Jahrbuch
der
Musikbibliothek Peters
«r
1918
t
Hemuflgegeben
TOU
Rudolf Schwarte
F ünfundz wanzigster J ahrgang
LEIPZIG
Verlag von C. F. Peters
1919
b
INHALT
J ahresbericht V
Peter Wagner: Die Koloraturen im mittelalterlichen Kirchengeeang ... 1
Adolf Sandberger: Zur älteren italienischen Klaviermusik 17
Hermann Kretas chmar: Hauptwerke unter den Denkmälern Deutscher
Tonkunst 27
Hermann Abert: Giacomo Meyerbeer 37
Max Friedlaender: Zuccalmaglio und das Volkslied 53
Rudolf Schwarte: Totenschau für das Jahr 1918 81
Rudolf Schwarte: Vereeiohnis der im Jahre 1918 in Deutschland, öster-
» M
reich-Ungarn, der Schweiz, Dänemark, Schweden “und Holland er- *
schienenen Bücher und Schriften über Musik 89
Nachdruck sämtlicher Artikel ist verboten.
Bibliotheksordnung
1.
Die Bibliothek ist — mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage —
täglich von 9 — 12 und 3 — 6 Uhr unentgeltlich geöffnet
Die Besichtigung der Bibliotheksräume, sowie der Bilder und Auto-
graphen ist von 11—12 Uhr gestattet
Während des Monats August bleibt die Bibliothek geschlossen.
2 .
Die Benutzung der Lesezimmer ist, soweit der Baum reicht, jedem
(Damen wie Herren) gestattet
3.
Die Bücher und Musikalien werden gegen Verlangzettel ausgegeben.
Sie dürfen nur in den Lesezimmern benutzt werden und sind nach der
Benutzung dem Bibliothekar zurückzugeben.
J ahresb'ericht
Die Musikbibliothek Peters konnte am 2. Januar 1919 auf ihr 25 jähriges
Bestehen zurück blicken. Den Tag festlich zu begehen, dazu bot der Ernst der
Zeit keinen Raum. In Dankbarkeit gedenkt aber die Bibliothek ihres verstorbenen
Stifters, Dr. Max Abraham, der am gleichen Tage vor 25 Jahren sein Werk
der Öffentlichkeit übergab. Die Frage, ob das Institut in dem verflossenen
Vierteljahrhundert die ihm gestellten Aufgaben: den Musikern das gesamte,
für ihre Studien notwendige geistige Rüstzeug an die Hand zu geben, erfüllt
hat, kann natürlich an dieser Stelle nicht erörtert werden, ebensowenig wie die
Frage nach der Bedeutung der Stiftung für die Musik und ihre Wissenschaft.
Doch dürfte ein zusammenfassender Überblick über den äußeren Betrieb weitere
Kreise interessieren.
Betriebijahre
Zahl
der Benutzer
Zahl der ent-
liehenen Werke
1894—1898
20509
42952
1899—1903
20408
49 371
1904—1908
20962
56424
1909—1913
22 252
60397
Summa: 1894 — 1913
84131
209 144
Dazu kommen jährlich noch etwa 600 Personen, die nur Zeitungen lasen
oder die Handbibliothek im Lesezimmer benutzten, sodaß also der Gesamtbesuch
in den ersten zwanzig Jahren auf rund 96000 Personen zu veranschlagen ist.
Wie sehr der Betrieb unter der Einwirkung des Weltkrieges gelitten hat,
dafür sind die folgenden Zahlen das sprechendste Zeugnis:
Su
« 1 1 r t
Betriebs] ahr
Zahl
der Benutzer
Zahl der ent-
liehenen Werke
1914
3629
10234
1915
2093
1
5595
1916
1998
5405
1917
1703
4162
1918
1524
4434
i: 1914—1918
10947
Ji
29830
VI
JAHRESBERICHT
Die Zahl der übrigen Besucher ergibt in den Kriegs] ähren ein Mehr von
nur rund 2000 Personen, fiel also von jährlich 600 auf 400. Erfreulicherweise
haben sich aber Besuch und Benutzung der Bibliothek nach dem Waffenstill-
stand so sehr gehoben, daß hoffentlich bald wieder mit den alten Zahlen
zu rechnen sein wird.
Die Bibliotheksbestände haben sich ungefähr verdoppelt; die Bibliothek
zählt jetzt rund 18000 Bände.
Der Schwerpunkt der Neuanschaffungen liegt nach wie vor in den
Erscheinungen der Gegenwart, doch wird wie bisher der modernen Musikpraxis
gegenüber eine gewisse Zurückhaltung bewahrt, da nicht die Absicht besteht,
das Neue allein des Neuen willen anzuschaffen; es werden vielmehr nur solche
Werke ausgewählt, die sich entweder im Konzertsaal oder auf der Bühne
durchgesetzt haben, oder die ihrer inneren Beschaffenheit wegen den Ankauf
wünschenswert erscheinen lassen.
Durch diese Beschränkung war es möglich, die rückwärtige Verbindung
mit dev älteren Musikpflege sachgemäß auszubauen. Denn jede musikwissen-
schaftliche Grundlegung bleibt ohne die Kenntnis der Denkmäler der vergangenen
Zeiten ein Unding. Das gilt sowohl für die musikalische Theorie wie für die
Praxis. Die Verwaltung war daher in erster Linie auf Anschaffung der
Qu eilen werke bedacht. Die Schriften der Musiktheoretiker dürften, soweit
sie gedruckt sind, in fast lückenloser Reihe von Gafurius An jetzt vorhanden
sein. Auch für das zum Verständnis der alten Musikpraxis erforderliche
Anschauungsmaterial wurde gesorgt. Die Bibliothek besitzt eine schöne
Sammlung von Neumenblättern (lateinische und byzantinische) aus dem 11. bis
15. Jahrhundert, ferner gedruckte Lauten- und Orgeltabulaturen, dazu zahlreiche
Originaldrucke von Musikalien aus dem 16. — 18. Jahrhundert (darunter je einen
Petrucci und Verovio), also ein Anschauungsmaterial, das unter Hinzunahme
der bekannten Faksimile- Ausgaben: Paläographie musicale, Monomenti Vaticahi,
Roman de Fauvel, Cent motets und der anderen einschlägigen Werke (Molitor,
Riemann usw.), den Studierenden die Möglichkeit gibt, das ganze Gebiet: Noten-
schrift und Notendruck an Hand des auf der Bibliothek befindlichen Materials
aus eigener Anschauung studieren zu können.
In der gleichen Weise wurden die übrigen Fächer ausgebaut. Auch hier
galt überall als leitender Grundsatz: die für die Entwicklung bedeutsamsten
Erscheinungen möglichst im Original zu besitzen. Willkommene Ergänzungen
dazu bieten die verschiedenen „Denkmäler der Tonkunst“. Mit reichem Quellen-
material kann namentlich die Instrumentalmusik des 18. Jahrhunderts belegt
werden. Beinahe vollständig sind die Erstdrucke der Werke Beethovens und
Schuberts vertreten.
Die Haupterwerbungen dieser Antiquaria wurden in den verschiedenen
Jahrbüchern einzeln namhaft gemacht. Im vergangenen Jahre kamen hinzu:
Schütz Heinrich, Psalmen Davids, Dreßden 1661; Ferrari, Domenico,
Violinsonaten, Op. 1. Paris, Aux adresses ordinaires, Op. 2. Amsterdam, Hummel,
1
JAHRESBERICHT VII
Op. 3. Paris, Bayard etc. Op. 4. Paris, Le Duc, ' Op. 5. Paris, PEditeur, Op.- 6.
Paris, Le Duc. Bach, Johann Christian, Klavierkonzerte, Op. 1. London,
Preston and Son, Op. 7. Amsterdam, Hummel. Dauvergne, Les Troqueurs
[Partitur]. Paris, L'Auteur. Gaveaux, Läonore ou L'amour conjugal [Partitur].
