaBen Opernstil starker und vieb
faltiger, als je zuvor. Widerspruchsvoll und fast feindlich stehen die .
stofflichen, stilistischen, formalen und technischen Gegensatze ein*
ander gegeniiber. Dem Horer wird es oft schwer gemacht, in der
geradezu „babylonischen" Verwirrurig der musikdramatischen „Spra*
chen" sich zurechtzuftnden. In dem. einen Punkte stimmen allerdings
die meisten jiingeren Opernkomponisten iiberein, da8 sie eine un*
mittelbare Ankniipfung an Wagner, die Obernahme seiner Grund*
satze ablehnen und so den Willen des aller sklavischen Nachahmung
abholden und dem „Neuen" das Wort redenden Meisters eigentlich
getreulicher erfiillen, als die Wagner *Epigonen.
Wenn man allerdings iiber Wagner binausgebend die Abkehr von
jeglicber „romantischen" Tradition zum programmatischen Schlag*
wort erhebt, so kann das bedenklich stimmen; denn die ,;Romantik",
dies „Sich«ihrer*selbst*bewuBtwerden der deutschen Seele", bat die
romaniscbe Erfindung „Oper" fiir uns recbt eigentlich zu einer deut*
schen Kunstform gemacht, hat ihr andererseits iiberhaupt erst die
Zunge zum Ausdruck des Unsagbaren gelost, so da8 auch die anderen
groBen Opernvolker, die Italiener und Franzosen, in ihrem musika*
lischen Theater die BeeinfluBung durch die deutsehe Romantik kaum
je ganz verleugnen. So muB die von einigen jiingeren Opernkompo*
nisten angestrebteWiederankniipfung an friihere Entwicklungsformen,
etwa an die Barockoper, notwendig zu ausdrucksmaBiger Herabminde*
rung fuhren.
Auch die zum Teil auf Strawinsky zuriickweisende antiromantische
Einfiihrung epischer Ausdrucksmittel in die Oper mag in besonders
gearteten Ausnahmefallen vielleicht kiinstleriscb zu rechtfertigen sein,
grundsatzlich aber kann sie nicbt als Fortschritt und Bereicherung,
sondern nur als Riickkehr auf primitivere dramatiscbe Ausdrucksstufen
gewertet werden.
Nein, wir mochten jenes bekannte politische Uhland*Wort opern*
asthetiseh abwandeln: „Es wird kein Haupt iiber dem musikalischen
Theater leuchten, das nicbt mit einem vollen Tropfen romantischen
Ols gesalbt ist." Im Gegensatz zu alien konstruktiven, oratorienhaften
, und statuarischen Stilversuchen soil und wird die neue Oper ein im
reinen Btihnensinne packendes Drama oder fesselnde Komodie dar*
bieten. Doch muB das Libretto musikheischend und musiktrachtig,
also reich an gefiiblsmaBigen, lyrischen Ruhepunkten sein. Alltagsstoffe
iiberzeugend und musiknah auf die Opernbiihne zu bringen, ist bis
jetzt nur selten gelungen. Doch verlangt der Horer mit Recht eine
91
Handlung, die ihm — in Erschtitterung oder in Heiterkeit — Sinnbild
des eigenen Schicksals sein kann. Ein Werk von bleibender Bedeutung
kann nur aus einem urschopferischen Geist erwachsen, der zutiefst
mit dem Mythus eines Volkstums verbunden ist. Eine solche schop*
ferische Kraft wird auch die wichtigste Wagnersche Forderung, die
nach einem eigenen Stil, zu erfiillen vermogen.
Die Musik muB und wird — im Gegensatz zu all dem ins Kraut
geschossenen Rezitativ — wieder der Melodie ihr Recht geben. Nicht
nur der italienische, sondern auch der deutsche unverbildete Horer
verlangt in der Opernmusik mit Recht die Verbindung sinnfalliger
Charakteristik mit einer inspirierten Melodik, die auch nach der Auf*
fiihrung noeh als schones Erlebnis im He'irzen nachklingt.
Man sollte nicht vergessen: nicht der Sprechgesang Cund ware er
noch so „wahr" und an dramatischen Akzenten reich), nicht das geist*
reichste Orchester gibt den Gestalten des Operntheaters ihre Unsterb;
lichkeit; sowohl die lange Reihe unvergeBlicher Mozart*Figuren, als
auch Leonore und Florestan, Max, Agathe und Annchen, Senta und
ihr bleicher Partner, Tannhauser und Elisabeth, Carmen, Aida, Mimi
und Musette, die Feldmarschallin und Oktavian, Ariadne und Bao
chus -, sie alle leben kraft ihrer Melodien in unseren Herzen. Wenn
Lortzing in den „guten Rollen" die sicherste Gewahr fiir den Erfolg
einer Oper sah, so muB gesagt werden, daB es die einpragsamen und
dabei charakteristischen Melodien sind, die in erster Linie die Opera*
rolle zu einer „guten" machen.
Venn nicht alles triigt, wird die kunftige deutsche Oper wieder
eine Oper der Melodien, eine Musizieroper, sein. Die vielversprechen*
den Ansatze dazu — auf mancherlei Wegen und verschiedenen geistigen
Ebenen — . haben stets den begeisterten Dank der Horer, wenn auch
nicht immer die Zustimmung der „Ziinftigen" gefunden, die ja von
jeher das Kunstwerk eher mit fernliegenden „MaBstaben" messen, als
es mit Herz und Sinnen, wie eben der normale Horer, aufnehmen.
Da haben wir Carl Orff, den ziindend;ausdrucksstarken Rhythmiker
und Melodiker, der aus Lied und Tanz sein Marchen vom „Mond"
schuf, und der demnachst eine neue Marchenoper, „Die Kluge", her;
ausbringt. Werner Egk, ein Meister der musikgewordenen drama*
tischen Spannung und Atmosphare, gab sein bisher starkstes Werk
im ,,Peer Gynt", dem die volkstiimliche „Zaubergeige" voranging, der
eigene formale Wege gehende „Columbus" folgte; jetzt arbeitet er an
einer besonders theaternahen Oper nach Calderon „Uber alien Zau*
bern Liebe" C„Circe"). Cesar Bresgen lieB das „Dornroschen"<Mar*
chen in einer bald tanzerischsspruhenden, bald lyrisch*holdseligen Me*
92
lodienfulle aufleben und hat jetzt ein Spiel aus dem Salzburger Barock
(„Paris") vollendet. Heinrich Sutermeister wob mit seiner „Zauber*
insel" eine wahrhafte melodische Verzauberung, die ihn, der schon in
„Romeo und Julia" die Vereinigung von Melodie und scharfer Cha*
rakteristik in der Art Mozarts undVerdis mit schonem Gelingen an;
strebte, als eine der starksten Hoffnungen des Musiktheaters erscheinen
laBt. OthmarGerster („EnochArden") und Herbert Trantow C,Antje")
vertreten aufs gliicklichste den Typ der Volksoper, der sicb nach den
frohlichen Klangen, seines „Schwarzen Peter" jetzt auch Norbert
Scbulze („Das kalteHerz") und FriedWatter c„Kirmeskrapfen") zuge*
wendet haben. Von Joseph Haas, ebenfalls einem Meister der volkstiim*
lichen Oper, werden wir eine „Hochzeit des Jobs" horen. Volkstiimliche
Ziige hat - mehr vom Stoff und Libretto, als von der Musik her - Mark
Lothars lustiger „SchneiderWibbel". Hans Brehme macht sich in seinem
„Uhrmacher von StraBburg" manche musikalischen Ausdrucksmittel
zunutze, die den alterenMeistern volkstiimlicher deutscherOpernkunst
zu ihren Erfolgen verhalfen, und auch Hans Stieber strebt in seinem
interessanten „Dombaumeister" manche volkstiimlichen Wirkungen an.
Einen besonders beachtlichen und urschopferisch wesentlichen Ansatz
zu einemneuen popularenOpernstil hat Leo Justinus Kauffmann in seiner
„Geschichte vom schonen Annerl" gemacht, deren operndramaturgisch
ausgezeichnetes Buch nach Clemens Brentano von Reinacher und
E. Bormann geschaffen wurde. Die historische Oper haben Fritz
von Borries in seinem buhnenwirksamen „Magnus Falander" und
Ernst Schliepe in seiner „Marienburg" mit modernen Mitteln kulti*
viert. Reizvolle und sebr biihnengerechte Ansatze zu neuen Formen
der BufFo*Oper machten der vom StrauBschen Opernstilherkommende
Clemens Schmalstich in seiner „Hochzeitsfackel" und Julius WeiB<
mann in seiner nach Holbergs „Vielgeschrei" gearbeiteten „Pfiffigen
Magd", die sich durch eine besonders originelle Ausgestaltung der
mit charakterisierender Begleitung versehenen Rezitative auszeichnet.
Aber wie viele Namen und Werke miiBte man anfiihren, werin man
Vollstandigkeit bieten wollte! Fiirwahr, fast unabsehbar ist die Reihe
der Kiinstler, die am Werke sind, die deutsche Oper, inmitten groBter
politischer und kriegerischerEreignisse, zu einer neuen Bliite zu bringen
und zu erweisen, daB sie nicht eine Kiinst der Vergangenheit ist. Mit
Zuversicht und empfangsbereiten Herzen durfen wir der Werke warten,
die Spiegel und kiindendes Sinnbild unseres zu neuer BewuBtheit er*
wachten Volkes sind.
93
Hans Joachim Moser
"S>m uaosatt-Bilti unfcret Zeit
Festrede auf der Reichs*Mozart*Woche
am }. Dez ember 1941 in Wien
Wenn wir im Zeichen des Gedenkens daran stehen, daB sich andert*
halb Jahrhunderte seit Mozarts Hinscheiden gerundet haben, so soil
das keine Toten*, sondern eine Lebensfeier sein. 1st damals ein GroBer
mit nur fiinfunddreiBig Jahren dahingegangen, so ist er dadurch doch
zugleich hiniibergetreten in die Unsterblichkeit machtiger Aus* und
Einwirkungen auf die weiteste Kulturwelt. Und wenn die Musikfor*
schung sich erfolgreich bemuht hat, das einstige kurze Dasein des
irdischen Mozart immer deutlicher wieder aufzugraben, so steht jener
Spanne von nur drei Jahrzehnten Kiinstlerleben eine Nachgeschichte
von nunmehr funffacher Dauer gegeniiber, deren Verlauf mit zur
weiteren Biographie Mozarts gerechnet werden sollte.
Sie scheint von ihm zu handeln, und sagt' doch in Wahrheit fast
mehr noch iiber uns und die nachgeborenen Geschlechter aus: wie
das gemalte Portrat oft mehr dem Maler als dem Dargestellten zum
Gericht wird. Es gehort zur Wesensbreite und zur eigentiimlichen
Macht eines echten Genies, kaum einer der spateren Auffassungen
giinzlich widersprechen zu miissen — alles, was wir an ihm ehrlich zu
erblicken glauben, steckt tatsachlich in solchem Unerschopflichen mit
darinnen. Aber was jeder Generation daran als besonders erregend und
wichtig erscheint, das entlarvt am meisten sie selbst im Spiegel solches
ewigen Brunnens. Suchen wir kurz die Stationen anzudeuten, die zum
MozartJBild unserer Tage gefiihrt haben, so stellen die Auffassungen
in HalbjahrhundertAbstanden ein ahnliches Stiick Geistesgeschichte
unseres Volkes heraus wie die wechselnden Bach«, Goethe*, Schiller*
oder KantAuffassungen. Daher darf erwartet werden, daB die Summe
jener Mozart*Bildnisse einen umfassenderen, plastischeren, sozusagen
stereoskopisch schaubaren Mozart ergeben werden, als wenn man
immer nur einen zeit* und richtungsbegrenzten Mozart eigensinnig
fur den allein richtigen und echten halten wollte. Wir aber vermogen
keinen hoheren Zoll schuldiger Dankbarkeit darzubringen als das Be*
miihen um immer intensiveres Eindringen in Personlichkeit undWerk,
wir sind deshalb doppelt berechtigt, ja verpflichtet, nach seinen ge*
schichtlich gewandelten Gestaltungen zu fragen.
94
Unter den groBten Zeitgenossen Mozarts ist seine Bedeutung, und
Artung noch ziemlich richtig erkannt und bemessen worden. Obwohl
Daniel Friedrich Schubart nur erst die „Finta giardiniera" kannte,
sprach er schon daraufhin von dem „wunderbaren Genie Mozart" und
von seinen „da und dort ziickenden Genieflammen". Oder Jean Paul
schreibt im.Jahre 1800 in einem Brief an Herder gele'gentlich des
Requiems von „Mozartischen Donnerwolken und seinen Nachtigab
len". Viel zitiert sind iiber Mozart die menschlich so schonen Au8e«
rungen des alteren Freundes Joseph Haydn, die sich etwa auf die Nach*
richt von Mozarts Tode zu dem scbmerzlichen Ausruf verdicbteten :
„Die Nacbwelt bekommt nicbt in hundert Jabren wieder solch Ta*
lent!" Job. Friedr. Reichardt bemerkt in seiner „Musikalischen Zei*
tung" aus der Berliner Sicht, daB der so einsam seine Zeit iiberflu*
gelnde Seb. Bach wohl erst in Mozart den verwandten G e i s * gefunden
habe, und Zelter fuhrt das treffend gegen Goethe dahin aus, daB das
„Mystische", in dem er Seb. Bachs Eigentliches zu finden glaubt, bei*
Mozart viel mehr als bei Ph. Emanuel Bach und bei Haydn vorhanden
sei, so daB er jenem Altmeister Joh. Sebastian geheimnisvoll nahestehe.
E. T. A. Hoffmann driickt ungefahr dasselbe so aus, daB Mozart „in
die Tiefen des Geisterreiches fuhrt". Oder er sagt zu Mozarts Musik:
„Furcht empfangt uns, aber obne Marter ist sie mehr Ahnung des
Unendlichen. Liebe undWehmut tonen in holden Geisterstimmen;
die Nacht geht auf in holdem Purpurschimmer, und in unaussprech*
licher Sebnsucht ziehen wir den Gestalten nach, die, freundlich uns in
ihre Reiben winkend, in ewigen Spbarentanzen durch die Wolken
fliegen. . . . Mozart nimmt mehr [als Haydn] das Obermenschliche,
das Wunderbare, welches im inneren Geiste wbhnt, in Ahspruch."
Hoffmann spricht gelegentlich des Duetts zwischen Donna Anna und
Don Giovanni von den „entsetzlichen, herzzerschneidenden Tonen"
und nennt diesWerk als Ganzes „die Oper aller Opern". Vollends
Goethe! Sein bewunderndes Wort : „Die Entfiihrung aus dem Serail
schlug alles nieder" (namlich auch Goetbes eigenen Singspieltypus),
und seine hohe Begeisterung fur „Don Giovanni" und „Zauberfl6te"
sind bekannt. Seine groBe und wahre Auffassung des Salzburger Mei*
sters gipfelt recht eigentlich in dem Wort an Eckermann: „Mozart
hatte den ,Faust' komponieren miissen!" Das war 1829; zwei Jahre
danach berichtigt Goethe dem gleichen Vertrauensmann gegeniiber
seinen eigenen Ausdruck: „Wie kann man sagen, Mozart babe seinen
,Don Juan' komponiert — Komposition! als ob es ein Stiick Kuchen
oder Biskuit ware, das man aus Eiern, Mehl und Zucker zusammen*
riihrt! Eine geistige Schopfung ist es, das Einzelne wie das Ganze aus
. ' 95
einem Geiste und GuB und von dem Hauche eines Lebens durch;
drungen, wobei der Produzierende keineswegs versuchte und stiickelte
und nach Willkiir verfuhr, sondern wobei der damonische Geist seines
Genies ihn in der Gewalt hatte, So daB er ausfiihren muBte, was
jener gebot." Da haben wir einen Mozart, der seherhaft unter dem
Diktat von oben schafft, getrieben von hochsten Machten. Der zu*
nachst Letzte, der diesen damonischen Mozart voll erkannt und betont
hat, diirfte der niederdeutsche Musikromantiker Ludwig Spohr ge*
wesen sein, von dem unmittelbare Wege zu Schumann, Wagner und
Brahms weiterlaufen, und zwar weniger in literarischen Zeugnissen als
kraft seiner Kompositionspraxis : jene Mozartsche Chromatik und har*
monische Farbigkeit, seine schmerzvolhreizsame SiiBe, die alle bei Beet;
hoven bereits wieder zugunsten einer mannlich*heroisch geklarten Dia*
tonik zuriickgedrangt erscheinen, sie bilden dieWurzeln des Spohr*
schen Stils, von dem man sagen konnte, er bilde die Briicke vonMozarts
r g*moll<Quintett iiber die „Jessonda" zum „Tristan".
Es gehort auch zu den positiven Seiten jener Friihportrats, daB
Mozarts Volksart schon klar erkannt wofden ist. So sagt Stendhal
(Henri Beyle) 1 824 in seiner „Vie de Rossini" : „Mozart wird in Italien
niemals den Beifall finden, den er in Deutschland . . . genieBt, aus
dem ganz einfachen Grunde, weil seine Musik nicht fur jenen Him*
melsstrich geschaiFen ist — die Liebe ist in Bologna anders als in Konigs*
berg. . . . Bisweilen ist die Kraft von Mozarts Musik so groB, daB einem
die Seele durch das Grenzenlose der heraufbeschworenen Vision ur*
plotzlich von tiefster Schwermut ergriffen wird und sich darin verliert."
Die entscheidende Wende der Mozart*Auffassung von Klassik und
Rpmantik weg zum Biedermeier brachte iiberraschenderweise kein Ge;
ringerer als Hegel mit seinem gewaltigen Ordnungswillen, um nicht zu
sagen^ seinem gelassenenWunsch nach Ruhe, den er auch in der Musik
und hier wieder bei dem von ihm sonderlich verehrten Mozart ge*
spiegelt zu sehen wunschte.-Iri seinen Yorlesungen iiber Asthetik, die
seit ihrem Erscheinen ( 1 83 j) uberall in der gebildetenWelt gelesen wud
den, heiBt es: „So ist mir z. B. in den Symphonien Mozarts . . . der
Wechsel der besonderen Instrumente oft wie ein dramatisches Konzer*
tieren, wie eine Art von Dialog vorgekommen . . ., so daB hier in der
anmutigsten Weise ein Zwiegesprach des Klingens und Wiederklin*
gens, des Beginns, Fortfiihrens und Erganzens entsteht. Die Musik . . .
erhalt von Seiten des Geistes her sogleich die Aufforderung, wie die
Aflekte selbst, so auch deren Ausdruck, zu ziigeln, um nicht zum
bacchantischen Toben und wirbelnden Tumult der Leidenschaften
fortgerissen zu werden oder im Zwiespalt der Verzweif lung stehen zu
96
bleiben, sondern im Jubel der Lust wie im hochsten Schmerze noch
frei und in ihrem Ergusse selig zu sein. Von dieser Art ist die wahrhaft
idealische Musik, der melodische Ausdruck in Palestrina, Durante,
Lotti, Pergolesi, Gluck, Haydn, Mozart" (schon diese Zusammensteh
lung ist kennzeichnendb. Und Hegel fahrt fort: „Die Ruhe der Seele
bleibt in den Kompositionen dieser Meister unverloren; der Schmerz
driickt sich zwar gleichfalls aus, doch er wird immer gelost, das klare
EbenmaB verlauft sich zu keinem Extrem, alles bleibt in gebandigter
Form fest zusammen, so daB der Jubel nie in wiistes Toben ausartet
und selbst die Klage die seligste Beruhigung gibt." Man muB sich zu
dieser Hegelschen Kennzeichnung vergegenwartigen, daB es das Zeit<
alter der nazarenischen Kunstideale war, und daB auf das Mozart*Bild
nun vor allem der Gegensatz der machtigen Erscheinung Beethovens
zuwirken begann, durch die der bisherigeSpitzenhalterderEntwicklung
auf die Romantik zu plotzlich in die kiihlereBeleuchtung des Traditions;
bewahrersversetzt erschien. Dafiirbezeichnend ist einBriefpassusMoritz
Hauptmanns, des klugen, aber etwas philistrosen nachmaligen Tho*
maskantors, der 1833 schreibt, er habe es bei den letzten Beethoven<
schen Werken kaum mehr aushalten konnen : „Und es war, wenn dar<
auf eines von Mozart gemacht wurde, als ob der Friede Gottes iiber
einen kame." Und spater sagt Hauptmarin: „Ein siiBer Friede kommt
auf mich, weiB nicht wie mir geschah, wenn ich an Mozart nur denke;
und ich schame mich nicht zu sagen, daB in diesem Augenblick, wo
ich an ,FigaroV ,Don Juan', ,Zauberflote' und ,Cosi fan tutte' denke,
mir die hellen Tranen iiber die Backen laufen." Ganz ahnlich auBert
sich Adalbert Stifter in seinen „Feldblumen" von i8jo.
Diese Mozart^Schwarmerei ist selbst bei dem feurigen Genius Robert
Schumann zu verspiiren, der bei der groBen g^molhSymphonie Mozarts
nichts anderes zu horen vermeint als „griechisch schwebende Grazie",
wahrend wir heute das Kopfthema eher (wenn ich meine eigene „Ge*
schichte der deutschen Musik" zitieren darf) als „Flehen gehetzter
Nachtgeister" umschreiben wiirden.
Kennzeichnend nicht nur fur Schumanns Mozart;Bild, sondern zu<
gleich fur den VorJMietzscheschen Akademismus in der Auffassung
des klassischen Altertums ist sein Satz : „Heiterkeit, Ruhe, Grazie, die
Kennzeichen der antiken Kunstwerke, sind auch die der Mozartschen
Schule. Wie der Grieche seinen donnernden Zeus noch mit heiterm
Gesicht zeichnete, so halt Mozart seine Blitze." Und immer wird
Mozart jetzt mit RaiFael verglichen - mit einem RafFael freilich, so ein<
seitig serafisch, wie man ihn damals sah! Es kommt um die Mitte des
19. Jahrhunderts zu einer ausgesprochenen Formatverkleinerung, ja
97
Verniedlichung des Mozart*Bildes; das zeigt sich besonders greifbar
auch in der Auffassung der bildenden Ktinstler von Mozarts Gestalt
undWesen. Man sehe sich doch die zwischen i8j6 und 189I) den
Zentenardaten, errichteten MozarbDenkmaler an: wahrend die On*
ginalportrats 1770- 1790 von Helbling, Cignarolli, Jos. Lang, Leonh.
Posch und Doris Stock den unansehnlichen, kaum mittelgroBen, aber
geistdurchgliihten, verarbeiteten, schlieBlich leidenden Mozart phra«
senlos gegeben hatten, stellt man jetzt einen ansehnlichen, glatt repra*
sentativen Schonlingdar, konventionell, rokokohaft geschleckt, lachelnd,
elegant, manchmal also wirklich nur eine Biskuitkomposition aus Ei,
Mehl und Zucker.
Und wie das erstemal Beethovens Auftreten einseitig die vermeintlich
apollinischen Elemente an Mozarts Erscheinung gegensatzlich in den
Vordergrund gebracht hatte, so geschah es das zweitemal durch die
hochromantische Gestalt Richard Wagners.
Der Bayreuther Riese selbst ist bekanntlich ein leidenschaftlicher
MozartoVerehrer gewesen, der z. B. iiber die „Zauberflote in seiner
Abhandlung „Uber deutsches Musikwesen" schon 1841 das schone
Wort gepragt hat, das enthusiastisch die Deutschheit des Wiener Mei*
sters betont: „Mozart selbst schloC sich der volkstiimlichen Richtung
der deutschen Operette an und komponierte auf deren Grundlage die
erste grofie deutsche Oper: die ,Zauberfl6te'. . . . Das Genie tat hier
fast einen zu groBen Riesenschritt, denn indem es die deutsche Oper
erschuf, stellte es zugleich das vollendetste Meisterstiick derselben hin,
das unmoglich iibertrofien, ja dessen Genre nicht einmal mehr erwei<
tert und fortgesetzt werden konnte." Schrieb dies an Mozarts jo. Todes*
tag der Komponist des „Rienzi", so hat der Polemiker von „Oper und
Drama" zehn Jahre spater, als er das Wirkungsfeld fiir sein kommen*
des, dichtungentsprossenes „Kunstwerk der Zukunft" freiraumen
muBte, dieAkzente bereits vollig anders gesetzt: jetzt ist ihm. Mozart
der Vertreter der zu iiberwindenden musikantischen Konzertieroper.
Er schreibt: „Fiir Mozart ist mit Bezug auf seine Laufbahn als Opern*
komponist nichts charakteristischer als die unbesorgte Wahllosigkeit,
mit der er sich an seine Arbeiten machte : ihm fiel es so wenig ein, iiber
den der Oper zugrunde liegenden asthetischen Skrupel nachzudenken,
daB er vielmehr mit groBter Unbefangenheit an die Komposition jedes
ihm ^tufgegebenen Operntextes sich machte, sogar unbekummert dar*
um, ob dieser Text fiir ihn als reinen Musiker dankbar sei oder nicht.
. . . So hatte Mozart nur das unerschopfliche Vermogen der Musik
dargetan, jeder Anforderung des Dichters an ihre Ausdrucksfahigkeit
in undenklichster Fiille zu entsprechen, und bei seinem ganz unreflek*
98
tierten Verfahren hatte der herrliche Musiker auch in derWahrheit
des dramatischen Ausdruckes, in der unendlichen Mannigfaltigkeit der
Motivierung, dieses Vermogen der Musik in bei weitem reicherem
MaBe aufgedeckt als Gluck und alle seine Nachfolger." Man.kann sich
angesichts dieser Ausfiihrungen nur freuen, daB Wagner solch nur sehr
begrenzter Musikhistoriker und begnadeter Musikdramatiker, nicht
aber umgekehrt, gewesen ist! Denn er sah nicht, konnte und wollte es
in seiner geschichtlichen Situation nicht sehen, daB Mozarts Gipfeh
leistungen fur die Biihne nur eine andere, aber nicht geringere Losung
des musikdramatischen Problems darstellen als die wortbestimmten
Wagnerschen Reifewerke : die Oper als vollendetes Kraftespiel von ein*
maligen Charaktereri, die der Musiker als Menschengestalter voll
Dichterintuition mit Musikmitteln restlos ausgefofmt hat. Zwischen
den literarisch betonten Musikdramatikern Monteverdi, Gluck, Wag*
ner und dem anderen auBersten Fall, daB reine Musikanten Opern
schrieben, also etwa vom Geprage Rossinis, Bellinis, Donizettis, zu
denen Wagner Mozart stellen wollte, sehen wir diesen heute auf einer
dritten, mittleren Linie stehen, zu der auch der Opernmeister Handel,
zuder ein Weber und Verdi rechnen: vollendete Menschenzeichnung,
aber mit Musik^, nicht mit Literaturmitteln erreicht.
Es gehort zu den ironischen Wendungen der Geistesgeschichte, daB
das sonnige Nur*Musikantentum Mozarts noch einmal richtigbestim*.
mend durch einen groBen Betrachter festgelegt worden ist, der damit -
nun aber aus ganz anderen Griinden — den Wiener GroBmeister gegen
Wagner absetzen wollte: durch Friedrich Nietzsche. In „Menschliches,
Allzumenschliches" (1879, also nach der Abwendung von seinem bis*
herigen Triebschener Idol) verherrlicht er „Mozarts Anmut und Grazie
des Herzens", immer unausgesprochen im Bestreben, sich neue Gotter
zu errichten, die nichts von dem vermeintlich driickenden nordischen
Dunst der Nibelheimbereiche kennen. So sagt Nietzsche ebendort:
„Mozart findet seine Inspirationen im Schauen des bewegtesten siid*
landischen Lebens; er traumte immer von Italien, wenn er nicht dort
war." (Wozu man sich erinnere, daB Stendhal richtiger das genaue
Gegenteil behauptet hatte.) Oder in einemBrief Nietzsches an Erwin
Rohde (1886): „Wir haben helle, harmlose, unschuldige Mozartsche
Gliicklichkeit und Zartlichkeit in Tonen notig." Und der Zarathustra*
o-
Dichter schwarmt weiter : „ . . . -der heitere, sonnige, zartliche, leichb
sinnige Geist Mozarts, dessen Ernst ein giitiger und nicht ein furcht*
barer Ernst ist, dessen Bilder nicht aus der Wand herausspringen wob
len, um die Anschauenden nicht in Entsetzen und Flucht zu jagen.
Oder meint ihr, Mozartische Musik sei gleichbedeutend mit ,Musik
7 ' 99
des steinernen Gastes7 Und nicht nur Mozartische, sondern alle
Musik?"
Der Einsiedler von SilsJVIaria und Turin formt sich also einen Mo;
zart, den er antiwagnerisch mit seinen spaten Musik*Laren zusammen;
sieht, mit dem Bizet von „Carmen" und dem Peter Gast des „Lowen
von Venedig". Und doch war diese personliche Vorstellung eiri Mozart*
Bild, das nicht unzeitgemaB genannt werden konnte, da sich bei einem
solchen damals alles zusammenfand, was sich aus der drangendenTages*
wirklichkeit des Wagner*Lisztschen „Fortschritts" in die riickschritt?
lichen Gefilde eines sanften Akademismus fliichtete. Wie anders der groBe
Dane Soren Kierkegaard damals mit seinem hellsichtigen Enthusiasmus
fur die Damonie des Don Giovanni JVleisters ! Er leistete als einsamer
AuBenseiter, was Nietzsche ohne seine Befangenheit im Wagner*Pro<
blem zu Mozart auch hatte leisten konnen - und so geriet Nietzsche
in diesem Fall sehr wider Wunsch und Wollen in die Front der Durch*
schnittlichen. Kennzeichnend ist etwa der treffliche Schwabe Heinrich
Adolf Kostlin in seiner Musikgeschichte von 1884 mit den Satzen:
„Die Beseeltheit im Verein mit dem Adel der Formgebung gieBt iiber
Mozarts Werke einen nicht weiter definierbaren sonnigen Glanz aus, der
selbst dem Schmerze, wo er musikalisch dargestellt wird, etwas himm<
lisch Verklartes gibt. Mit einem Wort, es kommt bei Mozart das
Musikalisch*Schone zur vollsten und ausschlieBlichen Darstellung -
das verleiht seinen Werken jenen wahrhaft beriickenden Zauber, dem
kein unbefangenes Menschenkind widerstehen kann. Die vollqueh
lende, mit seelischem Gehalte getrankte Melodie ist Tragerin des
Schonen selbst, bei aller sinnlicheri Fiille und Kraft abgelost yon der
Erdenschwere, geistig und leichtgebaut — so wie es eben das Schone
als der Geist in sinnlicher Form selbst ist." Ernst Otto Lindner hatte
1864 die Formel gepragt, in Mozart sei „die ganzeWelt tonkiinstle;
risch zu ihrem naiven Ausdruck gekommen". Emil Naumann (J.) etwa
verkiindet als Vertreter einer ganzen Gruppe von Autoren 1 &7J '■ .
„Wahrend Mozart den Kenner hinreiBt und ihn immer neue Tiefen
des musikalischen Ausdrucks, immer entztickendere Schonheiten der
Form und des reinsten, einschmeichelndsten Wohllautes entdecken
laBt, ist er zugleich der popularste unter den Heroen der Tonkunst :
so volkstiimlich, daB seine Melodien ebensowohl durch die Glocken*
spiele deutscher Tiirme und von Spieldosen und Spieluhren reprodu*
ziert werden, als in StraBen und Gassen, in Feld und Wald vom. Volk
selbst gesungen, getrallert, zur Unterhaltung, ja sogar zum Tanz auft
gespielt werden." Dagegen halte man die Meinung Goethes zu Ecker*
mann rund fiinfzig Jahre zuvor : „Meine Sachen konnen nicht popular
100
werden - ist derm Mozart popular? ist es derm Raffael?" Gerade wir
heute werden es nicht tadeln, wenn Naumann an Mozarts vielen Seiten
gerade die volkstiimliche hervorhebt; aber der Unterschied beider
Standpunkte ist doch bezeichnend nicht -nur fiir die Blickweise beider
Frager, sondern auch fiir den Abstandswandel : wahrend das Mozart*
hdren einem Goethe noeh fortwahrend uberraschendNeuesundUnge*
wohntes bringen muBte, war das einHalbjahrhundert spater erheblich
anders, so dab Mozart*GenuB j etzt als Vergmigen an der steten Wieder*
begegnung mit langst Bekanntem aufgefaBt werden konnte. „Reich
mir die Hand, mein Leben", „In diesen heilgen Hallen", „Ihr, die
ihr Triebe", „Kdmm lieber Mai", „Ein Madchen oder Weibchen"
- das und noch viel mehr gehorte hundert Jahre nach Mozarts
Tode zum Volks*, Haus* und Schulliederbestand der Deutschen und
wurde in hunderterlei Transkriptionen gegeigt, geblasen und geklim*
pert, dieser Ausschnitt war auf dem bestenWege, als „absinkeftdes Kub
turgut" sich ins UnterbewuBte unseres Musikbesitzes zu verfliiehtigen.
Mozart gait damals als Mittelstiick des feststehenden „Wiener Drei>
gestirns" Haydjv-Mozart-Beethoven, indessen problemlosemBesitzman
sich sonnte/Mozart war der legitime Lieblirig unserer GroBtanten ge*
worden/der UberdruB daran erklart, daB damals sogar ein neudeutsches
Pamphlet unter dem Titel „Mozartheuchelei" (von Paul Zschorlich)
hat/erscheinen konnen. Und auch der Auffiihrungsstil der Mozartschen
festerwerke entsprach dem weitgehend: man gab „Figaro" und ,,Don
Juan" (keinMensch sprach mehr. von „Don Giovanni") an den meisten
Arten Deutschlands in behabigem Tempo als biedere Singspiele mit ge*
spVochenem Dialog und durchschnittlich mit jener feststehenden Rou*
tine, die besser mit „Schlamperei" zu iibersetzen gewesen ware. Dazu
gehort, daB die damaligen Klavierausziige seit Neefe und Aug.
Eberh. Miiller immer nur die Ouvertiire, die Arien und Ensembles,
nirgends aber die Seccorezitative boten - diese Helen ja im deutschen
Theater uberall weg. Bezeichnend ist etwa fur Wien, daB Max Kalbeck
i. J. 1 88 1 schreiben muBte: ,,Eine in alien Teilen sorgfaltig heraus*
gearbeitete Auffuhrung des ,Don Juan' gehort ndch immer zu deil
unbefriedigten Wiinschen. . . . Denn es handelt sich dabei nicht um
etliche Zutaten und Veranderungen, sondern um einen Bruch mit der
traditionellen Schablone uberhaupt." Diese Erneuerung ist dann in
Wien 1887 bei dem Zentenarjubilaum desWerkes auf Grund der
Kalbeckschen Ubersetzung begonnen worden. Gb Grandaur in Miin?
chen oder Frh. v. Wolzogen in Schwerin, ob Bulthaupt in Bremen oder
andere Dramaturgen und Regisseure sonstwo, das BewuBtsein neuer,
strengerer Verantwortlichkeit begann sich gegeniiber den Biihnen*
101
werken erstmals zu regen, unci die., wiewohl ungleichwertige, Gesamt*
ausgabe erweckte ahnliche Fragen nach der Werktreue auch fur die
iibrigen Mozartschen Schaffensbereiche. Ich glaube, ein noch ent*
scheidenderes Verdienst um das neue Mozart *Bild als alle Musikphilcv
logie hat da ein groBer Kunstler gehabt, Richard StrauB, der den drei
Buffoopern Da Pontes alsBerlinerHofkapellmeister um 1900 ein neues,
elektrisches Fluidum, ein faszinierendes Brio zukommenMieB, die
Seccos selber mit kiihner Freiheit der Motiveinverwebung amNFliigel
aus dem Stegreif begleitete und so die Interpretation - wenn ein Aus*
druck aus der heutigen Technik gestattet ist - erst wieder „auf voile
Tourenzahl" brachte. Darstellungen wie derDonGiovanniDAndrades,
so wie ihn Sleevogt gemalt hat, bezeugen diesen sozusagen impression
nistischnflockig und zugleich gedankenscharf gesehenen Mozart voll
neuentdeckter, elektrisierender Spritzigkeit.
Nun aber erhoben sich auch wissenschaftliche Fragestellungen von
grundsatzlicher Art. Die MozartnForschung hatte sich jahrzehntelang bei
dem Bilde beruhigt, das der hochverdieiite Bonner Archaologe Otto Jahn
i8jj fiir den bevorstehenden 100. Geburtstag des Meisters gezeichnet
hatte - kritisch raumte Jahn mit manchen anekdotischen Legenden
auf, die seit Schlichtegroll, Niemetschek, Rochlitz und Nissen fort«
bestanden hatten, und setzte doch zugleich unbewuBt eine neue Legende
an die Stelle der vorigen, die kurz zuvor schon Ignaz v. Seifried gepragt
hatte, die von dem Gotterliebling, der von Kindesbeinen an mit jedem
Werk die bisherigen anerkannten Leistungen auf dem betreffenden
Gebiet sofort aus dem Sattel geworfen habe. Es war also noch der friihe
Typ der Heroendarstellung, dem die notwendigen Kenntnisse der vor
und neben Mozart giiltigen Leistungen fehlte, so daB der Held fast
hintergrundslos alles Licht allein erhielt. Andererseits war es spater
eine arge Vergroberung, zu behaupten, auch Jahn habe nur den
„Sonnenjungling" Mozart gekannt. Seine Analysen bedeuten schon
eine gewaltige Vertiefung gegen die bis dahin ublichen, wenn ja auch
seine reaktionare Steliung gegen Wagner Jahns Farbengebung spiirbar
dampfi. Wenn man denkt, wie revolutionar neu etwa der Prager Nie*
metschek bei der dortigen Erstauffiihrung anno 1783 Mozarts „Ent<
fiihrung" empfunden hatte, so ist bei Jahn von solchem Konquista*
dorentum der Mozartschen Kunst nicht gern die Rede - Mozart ist
ihm doch bei aller Anerkennung leidenschaftlicher Schmerzakzente
mehr der Genius des musikalischen Wohlverhaltens und der miihelose
Uberfliigler der Italiener. Der erste, der hiergegen aus reicheremWis^
sen um die Leistungen des damaligen Italien protestierte, war 1 87S bis
1 882 Friedrich Chrysander, noch umfassender ist esHermann Kretzschn
102
' mar gewesen mit seinem Aufsatz im Peters>jahrbuch von 190J „Mozart
in der Geschichte der Oper". Wenn Kretzschmar da zu behaupten
wagte, Mozart bleibe in seinem „Titus" weit hinter den gleichzeitigen
Italienern zuriick, so erscheint uns diese RelatLvierung heute schon
wieder einigermaBen iiberholt -und doch hat jene skeptische Revolu*
tionierung ihren groBen kritischenWert gehabt, gait sie doch nicht
nur der historischen Gerechtigkeit zwischen den Nationen, sondern
aucK einer viel tieferen Erforschung dessen, worin denn eigentlich
Mozarts Anders? und Besonderssein im Vergleich zur damals tatsach*
lichen Musikumwelt bestanden habe. Man begann nun allgemeiner - es
ist dabei aueh der anregungsreiche AlfredHeuB mit Ehren zu nennen -
das Antlitz des Meisters von vielen verhiibschenden Biedermeieruber*
malungen zu reinigen, man entdeckte uberraschend kiihne, originelle
Ziige, die man kaum geahnt hatte. An diesem Punkt verdient der
Dresdener Mozart*Forscher Arthur Schurig Hervorhebung, der in sei*
nem zweibandigen Werk von 191 3 mit Scharfe, in der Neubearbeitung
von 1923 gemildert unter den Illusionen der Otto Jahnschen Idealisie*
rung aufgeraumt und einen niichtern realen „Mozart" an deren Stelle
gesetzt hat. Es ist hier nicht der Ort, die neuen Bestandsaufnahmen an
Tatsachlichem alle aufzuzahlen, die bei Kochels Werkverzeichnis samt
dessen Neubearbeitungen liegen, die bis ins Kleinste gehende EinfluB?
analyse bei den Jugendwerken durch die scharfsinnigen Franzosen
deWyzewa und Graf George Saint Foix, die kritische Briefsammlung
Ludwig Schiedermairs, alle Kleinforschung in der Zeitschrift der
Mozart *Gemeinde, die Urtextausgaben der Berliner Akademie der
Kiinste usw.
Nun aber ist mit groBterWarme undVerehrung der Mann zu nem
nen, dessen Name in keinem Mozart*Vortrag von fachwissenschafb
lichem Anspruch fehlen darf : Hermann Abert. Denn all dieses neue
Erkenntnismaterial floB wie in einem Zentralarchiv in seiner hervor*
ragenden Mozart*Biographie von 1919/20 zusammen, die zwar noch
dem Namen nach eine vierte Auf lage des Jahnschen Werkes sein wollte,
inWahrheit aber etwas vollig Neues gebracht hat - durchsetzt mit
ausgezeichneten Gattungsgeschichten, die zu jeder von Mozart be?
dachten Werkgruppe wahre Entwicklungsstammbaume beitrugen. Vor
allem fand sich hier jene neue Mozart*Auffassung durchgesetzt, von
der man sagen darf, daB sie recht eigentlich „das Mozart*Bild unserer
Zeit" begriindet hat : das unbestechlich „sachliche" Bild des Musikers,
in dessen Schaffen wieder die alte damonische GroBe, das gliihend
ernste Ringen um die letzten Dinge, das bei aller Formenvirtuositat
zutiefst Erlebte des Gestaltens neu entdeckt und bewiesen hervortritt.
103
■Si
Das war ein bewuBter Bruch mit jenem 19. Jahrhundert, das mit pup?
penhaften Gipsbiisten namens Mozart die Konzertsale und Opern*
foyers ausgeschmiickt hatte, und es ist begreiflich, daB in Wien ein
damals herrschender alter Musikhistoriker hinter dem verlorenen
gepflegten Schonling seiner Jugend vernehmlich herklagte. Aber der "*%
Neugewinn war doch ein unvergleichlich hoherer !
GewiB kann sich auch die objektivst eingestellte Forschung nie ganz l\
der eigenen Zeitstimmung entziehen. Trotzdem darf betont werden,
daB Saint Foix und Abert, in ihrem Gefolge oder ihrer Richtung aueh '"
Schurig, Schiedermair, Rob. Haas, Paumgartner usw. sich auf weit ver<
laBlicheren Untergrund als die friiheren Deuter der Mozartschen Er<
.scheinung gestellt haben — nicht nur indem sie viber umfassendere
und prazisere Material* und Umweltkenntnis verfiigten, sondern weil
sie sich vor allem auf das im Kern allein wichtige Material stiitzten :
auf die Mozartschen Tonwerke selbst. GewiB kann auch die Analyse
gelegentlich subjektiv vorbeischieBen, denn sie geht nun eihmal durch
das Medium der analysierenden Personlichkeit hifldurch, deren Tern*
perament.und Voriiberzeugtheit nie ganz auszuschalten ist, Man hore
aas gleiche Mozartsche Klavierkonzert das eine Mai von Gieseking
oder Cortot, das andere Mai von Edwin Fischer oder Wilhelm Kempff
gespielt, dann hat man die ganze Weite der Niiancierungsmoglich*
keiten von Spieldosenzierliehkeit bis zu romantischer Ausdrucksinter*
pretation vor sich! Immerhin wird der kunstwissenschaftliche Analy*
tiker nicht so frei wie der reine Kiinstler verfahren. H. Abert z.B. ist
dadurch, soweit sich heute beurteilen laBt, vor entschiedenen MiB*
griffen bewahrt geblieben, hat vielmehr das innere Portrat Mozarts
aus denWerken der verschiedenen Altersstufen denkbar zuverlassig
zusammengebaut; so verzeichnet er schon in Fruhwerken nach spru*
delnden Satzbegirinen die baldigen uberraschenden Abbiegungen in
griibelnde Nachdenklichkeit. Er hebt in DunStiicken die „blutzie*
henden" Moll *Trubungen und Mozarts rhythmische Energie hervor.
Ein anderer Mozart<Kenner jener Jahre hat die diskret „fallenden ■
SchluBpointen" als Kennzeichen seines dramatischen Stils heraus* ;;
gearbeitet. Oder man denke an die oft anzutrefiende Vielthemigkeit '.;■'
der Mozartschen Sonatensatze — das sind objektiv feststellbare Merk*
male seiner geistigen Artung, seiner iiberquellenden Wesensfiille,
die iiber ihn genau so verlaBliche und tiefgreifende Aussagen machen,
wie gegenteilige Befunde bei anderen Meistern deren sparsame Phan*
tasie und geistige Okonomie bezeugen wiirden. NaturgemaB wird es
bei der Saint > Foixschen Auffassung zahlreicher sich folgender Stih
Wend<?n, die ja nicht nur einen Wechsel der Vorbilder, sondern auch
104 •
der Gestaltungsmethoden innerhalb des Mozartschen Schaffens her>
ausmodellieren, schwierig, sich das gemeinsame Band der Dauereigenart
Mozarts immer klar zu vergegenwartigen. Ihr Prinzip ist gewiB alles
andere als die Prinzipienlosigkeit gewesen, sie springt uns unverkenn*
bar entgegen, auch wenn sie sich kaum in Begriffe und Worte fassen
laBt.Wenn nach solch feinster Verastelung der Auslegung auchwieder
zum Zusammenbau gedrangt werden muB, so wird dessen Ergebnis
nur unvergleichlicb plastischer und gestufter herauskommen als zuvor.
Diese Plastik, diese gesteigerte Scharfe der Ziige ist vor allem durch
kraftigere Striche im Antlitz hervorgerufen. Ich meine damit nicht
die grausame Lust, etwaige Schatten der Mozartschen Personlichkeit
hervorzuheben, wie in Vergroberung der Schurigschen Illusionslosig*
keit heuer ein Buch wieder eihmal seine Stubenmadeleien zu einer
Hauptsachehatmachenwollen. Eherz.B. dasGrundtimbre derSchwer?
mut, fjir das der neueste Mozart sBiograph, Egon v. Komorczynski,
treffend auf all die herrlichen gimoll'Schopfungen und auf die so be*
sohders personlich gehaltenen c*moll<Klavierwerke hingewiesen hat.
Die geschilderte Veranderung der Mozart*Auffassung laBt sich auch
aus gewissen spurbaren Verschiebungen innerhalb des heutigen Mo«
zart*Repertoires von Konzertsaal und Oper bestatigen — beide hangen
wechselseitig zusammen : so ist etwa der im Biedermeier hochbeliebte
„Titus" gegen ehedem stark zuriickgetreten, und neben die Mozart*
schen Klavierwerke sind diejenigen von Beethoven, Chopin, Schu*
mann, Brahms vorgeriickt; dafiir gehoren beispielsweise die einst fast
unbekannten Violinkonzerte jetzt zum eisernen' Bestand. Das sind
nicht so sehr Geschmackswandlungen als Bediirfnisfragen. Am bemer*
kenswertesten ist da ; wie z.B. Don Giovanni heute spiirbar etwas gegen
Cosi fan tutte zurucktritt; und warum? Der „Oper aller Opern" ist
ein Jahrhundert romantischer Musikdramen nachgefolgt, die sich
durch starke Reizmittel in der Schatzung des groBen Publikums nach
vorn gedrangt haben, wahrend Mozarts „Opera*seria"A.nteile man;
chen Horer bereits etwas historisch anmuten. „Cosi fan tutte" aber
steht jetzt als ein Opus sui generis unicum in endlich entdeckter Herr*
lichkeit da — ein Triumph vollendeter Stilreiriheit des Wiener Rokokos,
als ideale Vertreterin der moralinfreien Musikkomodie, als vielleicht
lebendigstes Abbild der Mozart*Mythe, wie wir sie heute ahnen mit
ihrer gefahrlich^erotischen, heiter<skeptischen Ironie. Joseph Gregor
hat den Griinden dieser neuen Hochschatzung iiberzeugend nach>
geforscht.