Paris, Mad® 6 Duhan [überklebt]. Paradis, Maria Theresia, Deutsches
Monument Ludwigs des Unglücklichen, Wien und Prag 1793. Darüber wurde
aber die moderne Musik nicht vernachläßigt. Neu einverleibt wurden die
*
Orchester-Partituren: Pfitzner, Hans, Palestrina; Kaun, H., Op. 92. Erste
Suite; Szüll, Georg, Op. 4. Variationen über ein eigenes Thema; Wetzler,
Hermann Hans, Op. 7. Ouvertüre zu Shakespeare’s „Wie es euch .gefällt“;
Wolf, Hugo, Dem Vaterland; Frühlings-Chor aus Manuel Venegas, ferner:
Straesser, Ewald, Op. 12, Nr. 2. Streichquartett; Pfitzner, Hans, Op. 27.
Violineonate; die Kla vieranszflge : d'Albert, Eugen, Der Stier von Olivera;
Mraczek, Joseph Gustav, Aebelö; Klose, Friedrich, Der Sonne Geist;
Wolf, Hugo, Manuel Venegas, Opernfragment
Uber die Autographenbestände ist im vorigen Jahrbuch eingehend
berichtet worden. Die Bildersammlung umfaßt rund 1600 Nummern. Die
Zahl der Textbücher beläuft sich auf rund 2400.
Wie die Verwaltung nach besten Kräften bemüht gewesen ist, das ihr
anvertraute Gut zu pflegen, so hofft sie auch in Zukunft das Institut auf der
Höhe zu halten und es dem Ideale entgegenzuführen, das seinem Stifter vor-
geschwebt hat.
Mit dem abgelaufenen Verwaltungsjahre schied aus Altersrucksichten
Herr Geheimrat Dr. W. Göhring aus dem Kuratorium, dem er nahezu 20 Jahre
angehört hat. Es ist der Bibliothek eine freudige Pflicht, dem Scheidenden für
alle seine Bemühungen um die Verwaltung der Stiftung, denen er sich als Ver-
treter des Rates der Stadt Leipzig die Jahre hindurch in selbstloser Weise
unterzogen hat, auch an dieser Stelle verbindlichst zu danken. Sein Name
wird mit dem Institute dauernd verbunden bleiben.
Am 11. November 1918 starb der älteste und treueste Besucher der
Bibliothek, Professor Richard Hofmann. Obwohl eine anerkannte Autorität
auf dem Gebiete der Instrumentenkunde und der Instrumentation war er doch
unermüdlich bestrebt, sein reiches Wissen durch die ihm auf der Bibliothek
gebotenen Mittel zu vertiefen und zu erweitern. Ein leuchtendes Beispiel für
die Jugend, daß des Lernens kein Ende ist.
Die Liste der am meisten gelesenen Werke erscheint diesmal in wesent-
lich veränderter Form; sie trägt erfreulicherweise rein deutsche Züge.
A. Theoretisch-literarische Werke : Allgemeine Deutsche Musikzeitung, Berlin (45 mal);
Berühmte Musiker. Lebens- und Charakterbilder. Hrsg. v. H. Reimann (38); Handbücher
der Musiklehre. Hrsg. v. Scharwenka (38); Neue Musik-Zeitung (35); Signale für die musikalische
Welt (28); Neue Zeitschrift für Musik (26); Bekker, Beethoven (25); Dommer - Schering,
Handbuch der Musikgeschichte (21); Jahrbuch der Musikbibliothek Peters (20); Pazdirek,
Franz, Universal-Handbuch der Muaikliteratur aller Zeiten und Völker (20); Ram&nn, L.,
VIII
JAHRESBERICHT
Franz Liszt Als Künstler und Mensch (17); Nagel, W., Beethoven und seine Klaviersonaten (17);
Hofmeister, Fr., Verzeichnis sämtlicher im Jahre 1852—1917 in Deutschland und in den
angrenzenden Ländern erschienenen Musikalien (16); Spitta, Philipp, Johann Sebastian Bach (16);
Riemann, H., System der musikalischen Rhythmik und Metrik (15); Thayer - Riemann,
Ludwig van Beethovens Leben (14); Büiow, Hans v., Briefe und Schriften (13); Jahn-
Deiters, W. A. Mozart (13); Riemann, Große Kompositionslehre (13).
Je 12 mal: Allgemeine Musikalische Zeitung. (Breitkopf & H.); Chry sander, Händel;
Kalbeck, Johannes Brahms; Köstlin, Geschichte der Musik im Umriß. Hrsg. v. Nagel;
Monatshefte für Musik- Geschichte; Riemann, H., Analysen von Beethovens Klavieraonaten ;
Riemann, H., Handbuch der Musikgeschichte ; Riemann, H., Lehrbuch dee einfachen, doppelten
und imitierenden Kontrapunkts.
Je 11 mal: Nie mann, Walter, Das Klavierbuch. Geschichte der Klaviermusik und ihrer
Meister; Viert ei jahrsschrift für Musikwissenschaft; Weissmann, Ad., Chopin.
Je 10 mal: Dahms, Walter, Schubert; Kleine Handbücher der Musikgeschichte nach
Gattungen. Hrsg. v. Kretzschmar; Naumann, Emil, Illustrierte Musikgeschichte. Hrsg. v.
Schmitz; Storck, Karl, Geschichte der Musik.
B. Praktische Werke: Denkmäler deutscher Tonkunst. I. Folge (36 mal); Wagner,
Rieh., Tristan und Isolde, Klavier- Anszug (32); Bach, Joh. 8eb., Kirchen-Kantaten, Gesamt-
Ausgabe (19); Wagner, Rieh., Tristan und Isolde, Partitur (18); Bach, C. Ph. £., Sechs
Clavier-Sonaten für Kenner und Liebhaber. (Ente bis Sechste Sammlung 1779 —1787) (13);
Haydn, Jos., 9 Symphonien, Bd. 1 — 3, (Edition Peten) (13).
Je 12 mal: Beethoven, Ludw. van, Symphonie Nr. 8, Partitur; Denkmäler der Ton-
kunst in Bayern; Denkmäler der Tonkunst in Österreich.
Je 11 mal: Haydn, Jos., Symphonien No. 1— 14. (Breitkopf & H.) ; Mosart, W. A.,
Symphonien No. 1—12, (Breitkopf & H.); Wagner, Rieh., Der fliegende Holländer,
Klavier-Auszug.
Je 10 mal: Bach, Joh. Seb., H moll-Messe, Partitur; Beethoven, Ouvertüren, Gesamt-
AuBgabe, Partitur; Wagner, Rieh., Der fliegende Holländer, Partitur.
Leipzig, im April 1919.
C. F. Peters. Prof. Dr. Rudolf 8chwartz.
Bibliothekar.
Die Koloratur im mittelalterlichen Kirchengesang
Von
Peter Wagner
Als um die Mitte des 19. Jahrhunderts die kirchenmusikalische Erneuerung
in echt romantischem Schwung sich die Losung „zurück zur ursprünglichen Fassung
des lateinischen Chorals“ zu eigen machte, und man deren handschriftliche Quellen
aufzusuchen begann, stießen sich viele an den melodischen Girlanden, die in zahl*
reichen Gesängen um den lateinischen Text herumgewunden waren. Hatte man sich
langst an die mehr oder weniger syllabische Zurichtung gewöhnt, die seit dem 17. Jahr*
hundert allenthalben durchgedrungen war, so wurde man nunmehr gewahr, daß der
melodische Bau der alten Lieder neben ganz syllabischer und Gruppenmelodik auch
eine Melismatik aufwies, von zum Teil außerordentlicher musikalischer Selbständigkeit.
Den Kirchen sängern fielen die praktischen Schwierigkeiten auf, welche die
alte Koloratur unleugbar den Ungeübten entgegenhält. Als ihren Wortführer nenne
ich Fr. X. Haberl, der sich wegwerfend über die „Kodizesgurgeleien“ (1) äußerte.
Seine Kritik kann als befangen abgelehnt werden, da er die Approbation eines
flüchtig hergestellten Choralbuches mit gekürzten Singweisen in Rom erwirkt hatte
%
und dasselbe gegen allen wissenschaftlichen Einspruch ein ganzes Menschenalter
hindurch verteidigt hak Niemals hat er auch so böse Worte für die Melismen z. B.
in den Sanctus der Messen des Palestrina gebraucht Auch Freunde des Kirchen-
gesanges mit choralgeschichtlichen Neigungen vermochten deshalb kein rechtes Ver-
hältnis zu ihnen zu finden, weil den kolorierten Stellen, deren Melismatik offen-
kundig im Dienste der künstlerischen Interpretation steht, andere zur Beite treten,
in denen der Text eine melismatische Auszierung nicht zu rechtfertigen scheint.
Selbst ein Gevaert, dem die Choralforschung ungleich mehr verpflichtet ist, wußte nur
den allelujatischen Jubilen eine ästhetische Seite abzugewinnen, der Sinn der andern
melismatischen Figuren blieb ihm verschlossen. Das scharfe Urteil Rieh. Wagners
über die Opern koloratur endlich hat dann sogar solche zu abweisenden Äußerungen
verleitet, die sich ohne diesen wuchtigen Druck an den melodischen Reizen mancher
kolorierter Lieder erbaut und erfreut hätten.
Der Verfasser dieses Aufsatzes hat seither mehrmals zu der Angelegenheit
das Wort ergriffen. In der „Einführung in die gregorianischen Melodien“ 1895
Jahrbuch 1918. i
PETER WAGNER
2
legte er den Bau einiger reicher liturgischer Lieder dar (8. 218 ff.), und im ersten
Bande der zweiten und dritten Auflage desselben Werkes ist mehrmals nachdrück-
lich auf den bis dahin so gut wie unbeachtet gebliebenen grundlegenden Gegensatz
von solistischer und Chorausführung im Mittelalter bingewiesen, der den Schlüssel
zur Erklärung zahlreicher Eigenheiten der alten Formenlehre enthält. Mit liturgie-
geschichtlichen Belegen wurde die landläufige, zuletzt von Fleischer vertretene Vor-
stellung zurückgewiesen, daß der melismatische Gesang eine spätere, unorganische
Zutat zum vermeintlich einfachen, nur rezitativischen Kirchengesang der ältesten Zeit
gewesen sei. Ich glaube den Nachweis so geführt zu haben, daß die frühere An-
nahme für immer beseitigt ist. Es fehlt aber noch an einer ausführlichen, die sämt-
lichen Arten alter Koloratur berücksichtigenden Untersuchung. Sie wird im dritten
Band der „Einführung“ vorgelegt werden, der bald der Öffentlichkeit übergeben
werden soll. Es darf indessen bereits heute betont werden, daß eine stilistische Dar-
legung der gregorianischen Melismatik zu den anziehendsten Aufgaben der musi-
kalischen Analyse gehört. Dabei stelle ich den Nutzen, der von ihr auf die ge-
schichtliche Erkenntnis des liturgischen Gesanges fällt, nicht einmal in die erste
Linie: lehrreiche Tatsachen ergeben sich auch für die Entwicklung der
musikalischen Sprache im allgemeinen, zumal ihrer Syntax. Und das
ist es, was mich ermutigt, die Leser des „Peters- Jahrbuches“ zu einem kurzen Gange
— mehr ist hier nicht möglich — in diese merkwürdige Kunst einzuladen.
I.
Vor allem sei festgestellt, daß es „kolorierte Melodien“ in dem Sinne,
wie im 16. und 17. Jahrhundert gesangliche Partien von den Kunst-
sängern und Organisten koloriert wurden, im gregorianischen Gesänge
nicht gibt. Die vokale und instrumentale Diminution löste normale rhythmische
Werte in eine ihnen im Takt entsprechende Folge kürzerer Werte auf; die Koloratur
erweiterte zwar das Gefüge der Melodien, bestand aber regelmäßig in raschem Lauf-
werk. Anders die liturgische Koloratur. Sie ersetzt keineswegs einen normalen
Dauerwert durch eine rasche Folge kürzerer, sondern macht nur von rhyth-
mischen Werten Gebrauch, die auch für die melodisch einfachere Aus-
sprache des Textes vorgesehen sind. Eine entfernte Ähnlichkeit mit dem
neueren Verfahren bieten nur die verschiedenen Gattungen der Psalmodie. Der
Stufenleiter: Chorpsalmodie des Stundengebetes, Chorpsalmodie der Messe, Solospalmodie
des Stundengebetes, Solopsalmodie der Messe, entspricht ein wachsendes Maß von
Gruppen melodik, so aber, daß der gemeinsame Grundriß in den meisten Fällen er-
kennbar bleibt. Sonst kommt eine reichere Fassung neben einer einfachen ursprüng-
lich nicht vor, ebensowenig wie sich von einer einfachen Melodie sagen läßt, sie sei
durch Beseitigung des melismatischen Schmuckes entstanden. Für eine solche
Kürzung, wie sie seit dem 17. Jahrhundert in den meisten Choralbüchern durch-
geführt ist, gibt es in der früheren Zeit kein Vorbild.
Es versteht sich von selbst, daß für unsere Zwecke nicht so sehr die liturgischen
Chorlieder in Betracht kommen, als vielmehr die Sologesänge, die systematisch
DIB KOLUBATUB IM MITTELALTERLICHEN KIRCHENGE8ANG
und ausnahmslos reich ausgeführt sind. Wenn hier und da ein Chorlied
in soliBtischem Kleide erscheint, so ist das ungefähr so zu erklären, wie die Kolo-
raturen in den Chören Bachs und Handels. In beiden Fällen handelt es sich um
Chöre, die sich aus gelernten Sängern zusammen setzen ; in alter Zeit war es die
Schola Cantorum, von denen jeder gelegentlich als Solist zu amtieren hatte, im
18. Jahrhundert gehörten lebhafte Tonlei tergän ge und dergl. zum normalen Pensum
aller besseren Chorstimmen. Immerhin sei darauf hingewiesen, daß melismatische
Chorlieder aus einer jüngeren Zeit stammen als die Solostücke. Halten wir uns
darum an die gregorianischen Sologesänge. Sie werden uns am ehesten Aufschluß
über die Urgeschichte der choralischen Vokalisen geben. Wir können dabei die
Ausdrücke „Melisma“ und „Koloratur“ als gleichwertig gebrauchen, da sie sich
lediglich durch ihre Ausdehnung unterscheiden: die Koloratur ist ein weiter aus-
geführtes Melisma und das Melisma eine kurze Koloratur.
Daß Untersuchungen dieser Art nicht ohne Gefahr sind, habe ich an meinen
eigenen Arbeiten erfahren müssen. In der ersten Auflage der „Einführung“ (S. 25)
ist auf die Ähnlichkeit der Singweise des Alleluja 1 ) der Messe des Karsamstags (I)
mit den ersten Anrufungen der Präfation des Hochamtes (II) hingewiesen:
Per om-ni - a sae-cu - la aae-cu - lo - rum. Dignum et justum e*t.
(Die Rhythm isierung folgt hier und in allen späteren Beispielen den Angaben
der sanktgallischen Kodizes aus dem 10. Jahrhundert, insbesondere der Hs. 339.
Dabei ersetze ich Ziernoten, wie das Quilisma, den Pes volubilis und Salicus durch
gewöhnliche Noten. Für die Einzelheiten verweise ich auf meine „Neumenkunde 1 “
S. 381 ff. Die von den französischen Benediktinern konstruierte ausgleichende Vor-
tragsweise, die für die ursprüngliche ausgegeben wird, ist das nicht; wer
die Quellen des alten Choral vortrages durchgeht, kann zu einem andern Urteil nicht
kommen. Im übrigen ist die obige Melodie II mehr rezitativisch als mensuriert aus-
zuführen.)