Diese Verdunkelung und Vertiefung des Mozart*Bildes zeigt sich
auch in der dichterischen Mozart<Gestaltung. Von Morikes Novelle
\ 105
iiber die Prager Reise bis zu Karl Sohle einschlieBlich wachst aus anek*
dotischem Grunde ein liebenswerter, mehr harmloser als zunachst
bedeutend wirkender Mozart auf, in den eine giitige Laune der Vor*
sehung den himmlischen Musikanten hineinversteckt hat. Wenn mans
chem heut dies Morikesche Mozart*Bild nicht mehr ganz geniigen
will, so eben, weil es mit seiner Zeit allzu eng stilverbunden war. Erst
in unserer Generation hat sich das dichterische Mozart<Bild entschei*
dend gewandelt: so in der „Requiem"*Novelle der Susanne Trautwein
und vor allem in dem „Requiem"*Drama des Jenaer Juristen Heinrich
Gerland, das ich fur die bedeutendste bisherige MozarkDichtung
halte : hier ist von vornherein Mozarts Gestalt in alien Fasern von damo*
nischer Schicksalsgewalt umwittert, hier ist sie einmalige Tragerin eines „«
wahrhaft gedankentrunkenen Todesmythos geworden. Man darf dieses
neue, vertiefte Mozart*Bild nicht fur eine einfache Zeitmode halten,
die sich an die Stelle des biedermeierlichen optimistischen Bildes ge<
setzt habe und als ein Irrtum so gut wie jenes vorige angesehen werden
konne, gewissermaBen als bloBe Geschmacksverschiebung. Sondern es
ist doch wohl so, daB das neue Mozart*Bild des 20. Jahrhunderts als
ein gewonnener und erarbeiteter Kenntniszuwachs zu demjenigen des '
19. Sakulums hinzugekommen ist. Beide stehen nicht einfach neben*
einander zu beliebiger Auswahl je nach Lust und Stimmung des eim
zelnen Horers und Verehrers, sondern sie erganzen und iiberdecken
sich auf ganz eigentumliche Weise. Man kann das Verhaltnis beider
etwa so bestimmen : gewiB, wir haben durch scharferes Hineinhoren
und durch analytisches Abheben der Mozartschen Sondersprache vom
damals Zeitiiblichen den damonischen Menschen und Kiinstler Mozart
wiederentdeckt; aber es ware verkehrt, daruber alles Seraphische, Ge«
ordnete, Heitere seiner Kunst zu unterschatzen oder gar als unwesent*
lich wegschieben zu wollen.
Hier gilt es, gerade von Mozart her, auch zu einer Klarung der
Zweiheit des Apollinischen und Dionysischen zu gelangen. Einmal
kommt zum Gliick weder der eine noch der andere beider Kiinstler*
typen jemals hundertprozehtig chemisch rein vor, sondern stets in
Mischungen, wobei nur die Anteilquoten und dam.it die Setzung
der Hauptbetonung wechseln - selbst bei Mozart mochte man manch*
mal von Satz zu Satz einer Symphonie, vom Durthema zum Mollthema
innerhalb eines Satzes das Vorzeichen, ob mehr apollinisch oder mehr
dionysisch, vertauschen. Vor allem hiite man sich, in diese Artunter*
schiede Wertunterscheidungen einzumischen! GewiB, als Nietzsche
1 870 mit unter dem EinfluB desWagnerschen Prophetentums dem „bloB
noch" apollinischen, um nicht zu sagen, zu Akademismus und Auf kla«
106
rungverwiesenenEuripid.es undSokrates die damonischeDionysiermythe
von Aischylos und Heraklid entgegensetzte, war en ihm das noch Wert?
unterschiede - neun Jahre spater, wie wir sahen, gab er dem neuen Gotte
Mozart alle Konigsinsignien eines Apolliniertums, das nun iiber die
Manadik des alten Weingottes triumphierte. Darum : wenn wir Mozart
hochste Ehren zuschreiben, so darf er nicht ein geringerer Mozart
heiBen, dem wir auch Ordnung, Heiterkeit, Klarheit zuerkennen. Und
umgekehrt : wir diirfen Mozart nicht, weil er uns ersten Ranges diinkt,
zum Dionysier urn jeden Preis stempeln wollen und ihn dort mit
tragischem Pathos beschweren, wo er spriihend heiter zu spielen ist.
Gerade weil wir den Anteil des Chaotischen, Damonischen, Pessi*
mlstischen in Mozarts Natur scharf erkannt haben, ergibt sich die
stilhafte Harmonie, die edle Formenbandigung, die bliihende Selig*
keit seiner Werke doppelt als Charakter* und Kunstleistung, als Lebens*
aufbau eines der groBten Menschen unseres Volkes, den wir deshalb
ganz besonders lieben und verehren und anderen Volkern als den
unsern stolz yor Augen halten diirfen. Denn er zeigt gerade solche
erworbenen und erarbeiteten Eigenschaften in der Vollendung, die
unsere Gegner und die Nichtkenner deutschen Wesens uns gern als
weltenfern absprechen : die „Maze" und „Fuoge", die zarte Diskretion,
die kluge Zuriickhaltung, die Ausgewogenheit zwischen Rahmen und
Inhalt bei aller drangenden Fiille des zu Sagenden, eben : die Klassi*
zitat. Unsere Feinde hohnen wohl: ja, so war Deutschland in solch
seltenem Hochstfall vielleicht hie und da vor hundertfunfzig Jahren!
Nein, die wirklich lebendige und allgemeine Mozart* Verehrung bei
uns, die ja nicht bloBe Kalenderbeflissenheit an Jubilaumstagen ist,
beweist, daB wir auch heute noch so sind, daB wir nicht nur einen an*
geblich klotzigen Teutonismus in uns haben und hegen. Und wenn
unser Mozart*Bild unbewuBt darauf zielt, all diese Feinheit, Vornehm*
heit, Klugheit Mozarts neben und iiber seine bliihende Anmut und
himmlischen Gottesgaben zu stellen, so spricht das unserem heutigen
geistigen Deutschland vielleicht kein ganz schlechtes Zeugnis aus. Es
wird Aufgabe der Zukunft sein, diese Gerichtsprobe der MozartsPflege
immer noch besser zu bestehen.
An diesem Punkt erhebt sich wie von selbst die Frage, in welcher
Richtung sich wohl kiinftig das Mozart*Bild entwickeln werde und
welche Aufgaben sich zu diesem Ziele der kommenden Mozart*For«
schung darbieten. Ich glaube, daB uns weniger als weitere biographische
und bibliographische Daten immer eingehendere Einzelerforschung
der Werke an sich und in ihremgegenseitigen zeitgeschichtlichen Zu*
sammenhang not tut. Wahrend iiber die Entwicklung der Friihwerke
107
minutiose Forschungen vorliegen, sollte man nun jetzt vor allem von
den letzten Reifewerken aus riickwarts schreiten und sie formell vvie
harmonisch immer tiefer schiirfend analysieren, und zwar vor allem
sub specie der Mozartschen Gestaltungspsychologie. Hier konnte ver*
mehrte Kenntnis der Werkbeziehungen untereinander noch zuman<
cher Entdeckung AnlaB geben; um nur einige Beispiele zu nefinen :
zwischen dem D*dur*Flotenkonzert und Blondcheris Arie „Welche
Wonne, welche Lust", zwischen einer Ilia Arie, dem Andante der
g*moll*Symphonie und Taminos Bildnisarie, zwischen Holzbauers
„Wenn das Silber detner Haare", dem Mozartschen Hornkonzert
Kochel 447 und der Sarastro*Arie „0 Isis und Osiris", oder zwischen
Mozarts Lied „An Chloe" und -mehreren seiner andef en Vokal* wie
Instrumentalwerke schlagen sieh solche Beziehungsbriicken, die sich
gegenseitig sinnvoll zu erhellen vermogen.
Dann ware z.B. eine Darstellung der Mozartschen harmonischen
Neuheiten, seiner aus demBarock iibernommenen, aber neu gepragten
Septj und Nonakkordketten, dann seiner Chromatik und deren 0ber<
springen Zurnal auf Schubert und Spohr hin vonnoten und forderlich
als ein Hauptkapitel der noch ungeschriebenen Hohengeschichte unse;
rer deutschen Harmonik mindestens von Schiitz und Bach bis zu
Schubert und Wagner. Ich stelle mir vor, jene noch auBerordehtlich
zu vef feinernde Kenntnis des Mozartschen Personalstils miiBte zu
einem Grade der Sicherheit gelangen, der es einmal ermoglichen wird,
in so umstrittenen Fragen der Echtheit wie heute etwa beim Es<dur>
Violinkonzert und dem Adelaide* Konzert, im Verlauf des „ Requiems"
oder bei der Ballettmusik „Die Rekrutierung" zu vollig sicherem Ja
oder Nein zu gelangen. Eine der wichtigsten Aufgaben aber wird es
sein, eine Personlichkeit wie' Mozart fiir die Rassentypologie, die deut*
schen Stammesfragen und die Erforschung des deutschen National*
charakters sowie ihre Stellung im gesamtabendlandischen Konzert
immer tiefer zu begreifen und auszuschopfen.
Alfred Orel hat die gliickliche Formulierung gefunden : „Mozarts
deutscher Weg" ; darunter laBt sich zweierlei versteheii: einmal Mo*
zarts . geradliniger Weg aus der gegenreformatorisch iiberfremdeten
Jiigendwelt zu immer' bewuBterem Bekenntnis seines Deutschtums —
Mannheim, Paris, Entfuhrung, Zauberflote bilden die Hauptstationen
fiir den immer starkeren Durchbruch seiner individualistischen Son*
derartung durch alle Schichten fremder Kunstformeln hindureh. Aller*
dings suche man die „Deutschheit" bei Mozart nicht als patriotische
Phrase, sdndern in ihrer schwerstwiegenden Bedeutung : all ihre schil*
lernde Zwischenfarbigkeit, auf der einen Seite den schier grenzenlos
108
ausgreifenden Weltdrang und aucbwieder die griibelnde Innenschau,
den Hang zum Irrationalen und Metaphysischen, aber auch rein musi<
kantisch das liedhafte Aussingen seines Herzenstons voll ewiger Jung*
lingssehnsucht und im keuschen Uberschwang derNaturseligkeit. Zum
andern heiBt „deutscherWeg" Mozarts deutscher Leidensweg — d. h. es
gilt ein immer klareres Erkennen, wie schwer es die Mitwelt allezeit unse*
ren groBten und treuesten Sohnen gemacht hat. Das bedeutet yor
allem eine kulturpolitische Lehre fiir Gegenwart und Zukunft, die
man immer deutlicher in der Praxis anzuwenden lerne: es geniigt
nicht, den Uberdurchschnittlichen erst hundert oder hundertfunfzig
Jahre nach seiriem Tode zu verherrlichen; sondern man begreife seine
GroBe schon bei Lebzeiten und mache es den schopferischen Men*
schen, solange sie noch selbst etwas davon haben, ein wenig schoner
und leichter als ehedem!
Doch zuriick zu den fachlichen Aufgaben der Mozart^Forschung !
Wie uns fast durchgangig Untersuchungen der Stil* Ausklange fehlen,
so wiirde auch im Fall Mozarts eine aligemeine Nachgeschichte seiner
musikalischen Auswirkungen wesentlich sein - so finden sich in der
Pariser Schreckensoper „Camilla" des Italieners Fernando Paer ganze
Figaro'Szenen nachgebildet •— , es seien dafiir dann alle groBen deut*
schen Meister, Beethoven wie Schumann, Brahms wie Reger genannt,
wozu meine heutigen Ausfiihrungen nur eine schmale Seitenskizze
darzustellen vermogen. Es ist nicht unwahrscheinlich, daB erst noch
kiinftiges Schaflen hierzu wesentliche Beitrage liefern wird, weil Mo<
zarts geschichtliche Aufgabe sich im Grunde niemals erschopfen und
erledigen kann. Im Gegenteil: wirklich lebendiges Verstehen der
Aufgaben des Mozart'Schrifttums wird immer da, wo sich Ansatze
zum Starrwerden einer Mozart;Tradition und Mozart* Auffassung zei*
gen sollten, gegen solche Kanonisierung angehen und den Nachwuchs
dazu anhalten miissen, solche festwerdenden Tafeln zu zerbrechen,
weil einzig imWandel, in der blutvollen Entwicklung die Garantie
fortzeugenden Kunstlebens liegt.
Darum scheiden wir vom heutigen Mozart;Bilde nicht mit deni
selbstgewissen Gefiihl, „wie wir's so herrlich weit gebracht", sondern
im Gegenteil mit der aufrichtigen Hoffnung, auch hierin dermaleinst
von unseren Kindern und Enkeln kraftig mattgesetzt und iiberholt
zu werden. Denn wichtiger, als daB wir „recht behalten", ist, daB die
ewigen Meister, urn die wir es uns in ehrlichem Bemuhen sauer werderi
lieBen, in unverminderter Ausstrahlungskraft immer neue Lebens*
keime aussenden konnen zum Heil kiinftiger Geschlechter.
109
Wilhelm Zentner
Sicgmunii oon fiouaeggcr
Drei Eigenschaften gilt es in Siegmund v. Hausegger zu verehren :
den bedeutenden Kbmponisten, den groBen Dirigenten sowie den
beispielhaften Musikerzieher. Alle diese Fahigkeiten entspringen einer
gemeinsamen Wurzel, der wesenhaft deutschen Musikgesinnung. Was
dem Leben und Wirken dieses Mannes jenebestimmende Grundrich;
tung gibt, von der er, ein Vorbild kiinstlerischer Unbeirrbarkeit, una
keines Schrittes Breite abgewichen, ist die klare, im Bewahrungsfeuer
der Uberzeugung gehartete Grundanschauung von Wesen und Auf*
gabe der Musik. Siegmund v. Hausegger hat diese bereits im Vater*
hause empfangen. Als Sohn des Grazer Musikschriftstellers Dr. Fried*
rich v. Hausegger, der mit seinem Buche „Die Musik als Ausdruck"
der meehanistischeg Asthetik eines Eduard Hanslick (J) von der Musik
als „tonerid bewegter Form" eine unmittelbar vom Innerlichen aus*
gehende Kunstauffassung entgegenstellte und verfocht, trat der junge
Musiker fruhzeitig ein Geisteserbe an, das er nicht nur in Treuen
gewahrt, vielmehr hundertfach durch die eigene kiinstlerische Tat neu
erworben, erweitert und bestatigt hat. Siegmund v. Hauseggers ge«
samtes Leben ist ein Leben fur die deutsche Musik gewesen, und zwar
ein Einsatz in den Brennpunkten des Kampfes um hohe und hochste
Giiter des deutschen Geistes. Denn groBe und erhabene Ziele muBten
es sein, wenn Siegmund v. Hausegger, von der metaphysischen Auf*
gabe der Kunst durchdrungen, sich an ihnen entziinden sollte. Stets
ist fur ihn die Blickrichtung auf das Wesentliche maBgebend gewesen.
Wechslergeschafte auf dem lauten Markt der Mode hat er nie be*
trieben, unbekiimmert um den billigen Vorwurf, „unmodern" zu sein.
Siegmund v. Hausegger hat es selbst einmal ausgesprochen,daB Eltern*
haus und Heimat den Nahrboden abgaben, aus dem der werdende
Kiinstlerdie entscheidenden Krafte seines geistigeft undseelischenWachs*
turns gewinnt. Durch diese beiden Elemente wird gleichsam die Tonart
bestimmt, in der das kiinftige Lied des Lebens erklingen mag. Zwei
Schicksalsgaben sind es gewesen, denen der Kiinstler die bestimmende
Richtung seines Lebens zudanken hatte: die Erziehung im elterlichen
Heime und der landschaftliche Zauber seiner Grazer Heimat.
110 .,'. '
Die sommers in das Bliitenmeer ihrer Garten versunkene Stadt,
iiberragt vom umwaldeten SchloBberg, durch die als Sendbote ferner
Schneegipfel die gebirgsgriine Mur stromt, lieB friihzeitig das kind*
liche Gemiit jene Verbundenheit des menschlichen Erlebens mit den
Eindriicken der Natur ahnen, die fur den Komponisten nachmals so
oft AnlaB schopferischen Gestaltens werden sollte. Im Elternhause
besaB die Musik eine dauernde Heim* und Prlegestatte. RegelmaBig
■ wurde bier musiziert. Bei diesen Hauskonzerten, die einen stattlichen
Kreis von Kiinstlern und kunstverstandigen Liebhabern um den vor*
trefflich klavierspielenden Hausherrn und die mit einer schonen
Stimme begabte Hausfrau scharten, empfing das Kind — zunachst vom
Nebenzimmer aus - die ersten musikalischen Eindriicke. DaB diese
nicbt ohne Widerhall blieben, zeigt der Versuch, sich am Klavier in
ersten freien Fahtasien zu ergehen. Nacb vollendetem sechsten Lebens*
jahre tritt der Knabe in die musikalische Schule des Vaters, der ibm
jedoch nicht bloB Lebrer, vielmehr zugleicb Freund und Berater ge*
worden ist. NatiirlicheBegabung und Erziehung konnten sich so aufs
harmoniscbste durchdringen. Es lag im Zuge der Kunstanschauungen
Friedrich v. Hauseggers, daB er den Sohn, dem die Musik weniger eine
virtuose Fertigkeit als vielmehr alldurchdringende LebensauBerung
bedeuten sollte, vor der Einpressung in reine Fachlichkeit, vor Erstar*
rung in einem engbegrenzten Musikertum zu schirmen trachtete.
NaturgemaB zielte der lebhafte Wunsch des Vaters dahin, der Sohn
moge in einer spateren Komponistenlaufbahn jenes hohe Gliick des
kiinstlerischen Schaffens finden, das Friedrich v. Hausegger, der sich
in der Jugend zum Brotstudium der Jurisprudenz gezwungen gesehen
hatte, versagt geblieben war.
GewiB ist es fiir die kiinstlerische Entwicklung Siegmund v. Haus*
eggers von weittragender Bedeutung geworden, wenn ihn der Vater
inuner wieder auf die unmittelbare Beziehung zwischen Kunst und
Leben, jedoch auch zwischen Kunst. und Charakter hinwies. Nichts
hatte der vaterlichen Betreuung ferner gelegen, als einen abstrakten
Theoretiker oder blutarmen Astheten heranzubilden. Friih schon
leuchteten dem werdenden Kiinstler jene Gestirne auf, die seinem
Schaffen und Wirken unverriickbare Richtungsweiser geworden sind :
Bach, Beethoven, Richard Wagner und Anton Bruckner, dessen
j. Symphonie bekanntlich ihre Urauffiihrung in Graz erlebte. In
diesen Genien lernte der junge Hausegger nicht nur erhabene musika*
lische Vorbilder kennen, denen es kiinstlerisch nachzueifern gait; hier
begegnete er zugleich jenen charakterlichen Werten und Tugenden,
die den Menschen Siegmund v. Hausegger auszeichnen. In dem.karnp*
111
ferischen Einsatz des Vaters gegen eine im innersten Wesen undeutsche
Musikasthetik sowie in dessen Bahnbrechertum fur die damals noch
leidenschaftlich umstrittene Kunst Richard Wagners, die der Sohn
heiBen Herzens miterlebte, erstarkte iiberdies das BewuBtsein, daB es
ein bequemes GenieBen oder lassiges Gewahrenlassen fiir denjenigen
nicht geben kann und darf, der sich dem Banner ernes Ideals ver*
schworen hat. Dazu kamen, ebenfalls dargetan am Beispiel des auch
politisch hervortretenden Vaters, die Eindriicke jener Fehden, die der
deutschgesinnte Osterreicher im damaligen Kaiserstaate zu bestehen
hatte und die sich in Graz unmittelbar vor den Augen des Jiinglings
abspielten, dessen Neigung auf den obersten Klassen des Gymnasiums
immer mehr in den Bann der nordisch*germanischen Sage und Ge*
schichte geraten war. All diese Dinge sind sowohl fiir die menschliche
Haltung Siegmund v. Hauseggers wie fiir sein kiinstlerisches Schaffen^
im Sinne groBer Grundthemen, maBgebend geworden.
Mensch und Kiinstler lassen sich bei diesem Meister nicht trennen.
IhrS gegenseitige Durchdringung formt sich zum Bilde einer Person*
lichkeit, deren Lebensbahnen in klaren, reinen und zielbewuBt ge*
fiihrten Linien verlaufen. Uberraschungen und Sensationen fehlen wie
alles, was sonst mit der Wiirde der Kunst unvereinbar ware. Lauterkeit
der Gesinnung und innere Wahrhaftigkeit sind die eigentlichen Prage*
stempel des Hauseggerschen Wesens. Stets hat der Kiinstler seine
hpchste Aufgabe daf in erblickt, der Stimme seines musikalischen Ge>
wissens zu folgen, das zugleich der Ruf eines inneren Ethos gewesen
ist. Erprobt und gestarkt hat sich dieses Musikgewissen am Riickhalt
einer unbestechlich deutschen Musikgesinnung ; deutsch nicht in der
auBeren Gebarde, sondern im innersten Sein. Siegmund v. Hausegger
hat daher sehr wohl zu unterscheiden gewuBt zwischen einer lediglich
„patriotischen" und „nationaler" Kunst. Alles, was er geschaffen, ge<
hort der letzteren hoheren Gattung an, die, naeh einem schonen Worte
Hans Pfitzners, nichts anderes darstellt als eine ,,-Selbstbesinnung auf
das eigene Wesen". Wunderbare Krafte der Zuversicht, einer unbe<
sieglichen GewiBheit, daB deutsche Art und Kunst niemals untergehen
konne, sind dem Meister aus dieser inneren Einkehr ziigewachsen. Er
ist damit, gerade in den Jahren drohender Zersetzung, Entseelung und
Entdeutschung unserer Musik ein Hort des Vertrauens fiir viele ge<
worden, die - von seinem Vorbild befeuert - treu zur Fahne standen.
Wer etwa die Miinchener Kampfjahre nach 1920 miterleben durfte,
weiB, was fur ein befreiender Jubel die Reihen durchwogte, wenn
Hauseggers Deutung der geliebten Werke eines Beethoven, Bruckner,
Liszt oder Reger uns den Geist dieser Meister aus berufeiisten Handen
112
empfangen lieB. Ein gewisser Kliingel von MusikJntellektuellen lief
allerdings Sturm gegen den Mann, dessen gesamtes Wirken ein glti*
hendes Bekenntnis zum eingeborenen Deutschtum als der Wurzel
seiner Kfaft bedeutete. Derartige Anfeindungen, vor allern von Ver*
achtern des Romantischen, hat Sieigmund v. Hausegger immer wieder
erfahren miissen, denn sein Glaube an eine tibersinnliche Sendung der
Musik war den Niichternheitsaposteln der Sachlichkeit ebenso eine
Unbegreiflichkeit wie jenen Leuten, die in der Musik lediglich einen
bequemen Zeitvertreib, im Konzert bestenfalls ein gesellschaftlich.es
Ereignis zu linden hofiten. Schon als Dirigent der Miinchener Volks*
Symphoniekonzerte und der „Modernen Abende"des Kaim*Orche*
sters hatte der junge Kapellmeister durch den Ernst, die Folgerichtig*
keit und Kiihnheit seiner Programmgestaltung Aufsehen erregt. Hatte
er es doch zur Bedingung gemacht, niemals ein Konzert dirigieren zu
miissen, das seinen kiinstlerischen Uberzeugungen widerstritt. Als ihm
dann im Jahre 1903 die Leitung der Frankfurter Museumskonzerte
iibertragen wurde, schritt Siegmund v. Hausegger auf der von ihm
eingeschlagenen Bahn weiter, Kurzerhand brach er in Frankfurt mit
jener beliebten und bequemen Programmschablone, die den Horer
zu weiter nichts als einem oberflachlichen „GenieBen" verpflichten
wollte. „Kunst ist kein Amusement, der Gesellschaft als verfeinerter
Luxusartikel dienstbar. Sie ist die hellste Emanation des menschlichen
Geistes und deshalb mit der wichtigste Kulturfaktor. Daraus erwachst
jedem Kiinstler die Pflicht, sich ihrer Wiirde stets inne zu sein, sowie
sich ihre im hochsten Sinn erzieherische Bedeutung vor Augen zu
halten." Diese Erklarungen, denen der Dirigent, der bei aller schrift*
stellerischen Begabung niemals ein Freund bloBer Worte gewesen ist,
sofort die entsprechende Tat folgen lieB, muBten gleich einer Kampfi
ansage wirken. In echtHauseggerschemldealismusforderte er,der vom
Kiinstler ein Hochstes verlangte, auch vom Publikum die unerlaB*
lichen Voraussgtzungen des guten Willens, der inneren Bereitschaft
sowie der Achtung vor dem Kunstwerk. Das Element des Virtuosen
wurde in seinen Vortragsfolgen zuruckgedammt zugunsten des Synv
phonischen. Jedes der von Hausegger gestalteten Programme stellte
nicht nur dem Dirigenten, zugleich auch dem Publikum eine Aufgabe
im Sinne einer Erziehung zur Musik. Bald sahen sich die Horer ein*
gefuhrt in den Personlichkeitsstil eines einzelnen Meisters, bald er*
hielten sie Kunde vom Entwicklungsgang der Musik und von den
iiber weite Epochen hiniiber reichenden Zusammenhangen, oder sie
lernten Gegensatze kennen, die dazu angetan waren, tiefere Einblicke
in die jeweilige Eigenart einzelner GroBer im Reiche der Tonkunst zu
8 113
gewahren. Die Zusammenstellung einer Vdrtragsfolge ohne die
Lebensader einer kunstlerischen Planung, des leitenden Gedankens
war fur den Dirigenten Siegmund v. Hausegger ein Ding der Unmog*
lichkeit. Dem Wunsche eines gewissen Teils des Publikums nach „Ab*
wechslung" oder „Zerstreuung" setzte er ein kategorisches Gebot der
„Sammlung" entgegen. Zu Zugestandnissen irgendwelcher Art hat sich
seine Standpunkttreue niemals bereden lassen. Fruhe schon dammerte
dem Leiter der rVrunchener Volks*Symphoniekonzerte die Erkenntnis
auf, dafi das Eigenste unseres Wesens, die deutsche Musik, nicht das
Privileg einer Anzahl Bevorrechteter sein konne, sondern Besitztum
aller werden miisse, die Verlangen danach fiihlten. Ebenso dringend ;
wuBte der Mahner freilich auch vor einer Oberfutterung mit Musik
zu warnen.
Nach Frankfurt gait die weitere Dirigententatigkeit des Meisters den
Symphoniekonzerten des Bluthner*Orchesters in Berlin (1910-191JP
sowie den Philharmonischen Konzerten in Hamburg (19 10-1920). Da*
bei gelang es ihm, in Berlin hauptsaehlich die Jugend in den Bann
seiner Konzerte zu ziehen und ebenso fiir das Musikleben in Ham*
burg bahnbrechende Kulturarbeit zu leisten, wo er unter anderem
die „Brahms«Stadt" fiir den bewunderten Bruckner gewann. Bemer*
kenswert ist neben der eifrigen Pflege des ewigen Vorrats deutschef
Musik, den Hauseggers Entdeckerfreude iibrigens durch manches
„Stiefkind" der allgemeinen Geltung bereicherte, ein nicht minder
unentwegter Einsatz fiir das Schaffen der Zeitgenossen. ,Jedem Stre*
ben, das sich mit Begabung und Konnen verbindet, muB freie Bahn
ges'chafFen werden, nicht nur um seiner selbst willen, sondern zu aller*
erst, weil dem kunftigen Genius Siegespforten errichtet werden miissen.
Wann und woher er kommen wird, wissen wir nicht; vielleicht wird
er im ,Sauseln desWindes' sich verkiinden, das wir nicht iiberhoren
diirfen." Allen Elementen der Verniichterung und Zersetzung hat
sich allerdings dieser Kiinstler, dem die Musik edelsten Ausdruck des
Menschentums bedeutete, mit kompromiBloser Entschlossenheit und
Festigkeit widersetzt; diesen unholden Geistern EinlaB zu gestatten,
ware ihm gleichsam als Verrat an den Voraussetzungen der eigenen
seelischen Existenz erschienen.
Die Kronung der Hauseggerschen Dirigentenlauf bahn ist schlieBlich
die Miinchener Zeit geworden (1920-1938). Unter der genialen Stab*
fuhrung desMannes, dem Musikmiinchen bereits um diejahrhundert*
wende die Erstauffuhrung von Bruckners 8.Symphonie zu danken
hatte, sind die Miinchener Philharmoniker zu einem der fuhrenden
deutschen Orchester zusammengeschweiBt worden, zum weithin be*
114
kannten, Ruhm unci Ruf auf zahlreichen Konzertreisen mehrenden
„Bruckner*Orchester". Munchen selbst aber errang sich vor allem
durch die Bruckner*Freudigkeit dieses wahlverwandten Deuters An*
sehen und Uberlieferung einer ausgesprochenen Bruckner*Stadt. Die
denkwiirdige Auffiihrung der „Neunten" in der Urgestalt, der Haus*
egger zum Vergleich die bisher iibliche Fassung gegenuberstellte, ist
zum Ausgangspunkt fur den Umschwung in der gesamten Bruckner*
Pflege geworden, die sich nunmehr, durch das Miinchener Beispiel
ermuntert, zu den Originalfassungen bekannte. Als den Gipfelpunkt
seines Wirkens fiir Anton Bruckner muBte Siegmund v. Hausegger
jenen Tag empfinden/da er 1937, beimEinzug der Bruckner *Biiste in
den Ehrensaal der Regensburger Walhalla, in der Minoritenkirche,
deren gotische Basilika eine den klanglichen und geistigen AusmaBen
der Symphonie wundervoll gemaBe Umwelt erstehen lieB, des Meisters
„Fiinfte" dirigierte: das unvergeBliche Erlebnis der Regensburger
Festtage.
Mit seinen Miinchener Dirigentenverpflichtungen hatte Siegmund
v. Hausegger zugleich'als President der Munchener Akademie der
Tonkunst die Leitung einer der groBen deutschen Musikhochschulen
iibernommen. Ich habe mich oft gefragt, was damals, im Jahre 1920,
den achtundvierzigjahrigen Meister bewogen haben mag, einenHaupt*
teil seiner Lebensarbeit fortan musikpadagogischen Zielen zuzu*
wenden, zumal schon der Dirigentenberuf ihn zu einem zeitweise
schmerzlichen Verzicht auf die schopferische Tatigkeit, die auf die
Erholungspausen verspart werden muBte, genotigt hatte. Musik*
erzieherisch hatte er freilich bereits als Musikschriftsteller, als Er*
lauterer der darzustellenden Werke und musikgeistiger Programme
gestalter gewaltet. GewiB ist ein Mann wie Hausegger nicht an die
Spitze der Munchener Akademie der Tonkunst getreten, um ein
etwa in ihm steckendes Stuck Schulmeister zu befriedigen. Der Grund
lag tiefer. Er wurzelte im Kern seiner Natur. Es war das eingeborene
VerantwortungsbewuBtsein allem deutschen Wesen gegeniiber, das
seine Gewissensstimme dahin erhob, er diirfe sich einer solchen Auf*
gabe, zumal in den kritischen Jahren der Gefahrdung durch die Ele*
ment'e der Zersetzung, nicht entziehen. Mit seinem gesamten Schaffen
und Wirken, mit Leib und Seele ihr ergeben, fiihlte sich Siegmund
v. Hausegger geradezu personlich verantwortlich fiir das Schicksal der
deutschen Musik und insbesondere fiir die Art und Weise, wie sich
dieses Schicksal in Hand und Herz der Nachwuchsgeneration ge*
stalten solle. Um der deutschen Jugend Wegeweiser und Hort art*
eigenen Musikempfindens zu werden, hat der schopferische Kunstler
8* .
115
in Hausegger Jahre seines Lebens, und zwar Mannesjahre der besten
Kraft und hochsten Reife, bewuBt geopfert, beseelt von der felsen*
festen GewiBheit, auch damit ein Innerstes und Unmittelbarstes seines
Wesens einzusetzen. Bedeutende und heute beriihmte Komponisten,
Dirigenten und Instrumentalisten sind denn auch aus seiner Schule
hervorgegangen. Denn in der Heranbildung von musikalischen Per*
sonlichkeiten, nicht etwa eines einseitigen Spezialistentums hat Haus«
egger stets das Hauptziel seiner Erziehungsarbeit gesehen. Stilbib
dung ist eines der vornehmsten Gebote seines Unterrichts gewesen.
Die Entfaltung einer wahrhaft deutschen Musikgesinnung war grund*
legende Selbstverstandlichkeit. Eine besondere Liebe gait dabei der
Schulung von Konzertdirigenten sowie dem Ausbau eines Orchester*
wesens, das sich auf dem Felde der synrphonischen Musik mit ebenso
viel Sicherheit und StilbewuBtsein zu bewegen vermochte wie im Auf*
gabenkreis der dramatischen Musik. Beim Dirigierunterricht lag der
Schwerpunkt auf der lebendigen Vorfiihrung am Klavier, in der die
musiki! und geistspruhende Personlichkeit des Lehrers, eines Meisters
, im Partiturspiel, allerdings auch Unvergleichliches an den Schuler
weiterzureichen hatte. Vor allem hat in solehen unvergeBlichen Stun?
den die einzigartige Personlichkeit des Lehrers dem Schuler mit einer
formalen, musikalischen und gedanklichenDurchleuchtungdes Kunst*
werkes zugleich jene Ehrfurcht ins Herz zu senken vermocht, die dem
Genius als demVollzieher einer erhabenen Sendung ziemt. Denn erst
mit dieser Ehrfurcht wird, nachHauseggersUberzeUgung, demKiinstler
jene Voraussetzung zuteil, die ihn allein befahigt, als Nachschaffender
nach den letzten Tiefen einer groBen Schopfung zu schiirfen.
Herzpunkt des Hauseggerschen Wesens ist freilich stets der schopfe*
rische Kiinstler geblieben. Des Meisters kompositorisches SchafFen
prunkt allerdings nicht mit zu schwindelnden Zahlenpyramiden ge<
tiirmten Opusnummern; allein nicht die Masse des Geschaffenen, der
Gehalt ist das Entscheidende. Da es der Kiinstler nicht iiber sich zu
gewinnen vermochte, sein Wesen gleichzeitig in mehrere Tatigkeiten
zu zerspalten, weil er das, was er tat, immer ganz tun muBte, kam fur
ihn ein schopferisches Gestalten, das nUr „nebenbei" hatte geschehen
konnen, nicht in Frage. Daher iinden sich zwischen der Dirigenten*
und Musikerziehertatigkeit in nahezu periodiseher Wiederkehr Leben*
abschnitte, die ausschlieBlich dem. kompositorischen Schaffen gehoren.
In solehen Zeiten musikalischen Schopfertums entstanden in der Tat
Werke, die wirklich geschrieben werden muBten, weil sie nichts
Geringeres als notwendige Befreiungen der Seele von ihrem innersten
Zwange darstellen. Sie sind gewissermaBen im unmittelbaren Auftrag
116
der zu kiinstlerischer Formung drangenden Erlebniskrafte geschrieben.
Hauseggers strenges Sichtungsvermogen hat nie Unwesentliches oder
Unfertiges dem Licht der Offentlichkeit iiberantwortet. So wird jede
schopferische AuBerung, vom Lied bis zur Symph.on.ie, notwendiges
Glied fur die Erkenntnis der Gesamtpersonlichkeit. Man kann dieserd
Werk unmoglich bequeme Kostproben entnehmen, una es sich sozu*
sagen im Extrakt einzuverleiben. Wer den Komponisten Siegmund
v. Hausegger kennen lernen will, muB sich schon mit der Summe des
von ihm Geschaffenen auseinandersetzen.
Der Meister hat einmal zwei Wege unterschieden, die jedem musi*
kalischen Schaffen gewiesen seien: von der Musik zum Leben und
vom Leben zur Musik. In leuchtender GroBe verkorpert sich dieser
erste Musikercharakter in Genien wie Mozart oder Schubert, die
Inkarnationen ihrer Kunst, „Musik an sich" zu sein scheinen. Ihnen
stehen in Beethoven und Wagner Manner gegeniiber, die sich von der
Fiille und Uberfiille ihres menschlichen und geistigen Erlebens zum
Ausdruck in der Musik gedrangt sahen, um darin das Tiefste ihres
Wesens zu ofFenbaren. Es liegt im Zuge der bereits geschilderten
Kiinstlerpersonlichkeit Siegmund v. Hauseggers, wenn diese sich
hauptsachlich durch das Vorbild der letzteren gefesselt und zu eigenem
Schaffen angeregt fuhlte. „Meist war fiir mein Komponieren nicht ein
rein musikalischer AnstoB maBgebend, sondern fast immer ein dichte*
rischer Gedanke, ein Natureinclruck oder menschliches Erleben" : mit
diesen Worten halten wir den Schliissel zum Wesenscharakter der
Hauseggerschen Inspirationskrafte in Handen. Kein Wunder, daB sich
der junge Komponist zunachst zum Musikdrama gewiesen sah, von
dem er bereits in seinen Knabenjahren im Erlebnis Bayreuths unaiis*
loschliche Eindriicke empfangen hatte. Seine Gper „Zinnober" (1898)
hat kein Geringerer als Richard StrauB bei ihrer Miinchener Uraiif*
fuhrung aus der Taufe gehoben. Sie war gedanklich auf dem echt
Hauseggerschen, urromantischen Gegensatz zwischen Ideal und Wirks
lichkeit aufgebaut. Diese Wirklichkeit bekam der junge Komponist
freilich bald in den unholden Gewalten des Theaterbetriebs zu kosten,
die — man darf wohl sagen, leider! -? den Musikdramatiker in ihm
verstummen lieBen. Dafiir wandte er sich um so entschiedener anderen
Gattungeri zu, die ebenfalls der Eigeriart seiner Begabung sowie seiner
Grundauffassung von den Aufgaben der Musik entgegenkamen: dem
Lied, dem Chorwerk und der symphonischen Dichtung. In Lied und
Chorschaffen muBten ihn notwendigerweise diejenigen Dichtungen
am unmittelbarsten anziehen, die entweder seinem Naturgefiihl oder
seinem Verlangen nach menschlicher Aussage Nahrung boten. Frei
117
von jeder Liebaugelei mit, dem Gefalligen zeichneh sich Siegtnund
v. Hauseggers Liedef durch eine musikalische Durchblutung und
Erfiillung des Dichterwortes aus, wie solche nur dem begnadeten
Lyriker gegeben sein kann. Vielleicht das Kostlichste hat der Meister
in der wahrhaft tiefgriindigen Ausdichtung altdeutscher Texte ge*
schaffen, die gleich einem. GeistesgruB iiber Jahrhunderte hinweg an*
mutet. Auch die symphonischen Werke zeigen sich in den Keimzellen
ihres Entstehens vom Geistigen und Dichterischen her befruchtet.
Nietzsches Verherrlichung des dionysischen Lebensdranges ent*
flammte den Komponisten zu seiner „Dionysischen Fantasie" mit
dem. prachtvollen Schwung ihrer jugendlichen Begeisterungskrafte,
einem Dythirambus hochlodernder Lebensfreude, dessen edles Feuer
die ganze leidenschaftliche Glut eines Ur*Musikers offenbart. Sein
Temperament schleuderte mit ahnlich eruptiver Gewalt die Ton<
dichtung „Barbarossa" aus, als sich des Kiinstlers nationales Fiihlen
iiber die Bedriickung des deutschen Elementes im alten Osterreich
emporte. In „Wieland der Sehmied" gab Siegmund v. Hausegger,
der Bewunderer nordischen Sagengutes, ein Gleichnis vom hohen Flug
des deutschen Geistes, der selbst da triumphiert, wo er auBerlich zu
unterliegen scheint. „Natursymphonie" und „Aufklange" erganzen
sich gegenseitig, indem das erstere den Menschen in allgemein kos*
mische Zusammenhange mit der Schopfung einordnet, wahrend das
andere mehr dem subjektivenEmpfinden undErleben Ausdruck leiht.
In keiner der beiden Schopfungen herrscht programmatisch*abstrakte
Bindung, vielmehr bewegt sich die Musik auf ihrem eigensten Gebiete,
indem sie Sinnbild und Ausdruck des Unsagbaren und Unwagbaren
wird. In dem Variationenwerke der , , Auf klange" lautert sich musikali*
sches Formenspiel zu einem wundervollen Gewebe feingesponnenen
tonpoetischer Beziehungen: Charakter*Variationen in des Wprt'es
hochster und edelster Bedeutung. Und in der Natursymphonie hnden
wir die Natur als Tragerin ewig wechselnder Bewegung, als Trosterin
und Vernichterih, als scheinbares Chaos, dem plotzlich die Allmacht
des Schopfergedankens entbliiht, vor dem alle Vorgange des auBeren
Lebens, Geburt und Tod, Werden und Vergehen, nur ein Ein* und Aus<
atmen, ein Gleichnis desEwigen sind: in der Tat, hierfmdetderHorer,
zu iiberwaltigender musikalischer Aussage gebannt, das Grundmotiv
der Hauseggerschen Personlichkeit in seiner hochsten Verklarung :
„GroBe Gedankenund ein reines Herz! "
118
BElerluier3eidjm8
Jugendkompositionen: Daruntereine Messe fur Chor, Soli. Orchester und Orgel
(1889), eine Oper „Helfrid", Dramatisches Marchen in einem Aufzug, Dich«
tung vom Komponisten (1892), Kompositionen fiir Gesang, Klavief, Kamrner*
musik und Orchester.
„Zinnober", Humoristisch*fantastische Handlung in drei Aufziigen, nach E. T. A.
Hoffmanns Erzahlung „Klein Zaches, genannt Zinnober". Dichtung vom Kom<
ponisten (189P (Albert Ahn).
Itietier
Lieder fur eine Singstimme mit Klavier (R (5 E) 1
Lenz Wanderer, Morder, Triumphator Christoph, Rupprecht, Nikolaus (Bier<
<Konr. Ferd. Meyer) (1896) baum) (1897)
Herbst (Liliencron) (1897) Glaube nur (Bierbaum) (1898)
Sehnsucht (Bierbaum) (1897) Genug (Bierbaum) (1898)
Ekstase (Bierbaum) (1897) Mein Schweinchen (Rob. Burns) C1898)
Das Lied von Feme (Bierbaum) (1898) Der Teufel ist fort (Rob. Burns) (1898)
Mittag im Felde (Greif) (1898) Sommer ist 'ne schone Zeit (Rob. Burns)
Abendwolke (Konr. Ferd. Meyer) (1898) (1898)
Mondnacht (Friedr. V. Hausegger)(i896) Das suBe Liebchen (Rob. Burns) (1898)
Komm her und laB dich kiissen (Bier< Auf der Heide (Holty) (1898)
baum) (1898) Wiegenlied (Hoffmann v. Fallersleben)
? (Bierbaum) (1897) (1898)
Bleib, mein Trauter (Rob. Burns) (1898) Das Liebchen (Volkslied) (1898)
Jetzt rede du (Konr. Ferd. Meyer) (1896) Tief von fern (Dehmel) (1898)
Sonntags (Konr. Ferd. Meyer) (1897) , Uber die Heide (Storm) (1898)
Letzte Bitte (Bierbaum) (1897) Lied des Harfenmadchens (Storm) (1898)
Schwiile (Konr. Ferd. Meyer) ( 1-896) Und hat der Tag all seine Qual . . . (Jens
Winter (Bierbaum) (1897) Peter Jacobsen) (1907)
VorderErnte (Konr. Ferd. Meyer) (1896) Herbstnachtliche Wolken (Keller) (1902)
Mk trockenen Blumen (Bierbaum) (1897) Erster Schnee (Keller) (190 j)
Eingelegte Ruder (K. F. Meyer) ,(1898) Die Spinnerin (Keller) (1910)
Drei Lieder nach altdeutschen Dichtungen (R&E) (1921):
Reisesegen — Uienensegen — Tanzliedchen.
Drei Gesange nach mittelhochdeutschen Dichtungen fiir eine Frauenstimme,
Bratsche und Klavier (R £5 E):
Liebesklage (192J) - Der Falke (1926) - Liebeslted (1927).
Drei Lieder fur eine mittlere Singstimme und Klavier (Rahter):
Saerspruch (1900) ^- Weihenacht (Bierbaum) (1899) - Zu Pferd! ZuPferd!
(Hebbel) (1907).
Drei Lieder fur eine Singstimme und Klavier (Kahnt):
Siehst du den Stern (Keller) (1901) - Ewig Jung ist nur die Sonne (Konr. Ferd.
Meyer) (1900) — Sinnend am bewegten Meere (Rob. Burns) (1902).
1 R £> E = Ries a Erler
119
Lieder der Liebe, nach Dichtungen vqn Lenau fur Tenor und Klavier (Rob.
Forberg):
Frage (1902) - Stumme Liebe (1903) — Friihlingsblick {1903) - Friihlings*
gedrange (1902) - Mondlicht (1903) - Zweifelnder Wunsch (1902) — Urwald,
in deinem Brausen (1963). Orchesterfassung unverdffentlicht:
Unveroffentlichte Lieder: "'.''.
Sehnsucht {Mich. Georg Konrad) (1901, umgearbeitet 1941) - Gewitterabend
(Keller) (1907, umgearbeitet 1941) - Ruhetal (Uhland) (1937) - Abendwolken
(Uhland) (1937) — Um Mitternacht (Weinheber) (1938) — War's dunkel, ich lag
imWalde (Eichendorff) (1941).
Gesange fiir eine Singstimme mit Orchester:.
Zwei Gesange fiir Tenor (R & E) :
Schwiile (Konr. Ferd. Meyer) (1896) - O war es dpch (Liliencron) (1902).
Drei Hymnen an die Nacht (Keller) fiir Bariton (Kahnt) :
Stille der Nacht (1901) - Unruhe der Nacht (1901) - Unter Sternen (1902).
Zwei Gesange fiir Tenor (Rahter) : '
Der Nachtschwarmer (Keller) (1908) - Sturmabend (Hebbel) (1902).
Bearbeitungen fur eine Singstimme mit Klavier:
' Ich fahr dahin - All mein Gedanken (Volkslieder, Lochheimer Liederbuch)
(1929). Unveroffentlicht.