Die Weise I sieht aus wie die melismatische Kontraktion des rezitativischen II,
unter Wiederholung des ersten Gliedes nach dem in den Allelujagesängen beliebten
Schema A A B. Daraus habe ich auf die Existenz eines geschichtlichen Zwischen-
stadiums zwischen der rezitativischen Syllabik und der Melismatik geschlossen,
derart, daß die ersten Melismen überhaupt durch Kontraktion syllabischer Stücke
1 ) So wird das Wort in der gesamten musikalisch-liturgischen Literatur des Mittel-
alters und in den lateinischen Kirchengesangbüchern bis zur gegenwärtigen Stunde geschrieben.
Man wird daher gut tun, wenn es sich um gregorianischen Choral handelt, nicht „Halleluja“
zu schreiben.
1*
4
PETER WAGNER
entstanden seien. Ich kann diese Auffassung heute nicht mehr aufrechthalten.
Die Allelujaform AAB gehört, wie sich zeigen wird, einem jüngern Stadium der
Melismatik an; obiges Alleluja hat allere, anders gebaute Alleluja weisen zur Voraus-
setzung, darf also keinen falls als ältester Typus der Gattung angesehen werden.
Auch kann es deshalb nicht ursprünglich sein, weil es des eigentlich charakte-
ristischen Jubilus auf der letzten Silbe entbehrt und der darauffolgende Vers Gon -
fttemini melodisch andere Wege geht, beide Teile also nicht von Anfang an zusammen-
gehören. Das Beispiel ist demnach anders zu deuten. Ich neige heute zur folgenden
Erklärung: das Alleluja am Karsamstag ist das einzige im Kirchenjahr, das vom
Zelebranten angestimmt wird; an allen andern Tagen wird es vom Solisten des
Chores intoniert und weitergesungen. Um dem Liturgen, der nicht notwendigerweise
ein Sänger von Fach war, seine Aufgabe zu erleichtern, ließ man ihn eine bekannte, in
jeder feierlichen Messe gesungene Weise (die der Präfation) in melismatischer Fassung
singen, da das Alleluja einmal melismatisch sein mußte. Für die Herkunft des
melismatischen Stiles läßt sich also aus der Ähnlichkeit beider Weisen keinerlei
Schluß ziehen, und die Annahme eines zeitlichen Zwischenstadiums zwischen einer
älteren Syllabik und einer jüngeren Melismatik muß fallen gelassen werden. Wir
tun darum gut, unsere Untersuchung in eine andere Richtung zu lenken.
II.
Es ist überhaupt unzweckmäßig, hier von Allelujagesangen auszugehen, weil
diese in ihrer gregorianischen Fassung bei weitem nicht alle zu den älteren Stücken
des Meßgesanges gehören. Das erweisen Ihre Texte, die nicht ausschließlich dem
Psalter entstammen; mehrere sind überhaupt nichtbiblischer Herkunft. Sicher war
aber der Psalter zuerst und jahrhundertelang das einzige Gesangbuch. Nach Aus-
weis der liturgischen Geschichte sind vielmehr älteste Meßgesange der Tractus und
das Gradualresponsorium. Vom Tractus stammen die sämtlichen Texte aus dem
Psalter oder den biblischen Cantica, er ist der einzige Gesang, der im ganzen alle
Jahrhunderte hindurch der Versuchung radikaler Kürzung des Textes Widerstand
geleistet hat. Der Tractus Qui habitat vom ersten Fastensonntag umfaßt sogar noch
heute den ganzen Psalm 91. Auch die Singweisen tragen alle Anzeichen höchsten
Alters. Ohne Zweifel liegen uns in den Traotusmelodien ganz alte Stücke lateinischen
liturgischen Sologesanges vor. Dasselbe darf man von einer Reihe von Gradual-
responsorien annehmen. Bilden doch Tractus und Gradualresponsorium die direkten
Nachfolger des synagogalen Solovortrages zwischen den Lesungen. Beide sind nun
auch die Hauptträger der Melismatik und Koloratur.
Untersucht man zunächst die Tractus auf ihr melismatisches Verhalten, so
offenbart sich eine Technik, die vom neueren Koloraturwesen nichts an sich hat:
die Koloratur steht im Dienste der syntaktischen Interpunktion. Ihr
regelmäßiger Platz ist da, wo der Vortragende mit dem Text etwas innehält, eine
kleinere oder größere Pause macht, also nicht nur am Ende der Psalm verse (Finale)
und in deren Mitte (Mediante), sondern auch bei Zäsuren innerhalb der Vershälften.
Dabei ist die Wahl der Interpunk tionsfiguren oder Finalkoloraturen nicht dem Be-
DIE KOLORATUR IM MITTELALTERLICHEN KIRCHENGESANG 5
lieben der Banger anbei ingestellt, so daß diese etwa fortwährend neue Figuren und
Melismen erfinden könnten, sondern sie binden sieb an gewisse, offenbar durch das
Alter geheiligte Formeln, die in großer Regelmäßigkeit an bestimmten Stellen des
Textes immer wiederkehren. Es werden in dieser Beziehung konsequent Final*,
Median ten- und Zäsurmelismen auseinandergehalten, so daß niemals ein Melisma
seinen rechtmäßigen Platz wechselt, ein Finalmelisma niemals als Mediantenfigur und
diese nie als Zasurmelisma erscheint Naturgemäß sind die verschiedenen Arten
wandernder Melismen musikalisch verschieden gebaut, ein Finalmelisma hat abschließen-
den Charakter, ein Mediantenmelisma macht einen scharfen Einschnitt, ein Zäsur-
melisma schafft lediglich einen Ruhepunkt
Im Einklang damit steht die Tatsache, daß die genannten Melismen sich an
die letzte Silbe der Worte heften. Die Auszierung der andern, zumal der Akzent-
silben weist auf einen jungem Standpunkt melismatischer Technik hin. Auch ist
zu beachten, daß die Rezitation innerhalb der Tractus und ganz allgemein der Solo-
stücke, wie diejenige der Orientalen bis auf den heutigen Tag, nicht geradlinig verläuft,
wie die lateinische Rezitation, sondern in geschwungenen Linien, die den Hauptton
nach oben und unten umspielen.
Die Tractus erscheinen während des ganzen Mittelalters nur als Variationen
von zwei Typen, von denen der eine dem plagalen Dorisch (II. Modus), der andere
dem plagalen Mixolydisch (VIIL Modus) angehört. Hier genügt es, die Tractus-
melismatik an nur einem Beispiele aufzuzeigen. Es sei dafür der Tractus Eripe me
vom Karfreitag gewählt. Sein Text (Psalm 139) ist darin folgendermaßen disponiert:
<
Tractus Eripe me. (Ps. 139.)
Mediante Zäsur Finale
Eripe me | domine | ab homi ne malo: a viro iniquo . ..... libera me.
V. 1. Qui cogitaverunt | malitias in eorde: tota die constituebant proelia.
V. 2. Acuerunt | linguaa suaa | sicut ser-
pentea: venenum aspidum .... aub labiis eorum.
V. 3. Oustodi me | domine | de manu pec-
catoris: et ab hominibus iniquis . libera me.'
V. 4. Qui cogitaverunt | «upplantare |
gresaua meoa: abaconderuut auperbi . . laqueum mihi.
V. 5. Et funea | extenderunt | in laqueum |
pedibus meis ; iuxta iter scandalum . . poBuerunt mihi.
V. 6. Dm domine, | deus meus ob tu: . exaudi domine vocem orationis meae.
V. 7. Domine, domine | virtus salutis meae: obumbra caput meum . . in die belli.
V. 8. Ne tradaa me | a deaiderio meo |
peccatori: cogitaverunt adveraum me,
ne derelinquas me . . ne unquam exaltentur.
V. 9. Caput | circuitus eorum: .... labor labiorum ipsorum . operiet eoa.
V. 10. Verumtamen justi | confitebuntur |
nomini tuo: et habitabunt recti . . . cum vultu tuo.
Als Rezitationstöne sind D und F verwendet, die nur eine kleine Terz von-
einander abstehen. Um beide Töne herum hängt sich zunächst einfacheres Figuren-
werk, unter dem der Rezitation s ton zuweilen verschwindet; als idealer Träger des
Qerüstes ist er aber unschwer zu erkennen. In Vers 8 rezitiert die zweite Vers-
6
PETER WAGNER
hälfte auf D die Worte adversum - derelinquas. Wichtiger aber und konsequenter
durchgeführt sind die Interpunktionsmelismen, und zwar sind Median te, das darauf-
folgende Initium der zweiten Vershälfte und die Zäsur fast ausnahmslos mit den
folgenden Figuren ausgestattet:
Mediante zweites Initium
Zäsur
Auch in der ersten Vershälfte finden Einschnitte statt, sie sind sogar bei der
ziemlich figurenmäßigen Linienführung zahlreich, haben aber merkwürdigerweise den
Schluß mit der Tonika D gemeinsam. Ich habe sie oben mit einem Strichlein neben
den Worten vermerkt.
Mit der Tonika schließen naturgemäß auch die Verse selbst Es wechseln
dabei drei Typen der Kadenz ab:
1. Finalis. 2. Finalis. 3. Finalis.
- ra me. 2. e - o-rum 4. mihi
1. proe - li - a. 6. -nis meae. 5. mihi
3. - ra me. 7. belli
8. - tur.
Ausgedehnt und eine echte Koda ist die Finalis des letzten Verses, welche
die Zäsurfigur zu einer großen Kadenz erweitert:
rec - - - ti cum vul - tu tu
o.
Auch die von Zäsuren und Kadenzen nicht berührten Partien ergehen sich
keineswegs frei. Namentlich zu Beginn des Tractus erzwingt eine längere Figuren-
reihe die Aufmerksamkeit des Hörers, sie steht auf dem zweiten Worte me. Ähnlich
beginnen die anderen Tractus derselben Tonart. Diejenigen des Modus VIII weisen
ebenfalls ein Initialmelisma auf.
Die Eintönigkeit einer primitiven, nur mit wenigen melismatischen Typen aus-
gestatteten Solopsalmodie muß sich von dem Augenblick an besonders geltend gemacht
haben, wo die ausgebildete Achttonartenlehre ihren Einzug in den Kirchengesang
gehalten hat. Man kam dazu, der Tractuspsalmodie eine Klasse von Sologesängen
an die Seite zu stellen, die von der Errungenschaft dieses Oktoechos ausgiebigen
Gebrauch machte. Es sind die Gradualresponsorien. Ohne Zweifel gelangen
wir mit ihnen in die Zeit der Einrichtung der römischen Gesangschule, die das Erbe
PIE KOLORATUR IM MITTELALTERLICHEN KIRCHENGESANG
der alten» synagogales Vorbild weiterführenden Kantoren übernahm und ausgestaltete.
Bo erklärt sich die stärkere Inanspruchnahme des solistischen Elementes in der
neuen Form auf Kosten des Textes» der schließlich bis auf das Anfangstück und
■
einen Vers gekürzt wurde. Es gibt daher Gradualresponsorien in allen acht Ton-
arten» nicht nur im II. und VIII. Modus.
Auch in diesem ßtadium vermochte aber die liturgische Bolokunst noch nicht
zur Unabhängigkeit vorzudringen; wie bereits angedeutet» haben die Kantoren ihre
9
Solostücke aus einfacheren psalmodischen Themen herausgearbeitet. Viele Gradual-
verse schmücken einfache Typen der Chorpsalmodie zu melismatischen Gebilden aus.
Es soll dies Verfahren hier an einem Beispiele erläutert werden» das sicher zu den
ältesten der Gattung gehört.
Die dem 10. Jahrhundert angehörige Commemoratio brevis überliefert eine
Formel der Chorpsalmodie, die seither nicht mehr in allgemeinem Gebrauche geblieben
ist und überhaupt der Festsetzung der acht antiphonischen Psalmtöne vorausliegen
wird. Merkwürdigerweise ist auch sie so gebaut, daß man sie dem II. Modus ein-
reihen kann. ! ) Vielleicht bildet sie einen Rest der ältesten Chorpsalmodie:
Initium Rezitationston Mediante
2. Initium
Finaliß
Z.B. Dez- te - ra domini fe - cit vir - tu - tem : dex - te - ra domini exal - ta - vit - me.
♦
Sie kommt vor in Verbindung mit einer Antiphone, die folgendermaßen schließt:
(ex - al - ta - vit
me)
Diese einfache, noch heute nicht reizlos wirkende Psalmformel hat eine kolo-
rierte Erweiterung in der viel gebrauchten Melodie eines Gradual verses erfahren,
die ich hier in der Fassung des Mittwochs nach Ostern vorlege:
tem : dex - te - ra do
*) Eine Quart tiefer notiert, wäre sie dem IV. Modus zuzuschreiben, mit deren PßaJm
ton sie Ähnlichkeit hat, wie auch mit dem Te Datm.
PETER WAGNER
me.
(Die Melismen, die in Cod. 339 St. Gallen nicht vollständig ausgesetzt sind, stehen
vollständig in Cod. 121 Einsiedeln, p. 215 der Ausgabe der Paläographie musicale IV.)
Es kann wohl kein Zweifel darüber bestehen, daß die hochmelismatische Weise
nur die kolorierte Fassung der einfachen psalmodischen Formel ist mit Anlehnung
an den Antiphonenschluß bei eacattavit me, Man braucht nur die Vokalisen zu ent-
fernen, und das Gerüst der chorpsalmodischen Formel kommt zum Vorschein, die
ich darum oben mit dem Text des Gradual verses versah. Ähnliche Nachweise lassen
sich für die Gradual verse anderer Tonarten führen.
Mit dieser Erweiterung hängt zusammen, daß die Melismatik nicht nur die
Interpunktionestellen ergreift, sondern sich über den ganzen Text ergießt, besonders
über Worte, die der Sänger betonen, deren Bedeutsamkeit er unter-
streichen will. Zwar schließt auch dieser Vers mit einer Coda, außer ihr sind
aber auch die Hauptsilben des Textes mit Melismen bedacht. Gleich zu Beginn,
auf der ersten bedeutenden Silbe des Verses, wo er des Beifalles sicher ist, pflegt
der Bolist eine Koloratur anzubringen. In unserem Vers hat ihn sichtlich das zwei-
malige domini inspiriert In diesem Stadium geht die Koloratur über die
archaische Interpunktionspraxis zur Interpretation des Textes und von der syn-
taktischen Gliederung zu seinem gedanklichen Inhalt über, ein künstlerisch höher-
ge-
setzt; es gibt zahlreiche Gradual verse, die an allen logischen Huhepunkten Melismen
anbringen.
Aber auch dabei ist die Technik der Koloratur nicht stehen geblieben.
IV.
Die melismatisch entwickeltsten Lieder sind die Alleluja mit ihreu Versen.
Nicht nur ist dem Alleluja selbst eine lange Vokalise angehängt, die niemals fehlt
und daher einen eigenen technischen Namen, Jubilus, erhielt; auch der Vers tritt
in reichstem Solokleide auf und mündet regelmäßig in eine längere textlose Coda.