Kantate „Die ihr des unermefilichen Weltalls Schopfer ehrt" von W. A. Mozart,
Begleitung fiir Orchester gesetzt (1903). Unveroffentlicht. -a*
A cappella: 'ft
Requiem fiir achtstimmigen gemischten Chor (Orgel ad libitum) (Hebbel) (1907) J.
(Hug). ■ ; |,
Der arme Kunrad (Heinrieh v. Reder) fiir vierstimmigen Mannerchor ( 1908) (Rahter). J
Drei gemischte Chore nach Dichtungen von Josef Weinheber (1938) (Schott):
Den Toten - An einen Schmetterling - Auf einem sonnigen Feldrain.
Mit Orchester:
Zwei Mannerchore (R & E) :
Schmied Schmerz (Bierbaum) (1897) - Neuweinlied (Bierbaum) (1898). A
Zwei Mannerchore (R & E) : '
Totenmarsch (Martin Bdelitz) (1902) - Schlachtgesang (Volklied) (1903-). V
Zwei Gesange fur gemischten Chor (R & E) :
Stimme des Abends (Dehmel) (1902) - Schnitterlied (Konr. Ferd; Meyer) (1898).
Zwei Gesange fur gemischten Chor mit groflem Orchester (Leuckart) :
Sonnenaufgang (Keller) (1908) - Weihe der Nacht (Hebbel) (1908).
Morgensegen, fiir gemischten Chor, Tenorsolo, Orchester und Orgel (nach althochs
deutscher Dichtung) (1923-). Unveroffentlicht. . t
120
Bearbeitungen:
Fur gemischten Chor a cappella, Volksliederbuch filr gemischten Chor, heraus*
gegeben auf Veranlassung des Deutschen Kaisers (19 1 p (Peters):
Preis der Himmelskonigin — Der Schnitter Tod — Trennungsschmerz - Ade
zur guten Nacht — Bei dem Freien ist Gefahr — Schneiders Hollenfahrt.
Fur gleiche Stimmen a cappella, Volksliederbuch fiir die Jugend, herausgegeben von
der Staatlichen Kommission fiir das Volksliederbuch c 1929) (Peters):
Drum gehet tapfer an — Des Morgens zwischen drein und vieren.
Fur Mannerchor mit Orchester
„Gesang der Geister fiber den Wassern" von Franz Schubert, fur achtstimmigen
Mannerchor, Begleitung fiir groBes Orchester gesetzt (1903*) (R & E).
Sgmpljonifdje Wvckt
Dionysische Phantasie, Symph. Dichtung ffir groBes Orchester (1897) (R&E).
Barbarossa, Symph. Dichtung in drei Satzen fiir groBes Orchester (1900) (R&E).
Wieland der Schmied, Symph. Dichtung fiir groBes Orchester (1903) (R & E).
Natursymphonie, fiir groBes Orchester, Orgel und SchluBchor fiber Goethes ■
Prooemion (191 1) (Leuckart).
Aufklange, Symphonische Variationen fiber ein Kinderlied (1917) (R&E).
! :
Sonftiges
„Das Mariannle", Musik zu einem Kindermarchen von Hella v. Hausegger, mit
Bildem von Willy v. Beckerath (1919). Unveroflentlicht.
Musik zu dem Marionettenspiel „Die goldene Kette" von Hella v. Hausegger ( 1939).
Unveroflentlicht.
Sdjriften
Gedanken eines Schauenden, Herausgabe gesammelter Aufsatze von Friedrich
v. Hausegger (1903) (Bruckmann).
Alexander Ritter, ein Bild seines Charakters und Schaffens, erschienen in der
Sammlung „Die Musik" (1908) (Marquardt & Co.).
Richard Wagners Briefe an Frau Julie Ritter, herausgegeben 1920 (Bruck*
mann). ■
BetrachtungenzurKunst, Gesammelte Aufsatze von Siegmund v. Hausegger, er<
schienen in der Sammlung „Die Musik", herausgegeben von Dr. Arthur Seidl
(1920) (Kistner & Siegeb.
Briefwechsel zwischen Peter Rosegger und Friedrich v. Hausegger, heraus<
gegeben von Siegmund v, Hausegger (1924) (Staackmann).
Friedrich v. Hausegger, Gesammelte Schriften („Die Musik als Ausdruck",
„Das Jenseits des Kfinstlers", ,,Die kiinstlerische Personlichkeit"). Neu heraus<
gegeben von Siegmund v. Hausegger (1938). (Bosse)
121
i
Karl Laux
Uletner «£gk
In das musikalischeBild der Gegenwart ist die Erscheinung Werner
Egks als eine der interessanten Figuren hineingestellt. Sein Name ist
ein BegrifF, mehr vielleicht noch als sein Werk, das wie das aller leben*
den Komponisten der iiblen, aber leider iiblichen Skepsis der Zeit*
genossen begegnet. Aber wenn aucb solcb ein skeptischer und durch
nichts zu bewegender Vertreter des p. p. Publikums weder den „Peer .#
Gynt" Egks noch eines seiner Orchesterwerke kennt, so weiB er doch, £
daB da ein junger Musiker viel von sich reden macbt. Er hat gelesen, %
daB Egks Werke im Ausland aufgefiihrt werdert, daB er fiir seine
„01ympische Festmusik" mit der Goldenen Medaille ausgezeichnet
wurde, daB ihm im Jahre 1939 der Nationalpreis fiir Komponisten ver*
liehen wurde, und schlieBlich, daB er als Letter der Fachschaft Kompo*
nisten in der Reichsmusikkammer ein bedeutendes offentliches Amt
bekleidet. .
Die Kenner aber verehren in Werner Egk einen der eigenwilligsten
Kopfe unter den heutigen Komponisten, eine der groBten Begabungen
der neuen Opernbiihne : in der EHskussion, die heute um diese Form
musikalischer AuBerung entbrannt ist, hat Egk Gewichtigstes mitzu*
reden, um so mehr, als er auch immer wieder am Opernpult erscheint,
als Dirigent eigener wie fremder Werke, aber auch wieder ein Theore*
tiker der Oper genannt zu werden verdient, der sich zu den Problemen
seine eigenen Gedanken macht und diese ab und zu in geschliffener,
oft ironisch zugespitzter, oft humoryoll gefarbter, immer aber erfri*
schender Weise zu formulieren vermag — ein getreues und keineswegs
zufalliges Abbild ubrigens seiner musikalischen Diktion.
Eigenwillig schon derWeg, der Egk zur Musik gefiihrt hat. Er
wurde am 17. Mai 1 901 als SproB eines alten schwabisch*bayrischen
Bauerngeschlechts in Auchsesheim bei Augsburg geboren. Das Gym*
nasium absolvierte er in Augsburg, seine musikalischen Studien in
Miinchen. Man darf dabei nicht an einen schulmaBigen Lehrgang
denken. „Gelernt habe ich, wann und wo ich kohnte; studiert habe
ich nur bei wenigen Lehrern, und es war kein beriihrnter Musiker
darunter." Von vornherein geht er also jeder Abhangigkeit aus dem
122
Weg. Bezeichnend fur Egk und seinWerk, das in der Zusammen;
fassung der Kiinste dureh das Biihnenwerk gipfelt, ist auch, daB seine
Neigungen urspriinglich ebenso sehr der bildenden Kunst und der
Literatur wie der Musik galten. Bei einem Aufenthalt in Italien voll*
zog sich die endgiiltige Wendung. Nach kurzem Aufenthalt in Mum
chen und Berlin wurde Werner Egk 1929 in Lochham bei Miinchen
seBhaft. Dort lebt er seinem SchafFen, sofern ihn nicht seine vielen
Verpflichtungen da* und dorthin rufen.
Das bisherige SchafFen Egks hat sich zu einem abgeschlossenen
Ganzen gerundet 1 . Am Anfang steht nach einer „Standmusik fiir
Blasorchester", nach Horspielen fiir den Rundfunk und dem Orato*
rium „Furchtlosigkeit und Wohlwollen" (1930) die „Funkoper":
„Columbus" (1933), am Ende wieder dieser ,, Columbus" nun in
szenischer Fassung, als „Bericht und Bildhis" bezeichnet und damit
abgehoben von der iiblichen Form des musikalischen Biihnen*
werkes, der Oper, angenahert den epischen Bezirken, dem Orato*
rium, von dem es aber wieder scharf abgegrenzt ist. Dazwischen
in der Hauptsache Biihnenwerke, zwei Opern, die „Zaubergeige"
(193P und „Peer Gynt" (1938), und das Ballett ,Joan von Zarissa"
(1940). Sind die anderen Werke nur Parerga und Paralipomena, wie
etwa die Instrumentalwerke Wagnere neben den Musikdramen oder
die Anton Bruckners neben den Symphonien? Keineswegs. Sie waren
es dem Umfang nach, denn es sind meist kurze Werke. Eine „Musik
fiir grofies Orchester" (1933), „Sechs Miniaturen fiir Kammerorche*
ster" (1933), die Musik zu dem Festspiel ,Job, der Deutsche" U933),
die „Georgica" (drei Bauernstiicke fiir Orchester, benannt nach dem
beriihmten Lehrgedicht des Vergil, 1934), die „Geigenmusik mit Or*
Chester" (1936), die „01ympische Festmusik" (1936), die „Gottinger
Kantate" (nach Holty) fiir BaBstirrime und kleines Orchester, die im
Auftrag der Stadt Gottingen 1937 geschaffen wurde, und die „Kolo*
raturarie iiber ein altes Wiener Strophenlied" (1940). Das alles sind
aber keine Nebenwerke, wenn man sie auf ihren Kunstwert hin ansieht,
wie etwa die „Gottinger Kantate", die ein wahres Meisterwerk im
Kleinen ist. Sie sind es auch nicht, wenn man ihre soziologische Funk*
tion betrachtet. So wie die Kantate auf Bestellung hin geschrieben
wurde, so ist auch die 01ympia*Musik ein Auftragswerk. D. h. also,
dab der Komponist Werner Egk an dem Leben seines Yolkes teil*
nimmt, aii seinen Festen, zu deren Geprage er mit seiner Musik bei*
tragt. Das heiBt, daB er dem kunstlerischen Individualismus abge*
schworen hat, daB er sich der Genieinschaft nahert, aus der er seiner*
1 Alle WerkeEgks sind bei B.Schott's Sohnein Mainz erschienen.
123
seits Krafte seines Musizierens zieht. Das gilt in erster Linie fur die
von der Volksmusik seiner schwabisch<bayrischen Heimat sehr stark
beeinfluBten Werke, fiir die „Georgica", fur „Die Zaubergeige" und
deren Widerhall in der „Geigenmusik", es gilt aber auch fur sein
ganzes Musizieren, das von daher die kraftigen Umrisse und die klaren
Linien einer sich schaff gegen den Himmel abzeichnenden Alpen*
landschaft hat. "
Das ergibt — sehen wir einmal davon ab, da8 sie oft sehr kiihn ist -
eine Anschaulichkeit der Egkschen Spraehe, die unmittelbar anspricht.
Auch in seinen Biihnenwerken, bei denen noch hinzukommt, daB Egk
eine ausgesprochene Theaterphantasie besitzt. So kann er das errei?
chen, was ihm als Ziel vorsehwebt: das gesamte Publikum zu inter*
essieren und zu fesseln. In seinem „Lochhamer Opernbrief", dem
Vorwort zu seiner ersten Oper, der „Zaubergeige", deren Text
Ludwig Andersen nach Graf Pocci bearbeitete, bekennt er sich dazu :
,/. . . indeni ich vorbrachte, welche Empfindungen mich angetrieben
haben, ein so einfaches, richtiges Theaterstuck wie die , Zaubergeige'
zu komponieren. Vor allem waren es die Empfindungen; die ich beim
Besuch der Oper regelmaBig dann hatte, wenn ich auf ,Urlaub' war.
Auf ,Urlaub', d. h., wenn ich nicht als Musiker in die Oper ging, der
doch immer in erster Linie die Verpflichtung fiihlt, in die musikali*
schen Mysterien einzudringen, sondern wenn ich mir vornahm, als
ganz gewohnlicher Volksgenosse einen Abend lang in vollen Ziigen
zu genieBen. RegelmaBig aber bemerkte ich mit MiBfallert, daB ich
dann nur mangelhaft auf meine Rechnung kam. Entweder konnte ich
urn keinen Preis herausbekommen, was auf dem Theater eigentlich
gespielt wurde, oder ich bemerkte viel zu friih, wie das Stuck ausgehen
muBte. Dann - meistens im zweiten Akt - beschlich mich haufig eine
gewisse Schlafrigkeit, die ich darauf zuruckfuhren konnte, daB die
Handlung viel zu oft stehen blieb, um den Sangern niehr Gelegenheit
zu geben, sich auszubreiten. Sicherlich handelte es sich meistens um
zauberhafte Gesange, gegen die man schwer etwas sagen kann, aber
sie dauerten einfach etwas zu lange, die Melodie wurde zu oft auf
einem rafiinierten Prokrustesbett gestreckt, gedehnt und gewendet,
was sicher ein ungewohnlich kunstvolles Verfahren darstellt, leidef
aber der gewohnlichen theatralischen Spannungabtraglich ist. Ganz
deutlich habe ich iibrigens festgestellt, daB an den betreffenden Stellen
auch andere Leute als ich, ja eigentlich die Mehrzahl, richtige Schlafi
augen bekamen. Ich erschrak naturlich sehr und beschloB im stillen,
bei meiner Oper alles zu vermeiden, was die Leute einschlafem
konnte."
124
Er hat dies in der Tat getan. Schon in der „Zaubergeige", mehr
noch dann im „Peer Gynt", dessen Textbuch er selbst nach Ibsens
Schauspiel schuf. Schon dieses Libretto beweist; daB Egk der geborene
Dramatiker ist. Es gehort zu den besten der zeitgenossischen Oper.
Es ist voll Spannung und Abwechslung, es btetet dem Musiker, was
er braucht, und es kommt im Sprachlichen oft zu eindeutigen und
einpragsamen Formulierungen. So etwa, wenn der heimkehrende Peer
Gynt den „Unbekannten", der ihn hinab ins Trollreich fiihren will,
fragt: JVIiiBten wir .nicht aufwarts gehn?" Damit ist zugleich der
ethische Akzent der Egkschen Werke angegeben, der im „Peer Gynt"
besonders ausgepragt gesetzt ist: hier ist die Schilderung der trieb*
haften Trollwelt der dunkle Hintergrund fur den Weg, den Peer Gynt
zu gehen hat, den Weg, der aufwarts fiihrt in das reine Reich Solveigs.
In daS/Reich der segenspendenden Liebe, deren „heilige Bezauberung"
im Epilog des Balletts „Joan von Zarissa" gervihmt wird : „Nur wenn
auch unsre Brust ihr Glanz durchgliiht / Und ihre helle Flamme uns
durchspriiht, /Wenn Sinn und Seele ganz sich ihr ergeben, / Kann
unser Sein zum Leben sich erheben!" Es ist das Fazit eines Lebens,
das an der Liebe zerbrochen ist. So steht auch Christoph Columbus,
der Mann, der das Paradies zu entdecken glaubte, bei seinem Tode
vor einer Enttauschung : „Ich sehe mein Paradies, inmitten der Insel
ist ein Brunnen, der unaufhorlich^ flieBt, ein Brunnen, dem Tag urn
Tag, dem Stunde urn Stunde mehr Blut entstromt. Dieses Blut be*
sudelt die Insel, das Meer ist rot von Blut von Espagnola bis Spanien."
Aber daraus formt sich die siiBe Frucht der bitteren Erkenntnis:
„Wohl dem Menschen, der Weisheit findet, und dem Menschen, der
Verstand bekommt. Denn es ist besser, sie" zu hesitzen, als Silber, und
ihr Ertrag ist besser als Gold." Diese SchluBworte des Columbus legen
den Sinn des Werkes und die moralische Abstcht des Komponisteri dar.
Werner Egk ist aber weit entfernt davon, in der Oper ein „Lehr*
stiick" zu sehen. Als echter Dramatiker gestaltet er den Konflikt und
seine Losung. Die Nutzanwendung zu Ziehen, iiberlaBt er dem H6rer>
Eine lehrhafte Tendenz ist vor allem seiner Musik fremd- Das wiirde
seinem ganzen Wesen, das wiirde der geschilderten Grundhaltung
seines Musizierens widersprechen. Es steckt voll Vitalitat, voll einer
theatralischen Vitalitat. Diese laBt ihn fiir jeden Stoff die rechte Form,
den eigentiimlichen Ausdruck finden, laBt ihn die Mittel des Musikers
in immer treffender Weise einsetzen. Sie stehen ihm in vippiger Fiille
zur Verfiigung. Werner Egk weiB um die Geheimnisse der Melodie,
die er in der „Zaubergeige" bald irh derben Moritatenton, bald in
stiller, in sich versponnener Lyirik einsetzt, rnit>der im „Peer Gynt"
125
die Welten Solveigs, Peer Gynts, def „Rothaarigeri" und des „Alten"
wie in einem Brennspiegel festgehalten werden. Wahrend in dem
Tanzspiel ,Joan von Zarissa" die Stimme schweigt, wird sie im „Co*
lumbus" nur zum objektiven „Bericht" aufgerufen. Kein groBerer
Gegensatz ist denkbar. Nun nimmt die Melodik eine kiihle Gelassen*
heit, eine glaserne Starrheit an, die nichts mehr mit der lyrischeri Bieg*
samkeit, mit der seelischen Ergriffenheit der „Peer*Gynt"*Lyrik zu tun
hat. Es reden hier nicht Menschen. Es reden Ideen.
Um diese Melodik schlieBt sich der Bliitenkelch einer Harrnonik,
die bezaubernde Farben hat. Egk kntipft darin an die unmittelbare
Vergangenheit an, deren Ergebnisse er virtuos verwertet und zu neuen,
in der Hauptsache kraftigeren Konturen verdichtet. Ihre Kuhnheiten,
die bis zur Bitortalitat gesteigert werden, werden vielfach durch eine
die alten Moglichkeiten erschopfende und zugleich neueWege wei*
sende Instrumentation wieder aufgehoben. Egk ist der seit Richard
StrauB virtuoseste Orchestertechniker, einer, der neue Farben „hort
und sie aber auch mit untruglichem Instinkt „schreibt". Dabei ist es
nicht nur die klangkombinatorische Gabe Egks, die immer wieder
iiberrascht, sondern auch die Art und Weise, wie er die Ausdrucks<
, fahigkeit des einzelnen Instruments sozusagen neu entdeckt und damit
ihre Verwendungsmoglichkeit erweitert. Vieles von dieser Egkschen
Instrumentation ist als gangbare Miinze bereits in die Sprache der
jungen Generation aufgenommen worden. Was sie von dem Klang*
rausch des romantischen Orchesters abhebt, ist ihre Scharfe, die oft
angewandte Sparsamkeit, ihre unnachahmliche Transparenz.
Dieser AnschluB an die Vergangenheit zeigt uns auch, wo das
musikalische Biihnenwerk Werner Egks steht. Er, der im Vorwort
zum ersten „Columbus" den Grundsatz ausgesprochen hat: „Die
musikalische Sprache des Werkes leitet sich von den groBen Vorbil*
dem des letzten Jahrhunderts her uncLfiihft die uns von ihnen ge* tt\
schaffenen harmonischen und melodischen Ausdrucksmoglichkeiten
bewuBt und organisch weiter, besonders durch eine Anreicherung der '
Harmonik und der orchestralen Farben", dieser so fest in der Gegen;
wart verwurzelte Komponist ist jeder Stilkopie abhold, hat nichts mit
jener immer mehr in die Erstarmng geratenen Barocktendenz zu tun.
Daher finden wir bei ihm auch nicht, vor allem nicht in den ausge^
sprochenen Opern, die strenge Festlegung auf geschlossene Nummern,
soweit diese sich als Zwangsjacken des dramatischen Geschehens aus;
wirken. Ebensoweit entfernt ist er auch, das braucht kaum betont zu
werden, von der „unendlichen Melodie", die ihre Aufgabe und "Sen?
dung mit dem Wagnerschen Gesamtkunstwerk erfullt hat. Es ist das
126
Geheimnis des Dramatikers Egk, daB er dem Musiker immer wieder
geschlossene Musikformen ermoglicht, die aus der Handlung heraus*
wachsen. Dazu sind vor allem die groBen Ensembles zu zahlen, in
denen Egk ein Meister ist. Die Gerichtsszene im „Peer Gynt" z. B.,
die aufbauend auf einer einpragsamen, in ihrer Sprachkraft urimiB*
verstandlichen Melodie sich immer mehr weitet, zum groBen Chor
arischwillt, von Einzelstimmen wieder unterbrochen wird, um schlieB*
lich mit dem Triumphgeschrei des Trollreiches zu eriden : „Vo nichts
ist, hat noch keiner was gefunden, und wer zuletzt lacht, der lacht
immer gut" - diese Szene ist echtestes Operntheater, ist ein Beweis
fur die Lebensfahigkeit der Oper, in der Moglichkeiten offenstehen>
die dem Schauspiel stets verwehrt sind.
Das instrumentale Zwischenspiel als geschlossene Nummer tritt bei
Werner Egk gerne alsTanz in irgendeinerForm auf. Nachklang bayri^
scher Dorfmusik oder Fernhall mondaner Tanzbar, immer ist es der
Rhythmiker, der sich an ihnen entziindet. Dabei zeigt Egks Ton«
spracheeinen rhythmischenReichtum/derdieVorherrschaftdesTaktes
verdrangt, der allerh'GleichmaB, aller Kontinuitat abgeneigt ist. Daher
auch seine Vorliebe fiir die Tanze unserer Zeit mit ihren rhythmic
schen Finessen. Er gebraucht sie - im „Peer Gynt" namlich - nicht um
ihrer selbst willen, sondern als Kennzeichnung jener Welt, in die sich
Peer Gynt verirrt hatte. Dafiir sind sie ihm gut genug, daher der
parodistische Tonfall, das bunte Flittergewand, das Harmonik und
Instrumentation iiber sie geworfen haben.
Das starke rhythmische Gefiihl ist es, das Egks Musik zu „Joan
von Zarissa" auBerst tanzerisch erscheinen laBt. Aber es ist mehr als
ein Ballett. Als „dramatische Tanzdichtung" erschien dasWerk bei
der Berliner Urauffuhrung auf dem Theaterzettel. In der Tat ist
der dramatisch*symbolhafte Charakter dieser Musik nicht minder
in die Augen springend, ihre gestische Sinnfalligkeit nicht minder
bestechend als ihre tanzerische. Der Dramatiker, der Visionar des
Theaters verleugnet sich auch hier nicht. Nicht nur, daB Egk auBere
Situationen wie den Zweikampf mit unerhorter Anschaulichkeit in
der Musik zum Ausdruck bringt, auch die seelische Schilderung hat
Tiefe. Ein Stuck wie „Isabeaus Klage" ruhrt in seiner schlichten Ein«
fachheit ans Innerste — es zeigt sich auch hier, wie sehr es Werner
Egk gegeben ist, Klage, Trauer, Einsamkeit, Schmerz des Abschieds,
Heimweh auszudriicken. Demgegeniiber die „Verfuhrung Isabeaus",
ein in sinnlich gluhenden Farben der Melodik, Harmonik und In*
strumentation gemaltes Bild von einzigartiger Leuchtkraft.
Der Dramatiker Egk laBt es nicht dabei bewenden, einige „Tanz*
127
nummem" aneinanderzureihen, er faBt das Ganze in eineni Prolog
und Epilog (beide werden gespirochen) zusammen, er verbindet die
einzelrien Bilder durch Chore, denen altfranzosische Chansons, Dich*
tungen des Charles von Orleans, des letzten groBen Trouveres, Schiitf
zers des genialen Francois Villon, zugrunde liegen, Chore, deren zehn*
stimmiges Brokat die Pracht altfranzosischer Gobelins widerspiegelt.
Und schlieBlich vereint Egk Tanz, Chor und Instrumente in einem
groBen „Rondeau*Finale", das „die iiberschaumende Lebensfreude und
den Triumph der Liebe synibolisiert". Mit der Verlegung nach dem
mittelalterlichen Burgund und seiner iiberfeinecten Kultur, deren
Raffinement von der triebhaften Lebensgier noch iibertroffen wird,
hat Werner Egk dem DonJuan/StofF, dem. dramatischen, demOpern*
stoff schlechthin, eine neue Seite abgewonnen.
DaB es immer wieder die gleichen Gestalten und Stoffe sind, die die
Dicker wie die Musiker zu immer neuer Auseinandersetzung zwingeh,
hat er im Vorwort zu der Punkoper „Columbus" ausgesprochen. „Es
sind dies Gestalten, deren Schicksal den Menschen aller Zeiten etwas
Allgemeines und Bedeutungsvolles enthullt."' Das gilt von alien dra*
matischen Werken Egks, fur die er ein andermal in echt Egkseher
Pragung die Maxime aufgestellt hat : „Eine Wahrheit ist tausend SpaBe,
ein Prophet tausend SpaBmaeher wert, und sich waschen ist schlieBlich
gesiinder als sich schrhinken." Und, so fiigen wir hinzu, Solveig ist fur
unsere Volks? und Horgemeinschaft wichtiger als Salome, wichtiger
als Trieb und unfruchtbarer Tod ist die Heimkehr ins Miitterliche.
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Am 27. September 1942 wurde die Pianistin Elly Ney sechzig Jahre
alt. An diesem markanten Tage ihres Lebenslaufes verdichtete sich
im Gefiihl und im BewuBtsein von mindestens zwei Generationen
ihrer Mitwelt eine Fiille von Erinnerungen und Erfahrungen zum
Gesamtbilde einer Personlichkeit, die wohl keiner, der ihr jemals
begegnete, vermissen mochte und wohl jeder, der iiberhaupt fur
Musik und Musikertum empfanglich ist, als eine ungemein stark be*
gabte und fruchtbar wirkende anerkeniit. Obwohl Frau Ney nur
Musikinterpretin ist, wird sie fast wie eine schaffende Musikerperson*
licbkeit verehrt. Fragen wir nach dem Grunde dieses Sachverhalts, so
erkennen wir ihn ganz allgemein in ihrem nahen Verhaltnis zum
absoluten Wesen der Tonkunst und insbesondere in der seltenen
Ubereinstimrriung ihres musikalischen Charakters mit dem Geiste und
und den Wirkungskraften bestimmter groBer Komponisten, und zwar
solcher Meister, die ein gut Teil ihrer iiberragenden Menschlichkeit
und Gestaltungskunst in Werken fiir Klavier und mit Klavier offen*
bart haben. Diese Virtuosin des Tastenspiels auf dem modemen Kon*
zertfliigel macht von jeher Musik nur um der Musik willen, ohne An?
spruch auf personliche Geltung. Diese urwiichsige, Von der Natur
rn.it ganz seltenen technischen, seelischen und geistigen Anlagen
ausgestattete Musikerin ist in Jahrzehnten strebenden Bemiihens so
sehr Instrument jener hoheren, schopferisehen Machte geworden, daB
einerseits die Wirkung ihrer personlichen Leistung von der Wirkung
der Sache, der sie dient, vollig aufgesogen und iiberwolbt wird und
andererseits dieses objektiv gerichtete Mittlertum gerade durch seine
Identitat mit dem Willen des schopferisehen Geistes einen Rang und
eine Wiirde empfing, wie selbstische und eigenwillige Interpreten sie
nie erreichen konnen. Wer mit solcher Begabung und Zielsetzung
Musik ausiibt x und iiberdies unablassig sein technisches Konnen auf
der dazu notigen Hohe halt, erreicht das Optimum ihrer begliickenden
Wirkung sowohl fiir sich selbst als auch fiir andere. Kann der Inter*
pret mehr wiinschen und bewirken als den iiberzeugenden Gleichklang
seiner Leistung mit dem Idealbilde des genialen Werks? :
9 129
Wie die groBen schopferischenPersonlichkeiten der Kunstgeschichte,
so wachsen auch die grofien Nachschaffenden meistens aus dem SchoBe
unverbrauchter Volkskraft, aus dem zahen Ringen eines starken In*
stinktes mit den Bindungen eines beengten Lebens und mit den hohen
Anspriichen, die jede auf gemeihgultige und erhebehde Wirkung ge*
richtete Aufgabe stellt. Auch das Schicksal Elly Neys bestatigt diese
Erfahrung. Zwar waren auch hier die musikalische Veranlagung und
die Art ihrer kunftigen Entfaltung blutmaBig vorbereitet, aber die
spatere Leistungskraft und Haltung muBten trotzdem im angedeu*
teten Sinne Schritt fiir Schritt errungen werden. Dabei waren nicht
nur rein kiinstlerische Anstrengungen notig, sonderri auch die vielen
Lockungen zum leichteren Erfolg zu iiberwinden, die gerade auf dem
Gebiet offentlichen Wirkens naheliegen. Das organische Wachstum
dieser Musikerin und die von ihr schon seit geraumer Zeit erreichte
vorbildliche Harmonie vonWollen und Konnen sind deshalb nicht
nur als Auswirkung einer auBerordentlichen Naturbegabung anzuf
sehen; sie sind auch als eine ungewfihnliche sittliche Leistung zu be*
greifen und zu bewerten.
Die Kunstlerin Elly Ney ist in der Kaserne des Infanterieregiments 39
in Diisseldorf geboren. Ihr Vater war aktiver Feldwebel. Ihre Mutter
war vor der Verheiratung eine bescheidene Klavierlehrerin. Der starke
Unterschied der Temperamente beider Eltern wurde durch die Liebe
zur Musik iiberbriickt. Die Mutter der Mutter hatte einst als junges
Madchen in Mtinster i.W. Orgel gespielt und einen Kirchenchor ge>
leitet. Schon von dieser GroBmutter her wirkte in die familiare Ge<
meinschaft die Verehrung Beethovens hinein. Der Zufall wollte, daB
Vater Ney in der Geburtsstadt dieses Meisters eine Zivilversorgung
als Statidesbeamter fand. Hier in Bonn wuchs Elly Ney mit noch sechs
Geschwistern auf. Ihr friih erwachtes musikalisches Talent, von der
Mutter giitig umhegt, vom Vater strenger beaufsichtigt, wurde vom
zehnten Lebensjahre an dem Kolner Konservatorium anvertraut. Der
naive Spieltrieb des Madchens und der freiheitliche Grundzug seines
Wesens straubten sich lange gegen das zweckhafte Studium, das der
Vater im Auge hatte, aber die Selbstiiberwindung, die das Erlerrien
der virtuosen Klaviertechnik forderte, wurde durch das tiefere und
mehr zwanglose Erleben der Musik in der Chorklasse Franz Wiillners
und in der Kammermusikklasse Friedrich Griitzmachers gelohnt.
Schon friih trat die junge Pianistin als Begleiterin von Sangern und
Instrumentalisten an die Offentlichkeit. Mit neunzehn Jahren erspielte
sie sich zwei bedeutende Musikpreise- Ein Jahr weiterer, letzter Aus?
bildung in Wien bei Emil von Sauer, und die fertige Kunstlerin erhielt
130
schon eine Lehrstellung an der Kolner Anstalt. Das Unterrichten
machte ihr Freude, aber je mehr sie ihre Anlagen selbstandig ausbaute,
desto mehr wuchsen ihre Erfolge und ihre Aussichten auf dem Kon*
zertpodium. Bald entschied sie sich fur die Solistenlaufbahn. In went*
gen Jahren riickte sie in die vorderste Linie der technisch souveranen
und personlich eigenartig gepragten Pianisten vor. Im Jahre 191 4
griindete sie ein eigenes Trio, mit dem sie wahrend des Krieges auch
das neutrale Ausland bereiste., Nach dem ersten Weltkrieg dehnte sie
ihren Wirkungsbereich auf Amerika aus. Im Jahre 193 1 griindete sie
eine neue Trio*Vereinigung. Ebenso bewahrt und beruhmt als Ge*
stalterin eigener Klavierabende wie als Solistin groBer Symphonic
konzerte und als fiihrende Kraft im Kammer*Ensemble, fiihlte Frau
Ney sich im reiferen Lebensalter mehr und mehr verpflichtet, ihre in
langer Praxis erworbenen Einsichten auch dem pianistischen Nach*
wuchs nutzbar zu machen. Seit 1939 unterrichtet sie regelmaBig im
Rahmen der sommerlichen Meisterkurse in Salzburg. Schon viel
langer stellt Elly Ney ihre Kunst in den Dienst der ausgesprochen
gemeinntitzigenMusikpflege in volkstumlichen, fiir jedermann leicht
zuganglichen Konzerten sowie in Sonderveranstaltungen fiir die Jugend
und neuerdings auch fiir Arbeiter und Soldaten. So gab und gibt diese
groBe Kiinstlerin ein gut Teil der ihr verliehenen und von ihr er*
worbenen Fahigketten dem Volkstum zuriick, in dem sie wurzelt, dem
Volkstum, dessen reiches musikalisches Erbe ihr den Aufschwung zur
wahren Meisterschaft der Wiedergabe und damit auch den Aufstieg
zum Weltruhm ermoglicht hat.
Die musikalische Laufbahn Elly Neys stand, wie gesagt, schon von
der Erbmasse her im Zeichen Beethovens. Ihre enge Beziehung zur
Beethoven*Stadt Bonn und die Eindriicke, die sie von Franz Wiillner
empfing - dieser ist bekanntlich ein Schiiler von Beethovens Famulus
Schindler gewesen— , trugen ein ubriges dazu bei, daB die junge Kiinst*
lerin immer tiefer in die Sphare dieses Meisters eindrang und all*
mahlich zu einem vollkommenen Instrument seiner Musik und seines
Geistes heranreifte. Beethovens hohe Auffassung von der Tonkunst
und von ihrer Sendung fiir die Menschheit hat auch die eigene Musik*
anschauung und Berufsauffassung Elly Neys bestimmt. Das Vorbild
seiner heroischen Haltung gegeniiber alien niederziehenden Machten
des Lebens hat den Willen dieser Frau und auch ihr Ausdrucks*
vermogen so gestahlt, daB sie trotz ihrer weiblichen Natur auch die
mannliche Seite des Wesens seiner Kunst im Sinne autoritarer Stell*
vertretung wiederzugeben vermag. Ihr Beethoven*Spiel vermittelt uns
mit den Klangen und Rhythmen zugleich die ganze Geistigkeit dieses
9 131
Meisters. Fast konnte man sagen, Elly Ney habe als Interpretin dieses
ungemein mannlichen Genies die Grenzen ihres Geschlechtes weit
iiberschritten. Und doch hat sie auch im Dienste Beethovens ihr weib*
lichesWesen in solchem Grade bewahrt, daB ihrem Musizieren auch
hier nichs Unnatiirliches und Gewaltsames anhaftet. Im Gegenteil,
gerade die ungewohnliche Kraft ihres weiblichen Instinkts gibt ihrem
Beethoven*Spiel den Charakter einer genialen Volkommenheit, die
den Gegensatz der Geschlechter aufhebt. Im gleichen Sinne gestaltet
Elly Ney auch die Klavierwerke des bei aller Herbheit weicheren
Brahms. Und in geradezu begliickender Einheit auBern sich ihre
„weibliche" Empfindsamkeit und ihr ,,mannlicher" Formwille bei der
Interpretation des Meisters, dessen Schaffen diese Krafte in bisher
einzigartiger Synthese magisch verbindet: bei der Interpretation
Mozarts. DaB sich Frau Ney den Werken des Salzburger Meisters erst
in letzter Zeit mit besonderer Liebe zuwandte, kennzeichnet in beson<
derer Weise ihren Eintritt ins Stadium einer letzten menschlich'en und
kiinstlerischen ReiFe. In diesem Stadium ist die Problematik des Lebens
schoh iiberwunden, wird die Kunst als eine klarende, losende, mittels
des Gleichnisses der Vollkommenheit trostende und erlosende Kraft
des Geistes begriffen. Naturlich hat Elly Ney sich und uns auch die
Klangwelt der anderen Meister der Klaviermusik erschlossen. Ihre
feinfiihlige Musikalitat und ihre in jeder Hinsicht uberlegene Spiel*
technik bewahren sich auch im Zeichen Schuberts, Schumanns und
Chopins; von Beethoven und Brahms her hat sie auch den Zugang
zu Reger gefunden. Aber die Hohenlinie ihres „Nachschaffens" wird
durch die Namen Beethoven, Brahms und Mozart gekennzeichnet.
So sehen wir in Elly Ney eine Musikerin, die nach bester deutscher
Uberlieferung die Tonkunst um ihrer selbst willen betreibt und kein
hoheres Ziel kennt, als das, dieWerte dieser Kunst moglichst vielen
zu vermitteln. Eine Interpretin, die ihr ganzes, groBes Konnen nur als
Mittel zu diesem Zweck betrachtet, die ihren elementaren Musizier*
trieb iiber gefahrliche Stadien des Sturmes und Dranges hinweg im
Geiste der groBen Meister bandigte, die als Instrument ihres Willens
auch deshalb so iiberzeugend wirkt, weil sie auch in das Leben dieser
Meister und in dereri ganze Kultursphare tief eingedrungen ist. Eine
Frau, die wie nur wenige auf diesem Gebiet iiber den Rang der
Virtuosin hinaus das Format einer groBen geistigen Personlichkeit
erreichte. Fast unberiihrt von den Anstrengungen ihres auBerlich un<
steten Daseins, innerlich Jung erhalten durch den Kontakt mit alien
jugendlichen Kraften und Strebungen der Gegenwart, steht die
Sechzigjahrige noch immer im Vordergrund des deutschen Musik*
132
lebens. Ihre Begabung, ihre Leistung und ihre Gesinnung wurden
wiederholt offentlich ausgezeichnet. Bei der Jahrhundertfeier von
Beethovens Todestag, im Jahre 1927, wurde die Begriinderin der
„Volkstumlichen Beethoven<Feste" in Bonn zur Ehrenbtirgerin dieser
Stadt ernannt. Im. Jahre 19.J7 wurde ihr vom Fiihrer des Deutschen
Reiches der Professortitel verliehen. Was sie am tiefsten begliickt, ist
die durch zahllose Erfahrungen verbiirgte GewiBheit, als Kiinstlerin
einen iiberpersonlichen, gemeinniitzigen Auftrag zu erfiillen und da;
durch sowohl den edelsten schopferischen Kraften ihrer Kunst als
auch alien Menschen, die den Wunsch haben, sich durch diese Krafte
erheben und erbauen zu lassen, innig verbunden zu sein. Der schlich*
ten und groBziigigen Art ihres Spiels entspricht ihre Erscheinung und
ihr Auftreten im taglichen Leben. Die Rheinlanderin Elly Ney ist —
auch das gehort zum Geheimnis ihrer Lebenskraft und ihrer Wirkung -
eine typische Reprasentantin ihres Volkstums. Warmblutig, impulsiv,
mit kraftigem Humor begabt, im Fiihlen wie im Denken ganz ohne
Scheuklappen, someisterte sie die Aufgaben, die das Leben ihr stellte.
Es gehort zum Bilde dieser vollebigen Kiinstlerin, daB sie auch Gattin
war und Mutter ist. Ihrer Ehe mit dem Geiger und Dirigenteri Dr.
Willem. van Hoogstraten, s der am Mozarteum in Salzburg wirkt, ist
eine Tochter entsprossen, die neuerdings als Schauspielerin bekannt
wurde. Ihrem originellen Lebensstil im Landhause zu Tutzing am
Starnberger See entspricht die ungezwungene Gebarde ihres Av£t
tretens vor dem Publikum. Wenn diese stattliche und doch schlanke
Frau im schlichten Kleid, mit leicht geneigtem Kopf und einem
freundlichen Lacheln das Podium betritt, ist ohne weiteres die mensch*
liche Fiihlung mit alien kunstfreudigen, um der Kunst willen versanv
melten Horern hergestellt. Um auch die innere Fiihlung mit ihnen
zu finden, pflegt sie gelegentlich das Publikum. auch in Worten anzu*
sprechen und an das musikalische Ereignis heranzufiihren. Das alles
ist nicht Pose, sondern spontanef Ausdruck ihres Empfindens, ihrer
Gesinnung und ihrer Berufsauffassung. So hoch Elly Ney vom Gehalt
der von ihr interpretiertenWerke, von ihrer personlichen Begabung und
auch vom Beifall ihrer groBen Horgemeinde getragen wurde — sie ist
immer ein bescheidener Mensch geblieben. In dieser Beziehung gilt
auch fur ihr Leben und Streben das Wort ihres Leitsternes Beethoven :
„Der wahre Kiinstler hat keinen Stolz. Indes er vielleicht von anderen
bewundert wird, trauert er, noch nicht dahin gekommen zu sein, wohin
ihm der bessere Genius wie eine feme Sonne vorleuchtet."
133
Fritz O.eser
3oljamt laepomuk 2>auUi
Bei der Vielfalt der geistigen Stromungen innerhalb der-Musik
dieser Tage tut es gut, von Zeit zu Zeit Umschau zu halten, inwie»
weit der GarungsprozeB vergangener Jahrzehnte bereits festen For*
men undWerten Platz gemacht hat. So schwierig es ist, dasWesen
eines schaffenden Musikers zu kennzeichnen, wenn sein Leben noch
unabgeschlossen und sein Werk dem Widerstreit der Meinungen iiber*
antwortet ist, so werden doch auch die Krafte der Gegenwart am ehe>
sten in ihrer lebendigen AuGerung , begriffen, wenni.sie am Beispiel
der schopferischen Personlichkeit zu Tage treten. Leben und Schaffen
JohannNepomukDavids,der heute die Staatliche Hochschule fiir
Musik in Leipzig leitet, verdienen vor allem, in diesem Zusammen<
hang dargestellt zu werden. Denn der 47Jahrige, der in wenigen
Jahren eine der eindringlichsten Gestalten des zeitgenossischen Musik<
schaffens geworden ist, steht jetzt auf der Hohe seines Lebens und
seiner SchaiFenskraft, und sein Lebensweg bildet mit seinem Schaffen
ein so sinnvolles Ganzes, wie es in uhserer Zeit nicht sehr haufig i?t.
Einfach sind die Lebensdaten: geboren am }0. November 189J als
viertes unter dreizehn Kindern eines Schullehrers in Eferding a,' d. Do>
nau, musikalisch erzogen in St. Florian und im Stiftsgymnasium zu
Kremsmunster, studiert David von 1920 bis 1923 an der Akademie
und Universitat in Wien und nimmt dann nach einer Zwischentatig*
keit in Linz eine Stelle als Organist und Chorleiter im nahen Wels an.
Sein dortiger Bach«Chor macht ihn im. engeren Umkreis der Heimat,
sein Orgelschaffen im weiteren des Reiches bekannt. 1934 erfolgte die
Berufung nach Leipzig als Lehrer fiir {Composition und Leiter der
Kantorei. Dort wirkt er heute, seit 1942 als Leiter der Hochschule,
von dort breitet sich seinWerk aus und findet immer starkere An*
erkennung.
Die geistige Entwicklung, die sich in diesem Lebensgang verbirgt,
hat Davids Schaffen ein so markantes Profil und eine so unverwechseh
bare Eigenart verliehen, daB vom Erscheinen des ersten Orchester*
stiickes an — der „Partita fiir Orchester" 1936, die Davids Namen
zuerst dem Kreis der Konzertbesucher bekannt machte und eines der
134
>
s
meistaufgefiihrten zeitgenossischen Orchesterwerke wurde — sich eine
entsprechende formelhafte Kennzeichnung Davids einbiirgerte: einen
„Kontrapunktiker" aus Prinzip und unerhorter Begabung nennt man
ihn und glaubt damit, seine Starke und seine Begrenzung erkannt zu
haben. Es schwingt in dieser Benennung die Verwunderung dariiber
mit, wie dieser Sohn eines Gaues, dessen Menschen an der Musik zu*
erst den sinnlicheri Wohlklang lieben, dazu gelangt, Musik in strenger
Auffassung als eine geistige Kraft und Aufgabe zu begreifen. DaB
David, der menschlich in jeder Faser seines Herzens ein Sohn seiner
Heimat geblieben ist, zu dieser Anschauung vom Wesen der Musik
gelangte, hat seine Ursache in dem grundlegenden Erlebnis seines
beginnenden Mannesalters : in der Begegnung mit dem Genius J ohann
SebastianBachs, die sich vollzog, als der Ort des ersten Wirkens,
Wels, ihm zugleich die Klangmittel bot, die Bachschen Geist am
reinsten ausdriicken : Orgel und Chor.
Dies war in den Jahren 1924- 193 4. DaB bis dahin das Chaos der
Nachkriegszeit auch diesen Werdenden in seinen Bann gezogen hatte,
bezeugt die „Kammersymphonie" des 28jahrigen, die nach einer
Symphonie „Media vita in morte sumus" als das Hauptereighis der
ungedruckten und verworfenen Jugendwerke angesehen werden muB :
eine nervos zerfaserte Musik, mit fruchtbaren Ansatzen, die sichdann
in der Partita reif entfalten konnteri, im ganzen aber nicht mehr als
ein Zeichen der Garung. Was David danach in Bach begegnete, war
dasWunder der Melodie, der reinen, aus sich selbst schwingenden
Linie, aus deren Verschlingung mit gleichgearteten sich die besondere
Art polyphoner Formgestaltung ergibt, - alles am eindringlichsten vers
korpert in den Orgelwerken Bachs und im Altersstil der „Kunst der
Fuge". Sie vor allem hat, wenige Jahre spater in Leipzig zur klingen*
den Auferstehung erweckt, Davids Erkenntnisdrang nach einem
bohrenden Studium sondergleichen die Richtung gewiesen. In Orgeb
werken zeigt sich dann zuerst, d^B solches Bemiihen nicht ungesegnet
blieb; ohne in einer Nachahmung barocken Stiles befangen zu bleiben,
ist Davids Schaffen von Bachschem Geiste, vom Gesetz reiner Melodik
und ihrer Bindung im polyphonen'Gewebe der Stimmen befruchtet
worden. Bis heute ist David der Orgel treu geblieben, und das groB*
artige „Choralwerk", eine Schule der Satz* und Ausdrucksmoglich*
keiten des Instrumentes, ist bereits jetzt als das begriffen worden, was
es ist: die starkste schopferische Leistung fur diese Gattung seit Reger.
Noch eindringlicher mag sich David der Geist der Polyphonie im
Gleichklang der Menschenstimmen enthiillt haben. Die Innigkeit
seines Verhaltnisses zum unbegleiteten Chorgesang wird noch heute
135
ersichtlich, wenn er mit der Kantorei seiner Hochschule die Schatze
der a cappella*Literatur zur Auffiihrung bringt. Es spricht fiir die Weite
seiner nachschaffenden Kiinstlerpersonlichkeit, daB er nicht nur die
groBenWerke der klassis'chen Chorpolyphonie und Madrigalkunst
mit ungewohnlicher Spannkraft zu verlebendigen ,weiB, sondern auch
einem Grenzwerk des Chorsatzes, der „Deutschen Motette" yon
Richard StrauB, zu einer staunenerregend echten Wiedergabe verhilft,
obgleich darin das schopferische Gegenprinzip zu allem wirksam ist,
was David als das Wesen der Musik an Bach ofienbar geworden war.