Das typische Schema der Allelujaform ist also, da nach dem Vers das Anfangstück
wiederholt wird, dieses:
I. Alleluja mit Jubilus,
H. Vers mit Coda,
III. = I.
4
In bezug auf das Verhältnis der Coda zum Jubilus zerfallen die Gesänge in
zwei Gruppen; entweder sind beide gleich, die Coda ist nur eine notengetreue Wieder-
holung des Jubilus, meist sogar mit den Figuren des Wortes Alleluja , oder beide
stehendes Verfahren. Die ältere Verwendung wurde indessen nicht außer Kraft
DIE KOLORATUR IM MITTELALTERLICHEN KIRCHENQE8ANG
gehen ihre eigenen Wege. Im ersten Falle ergibt sich die Struktur A (Alleluja
mit Jubilus), B (Vers), A (Coda = Alleluja mit Jubilus); im zweiten Falle fehlt
die melodische Wiederholung und Symmetrie. Aus den Texten der Verse und der
liturgischen Geschichte läßt sich nun nach weisen, daß die letztere Form die ältere,
die symmetrische die jüngere ist; erst eine spätere Zeit hat die Zweckmäßigkeit
übersichtlicher Konstruktion für den Koloraturgesang erkannt und dann auch kon-
sequent durchgeführt. Beide Formen verhalten sich zu einander, wie ein vom Gärtner
geschickt angelegtes und wohl gepflegtes Blumenbeet zu üppigen, wild wuchernden
Gewächsen. Man kann die jüngere Form wegen ihrer außerordentlichen Häufigkeit
und vor allem wegen ihres * künstlerischen WerteB die klassische Allelujaform
nennen, die ältere die archaische.
Diese Scheidung erhält eine bedeutsame Stütze in der auffälligen Tatsache,
daß die Allelujagesänge der archaischen Art die uns vom Tractus her bekannten
Tonarten des II. und VIII. Modus stark bevorzugen. Damit rückt dieser Typus
in die zeitliche Nahe der Tractus, während der jüngere, der alle acht Tonarten in
Anspruch nimmt, sich der nach dem Oktoechos geformten Gruppe der Gradualrespon-
sorien nähert.
Der Gegensatz der beiden Gruppen blieb nicht auf die äußere Struktur be-
schränkt. Ein Wandel vollzog sich auch im innern Gefüge der Melismen selbst.
Verliefen diese zuerst gewissermaßen regel- und planlos ohne deutlich erkennbare
Beziehung ihrer Teile auf einander, so befleißigte man sich von nun an einer über-
sichtlichen Gruppierung und Gliederung. Auch sie ist das Werk der ästhetischen
Ü berlegung.
Als Beispiel der archaischen Gruppe lasse ich hier das Alleluja der dritten
Messe von Weihnachten folgen:
Al - le-lu - ia.
10
PETER WAGNER
Die Figuren auf der letzten Silbe des Alleluja entbehren nicht der musikalischen
Schönheit, verweilen aber im selben Tonraum und entwickeln sich nicht Der Alle-
lujajubel ist in sich gekehrt und gelangt nicht zu einer glänzenden Steigerung. Im
Vers bewegt sich das erste Stück offensichtlich um den Ton D als den Träger des
melisma tischen Gerüstes, der zweite um F; auf diesen Tönen vollzieht sich auch die
Aussprache der Textsilben. Das dritte Stück von quia hodie an wiederholt die
Rezitationsfolge D — F. Die Coda ist sehr kurz und vom Jubilus unabhängig. Von
den Innenmelismen hat kein einziges Interpunktionssinn, sie interpretieren den Text,
indem sie die nachdenkliche, auf äußere Wirkung ganz verzichtende Stimmung des
Jubilus weiterführen. So singt ein ernster Sänger, der das Geheimnis der Geburt
des Weltheilands in seiner Seele überdenkt, aber nicht die Weihnachtsfreude in Töne
fassen will, — das geschah bereits im Introitus der Messe Puer natus est — sondern
der dem göttlichen Kinde in Demut seine Anbetung zollt.
Man kann den Bau dieser Melismen einen organischen nennen im Gegen-
satz zu demjenigen in den jüngern Allelujaliedern, deren übersichtliche und sym-
metrische Formung an das Ebenmaß und die schöne Verhältnismäßigkeit archi-
tektonischer Gliederung erinnert. Man vergleiche unter solchen Gesichtspunkten
das folgende Alleluja, das obschon dem V. Modus zugerechnet, im reinsten Dur
steht. Vielleicht steckt Edelgut aus der Profanmusik des frühen Mittelalters darin.
Sicher gehört es zu den schönsten Stücken des Meßgesangbuches und hat trotz seines
hohen Alters — es steht bereits in den Büchern des 10. Jahrh., ist aber sicher
noch älter — nichts von seinem strahlenden Glanze verloren:
V. Te Mar-ty - rum can di
do mi ne.
(Die heutige Fassung weicht etwas von der hier nach Cod. 339 St. Gallen
mitgeteilten ab.)
Der Vers greift von exercitus an, ohne es wesentlich zu verändern, das An-
fangsstück zugleich mit dem Jubilus wieder auf und hüllt den ganzen Gesang in
die Form ABA. Wirkungsvoll sind aber die Bestandteile der Melismen geformt;
ihre Glieder verhalten sich wie Vordersatz, Verweilen, Nachsatz und sind in ihrer
Höhen- wie Tiefbewegung unverkennbar aufeinander bezogen.
DIE KOLORATUR IM MITTELALTERLICHEN KIRCHENGESANG
11
Die letzte Entwicklung choralischer Koloratur wird durch Melis men wie das
folgende dargestellt:
(Die Wiederholung, die in den Bt Galler Hsb. nicht ganz genau ist, ist dies in
andern Hss., so in einem Codex aus dem 13. Jahrh. in der Stadtbibliothek Trier.)
Das Alleluja V. Justus ut palma hat im Vers das Melisma:
et si - cut ce
b b c
drua
Es gab eine Zeit, in der man die liturgische Melismatik durch Zählen ihrer
#
Töne lächerlich zu machen vermeinte. Heute zieht man es vor, den Bau dieser Ton-
gewinde zu untersuchen, und da stellen Bich die köstlichsten Strukturen heraus.
Unsere beiden Melismen, denen sich Dutzende ähnlichen Baues und gleicher Schön-
heit an die Seite stellen ließen, sind von unübertrefflicher Übersichtlichkeit und
Klarheit der Disposition ; ihre Grundrisse sind a b a c und a a b b c. Dazu sind
die einzelnen Glieder von schärfster melodischer Prägnanz. Jedes melodische Stück
hat seinen bestimmten Sinn, und sie reihen sich in logischer Verkettung aneinander
wie Hebung und Senkung, Steigerung und Nachlassen der melodischen Energie.
Man kann keines herausnehmen, ohne den Organismus des Ganzen zu schädigen.
Die innere Berechtigung des langen Versmelisma liegt in der Absicht des Kompo-
nisten, die Herrlichkeit der Zeder des Libanon, mit welcher der Gerechte verglichen
wird, zu schildern.
Eine prachtvolle Vokalise, die wir mit Sicherheit ins 7. Jahrh. zurück datieren
können, ist diejenige des Alleluja Verses Adorabo am Kirchweihfest und lange auch
an Mariä Lichtmeß. Beide Feste sind erst im 7. Jahrh. eingesetzt worden. Der
12
PETER WAGNER
Sänger will „den Namen des Herrn in seinem Tempel preisen“; man sehe, wie
ihm das gelungen:
bor
Ich glaube, daß diese mehr als tausendjährige Melodie noch heute jeden, den nicht
ein Vorurteil gegen die Melismatik erfüllt, erfreuen kann.
Die melodische Wiederholung, das Ausdrucksmittel, das wir hierher in Tätig*
keit erblicken, hat auf der tiefsten Stufe musikalischer Arbeit den Zweck, eine
melodische Linie zu verlängern. Im Bereiche der Kunst kommt ihr die Aufgabe
zu, ausgedehnte Entwicklungen übersichtlich zu disponieren. 1 ) Wenn der Architekt
einen Mittelbau von symmetrischen Konstruktionen einrahmt, einem Hauptschiff
zwei symmetrische Nebenschiffe zugesellt, so läßt er sich von einer der Normen
leiten, die der Schöpfer seinem eigenen Werke, dem menschlichen Körper, aufge-
drückt hat. Nicht anders wirkt die Wiederholung in der Musik des Chorals. Un-
schwer verständlich ist es, daß die älten Sänger ihr nicht nur in den antiphonischen
und responsorialen Formen, sondern auch in der textlosen Melismatik einen be-
herrschenden Platz einräumten; ihnen drängte sich die Erkenntnis auf, daß die
wortlose Lyrik einer straffen Gliederung und Beziehung der Teile,
der äußern Abrundung und Symmetrie nicht entraten könne, sollte sie
mehr sein als ein planloses Auf- und Absingen. Es wird endlich kein
Zufall sein, daß derartige Erwägungen in einer Kunst zum ersten Male lebendige
Gestalt annahmen, die durch römische Sänger fixiert und der Nachwelt überliefert
worden ist. War doch die Systematik und planmäßige Durchdringung geistiger Auf-
gaben eine starke Seite des römischen Ingeniums in alter Zeit.
Als eine besondere Erscheinungsweise der Wiederholung läßt sich die moti-
vische Technik auffassen, welche längere melodische Entwicklungen aus dem-
selben Stoff derart bestreitet, daß melodische Gänge auf verschiedenen Tonstufen
oder in geringer Veränderung wiederkehren. Auch sie war den alten Sängern ver-
traut, und Männer, die über ihre Kunst tiefere Erwägungen anstellten, haben sich
auch darüber ausgesprochen, namentlich Guido von Arezzo, In der häufig im Kirchen-
jahr verwendeten Allelujamelodie:
t
’) An eine Echowirkung kann bei den Wiederholungen in den liturgischen Melismen
deshalb nicht gedacht werden, weil dafür in den Quellen kein Anhaltspunkt vorliegt. Von
solchen dynamischen Subtilit&ten weiß weder Guido von Arezzo, der im 15. Kap. des Micro-
logua treffende Beobachtungen über die Wiederholung niedergelegt hat, noch auch die Com-
memoratio b re vis, die sich ausführlich über Dinge des Vortrages ausl&ßt; vgl. Wagner, Neu-
menkunde*, S. 359 ff.
IE KOLORATUR IM MITTE LALTERUCHEN KLRCHENGESANG 13
Al - le - ln - ia.
ist der Jubilus aus der Figur über -ia gebildet, die so oft motivisch eine Stufe ab~
wärts geführt wird, bis der Finalton erreicht ist. Ähnlich erklärt sich der Jubilus
im Alleluja des Sonntags nach Himmelfahrt:
in welchem die letzte Figur von - lu - zuerst in längerer, dann in kurzer Fassung
die Stufen der Tonleiter bis zur Finalis herabsteigt. Solche Bildungen lassen
i
sich gelegentlich auch in den Tractus und Qradualresponsorien nach weisen, sind
also nicht auf die Allelujalieder beschränkt, sondern regelmäßiges Ausdrucksmittel
sollstischer Melodik überhaupt.
Der Vers des Graduale Specie tua beginnt folgendermaßen:
er hüllt die erste Hälfte der antiphonischen Psalmodie des V. Modus
Prop-ter veritatem et m&nsue-tu - di - nem.
in prächtiges Figurenwerk ein, dessen Träger die Hauptsilbe von veritatem und die
letzte von mansueitidinem sind. Die erste Koloratur mit dem Grundriß aab hält sich
innerhalb des Raumes Tonika-Oberquinte (Rezitationston des V. Modus), während die
zweite auf der Wiederholung eines energisch vorwärtstreibenden Motives sich auf-
baut, das schließlich in verkürzter Fassung auf die Tonika F zurückfällt. Die
beiden Arten der melodischen Wiederholung, die unveränderte und die motivische,
vereinigen sich hier zu einem außergewöhnlich schönen Gefüge, das die Reihe der
Töne und Tongruppen unter große Gesichtspunkte zusammenfaßt, als folgerichtig
sich entwickelnd genießen läßt und selbst in der heutigen, nicht in allem ursprüng-
lichen, weil rhythmisch ausgeglichenen Ausführung immer wieder entzückt.
14
PETER WAGNER
V.
Mehr kann hier zur alten Koloratur nicht gesagt werden. Wohl aber lohnt
sich ein kurzer Rückblick. Derselbe ermöglicht einige wichtige geschichtliche Fest-
stellungen.
1. Am Ausgangspunkt der lateinischen und abendländischen Koloratur steht
i
die Interpunktionsmelismatik. Woher bat sie der lateinische Kirchengesang
bezogen? Darauf gibt die liturgische und die Musikgeschichte die Antwort: sie
stammt aus der jüdischen synagogalen Übung. Nicht nur stehen die akzen-
tischen Zeichen der Masorethen, von denen einige von den jüdischen Kantoren bis
zur Stunde als Melismen ausgeführt werden» an denselben Interpunktionsstellen,
schmiegen sich der gedanklichen Gliederung des Textes mit seinen Einschnitten
und Ruhepunkten an; die orientalischen Kirchen, die darin sicher nicht von Rom
abhängig sind, pflegen diese Interpunktionsmelismatik noch heute. Schließlich hat
auch der jüngst veröffentlichte erste Band orientalischer Synagogenlieder in Idel-
sohns „Hebräischem Melodienschutz“ derartige ganz alte Finalmelismen unserem
Studium erschlossen. Der Zusammenhang der lateinischen Melismatik mit der alt-
jüdischen ist dadurch außer Zweifel gerückt. Weit davon entfernt, eine eitle Er-
findung römischer Kantoren des 8. und 9. Jahrh. zu sein, wie man in den Tagen
parteilicher Choralgeschichtschreibung des vorigen Jahrhunderts meinte, erweisen
sich die liturgischen Melismen vielmehr als einer der ehrwürdigsten Bestandteile des
Kirchengesanges lyid gehören zu seiner apostolischen Grundlage.
2. Die Interpunktionsmelismatik des Tr actus führt in ein Tonartenstadium, das
der Einführung des Oktoechos vorausliegt. Die beiden Tractustonarten (II.
und VIII. Modus) sind im liturgischen Gesänge älter als die sechs andern;
vielleicht hat sich die altchristliche Psalmodie (sogar auch die synagogale) vornehmlich
in ihnen bewegt Damit erscheint die Urgeschichte der lateinischen Tonarten
in ganz neuem Lichte. 1 )
8. Die römischen Sänger haben indessen das überkommene Gut nicht unver-
ändert gelassen, sondern mit ihm gewuchert. Und es hat reichliche Zinsen gebracht
Sie haben die Koloratur in den Dienst der künstlerischen Interpretation des
Textes gestellt, wennschon sie das ältere Verfahren nicht aufgaben. Sie sind auch
die Entdecker der Normen, die seither alle Koloraturtechnik durchziehen. Der Leser
wird sich schon selbst gesagt haben, daß im Grunde die Koloraturen des Solo-
gesanges des 17. und 18. Jahrh. nicht viel anders gebaut sind als die
choralische des frühen Mittelalters. Auch sie arbeiten mit Wiederholung
und motivischen Fortspinnungen. Ist die klassische Allelujaform nicht wie
eine Vorahnung der Da capo-Arie? Den alten Sängern muß man sicher das
*) Eine bedeutsame Stütze dieser Aufstellung liegt in der Tatsache, daß auch die acht
Töne der Chorpsalmodie sich auf zwei Typen zurückführen lassen, die sich ähnlich verhalten
wie die Rezitationstöne des II. und VIII. Modus. Mehreres über diese für die Urgeschichte
des lateinischen Kirohengesanges wie des Achtton artensystems gleich wichtigen Diu ge wird
meine „Formenlehre“ bringen.
DIE KOLORATUR IM MITTELALTERLICHEN KIBCHENGESANG
15
Lob spenden, daß sie in der Koloratur das Kunstgerechte, Zweckentsprechende und
Wirkungsvolle getroffen haben.
4. In den Solostücken, welche die Sänger der Schola Cantorum zu Verfassern
haben, sind alle acht Tonarten vertreten, so aber daß eine starke Gruppe noch
im II. Modus steht. Hier sei hinzugefügt, daß die durch liturgische und musika-
lische Gründe als die jüngsten erwiesenen Solostücke in auffälliger Weise den
V. Modus bevorzugen. Das gilt bereits von den Gradualien, aber auch von AUe-
lujagesängen.