Denn wenn auch hier wie dort das Wort eine Bindung mit dem Melos
eingeht und ihm damit geistig*seelische Bedeutsamkeit verleiht, so be*
steht doch fiir David dieWurde echter Melodik darin, daB sie ein
eigenstandiges selbstgeniigsames Sein verkorpert, das vielleicht eine
bestimmte Bedeutung, nicht aber seinen Sinn, seinen Wert, seine Fiille
erst durch den Gehalt des Wortes erhalt. Aus der Vermahlung solcher
selbsteigener Melodie mit dem sinntrachtigen Wort kann sich ein gei*
stiges Licht besonderer Art ergeben, und in Davids eigenem spateren
Motettenschaffen gibt es Stellen, die dieses „Licht" ungeheuer intent
siv erleben lassen: etwa das unvergeBliche „Klar wie ein Kristall" oder
der SchluB der zweiten Offeribarungsmotette. Aber niemals erschiene
David als echtes Melos, als reine Musik, was nicht an sich „ist", son*
dern nur „bedeutet". Deshalb ist ihm schopferisch die Welt der Oper
fremd und sein Werk innerhalb der Krafte der Gegenwart der auBerste
Gegenpol zu dem des theaterbesessenen Werner Egk. Deshalb fehlt im
Schaffen seiner Reifezeit ganzlich das Lied, und deshalb schlieBlich
treten in seiner Musik bloBe Gefiihlserregungen, also alles eigentlich
Ichhafte und die musikalische Ausdruckswelt, die dieses sich zu Be*
ginn der musikgeschichtlichen Neuzeit erschuf, vollig hinter den Kraf*
ten der „reinen" Musik und der Verkiindigung iiberpersonlicher Ge*
halte zuriick.
i David hat in einem vielbeachteten Vortrag zum Bremer Bachfest
1939 iiber den „Kontrapunkt in der musikalischen Kunst" die Pro*
bleme, die sich aus dem Kontrapunkt als der Formenwelt des reinen
Melos ergeben, in den groBen Rahmen der Schwesterkiinste Dichtung
und Musik gestellt. Deutlich ist in diesen Worten zu verspiiren, wie
stark das zentrale Erlebnis „Bach" die schopferische Kraft des Nach*
geborenen aufgerufen und wie die Welt des Musikers sich geweitet
und genahrt hat an Kraften, die wie Bach an einem geistigen Kosmos
noch diesseits „reinmenschlicher" Gefiihle und Erlebnisse gebaut
haben, - am Goethe des „Faust", an Dante, an den Kathedralen der
Gotik. Vor solchem Hintergrund verraten die Einwande, die gegen
136
Davids Stilprinzip vorgebracht werden: der Kontrapunkt solle nur
dienen, nicht herrschen, weil er sorist die Phantasie ersticke, ihre
Bedingtheit. Sie stammen aus dem Blickwinkel einer abgeschlossenen
Zeitepoche, die wie Klassik und Romantik den Kontrapunkt nur als
Steigerungsprinzip im „Kampf" der Themen oder als technisches
Mittel zur Wiedergabe seelischer Wallungen kannte. Die unendlich
reichen und starken Jahrhunderte, die, lange schweigend und nun
wieder vernehmlich zu uns sprecbend, binter dem groBen Zeitalter
der scbrankenlosen Ich*Verherrlichung stehen, lehren uns, daB Kon*
trapunkt nicht zuerst Tecbnik ist und seine Formenwelt nicht nur
„Kunststucke" umfaBt, sondern gerade die elementaren Baukrafte der
Musik, die ihm zugrundeliegen : die Spannung des Intervalls, das frei*
schwebende Gleicbgewicht der Linien sind auch am tiefsten im seeli«
schen Ursprung der Musik verwurzelt. Unserer Zeit ist die schwere
Aufgabe gestellt, unter der Last eines iibergroBen Erbes neu beginnen
zu miissen, und gar zu gern weicht sie ihr noch durch die Flucht in
Motorik und unverpflichtendc Spielmusik aus. Sie sollte deshalb
nicht geringschatzig als „Konstr.uktion" werten, was wirkliche Bau*
kraft, Fahigkeit neuen architektonischen Gestaltens ist. Denn Um«
kehrungen und Nachahmungen und all ihre Abarten sind Formen,
die das Melos selberwill, sie erfullen und bestatigen zugleich seine
Gestalt und ihren Wachstumsdrang. Wie David das schon unbewuBt
erfiihlt, zeigt das schone, schlanke Hauptthema des Flotenkon*
zertes, das so im eigenen Gleichgewichte, „selig in ihm selbst",
schwingt, daB es, vom Anfang oder vom SchluB begonnen, sich
„krebsgangig" in gleicher Kurvewolbt:
fEEE ^EEE^EE^EE^
p tf—f-^ r- f-i J L_| _^ = |_ r j ] f :
Das ist als „Kunststiick" sinnlos, weil praktisch ohne jede Nutzungs*
moglichkeit, als Anzeichen dafiir, wie hier das Schaffen zuerst hin*
gebungsvolles Lauschen auf das Eigenleben der Melodie ist, sehr auf*
schluBreich. Oder man greife ein anderesThema aus dem Finale dieses
Werkes heraus, das in seiner sonnigen Warme, seiner schwingenden
Heiterkeit ein besonderer Gluc.ksfall in .Davids SchafFen ist und viel
starkere Verbreitung erfahren wiirde, wenh ihm nicht als Instrument
talkonzert die Hindernisse des heutigen Konzertbetriebes - Vernach*
lassigung bei den Proben usw. — entgegenstehen wiirden : wie verwand*
lungstrachtig in Gestalt und Ausdruck das Melos ist, wenn es sich
nach eigenen Gesetzen ausformen kann, wie wenig eine strenge Bin*
137
dung die Phantasie an direr Entfaltung hindert, geht aus der kontra*
punktischen Umwandlung des versonnenen Einleitungsthemas in das
tanzerische Klarinettenthema hervor :
I
,a) Hr.
jBj^Si^
S
W^^W^^
^e^^^^^P ^^^Ie^
pp •
Wer wiirde darauf komrhen, daB das zweite eine Spiegelkrebsum*
kehrung des ersten ist, wenn er nicht in den Fehler verfiele, den er
vielleicht dem Komponisten vorwirft : mit den Augen zu sehen, statt
mit den Ohren zu horen? — Freilich hat David aus dieser Art von
Wachstumswillen der Melodie die auBersten Folgerungen gezogen, wie
niemand vor ihm, und dem freischwingenden Gegeneinander der
Stimmeri auch da Raum gewahrt, wo es zu hartesten Klangreibungen
fuhrt. Auch da jedoch bleibt es in einer atemraubenden Weise be»
gliickend, weil auch in den starksten „senkrecht" horbaren Disso*
nanzen die Spannkraft der melodischen Strebungen als wesenhafter
erlebt wird, als der bloBe Wohlklang, - in Wahrheit klingt bier etwas
vom Geist der Katbedralen wieder, wie ihn David bescbreibt: „Keine
Wande - keine Mauern — keine Akkorde, sondern Pfeiler, die den
Raum tragen ..." Urid bezeichnenderweise liegt nicht in den stark/
sten Ballungen, nicbt einmal in den groBen Augenblicken, da sich die
Flut der melodischen Bewegung in Dreiklangen von prachtvoller
Leuchtkrafi sammelt, der innere Kern dieses Schaffens bloB, sondern
in den Offenbarungen der Stille: im Ineinanderkreisen des As*dur*
Kanons aus dem „Lehrstiick" fur Orgel, oder wieim Mittelsatz der
8<stimmigenMotette „ExDeo nascimur" drei Kanonstimmen dieMelo*
die des „Wenn mein Stiindlein vorhanden ist" singen, in flusternden
Vierteln, in schwebenden Halben, in ruhenden Ganzen, alles von dem
feier lichen Grundsymbol des „In Christo morimur" gehalten, — nichts
Herzbewegenderes gibt es als diese losende Reinheit und Innigkeit.
Sie verrat, daB nicht nur die gestaltenden Grundkrafte, sondern auch
138
die tiefsten seelischen Wurzeln von Davids Schaffen die gleichen
sind wie bei den groBen Meistern friiherer Jahrhunderte, deren Werke,
mit dem sichtbaren oder horbaren „Soli Deo Gloria" geschmiickt, ihn
den Weg zu sicb selbst gefiihrt haben.
In der Rede zum Bachfest findet sicb das schone und tiefeWort,
„daB eine Musik, die unsere Freuden und Leiden ausspricht, uns
holder ist als die siiBeste Musik, die unsere Gegenwart nicht zur
Kenntnis nimmt, sondern einfach da ist als ein Lobgesang Gottes' .
Solche Einsicht in die Grundfrage alles heutigen MusikschalFens hatte
David wohl kaum in der Zeit kommen konnen, da in Wels die ersten
Orgelwerke und Motetten entstanden, die als Kunst im Raum der
Kirche solchen Widerstand nicht zu spiiren brauchten. Sie kommt
ihm in dem Augenblick, als mit demWeggang von der Heimat in
die groBe Stadt ihm neue Anregungen zuflieBen, die seinen SchafFens*
kreis machtig erweitern. Wie das Orgelwerk erst von Leipzig aus in
die Breite wirkt, da in der Schule der Organisten, von Karl Straube
lebhaft gefordert, nun David als Lehrer von starker Anziehungskraft
tatig ist, wie auch die Motettenkomposition erst in Leipzig ihre reif*
sten Friichte bringt, so bewirkt die lebendige Beruhrung mit der Welt
der Konzerte, daB David sich wieder dem Orchester zuwendet und
damit in den eigentlichen Streit der Ansichten gerat. Die zwolfjahrige
Pause im Orchesterschaffen tragt nun Frucht: nach der Partita 1936
entsteht in rascher FolgeWerk umWerk, dabei allein drei Symphonien.
Die Hinwendung zum groBen Orchesterwerk und besonders zur
Symphonie kennzeichnet einen entscheidenden Wandel in Davids Ent#
wicklung. Wenn das Orgeb und ChorschafFen sich in einer Haltung
vollzieht, die diesen Gattungen von jeher am gemaBesten war, so be>
deutet die Erneuerung der Symphonie aus dem. Geist der Polyphonie
eine grundsatzliche Abkehr vom iiberlieferten symphonischen Erbe.
Mit einer Ausnahme: das ist Bruckner, und nichts ist so symbolisch
im Lebensweg und Entwicklungsgarig Davids, als daB er, aufgeweckt
durch den Geist Bachs und durch ihn gleichsam in seine Stadt gezogen,
hier in der Reife seines Lebens und Wir kens den Weg zuriickfindet
zum Genius der Heimat und damit zu den eigenen Urspriingen." So
steht in der Mitte seines Schaffens, zeitlich und der Gattung nach, eine
Huldigung an Bruckner: der „Introitus, Choral und Fuge iiber ein
Thema von Bruckner", Orgelwerk und gleichzeitig Wegweiser zum
orchestralen SchafFen, ist zwar schon am Ende der Welser Jahre ge<
schrieben, erlangt aber bezeichnenderweise seine endgiiltige Gestalt
erst 1939 in Leipzig, als David zu den Quellen seines Lebens zuriick*
gekehrt ist. Was er stilistisch mit Bruckner gemeinsam hat, ist wenig;
139
die tanzerische Vitalitat und der eigentiimlich schwingende Rhythmus
der Scherzosatze, das elementare Leuchten an Hohepunkten des reinen
Klanges (Blechblaser!) sind eher als Erbe des gemeinsamen Volksstam*
mes und der gemeinsamen Landschaft anzusehen. DerenTanzlust klingt
in dem oberbayrischen „Zwiefacben" (dem taktwechselnden Volks;
tanz) des Scherzos der 2.Symphonie oder in den Laridlerweisen des
Finales der 2. Partita auf - noch einmal bat sich so diese gesegnete
Landschaft in demWeg eines Sangerknaben von St.Florian in die
weiteWelt der groBen Musik erfiillt. Dariiber hinaus hat David mit
Bruckner die geistige Haltung und die Aufgabe gemein. Bruckners
geschichtliche Leistung war, abgesehen von seiner unvergleichlichen
Schopferkraft, die- Oberwindung der klassischen Dialektik der The*
menverarbeitung durch eine neue Bewertung der melodischenSub*
stanz, die in seiner weitraumigen Themengestaltung mit all ihren
Folgen fur die Formanlage und Klanggebung spurbar ist. Seine Losung
ist einmalig und muBte ohne Nachfolge bleiben. Ihren entscheidenden
Grundansatz aufgegriffen zu haben, kann heute schon als die Leistung
DavidsFur unsere Zeit angesprochen werden. Ein Thema wie das seiner
3. Symphonie,
^^^^k^^ g^^
g^SSs
^g^E^g^^g
3feJ
coil grazta
voller Spannkraft und doch gelost und in sich ruhend, beschwort durch
sein bloBes Scsein die kontrapunktische Gestaltenwelt herauf, die der
aus einer entgegengesetzten Geisteshaltung stammenden Symphonies
form bis dahin fremd war. Aus ihr heraus das symphonische Gesetz
neu zu erfiillen, war ein kiihnes Wagnis, sein Gelingen stellt nun etwas
wahrhaft GroBes dar. Das Thema, bloBer Antrieb eines erregenden
dramatischen Geschehens in derBliitezeit der Symphonik, wird so in
letzter Folgerichtigkeit von Bruckners entscheidender Tat zum tragen*
den Melodiesymbol, zum Cant us firmus einer polyp honen Archif
tektur, die auch das klassische ZweithemensPrinzip iiberbriickt und
an seiner Stelle von Satz zu Satz Bogen schlagt, am Ende so alle melo*
dischen Symbole ineinander wolbend.
Innerhalb dieses Bauplans entfaltet David eine unerschopf liche Fiille
von formalen Losungen. Fiir die einheitliche Gestaltung der ersten
140
Partita hat das barocke Vorbild die Richtung gewiesen; ihr Zentrum
ist die Spiegelkrebsfuge, - erstaunlich deswegen, weil die unerhorte
Kunst, 73 ausgedehnte Takte in Spiegelung riickwarts ablaufen zu
lassen, noch iibertroffen wird von der Kraft der Phantasie, die daraus
eine Musik von verzebrender Inbrunst scbafft. Danach erfolgt in der
i. Symphonie die Verwirklichung des gleichen Baugedankens im
Rahmen der viersatzigen Symphonieform: an der Durchfuhrung des
i. Satzes, die an Stelle des „Kampfes" der Motive gerade die Heim*
findung des Themas in sein stilles, weitaussingendes Urbild bringt,
laBt sich ablesen, wie einschneidend der Cantus firmus*Gedanke das
klassische Symphoniegefiige gewandelt bat. War die leittonbestimmte
Melodik der Partita noch am ehesteh einer Polyphonie Bachschen Ge*
, prages zuzurechnen, so entfaltet sicb die der Symphonie innerhalb des
aolischen a*moll mit ihrer Fur Davids Melodik und Akkordik typischen
Doppelquartfolge zum erstenmal in freier Linearitat, In der i. Sym*
phonie tritt dazu noch eine auBerst kiihne Harmonik und eine Ge*
wait des Ausdrucks, die im Verein mit den gliihenden Klangfarben das
Werk zum Hohepunkt der monumentalen Seite des Davidschen Schaft
fens macht. Gipfel ist die Finale*Chaconne, die hinsichtlich des uner*
schopflich stromenden Erfindungsreichtums und der formalen Au6
tiirmung in dieser Form und in dieser Zeit kein Gegenstiick hat. In
der Folge kiindigt sich eine Waiidlung an : sie ist spiirbar im Motetten*
schaffen, das nach dem groBartigen DoppebCantusdirmus*Bau „Ex
Deo nascimur" iiber die innigen Choralvariationen „Ich 'vvollt, daB ich
daheime war" zu der vereinfachten und ganz verinnerlichten Inbrunst
der beiden Motetten iiber Worte der Offenbarung Johannis (1939)
fuhrt. Auch das Hervortreten des kammermusikalischen Schaf*
fens, das erstmalig nach Welser Anfangen wiederauflebt, mag als An*
zeichen dafiir gelten. Es ist durch konzertante Momente mitbestimmt,
fiir die zum Teil Davids Liebe zu kostbaren alten Instrumenten und
ihren unentdeckten Moglichkeiten die Ursache sein diirfte. Nutzt das
Duo von 1938 die polyphonen Moglichkeiten von Geige und Cello
vielleicht zu sehr auf Kosten der klanglichen Wirkung aus, so weist da*
fiir die weitgesponnene Melodik der Sonate fiir Flote, Bratsche und
Gitarre (1941) auch dem symphonischen Schaffen neue Wege. Sie hat
David teilweise in der 2. Partita (deren letzter Satz eine besonders
gelungene Vereinigung von Scherzo* und Finaleform ist) und vor allem
in seiner 3. Symphonie beschritten; hier ist es das innige Adagio, das
die wachsende Reifung und Vertiefung an einer zentralen Stelle der
Symphonieform beleuchtet. — Ein volliges Novum ist das Divert!*
mento „Kume, kum Geselle min" insofern, als es David erstmalig
141
ganz von der Seite einer kecken Musizierfreude zeigt, die bis dahin
nur episodisch aufgeklungen war. Die zugespitzte Rhythmik, beson*
ders des witzigen SchluBsatzes, und die delikaten Klangfarben sind ein
Beleg dafiir, wie David bei aller gleichbleibenden Eigenart seiner
Klangsprache (die Orgelmixturklangeb auch das Orchester immer
besser zu nutzen weiB.
DaB sich, das musikantische Divertimento harmonisch in Davids
Schaffen einfiigt, ist wiederum als eine Gabe der Heimat zu werten,
die ihren Kindern den Frohsinn und die Tiefe zugleicb geschenkt hat.
Eine ahnliche Mischung der Elemente findet sicb z. B. im dichterischen
Schaffen von Davids Landsmann Jos e f We i n h e b e r, der mit ihm auch
gemeinsam hat, dafi sein Werk den ersten starken Widerhall im Alt*
reiche fand Cnoch heute sind es die Stadte Mitteb und Norddeutsch?
lands - Leipzig, Berlin, Bremen u. a. - die Davids Musik am meisten
aufgeschlossen sind, wahrend die groBe Hauptstadt der heimatlichen
Gaue immer noch abseits bleibtb. Wie David aus dem Erlebnis des
Melos heraus den machtvollen Bau seiner Symphonien errichtet, so
g'ewinntWeinheber aus der neu erlebten Gewalt des Wortes das Can*
tus*firmus;Gebaude seiner groBen Sonettenzyklen. Angesichts solcher
Wesensverwandtschaft ware zu wiinschen, daB ein Zusammenwirken
beider das hervorbrachte, was David uns noch schuldig geblieben ist
und wofiir das groBartige Cunveroffentlichte) „Ezzolied" von 1928 ein
starkes Versprechen darstellt: die Vereinigung des vokalen und instru*
mentalen Schaffens im groBen Chorwerk. Es konnte eine Erfiillung
unserer Zeit werden, wie es die Symphonien bereits heute sind. Denn
ob es gleich miBlich ist, den Propheten fur den Lebenden zu spielen,
sei doch, ohne an Wertvergleich zu denken, dies bekannt : wenn ein
Mensch unserer Zeit die beiden groBen Schopfernaturen, die als Weg*
weiser seines Schaffens genannt wurden, als wahrhafter Erbe durch
Geburt und Erlebnis so in sich aufnehmen kann, daB fruchtbar Neues
entsteht, und wenn der Horer nicht allein als Musiker von diesem
Konnen begeistert, sondern mehr noch als horender Mensch von der .
gelassenen Kraft, der Fulle und der unsagbaren Reinheit dieser Musik
immer aufs Neue im Innersten ergriffen wird, so kann ihm der Glaube
nicht zuschanden werden, daB hier ein Werk ist, das dauern wird und
von dem zu zehren unser Nutzen und unsere Ehre ware;
142
BPetfujerjeidjnia
Orchesterwerke :
Symphonie (Nr. i) in asmoll fur Orchester, Werk 18 (1937).
Symphonie Nr^ 2 fur Orchester, Werk 20 (1938). >
..Symphonie Nr. 3 fur Orchester, Werk 28 (1941).
Partita (Nr. 1) fiir Orchester (1933").
Partita Nr. 2 fiir Orchester, Werk 27 (1940).
„Kume, kum, geselle min". Divertimento nach alten Volksliedern fur Orchester,
Werk 24 (1939). Hierzu: Ausgabe fur Blasquintett und Klavier.
Variationen iiber ein Thema von J oh. Seb. Bach fiir Kammerorchester, Werk 29 a
(1942).
Symphonische Variationen iiber ein Thema von Heinrich Schiitz fiir Orchester,
Werk 29b (1942).
Soloinstrumente mit Orchester:
Konzert fiir Flote und Orchester (1936). Hierzu: Ausgabe fiir Flote und Klavier.
Introitus, Choral und Fuge iiber ein Thema von Anton Bruckner fiir Orgel und
9 Blasinstrumente, Werk 23-' (1939).
Kammermusik ohne Klavier:
Trio in G*dur fur Violine, Viola und Violoncell (1931).
Duo concertante fiir Violine und Violoncell, Werk 19 (1937:1.
Sonate fiir Flote, Viola und Gitarre, Werk 26 (1940).
Trio fijr Flote, Violine und Viola, Werk 30 (1942).
Duo<Sonate fiir Viola d'amore und Viola da gamba, Werk 31a (1942).
Sonatiiie fur Flote allein, Werk 31b (1942).
Orgelwerke:
Choralwerk. - — Choralvorspiele, Partiteri, Toccaten, Fantasien, Passacaglien u. a.
fiir Orgel, Heft I — VIII (1932-194D.
Erstes Heft Nr. 1-6. - Zweites Heft Nr. 7-i3".-DrittesHeftNr. 16-21. -Viertes
Heft Nr. 22-27. - Fiinftes Heft Nr. 28-32. - Sechstes Heft Nr. 33 : Christus, der
. ist meiri Leben. Ein Lehrstuck fiir Orgel. — Siebentes Heft Nr. 34-36: Fiir Orgel*
Positiv. — Achtes Heft Nr. 37 : Es sungen drei Engel ein' siiBen Gesang. Geist*
liches Konzert fiir Orgel.
Chaconne in a<moll fiir Orgel (1927).
Zwei Hymnen (Pange lingua - Veni creator) fiir Orgel (1928).
' Passamezzo und Fuge in g«noll fiir Orgel (192 8).
Ricercare in omoll fur Orgel (1928).
Toccata und Fuge in fimoll fiir Orgel C1928)..
Fantasia super „L'homme arme" fiir Orgel (1929).
Praeambel und Fiiga in d«noll fiir Orgel (1930).
Zwei kleine Praludien und Fugen in a<moll und G<dur fiir Orgel (1931).
Zwei Fantasien und Fugen in e*moll und C'dur fiir Orgel (1933-).
143
Geistliche gemischte Chore a cappella:
Stabat mater fur sechsstimmigen gemischten Chor 0927). (A. Bohm & Sohn,
Augsburg).
„Ein Lammlein geht unci tragt die Schuld". Motette zu vier Stimmen (193^).
„Herr, nun selbst denWagen halt". Choralmotette zu vier bis fiinf Stimmen
U93P-
' „Nun bitten wir den heiligen Geist". Choralmotette zu vier ungleichen Stimmen
CI93P- -
„Ex Deo nascimur — in Christo morimur — Ex spiritu sancto reviviscimus". Mo>
tette fur achtstimmigen gemischten Chor (1936).
„Ich wollt, da8 ich daheime war". Choralmotette fur vierstimrnigen gemischten
Chor (1936).
,,Kyrie" (Herre Gott, erbarme dich). Liturgischer Satz fur drei Stimmen (1937).
,,Der gerechten Seelen sind in Gottes Hand" fur yierstimmigen gemischten Chor
(1937)-
„Wer Ohren hat zu horen, der hore". Motette fur vier* und funfstimmigen ge<
mischten Chor, Werk 23a (1939).
„Und ieh sah einen neuen Himmel". Motette fur vier* und funfstimmigen ge*
mischten Chor, Werk 23b (1939).^
Geistjiche gemischte Chore mit Instrumenten:
. „Frohlich wir nun all' fangen an". Kantate fur drei Stimmen (Sopran, Alt, BaB),
Oboe und Orgel U941).
Weltlicher Mannerchor a cappella:
„Mensch werde wesentlich". Spruch von Angelus Silesius fur dreistimmigen
Mannerchor (1937).
Weltlicher gemischter Chor mit Instrumenten: ■■«.■■'■,.
„Heldenehrung". Motette nach einem Fiihrerwort fur yierstimmigen gemischten
Chor und 3 Posaunen (1942).
Lieder mit Orgelbegleitung:
„Ich stiirbe gem aus Minne . . .". Gottesminnelieder nachWorten der Meehthild
von Magdeburg fiir Frauenstimme und Orgel, Werk 32 (1942).
Samtliche Werke emit Ausnahme des „Stabat mater") sind bei
Breitkopf £5 Hartel in Leipzig erschienen
144
foljann IQepomuk IDamb
Joelmut Brtiutigam
Gerhard Berger
Helmut Brautigam
im Osten gefalien.am 17. Januar 1942
Sollt' ich aus der Feme schauen ?
■',■. Nein ! ich teile Sorg' und Not.
(Faust, Euphorion) :
Wir haben im Kriege verlernt, von Tragik zu sprechen. Das Schick;
sal, das iiber unserem Volke Uegt, ist zu groB, als daB wir das Schicksal
eines Einzellebens herausheben mochten. Wenn es auf Leben und Tod
geht, wird jeder gleich wichtig und gleich entbehrlich. Und doch emp;
finden wir anders, wenn jene schopferischen Menschen von uns gehen,
deren Leben uns alien gilt. Sie kiinden fur ihre Zeit und ihr Volk, ihre
Sprache bezeugt dessen Kraft und seinen Urbestand. Sie sind die Vor*
hut auf dem Weg in die Zukunft und geben die MaBstabe. Das
Schicksal schenkt sie nur in kleiner Zahl, und wenn sie uns yerlassen,
stehen wir vor einer Leere, die nicht mehr auszufiillen ist.
Wir rechnen Helmut Brautigam zu diesen schopferischen Menschen.
Kaum 28 Jahre waren ihm gegohnt, aber er nutzte sie so, daB er nun
in der Reihe der Wenigen steht, die uns Bleibendes zu sagen haben.
So groB das Schafien ist, das er in wenigen Jahfen in unsere Hande
legte, auf demWege, den er durcheilen wollte, ist es nur ein erster
Schritt, ein Auftakt zu den hohen Zielen, die er sich gesetzt hatte.
Helmut Brautigam wurde am 16. Februar 191 4 in Crimmitschau in
Sachsen geboren. Im elterlichen Kantorenhause, das ihm die erste
Ausbilduhg im Klavier;, Orgeh und Violinspiel mitgab/ wuchs er
schnell in eine lebendige Musikiibung hinein und lernte friih, sein
Konnen in den Dienst der Gemeinschaft zu stellen. Wahrend seiner
Gymnasiastenzeit unterrichtete ihn der Organist am Mariendom in
Zwickau, Paul Gerhardt. Entscheidend wurde fur ihn die Begegnung
mit der Jugendbewegung. Sie gab seinem f\6nnen das rechte Wirkungs*
feld und weckte in ihm den Wandervogel in seinen schonsten Seiten,
der Liebe zur deutschen Heimat und zum Volkslied. Bis zu seinem
Tode stand die Jugendmusikarbeit im Vordergrund all seiner Betati*
gung. Nach Abitur und Arbeitsdienst durchwanderte er den Balkan,
Griechenland und Italien. 1934 begann er sein Studium am Landes*
konservatorium der Musik zu Leipzig, wo ihn Max Ludwig im Tons
satz unterrichtete. Nach der Reifeprufung am Kirchenmusikalischen
Institut studierte er bis zum Kriegsbeginn bei Johann Nepomuk David
IO 1 AC
145
Kontrapunkt und bei Hermann Abendroth Dirigieren. Neben seinem
Studium war er in der Studentenfuhrung seiner Hochschiile, im
Jugendfunk des Reichssenders Leipzig und beim Sachsischen Volks*
liedarchiv leitend tatig und wurde 1938 Lehrer an der Leipziger
Jugendmusikschule. Zu Beginn des Krieges zum Wehrdienst einbe;
rufen, nahm er am Feldzug in Frankreich teil und blieb dort bis
Ende 1 94 1. Anfangjanuar 1942 kam er nach RuBland, wo er bereits
nach wenigen Tagen in einer Schlacht siidlich des Ilmensees als Unter*
offizier gefallen ist.
Helmut Brautigams Wirken gait der Gemeinschaft. Alle Einseitig;
keit und Absonderung lag ihm fern, immer wollte er mitten im Leben
stehen. Seine Schaffenskraft suchte in die Gegenwart auszustrahlen,
wollte unmittelbare Fiihlung mit der Umwelt finden, gleichgiiltig,
ob der Arbeitskreis des Studentenbundes, die Rundfunkspielschar der
HJ. oder zuletzt auch die soldatiscbe Kameradschaft das Betatigungs*
feld wurden. Allen Problemen seiner Zeit aufgeschlossen entwickelte
und weitete er in unermiidlicher Aufnahmebereitschaft sei'nen Wissens«
und Wirkungskreis, wurde neben der schopferischen Tatig keit Fiihrer
und Erzieher. Seine Liebe gait nicht nur den Freunden und Scbiilern,
sondern ebenso der Forderung der unmusischen Menschen, die ihm
begegneten. Dabei war sein Wirken niemals lehrhaft. Er predigte
nicht mit Worten, sondern iiberzeugte durch seine Personlichkeit und
musikalische Kraft. Der heitere Ernst, die Schlichtheit und Urspriings
lichkeit seines Wesens zwangen jeden, der ihm gegeniibertrat, zur Ge*
folgschaft und begeisterten fur die Ideale, denen er selbst folgte. Weil
er bescheiden und selbstverstandlich, ohne jedes Pathos vorlebte, was
er forderte, wurde er schnell Vorbild und Mittelpunkt fur alle gleich*
gesinnten jungen Menschen.
So wuBte er sich iiber sein Schaffen hinaus verantwortlich. Dienst
an der Kunst war fiir ihn volkische Aufgabe. Was Helmut Brautigam
wagte und von sich forderte, war - der politische Kiinstler. Einheit
des schopferischen Kiinstlers, Kunsterziehers und soldatischen Fiihrers
war das Ideal, auf das sich der Hohenflug seines Strebens richtete. Mit
heiBem Herzen setzte er sich fiir eine Erneuerung des deutschen We?
sens ein, tief iiberzeugt von der ethischen Sendung der Kunstl Nur
eine Besinnung auf die letzten Urwerte konnte unserem uberziichteten
Zeitalter neue Verwurzelung geben. Er sah diese Urkrafte im Volks*
turn. Aus ihm sollte die Neugeburt unserer kultufellen Gesinnung &ti
folgen, aus dem Geist des Volksliedes sollte sich die M us ik erneuern.
Helmut Brautigam war kein Ideologe, sondern Praktiker und Musi*
kant. Er redete nicht, sondern ging zu den Quellen und sammelte die
146
Volkslieder dort, wo sie noch lebendig waren. Ob er seine engere Hei*
mat durchwanderte oder zu den Bauerndorfern der jugoslawischen
Batschka auf Fahrt ging, iiberall spiifte er den vef klingenden Weisen
nach, lockte die verborgenen Lieder hervor, ermutigte Frauen und
Madchen zur Treue zu ihrem Volkstum und half die kostbaren Schatze
heben und beleben. Was er heimbrachte, sollte ja nicht Archive fallen,
sondern lebendiger Brauch, greifbarer Besitz werden und letzten Endes
der Ausdruck einer neuen Lebenshaltung, die sich auf organischem
Wege, iiber Familie und singende Gemeinschaft durchsetzen sollte.
Aus den Elementen gesunder Geselligkeit und echter Volkskunst sollte
auch die groBe Kunst neue Kraft und Antriebe empfangen und damit
breiteren Zugang, tiefere Verwurzelung finden. Die Kunst sollte nicht
mehr Kunststiicke fiir Kenner bieten, sondern wieder Kiinderin einer
groBen Gemeinsamkeit sein. In seinem Schaffen hat Helmut Brautigam
diese Aufgabe einer Losung entgegengefiihrt und dazu beigetragen,
eine Briicke iiber das Entweder*Oder von. Volks* und Kunstmusik zu
schlagen.
Als mit der Einberufung zum Wehrdienst seiner Wirksamkeit Gren*
zen gesetzt wurdeh, begann fiir ihn eine Zeit desNachsinnens. Helmut
Brautigam, der ein Meister desWortes war und in vielen formvoll*
endeten Gedichten auch in dieser Kunstgattung sein Konnen bewies,
hat in einer umfangreichen „Weltschau" niedergelegt, wie sich ihm
das Weltgeschehen als Kosmos voll organischer Logik darstellte. Er
ging auch hier wieder aufs Ganze. Goethe und Holderlin waren seine
Fiihrer, aber nicht weniger vertiefte er sich zum Aufbau seines Welt*
bildes in alle Zweige der Natur* und Geisteswissenschaften. Wo ihm
wissenschaftliche Ergebnisse fehlten, griff er unbefangen zur Hypo*
these. Aus seiner Schau spricht der Kiinstler, der in tiefem Griibeln
nach den letzten Zusammenhangen fragt, nicht vom Zweifel getrieben,
sondern vom Wunsch aufzubaueri. Helmut Brautigam war ein glaubi*
ger, zuversichtlicher Mensch, der auch das Negative vom Guten her
sah und ins Positive zu wenden wuBte. Aber er sah die Wirklichkeit.
Als Hintergrund seiner uberlegungen wird die Erkenntnis immer
deutlicher, daB es gegenwartig nicht allein urn ein neues politisches
BewuBtsein geht, sondern um die Erneuerung unserer religiosen Bin*
dung. Auf einsamer Kiistenwache am Atlantischen Ozean sinnt er den
letzten Fragen nach. Der Tod seines besten Freundes Erich Wetzig
priift sein Wollen und lautert seine Erkenntnis. Vielleicht ist er in
- dieser Einsamkeit zum erstenmal ganz zu sich selbst gekommen. Er
sieht nun auch seinen Auftrag neu. Die Kunst muB iiber den Aus*
druck politischer Gemeinsamkeit hinausgehen und neuer Gottesdienst,
147
Mittelpunkt einer kultischen Gemeinschaft werden. So reift in ihm der
Plan zu einem groBen Weihespiel, das die ganze Gesetzlichkeit des
menschlichen Lebens mythisch umspannen soil.
Helmut Brautigam ist an derWende seines Lebens gefallen. Wir
ahnen, daB er in dem kommenden Lebensabschnitt seine Schopfer?
kraft nicht mehr verschwenderisch nach vielen Seiten ausgestrahlt
hatte, sondern in der Hinwendung zu den Scbwerpunkten musikali?
schen Schaffens seine besondere Lebensaufgabe linden wollte. Aber er
war nach einem anderen Gesetz angetreten. Was uns als unfaBbare
Tragik erscheinen mag, war fur ihn, der immer dem Ganzen lebte,
letzte Bewahrung. Er wollte fur das neue Reich, dem seine Lebens*
arbeit gait, auch als Soldat einstehen und bewies mit seinem Sterben,
daB er bereit war, den Weg des politischen Kiinstlers bis in die letzte
Konsequenz zu gehen.
Wie das Leben Helmut Brautigams, so steht auch sein Schaffen in
der Bindung an die Gemeinschaft. Der Grundstoff seiner Musik ist
das Volkslied, seine Ausdrucksform der Kanon. Im Volkslied spricht
sein naturhaftes Volkstum, aber ebenso eingewurzelt und von friihster
Jugend vertraut ist ihm die kontrapunktische Denkweise. Ein drittes
Element ist der rhythmisch*motorische Impuls, der seiner Musik die
belebende Kraft gibt. Die Einheit seines Wesens spiegelt sich auch in
seinenWerken wieder. Sie sind ein organisches Ganzes, werden von
einer rhythmisclwthematischen Grundhaltung durchwaltet. Der pflan«
zenhaften Organik des Lied^Korpers entspricht die organische Logik
des Kontrapunkt*Geistes. Denn der Kontrapunkt ist hier niemals Spie*
lerei oder beliebiges Ausdrucksmittel, sondern Notwendigkeit des
innersten Wesens, eine Gesinnungsangelegenheit. Aus ihm spricht die
strenge Bindung. Er ist niemals Zufall, sondern immer Symbol. Des<
wegen nennt man Helmut Brautigams Stil oft „barock", aber er ist es
nicht durch archaisierende Ruckwendung, sondern als Ausdruck einer
Geisteshaltung, in der die Bindung an die Gemeinschaft ungestort ist.
Die meisten und wohl auch die schonsten Werke hat er fur die
singende Gemeinschaft geschrieben. Sein vokales Schaffen spannt sich
vom einstimmigen Feier* und Soldatenlied iiber schlichte und kunst*
voile Kanons, Volksliedsatze und dreistimmige Madchenlieder bis zum
groBen Chor? und Kantatenwerk. Allein durch seine Volksliedsatze hat
uns Helmut Brautigam UnvergeBliches geschenkt. Sie sind niemals
„Bearbeitungen", die geistreiche Einfalle anbringen wollen, sondern
spiegeln das reine Wesen des Liedes wieder, ja vertiefen meist in der
Linienfiihrung der freien Stimmen seine Schonheit und Eigenheit. Die
gleiche Echtheit zeichnet seine Volksliedkantaten aus, die - oft durch
. 148
Volkstanze belebt - mit urwiichsiger Frische musizieren. Zu dieser
Urspriinglichkeit gehort aucti Helmut Brautigams gesunder Humor.
Auch die Heiterkeit war fiir ihn eine ernste Sache und nichts lag ihm
ferner als Ironie und Persiflage. In seiner Hand erhielt alles Gewicht.
So sind seine Spielmusiken keine Spielereien, sondern wollen bei aller
Unbefangenheit ernst genommen werden. Auch in seinen groBeren
Werken waltet diese Verbindung von volksliedhafter Einfalt und
kontrapunktischer Oberlegenheit. Wenn er in den Feiermusiken und
ernsten Chor* und Kantatenwerken seine Spracbe steigert, erhebt sich
die Musik zu bynanischer GroBe und schreitet mit schlankem, grie«
chischem Pathos und strahlender Leuchtkraft. Als schonstes Beispiel
hierfiir muB wohl der sechsstimmige gemischte Chor „War ich eine
blanke Leier" genannt werden. In der Orgeb und Orchestermusik, vor
allem aber in seinen Kammermusikwerken und Sololiedern ist er ganz
zu sich selbst hingewendet und gibt uns Einblick in den unerschopf*
lichen Reichtum seiner Gestaltungskraft. Sein kontrapunktisches Kon*
nen, dem Joh. Nep. David die letzte Vertiefung gab, karin sich hier
in hochster Vergeistigung entfalten. Und in alien Werken erleben wir
staunend, wie rhythmische Vielseitigkeit und selbstandiges Atmen der
Linien, wie Freiheit und Widerspiel der Einzelkrafte sich doch immer
organisch dem Gesetz des Ganzen fugen.
So steht Helmut Brautigam bei denen, die uns wieder etwas zu sagen
haben. Er spricht fiir uns und wir finden uns in ihm. Seine ganze Kraft
und Hingabe gait der Jugend unseres Volkes. Schpn. deshalb gehort
sein Werk der Zukunft.
B7etktjer3ei(t)me
Das Verzeichnis fiihrt die Werke an, die im Druck erschienen oder daftir bestimmt
sind. Eine groBe Zahl von Jugendwerken oder Werken, .fiir die eine Ufnarbeitung
geplant war, befirtdet sich noch im NachlaB.
Chor< und Kantatenwerke:
2 Motettefi fur funfstimmigen Chor nach Rilke, Werk i (B & H).
4 Weihnachtsmotetten fur vierstimmigen Chor, Werk 4 (B & H).
3 sechsstimmige Chore nach altgriechischen Texten, Werk 12 (B &H).
7 MadchenliederfurFrauenchoraus„DesKnabenWunderhorn",Werk ij(B8H).
Der Baum, j gemischte : Chore nach Joh. Linke (K 6 S).
Lebenslust (Goethe) fur; achtstimmigen Chor (auch als sechsstimmigen Tripeb
kanon) (B 6 H).
i,Lob der Musik",- Kantate fiir Chor, Soli und Instrumente, Werk 7 (K £5 S).
„Die Briefe der Gefallenen" (Langemarck* Kantate) fiir sechsstimmigen Chor und
Orchester (Bias* oder grofies Orchester), Werk 16 (B OH).
149
„Der Krieg stoBt in sein Horn", Soldatenkantate fiir Mannerchor und Blas<
orchester tVo). "'
„Die heilige Stunde" (Hochzeitskantate), Werk 18 (Ka).
„Guten Abend euch alien beisammen" (Quodlibetkantate) (Vo).
„ Von allerlei Tieren", Kantate fiir Kinderchor, 2 Blaser und 3 Violinen (K 8 S).
„Das groBe Saufi und FaBnachts*Quodlibet" fur 1-8 Stimmen (Vo).
Solo*, Kinder* und Volkslieder:
Sommerliederbuch fur Singstimme und Klavier, Werk 9 (Vo).
6 Gesange urn Winter und Weihnachten fiir Alt, Klarinette, Violine und Violon*
cello, Werk 10a (Ka).
3 Lieder fiir Bariton und Streichquartett, Werk 10b (Ka).
18 Kinderlieder fiir Singstimme und Klavier (Vo).
Wiegenlied fur Singstimme und Klavier (B £i H).
3 Weihnachtslieder fiir a) Singstimme und Klavier, b) Frauenchor, o Gemischten ;
Chor (To).
4 Weihnachtskanons nach Baumanniiedern (Vo).
12 Kanons (B &H).
3- historische Soldatenlieder (K & S).
,,Ich spring in diesem Ringe", 10 Volksliedsatze (Vo).
Deutsche Volkslieder aus der jugoslawiscken Batscbka (Ba).
2 j Batschkalieder in Satzen fiir Choi (B & H).
6 lothringische Volkslieder in vierstimmigen Satzen. \
Kammer* und Spielmusik: ■'....■■
Kleine Weihnachtsmusiken fiir Blockflote und Klavier, Werk j (B8 H).
Sonate fur Klavier, Werk 6(B6 H).
2. Sonate fiir Violine und Klavier (B 6 H).
Tokkata fur Orgel, Werk 2 (B & H).
Feiermusik fiir Orgel tiber „Wenn alle untreu werden", Werk 14, 1 (B & H).
Kleine Jagdmusik fur 9 Blaser, Werk 1 1 (B & H). ,
Lieder und Tanze aus Sachsen, 2 Reihen (B & H).
Marsche und Tanze aus Sachsen (in der Reihe „Volk musiziert';) (Nagel)
„Frohliche Musik" fiir / Melodieinstrumente (K £5 S).
„Aufzug" fiir lnstrumente (Ka).
Kleine Musik fiir Streicher (Vo). > '
Musik zu Gedichten von Johannes Linke (Vo).
Grchester musik:
Orchestermusik, Werk 8 (B & H).
Konzert fiir Flote, Oboe, Fagott mit Streichorchester und zwei Hornern, Werk 13
(B&H).
Festliche Musik fiir Orchester (mit SchluBchor „Wenn die Stiirme Leben wek*
ken"), Werk 17 (B & H).
Festlicher Marsch fiir 3 Blaserchore (B &H).
Tanzerische Suite fiir Orchester (B (i H).
Verleger'Angaben : Ba = Barenreiter* Verlag, Kassel — B t) H = Breitkopf £5 Hartel,
Leipzig - Ka = Georg Kallmeyer Verlag, Wolfenbiittel — K&S = Fr. Kistner
F. C. W. Siegel, Leipzig - To = P. J. Tonger, Koln - Vo = Ludwig
* ■■. Voggenreiter Verlag, Potsdam.
150
Fritz Stege
Set Dcutfdjc TRuntifunk im Written Kriegsjaljr
Wenige offentliche Einrichtungen sind mit dem Zeitgeschehen so
eng und innig verbunden wie der Rundfunk. In der jeweiligen An*
passung an die allgemeine staatspolitische und kulturpolitische Lage
ist er als „Stimme der Zeit" der Tagespresse vergleichbar, wie diese
auf Aktualitat, Belehrung und Unterhaltung angewiesen. Aber dar*
iiber hinaus fiillt der Rundfunk mit durchschnittlich 34 taglichen
Sendestunden (Reichsprogramm, Deutschlandsender und Eigen*
sendungen der Reichssender), darunter 2oStundenMusik, weit groBere
Zeitraume aus, als etwa zur Lektiire der allenfalls zweimal taglich er*
scheinenden Tageszeitung benotigt wird. Bei der zweckdienlichen
Auswertung der Suggestivkraft, die dem klingenden Wort, dem musi<
kalischen Ton innewohnt, ist der Rundfunk zweifellos das wirkungs*
vollste und weitestreichende propagandistische Mittel, das in der
Schnelligkeit der Ubertragung und in der Erfassung abgelegenster
Gebiete desErdballs jeder anderweitigenVerbreitungsart iiberlegen ist.
Der Krieg stellte den Sendebetrieb der Reichs*Rundfunk*Gesellschaft
vor neue Aufgaben und Probleme. Es gait vor allem, die Verbindung
zwischen Front undHeimat aufs engste zu befestigen. Der Rundfunk
soil, wie sich Reichsminister Dr. Goebbels auBerte, den Soldaten und
alien, die ihre Kraft im Dienste des Vaterlandes verbrauchen, „ein
guter Freund und Kamerad" sein, „eine Aufmunterung und ein An;
sporn, ein standiger Begleiter durch die Fahrnisse des Krieges. Be«
lehrend und aufklarend soil er wirken in den groBen Fragen der Zeit.
Wenn die Stunde da ist, soil er die Herzen erheben und die Gewissen
aufriitteln. Er soil den Feind attackieren, wo er sich zeigt. Er soil die
Interessen des Vaterlandes verteidigen, wenn das notwendig erscheint.
Den Ernst soil er ernst und die Heiterkeit heiter nehmen". Bei der
Gestaltung des Alltags soil uns der deutsche Rundfunk „ein treuer
Heifer sein".
. In politischer und sozialer Hinsicht hat der deutsche Rundfunk
Leistungen vollbracht, die vielleicht erst jetzt die Notwendigkek und
Unentbehrlichkeit dieser Einrichtung im vollen Unifang erkennen
lassen, Eine solche Auswertung aller Moglichkeiten, die von erfinderi<
151
schen, propagandistisch leistungsvollen Personlichkeiten erwogen
wurden, ist die groBte Errungenschaft des Rundfunks im! Kriege.
Somit ist es selbstverstandlich, daB auch im dritten Kriegsjahr die
Erfahrungen der ersten beiden Jahre nicht allein zugrundegelegt,
sondern noch wesentlich erweitert wurden. Es zeugt fiir den ungebro*
chenen Kulturwillen der Nation, wenn im Jahr 1942 auf dem kiinst*
lerischen Sektor einschneidende MaBnahmen durchgefiihrt werden
konnten, die mit ihrer Neugestaltung des Sendeprogramms eine
wesentliche Bereicherung und Auf lockerung der bisherigen Vortrags*
folge bedeuteten.
Das entscheidende Problem, das durcb. die bekannte Einteiiung in
zehn Sendegruppen gelost wurde, bestand in der sinnvolien Aus*
balancierung von Ernst und Heiterkeit, von konzertanter und tanze*
risch*unterhaltsamer Musik - ein Problem, das bereits so alt ist wie
der Rundfunk selbst. Denn stets werden die Freunde der leichten
Muse dem Rundfunk bei gehaltvolleren Sendungen eine ungemigende
Beriicksichtigung ihrer Interessen zum Vorwurf machen, und der
anspruchsvollere Horer wird sich iiber die Fiille von Unterhaltungs;
sendungen beklagen. DaB es iiberhaupt zu diesen Gegensatzen kom*
men konnte, liegt in der Natur des Rundfunks begriindet. Der
Konzertbesucher nimmt an der Auffuhrungsstatte stilistisch ein*
beitliche Programme entgegen, obne erwarten zu miissen, daB das
Symphoniekonzert nach einer kurzen Schaltpause in ein heiter.es
Unterhaltungsprogramm iiberblendet. Der Rundfunk, der sich nicht
an bestimmte Horerkreise, sondern an das ganze Volk wendet, muB
dasMischprogramm seinen Sendungen zugrunde legen, das jedem
etwas bietet. Derartige Selbstverstandlichkeiten verdienten nicht aus*
gesprochen zu werden, wenn von einsichtsloser Seite nicht immer
wieder Forderungen an den Rundfunk herangetragen wurden, die
seinem Charakter widersprechen. Eigenwiinsche haben vor den allge;
meinen Aufgaben des Rundfunks und den zeitbedingten Gegeben*
heiten zuriickzutreten.
Eine andere Frage, die in diesem Zusammenhang gerade im letzten
Jahr vielfach aufgeworfen wurde, gilt der angeblich „stilwidrigen"
Vermischung von ernster und heiterer Musik im Rahmen ein und
derselben Sendiing, wie sich etwa bei den Sendereihen „Fortsetzung
folgt" oder „Fvir jeden etwas" zeigte. Aber auch hier bleiben Grenzen •
des Geschmacks durchaus gewahrt, und keinem Horer wird zuge*
mutet, eine plotzliche innere Umstellung von einem Symphoniesatz
zu einem Schlager zu vollziehen. DaB allerdings die . Schranken zwi*
schen schwerer und leichter Kost verwischt werden und ein gutes
152
Unterhaltungsstiick neben ein gehaltvolles Werk ernsteren Charakters
tritt - wer wollte diesen an sich erfolgreichen und notwendigen Ver*
such der Uberbrii'ckung von zumeist nur in unserer Einbildung be*
stebenden Gegensatzen zwischen ernster urid heiterer Kunst beklagen?
Vielleichtist der gesamte Charakter unserer Zeit wendiger und volb
zieht innere Umstellungen schneller, als es in vergangenen Jahrzehnten
der Fall war. Bemiihen wir uns aber; den erzieherischen Wert solcher
Mischprogramme nicbt zu verkennen. Der Volksgenosse, der keine
eigene Kunstanschauung besitzt und aus allzu ausgedehnten Sendun*
gen symphonischer Musik nicht viel mehr als die sattsam bekannten
Vorurteile gegen „Moll" und „Opus" gewonnen hat, gelangt zu einer
neuen und besseren Einstellung, wenn ihm eine Beethoven^Romanze
oder ein kleiner Quartettsatz von Schubert zwischen einem StrauB*
Walzer und einem neuzeitlichen, gehaltvollen Unterhaltungsstiick
begegnet. Plotzlich ist ja die klassische „Opusmusik" gar nicht mehr.
so langweilig, wie es ihm das MiBtrauen vorgetauscht hatte — ja, es
bereitet sogar Vergniigen, ein Tanzchen von Haydn oder Serenaden*
musik von Mozart zwischen Tanzstiicken j lingerer Herkunft „mit*
zunehmen".
Man hat im letzten Jahr beispielsweise den Versuch unternommen,
Vorurteile diirch indirekte erzieherische Beeinflussung mit Hilfe der
wenig beachteten und doch so iiberaus wichtigen „Ansage" zu be*
seitigen, etwa dadurch, daB die Aufmerksamkeit auf Nebenumstande
gelenkt wurde wie die ,,artistische" oder „technische" Leistung, die
zur Bewaltigung der Rosineh*Arie oder der Figaro^Arie erforderlich
ist. Amiisant sind dann Zuschriften mit Hoferwiinschen aus Soldaten;
kreisen mit der Bitte, doch noch einmal jeries Stiick vorzutragen,
worin mit so unglaublicher Fixigkeit gesungen werde.
Die erzieherische Bedeutung des Rundfunks liegt auf der Hand -
auch in solchen Fallen, in deneri der Laie ohne Kenntnis der tieferen
Zusammenhange eine kulturpolitische Beziehung der Vorgange am
Mikrophon vielleicht gar nicht ahnt. Die Fanfaren der Sondermeh
dungen sind uns langst vertraut, sie haben aber mit dazu beigetragen,
ahnlich wie die musikalischen Ankiindigungen der Frontberichte, die
neuen Fanfaren des „Zeitspiegels", das „Gutenac'ht<Lied" um 24 Uhr,
nicht zuletzt die neuen Volkslieder (U*Boot«Lied u. a.) in ihrem Ein*
satz innerhalb der Tageseireignisse ein lebendiges Brauchtum zu
schaffen, das unmittelbar vom Rundfunk in das Volksleben dringt.
Der Rundfunk als kulturpolitisches Instrument — der Rundfunk als
Erzieher des Volkes — der Rundfunk als lebendiges musikalisches
Echo unserer Zeit - furwahr, die Zahl der Gesichtspunkte, unter
153
denen der Sendeplan aufgestellt wird, gibt zu den vielseitigsten An*
regungen und Erorterungen AnlaB und laBt sich auf wenigen Druck*
seiten gar nicht erschopfend genug behandeln. Der Rundfunk ist heute
das fortschrittlichste Instrument und geht von anderen Vorausset*
zungen aus als die Oper und das Konzertleben. Einst begniigte man
sich damit, Opern und Konzerte in Nachahmung der allgemeinen
Musiktatigkeit zu senden. Heute wechseln die Sendeformen in stetiger
Entwicklung und Vervollkommnung, wahrend die Erscheinungsform
der Oper, des Konzertes gewissen Grenzen unterliegt, deren Auf*
hebung zur Selbstverneinung fiihren wiirde. ,
Seit dem i.Marz 1942 verfugt der Reichsrundfunk wieder iiber
• zwei verscbiedene Sendeprogramme, und die Frage der Auswagung ver*
schiedener Musikgattungen hat damit eine befriedigende, )a begeistert
aufgenommene Losung gefunden. Reichsminister Dr. Goebbels iiber*
trug dem Generalsekretar der Reichskulturkammer, Ministerialdirek;
tor Hans Hinkel, die kunstlerische Betreuung des Programms, und
die bereits erwahnte Gruppeneinteilung erwies sich als bedeutungs*
voile praktische Neuerung. Die einzelnen Gruppen erhielten folgende
Aufgaben:
Gruppe A: Leichte Tanz* und Unterhaltungsmusik, verantwortlich :
Georg Haentzschel.
Gruppe B : Gehobenere Unterhaltungsmusik, verantwortlich: Franz
Grothe.
Gruppe C: Allgemeine volkstiimliche Unterhaltung, verantwortlich:
Werner Plucker.
Gruppe D : Kabarettistische Sendurigen, verantwortlich : Giinther
Schwerkolt. '
Gruppe E : Unterhaltungssendungen vornehmlich fiir die Front, ver;
antwortlich: Heinz Goedecke.
Gruppe F: Leichtere, populare klassische Musik, verantwortlich:
Fritz GanB. ■ [
Gruppe G: Ernste, aber allgemein verstandliche Musik, verantwort*
lich: Generalmusikdirektor Rudolf Schulz*Dornburg.
Gruppe H: Musikalische Solisten, verantwortlich: Prof. Michael
Raucheisen.
Gruppe I: Kunstlerische Wortsendungen, verantwortlich: Theodor
Loos.
Gruppe K: Schwere, weil unbekanntere klassische Musik, verantwort*
lich: Dr. Gerhart v.Westerman.
Gesamtleitung : Chef vom Dienst, Dr. Martin Schonicke.
Diese neue „Programm»Redaktion" unter der „Hauptschriftleitung"
154 !
:l
einer volkserfahrenen und volksverbundenen Personlichkeit stellt in
ihrem auBeren Aufbau eine bewuBte Parallele zur Tageszeitung dar.
Wie das tagliche Nachrichtenblatt wendet sich der Rundfunk an alle,
um jedem etwas zu bieten, und wie das Auge des Zeitungslesers iiber
die vielen Sparten von Politik zum Feuilleton, vom Zeitgeschehen zur
Unterhaltung und Belehrung gleitet, so sprechen auch zum Ohr des
Rundfunkhorers alle jene Einzelgebiete, aus denen die Welt der Klange
besteht und deren Benennung der lebendigen Praxis entwachsen ist.
Und gerade diese Voraussetzung mag die Bedenken einzelner Uber*
schlauer zerstreuen, die vielleicht glauben, jedes Musikstiick werde
zunachst einmal etikettiert und rubriziert, je nachdem ob die unter*
haltenden Werte einen „leichten", „gehobenen" oder „volkstunv
lichen" Charakter tragen, und die der Meinung sein konnten, das
„Leichte" lieBe sich niemals „heben", und die „unbekannte" klassi*
sche Musik konne niemals in die Klasse der „bekannten" eingehen.
Derartige Uberlegungen sind geistvolle Spielereien, denen keine
praktische Bedeutung beizumessen ist. Entscheidend ist die lebendige
Idee, die das Musikgeschehen durchdringt und tragi, nicht aber der
musikalische Einzelwert der Gattung, der vielleicht in den ersten
sechzehn Takten „gehoben" anmutet, aber von Seite 3, Takt 4 an
„leichte" Tone anschlagt.
Wie in der Tageszeitung tritt auch im Rundfunk der verantwortliche
Sachbearbeiter hinter seiner Leistung zuruck. Wer unter den Lesern
hat wohl je einen Blick auf das „Impressum" geworfen, um festzu*
stellen, wer eigentlich fur den Unterhaltungsteil, fur Politik verant*
wortlich zeichnet? Lediglich in der Auswahl und Zusammenstellung
des Inhalts auBert sich der personliche EinfluB des Schriftleiters.
Wenn nunmehr auch der Rundfunk eine ahnliche Einrichtung ge*
schafien hat, so ergibt sich aus dem freien Wettbewerb von zehri
gleichgestellten Ressortleitern eine wesentliche und sogar ausschlag*
gebende Bereicherung des Rundfunkprogramms. Denn das natur*
gegebene Ziel dieser Entwicklung ist die Herausbildung und Ver*
tiefung der personlishen Note, die jeder Gruppenleiter fiir seine
Sendungen in Anspruch nimmt. Je nach den personlichen Erfah*
rungen und der organisatorischen Begabung wird der verantwortlich
Zeichnende seinen Ehrgeiz darin bekunden, der eigenen Sendung
einen ausgepragten Charakter zum Unterschied von anderweitigen
Darbietungen zu geben.
Einige Einzelheiten mogen zur Charakterisierung dieser grundsatz*
lich neuen Programmgestaltung dienen. '
Jeder, der sich bemiiBigt fuhlt, zu den Sendungen des letzten Halb*
155
jahres eine kritische Stellung einzunehmen, muB sich immer wieder
die Tatsache vergegenwartigen, daB der Rundfunk im Kriege auch
auf kiinstlerischem Gebiet Aufgaben besonderer Art zu erfiillen hat,
die weit iiber die Interessen einzelner Kreise oder Richtungen hinaus*
geben. An die Stelle musikalischer Experimente hat weitgehend die
Efheiterung und Entspannung zu treten, deren die auBere' wie die
innere Front bedarf. Dem gleichen Bedurfnis entspricht die Ein*
schrankung des gesprochenen Wortes (Horspiel) gegenuber dem Ton.
In starkerem, MaBe wird durch die Aktivitat der Gruppe Raucheisen
das gesungene Wort in Liedsendungen reizvoll intimen Charakters
mit Meistern der Sangeskunst gepflegt.
. Obgleich letzten Endes jede Sendung dazu bestimmt ist, das Ohr des
Frontsoldaten zu efreichen, hat es sich als notwendig erwiesen, solda*
tische Sondersendungen einzurichten, in denen spez'iell auf die
Psyche des Frqntkampfers eingegangen wird. Neben einigen bereits
abgelaufenen Sendereihen wie „AmWachtfeuer", „AHes herhoren"
u. a. sind hier auf der Kurzwelle die beliebten Sendungen , A n ker*
spill" und „Blinkfeuer Heimat" zu nennen, die von unseren Marine*
Einheiten in allerWelt abgehort werden. .
Es gibt s'chlechterdings keine kiinstlerische Gelegenheit des Tages*
geschehens, die sich der Rundfunk entgehen lieBe, keine Gattung
der Musik, von der neuerdings besonders beriicksichtigten Filmmusik
bis zu den Berliner Furtwangler*Konzerten, die riicht im Rundfunk*
programm vertreten ware.
Ob Bayreuther und Salzburger Festspiele iibernomnien, Berliner
Kunstwochen iibertragen und durch eigene Yeranstaltungen erganzt
werden, ob beruhmte Dirigenten des In* und Auslandes eingeladen,
Sendereihen mit neuen Werken der im Felde stehenden Komponisten
veranstaltet, ob Opern und Qratorien dargebracht werden oder ein
neues „Tanz* und Unterhaltungsorchester" eine maBgebliche Rich*
tung des Tahzmusikstils begriindet — iiberall beweist der Rund*
funk Zeitnahe und kiinstlerische Hohe. Mit diesen beiden
Begriffen steht das Programm des Rundfunks auf gesunden, ertrag*
reichen Grundlagen.
156
Fritz Heitmann
Sie £)rgel - tuts fnftrument unfetet Zeit
Vor kurzem sind als ausgedehnte gewichtige Veranstaltung die „Ben
liner Orgeltage" abgeschlossen worden. Sie brachten eine Ubefschau
iiber die heute auf dem Gebiet der Orgelmusik wirksamen Krafte.
Wohl fiir alle Teilnehmer der Tagung hat sicK die' Uberzeugung
ergeben, da8 diese Veranstaltung mehr war als die Nebeneinander*
stellung einiger beliebiger Orgelkonzerte. Jedem Unvoreingenoms-
menen wird klar geworden sein, daB die Berliner Orgeltage, die sich
ausschlieBlich mit dem orgelmusikalischen SchafFen unserer Tage be*
fafiten, gleichsam eine Kristallisation des musikalischen Geschehens
der Gegenwart iiberhaupt darstellten, daB die musikalischen Energien
unserer Zeit hier gesammelt in die Erscheinung traten.
1st es nicht gewagt, eine derartig kiihne Behauptung aufzustellen
angesichts eines Instrumentes, das als das alteste und iiberlieferungs;
reichste seine Sendung schon langst erfiillt zu haben schien, in einer
Zeit, inder iiberalterteWerte durch jugendkraftigeAntriebe stiirmisch
beiseitegedrangt oder vernichtet werden? 1st es moglich, der Orgel
den Rang einer „Konigin der Instrumente", den sie einst besessen,
heute ohne Ein'schrankung wieder zuzuerkennen?
Die Berliner Orgeltage sind keine Einzelerscheinung. In diesem
Jahre erst boten die Breslauer und darauf die Erlanger Orgeltage einen
stolzen Uberblick iiber die in der deutschen Orgelkunst beschlossenen
musikalischen Werte. Und nicht fiir einen kleinen Kreis von Kennern
und Liebhabern des Instruments ofihete sich hier der Zugahg zu einem
verhaltnismaBig abseitigen Gebiet der musikalischen Kultur, sondern
wie bei groBen stadtischen Veranstaltungennahm die gesarrite musi*
kalische Bevolkerung teil an dem Reichtum kiinstlerischen Lebens,
der sich in den Werken der groBen Meister aller Zeiten auf der Orgel
entfaltete. ~ ■
Der Auftrieb des orgelmusikalischen Lebens, der etwa nach dem
ersten Weltkriege 19 14/18 seinen Anfang genbmmen hat, verlauft in
einem deutlich wahrnehmbaren Crescendo bis in die Gegenwart.
Handelte es sich bei den groBen Orgeltagungen in Hamburg, Freiburg
i. Br. und Freiberg i. Sa. in den zwanziger Jahren, die alle Fachleute
157
dieses Gebietes aus dem Reich um sich versammelten, hauptsachlich
urn ein Durehkneten der Bauprobleme des Instrumentes, die durch
eine grundsatzliche Veranderung des orgelmusikalischen Wollens her*
vorgerufen waren, so beobachten wir seitdem ein standiges Wachsen
der musikalischen Anziehungskraft der Orgel auf die junge Kompo*
nistengeneration, die weit mehr als in friiherer Zeit in dem mystisch*
obertonreichen Klange der Orgel das ihr gemaBe Ausdrucksmittel
erkennt.
Die Orgel ist wieder eine Orgel geworden! Etwa seit den Tagen
Joh. Seb. Bachs stand das Instrument in einer ihm musikalisch sich
immer mehr entfremdenden Welt und daher allerlei An* und Ein*
grifien in seinen klanglich*dispositionellen Aufbau ausgesetzt, ziemlich
vereinsamt und kaum beachtet da. Hin und wieder, wie in den Tagen
der musikalischen Romantik, begeisterte sich ein hervorragender
Musiker (wie etwa Schumann oder Brahms) fur die Reckenhaftigkeit
des Instruments und lieB sich von ihm zu vereinzelten kompositori*
schen Gaben entziinden. Die riesenhafte Gestalt Max Regers umfaBte
spater die Orgel mit der ganzen Inbrunst musikalischen Schopfertums,
hinterlieB ihr bedeutendste Werke und stellte mit ihnen die Orgel
wieder mitten in den Strom des musikalischen Lebens. Dennoch ist
auch er eine Ausnahmeerscheinung gewesen, ein groBer Unzeit*
gemaBer, bei dem die stets geheimnisvoll wirksam gebliebene magische
Kraft der Orgel sich in zum Teil ungeheuren expressionistisch*musika*
lischen Entladungen geauBert hat, die den Rahmen des der Orgel ge*
maBen Klang* und Musizierstiles zeitweilig fast zu sprengen drohten.
Ein Daruberhinaus konnte es nicht geben, und die Folgezeit wandte
sich von den . fur die klangliche Deutung der Regerschen Werke
charakteristischen Ausdrucksmitteln der Orgel (wie Register* und
Jalousieschweller, Massierung der Register) ab mit dem Bemuhen, das
Wesen der Orgel wieder in volliger Reinheit und Urspriinglichkeit,
wie es sich in den Werken der klassischen Meister geauBert hatte, zur
Geltung zu bringen. Seit dem groBen Besinnen in den Zeiten der
Orgeltagungen hat eine durchgreifende Erneuerung des Klangkorpers
der Orgel nach der architektonischen Seite eingesetzt, und wir konnen
heute wieder auf Orgeln musizieren, die von ihrer Eigengesetzlichkeit
als Instrumente wie die klassischen Werke der Orgelbauer Schnitger
oder Silbermann in begliickender Weise zu iiberzeugen vermogen.
Der Zug der Zeit zur Orgel ofFenbart sich in den sehr eindring*
lichen Bemiihungen um das Instrument und in dem heutigen reichen
und wesenhaften Schaffen auf dem Gebiet der Orgelmusik iiberaus
deutlich.; Alle Erscheinungen kultureller Art werden ja getragen von
158
1
gewaltigen Lebensstromen, die alles ihnen nicht GemaBe auf geistigem
Gebiet sehr bald, in Frage stellen wiirden. Unsere harte Zeit, die das
Schicksal des gesamten Volkes vor das Ergehen des Einzelnen zu stellen
hat, pragt alien kiinstlerischen Neuschopfungen ihren gebieterischen
Stempel auf. Im Bereiche der Baukunst entstehen Monumentalbauten
groBten Stiles, fernab jeder biedermeierlich*besinnlichen, romantisch*
vertraumten oder altertumlich*verschn6rkelten Bauweise. Auf dem
Gebiete des Monumentalinstrumentes der Orgel wird schon im rein
AuBer lichen des Prospektes die zweckhafte Sachlichkeit gegeniiber
dem barocken Uberschwang friiherer Orgelansichten betont. Uberall
in der Kunst erkennt man den Willen zum Uberpersonlichen unter
Abweridung von der Darstellung subjektiver Empfindsamkeiten. Das
ist in der Musik die Aufgabe der Orgel, und es ist kein Zufall, daB
dieses Instrument von jeher bei groBen kultiscben Feiern als Dolmetsch
musikalischer Gemeinschaftsempfindungen betrachtet wurde. Auch
heute sind ihr bei den groBen nationalen Feiern besondere Aufgaben
gestellt, und nicht umsonst nimmt sich die Hitlenjugend der Orgel
als ihres Instrumentes in nachdriicklicher Weise an. Man darf also
wohl sagen, daB die Orgel in starkem MaBe im Leben des Volkes
verankert ist, und erwarten, daB aus diesem breiten gebrauchsmusika*
lischen Untergrunde kiinstlerische Hohenwerke wie in friiheren Zeiten
der Orgel entwachsen werden.
Die anfangs erwahnten Berliner Orgeltage haben eine voile Erful*
lung dieser Erwartung gebracht. Die gegenwartig auf kompositori*
schem Gebiet in Deutschland fuhrenden Personlichkeiten waren in
dieser Veranstaltung mit Ofgehverken vertreten, die man zurri besten
musikalischen Geistesgut unserer Zeit zahlen wird. In Ankniipfung
an die Orgelformen Bachs und die Werke der vorbachischen Organic
sten wurde uns in Kompositionen von Joh. Nep. David,, Hugo Distler,
Gustav Geierhaas, Hermann Grabner, Karl Hasse, Hans*Friedrich
Micheelsen, Werner Penndorf, Ernst Pepping, Eberhard Wenzel neben
Werken von mehr gebrauchsmusikalischer Pragung von Helmut De*
gen, KurtFiebig, Friedrich Hark, KurtHessenberg,Hans«OskarHiege,
Friedrich Hogner, Karl Holler> Armin Knab, Siegfried Reda und Jo*
hannes Weyrauch ein Orgelfruhling beschert, der alle Anstrengungen
und Bemiihungen um seine KlangWerdung reichlich belohnte.
Charakteristisch fiir dieses OrgelschaiFen auf breitester Linie ist das
VorstoBen in ganz neue musikalische Bezirke. Hier regt sich wirklich
und zumeist in den strengsten Formen der Orgelpolyphonie das musi*
kalische Wollen unserer Zeit. DaB die schaffende Jugend sich zum
Teil sehr radikal gebardet und Probleme neben Probleme stellt, darf
159
man ihr nicht veriibeln. Diese Probleme zeigen uns nur den Tiefgang
der groBen schopferischen Wellean, die zur Zeit die Orgel uberflutet
und machen deutlich, wie stark die Auseinandersetzung hervorragen*
der Geister mit der Orgel und ihrem Wesen heute ist. Wehn also bei
einmaligem Erklingen die, kiihn*gezackte und herb ineinander ver*
schrankte Polyphonie etwa Joh. Nep; Davids in ihrer unerbittlichen
formalen Logik nicht jedem Horer sofort die ihr zugrundeliegende
musikalische Vision vermittelt, so ist dies kein Grund, an der ganz
auBerordentlichen Potenz dieser Werke zu zweifeln. Nur ganz ein*
gehende Beschaftigung mit ihnen wird zum vollen Verstandnis fuhren,
und sowohl der Ausdeuter solcher Musik, der sich mit dem restlosen
Einsatz seiner Personlichkeit dieser Werke anzunehmen hat, als auch
der Aufnehmende miissen die Verpflichtung in sich spiiren, diese tief*
griindigen Schopfungen sich ganz zu eigen zu machen. Ein Einhoren
in diese neue musikalische Welt ist unter alien Umstanden erforderlich
und ein hoher Grad von Wachheit und Bereitwilligkeit, sich solches
Neuland zu erobern. Wenn Ernst Pepping in seiner ,jStilwende der
Musik" fur seine Kompositionsweise den Anspruch erhebt, in ganz
neue musikalische Bereiche vorzudringen, so wird man verstehen, daB
auf dem so uberlieferungsreichen Instrument der Orgel Geduld und
Ausdauer zum Einleben in diese Bereiche am allermeisten zu fordern
sind. Fiir den an der Orgelkunst iiberhaupt interessierten und fur neue
musikalische Werte aufgeschlossenen Menschen hat sich mit den Ben
liner Orgeltagen ein auBerordentlicher musikalischer Reichtum auft
getan. Wer an die Zukunft der deutschen Musik glaubt, wird sich mit
den dort gehorten Werken zumindest auseinandersetzen miissen und
ihre Phantasieweite und ungewohnliche kiinstlerische Spannkraft er>
kennen.
Der Orgel als konzertierendes Instrument gait das EroffnungS'
konzert der Tagung. Welch prachtvoll musizierenden Stiicke sind die
beiden Concert! von Ernst Pepping! Man wird an den Musizierstil des
alten Concerto grosso erinnert und fiihlt sich.doch getragen von einem
rhythmisch*musikalischen FlieBen modernster Pragung. Hier werden
iiberlieferte Formen wie Praludium, Fuge, Passacaglia, Canzone, Cha<
conne mit einer Oberlegenheit gehandhabt, die in ihrer Kiihnheit und
der Fiille ihrer musikalischeri Gesichte ihresgleichen sucht.. Welch ein
Kunstwerk dann das geistliche Konzert ( ,Es sungen drei Engel ein
siiBen Gesang" von Joh. Nep. David! Wie herrlich singt es in dem^
Mittelsatz, und wie natiirlich schlieBen sich die Ecksatze in einer
Chaconnenfuge und einer mit kanonischen Fiihrungen durchsetzten
Toccata uni den tragenden Cantus firmus des geistlichen Liedes!
160
Immer wieder bricht bezeichnenderweise in diesen Kompositionen die
Sehnsucht zur Melodie sieghaft durch stark formgebundene Elemente
der Komposition durch. Aucb der Mittelsatz des neuen Orgelkonzer*
tes von Hans*Eriedrich Micheelsen, eines auBerst lebendig'en Werkes
von ungebundenster konzertanter Haltiing, singt sich in fast liedmaBig*
romantischer Weise aus.
Dann der Abend der groBen Choralbearbeitungen! Das Lehrstiick
Joh. Nep. Davids iiber „Christus, der ist mein Leben" : ein geheimnis*
reiches Werk, in dem kiihnste formal e Satzkunst Ausdruck mystischer
Entriicktheit und eines visionaren musikalischen Schauens geworden
ist, das nur in dieser Formung zum Klang kristallisieren konnte. Wie
groB auch die Bearbeitung def alten Melodie vom Tode „Mitten wir
im Leben sind" von Ernst Pepping - in seiner Herbheit und drama*
tisch*musikalischen Wucht ein packendes kiinstlerisches Zeugnis un<
serer toddurchwehten Zeit! Hugo Distlers Partita „Nun komm' der
Heiden Heiland" und ebenso die Variationen „Was mein Gott will'
von Werner Penndorf umspielen in lockerer rnusikalischer Schreib*
weise die alten Lieder und zeugen nicht minder von ziindender kom*
positorischer Intuition. ,
Wie manches ware iiber die kleinen Choralbearbeitungen, die den
tragenden Unterbau auch des heutigen orgelmusikalischen Schaffens
bilden, zu sagen! Uberall bemerkt man ein musikalisches Gestalten
aus dem Geiste der Gegenwart, der den vielen Tonsetzern die Feder
gefiihrt und alien Kompositionen eine irgendwie gemeinsame Note
gegeben hat. Die strenge Baugesinnung der Alten ist im Kompositions*
stil dieser Kleinformen bei der jungen Generation weithin wieder
lebendig geworden, und bei aller Neuartigkeit der Zusammenklange
spurt man die Ehrlichkeit der polyphonen Linienfiihrung und die
innere Notwendigkeit auch dissonanten musikalischen Ausdrucks. Un*
moglich, bei der Fiille der Darbietungen in diesem Rahmen auf alle
Einzelheiten einzugehen. Als Besonderheit erklang in der letzten
Orgelveranstaltung Joh. Nep. Davids Introitus, Choral und Fuge iiber
ein Thema von Anton Bruckner fur Orgel und neun Blaser. Das ist
ein Monumentalwerk von unverkennbarer GroBe! Wie hier der feier*
liche Klang- des koniglichen Instruments mit dem der Horner, Trom*
peten und Posaunen im strengsten Fugenstil mit* und gegeneinander
konzertierend auf den Gipfel eines Kathedralbaues in Toneia gefiihrt
wird, das ist bewundernswert und in der Musik unserer Zeit von er*
eignishafter Bedeutung.
Deutschland, von jeher das fiihrende Land der Orgelmusik, ist auf
diesem Gebiet in weiterem steilen Aufstieg begriffen, wenn die hervor*
/ 161
ragendsten Komponisten unserer Zeit das Instrument mit solchen
Gaben beschenken. Wahrend die Orgel in den iibrigen europaischen
Landern und jenseits des Ozeans nicht selten noch verurteilt ist, einer
wenig orgelgemaBen Kompositionsweise zu dienen oder gar die kiim?
merliche Rolle eines Ersatzinstrumentes zu spielen, entfaltet sie heute
in unserem Vaterlande die ganze urspriingliche Kraft ihres Wesens
und entwickelt sich mit einer Fiille bedeutender arteigener Werke zum
modernsten Instrument unserer Zeit. Wir haben es nicht notig, auf
der Orgel Anleihen aus anderen Instrumentalgebieten zu machen,
um musikalisch wirksam zu werden (wie ich es z. B. vor einigen Jabren
in Nordamerika mit Klaview und Orcbesterwerken in Orgelkonzerten
erlebte) ; wir konnen die Werke unserer Orgelklassiker in ibrer herben
Eigenart und ohne Verzerrung auf der Orgel sprechen lassen und sind
trotzdem oder gerade deswegen weitgebenden Verstandnisses sicher.
DaG es moglich ist, zum Vortrag eines fiir ( den Horer so iiberaus am
spruchsvollen Werkes wie des dritten Teiles der „Klavieriibung" von
Joh. Seb. Bach jeweils Tausende von Horern um die Orgel zu ver<
sammeln, beweist" die tiefgreifende Wirksamkeit des Instruments, das
heute mit seinen erhabenen Klangen die Seele unseres Volkes sowie
den schaffenden Genius unserer erlesensten musikalischen Geister in
starkstem Mafie wieder beriihrt und daher mit Recht das Instrument
unserer Zeit- genannt werden darf.
162
Hellmuth von Hase
Hbet Hie <£intiurgeumg neucr Wttkt
im Honjertfaal
Wollte man zahlenmaBige Erhebungen dariiber anstellen, wie viele
der Bijcher, die em Durchschnittsleser im Laufe der Zeit liest, im
20. Jahrhundert geschrieben sind und wie viele aus friiheren Jahr*
hunderten stammen, so wiirde man zweifellos feststellen, da8 dem
zeitgenossischen Schrifttum im allgemeinen bei weitem der Vorzug
gegeben wird. Im Gegensatz hierzu zeigt ein Blick auf die Spielfolgen
des Konzertlebens der Gegenwart, daB die Musik unseres Jahrhunderts
meist riur mit einem recht geringen Bruchteil vertreten ist. Es wiirde
Sache des Statistikers sein, hierfiir genauere-Zahlenangaben zu bet
schaiFen. Sicher ist aber, daB der zeitgenossische Schriftsteller in weit
groBerem Umfange zu seiner Mitwelt spricht und von dieser gehort
wird, als der ernste Tonsetzer unserer.Zeit. Es soli hier nicht erortert
werden, inwieweit die zeitgenossischen Komponisten oder ihre Horer
an dieser Tatsache „schuld" sind; vielleicht sind die Klangvorstel*
lungen der modernen Tonsetzer den Ohren der Horer um Genera?
tionen voraus — vielleicht sind auch die Horehden in ihrer Aufnahme?
fahigkeit den Tonschopfungen der Gegenwart gegeniiber um Jahr»
zehnte „zuriick" — gleichviel, es fehlt an der rechten Verbundenheit,
und beide Teile sind meist miteinander etwas unzufrieden.
Das war nicht immer so. Bis zum Ende des 18. jahrhunderts war die
Musikpflege fast durchweg eine zeitgenossische. Der Tonsetzer schrieb
Gebrauchsmusik fur seine Zeit, zumeist im Rahmen eines Amtes oder
Auftrages; die Horer lebten im musikalischen Geist ihrer Zeit und
gingen mit. Erst die entwickelte Vervielfaltigungstechnik des 19. Jahr* ,
hunderts gestattete den Kapellen und den einzelnen Kiinstlern, sich
ein „Repertoire" zuzulegen und nun auch die Kunst alterer Meister
regelmaBig zu pflegen. Die GroBmeister der Klassik und Romantik
konnten sich nunmehr auf lange Zeit feste Platze in den Konzert*
programmen sichern und diese allmahlich nahezu ganz ausfulleii. So
war es um die letzte Jahrhundertwende schon dahin gekommen, daB
die Wiedergabe eines zeitgenossischen Musikstiickes ein bedeutsame*
res Ereignis bildete, das als „Erstauffuhrung" oder gar „Urauffuh*
' rung" betont herausgestellt wurde. Nur einige wenige Uberragende
163
konnten sich zu einer Art zeitgenossischer „Programm*Klassiker" ent*
wickeln und sich neben den alteren Klassikern einen festen erheblichen
Anteil an den Spielfolgen sichern. Das Programm der Symphonies
konzerte von heute besteht jedenfalls im wesentlichen aus Werkeri
einiger Weniger: Haydn, Mozart, Beethoven, Schubert, Schumann,;
Brahms, Bruckner, Richard StrauB und eben noch Max Regef - alles
iibrigeVorhandene erfahrt ab und zu „ehrenvolle Erwahnung", so bei
60. und 70. oder 100. und 200. Geburtstagen, bei der Verleihung der
Goethe*Medaille und beim Sterbefall; damit ist dann wieder auf Jahre
hinaus der Pflicht geniigt worden !
Es ist der Pioniertatigkeit des ehemaligen Allgemeinen Deutschen
Musikvereins und nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus
den Kulturbehorden des Reiches, haufig aber auch der eigenen Initia*
tive und dem spontanen Einsatz zeitverbundener Dirigenten und fort*
schrittlicher Konzertvorstande zu danken, wenn allmahlich die Ein*
sicht wuchs, daB man dem SchafFen der Zeitgenossen wieder einen
breiteren Platz auf den Spielfolgen der Konzerte einraumen miisse.
Allein das gute Beispiel blieb zumeist vereinzelt und fand nicht ge*
nug Nachahmer; und schlieBlich schlug die chronische Interesselosig*
keit an moderner Musik in eine andere Untugend um: in den „Ur*
auffuhrungs*Fimmel" der Systemzeit. Es ist genau genommen kein
iiberragendes Verdienst, eine Urauffiihrung zu veranstalten. Diri*
gent, Orchester und Konzertverein ernten das Lob, Schrittmacher
moderner Musik zu sein, Tages* und Fachpresse zeigen erhohte Auf*
merksamkeit, und ein Schimmer des alten Premierenglanzes liegt iiber
dem festlich erregten Saal. Weit verdienstvoller - weil meist undank;
barer - ist es, die zweite, dritte oder vierte Auffiihrung eines neuen
Werkes zu iibernehmen oder gar das uraufgefuhrte Werk in geringem
zeitlichen Abstand an der gleichen Stelle zu wiederholen! Ein neues
Werk entsteht ja nicht fur den kurzen Zeitraum einer ersten Wieder*
gabe, sondern soil, wenn es wertvoll ist, zum standigen Besitz unseres
volkischen Musiklebens werden - es soil in der breiten musikalischen
OiFentlichkeit eingebiirgert werden. Ehe wir die Wege untersuchen,
die zu einer solchen Einbiirgerung neuer Kompositionen im Konzert*
saal fiihren, sei zunachst einmal festgestellt, welche Griinde es sind,
die einer starkeren Beriicksichtigung des Schaffens lebender Tonsetzer
bisher noch im Wege stehen.
Wir sehen jetzt im Kriege iiberall ausverkaufte Konzertsale, und
bei der Programmbildung braucht daher weniger auf den Kassen*
rapport Riicksicht genommen zu werden. In normalen Zeiten aber
macht sich eine Novitat auf dem Programm sofort in einem schwacheren
164
KartenverkauFmerkbar. Dabei entspringt die Abneigung vieler Horer
gegen die Bekanntschaft mit dem Neuen meist einer bloBen Bequem*
lichkeit. Man betritt nicht gem unsicheren Boden, wo sieh das
allgemeine Urteil nicht auf ausgefahrenen Geleisen bewegt und man
noch nicht „mitreden" kann — man schwelgt lieber in den altver*
trauten Klangen, die miihelos Entspannung und Unterhaltung ge*.
wahren. Stellt die Bemiihung una das Verstandnis zeitgenossischer
Musik schon an den Vollmusiker grofiere Anforderungen, urn wie*
viel tnehr muB sich erst def musikalische Laie denWeg zu ihr er*
arbeiten, und zu dieser Arbeit ist der GroBteil unserer Konzert/
besucher noch keineswegs sofort bereit. Aber schlieBlich gibt auch
der fortschrittlich gesinnte und im vorerwahnten Sinne arbeitswillige
Horer nicht gern zu, daB er aus einem erstmals vernommenen Stuck
nichts zu machen versteht, und so bleibt der Kreis, der sich urn den
Kiinder neuartiger Klange schart, meist klein. Auch der Dirigent
ftihrt verstandliche Griinde dafiir ins Feld, daB er sich nicht allzu oft
an eine Neuigkeit wagt: die Orchestermitglieder sind wie er selbst
hauflg iiberlastet, die erforderlicheh Mehrproben schwer durchzu*
setzen, der Erfolg ist unsicher, und die besonderen Aufwendungen
fur Orchestermateriale und AufFuhrungsgebtihren sind bei den Ver;
waltungsinstanzen nicht gern gesehen. Aber das alles sind allenfalls
Erklarungen und keineswegs Entschuldigungen. Keinen dieser Griinde
konnen wir gegeniiber dem Recht der Lebenden auf Gehor gelten
lassen. Woher sollen die Tonsetzer von heute den Mut zum weiteren
Schaffen finden (— und die Verleger den Mut zur Drucklegung neuer
Werke -), wenn all ihr Miihen bei ihren Zeitgenossen keinen oder nur
sparlichen Widerhall findet? Mit der bloBen Urauffuhrung, die man
schlieBlich iiberall anbringt, ist es ja nicht getan. Erst wenn alle Krafte,
die an der Gestaltung unseres Musiklebens mitwirken, dafiir «inge>
spannt werden, die als wertbestandig erkannte zeitgenossische Musik
in unseren Konzertsalen einzubiirgern, werden wir erreichen, daB die
Klange unserer Zeit neben dem kostbaren alten Bestand gleichberech*
tigt eine dauernde Heinv und Pflegestatte finden. Die Wege, die zu
diesem. Ziele fiihren, sind erfolgversprechend und mannigfaltig gertug.
Zunachst sollte es zur ausnahmslosen Regel werden, in jedem Sym*
phoniekonzert (auBer bei abendfiillenden Einzelwerken und geschlos?
senen KomponistenAbenden) ein zeitgenossisches Werk zu bringen 1 .
Die Zahl der zu Unrecht vernachlassigten-zeitgenossischen Tonsetzer
1 Wir wollen den BegrifF „zeitgenossisch" hierbei moglichst weit fassen, etwa gletch?
gesetzt mit „urheberrrechtlich geschutzt"; denn die Zahl der Komporiisten, die erst
nach ihremTode zu verdienter Anerkennung gelangen, ist leider immer noch groG!
165
ist betrachtlich. An StofF kann es also nie mangeln. Man schlage nur
fleiBig in den Kritiken<Sammlungen der Tages* und Fachpresse nach,
und man wird eine Fiille von zeitgenossischen Werken entdecken, die
einen Konzertwinter lang begeisterte Aufnahme bei Publikum und
Kritik gefunden haben, dann aber schnell in Vergessenheit geraten
sind, einfach weil sich keiner mehr ihrer annahm! - In erhohtem MaB
•gilt diese Pflicht zur Pflege zeitgenossischer deutscher Musik bei Gast*
spielen deutscher Orchester und Dirigenten im Auslande; von ihrer
Erfiillung sollte die Genehmigung solcher Veranstaltungen glattweg
abhangig gemacht werden!
Die nachste Forderung geht dahin, ein neues Werk nicht ohne best?
mogliche Vorbereitung des Horers auf diesen einwirken zulassen. Es
ist eine Barbarei ohnegleichen, eine moderne Symphonie dem meist
vom Arbeitsdrang des Alltags abgehetzten Konzertbesucher sozut
sagen auf den niichternen Magen zu setzen; und doch ist diese
Barbarei die Regel. Auf dem Programm steht zu lesen, daB z. B. die
Symphonie Nr. j in E*dur des im Jahre 1910 geborenen Komponisten
XY zu horen ist; es folgen die Tempoangaben der vier Satze: urid
das ist meist alles, was der normale Konzertbesucher uber das Werk
und seinen Schopfer erfahrt. Ohne irgendeine innere Einstellung,
ohne jede irgendwie geweckte Vorstellung von dem Kommenden laBt
der Horer das Werk monatelangen Schaifens, das Ergebnis stunden*
langer miihevoller Proben fiber sich hinwegrauschen, und - ist so
klug als wie zuvor! Wie kann man da Kontakt, Fluidum, Mitgehen,
Mitfiihlen, Verstandnis von ihm verlangen? Man muB ihm noch
dankbar sein, wenn er - trotz seiner inneren Enttauschung - in der
unklaren Erkenntnis, daB das SchaiFen des Komponisten, das Miihen
des Dirigenten und des Orchesters Anerkennung verdiene, willig
Beifall spendet.
Allerdings sind die Mittel zu einer eindringlichen Vorbereitung des
Horers auf ein neues Werk nicht ganz einfach. Der erfolgreichste Weg,
der einfuhrende Vortrag am Vorabend oder Vormittag des Kon*
zerttages, wird selten gangbar sein, da der Konzertbesucher selten 1
noch die Zeit fur eine besondere Veranstaltung eriibrigen wird.- So
empfehlen wir nachdriicklich die einfiihrendenWorte unmittelbar
vor Beginn desWerkes, und zwar am besten gesprochene Worte,
mogen sie frei vorgetragen oder abgelesen sein. Es besteht im Konzert*
leben noch eine unbegreifliche Scheu vor dem gesprochenen Wort.
Der Kunstler auf dem Podium darf sein Bestes geben, er darf sich
bei der BegruBung und beim Beifall dankend verbeugen : aber den
Mund auftun darf er beileibe nicht! Dabei wiirden oft schon wenige
J
166
Worte geniigen, Um eine Briicke des Verstandnisses zum Horer zu
schlagen; der belebenden Wirkung und der Vertiefung des person*
lichen Bandes zwischen Horern und Interpreten durch das gesprochene
Wort sei in diesern Zusammenhang nur ganz am Rande Erwahnung
getan. — EntschlieBt man sich nicht zum kurzen Wort an den Horer,
so bleiben nock die einfiihrenden Bemerkungen auf dem Pro*
gramm iibrig. Sie seien kurz und gemeinverstandlich, auf das Wesent*
liche gerichtet, frei von unniitzen Fremdworten und ungelaufigen
Fachausdriicken, sorgfaltig und einpragsam stilisiert; Werturteile, vor
allem Superlative, sind fehl am. Ort. Es gibt kein feststehendes Rezept
dafiir, was alles in die einfiihrenden Bemerkungen aufzunehmen ist —
jedes Werk wird seiner besonderen Erklarung bedurfen. Der Kompo*
nist oder der Dirigent werden am besten beurteilen konnen, auf welche
Besonderheiten des Werkes der Horer am zweckmaBigsten hinzu*
weisen ist, auf den formalen Aufbau oder den thematischen Gehalt,
auf neuartige Klangwirkungen oder Eigenheiten der Instrumentation,
auf den landschaftlichen oder nationalen Kolorit, auf die tragende
Idee des Werkes oder auf die personlichen Umstande y unter denen
es entstand; der Horer wird schon fur sparsame Hinweise dankbar
sein und durch sie in unmittelbare Beziehung zu dem Werk gebracht
werden. SchlieBlich kann der Komponist selbst einen gewissen Anhalt
zum Verstandnis des Werkes durch die Wahl des Titels geben. Es
bedeutet keineswegs einen Obergang zur Programmusik, wenn einem
Werke der absoluten Musik eine Uberschrift vorangestellt wird, die
ihm eine authentische Charakteristik auf den Weg gibt
Werkanalysen auf den Programmen sind abzulehnen; der Horer,
bemuht, die geschilderte Gliederung und den thematischen Gehalt
des Werkes zu verfolgen, verteilt seine Aufmerksamkeit auf Ohr und
Auge und kommt so um die rechte Ruhe zum ungestorten Horen.
Wer in der Partitur nachzulesen vermag, wird davon insondere bei
wiederholtem Horen des gleichenWerkes viel Nutzen haben; Taschen*
partituren sollten schon langere Zeit vor der Erstauffiihrung in den
Musikalienhandlungen vorratig sein.
Ausfiihrlicher als dies auf den Programmen moglich ist, kann und
soil sich die P r e s s e an der Vorbereitung der musikalischen Offentlich*
keit auf ein neuesWerk beteiligen. Eine ausfuhrliche Vorschau auf
Werk und Verfasser, ohne Werturteile und sonstige subjektive Be*
einflussung, sollte die Regel sein. Dazu sowie zu einer sorgsamen nach*
traglichen Wiirdigung der Auffuhrung mu8 aber die Presse auch
rechtzeitig instand gesetzt werden durch bereitwillig verschafften Ein*
blick in das Werk selbst, also durch Zutritt zu den nichtoffentlichen
167
Proben, durch Oberlassung von Partituren und Klavierausziigen sowie
durch ausfiihrliche Angaben iiber den Lebensgang und das sonstige
Schaffen des Komponisten.
Zur Auffiihrung der Neuigkeit selbst ist vor allem zu sagen, daB
mit den Proben nicht gespart werden darf. Die Neuigkeit sollte im
Programm moglichst am Anfang stehen, um ihr die unverbrauchte
Aufnahmefahigkeit der Horer zugute kommen zu lassen. Dringend
abzuraten ist im Interesse baldiger Einbiirgerung des Werkes von
Manuskriptauffiihrungen. Sie bringen den Nachteil mit sich, daB die-
Presse und die zum Nachlesen bereiten Horer keine gedruckten
Ausgaben in die Hande bekommen konnen; im Falle eines Erfolges
kann das Interesse anderer zur Annahme bereiter Dirigenten nicht
durch Ubersendung von Partituren befriedigt werden - das Werk
gerat in Vergessenheit, und mancher bedeutsame Urauffuhrungserfolg
ist auf diese Weise schon wirkungslos verpufft.
Kein wirksamerer Dienst kann der Einbiirgerung eines neuen Wer*
kes erwiesen werden, als durch die in kurzem zeitlichen Abstande
folgendcWiederholung an gleicher Stelle, sei es nun ganz oder
teilweise, im gleichen Konzert oder in der gleichen Spielzeit, jeden*
falls aber so bald, daB das Interesse an dem eben gehorten Werk noch
frisch ist. Die Wiederholung im gleichen Konzert ist nichts Neues;
Hans von Bulow, Arthur Nikisch und eine Reihe namhafter lebender
Dirigenten haben sich wiederholt spontan dazu entschlossen, und der
Erfolg gab ihnen immer recht. Es gehort nur ein wenig Oberwindung
alter Gewohnheiten und Vorurteile dazu! Nach SchluB des Konzertes
kiindige man die Wiederholung der Neuigkeit an und lasse die Uxu
interessierten nach Hause gehen : die Zuriickbleibenden werden dop*
pelt dankbar sein und kunstlerischen Gewinn davon tragen. Die
Orchestermusiker werden in dem BewuBtsein, ihren personlichen Ein?
satz richtig gewiirdigt zu sehen, leicht fiir eine solche „uberstunde"
zu gewinnen sein. Eine Wiederholung in der gleichen Konzertzeit
wird vielleicht noch weiterreichende Wirkung haben; sie zu bewerk*
stelligen, diirfte nirgends auf unuberwindliche Hindernisse stoBen.
Von entscheidender Bedeutung fiir die Einbiirgerung eines wert*
vollen erstaufgefiihrten Werkes ist der Umfang, in dem es in den
nachstfolgenden Spielzeiten auf den Programmen beriicksichtigt wird.
Es ist grundfalsch und wirkt auf das Werk geradezu todlich, wenn
seine Wiederaufnahme von den Konzertvorstanden abgelehnt wird,
weil „wir es doch erst vor fiinf Jahren gebracht haben". Man kann
ein gutes, aber vielleicht nicht leicht eingangiges Stuck der Horew
schaft nur dann lieb und vertraut machen, wenn man es in kurzen
168
Abstanden beharrlich wieder aufs Programm setzt - nicht um neue
KassenreiBer zu ziichten, sondern um dazu beizutragen, da8 die
Musikpflege unserer Tage nicht ausschliefilich auf den in friiheren
Jahrhunderten gewonnenen Fundamenten fuBt, sondern von den
schopferischen Kraften unserer eigenen Zeit kraftig durchblutet wird.
Die Kulturarbeit des neuen Deutschland hat eine unerwartet groBe
Zahl neuer Horer erstmalig an die ernste Musik herangefiihrt. Diese
durchweg aufgeschlossenen, aber zumeist musikalisch ungeschulten
Horer miissen - will man nicht halbe Arbeit tun - von vornherein
auch mit der Musik der lebenden SchafFenden vertraut gemacht wer*
den. Gerade aber bei ihnen wird dies nur gelingen, wenn die fur die
Einbiirgerung neuer Werke aufgestellten Forderungen voll erfiillt
werden. Rief ihnen vor Jahren Peter Raabe zu: „Keine Angst vor der
Symphonie!", so wollen wir sieheute mit der Parole „Keine Angst vor
der zeitgenossischen Musik! " zur lebendigen Teilnahme an der Musik*
pflege unserer Zeit ermuntern; nur miissen wir dann auch folgerichtig
die aufgezeigten Wege gehen, die den Laien zum rechten Verstand*
nis der neuen Musik fiihren. Wir miissen uns auch dariiber klar
sein, dafi auf dieser Linie mit bl oBen Anregungen im Stile von „man
sollte doch" und „man miiBte eigentlich" nichts geschafFt wird, und
in diesem Sinne sind auch die vorstehenden Ausfiihrungen nicht ge«
dacht. Wenn aber die greifbar formulierten Vorschlage zur Einbiirge*
.rung der zeitgenossischen Musik von seiten der lebenden Tonsetzer
als Forderungen aufgegriffen werden und ihre Ausfiihrung von den
Kulturbehorden des Reiches angeordnet und iiberwacht wird, werden
die Friichte in Gestalt einer ungeahnten Bereicherung unseres Musik*
lebens durch die schopferischen Antriebe der fruchtbaren Geister
unserer Zeit nicht ausbleiben.
169
Albert Dreetz
Mufikbettadjtung ala XTerpflidjtung
>
Seit vielen Jahren stellt nun schon die deutsche Presse — und daran ,*
hat bezeichnenderweise auch der gegenwartige Krieg kaum etwas ge*
andert - ein ziemlich getreues Spiegelbild des deutschen Musiklebens ■*
dar. GewiB erhalt der Musikbetrachter aus dem Musikleben Impulse; *|
nicbt minder zahlreich und mannigfach sind andererseits die Antriebe,
die er an das Musikleben und seine unmittelbaren Trager verscbenkt.
Es ist ein fortwahrendes Geben und Nehmen, das sich fur beide Seiten
fruchtbringend, ja begliickend auswirken kann. Der wahrhafte Kiinst* \-
ler wird deshalb auch in dem wahrhaften Kunstbetrachter stets den
Heifer, den Freund und getreuen Mitstreiter fur die gute Sache er*
blicken. Mag der Stoff, mit dessen Formung sich die Manner der Presse :=
beruflich zu befassen haben, scheinbar auch noch so verschieden sein ^
von demjenigen, der das Material des Musikers bildet, so beriihrt sich
der Journalismus in seinem tiefsten Wesen mit dem Musischen den;
noch aufs Engste : auch er verlangt von alien denen, die sich ihm ver*
schrieben haben, vollige Aufgeschlossenheit, Eignung und nicht zu*
letzt kiinstlerische Schopferkraft in hohem Grade. Auch die inhalts;
reiche formvollendete Kunstbetrachtung kann und soil ein Kunstwerk
im kleinen, einen wohlgebildeten Organismus darstellen. DaB unseren
Musikjournalisten diese Tugenden in hohem MaBe zu eigen sind, das
zeigen ihre Werke, die in den Augen der Musiker aus aller Welt ein
begehrenswertes Zeugnis sind. Im iibrigen: daB elementar kiinstleri*
sches Schopfer* und Gestaltertum viele unter ihnen durchpulst, laBt
auch die lange Liste ihrer eigenen, zum Teil hochst beachtlichen
Kompositionen erkennen. Auf eine kurze Formel gebracht laBt sich
uberhaupt ganz allgemein die erfreuliche Feststellung machen, daB
Kunstschaffende und Kunstbetrachtende in den letzten, Jahren recht
eng und kameradschaftlich zusammengeruckt sind. Nicht als ob es
nun keinen Musiker eitlen Sinnes mehr gabe, der sich von einem
wertenden Zeitungsmanne nicht hin und wieder einmal falsch be*
urteilt fiihlte, der nicht am liebsten den braven Kunstbetrachter per*
sonlich dafiir verantwortlich oder gar haftbar machen mochte, daB die
Betrachtung seiner Leistung yielleicht um ein paar Zeilen kiirzer aus*
170
fiel, als die Wiirdigung der Leistung eines seiner Kollegen, obwohl
zum Kummer des Verfassers allein kriegsbedingte Raumfragen den
Feuilletonchef oder einen sonst verantwortlichen Schriftleiter zu der
entsprechenden Kiirzung bestimmten. Nicht als ob es heutzutage
keinen Konzertagenten mehr gabe, der nicht in der Zustellung von
Frei* bzw. Dienstkarten an den Kunstschriftleiter unter Hinweis auf
seine ohnehin ausverkauften Sale ein sogar nicht einmal notwendiges
Ubel erblickt, wobei er natiirlich vergiBt, da8 der Kunstbetrachter
nicht dazu da ist, ihm in erster Linie zu vollen Salen zu verhelfen,
sondern daB er eine offentliche Aufgabe erfiillt. Nicht als ob es anderer*
seits heutzutage keinen Kunstbetrachter mehr gabe, dem es mitunter
nicht schwer fiele, das durch die Umwandlung der Kritik in die Kunst*
betrachtung oder aus anderen Riicksichten nun einmal erforderlich
gewordene MaB in der Beurteilung zu halten. Aber alle derartigen
oder ahnlichen Falle sind gottlob Ausnahmefalle!
Bezeichnend dagegen ist, daB Kunstschaffende und Kunstbetrachter
in echter Kameradschaft zueinander stehen, daB sie das Gefiihl des
gegenseitigen Vertrauens beseelt, zumal das eherne und verbindende
„Ich dien" hiiben wie driiben zum Grundsatz geworden ist. Bezeich*
nend ist ferner, daB sich unsere Musikbetrachter auf der Grundlag£
nationalsozialistischer Weltanschauung, wohlausgeriistet mit dem noti;
gen Fachwissen und kulturpolitischem Instinkt, mit ernstem Ver*
antwortungsbewuBtsein ihrer wichtigen und schonen Aufgabe unter*
Ziehen, Mittler zwischen Kunstwerk und Kunstempfangenden und
somit zu ihrem Teil - um ein Wort des Reichspressechefs zu zitieren -
„das publizistische Gewissen der deutschen Kunst" zu sein. Verankert
im Reichsverband der deutschen Presse, ihrer Berufsorganisation, und
in Zusammenarbeit mit der Presseabteilung der Reichsregierung, die
ihnen beratend und fordernd zur Seite steht und die doirt vermittelt
und eingreift, wo es das Gebot der Stunde erfordert, gehen sie dieser
Aufgabe nach. Leitsatz dabei ist: Ehrfurcht vor den ewigen kiinst*
lerischen Werten, Verantwortung vor dem Volksganzen! Das bedeu*
tet, daB der Kunstbetrachter nun nicht etwa ausnahmslos loben miiBte.
Nein, er ist vielmehr verpflichtet, dort zuruckhaltend zu sein oder gar
abzulehnen, wo es sich um Dinge handelt, die vielleicht noch verein*
zelt dieser Weltanschauung zuwiderlaufen sollten. Eine besonders
schone Verpflichtung sei hier nicht vergessen. Sie erwachst dem
Kunstbetrachter daraus, Wegbereiter des echten und gesunden jungen
SchafFens zu sein. Und zur Ausiibung dieser bahnbrechenden Pionier*
arbeit war der Musikbetrachtung in den vergangenen Monaten ja er*
freulicherweise in zunehmendem MaBe Gelegenheit gegeben.
171
Arbeit gab es iiberhaupt in Fiille, wenn man bedenkt, daB einmal
die Zahl der Musikveranstaltungen gestiegen, die Besetzung der
Kunstschriftleitungen zum anderen aber unter den kriegsbedingten
Verhaltnissen selbstverstandlich eine wesentlich schwachere ist. So ist
es ja gar nichts Seltenes, dafi beispielsweise in Berlin allein an einem
Abend acht, zehn und noch mehr Konzerte oder dergleichen statt/
finden, wahrend zu ihrer Besprechung den groBen Berliner Zeitungen
- von zwei, drei Ausnahmen abgesehen - durchschnittlich nur ein
Musikbetrachter zur Verfugung stent, da die meisten seiner Arbeits*
kameraden an der Front sind. Ihr Arbeitspensum kommt also noch zu
dem seinigen hinzu. Wenn man die sich hieraus ergebenden Schwierig*
keiten beriicksichtigt und auBerdem die augenblicklich ziemlich be*
schrankten Raumverhaltnisse der Tages* und Fachpresse in Rechnung
stellt, so ist es immer wieder erstaunlich zu^sehen, welch zum Teil
recht erfreuliche Losungen die Schriftleitungen gerunden haben, um
den kulturellen Anforderungen vielfaltiger Art nach Moglichkeit ge*
recht zu werden. Es ist eben der eiserne Wille, die Kulturarbeit auf>
recht zu erhalten, der auch die deutsche Musikpresse befliigelt und
der aus den Zeitumstanden heraus immer neue Losungen schafFt.
So hat sich der in den beiden reprasentativen Musikkundgebungen
des Jahres, den Bayreuther und Salzburger Festspielen zutagetretende
kulturelle Leistungswille, ihrem Charakter als Dank der Heimat an
ihre tapferen Soldaten entsprechend, sinnfallig und wiirdig in den be>
treiFenden Kunstbetrachtungen ofFenbart. Kriegsfeuilleton und fach>
lich fundierte PK.^Berichte haben das Antlitz des Kulturteils der deut*
schen Tageszeitungen entscheidend geformt und der Musikfachpresse
eine zeitbedingte Pragung verliehen. In ihre verantwortungsreiche
Kriegsaufgabe sind unsere Musikschriftleiter sehr.bald hineingewach*
sen. Wissen sie doch genau, worum es geht! Daher werden sie auch
kiinitighiri fortfahren, von ihrem Platz aus die hehren und unver*
gleichlichen Werte deutsche? Musik und deutscher Kultur zu bei
schirmen, die ihre Berufskameraden drauBen an den Fronten mit dem
Schwerte verteidigen.
172
Benno von Arent
Kealismue unti fllufion im Bufjnenbilti
BewuBt wollen wir bei einer Betrachtung des heutigen Biihnenbildes
den Realismus und die Illusion neben* oder vielmehr gegeneinander
stellen. Immer wieder sehen selbst Fachleute im illusionistischen
Biihnenbild ein realistisches und betonen das in Wort und Sehrift.
Sie gehen dafnit auf Irrwegen, die nicht deutlich genug gekennzeichnet
werden konnen, weil sie Verwirrung sowohl in den Kopfen der Schaf*
fenden als auch der Schauenden hervorrufen.
In der bildenden Kunst ist Realismus spviel wieNaturalismus; dieser
bezeichnet das Verhaltnis der kiinstlichen Darstellung zum Natur*
objekt, und zwar imHinblick auf die iiberzeugende Ubereinstimmung
mit dem unmittelbar anschaulichen Eindruck. Illusion dagegen ist eine
Tauschung, ein Irrtum, etwas Triigerisches.
Wenn also ein Bilhnenbildner die Aufgabe hat, einen Wald darzu?
stellen, so muB er ^zwar immer die Illusion eines Waldes bei dem Be;
schauer hervorrufen, aber er darf sich kein Schema fur einen Wald
machen. Derselbe Wald paBt nicht fiir alle Opern. Es ist, wenn der
Autor einen Wald vorschreibt, durchaus nicht gleichgiiltig, wie dieser
Wald aussieht. Er muB dem inneren Geschehen deS Werkes unten
malend Vorschub leisten. So muB also, um nur einige Beispiele zu
nennen, der Wald in Schillers ,„Raubern" da's Revolutionare des Stiik;
kes unterstreichen. Das Sakrale der ParsivahDichtung muB der Be<
schauer schon imWalde zu Richard Wagners „Parsifal"<Weihespiel er*
kennen. Der Wald in Shakespeares „Sommernachtstfaum" soil die
ganze SiiBe und den erotisierenden Duft des Geschehens auf der
Buhne unterstreichen, und endlichmuB der Wald zu der Humpero
dinckschen Marchenoper „Hansel und Gretel" die ganze Innerlich*
keit deutscher Marchenwelt verkorpern.
Somit hat der Buhnenbildner.die hohe Aufgabe, dem seelischen und
dem inneren Charakter des Werkes, fiir das er arbeitet, Ausdruck zu
yerleihen. Wenn es sich, um noch weitere Beispiele anzufiihren, um
die Zeit der Bauernkriege im „Florian Geyer" handelt, so spielt das
Stiick zwar in der gleichen Zeit wie Wagners ,,Meistersinger", aber
die Ausfiihrung des Biihnenbildes muB, dem Gehalt des Werkes erit*
173
sprechend, eine grundverschiedene sein. In jedem Falle mu8 sein
Biilinenbild eine ganz bestimmte Illusion hervorrufen, sowohl bei dem
Besehauer als auch bei dem Mitempfindenden. Er darf nur Diener
am Werk sein und muB deshalb auch im Biihnenbild und in den
Kostiimen so weit illusionsfordernd wirken, als er dadurch das Ver*
standnis des Werkes erleichtert und seinen seelischen Ausdriick ver*
tieft. ^
Das Biihnenbild ist ja nicht nur der auBere Rahmen, in dem die
Handlung spielt. Man rechnet dazu die Dekoration an sich, das
Kostiim, die Beleuchtung, die Masken der Darsteller und bedingt
auch ihre Bewegung sowie die des Chores und der Massen, ja sogar
einen groBen Teil der Anordnungen der Regie. Das alles ist der bild<
hafte, optische Mtttler zwischen dem darzustellenden Werk und dem
Zuschauer. Damit ist seine kiinstlerische Gestaltung aber nicht Selbst*
zweck, sondern das Biihnenbild ist Diener am Werk und am Horer.
So sind ihm auch in der Freiheit seiner kiinstlerischeri Arbeit ganz be*
stimmte Grenzen gesetzt, deren Uberschreitung zu grundlegenden
Fehlern fiihrt.
Wir erinnern uns noch mit Schaudern der Zeit, in der Biihnenbild
und Regiekunst selbstherrlich mit dem Werk und der Vorstellung,
die der Autor und der Besehauer von dem Werk hatte, umgingen und
wegen billiger Efiekte ohne Sinn darauflos experimentierten. Sie stie*
Ben dem gesunden Empfinden der Zuschauer vor den Kopf, denen
diese L'art pour l'art<Spielereien zwar nicht immer richtig bewuBt
wurden, die aber, befremdet durch derlei Auswiichse, dem Theater
fernblieben. Sicherlich ist derjenige, der aus beruflichen Griinden ein
Theater oft besuchen muB, leicht geneigt, ein experimentell aufge*
zogenes Theaterstiick als besonders interessant anzusehen, weil ihm
- und dies gilt besonders bei klassischen Werken - etwas Besonderes,
etwas scheinbar Neues geboten wird. Aber damit wird der weitaus gro*
Beren Menge der Zuschauer die Illusion empfindlich gestort; ihre
gesunde Auffassung von den Dingen lehnt derlei selbstzweckliche
Spielereien ab.
Gegeniiber der Zeit vor 1933 ist heute eine grundsatzliche Ande<
rung eingetreten. „Die Kunst muB wieder zum Volke kommen, damit
das Volk wieder zur Kunst kommt!" Spricht man das aus, so ist da*
mit gesagt, daB der Kunstler nicht ein Einzelwesen mit besonderen
Rechten und wenig Pflichten oder gar ein iiber allem Volkhaften
schwebendes internationales Wesen sein darf. An erster Stelle muB er
dem Volk, aus dem er kommt, leidenschaftlich verpflichtet sein. Ihm
muB er dienen; ihm muB er dieWerke der Schopfer verstandlich
174
machen. Und damit kommen wir wieder auf die Aufgaben des Biihnen*
bildners selbst. zuriick.
Das Biihnenbild muB sich nach dem Schopfer des Biihnenwerkes
ricbten! Hatte z. B. Puccini den „Tannhauser" unter gleicher Voraus*
setzung wie Wagner und mit demselben Text komponiert, so miiBte
das zugehorige Biihnenbild doch ein anderes als bei Wagner seiii. Ja,
um bei Puccini zu bleiben, wiirde man Puccinis „Boheme" und Leon;
cavallos „Boheme" biihnenbildnerisch zu gestalten haben, so wtirden,
trotz des ganz gleichen Stoffes, ganz verschiedene Biihnenbilder er*
forderlich werden, weil Puccini seine „Boheme" italienisch auffaGte und
Leoncavallo, der ganz von Paris beeindruckt war, schon in der Musik
Paris und sein Leben einfing. Und wenn man in beiden Fallen Paris
auf die Biibne zaubert, so kann man sich in Frankreich das nicht ge«
statten, was man unbeschadet in Berlin tun darf : hier kann der Kiinst*
ler die Notre Dame in die Gegend von Montmartre setzen. Nur ein
wissenschaftlich strenger Beschauer rechnet ihm das nach, das Public
kum aber im groGen empfindet Paris schon durch die Silhouette der
Notre Dame, die jedem Kind bekannt ist, und dadurch erweckt der
Buhnenbildner in jedem sofort das Bild „Paris". Es sei dabei klar zum
Ausdruck gebracht, daB das illusionsfordernde und das illusionistische
Biihnenbild keineswegs ungeeignet ist, dem Seelischen eines Stiickes
Ausdruck zu verleihen. Ganz im Gegenteil, mit den Mitteln der Illu<
sionsforderung, die niemals Realistik bedeutet, kann man auf der
Biihne uberhaupt keine Realistik zeigen. Ganz abzulehnen ist natiir;
lich die abstrakte Dekoration, die nur ein dekoratives Monstrum hm*
stellt, das mit dem Geschehen und dem Platz der Handlung nichts zu
tun hat. Denn auch Shakespeare wurde eine andere, bessere Biihne
vefwendet haben, wenn er sie hatte bekommen konnen. Die Primiti*
vitat seiner Biihne war nur ein Notbehelf; das v hat er selbst oft genug
ausgesprochen. Es ist ja nicht so, daB er etwa auf Grund tiefgriihdiger
Uberlegung zur primitiven Biihne gekommen ware. rVlan sollte iibern
haupt in der Kunst nicht zur Primitivitat zuriickgehen. Ein feiner
Kunstkenner hat das einmal richtig und treffend etwa so ausgedriickt:
wir bewundern zwar bei dem kulturellen Stand eines Negers dessen
Plastiken vom Standpunkt der Hohe seiner Kultur aus; wenn aber
ein Europaer mit der Hohe seiner Kultur dasselbe darstellt, so miissen
wir das als kulturlos, weil nicht ausreichend, ablehnen und verurteilen.
Warum sollten wir dann aber auf der Biihne, wie manche es fordern,
dahin zuriickgehen, daB wir nur andeutungsweise Dekorationen und
Kostiime hinstellen und zu einer Stilisierung kommen, die dem groBten
Teil des Publikums fremd und ganzlich unverstandlich ist? Gerade in
175
unserer Zeit, in der Hunderttausende, ja Millionen taglich die The*
ater besuchen, diirfen wir nichts tun, was nur dazu angetan ist, dem
Geschmack einiger Snobs Rechnung zu tragen. Fur diese Menschen ist
der deutsche Kiinstler nicht da; fur sie hat auch weder ein Wagner,
noch ein Weber oder ein Puccini komponiert, und gerade diese Kom*
ponisten sind in den letzten Jahren dem Volke lieb und wert geworden.
Warum iiberhaupt diese Mutlosigkeit gegeniiber empfindsamen oder
„mitempfindenden" Dekoratidnen? Man kann nun einmal die „But*
terfly" nicht ohne Kirschbliiten gestalten; die Musik schreit ja gerade*
zu danach. Man muB auch im „Tannhauser" die Nebel ziehen lassen,
nicht um damit Realistik zu treiben, sondern einfach aus der Musik
heraus. Genau so bringen wir heute den Abendstern wieder, den man
in der Systemzeit fortgelassen hat (denn der Dichter und Komponist
verlangt ihn und das Publikum erwartet ihn mit Recht), ohne gleich
einen ganz genauen Sternenhimmel erscheinen zu lassen, an dem der
Astronom seine Studien treiben kann, Und wenn im letzten Bild des
„Tannhauser" einige Blatter herunterfallen, so hat das mit Realistik
nichts zu tun, sondern ist nur eine Symbolisierung des inneren Ge*
schehens auf der Biihne. Wollte man das ablehnen, so miiBte man ja
auch sagen, daB ein Caspar David Friedrich ein realistischer Mater
gewesen sei, Er war aber ein symbolischer, viel mehr in die Seele ein*
greifender als irgendein Expressionist. Was nun ein Caspar Friedrich
David und die groBen Romantiker iiberhaupt durch ihre Bilder an
seelischem. Ausdruck geschaffen habenydas konnen wir auch im Biih*
nenbild zu erreichen versuchen. Denn diese Bilder atmen ja wahre
Musikalitat. Zu jedem dieser Bilder fallt dem musikalischen Men*
schen, wenn er sie ruhig und stumm betrachtet, Musik ein. Wie viele
FComponisten haben sich von solchen Bildern inspirieren lassen! Er*
innern wir uns nur an Ottorino Respighis Orchesterwerk „Pini di
Roma", in dem er in vier Stimmungsbildern die so oft gemalten
Piriien von Rom schildert, an der Villa Borghesa, bei den diistern
Katakomben, auf dem romischen Hiigel Gianicolo, dem Janusberg
auf dem rechten Tiberufer und auf der Via Appia.
Es ware nun denkbar, daB hier eingewendet wiirde: das sind j a
realistische Bilder. Solchen abwegigen Gedankenpfaden diirfen wir
aber nicht folgen. Ja, wir miissen sie mit alien Mitteln schon deshalb
bekarripfen, weil sie von dem fortfiihren, zu dem wir alle streben:
zum gemeinschaftlichen Denken und Empfinden, das auch im Biih*
nenbild seinen Ausdruck zu finden hat. Fur sie arbeiten wir! Wer uns
auf diesem Wege nicht folgt, wer nur um eines Andersmachens oder
um geistiger Akrobatik willen aus Spielerei das Biihnenbild zaubert,
176
der tut mit seinem kiinstlerischen Konnen Unrecht; denn er setzt es
nicht richtig, nicht im nationalsozialistischen Sinne an.
Ebenso fehlerhaft ist es, eine Oper iiber das ihr zukommende MaB
inneren musikalischen Gehalts hinaus auszustatten, also die Ausstat*
tung zu iiberspitzen, d. h. mehr zu geben, als die Musik und die
Raumlichkeit erlauben, nur aus Besorgnis, das Werk konne sonst lang*
weilig werden. Das geschieht dann immer auf Kosten der Musik und
der Darstellung. Deshalb hat der Biihnenbildner auch die Verpflich*
tung, auBer bei den gerade fur eine groBe Ausstattung erdachten und
aus sie besonders eingestellten- Stiicken, Zuriickhaltung zu iiben. Oft
muB er sich bescheiden, um die Musik nicht durch Farbe oder Form
zu iibertonen. Auch da ist der natiirliche Instinkt maBgebend. Immer
soil sich der Kiinstler, und das gilt besonders fur den Biihnenbildner,
von der Verpflichtung fiihren lassen, die Kunst, die er aus der Summe
der Begabungen seiner Vorfahren, also dem Volke selbst, empfangen
hat, auch diesem wieder nutzbar zu machen, sie ihm wiederzugeben.
Er hat auf der Biihne alien Zuschauern gegeniiber eine kulturpoli^
tische Aufgabe zu erfullen. Dabet kann er trotzdem weiterbildend,
kulturbildend, kunstbildend, steigernd im Technischen wie im Kiinst^
lerischen wirken. Ein solcher Fortschritt ergibt sich ja ganz von selbst.
Das Biihnenbild ist niemals stehen geblieben; es hat sich im Laufe
der Jahre geandert und ist zu ganz anderen Ausdrucksformen ge*
kommen, auch wenn man illusionsfordernd, d. h. eben die Dinge
genau darstellend arbeitete. Eine Schusterstube der „Meistersinger" hat
vor zwanzig, dreiBig, vierzjg Jahren jedesmal anders ausgesehen und
wird sich auch in der kommenden Zeit andern. Das richtet sich nach
ganz bestimmten Vorstellungen, die man jeweils von einer solchen
Werkstatt hat. Im Gegensatz zu Irrwegen in der Systemzeit soil man
ruhig von der Auffassung ausgehen, daB man den Geruch der Arbeit,
des Leders und der Handarbeit neben dem Gefiihl geistiger Arbeit
spiiren muB. Friiher war hier die Arbeit fast ganz ausgeschaltet, die
Werkstatt glich mehr einem saalahnlichen Raum, der von Burger*
geist und nicht vom Handwerksgeist erfullt war. Zwar waren die
groBen Handwerker der damaligen Zeit auch groBe Burger, Stadt*
vater und wohlhabende Leute, aber das ist heute fur uns nicht so
wesentlich. Das Wesentliche ist fiir uns heute mehr das Handwerkliche
als das Biirgerliche.
Aus dem Gesagten fassen wir kurz noch einmal zusammen: Der
Biihnenbildner kann und muB gewisse Stiicke realistisch darstellen,
ja, das Realistische oft noch realistischer gestalten. Er muB verdichten
in Farbe und Form, wie auch der Dichter dichtet. Wenn der Vorhang
177
aufgeht, so muB der Zuschauer gleich in die gewiinschte Stimmung
versetzt werden. Dabei darf man nicht davor zuriickschrecken, durch
Beleuchtungseffekte, durch Besonderheiten der Dekoration und durch
Einbauten die Wirkung auf den Beschauer noch zu verstarken Das
erreicht man oft mit der ^Composition der Farben der Kostiime. Man
kann mit den Kostiimen z. B. beim Auftritt von Choren durch farb«
liche Stimmungen auch Stimmungen im Publikum erzielen. Das
schwarze Kostiim wirkt meist traurig, ein rot oder bunt angezogener
Chor kann, durch Beleuchtung unterstiitzt, dem Wollen des Biihnen?
gestalters naher kommen. Er darf dabei nicht ein einzelnes Kostiim aus
einer Gruppe herausnehmen und stilistisch ganz abweichend behan*
deln, weil dann das Ganze ebensowenig stimmt, als wenn man aus dem
Orchester eine Instrijmentengruppe fortlassen wurde. Man muB dann
eben alles umkomponieren.
Das mag schwerer klingen, als es in Wirklichkeit ist. Empfindet than
aber den Grundton der Musik eines Werkes — und nur so kann man
als Buhnenbildner richtig arbeiten — , dann flieBt, ist man ein wirk*
licher Kiinstler des Buhnenbildes, alles von selbst. Der Buhnenbildner
muB eben die Musik, das Gesamtwerk ins Unaussprechliche, ins rein
Gefuhlsbedingte fortsetzen, dann ist er auf dem rechten Weg und
wird von denen verstanden werden, fur die er arbeitet. „Licht senden
in die Tiefen des menschlichen Herzens ist des Kiinstlers Beruf !" Dazu
kann der Buhnenbildner so unendlich viel beitragen, wenn er seine
Berufung richtig erfaBt hat, im Sinne unserer Zeit!
178
i
Harald Kreutzberg
2>er T&mtt ate ©cftalter
Ich werde oft gefragt: „Welche Ihrer Tanzgestaltungen sind Ihnen
die liebsteni 1 Die heiteren, die ernsten oder die stark, dramatischen?"
- „Sie sind mir alle gleich lieb", kann' ich darauf nur antworten, „denn
was ich mochte, ist, den Reichtum und die Vielfaltigkeit des Lebens
durch mein Kunstmittel, die Bewegung, darstellen.'
Ein Schauspieler, der nur den Konig Lear „kann", ist fur meinen
BegrifFkein guter Schauspieler. Ein Maler, der nur wilde Sturmland*
schaften malen kann und die Schonheit einer kleinen Blume nicht
sieht und nicht die Lust verspiirt, auch diese darzustellen, scheint mir
kein guter Maler. Die Welt ist so reich und vielfaltig, das Leben voll
von wechselnden Geschehnissen, Menschen kommen und gehen, jeder
ist andersartig und jeder hat sein eigenes Schicksal, Der schopferische
Mensch steht in diesem Treiben und halt die Augen offen, und wie
auf die Platte des photographischen Apparates zeichnen sich die Bilder
ein. Da liegen sie nun, aufbewahrt in einer dunklen Kammer des Her*
zens und warten, daB sie „entwickelt" werden. Welch eine Lust, in
dieses geheime Archiv hinunter zu steigen. Welche Vielfalt, welch ein
Reichtum! Tausend bunte Bilder wirbeln um einen und jedes lockt
zur Verlebendigung. Gelingt es dir, schopferischer Kiinstler, jedes fur
sich wieder zu seinem Leben zu verhelfen, so ist jede dieser Schop*
fungen eine Tat. Und da gibt es dann diese Frage nicht mehr: „Weh
ches ist dir das liebste?" Jedes ist mit derselben Liebe und derselben
Inbrunst wieder geboren, und wenn es gelungen ist, so ist jedes, ob
eine kleine Idylle, ob der Schrei einer gequalten Seele, ein Kunstwerk
von Wert. Aber eben nur wenn es gelungen ist, und bis zu diesem
Gelingen ist ein weiter und oft beschwerlicher Weg. Es gibt viele auf«
nahmefahige Menschen, die mit offenen Augen durch die Welt gehen
und die vielfaltigsten Bilder des Lebens in die „Scheuern" sammeln.
Aber dort liegen sie, bereichern wohl ihn selbst, aber erstehen nie
wieder zu einem zweiten Leben. Das ist die unerhorte Gnade des
schopferischen Menschen, daB er wiederzuerwecken vermag. Doch
dieses Wieder*Erwecken ist kein leichtes Unterfangen, und nicht im*
mer gliickt es. Oft gelingt nur ein schemenhafies blasses Leben, das
179
bald wieder verwelkt, oft gelingt es gar nicht, und alleWiederbelebungs*
versuche bleiben erfolglos. Dann wieder in einer besonders begnadeten
Stunde ersteht eine Gestalt zu kraftvollem, atmendem Leben, und
Blut stromt durch ihre Adern,
Mit den Mitteln der Bewegung eine Gestalt lebendig zu machen,
ist natiirlich besonders schwer, denn mit dem Wort kann. man viel
mehr ausdriicken und klarere Bilder schaffen. Es soil ja der Zuschauer
nicht nur im Augenblick des Scbauens in die betreffende StimmUng
gebracht werden oder die dargestellte Person leibhaftig sehen, er soil
diesen Eindruck auch in seinem Innern mitnehmen und sich daran
erinnern konnen. Wird ihm von einem Kiinstler zum Beispiel ein Ge*
dicht vorgetragen und er ist von dem, was er horte, beeindruckt, so
klingen ihm wohl noch spater einige Worte oder der Sinn ganzer Satze
nach. Er kann sie nachsagen, sich daran klammern, und es ersteht ihm
auch beim kunstlosen Nachsagen dieser Worte deutlich wieder das,
was er damals empfand. Der Tanzer hingegen zeichnet ihm Gesten in
den Raum, die sofort wieder verwehen, und alles droht wie ein Schat*
ten zu versinken. Und doch ist es moglich, auch mit der Bewegung so
klar zu reden wie mit Worten. Es muB nur eben alles viel zwingender
und eindeutiger erzahlt werden. Eigene Unklarheiten oder unmitzer
Zierat werden das Bild verwirren, und jeder Augenblick, in dem bei
der Erschaffung des Tanzgebildes nicht letzte Konzentration auf das
Thema vorherrschte, wird den Eindruck verschwimmen.lassen. So wie
mancher Redner mit wenigen aber treffenden Worten viel mehr sagt
als der, der einen Schwall von Satzen iiber die Zuhorer loslaBt, so
wird auch der Tanzgestalter seine klaren und wirklich zum Thema
gehorenden Gesten dem Beschauer einzuhammern vermogen.
Es ist mir immer eine groBe Freude, wenn sich Menschen, die
mich tanzen sahen, noch nach Jahren an bestimmte Tanze erinnern,
ja einige Bewegungen daraus sogar mit ungelenken Gebarden vorzu*
fuhren trachten. Das zeigt mir dann, daB meine Sprache klar war
und das, was ich gesagt habe, verstanden wurde. Der Weg zu dieser
Klarheit und Einfachheit ist schwer. Ich habe eine Idee, sehe fertig
vor mir, was ich gestalten will. Aber wenn ich mit der eigentlicheh
Arbeit beginne, wenn ich die Idee zu gestalten versuche, geht es mir
wie einem Zeichner, der Papier und Stift vor sich liegen hat und plotz*
lich vor der Aufgabe erschrickt, seine gliihende, innere Vision mit
180
diesem herzlosen Material Wirklichkeit werden zu lassen. Man steht
in einem kahlen, niichternen Tanzraum und soil nun das; was man
eben noch so klar und deutlich in sich fiihlte, vor seinem inneren Auge
sail, zur Gestalt formen! In diesem Augenblick ist man wie ein
Schwimmer, der tollkuhn ins Wasser springt, ohne zu wissen, wohin
ihn die Stromung treibt. Was einmal Form werden soil, das ist zu*
nachst nichts weiter als eine mebr oder weniger verworrene Impro*
visation. So entsteht die erste rohe Skizze, und so wie der Zeichner
sich langsam zu immer groBerer Klarheit bindurchringt und auf ein«
mal nur noch zehn Striche braucht, wo ihm erst tausend notig schienen,
geht es einem als Tanzer auch. Die Form schalt sich allmahlich her«
aus. Manchmal allerdings geschieht das groBe Wunder, daB schon in
einer einzigen Stunde ein Tanz in seiner Grundform feststeht. Das
sind die gottbegnadeten Stunden, in denen einem alles wie von selbst
gelingt — aber meistens ist es bis zur letzten Klarheit ein langer und
miihseliger Weg. Ob das Thema heiter, ernst oder tragisch ist, immer
kommt es darauF an, etwas zu schaffen, das wirklich gestaltet ist und
iiberzeugt. Und ist es gelungen, dann habe ich die gleiche Liebe
dafiir, ob es ein heiteses oder ein ernstes Thema war, und dankbar
neige ich mich dann vor den geheimnisvollen Kraften, die mich zu
diesem Gelingen fuhrten.
181
Herbert Windt
BJarum /Bufik im film?
Musik ist etwas Irreales. Der Film ist es auch; wenigstehs da, wo
er Kunstwerk sein will. Und Kunst ist nie Natur im Sinne von natura*
listisch, sondern etwas „Kiinstliches", etwas bewuBt AuBernatiirliches,
das selbstverstandlich nach den ihm eigenen GesetzmaBigkeiten ge*
konnt sein muB. So ist es bei alien Kiinsten, von der Architektur bis
zur Musik. Und so ist es auch bei einer der jiingsten ECunstgattungen
unserer Zeit, dem Film. Es ist sicherlich kein Zufall, daB von den
ersten Tagen des Films an die Musik zu seinem treuesten Verbiindeten
wurde — nicht die Sprache! Denn es gab eine Zeit, da drehte man
Filmaufriahmen nach Musikschallplatten! Ich selbst habe in meiner
Kindheit unter andererri den „Einzug der Gaste auf der Wartburg"
und das „Lied an den Abendstern" im Film erlebt; etwa im Jahre
190J.I Ebensogut hatte man Filrae nach Sprechplatten drehen konnen.
DaB man es nicht tat, sondern im Gegenteil zum stummen Filmbild,
das mit Musik gar nichts zu tun hatte, die Musik als Begleitung bald
iiberhaupt nicht mehr entbehren konnte, beweist, wie richtig man
schon damals die Wichtigkeit der Verbindung von Bild und Musik'
erkannt hatte. Man wollte im Film im wahrsten Sinne naiv wirken,
d. h. unverbogen und nicht intellektuell, also gefiihlsmaBig, und man
hatte herausgefunden, daB Musik am ehesten dazu angetan war, die
seelische Ausdeutung der Bildfolge zu erhohen. Das fuhrte zu einer
Bliitezeit des stummen Films, in der man sogar zu bestimmten Filmen
Originalmusik komponieren lieB. A us dieser Ehe entsprangen die
ersten Filme, eine Gemeinschaft von Bild und Musik, in der letztere
das Geschehen auf der Leinwand dramaturgisch vertiefte und das,
was unsere Augen sahen, unserm Herzen naherbrachte. Ja — es war
die Musik, die iiber grobe Unzulanglichkeiten und Ubertreibungen
hinwegsehen lieB und uns da noch fuhrte und ergriffen machte, wo
wir ohne Musik wahrscheinlich gelacht hatten. Und hier liegt das
Kernproblem des Filmkunstwerkes. Hier hatte man aufbauen miissen.
Statt dessen kam der Tonfilm! Sagen wir ruhig: der Gerauschfilm!
Denn abgesehen von der Sprache entdeckte man jetzt jegliches Ge<
rausch. Ob es wichtig war oder nicht - Gerausch um jeden Preis,
182
beinahe noch mehr, als es in der Natur schon ohnehin gab. Nature
lich brachte man aucb Musik. Es wurde der Musikfilm geboren, im
Sinne von Opern*, Operetten* und Schlagerfilm, letzterer in Hoch/
konjunktur. Die Industrie bluhte! Aber die Quelle, aus der die Art*
eigenschaft des Filmkunstwerkes fliefien sollte, war verstopft — lange
Jahre hindurch, teilweise sogar bis heute noch! Denn ein Zuviel
an Sprache und Gerauschen degradierte den Film mitunter zu einer
reinen Bild* und Gerauschfotographie. Damit ging aoer alle Kunst
zugrunde! Denn Kunst besteht auch im Fortlassen des Unwichtigen,
im Beschranken auf das Allernotwendigste, im Dichten gleich „Dicht*
machen", das alles Zufallige riicksichtslos ausmerzt!
Aber wozu erscheint ein Mensch auf der Leinewand, wenn nicht
gleich losgeredet werden darf? Wozu eine Tiir, wenn sie nicht zu?
oder auf klappt? Wozu gehen Menschen? Natiirlich doch nur, um ihre
Schritte horen zu lassen, und bitte: synchron! Und nun stelle man
sich einmal vor: warum klappt eine Tiir, wenn es unwichtig ist? Ja -
sie kann und soil schon klappen — aber dann im dramaturgischen
Sinn, wenn es so sein muB; oder aber — sie klappt nicht, und die Stille,
mit der sie nicht klappt, kann zu einer unerhorten Eindringlichkeit
werden, die noch unterstrichen werden kann, wenn die Musik, die
etwa diese Szene begleitet, auch die Pause ausspart. So gibt es tausend
Moglichkeiten, die alle erst einmal zu berucksichtigen sind, wenn wir
vom Kunstwerk Film sprechen wollen!
Alles im Leben ist Musik - fur den, der sie in sich hat, und wer
sie da nicht hat, der hat sie auch nicht von auBen! „. . . aber die Seele
spricht nur Polyhymnia aus", sagt Schiller. Und der Film kommt aus
dem Leben, um uns dieses Leben in gesteigerter Form wiedererleben
zu lassen. Wir aber erleben nicht mit dem Gehirn, sondern mit dem.
Herzen. Wir wollen, daB sich der Film an unser Gefiihl wende. Und
wenn der Film nun dasselbe will, dann soil er uns nicht mit den Ge*
rauschen des Alltags totschlagen, sondern soil auch diese Gerausche in
eine hohere und gesteigerte Form erheben, und zwar nach innen,
nicht .nach auBen! Denn wozu wurde iiberhaupt die Musik zum Film
ersonnen? Geschah es nicht, um die Vielfaltigkeit aller wahrnehm*
baren Klange und Gerausche des Tages und der Nacht, alles Laute
und alles Leise, alien Larm und alle Stille zu verdichten und jeweils
auf den innersten Klang der Seele abzustimmen? Um das rein AuBer*
liche inwendig ertragbar zu machen? Also Mittler zu sein zwischen
Realem und Irrealem; zwischen der auBeren Erscheinungsform und
der inneren Erlebniswelt die Briicke zu sein, ohne die weder das
eine noch das andere bestehen kann. Und darum: Musik im Film!
183
AUS DEUTSCHEN M USI K VE RLAGS > ARCHI VEN I
Oswald Schrenk
Sue oetn &td)tti
oes dQufifeuerlttgea (£t». Bote & 6. Bo*
Seit dem 27.Januar 1838 besteht der Berliner Musikverlag Ed. Bote
£5 G. Bock; er kann also auf hundertundfiinf Jahre zuriickblicken. Es
ist nur natiirlich, wenn diese Tatigkeit iiber drei Menschenalter hin*
weg auch ihren Niederschlag in dem Archiv des Hauses gefunden
hat. Vieles, was einst zu dem Besitz des Verlages gehort hat, hat in*
zwischen in der Musiksammlung der- PreuBischen Staatsbibliothek
seine endgiiltige Heimstatt gefunden. So hat der Verlag vor dem
Weltkrieg 1914— 1918 viele hundert Briefe heriihmter Meister der Staats* _
bibliothek geschenkt. Auch so manches wertvplle Manuskript ist dort
fur alle Zeiten der Allgemeinheit zuf iickgegeben, so hat der Verlag noch
anlaBlich seines hundertjahrigen Bestehens Regers Partitur der Suite
im alten Stil op. 93 der Staatsbibliothek zum Geschenk gemacht.
• Aber auch das,, was der Verlag heute noch in seinem Archiv be?
wahrt, hat ein ansehnliches AusmaB und wird jedem Musikfreund
Interesse abgewinnen. Dazu gehort zunachst eine stattliche Bild*
sammlung mit eigenhandigen Widmungen von Meistern wie Liszt,
v.Biilow, Robert und Clara Schumann, Verdi, Puccini, Mascagni,
Leoncavallo, Johann und Richard StrauB, Tschaikowsky, d'Albert,
Kienzl, v. Schillings, Reger und vielen anderen.
Bedeutsamer sind zweifellos die umfangreichen Briefsammlungen,
die mehrere tausend Stuck umfassen. Hier wiederum sind Briefe von
Schumann, Lortzing, Wagner, Bruckner, Tschaikowsky die wertvolb
sten. Aber es finden sich auch solche yon Nichtmusikern wie Alex«
ander v. Humboldt und Adolf Menzel.
ZahlenmaBig den breitesteh Raum nehmen die vielen hundert
Briefe Max Regers ein, die er in seiner jahrelangen Zusammenarbeit
mit Bote & Bock an das Haus gerichtet hat. Die erste Veroffentlichung
aus diesem reichen Material brachte der Verlag in dem Buch „Max
Regers Meisterjahre" von Lotte Taube heraus, dem dieser Schrift*
wechsel, der Regers Personlichkeit in mannigfachem Lichte zeigt, zu*
grunde liegt. Hier erofinet sich auch fiir die spatere umfangreiche
Forschung rioch ein reiches Betatigungsfeld.
Jedoch der wesentlichste Archivbesitz eines Musikverlages besteht
184
in seinem Manuskript*Notenschatz. Durch umfangreiche Arbeiten im
Sommer 1938 sind viele wertvolle Autographen ans Tageslicht ge*
kommen. Mit Vorrang ist hier der NachlaB Otto Nicolais, des Mei*
sters der Oper „Die lustigen Weiber von Windsor" zu nennen. Eigent*
lich ist nur dies eineWerk im BewuBtsein der Gegenwart geblieben.
Wohl wyBte man von dem einen pder anderen Werk Nicolais, einiges
war auch bekannt, der groBte Teii blieb aber verschollen. Heute aber
konnen wir sagen, daB weitaus das meiste seines Scbaffens erhalten
geblieben ist. Der Verlag kam in den Besitz dieser Manuskript*
Material e durch Kauf von dem Vater Daniel Nicolai, der selbst
Musiker und Komponist war, und aus dessen Feder auch einige Werke
erhalten geblieben sind.
Zu dem wertvollsten der nachgelassenen Werke gehort das „Tede*
um", das Nicolai 1832, also im Alter von zweiundzwanzig Jahren
komponiert und auch in der Berliner Singakademie uraufgefuhrt hat.
Dieses „Tedeum" fur Soli, Chor und Orchester erklang nach seiner
Wiederauffuhrung Weihnachten 1938 zum erstenmal nach hundert*
undfiinf Jahren an der Statte seiner ersten Auffiihrung. AuBer den
deutschen Sendern schlossen sich damals zehn Lander mit ihren Sen<
der der Ubertragung an. Weiterhin sind erhalten geblieben die Parti*
turen zu den italienischen Opern des Meisters „Enrico secondo", „I1
Templario" und „I1 Proscritto". Von der letzteren existiert noch eine
deutsche Fassung von der Hand Nicolais, die er fur die Wiener Erst«
auffiihrung selbst fur die deutsche Buhne iibertragen hat. (Eine neuer*
liche Bearbeitung von anderer Seite ist jetzt vollendet und wird in
der PreuBischen Staatsoper zu Berlin herauskommen.) Neben diesen
groBenWerken ist tins eine Reihe kleinerer Werke fur Orchester,
Chor, Lieder mit {Clavier* und Instrumentalbegleitung in die Hande
gefallen. Hier sind vor allem die in den letzten Jahren oft aufgefuhrte
Weihnachts<Ouverture, das Orchesterwerk „PreuBens Stimme", die
Motetten und manches gehaltvolle Lied erwahnenswert. Kurz vor
seinem Tode schrieb Nicolai als letztesWerk den 31: Psalm „Herr,
auf Dich trau ich". Es ist ein aussohnender Gedanke, daB wir nun*
mehr auch diese letzte kompositorische Arbeit in der Handschrift des
Meisters geborgen wissen. Hinter dem letzten Takt der Partitur steht :
Berlin j Februar i849/Nicolai. Am 1.1. Mai des gleichen Jahres traf
Otto Nicolai der todliche Gehirnschlag. Durch die Auffindung dieser
Werke sind wir in der Lage, den Meister der „Lustigen Weiber" in
vollkommenerer Weise zu beurteilen. Es wird unsere Aufgabe sein,
wie bereits begonnen, das Lebenswerk des Meisters in seiner Gesamt*
heit zu erforschen und der Welt zuganglich zu machen.
185
Von Conradin Kreutzer ist uns ein bisher unbekanntes Manuskript
erhalten geblieben, die Oper „Konig Conradin", die in den Jahren
1847-18JO entstanden ist, aber anscheinend nie zur Auffuhrung ge*
langt ist. In einem Brief schreibt Kreutzer selbst iiber dieses sein
letztes Werk: „Ich hoffe zu Gott, wir werden groBe Ehre und viele
Freuden damit erleben, denn ich halte Konig Conradin fur meine
gelungenste Arbeit." Ihm selbst ist es dennoch versagt geblieben, sein
letztes Werk erklingen zu horen. Vielleicht erweckt die Nachwelt es
noch einmal zurn Leben.
Auch von Hector Berlioz isjt neben Briefen ein wertvolles Manu«
skript im Hause. Hier bandelt es sich um den eigenhandigen Klavier*
auszug der Oper „Benedict und Beatrice", die auch bei Bote £5 Bock
erschienen ist.
Allein von Friedrich v. Flotow fanden sich im Archiv des Hauses
siebzehn bisher unbekannte Opernpartituren des Schopfers der be*
riihmten „Martha" . Alle sind fein sauberlich vom Komponisten selbst
geschrieben. Zu einer Wiedererweckung erschienen sie weniger ge*
eignet, trotz mancher sehr gelungenen und feinsinnigen Einzelziige. -
Der bekannte junge Komponist Boris Blacher hat aus den wertvollsten
Ballettmusiken dieser Opern in sehr reizvoller Bearbeitung ein neues
Ballett „Das Zauberbuch von Erzerum" zusammengestellt, das in der
Spielzeit 1942/43 zum erstenmal im Staatstheater Stuttgart erklungen
ist. Damit wird ein Teil unbekannter Flotowscher Melodien der
OiFentlichkeit zuganglich gemacht.
Daneben bewahrt das Archiv des Hauses wertvolle Handschriften
von Eugen dAlbert, dessen Kompositionen zahlenmaBig sehr stark
vertreten sind, von Mascagni, tlichard StrauB, Schillings, Pfitzner und
Reger, um nur einige zu nennen. Von Reger existieren als Manuskript
allerdings nur kleinere Werke wie Chore und Lieder, weil der Kom*
ponist die Handschriften seiner groBeri Orchestervverke fiir sich be*
anspruchte.
Ist das Archiv des Hauses der Niederschlag der Tatigkeit eines
vergangenen Jahrhunderts, bewahrt es die geleistete Arbeit in seinen
Dokumenten, Briefen, Bildern und seiner standig wachsenden be*
deutsamen Bibliothek fur kommende Zeiten und Geschlechter, so ist
der Verlag trotz der gegenwartigen kriegsbedingten Einschrankungen
weiterhin tatig und aktiv. Neue Werke erscheinen und umfangreiche
Plane harren der Erfiillung nach siegreicher Beendigung des K.rieges.
186
AUS DEUTSCHEN M USI K VE RLAGS*A RCHIVEN II
Wolfgang Schmieder
Mo5ort-2)okumentc im ardjiu uon
Breitkopf & Cartel
Als sich im Jahre 1 800 das wenig erfreuliche Spiel urn den Haupt*
anteil von Mozarts handschriftlichem NachlaB zugiinsten des Musik*
verlegers Johann Anton Andr£ in Offenbach entschied, stand zu
erwarten, daB mitdiesem kostbaren Besitz auch die Initiative in Mozart*
Veroffentlichungen groBen Stils auf diesen Verlag iiberginge. Gleich*
wohl waren es aber Breitkopf & Hartel, die - damals bereits ein fast
hundert Jahre altes Unternehmen — unentwegt ihre „Oeuvres com;
plettes de W. A. Mozart" weiter herausgaben und die dann ein Men*
schenalter spater durch die groBe kritische Gesamtausgabe der Werke
Mozarts die Mozart* Verleger des 19. Jahrhunderts wurden. Die
Griinde hierfiir liegen tief. Sie sind zu einem erheblichen Teil sowohl
in der genialen Verlegerpersonlichkeit Gottfried Christoph Hartels
und in der verantwortungsbewuBten Verlagstatigkeit seiner Sohne als
auch in der wirtschaftlichen Schlagkraftigkeit des angesehenen Hauses
zu suchen. Es bediirfte aber eines eingehenden Studiums, alle die
Krafte aufzuzeigen, die diesen Trotzdem»Erfolg ermoglichten, an dem
auBerdem natiirlich auch die rasch anwachsende Verehrung fur Mo*
zarts Werke wesentlichen Anteil hatte. Und dazu ist hier nicht der
Ort. Hier soil diese Tatsache nur eine erste, das Folgende voraus*
nehmende Erklarung dafiir sein, daB trotz des Mangels an groBeren
Mozart*Autographen im BreitkopfGHartelschen Geschaftsarchivdoch
von „Mozart*Dokumenten" berichtet werden kann. I a ;l
Freilich handelt es sich nicht diirchweg um Stiicke, die einen groBen
Handelswert haben. Diese erschopfen sich mit den beiden autographen
Liedern fur dreistimmigen Chor und Orgelbegleitung K.V. 483 und
484, die Mozarts Witwe 1799 an den Verlag schickte, mit den zahh
reichen Briefen aus seinem Familienkreis, besonders mit denen Kon*
stanzes 1 ) — auch von dem Vater Leopold und der Schwester Nannerl
liegen Briefe vor - sowie mit einigen wertvollen Erstdrucken, z. B. der
Partituren zum „Don Giovanni" und zum Requiem und mit einigen
!) Sie korrespondierte auch noch als Staatsratin v. Nissen lebhaft mit dem Verlag.
Die Existenz dieser so gezeichneten, bisher noch unbekannten und unveroffentlichten
Briefe entdeckte der Schreiber dieser Zeilen wahrend seiner Tatigkeit als Archivar
des Hauses Breitkopf & Hartel.
187
Bildern. Die Starke der Breitkopf & Hartelschen Mozart*Dokumente
liegt auf einem anderen Gebiet. Und es soil mit Nachdruck darauf
hingewiesen werden, daB ein betrachtlicher Teil dieser Stiicke libera
haupt nur in einem. Musikverlagsarchiv angetrofFen werden kann.
Briefe, Musikmanuskripte, Bilder, Erstausgaben und Programme birgt -
jede, die kleinste wie die groBte'Sammelstelle, sei es eine Bibliothek,
eine Gesellschaft, ein Forschungsinstitut oder eine Gedachtnisstatte.
Wo aber fanden sich beispielsweise Biicher, die iiber die Entstehungs*
gescbichte von Erst* oder Friihdrucken wichtige Auskunft erteilen, die
das Datum der Fertigstellung auf den Tag genau angeben, die iiber
den oder die ungenannten Kiinstler der Titelkupfer AufschluB ge«
wahren, die den Verdeutscher eines italienischen Textes festhalten, die
den Verfasser eines Klavierauszuges nennen, oder die auf die Frage
nach der Provenienz einer handschriftlichen Vorlage zu antworten
vermogen? Oder wo ware ein Museum oder eine Bibliothek, die an
Hand einer Fiille von gedruckten Verlegerzirkularen mit privaten und
geschaftlichen Benachrichtigungen Erscheinungsdaten von Erstaus*
gaben feststellen korinten? Und woran lieBe sich die Wertschatzung
eines Meisters deutlicher ablesen als an Auf lageziffern oder an eigens
fiir seine Werke angelegten Bestellbiichern?
Da es den Rahmen der vorliegenden Betrachtung sprengen wiirde,
alle derartigen Mozart'Dokumente einzeln aufzufiihren, sollen im
folgenden nur einige Kostproben gegeben- werden. Die Grundlagen
fiir eine exakte Erfassung aller Mozart*Materialien des Archivs waren
auBerdem. trotz aller Vorarbeiten erst noch an Ort und Stelle zu
schafFen. - Das Archiv birgt eine Reihe von Folianten, die die Bezeich*
nung „Typographische Druckbiicher" und „Musikdruckbiicher" tra*-
gen. In diesen ist die Herstellungsgeschichte jedes Werkes bis ins Ein*
zelne festgehalten. Wer also heute beispielsweise das erste Heft aus der
erwahnten Reihe der „Oeuvres complettes" in die Hande bekommt,
findet unter Nr. i jj des betreffenden Bandes, daB es im „Marz 1798"
fertig wurde, daB fiir Zeichnung der Titelvignette an Schnorr 1 )
1 o Reichstaler und fiir den „Stich derselben an Bohm" 2 ) 40 Reichstaler
aufgewendet wurden. Ferner findet er meistens in diesen Biichern die
Auf lagenhohe der Erstausgabe, die Nachdrucke, den Namen des Kor>
rektors und das ihm gezahlte Honorar sowie den Namen und die
Forderung desjenigen, der die Vorlage fiir den Heftinhalt lieferte.
- 1 )' Hans Friedrich Veit Schnorr v. Carolsfeld (1764— 1841), Akademiedirektor in
Leipzig, Vater des Malers Julius und GroBvater des'ersten Tristansangers Ludwig.
2 ) Wenzl Bohme C1769 — 1823), Kupferstecher aus Wien, seit 1797 in Leipzig seB<
haft; daselbst Mitglied der Akademie der Kunste.
188
Wie wichtig derartige Notizen sein konnen, laBt sich z.B. auch an.
einem undatierten, verhaltnismaBig friihen Klavierauszug zu „Figaros
Hochzeit" erweisen. Hier teilt das Druckbuch nicht nur mit, daB der
Druck am 13. Februar 1797 beendet war, sondern es verrat auch den
im Titel und sonst nirgendwo genannten Verfasser des Klavieraus«
zuges Siegfried Schmiedt 1 ) .
DaB sich die Korrespondenz eines Musikverlagshauses wesentlich
von Briefsammlungen in Museen oder Bibliotheken unterscheidet, liegt
auf der Hand. Das Archiv von Breitkopf £5 Hartel besitzt von Mozart
selbst keine Briefe. Von denen aus seinem Familienkreis war bereits
die Rede. Urn so stattlicher ist aber die Zahl solcher Briefe, die auf
Mozarts Werke Bezug nehmen. Gottfried Christoph Hartel war durch
den Handschriftenverkauf der Witwe gehalten, sich — kostees was es
wolle - Kopien von Mozarts Werken zu verschaffen. Und da er durch
seine weitverzweigten Geschaftsverbindungen, besonders aber auch
iiber die Mitarbeiter an der neugegriindeten „Allgemeinen Musikali*
schen Zeitung" (1798 ft".) iiberall hin Beziehungen hatte, fiel ihm das
• nicht allzu schwer. Eine wahre Fundgrube bieten z. B. die noch durch?
aus nicht voll ausgewerteten Briefe des Mozart*Biographen Franz
Xaver Niemetschek, der mit Mozart personlich bekannt war, der von
Prag aus fleiBig Ausschau hielt nach Mozartschen Werken und der
auch wichtige Angaben iiber unechte und unvollstandige Werke
machte. So steckte er sich hinter den dortigen Flotisten Leitl, dessen
Sammlung Mozartscher Blasermusik ihm bekannt war, und veranlaBte
ihn, zahlreiche Kopien fur Breitkopf & Hartel anzufertigen 2 ), oder er
stellte bereits 1799 fest, daB die unter Mozarts Namen verofFentlichte
c;molbKlaviersonate (K.V. Anh. 284 a) nicht von Mozart, sondern von
Anton Eberl sei 3 ), oder er teilte am 26. Juni 1799 mit, daB das Lied
„VergiB mein nicht" (K.V. Anh. 246), das gleichfalls unter Mozarts
Namen „heraus" sei, nicht von diesem, sondern von Jacquin*) stamme,
oder er iiberschickte am 20. Februar 1801 unbekannte Secco'-Rezitative
1) In die 3. Auflage des KochebVerzeichnisses (1937) ging schon einesehr betfachb
liche Anzahl derartiger Angaben fiber, aber es bleibt fur weitere Forschungen nocb
viel zu tun iibrig. Die daselbst S. 62$ stehende Notiz fiber obigen Klavierauszug ist
auch bereits iiberholt, da sich ein Exemplar des seltenen Druches im Archiv von Breit*
kopf & Hartel befindet..
2) Vgl. K.V. i 9 6c-£
3 ) Nach ihm war es erstGerber, der in der 2. Auflage seines Lexikons i8i2ff. dar<
auf aufmerksam machte.
4 ) Vermutlich Emil Gottfried Edler v. Jacquin, ein um die Jahrhundertwende wohl
in Wien wirkender Komponist. Moglicherweise handelt es sich hier um die K.V.,
y Auflage, S. 883 W. Ehlers zugeschriebene Komposition. .
189
zu „Don Giovanni", deren Bedeutung erst unlangst durch einen Fund
in der Bibliothek des Istituto musicale in Florenz ins rechte Licht
geriickt werden konnte 1 }. Die Bedeutung derartiger „Geschaftsbriefe"
fur die Forschung ist gar nicht abzuschatzen. DaB sie durch die in
Form von Briefkopierbiichem erhaltenen Antwortbriefe der Firma
noch an Wert gewinnen, braucht nicht besonders betont zu werden.
Daneben stehen die bereits kurz erwahnten Verlegerzirkulare. Hier
sind es namentlich ihre teils geschriebenen, teils gedruckten New
erscheinungslisten, die oft den einzigen Anhalt bieten fiir die Da*
tierung von Erstausgaben. Im Falle Mozart sind die von Johann Anton
Andre und Artaria wohl die ergiebigsten; und es darf verraten werden,
daB zwar fiir die 3 . Auf lage des tCochel bereits ganze Listen voll Aus*
ziigen aus solchen Zirkularen hergestellt und entsprechend verwertet
worden sind, daB aber eine voile Ausbeute auch auf diesem Gebiet
durchaus noch nicht erreicht ist. Bedeutsam fiir die Feststellung der
termini post und ante quern sind auch oft die datierten Mitteilungen
von Veranderungen in der Firma, die ihren Niederschlag auch auf den
Titeln in den Notenheften finden, oder von der Griindung eines Ver*
lages.
AbschlieBend sei neben dem Hinwgis auf das wichtige, der Mozart*
Forschung nicht unbekannte alte handschriftliche thematische Ver*
zeichnis, dessen Herkunft — es diirfte aus der Zeit urn 1800 stammen —
noch festzustellen ist, von etnem Geschaftsbuch ganz besonderer Art
die Rede. Es tragt die Aufschrift „Unmittelbare Pranumeranten auf
Mozarts Werke" und enthalt die Namen aller derer, die im Jahrzehnt
nach Mozarts Tode Abonnenten der „Oeuvres complettes de W. A.
Mozart" wurden. Das Buch ist in mehrfacher Hinsicht interessant und
lehrreich. Einmal, weil es eine Reihe von Namen enthalt, die fiir Mo«
zarts Leben oder Werk von Bedeutung sind, sodann aber vor allem
auch, weil es das Inkognito der Masse der begeisterten Mozart* Ver*
ehrer bald nach Mozarts Tode liiften hilft. Gibt es nicht zu denken,
daB sich unter den Abonnenten ein „Feueressenkehrer" und ein „Hof*
mechanikus" und ein „Medailleur" befinden, daB also die Musik*
begeisterung auch in Standen angetroffen wird, von denen man eine
solche nicht unbedingt erwartet hatte?
Es wiirde zu weit fuhren, hier dasBuch eingehender zu betrachten 2 ),
aber ein kurzer Blick auf die bekanntesten Personlichkeiten uriter den
„Pranumeranten" sei immerhin geworfen - im Vertrauen auf den
i) Vgl. „Music and Letters", Vol. XIX, Nr. 4, Oktober 1938.
2 ) Eine bereits abgeschlossene ausfuhriiche Abhandlung uber dieses Buch harrt
noch der Veroffentlichung.
190 ■
Reiz, den es wohl allenthalben ausiibt, diejenigen gewissermaBen von
Angesicht zu Angesicht kennen zu lernen, die ihrer Mozart* Ver*
ehrung durch die Bestellung seiner gesammelten Werke Ausdruck ge<
geberi haben. Constanze Mozart und Nannerl erhielten je ein Frei*
exemplar. Dieselbe Ehre ward auch Joseph Haydn zuteil. Aus der
Reihe der Besteller seien genannt: Carl Ludwig Fischer, der erste „Os«
min" bei der Urauffuhrung der „Entfiihrung" (1786), Franz Anton
Maurer, ein sehr beriihmter „Sarastro" anSchikaneders Theater, Carl
Gottlieb Berger, jener Leipziger Geiger, dem Mozart bei seinem Auf*
enthalt in Leipzig auf seiner Stube vorgespielt haben soil, der bereits
erwahnte Flotist Leitl aus Prag, ferner natiirlich auch Niemetschek.
Selbstverstandlich fehlen weder der Herr Hofrat Rochlitz, der blumige
und phantasievolle Berichterstatter iiber Mozarts Leipziger Aufenthalt,
noch die Thomaskantoren August Eberhard Miiller - dieser lebhaft
beteiligt an der Entstehung der „Oeuvres" — und Johann Gottfried
Schicht. Auch daB Himmel, Zumsteeg und der Kirnberger^Schiiler
Schwencke unter den Bestellern vertreten sind, ist gewiB nicht uw
interessant. Aus der Reihe beriihmter Nichtmusiker seien genannt:
Der bereits erwahnte Maler Veit Schnorr v. Carolsfeld, die Dichter
Christian Felix WeiBe und Johann Timotheus Hermes, der Schrifb
steller Friedrich Nicolai und der Herr „Appellationsrat" Korner in
Dresden, der Vater Theodor Korners; DaB die Werke Mozarts auch
an den Weimarer Hof gingen, bezeugt die Pranumeration von Johann
Friedrich Kranz, dem „FConzertmeister in Weimar", der sein Exemplar
ausdriicklich fiir die Herzogin Anna Amalia bestellte.
Mit dieser kleinen Namenauslese aus dem alten Abonnentenver*
zeichnis sei die Betrachtung der Mozart*Dokumente des Breitkopf
£5 Hartelschen Geschaftsarchivs beschlossen. Erschopfend behandelt
ist damit das Mozart^Material desArchivs, wie betont, nicht im gering^
sten. Aber der Sinn dieser Zeilen war ja nicht, eine verzeichnismaBige
Quellehbeschreibung zu geben, sondern auf den Wert und die beson*
dere Art der Mozart*Materialien des altesten deutschen Musikverlags*
archivs aufmerksam zu machen und den Blick der Wissenschaft auf
neue oder bisher noch nicht voll ausgenutzte Ansatzmoglichkeiten fiir
die Mozart*Forschung zu richten.
191
AUS DEUTSCHEN M U SI K VE RLAG S; ARCH1 VEN III
Erwin Kroll
Mm Her ©efdjidjte Ues Mufikuerlagca "Robert Kienau
Als altesten Berliner Musikverlag diirfen wir den von Robert
Lienau ansprechen. Denn er ist aus der schon 179/ bestehenden,
Adolph Martin Schlesinger gehorenden Buch* und Musikhandlung
hervorgegangen, die Lienau 1864 von den Erben des 1838 ver*
storbenen (nichtarischen) ersten Besitzers kaufte. Kein Geringerer als
Karl Maria von Weber sang 1812 in Cottas Morgenblatt das Lob
dieses rascb auf bltihenden Unternehmens, obne sich iibrigens als Ver*
fasser zu bekennen, und wies dabei auf eigene Werke hin,die er die*
sem Verlage anvertraut hatte. So erschien damals der Klavierauszug
der „Silvana", und nach und nacb folgten weitere, rasch bekannt
werdende Werke des Komponisten, darunter die Lieder nach Korners
„Leier und Schwert", die „Aufforderung zum Tanz", der „Frei*
schiitz". Nicht immer war Weber mit dem Geschaftsgebaren des ihmi
sonst freundschaftlich verbundenen Verlegers einverstanden. So
wandte er sicb einmal gegen dessen unerlaubte Arrangements der
„Freischutz"*Musik und hielt mit seinem Unwillen nicbt zuriick, als
im September 1822 „Euryanthe" nicht angenommen wurde. Seitdem
war es aucb mit dem freundschaftlichen Verkehr zwischen Komponist
und Verleger vorbei. Docb hat der Verlag nach Webers Tode noch
den „Oberon" veroffentlichen diirfen und von der Witwe den ge*
samten NachlaB des Komponisten erworben, dessen Werke er nun<
mehr in vielen sorgfaltigen Ausgaben weithin verbreitete. Daneben
waren es unter ahderem Schopfungen von Spohr, Hummel und
Liszt, deren er sich annahm. Auch Berlioz' bekannte Instrument
tationslehre erschien bei ihm, und seine Erben kauften den NachlaB
von Chopin und Werke von Cornelius.
Zu diesen Schatzen erwarb Lienau, der iibrigens nach dem Kauf
des Verlages in einem verstaubten Paket auch die erste gedruckte, von
Zelter herausgegebene Partitur der Bachschen Matthaus^Passion ge*
funden hatte, im Jahre 1 87 j die reichen Bestande des Wiener Verlags*
hauses Tobias Haslinger, das zunachst Steiner geleitet hatte; und damit
kommeh wir auf Beethoven. Schon Schlesinger war 1819 mit diesem
Meister durch einen seiner Sonne in Verbindung getreten und hatte
192
die „Schottischen Lieder", ferner die letzten Klaviersonaten und Quar<
tette erhalten. Auch Beethovens allbekannter Marsch fur das Yorck*
sche Korps erschien in einer Sammlung des Verlages. Dieser Besitz .
vermehrte sich nun um den Haslingerschen. Es waren von der Klavier?
sonate op. 90 an zahlreiche Werke des Meisters, darunter die 7. und
8. Symphonie. Man weiB, wie burschikos Beethoven mit dem Verlage
verkehrte. Bezeichnete er sich in seinen Briefen als Generalissimus, so
gait Steiner als Generalleutnant oder Gbergeneral, Haslinger als dessen
Adjutant, und Diabelli, der Korrektor Steiners, als GroB* oder General?
profoB. Robert Lienau hat diese Briefe nebst anderen Beethoven*Er*
innerungen in seinem Archiv getreulich behiitet. Sein Sohn Robert,
der den Verlag 1 9 1 o zusammen mit seinem Bruders Wilhelm iibernahm
und heute Alleinleiter ist, veranlaBte eine Herausgabe durch Max
Unger, der mit philologischer Sorgfalt auch iiber den Verbleib der
Manuskripte berichtete 1 . Mit den Beethovensehen Werken erwarb
Lienau vom Haslingerschen Verlage unter anderem die Spohrsche
Violinschule, zahlreiche Kompositionen von Czerny und die ersten
300 Schppfungen des Walzerkonigs Johann StrauB.
Auch mit Franz Liszt bestand ein reger verlegerischer Verkehr.
Die meisten Ungarischen Rhapsodien, die Ubertragungen der Lieder
Chopins, spater (von Haslinger ubernommen) das Es^dur^Klavierkon;
zert, die Transkriptionen Schubertscher Musik — das sind nur einige
von den Werken Liszts, fur die Lienau eintrat. Lowes „Uhr" er*
warb Schlesinger i8jj, ohne im geringsten zu ahnen, daB er damit ein
Vermogen verdienen'wiirde. Fiir Lowes Balladen hat sich dann Lienau
mit groBem Erfolg eingesetzt. Im iibrigen waren es neue Klassiker?
ausgaben, die den Ruf seines Verlages verbreiteten. Auch Beziehungen
zu neuen Meistern, z. B. zu Dvorak, wurden angekniipft, und wenn
Robert Lienau d. J. Werke von Sibelius, darunter dasViolinkonzert,
und Bruckner s dritte und achte Symphonie sowie sein Te Deum
erwarb, so tat er es aus einer Berufsgesinnung heraus, die nach seinen
im Nachwort des vorhin erwahnten Briefwechsels niedergelegten Wor*
ten darin zum Ausdruck kam, „daB das Zusammenwirken dieser
Manner sich nicht auf das rein Geschaftliche beschrankte, sondern
daB die Verleger als Freunde und Berater im Bannkreis des Genius,
von hohem Idealismus und echtem Kunstsinn erfiillt, der Verbreitung
seiner Meisterwerke sich aufopfernd hingaben und dadurch der Kunst
wichtige Dienste leisteten".
1 Max Unger, Ludwig van Beethoven und seine Verleger S. A. Steiner und Tobias
Haslinger in Wien, Ad. Mart. Schlesinger in Berlin. Ihr Verkehr und Briefwechsel.
Berlin 1921.
I} > 193
Befptedjungen
fScrmann Weuttera £>per „£tig|TtU8"
Hermann Reutter, der zweiundvierzigjahrige Leiter der Musikhoch'
schule in Frankfurt a. M,, ist fur die Musikwelt seit langem ein Begriff.
Mit Kammermusik, Chor* und Biihnenwerken („Der groBe Kalender",
„Dr. Johannes Faust") hat er sich als ein fortschrittlicher, eigene Wege
suchender Komponist bekannt gemacht. Mit seinem „Odysseus" ver*
sucht er sich zum erstenmal an der ernsten Oper groBen Stils. Die
Wahl des homerischen Stoffes verrat seinen Instinkt fiir die Bedingt*
heiten der Musikbiihne. Ist doch der Mythos mit seinen iiberwirk'
lichen und sifmbildhaften Gestalten und Begebenheiten seit jeher die
gegebene StofFwelt for die irreale Kunstform des gesungenen Dramas.
Rudolf Bach hat in enger Zusammenarbeit mit dem Komponisten ein
zwar reichlich breit angelegtes, aber dichterisch wertvolles Textbuch
geschrieben. In neun Bildern werden einzelne Stationen der Irrfahrt
des Odysseus bis zu seiner endlichen Heimkehr nach Ithaka dargestellt.
Die Art dieser Darstellung ist mehr episch als dramatisch. Ihre Be;
sonderheit ist die Verwendung eines Chores, der nicht handelnd auf>
tritt, sondern in zwei Reihen frontal zum Zuschauer unterhalb der
Rampe im Orchester sitzt. Die Rolle dieses Chores, der Elemente des
Oratoriums in die Oper hineintragt, ist nicht eindeutig. Einerseits er*
zahlt er, was zwischen den einzelnen Szenen geschieht, andererseits
mischt er sich aber auch in die Handlung ein und erteilt den Personen
auf der Biihne Ratschlage und Ermahnungen. SchlieBlich gebardet er
sich auch als Moralist, der die Vorgange betrachtet und deutet. „Ewig
ist dessen Gedachtnis, der das Verhangte besteht" verkiindet er im
Hinblick auf den Helden. Damit schlieBen sich Rudolf Bach und
Reutter den heute beliebten lehrhaften Tendenzen der Gegenwarts*
oper an, die gern ein heldisches Leben beispielhaft vor dem Horer
aufrollt. (Egks „Columbus" und Borcks „Napoleon" erstreben Ahn«
liches.)
Die episch^oratorische Fassung des Textes entspricht der Eigenart
von Reutters Tonsprache. Sie schildert rnehr als daB sie entwickelt
und vorwarts treibt. Sie schaiFt in einzelnen Bildern (Insel der Circe -
Beschworung der Schatten in der Unterwelt - Abschied von Nausikaa)
194
;
eine suggestive Klangatmosphare und erhebt sich streckenweise zu
einer bemerkenswerten Kraft der musikalischen Charakterisierung.
Dabei ist das rhythmische und koloristische Element im allgemeinen
starker als der melodische Einfall, obgleich Reutter zweifellos sehr
sangbar schreibt und das Orchester dem Sanger unterordnet. Als
formbildendes Element benutzt er gern ostinate Rhythmen und Fi*
guren. Sie fassen die ariosen und liedhaften Gebilde zusammen, die
sich innerhalb der durchkomponierten Szenen abzeichnen. Der stark
beteiligte Chor ist — wohl in der Absicht auf lapidare Wirkung —
meist sehr einfach behandelt, dabei aber in der Ausdrucksgebarde
gliicklich stilisiert.'
Als ein anregender, ernster und selbstandiger Beitrag zur Oper.
unserer Zeit errang das Werk bei seiner Urauffuhrung in Frankfurt
einen unbestrittenen Erfolg. Gertrud Runge
6einrid) Sutermeiftcrs ^auberinfel"
Die zweiaktige Oper „Die Zauberinsel" von Heinrich Sutermeister
stellt das vorlaufige SchluBglied einer langen Reihe, von Vertonungen
dar, die Shakespeares „Sturm" galten. Es sei nur an den „Tempest"
von John Christopher Smith (17J6), an die Biihnenmusiken eines
Purcell und Robert Johnson, an die mannigfachen Kompositionen des
deutschen 18. Jahrhunderts - „Die Geisterinsel" von Rolle, Aspeb
mayer, Peter v. Winter, Reichardt, Zumsteeg, Wenzel Miiller — und
der neueren Zeit - Urspruchs „Sturm">Oper, Ouvertiiren und Ton?
dichtungen von Rietz, Vierling, RaiF — , sowie einschlagige Werke von
Berlioz, Tschaikowsky u. a. erinnert. In unseren Tagen hat sich auch
der Italiener Afturo Rossato des StoiFes bemachtigt. Ohne der Gefahr
zu achten, die in dem Sprichwort „Wer davon iBt, stirbt daran" liegen
konnte, hat auch Sutermeister nach Shakespeares Alterslverk gegriiFen,
ermutigt durch das einzige Beispiel einer erfolgreichen musikdrama*
tischen ShakespeareJSJachfolge, wie es Verdi in dreifacher Abwand*
lung, aber doch imrrier auf den Blutgesetzen seines Opernideals fuBend,
gegeben hat. Sutermeisters Erfolg als Vertoner \on „Romeo und
Julia" bestatigt ja auch bisher das Recht seines Vorgehens als Libret*
tist und Komponist.
Als sein eigener Buchverfasser schopft Sutermeister wie in seiner
ersten Shakespeare^Oper auch diesmal wieder nicht nur aus der Quelle
Schlegels, sondern auch aus anderen literaturgeschichtlichen Ubew
lieferungen, aus der deutschen Barockdichtung, aus alten deutschen
Opernlibretti usw. Sein dramaturgisches Verfahren beruht auf kluger
195
wissenschaftlicherEinsicbt und kiinstlerischer Kombinationsgabe. Alles
ist von einem sicheren und guten Geschmack (iberwacbt. Auch ein
eigenes dichterisches Vermogen sorgt fur Findung und Herausarbei*
tung des im Opernsinne Wirksamen und Plastischen. Das Finale —
einsetzend, nacbdem Prospero mit Hilfe Ariels sein Erziehungswerk
an Mensch und Kreatur vollendet und den freundlicben Luftgeist
entlassen bat - geht in breiter Kantatenform in einen Preis der Men*
schenliebe iiber.
Die musikalischen Stilelemente sind eine einpragsame, beinabe
allzu sinnfallige Melodik und eine iiberaus effektvolle Instrumentation
von oft Berliozscher Farbigkeit und SiiBe. Dem StoIF entsprechend
tritt der Cbor beberrschend in Erscheinung, und zwar wesentlich als
Trager magischer, hintergriindiger Stimmungen, die der Biihne ge*
wissermaBen die seeliscben Bezirke des Traumes erobern wollen. Die
geistige Stellung der neuen Oper scheint durch die nationale Herkunft
des Komponisten abgegrenzt: Sutermeister ist Schweizer und stebt dem
Willen der jiingsten deutschen Generation ebenso priifend und ab*
wagend nahe wie den alteren Idealen der Franzosen und dem beson*
ders heiB umworbenen Vorbild Verdis. Die symphoniscb*musikdrama*
tiscbe Linie der WagnenNachfolge wird bewuBt vermieden zugunsten
einer Renaissance der Nummernoper mit Arien, Duetten, Ensembles
aller Art sowie verbindenden rezitativischen Partien von auBerordent*
licber Plastik und Ausdruckskraft. In den komischen Szenen (Caliban,
Trunkenbolde) dient die chansonmaBige, kabarettistiscb zugespitzte
Form* und Farbgebung dem dramatische'n Ziel, soweit diese Partien
nicbt iiberhaupt gesprochen werden. Im ganzen stellt sich das' Werk
als buntscheckiges kiinstlerisches Gebilde von groBtem Einfallsreich*
turn im einzelnen und von einer gewissen eklektizistischen, ribch nach
einem festen personlichen Standpunkt suchenden Gesamthaltung dar.
AuBerordentliche, geradezu suggestiv werbende Kraft lag in der Wie*
dergabe der „Zauberinsel" an der Dresdner Staatsoper unter Dr. Karl
Bohms Leitung. Dr. Hans Schnoor
Joljann Wepomuk Sanitis Srittc S|[mpljonie (Cfferk 28)
Es mag befremden, daB eine neue symphonische Form au.s Stib
bezirken aufwachst, die der klassischen Kultur der Sonate sehr fern*
liegen. In Johann Nepomuk Davids Orgel* und Chorschaffen treffen
sich Einfliisse aus der niederlandischen Renaissance und dem deut*
schen Friihbarock; kaum ein anderer verkorpert so entschieden wie
er den polypbonen Geist der neuen Musik. Aber mag einmal diese
196
Distanz von den Formbegriffen des 19. Jahrhunderts ihn vor dem
Schicksal des Epigonentums bewahren, dem die meisten nachbeethoven*
schen Erneuerer der symphonischen Form verfieleh, so kommt doch
wiederum ein Verbindendes dazu : seine nahe geistige und blutmaBige
Beziehung zu Bruckner als demjenigen unter den groBen Symphoni*
kern, der in seinen Urspriingen und Auswirkungen iiber das 19. Jahr*
hundert hinausgreift, dessen Werk wie eine weitgespannte Briicke von
Bach bis zur Gegenwart die polypbone Kraft der Musik iiber das Jahr*
hundert derSonatehinwegtragt. Diese polyphone Kraft wird for Davids
Symphonik vollends bestimmend. Zwar bleibt die Folge der vier cha>
rakteristischen Satztypen for sie verbindlich. Innerhalb der Satze aber
herrscht nicht so sehr das Nacheinander der monodischen Form mit
der Gegenuberstellung dramatisch zugespitzter Kontraste, als vieb
mehr das Zugleich des polyphonen Prinzips mit seiner einheitlichen
linearen Spannung.
Der erste Satz der dritten, in Odur stehenden Symphonie baut sich
auf aus drei Themengruppen. Auf das langausgesponnene, von einer
flieBenden Begleitungsfigur getragene Hauptthema der Violinen folgt
eine Oberleitungsgruppe des ganzen, bis zu Hornern, Trompeten und
Pauken besetzten Orchesters; das dritte, lyrische Thema der Fagotte
und Oboen erhebt sich nach Umfang und Gewicht nicht zur Bedeutung
eines gleichwertigen Seitenthemas, sondern scheint mehr der Bruckner*
schen SchluBgruppe zu entsprechen, so daB die dualistische Spannung
der Sonatenform nicht zustandekommt. Fast unmerklich setzt die
Durchfohrung ein, die in dreimaligem Ansatz die Moglichkeiten des
Hauptthemas zu polyphoner Verarbeitung ausnutzt und in die breiter
und kontrapunktisch reicher ausgefiihrte Reprise zuriickleitet. Im
Adagio steht dem schlichten, ganz orgelmaBig empfundenen Haupt*
gedanken, der in viermaligem kanonischen Einsatz in der Unterquarte
ein weites harmonisches Feld umgreift, ein akkordischer Seitensatz von
Brucknerscher Klangtiefe entgegen, der sich im Verlauf mit dem
Hauptthema verbindet : Barock und Romantik sind verschmolzeh. Das
Scherzo mit dem gesangvollen Trio kommt der romantischen Form
am nachsten. Das Finale faBt das thematische Material aller Satze zw
sammen. Vor der kontrapunktischen Verdichtung des Schlusses kommt
es zu einem uberraschenden Moment der Beruhigung: iiber dem
Grundton der Dominante tiirmt sich im Pianissimo solistischer Strei*
cher und Blaser ein Klanggebaude von zwolf aufeinandergeschichteten
Quarten - ein Ausschwingen nach der Seite des Harmonisch«Koloristi*
schen, das hier zum einzigen Male den FluB der linearen Energie
unterbricht.
197
Die Bedeutung der Davidschen Symphonien beruht, wenigstens fur
den gegenwartigen Betrachter, nicht so sehr in der Besonderheit ihrer
individuellen Gestaltiing - ihre Ahnlichkeit untereinander gehort zu
ihren wesentlichen Merkmalen - als vielmehr darin, daB sie gerade
durch die Stetigkeit der Wiederholung einen neuen Typus aufstellen, in
dem sich die flieBenden Formkrafte der Zeit zu endgultiger Gestalt zu
festigen scheinen. Sie bauen auf dem erweiterten Tonalitatsbegriff, der
das klare, aber enge System des Rationalismus, das System Rameaus,
aus dem schon die Romantik herausdrangte, heute abgelost hat. Fiir
die feste Endlichkeit der klassischen Architektonik stent die irrationale
Weite des neuen Musikgefiihls, die von den Willenskraften der melo*
discben Linie, den urspriinglichen Kraften des polypbonen deutschen
Musikgeistes, bewegt wird. In Davids Symphonien scheint — und das
ist das Entscheidende - das chaotische Element, das der groBen Musik
der Gegenwart seit dem.- Zerfall der alten Ordnungen innewohnt,
durch die formende Kraft eines iiberlegenen Weltgefiihls gebandigt.
In ihnen kli.ngt die dunkle Unrast und das unerbittliche Schicksal,
das liber unserer Zeit steht. Aber starker ist der Glaube, der liber dem
aufgewiihlten Grunde der Zeit das feste Gebaude der kiinstlerischen
Form errichtet, Biirgschaft einer neuen Sicherheit und Vollendung, der
unsere Kunst entgegenwachst. Werner Oehlmann
jpoul (Sroencra „Wkntt Sptpbonte" (Wtxk no)
Am 2 j. November 1941 brachte Hans Knappertsbusch mit den
Berliner Philharmonikern ein neues Instrumentalwerk Paul Graeners
zur UraufTiihrung, das sich „Wiener Symphonie" benannte. Diese
Bezeichnung wahlte der Komponist, eigener Aussage zufplge, in ehr«
fiirchtiger Erinnerung an die GroBtaten symphonischen SchafFens, die
in Wien durch dortige Meister von Haydn bis Bruckner verwirklicht
wurden, Ausgepragt „Wienerisches" etwa im Sinne tanzerischer Froh*
lichkeit soil- in dem Werk nicht aufklingen, ebensowenig freilich ge>
wollte Nachbildung des Stiles der Wiener Symphoniekomponisten.
Eine solche tritt hochstens insofern in Erseheinung, als ja jede frucht*
bare Entwicklung der Symphonie in den von jenen GroBen gewiesenen
Bahnen fortzuschreiten hat.
Die drei Satze des auf Scherzo oder Menuett verzichtenden Werkes
bieten anmutvoll besinnliche Musik halb klassizistischer, halb romantic
scher Pragung. Musikalisches Neubarock wird nur ganz episodenhaft
spiirbar. Meisterliche Formung 1st gleich dem ersten F*dur*Allegro
eigen, trotz seines iiberquellenden Themenreichtums und der gedank*
198
lich kiihn ausschweifenden Durchfuhrung. Auch das beschwingte
Odur*Finale wei8 seinem abwechslungsvollen Bilderreichtum archi;
tektonische Geschlossenheit zu geben. Stimmurigsvoll klingt es mit
einem besinnlichen Andahte*Epilog aus. Der eigentliche langsame
Satz, ein schwarmerisches B*dur*Larghetto, dem eine kurze gesangvolle
AndantesEinleiturig vorangestellt ist, gewinnt durcb ein kraftvolles
Gegenthema ein fast dramatisches Geprage. Durcb feine Klangkultur
ist bei mittlerer Orchesterbesetzung dieses reicbe tbematische Ge>
scheben der Symphonie noch besonders eindringlich gemacht. So darf
man hoiFen, daB dasWerk dauerndHeimatrecht in unseren Konzertsalen
gewinnt. Eugen Scbmitz
JF ricHriri) 6et3f clU : O/illjcltn f urtujfinglcr, Wt$ unH BJefen
Zum ersten Male wird hier der Lebensweg und die kiinstlerische
Personlichkeit Wilhelm Furtwanglers, des unbestritten groBten Diri*
genten unserer Tage, einer eingehenden Betrachtung und Wiirdigung
unterzogen. Mit glanzender Darstellungsgabe und Verarbeitung eines
iiberreichen Materials wird der Weg des Blutes aufgezeigt, der durch
Vereinigung der vaterlichen Abnen aus dem Scbwarzwald und der
kiinstlerisch gerichteten miitterlichen Vorfabren sowohl die Natur*
verbundenheit wie die geniale musikalische Veranlagung Furtwanglers
erklart. Die Lehr; und Wanderjahre in Miinchen, Breslau, Zurich,
StraBburg, der unerhort glanzende Aufstieg zur hochsten Meister*
scbaft iiber Liibeck, Mannheim, Frankfurt, Leipzig, mancherlei Krisen
und Kampfe, das alles wird mit lebendiger Sachlichkeit dargestellt bis
zur Gegenwart, wo Furtwangler als markanteste Erscheinung des heu*
tigen deutschen Musiklebens an der Spitze der Berliner Philharmonic
ker seinen Ruhm in.alleWelt ausstrahlen laBt.
Der zweite' Teil fuhrt in die geistige Werkstatt des Dirigenten. Hier
gibt der Verfasser scharfsinnige und grtindsatzliche Ausfiihrungen
iiber das Wesen der Dirigierkunst und im besonderen iiber Furt*
wanglers Orchestertechnik und suggestive Nachgestaltungskraft. Viel
Anregung bieten auch die Kapitel iiber die Stellung des groBen Diri*
genten zu den GroBmeistern, zur Gegenwartsmusik, seine Bedeutung
als Komponist, Schriftsteller, die geistvolle Gegeniiberstellung der
„ GroBen Drei" (Hans von Bulow - Arthur Nikisch - Wilhelrh Furt*
wangler) und die Ausfiihrungen iiber die menschliche und kiinst;
lerische Vielseitigkeit Furtwanglers. Keiner, der sich mit dem ein*
maligen Dirigentenphanomen „Furtwangler' auseinandersetzen will,
kann an diesem fesselnd und begeistert geschriebenen, reich bebib
derten Buche voriibergehen. Dr. Wilhelm Jung
199
Weuts Moiaxt-JabxbVKt)
Im Auftrage des Zentralinstituts fiir Mozartforschung am Mozar<
teum Salzburg herausgegeben von EricWalentin. 2.Jahrgangd942).
Der 2. Jahrgang des „NeuenMozartJahrbuches", das die Tradition
des von Hermann Abert geleiteten Jahrbuchs fortzuftihren gewillt ist,
bringt neben allgemeiner gehaltenen Themen und gehaltvollen Auf*
satzen von L. Schiedermair, H. v. Srbik und R. Haas erfreulicherweise
mancherlei Einzelforschungen von Gewicht. H. Engel verbreitet sich in
gliicklichen Formulierungen iiber Mozart und Beethoven, den Ton*
artgeheimnissen der Mozartschen Opernarien spiirt Th. W. Werner
nach; wahrend E. Graf die Anregungen E. Schenks weiterverfolgt
und nach „Leitmotiven" bei dem Pagen Cherubin sucht. Hier wird
indessen mehr Vorsicht zu iiben sein. Ein Kapitel zur Mozart*Popu*
larisierung im friihen 19. Jahrhundert liefert K. G. Fellerer mit einem
kenntnisreichen Beitrag iiber die damaligen Mozart*Beairbeitungen,
In einer aufschluBreichen literarischen Untersuchung macht V. Junk
den Zusammenhang von Goethes „Faust" II (Euphorionszene) mit
seinem 2. Teil der „Zauberflote" wahrscheinlich. W. Rauschenberger
befaBt sich mit Mozarts Abstammung und Ahnenerbe, M. Zenger
erganzt seine vorjahrigen Ausfiihrungen iiber falsche Mozart*Bildnisse.
Zu den ertragreichsten Beitragen des Jahrbuchs gehort die Abhand*
lung von E. Valentin iiber Konstanze Mozart und ihren zweiten Gat*
ten N. Nissen, die in sorgfaltiger Kleinarbeit viel Neues bringt (unter
anderem Geburtsort und *datum der Konstanze)/ Von Bedeutung sind
ferner die Mozart*Funde in Donaueschingen, iiber die F. Schnapp
eingehend berichtet. Den BeschluB des reichhaltigen Bandes bilden
der vollstandige Abdruck eines bisher nur fragmentarisch bekannten
Briefes von Leopold Mozart durch L. Weinhold und die dankenswerte
Beschreibung der neuen Mozart*Autographe in der Leipziger Stadt*
bibliothek durch E. H. Miiller v. Asow mit der erstmaligen Wieder*
gabs der 6 deutschen Tanze KV. joo nach dem Autograph.
Rudolf Gerber
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111'
MWf:
Wiener Pljil^armonifter 1842— 1942 Von den Wiener Philharmonikem
•^herausgegeben.
■**?*
- Rechtzeitig zur Jahrhundertfeier des beriihmten Meisterorchesters
der Wiener Philharmoniker erschien eine Jubilaumsschrift, die sich
durch einen sehr aparten Inhalt ausze'ichnet und mit schonen Licht*
bildern und aufschluBreichen Faksimiles geschmiickt ist. Das Heft
200 '
W
tragt als stolzes Motto die Widmung des Reichsleiters Baldur v. Schi*
rach, die mit den Worten beginnt : „Die Wiener Philharmoniker sind
kein Orchester, sondern eine Kultur." Tonsetzer, Meister des Takt*
stocks, DichterundWissenschaftlerwetteifernhier, denihervorragenden
Klangkorper ihre Verehrung und Liebe in herzlicher wie geistvoller
Form kundzutun. Da stellt sich etwa Richard StrauB mit einem warm<
herzigen Schreiben ein. Der Meister bedauert, dafi er die „klingende
Gabe", die er dem Orchester zugedacht hatte, nicht rasch genug habe
fordern konnen, urn sie termingerecbt vorzulegen. (Inzwischeri ist be*,
kanntlich die symphonische Dichtung fertiggestellt und tragt den
Titel „Donau"b StrauB 1 schlieBt seinen Gliickwunsch und sein Lob mit
den Worten: „Nur wer die Wiener Philharmoniker dirigiert hat,
weiB, was sie sind!" Gerhart Hauptmann schildert in dankbarer Er;
innerung die erste Konzertbegegnung mit dem Jubelorchester als ein
Erlebnis, das ihm „zu einem Besitz der Seele" wurde, an dem er sich
in vielen Stunden eines langen' Lebens erfreut habe. Max Mell befaBt
sich liebevoll mit der „Landschaft der Philharmoniker", deren bib
dende Kraft den bildenden Sinn des werdenden Kiinstlers beruhrt.
Josef Weinheber bringt der Musikerschaft eine Vers'Symphonie dar,
nach Satzen in Grave, Allegro, Allegretto, Scherzo mit'Trio und Finale
maestoso gegliedert. E. G. Kolbenheyer preist in einem kleinen Poem
die Jubilare und die Macht der Musik. Wilhelm Furtwangler nennt
die Philharmoniker „das fleischgewordene Musikgewissen dieserStadt",
von deren Kultur im Vormarz Heinrich Ritter v. Srbik ein plastisches
Gemalde entwirft. Aurel Wolfram sucht in einem gedankenreichen
Aufsatz „Wien und die Philharmoniker" die Voraussetzungen fur die
Griindung und das Werden des Orchesters klarzulegen. So vereinigen
sich die verschiedengearteten Beitrage zu einem duftenden Gratula*
tionsstrauB fur den vielkopfigen Jubilar und klingen in einen Hymnus
einstimmigen Lobes zusammen. Dr. Roland Tenschert
201
flBufikalifdje ©e&enktage
1943
Hi
350. ©CbUl'tOtag. MelchiorSchildt (geb. ij-93, Datum unbekannt), bedeutem
der norddeutscher Organist, aus der Schule Sweelincks hervoi gegangen.
3OO.3T0tie8ttig. 20. April: Christof Demantius, sachsischer Kantor, Kompo;
nist und Verfasser theoretischer Schriften. / 29. November: Claudio
Monteverdi, Schopfer zahlreicher Madrigale und Opern.
300. (5ttJUtt8tttg. 2j. Oktober : Georg Ludwig A g r i c o 1 a , thiiringischer Kapelb
meister und Komponist.
25O.Zollt0tag. 13. Februar: Johann Kaspar Ker 11, SchiilerFrescobaldis, Ka«
pelb und Orgelmeister, Komponist.
250.(5£butt8tttg. 30. November: Christoph Forster, thiiringischer Kompo<
nist.
2OO.20SC8tUg. ip.Januar: Geminiaho Giacomelli, Opernkomponist, Schii«
ler A. Scarlattis. / 16. August: Mathias Klotz, Mittenwalder Geigen*
bauer. / Antonio Vivaldi (Datum unbekannt), Komponist bedeutender
Konzerte und Kammermusiken.
200.(5elJUi:t8tag. ip.Februar: LuigiBoccherini, Komponist (Kammermusik,
Symphonien).
J50. 2bl)C8t0g. 6. Februar: Carlo Goldoni, Lustspieldichter, Verfasser zahl*
reicher Operntexte.'
, 150. (Beblirtatag. 6. Marz: Bernhard Klein, Komponist. / 10. August: August
Neithardt, -Griinder des Berliner Ddmchors, Komponist.
IOO. 2ToBC8tng.B4. April: Joseph banner, Walzerkomponist. / 23". Juni:
Friedrich Kind", Dichter des „Freischutz"*Textes. / 14. September: Karl
Almenrader, Fagottvirtuos. ,
IOO. 6ebtltt8tttg. i6.Januar: Adolf Zander, Begriinder der Berliner Lieder;
tafel. / 23'.Januar: Graf Bolko v. Hochberg, Generalintendant, Kompo*
nist. / 4. April: Hans Richter, bedeutender Dirigent. / 8. April: Asger
H merik, danischer Komponist. / 9. April: Theodor Helm, Wiener
Musikkritiker. / 2. Mai: Karl Michael Ziehrer, Wiener Operetten*
- komponist. / ij. Mai: Max Staegemann, Theaterdirektor. / 28. Mai:
Giovanni Sgambati, Pianist und Komponist. / 3. Juni: Eniil Hegar,
Chordirigent und Gesangspadagog / 7. Juni: Eduard Mertke, Klavier*
padagog. / 10; Juni: Heinrich v. Herzogenberg, Kompositions;
lehrer, Komponist. / ij.Juni: Edvard Grieg, norwegischer Komponist. /
9. Juli: Ernst Challier, Musikalienhandler, Herausgeber wichtiger musi*
kalischer Nachschlagebiicher. / ij. August: Jules de Swert, Violon*
»,
ml
m<
>
if
202
cellist und Komponist. / 20. August: Christina Nilsson, Sangerin. /
16. November: Georg HeinrichWitte, langjahriger Essener Musikdirek;
tor, Komponist. /-14. Dezember: Luise Ress,,Gesangsmeisterin. / 17. De<
zember: Aglaja Orgeni, Koloratursangerin. / 19. Dezember: Julius
Bechgaard, danischer Komponist. / 2^. Dezember: Gustav Jensen
(Bruder Adolfs), Geigenvirtuos.
75-2Toi)E8tCig. 3. Januar: Moritz Hauptmann, Thomaskantor, / 13. No*
vember: Gioacchino Rossini, der bedeutende italienische Opernkompo*
nist. / 2j. November: Franz B rend el, Musikschriftsteller, Mitbegriinder
des Allgemeinen Deutschen Musikvereins.
50. 2oll£8ttig. 22. Januar: Vincenz Lachner, Hofkapellmeister, Kompos
nist. / 26. Februar: Hermine Spies, Sangerin. / 2. Juni: Victoria Gervi*
nus, Herausgeberin der Arien Handels. / ij. Juni: Franz Erkel, Schop*
fer der ungarischen nationalen Oper. / 16. Juli: Antonio Ghislanzoni,
Musikschriftsteller und Qpernlibrettist. / 6. August: Alfredo Catalani,
italienischer Opernkomponist. / 19. August: Dr. KonstantinWurzbach,
Musikschriftsteller. / 6. November: Peter Tschaikowsky, der groBe
russische Komponist. / 13. November: Robert van Maldeghem, flami<
scher Organist! / 14. November: Theodor Wachtel, Biihnensanger (Te*
nor).
25. SolJEBttig. 18. Januar: Amalia Materna, Wagner;Sangerin. / Enrico
Golisciani (im Februar, Tag nicht bestimmt), Operntextdichter. /
22. Januar: GustavSchreck, Komponist und Thomas* Kantor. / 4. Marz:
Emil Sjogren, schwedischer Komponist, Organist.'/ 26. Marz: Claude
Debussy, franzosischer Komponist. / 28. April: Otto Lessmann, lang*
jahrigerHerausgeber der „AUgemeinen Musikzeitung". / 10. Juni: Arrigo
Boito, Opernkomponist und rtextdichter. / 13. Juli: Hermann Scholtz,
Komponist, ChopinsHerausgeber. / 2. August: Martin Krause, Klavier*
padagog. / 20. Dezember: Peter Gast, Freund Nietzsches, Komponist.
IO. ITollEBttig. 8. Januar: Wladimir v. Pachmann, Pianist. / 16. Januar:
Willy Burmester, Violinvirtuos. / 29. Januar: Peter Griesbacher,
Kirchenkomponist und Theoretiker. / 8. Februar: Oskar Fleischer,
Grander der Internationalen Musikgesellschaft. / 1 1 . Februar : Paul E rt e 1,
Komponist, Herausgeber der Deutschen Musikerzeitung. / 24. Marz:
Desire Thomassin, Maler und Komponist. / 4. April : EwaldStraesser,
Symphoniker und Theorielehrer. / 12. Juni: Elisabeth Wintzer, Lieder*
komponistin. / 22. Juni: Wilhelm Rinkens, Komponist. / 24, Juli: Max
v. Schillings, bedeutender Dirigent und Theaterintendant. / 28. Juli:
Eduard Schiitt, Komponist. / 10. August: LudwigNeubeck, Dirigent,
Theaterleiter, Rundfunkintendant. / 14. August: Eugen Haile, Lieder*
komponist. / 18. September: Rudolf Peterka, Komponist. / 27. Septem*
ber: Mario Costa, Operettenkomponist. / 26. Oktober : Julius Klengel,
Violoncellvirtuos und Komponist. / 17. November:. Max Hehemahn,
Reger<Biograph. / 2 Jr. November: Josef Pommer, Volksliedforscher. /
2. Dezember: Joseph Gruber, Kirchenkomponist, BrucknenSchiiler.
203
EPicfotige (Seburtatoge lebenDer ^auftkcrpetfonltdjkcUen
80. (SebUttBtng. 2j. Januar: Landgraf Alexander Fried rich von Hessen,
Komponist. / 7. Februar: Pietro Mascagni, italienischer Opernkompo*
nist. / 13. Februar: Heinrich Pfannschmidt, Berliner Organist. /
8. Marz: Ellen Gulbranson, die einstige Bayreuther Briinnhilde. /
26. Marz: Eduard NoBler, Chorkomponist. / 23% Mai: Wolfgang Gol*
ther, Herausgeber der Schriften Richard Wagners. / 2. Oktober: Karl
Pasler, Musikschriftsteller, Herausgeber der Klavierwerke Haydns.
75. <6tbUtt8tttg. 6. Januar: Arthur Seybold, Hamburger Violinpadagog. /
3-. Februar: Lodewijk Mortelmans, flamischer Musikpadagog und
Komponist. / 2. j. Februar: Clemens Meyer, Schwerin, Bratschist, Musik*
schriftsteller, Musikpadagog. / 19. Marz: Luigi Stefano Giarda, italieni*
scher Violoncellvirtuos, Theoretiker und Symphoniker. / 22. April: Jose
Vianna da Motta, Lissabon, Konservatoriumsdirektor, Klaviervirtuos
und Dirigerit. j ij. Mai: Martin Grabert, Berlin, Kirchenmusikdirektor
und Komponist. / 20. August: Euigi Forino, italienischer Violoncello
' virtuos und Padagog. / 20.4Dktober: August Weweler, westfalischer
Komponist. / 18. November: Enrico Polo, italienischer Violinmeister,
Herausgeber zahlreicher iilterer Werke. / 28. November: Franz Drdla,
Wiener Violinvirtuos und Komponist.
70. ©ttlllttStog. 6. Januar: Karl Straube, Thomaskantor von 1918-1940. /
1 j. Januar: Josef Brauneis, Wiener Liederkomponist. / 2}. Januar:
Heinrich Cassimir, Karlsruhe, Musikpadagog. / 2. Februar: Raphael
Molitor, Abt, Musikforscher. / 9. Marz: Vincenz Goller, Leiter der
kirchenmusikalischen Abteilung an der Wiener Akademie der Torikunst./
14. April: Viktor Keldorfer, Wien, Chordirigent und Komponist. /
2. Mai: Max Schipke, Berlin, Musikpadagog. / 7. Mai: Hugo Rasch,
Berlin, Liederkomponist. / 10. Mai: Waldemar Wendland, Berlin,
Opernkomponist. / 24. Juni: Jorgen Forchhammer, Miinchen, Stimm*
bildner. / 22. Juli: Franciscus Nagler, Dresden, Kirchenmusiker. /
11. August: Rudolf Maria Breithaupt, Berlin, Musikpadagog. / 9. Sep;
tember: Theodor Kroyer, Professor der Musikwissenschaft an der Uni*
versitat Koln. / 12. September: Wolfgang Zeller, Filmkomponist. /
26. September: Amilcara Zanella, italienischer Konservatoriumsdirektor
und Komponist. / 10. November: Karl v. Schirach, lntendant des
Staatstheaters in Wiesbaden. / 26. November: Klemens Neumann,
schlesischer Chordirigent. / 14. Dezember: Joseph Jongen, fiihrender
belgischer Komponist. / 18. Dezember: Adolf Vogl, Miinchen, Musik*
schriftsteller. / 24. Dezember: Rosario Scalero, italienischer Violin;
virtuos und Komponist. / 31. Dezember: Theodor Otto, Schulmusik*
lehrer, Organist, Volksliedbearbeiter.
204
60. ©EbUtfBtng. j. Januar: Hermann v. Glenck, Miinchen, Komponist und
Dirigent. / 19. Januar: Gewandhauskapellmeister Hermann Abendroth.
/ 1. Februar: Fausto Torrefranca, bedeutender Musikwissenschaftler
Italiens. /" 11. Februar: Paul v. Klenau, Opernkomponist und Symphcv
niker. / 28. Februar: Gustav Beckmann, Musikwissenschaftler in Ber*
lin. / 6. Marz: Franz Kauf, oberschlesischer Musikpadagog und Kompo*
nist. / 14. Marz: Joan Manen, Geigenvirtuos, Komponist. / 24. Marz:
\ Theodor Blumer, Leipzig, Komponist, Rundfunkdirigent. / 31. Marz:
Oskar v. Pander, Musikschriftleiter und Komponist / 9. April:
Renzo Bossi, italienischer Komponist und Padagog. / 17. April: Walter
W. Goetze, Operettenkomgonist. / 3. Mai: Helmuth Pommer, Volks*
liedforscher. / 28. Mai: Willy Renner, Klaviervirtuos und Padagog;
Vaclav Talich, Dirigent der Prager Philharmonic /Dr. Max Unger,
Musikforscher (zur Zeit in Italien) ; Riccardo Zandonai, italie*
nischer Opernkomponist. / ij. Juni: Vitus Rathsach, danischer Mu*
sikpadagog. / 16. Juni: Fritz KrauB, Biihnensanger (Tenor). / 14. Juli:
Luigi Parigi, bedeutender Florenzer Musikkritiker. / ij. Juli: Alfredo
Casella, italienischer Komponist. / 6. August: Francesco Santo*
liquid o, italienischer Komponist und Musikwissenschaftler. / if. August
Arnold Ebel, Berlin, Kirchenmusikdirektor, Komponist und Padagog. /
29. August: Erich Anders (Freiherr Wolff v. Gudenberg), Intendant,
Komponist. / 18. September: Hans<Albert Mattausch, Berlin, Dirigent
und Opernkomponist. / 1 1 . November : Ernest Ansermet, der bedeu*
tende Genfer Dirigent. / 9. Dezember: Wilhelm Heinitz, Musikf
wissenschaftler an der Hamburger Universitat.
50. (BeburtBtag. 10. Januar: Alfred Baresel, Leipzig, Musikschriftsteller. /
23. Januar: Anton Bauer, Miinchen, Komponist und Theoretiker. /
27. Februar: Joseph MeBner, Domkapellmeister in Salzburg. /
31. Marz: Clemens KrauB, Intendant der bayrischen Staatsoper. /
8. April: Fritz Peter, Fuhrer eines Streichquartetts, Lehrer an den Folk*
wangschulen in Essen. / 14. April: Franz Mi t tier, Wien, Pianist und
Komponist. / 2 j. April: Emil Peeters, Bochum, Kapellmeister und
Komponist. / 29. April: Wolfram Humperdinck, Intendant der Stadti*
schen Theater in Kiel: / 16. Mai: Paul van Kempen, Aachen, Dirigent. /
ij. Mai: Ernst Schliepe, Leiter der Fachschaft Solisten in der Reichs*
musikkammer, Opernkomponist. / }o. Mai: Guido Gatti, Turin, Vor*
kampfer der jungitalienischen Musikwissenschaft. / i.Juni: Erwin ZiL
linger, Landeskirchenmusikdirektor in Liibeck, Komponist. / 27. Juni:
GustavFritzsche, Fuhrer des Dresdener Streichquartetts. / 16. Juli: Her*
mannErdlen, Hamburger Padagog und Komponist. / i8.Juli:WilliKahl,
Koln, Musikwissenschaftler. / ly. Juli: Gabriele Englerth, bayrische
Kammersangerin. / 29. Juli: Walter Schulz, Weimar, Violoncellist. /
6. August: Max Spile ker, Theaterintendant in Konigsberg. / 4. Okto'ber:
Hans Schno or, Dresdner Musikkritiker. / }. Dezember: Richard GreB,
Direktor des Kasseler Konservatoriums, Komponist.-
205
flQufikaliftljet fcalenfcet
fur 1943
3onuor
Fr 1907 f Cyrill Kistler
Sa 1843 Uraufftihrung des
„Fliegend. Hollander"
3 So
4 Mo
5 Di
6 Mi
7 Do
8 Fr
9, Sa 189
1710
1740
1838
1873
1891
1713
1830
1
f Moritz Hauptmann
* G. B. Pergolesi
f Antonio Lotti
* MaxBruch
* KarlStraube"
t Wilhelm Tauberf •
f Arcangelo Corelli
* Hans von Biilow -
* KarlHoyer
10 So 1899 f Albert Becker
1 1 Mo 1 83-6 * Christian Sinding
— 1872 * Paul Graener
12 Di 1837 * Adolf Jensen
13 Mi 1842 * Heinrich Hofmann
14 Do 1800 * Ludwig von Kochel
— 1 8/i f Luigi Spontini
15; Fr 19 1*3 * Helmut Zernick
16 Sa
"j" Wilhelm Berger
17 So 183-7
— 1942
18 Mo 1726
19 D» 1883
20 Mi 13-86
21 Do 1 83-1
21 Fr 1893
23 So 1922
* Wilhelm Kienzl
•j- Helmut Brautigam
* Prz. Heinr. v. PreuBen
* Hermann Abendroth
* J. Hermann Schein
■f Albert Lortzing
•j" Vincenz Lachner
f Arthur Nikisch
24 So 1883 f Friedrich von Flotow
23- Mo
26 Di
27 Mi
28 Do
29 Fr
30 Sa
1712
1886
!793"
173-6
1901
1832
1872
Friedrich der GroBe
* Wilhelm Furtwangler
■\ Joh. Chr. Friedr. Bach
* Wolfg. Amad. Mozart
"j- Guiseppe Verdi '
* Franz Wiillner .
* Francois Auber
1697 * Joh. Joachim Quantz
)i So ■ 1797 * Franz Schubert
f ebruor
i Mo
1880
* Hans Grisch
!f
Mo
13-71
* M. Praetorius 162 if
2 Di
If94
f Pierluigi Palestrina
■ — .
183-7
J f M.I. Glinka
3 Mi
1854
*■ Theodor Kewitsch
16
Di
1914
* Helmut Brautigam
A Do
1892
* Yrjo Kilpirten
17
Mi
163-3
* Arcangelo Corelli
3- Fr
1748
1907
"* Chr. Gottl. Neefe
f Ludwig Thuille
18
Do
1869
Uraufftihrung des
Requiem von Brahms
6 Sa
18.18
* Henry Ch. Litolff
'9
20
Fr
Sa ■
1743
179 1
* Luigi Boccherini
1823
1797
''- Carl Czerny
8 Mo
f Joh. Friedr. Doles
- 21
So
13-3-6
* Sethus Calvisius.
9 Di
' 1 760
* Johann Dussek
22
Mo
1810
* Frederic Chopin'
10 Mi-
1889
* Michael Raucheisen
2 5
Di
1810
* G. Friedrich Handel
ll Do
1742
* Andre Gretry
24
Mi
i8 9r
-j" Ignaz Lachner
—
1830
* Hans von Bronsart
^
Do
1873
* Enrico Caruso
12 Fr .
1894
f Hans von Bfilow
26
Fr
1770
f Guiseppe Tartini
13 Sa
1883
f Richard Wagner
27
Sa
1887
'[" Alexander Borodin
14 So 1890 f Wilhelm Fitzenhagen 28 So 1824 * Robert von Keudell,
206
Oflati
i Mo
1882
f Theodor Kullak
2 Di
1824
* 7riedrich Smetana
■} Mi
1824
t G.B.Viotti
— ■
1952
f Eugen dAlbert
4 Do
1888
* Gerard Bunk
5 Fr
i8 r ,
* Berthold Kellermann
6 Sa
i860
"j" Friedrich Dotzauer
7 So
1851
* Friedrich Damm
8 Mo
1839
171 4
* Joseph Rheinberger
* Ph. Emanuel Bach
—
1869
"j" Hector Berlioz
9 Di
10 Mi
I82J
1844
* Joseph Czapeh
* Pablo deSarasate
—
191
.f Carl Reinecke
ii Do
1818
* Antonio Bazzini
12 Fr
18,2
•j" Friedrich Kuhlau
13 Sa
1888
i860
* Hans Knappertsbusch
* Hugo Wolf
14 So
1681
* G. Philipp Telemann
13- Mo
1804
1842
* Joh. StrauB (Vater)
"1" Luigi Cherubini
16 Di
1869
* Willy Burmester
17 Mi
1800
* Friedrich Zollncr
18 Do
1877
* Josef Eizenberger
19 Fr
1873
* Max Reger
—
1879
* Joseph Haas
20 Sa
1812
"j" J. L. Dussek
2.1 So
i68y
* Joh. Sebastian Bach
22 Mo
1687
"j" Jean<Baptiste Lully
23 Di
1811
* Wilhelm Taubert
24 Mi
1817
* Louis Maillart
2f Do
1631
'j" Philippus Dulichius
. —
1871
* Hermann Abert
26 Fr
1827
*|* Ludwig van Beethoven
27 Sa
!72}
"Urauff. der Johannes*
passion von J. S. Bach
—
173-7
"j" Johann Stamitz
28 So
1898
"j" Anton Seidl
29 Mo
1 747
* J.W.HaBlerfi822
30 Di
IflO
* Antonio Cabezon
31 Mi
1703
•J - Joh. Christoph Bach
—
1732
* Joseph Haydn
april
1 Do
1866 * Ferruccio Busoni
2 Fr
1803 * Franz Lachner
—
1877 * Arnold Schering
3 Sa
1 897 "j" Johannes Brahms
4 So .
1843 * Hans Richter
f Mo
1784 * Louis Spohr
—
1 877 * Arnold Schering
6 Di.
1 660 * Johann Kuhnau
— .
1 8 13- * Robert Volkmann
7 Mi
183-8 f Anton Diabelli
8 Do
1848 "j" Gaetano Donizetti
9 Fr
1933 "j - Sigfrid Karg^Elert
10 Sa
1838 * Eduard Kremser
—
1864 * Eugen dAlbert
11 So
1928 -j- Arthur Seidl
12 Mo
1801 * Joseph Lanner
—
1886 * Christian Lahusen
13 Di
1894 f Philipp Spitta
14 Mi
1 73-9 "I' G. Friedrich Handel
— '
1843 "j - Joseph Lanner
15 Do
1893 -j" Rudolf Radecke
16 Fr 18
17 Sa 16
•j" Joh. Baptist Cramer
* Joh. David Heinichen
18 So
1819
* Franz von Suppe
' ' —
1 861
f Aug. Heinr. Neithardt
19 Mo
1868
* Max von Schillings
— . ■
938
+ Wolfgang von Bartels
20 Di
869 "j" Carl Loewe
21 Mi
877
* Richard Fricke
22 Do
868
* Vianna da Motta
—
892
■j" Edouard Lalo
23 Fr'
71 r
* Joh. Friedr. Doles
24 Sa 1
721
* J. Philipp Kirnberger
23- So
861
* Enrico Bossi
— ■
90 $■
* Gerhard Nowottny
26 Mo.
90 i
'j* Robert von Keudell
—
8f4
* Adolf Wallnofer
27 Di
767
* Andreas Romberg "
—
812
* Friedrich von Flotow
28 Mi
870
* Hermann Suter
29 Do
847
* Joachim Andersen
30 Fr
870
* Franz Lehar
207
/Mai
i Sa
1786 Urauffuhrung des
„Figaro" von Mozart
— ,
1904 f Anton Dvorak
2 So
1892 f Wilhelm Rust
3 Mo
1836 f Adolphe Adam
4 Di
1 94 1 "j" Heinrich Zollner
5 Mi
1840 f G. Benedikt Bierey
—
1869 * Hans Pfitzner
6 Do
1 839 * Ernst Seyffardt
7 Fr
1824 Urauffuhrung der
9. Symphonie von
L . van Beethoven
—
1833 * Johannes Brahms
8 Sa
1844 * Hermann Gradener
9 So
1880 f Hermann Berens
io 'Mo
1914 "j" Ernst v. Schuch
ii Di
1.849 'f OttoNicolai
— .
1916 "j" Max Reger
12 Mi
1842 *" Jules Massenet
—
1884 "[" Friedrich Smetana
13 Do
1 838 * Julius Stern
14 .FV
1803 * J. P. E. Hartmann
13- Sa
832 -j- Fr. Karl Zelter
16 So
1838
*
Hans Trnecek
17 Mo
1884 f
Louis Brassin
18 Di
1 834 j" ; Henry Lemoihe
19 Mi
1014
f
Thomas Koschat
20 Do
1896
t
Clara Schumann
21 Fr.-
1893 f
Franz von Suppe
22 Sa
1813
*
Richard Wagner
23 So
I7H
*
G.B.Viotti
24 Mo
1872
*
Richard Tragner
23 Di
1904
*
Kurt Thomas ^
—
1889
*
H.J.Moser
26 Mi
1870
*
Bruno Kittel
27 Do
1822
*
J. Joachim Raff
—
1840
t
Nicolo Paganini
28 Fr
1787
t
Leopold Mozart
—
1803
t
Luigi Boccherini
29 Sa
1842
&
Karl Millocker
30 So 1910 "j" M. A. Balakirew
31 Mo 1723 J. S. Bachs Antritt als
Thomaskantor
—— 1809 f Fr. Joseph Haydn
3uni
1 Di
2 Mi
3 Do
4 Fr
3 Sa
6 So
7 Mo
8 Di
9 Mi
10 Do
11 Fr
12 Sa
13 So
14 Mo
iS Di
639 "j* Melchior Franck •
807 * Robert Fiihrer
877 "|" Ludwig von Kochel
899 "j" Johann StrauB
893 "j" Hans Mich. Schletterer
826 f Karl Maria vori Weber
844
810
914
810
843
863
863
* Siegfried Wagner
* Philipp Rufer
* Robert Schumann
* Gottfried Muller
* Otto Nicolai
* H. von Herzogenberg
Urauff. des „Tristan"
f Joh. Bernh. Bach
* Richard StrauB,
f Pietro Alfieri
793 * Anton Schindler
917 "j" Teresa Carreno
394 .■]• Orlando di Lasso
91 1 "j" Johann Svendsen
843 * Edvard Grieg
16 Mi
1804 f Joh. Adam Hiller
—
1815
* Ottojahn
17 Do
1818
* Charles Gounod
— .
1900
* Hermann Reutter
18 Fr
1870
* Johannes Biehle
19 Sa
1717
* Johann Stamitz
20 So
1916
■\ Oscar Chilesotti
21 Mo
I7i2
* Joh. Christ. Friedr. Bach
—
1868
Urauffuhrung der
„Meistersinger"
22 Di
i8 9 r
* Philipp de Cerda
23 Mi
1824
* Carl Reinecke
—
1874
* Gerhard von KeuBler
24 Do
1882
•j- Joachim Raff
25 Fr
1822
f E. T. A. Hoffmann
26 Sa
1483
* Hans Buchner
27 So
1789
* Friedrich Silcher
■ —
1814
f Joh. Friedr, Reichardt
28 Mo
is.,-
* Robert Frariz
29 Di
1801
* Pietro Alfieri
30 Mi
1722
* Georg Benda
208
3uli
i Do
1784 f Wilh. Fried. Bach
2 Fr
1714 * Christ. Willib.Gluck
' — •
191 1 f Felix Mottl
ySa
18/4 * Leos Janacek-
—
1862 * Fr. Ernst Koch
4 So-
18/4 * Heinrich Zollner
; Mo
1864 * Stephan Krehl
6 Di
1874 * Gerhard von KeuBler
7 Mi
1902 * Karl Gustav Fellerer
8 Do
1826 * Friedrich Chrysander
9 Fr
183-3- * Paul Zilcher
—
1879 * Ottorino Respighi
io Sa
19 19 .■(• Hugo Riemann
it So
1897 * Friedrich Hogner
12 Mo
167/ * F. dall'Abaco f 1742
—
1773 f Joh. Joach. Quantz
i) Di
1876 "j" Karl Breidenstein
14 Mi
1833- * K.J.Brambach
— .
1926 ")" Berthold Kellermann
13- Do
1729 "j" joh. David Heinichen
—
18/7 •]- Karl Czerny
16 Fr
19 1 7 f Philipp Scharwenka
17 Sa
1896 j" Selmar Bagge
18 So
1849 * Hugo .Riemann
19 Mo
181 1 * Vincenz Lachner
: — .
1842 * Karl Zeller
20 Di
1873- * Max Schneider
21 Mi
1883 * Wolfgang von Bartels
ii Do
187} * Franciscus Nagler
23 Fr
1836 * Robert Emmerich
24 Sa
1803 * AdolpheAdam
2/ So
1883 * Alfredo Casella
26 Mo
1 8 2 4 ■ * ■ Moritz Fiirstenau
1882 Urauff. des ); Parsifal"
27 Di
1783 f Philipp Kirnberger
—
1924 "j" Ferruccio Busoni
28 Mi
173-0 f Joh. Seb. Bach
—
1802 "j" Guiseppe Sarti
29 Do
183-6 "j" Robert Schumann
—
1930 "j" Alexander von Fielitz
30 Fr
1813 * Eduard Eggeling
31 Sa
1886 f Franz Liszt'
auguft
i So
1903
f Otto Taubert
2 Mo
1926 f Karl Zuschneid
192 1 f Enrico Caruso
3 Di
802
"j- Pr. Heinr. v. PreuBen
4 Mi
5 Do
[930
811
f Siegfried Wagner
* Ambroise Thomas
6 Fr
1877
* Max Damberger
7 Sa
927
f Wilhelm Rudnick
8 So
'7f9
f Karl Heinrich Graun
9 Mo
1919
"j" Rugiero Leoncavallo
10 Di,
[806
84 f
f Michael Haydn
* Thomas Koschat
11 Mi
801
* Eduard Devrient
12 Do
»«
* J. Louis Nicode
13 Fr
928. f LeosJanaiSek
912 f Jules Massenet
—
927
f Hermann Abert
14 Sa
870
-j". Franz Hauser
13- So
824
* Wilhelm Rust
16 Mo
900
79 r
"j" Gustav Fliigel
* Heinrich Marschner
—
872
* Siegmund v. Hausegger
17 Di
1786 f Friedrich der GroBe
—
1898 ,f Karl Zeller
18 Mi
1881
* Hermann Zilcher
—
1901
•j- Richard Kleinmichel
19 Do
1824
* E. Georg Goltermann
20 Fr
19 10
•j- Arthur Coquard
21 Sa
1893
* Lili Boulanger
22 So
If99
-[- Luca Marenzio
—
1862
* Claude Debussy
23 Mo
1847
* Gustav Laska
24 Di
18 r6
* Felix Mottl
— i
1876
* Karl Pembaur
23- Mi
1774
"j- Niccolo Jommelli
26 Do
1814
* Heinrich Kotzold
—
i860
"[■ Friedrich Silcher
27 Fr
1611
-j- Tomas Victoria
28 Sa
1829
* Albert Dietrich
• —
183-0
Urauff. der Oper
„Lohengrin"
29 So
ir26
■\ Thomas Stoltzer
30 Mo
1883-
* Otto Chmel '
1830
14
209
September
i Mi
i8f 4
* Engelb. Humperdinck
—
1886
* Othmar Schoeck
2 Do
1866
* Victor von Woikowsky*
Biedau
3 Fr
190 1
f Friedrich Chrysander
4 Sa
1824
*. Anton Bruckner
—
1907
■j" Edvard Grieg
; So
1910
"j" Friedrich Haberl
6 Mo
178 1
* Anton Diabelli
jDi
1902
•j- Franz Wiillner
8 Mi
1841
* Anton Dvof ak
'9 Do
if8;
* Girolamo Frescobaldi
■ —
isrr
* H. St. Chamberlain
jo Fr
173-1
* Bartolommeo Campa»
gnoii
ii Sa
1807
^ Ignaz Lachner
—
1874
* Heinr. Kasp. Schmid
12 So
1789
* Fr. Xaver Richter
1818
* Theodor Kullak
i} Mo
1819
* Clara Schumann
14 Di
1737
* Michael Haydn
—
1760
* Luigi Cherubini
1 j Mi
1848 * Wilhelm Fitzenhagen
16 Do
1914 * Miguel Candela
17 Fr
1907 f Ignaz Briill
18 Sa
1903 f Theodor Kirchner
19 So
1902 * Franz Burkhart
20 Mo
1832 * Johann Joseph Abert
21 Di
i8jo * Hans Sitt
—
1908 '1" Pablo de Sarasate
22 Mi
1807 * Julius Knorr
2) Do
1782 * Jaques Fereol Mazas
24 Fr
183/ f Vincenzo Bellini
—
183-9 * Julius Klengel
23- Sa
1849 f Johann StrauB (Vater)
—
1909 f J. Albeniz
26 So
1877 * Alfred Cortot
27 Mo
1882 * EllyNey
—
192 1 "j - Engelb. Humperdinck
28 Di
1871 * Max Burkhardt
29 Mi
1867 * Hannes Ruch
30 Do
1 79 1 Urauff. der „Zauber<
— • 1840
flote" von W. A. Mozart
Johann Svendsen
£)ktobtx
1 Fr
1 876 f Henri Bertini
2 Sa
1920
-j- Max Bruch
3 So
1828
* Woldemar Bargiel
4 Mo
1877
-j- Eduard Devrient
5 Di
1879
* Halfdan Cleve
. —
1919
"|" Jean Louis Nicod6
6 Mi
1886
* Edwin Fischer
—
1896
* Otto Siegl
7 Do
18 5 f
* Felix Draeseke
8 Fr
irsr
* Heinfich Schutz
9 5a
1900
-j- HeinrichvonHerzogenj
berg' ,
10 So
1813
* Guiseppe Verdi
. — .' .
1876
* Walter Niemann
11 Mo
1833-
* Theodor Thomas
—
1896 f Anton Bruckner
12 Di
is rr
* Arthur Nikisch
13 Mi
1792
* Moritz Hauptmann
14 Do
183-9 f Chamille Chevillard
iy Fr
1898
* Giinther Ramin
16 Sa
1621
\ Jan Pieter Sweelinck
17 So
1849
* Frederic Chopin
18 Mo
19 Di
20 Mi
21 Do
22 Fr
23 5a
1893 "[■ Charles Gounod
18 1 8 * Friedrich Mergner
1792 * Bernhard Fiirstenau
1842 Urauff. des „Rienzi"
1786 * Henry Lemoine
181 1 * Franz Liszt
183-9 -j - . Louis Spohr
1 80 1 * Albert Lortzing
24 So
1723- "j" Alexander Scarlatti
—
1892 -j- Robert Franz
— .
1903 * Heinz Drewes
23- Mo
1823- * Johann StrauB
26 Di
1 874 ( Peter Cornelius
27 Mi
1782 .* Nicolo Paganini
■ —
1933 f Julius Klengel
28 Do
1798 * Henri Bertini
—
191 2 -j- Edgar Tinel
29 Fr
1787 Urauffiihrung der
Oper „DonJuan"
—
183-6 * Hans Winderstein
30 5a
1883 f Robert Volkmann ,
31 So 1830 * Robert Radecke
210
m
Woocmber
i Mo
1 80 1 * Vincenzo Bellini
2 Di
1739 * Karl von Dittersdorf
—
1887 f Jenny Lind
3 Mi
19 1 5 "j" Hans von Bronsart
4 Do
1 876 Urauff. der I. Sympho*
nie von Joh. Brahms
—
1878 * Alfred Sittard
3- Fr
189/ * Walter Gieseking
6 Sa
1672 -J" Heinrich Schiitz
—
1793- "j" Georg Benda
7 So
1866 * Paul Linke
8 Mo
183-8 * Josef Krug>Waldsee
9 Di
1 890 . -j- C&ar Frank
io Aft
1821 f Andreas Romberg
ii Do
1872 * Frfedrich Stock
i J Fr
1767 * Bernhard Romberg
i j Sa
1868 j - Gioacchino Rossini
14 So
171 9 * Leopold Mozart
—
1774 * Luigi Spontirii
iy Mo
1787 f Christ. Willib. Gluck
16 £W ,
189/ * Paul Hindemith
17 Mi
1816 * Aug. Wilh. Ambros
18 Do
18/2 -j- Bernhard Fiirstenau
19 Fr
1650 -J- Joh. Herm. Schein
—
1828 -j- Franz Schubert
20 Sa
1803- Urauff. des „Fidelio"
21 So
17 18 * Fr. Wilh. Marpurg
—
1877 * Siegfrid Karg#Elert
22 Mo
1710 * Wilh. Friedem. Bach
—
1780 * Konradin Kreutzer
2) Di
1676 * Joh. Bernh. Bach
— '
1 847 * Ernst von Schuch
24 Mi
161J "j" Sethus Calvisius
2$ Do
189/ * Wilhelm Kempff
26 Fr
1 89 j -j* Gustav Jensen
27 Sa
1872 * Peter Raabe
28 So
1 86 1 -J- Robert Ffihrer
29 Mo
1643 -j- Claudio Monteverdi
—
1797 * G^etano Donizetti
—
1924 -j - Giacomo Puccini
30 Di
1796 * Carl Loewe
—
1893- * Joh. Nep. David
'BtZttabtt
1 Mi
1729 * Giuseppe Sarti
2 Do
1877 Urauff. d. II. Sympho*
nie von Joh. Brahms
3 Fr
13-96 * Nicola Amati
4 Sa
1 866 * Edward Moffat
3 So
1791 f W.A.Mozart
6 Mo
1642 * Joh. Christoph Bach
7 Di
1863 * Pietro Mascagni
8 Mi.
1865 * Jean Sibelius
9 Do
1867 * Paul Clausnitzer
10 Fr
1823 ■f Theodor Kirchner
11 Sa
173-8 * Fr. Karl Zelter
—
1803 * Hector Berlioz \
12 So
1887 * Kurt Atterberg
—
1936 "j" Karl Hoyer
13 Mo
1893 * J. Butnikoff
14 Di
1788 f Philipp Emanuel Bach
—
1849 1" Konradin Kreutzer
13- Mi
1883- * Walther Davisson
16 Do
1770 * Ludwig van Beethoven
—
1842 j- Joh. Friedr. Rochlitz
17 Fr
1879 * Fritz Stein
18 Sa
1737 -j - Antonio Stradivari
—
1786 * Karl Maria von Weber
19 So
13-62 * Philippus Dulichius
20 Mo
1929 -j- Max Chop
21 Di
1890 f Niels W.Gade
22 Mi
183-3 * Teresa Carrefio
—
183-8 * Giacomo Puccini
23 Do
1874, * Rafael Calleja
24 Fr
1824 * Peter Cornelius
—
1870 *■ Rosario Scalero
. —
1728 * Joh. Adam Hiller
23- Sa
1843 * Gustav Jensen
26 So
1916 f Bernhard Scholz
27 Mo
1 84 1 * Philipp Spitta
28 Di
1736 "j" Antonio Caldara
.
i860 * Alexander von Fielitz
29 Mi
1898 ■")■ Georg Goltermann
30 Do
183-0 * Wilhelm Rudnick
31 Fr
1842 Urauff. d. „Wildschutz'
■ —
1899 f Karl Millocker
'4
211
. "•--
STaftftcn-ipottituren
zeitgenosstscher
Orchestei;* und KammermusikiWerk<
KarlBlegle rm
Earl Mar*
RM
Der Taucher. Ballade fur
Streichquartett, gmoll
2. ;
groBes Orchester 2.jo
©ottfrieo Miller
Streichquartett Nr. 2 2. —
Konzert, op. j:
2.JO
ferruccio Bufoni
Vitt^lan IQcroaJt
Rondo arlecchinesco i.ro
Streichquartett Ddur
I,—
Tanzwalzer, op. y$ i.jo
Streichquartett Nr. j
)■—
3oljann IQepmuk Datjiti
£>thmar Sdjoedt
Streichquartett C dur
2.—
Partita (Nr. 1) . _$■. —
Elegie, op. }6
}■—
Partita Nr. 2, Werk 27 j.jo
Vom Fischer un syner Fru
12. —
Symphonie Nr. 1, Werk 18 yjo
Symphonie Nr. 2, Werk 20 $.yo
Symphonie Nr. }, Werk 28 }.fo
3 eon Sibelius
Finlandia, op. 26 Nr. 7
Der Schwan von Tuonela
I. JO
1.20
- Divertimento („Kume,
Tapiola, op. 112
2.J-0
kum"), Werk 24 2.J0
Symphonie Nr. 1, erholl
s-— .
Streichtrio G dur 2.—
Symphonie Nr. 2, D dur
5 —
Trio fur Flote, Violine und
Symphonie Nr. 4, a moll
i.;o
Viola, Werk 30 2.- —
Kurt Stomas
2Uejean&er
Streichquartett fmoll
2. —
f rieoridj uon Btffai
Hermann Zildjer
Drei Stiicke fur Streichtrio 2.—
Klavierquintett cismoll
2.J0
Streichquartett Nr. 2 2.—
Marienlieder, op. J2 a
}■—
Brcitkopf&6i
irtel in KciP3ig
;?*¥'■■
m
tfkue Etamen
imVerlage
Breitkopf & Hartel
iaU8<£ricjFougftel>t
ftans 2llfon$ Walptxt
Finnisches Volkslied
An Diotima
filr Streichorchester
Vie'r Gesiinge von Friedrich
BSim Saaget
Holderlin fur Gesarig und
Klavier-
Konzert fur Streichorchester
Schilflieder
©eorg pitckmaper
Musik fiir Streichorchester
Fiinf Gedichte von Nicolaus
Lenau fiir mittlere Stimme
und Klavier
Toccata und Fuge fiir Orgel
Sonate
Soriatine fur Klavier
fiir Violoncell und Klavier
Karl ScjuJta
Choralfantasie
Maskerade
iiber „Es ist ein Sehnitter"
Ein Ballett nach Lautenmusi*
fur Orgel
ken des 1 6. Jahrhunderts fiir
Variationen
Orchester
Concertino
fiir Klavier iiber ein deutsches
Volkslied („Schwesterlein")
in 4 Satzen, fiir Orchester
Fabeln
Drei Madrigale
SiebenLieder fiir Bariton und
fur drei und vier Stimmen
Streichorchester '
ohne Begleitung
Diese Werke erscheinen im Laufe des Jahres 1943
Breitkopf a Mxtti in IciP3ig
NEUEKSCHEINUNGEN
K,tum BeetljouenB Rontrerfationeljeftc
im Auftrage der PreuBischen Staatsbibliothek
herausgegeben von
PROF. DR. GEORG SCHtJNEMANN
Zunehmende Schwerhorigkeit zwang Beethoven, diese Notizbiicher (von
400sind i36erhalten undin.der PreuB. Staatsbibliothek) zumVerkehr mit
der Aufienwelt zu b enutzen. Sie sind eine unschatzbareQuelle fiirBeethovens
Leben und werden zum erstenmal veroffentlicht. Das Monumentalwerk
wird 8 Bande umfassen. Jeder Band ist 400 Seiten stark und enthalt j Lichts
drucktafeln. Buchausstattung mustergultig, Einband vonProf.W.Nauhaus.
Fertig liegt vor: Band I geb. Leinen RM i7.r0
Band II geb. Leinen RM 27.^0
Die weiteren Bande erscheinen in Abstanden von etwa sechs Monaten.
Abnahme von Band I verpflichtet zur Abnahme des ganzen Werkes. "
2>ae dftujikle*ikon
von HANS JOACHIM MOSER
2. Auflage
Umfang 1 100 Seiten mit zahlreichen Abbildungen
Preis gebunderf etwa RM 2/.-
Die Neuauf lage des z. Z. in Lieferungen erscheinenden Werkes wird im
Sommer 1943 vollstandig vorliegen. Mit 32 Bildtafeln geschmiickt, ist
sie von Grund aus umgearbeitet und auf den neuesten Stand der Wissen*
schaft gebracht. Mosers Musiklexikon enthalt alle irgendwie wichtigeh
Lebensgeschichten und unterrichtet uber die gesamte Musikgeschichte,
Musikasthetik und Musiktheorie Mosers Musiklexikon ergibt das mo<
dernste Bild des auch musikalisch vollig veranderten neuen Europa.
fi&tft fieffes tferlag, Berlin
NEUER.SCHEINUNGEN
200 Mre Staateoper Berlin tm BUD
herausgegeben im Auftrage der Generalintendanz
der PreuBischen Staatstheater von
DR. JULIUS KAPP
Chefdramaturg der Staatsoper Berlin
Format 30x21 cm, Umfang 260 Seiten mit iiber 90,0 Abbildungen auf Kunst*
druckpapier und 24 Farbtafeln mit 48 Abbildungen in Neunfarbendruck.
Preis gebunden RM ■})-.—■
Dieses Prachtwerk im besten Sinne gelangte zum 20ojahrigen Bestehen
der Staatsoper Berlin am 7. Dezember 1942 zur Ausgabe. Es stellt mit
seinem unerschopf lichen und vielfach unveroffentlichten Bildmaterial,
besonders aus der Bibliothek und dem Museum der PreuBischen Staats*
theater, ein Werk dar, das auch den verwohntesten Opern< und Biicher*
liebhaber begeistert und ein Kulturdokument von bleibendem Wert ist.
2)er lieutfdjc MufikerkalentiEr 1943
Herausgegeben im Auftrage der Reichsmusikkammer
Der 6 j-.Jahrgang dieses bewahrten Nachschlagewerkes erscheint wiederum
in drei Banden, zwei Anschriftsbanden und einem Merkbuch, und spiegelt
auf etwa 2000 Seiten das gesamte vielgestaltige Musikleben GroBdeutscru
lands von etwa 600 Stadten in ubersichtlicher Weise wieder. Der neue
Jahrgang ist bereichert durch die Einbeziehung der besetzten Gebiete.
Der „Deutsche Musikerkalender" ist mit seinen etwa 70 000 Musik* und
Musiker<Adressen, mitderWiedergabederamtlichenBestimmungen, seinen
zahlreichen Verzeichnissen, taglichem Notiz* und Stunden<Kalender usw.
unentbehrlich fur jeden, der im deutschen Musikleben irgendwie tatig ist.
Preis der drei Bande RM 1 o.—
Mm fieffea Vtxluq, Berlin