5. Endlich ist es nicht überflüssig zu betonen, daß die Koloratur nicht
auf instrumentalem Boden gewachsen ist, sondern auf dem des Ge-
sanges, und daß sie weit über die Zeit der Diminution zurückreicht, von der sie
häufig abgeleitet wird. In der Interpunktionsmelismatik darf man sogar eine Stili-
sierung der naturalistischen und primitiven Gewohnheit erblicken, bei einem Ruhe-
punkte die Stimme nicht ganz abzubrechen, sondern artikulierend etwas weiterklingen
zu lassen. Vielleicht ergibt sich auch der Schluß, daß man mit der instrumentalen
Interpretation von Melismen in der Kunstlyrik der Renaissance etwas vorsichtiger
sein soll, als es meist geschieht. Es wäre seltsam, wenn die choralische Koloratur
die während des ganzen Mittelalters täglich geübt wurde, nicht auch Ableger in
die profane Lyrik gesenkt hätte. 1 )
Immerhin mögen diese kurzen Ausführungen zu einer dem geschichtlichen
Tatbestände entsprechenden Würdigung der alten kirchlichen Monodie anregen. Zahl-
reicher als man glaubt gehen die verbindenden Fäden aus der Kunst der Neuzeit
in das Mittelalter zurück, und eine wissenschaftliche Grundlegung der neuern Musik
bleibt ohne emsige Durchforschung der älteren Zeit ein Ding der Unmöglichkeit.
J ) Das letzte, zugleich vergnügliche Beispiel einer Tubarezitation (auf einem Tone) und
von Finalmelismen findet sich in den prachtvollen Tabulaturregeln Kothners in R. Wagners
Meistersingern.
Zur älteren italienischen Klaviermusik
Von
Adolf Sandberger
Nach der allgemeinen Annahme galten die Leistungen der italienischen Musik
für Tasteninstrumente in der Epoche zwischen Frescobaldi und Domenico Scarlatti
für wenig ergiebig. Nur Pasquini wurde geschichtlich und künstlerisch größere
Bedeutung zuerkannt, im übrigen sollte Italien auf diesem Gebiet mehr oder minder
versagt haben, bis mit Domenico dann die neue Ära beginnt. Nun hatte freilich
vor einigen Jahren J. S. Shedlock neuerlich auf Alessandro Scarlatti h in gewiesen *)
und 12 Hefte seiner Klavier- Orgelmusik vorgelegt 2 )« Wenn nicht alles tauscht,
ist dieser Hinweis aber nicht genügend beachtet worden, während die Verbreitung
der Ausgabe durch den übermäßig hohen Preis wenigstens der ganzen Publikation —
sie kann auch in einzelnen Heften bezogen werden — jedenfalls erschwert wurde.
Wer in der Welt der Veracini sen., Corelli, dall’ Abaco und in der italienischen
Oper jener Zeiten ein wenig zu Hause ist, mochte es freilich von vornherein als
unwahrscheinlich empfinden, daß gerade die Tastenmusik dieser Epoche so stief-
mütterlich weggekommen sein sollte. Diese Zweifel wuchsen beim Schreiber dieser
Zeilen, als sich eines Tages ein lieber, alter Freund, der ausgezeichnete Pianist und
Musiker Giuseppe Buonamici aus Florenz, bei ihm an den Flügel setzte und Folgendes
zu spielen anhub:
l ) Sammelbände der I. M. G. VI (1904/5), S. 160 ff. The Harpsichord Music of
Alessandro Scarlatti. Nachtrag S. 418 ff.
*) Alessandro Scarlatti. Harpsichord & Organ Music. London, Bach & Co. Sub-
skriptionspreis 31 V* sh., Buchhändlerpreis 3 £. Die Follia -Variationen der letzten Toccata
hatte schon A. Longo bei Ricordi veröffentlicht.
Jahrbuch 1918.
2
18
ADOLF SANDBERGER
Es ist der Anfang einer Toccata 1 ) des Cavaliere Azzolino Bernardino Deila Ciaja
di Siena, seinem Op. 4 entnommen: „Sonate per Cembalo con alcuni Saggi ed altri
contrappunti di largo e grave Stile ecclesiastico per grandi Organi, in Roma ... 1727.“
Das Bestreben, zu Schöpfungen zu gelangen, ebenbürtig Corellis Op. 5, dalT
Abacos Op. 1 und 4 usw., hat in der Tat auch die italienischen Klavier- und Orgel-
meister geleitet, und es verlohnt sich zweifellos der Mühe, der Literatur dieser Epoche
weiter nachzuspüren. Ich gebe hier nur einige Hinweise, gänzlich ohne Anspruch,
den Gegenstand vollständig zu erledigen.
Der Ruhm, die ältere italienische Klaviersonate begründet zu haben, wird
Bernardo Pasquini wohl verbleiben müssen. Die an sich schätzbare Sammlung, die
um 1680 der greise Arresti in Bologna veranstaltete, ist für die große Entwicklungs-
linie nur von sekundärer Bedeutung. Die Hauptquelle für Pasquinis Orgel- Klavier-
musik bilden bekanntlich die in Berlin und London erhaltenen Autographen, ihr
Reichtum ist aber augenscheinlich noch nicht entfernt erschöpft Pasquini stützt
sich auf die Violinmusik, im besonderen den jüngeren Corelli 2 ). An unmittelbare
Übertragung von Violinsonaten in der Weise z. B. wie J. S. Bach seine Violinsonaten
für Klavier arrangierte, möchte ich dabei weniger denken. Es gibt wohl Geigen-
sonaten, z. B. dalP Abaco Op. 1, bei denen gesagt ist: a Violino e Violoncello
overo Clavicembalo solo. Dieser Beisatz ist aber m. E., wie ich schon früher
ausgeführt habe 3 ), so zu deuten, daß hier der Continuo entweder von dem selbst-
verständlichen Cembalo mit Violoncello oder vom Cembalo allein auszuführen ist
Pasquinis Sonate begnügt sich mit wenigen Sätzen. Torchi 4 ) teilt z. B. eine ein-
%
sätzige Sonate mit, Weitzmann 6 ) ein zweisätziges Stück. Der erste Satz ist eine
verkappte kleine Toccata, der zweite führt die Überschrift „Pensiero“ und wandelt
ein knappes Motiv und dessen Umkehrung in freier Weise ab. Die Verbindung zu
einem Ganzen wird, wie später auch z. B. bei Alessandro ßcarlatti, deutlich gemacht
durch das Wort „segue“. Pasquinis Schüler Giovanni-Maria Casini, der auch zum
bayerischen Kurfürsten Max Emanuel Beziehungen unterhielt, als Komponist ein
• %
klarer und sympathischer Kopf, hat 1714 ein ganzes Buch solcher Pensieri ver-
öffentlicht, Op. 3 6 ). Ein Pensiero gilt ihm gleich einer Sonata, die einzelnen Sätze nennt
er Tempi. Er schreibt einen flüssigen, obzwar etwas weich klingenden kontrapunk-
tischen Satz. Der Suite geht er aus dem Weg, das Ricercar und die Canzone sind
sein Element, ungemein liebenswürdig gibt er sich im Siciliano. Bei der umfassenden
Wirksamkeit, die Pasquini als Lehrer ausübte, würde sich wohl verlohnen, die In-
strumentalwerke seiner Schule einmal systematisch zu untersuchen.
*) Veröffentlicht mit der folgenden Canzone unter dem Titel: Preludio e Toccata von
Giuseppe Buonamici. Firenze-Siena, C. Bratti & Co., 1912.
*) Seiffert, M., Geschichte der Klaviermusik, 8. 278.
*) Denkmäler der Tonkunst in Bayern, Bd. I S. XXXVI.
4 ) L’ arte musicale in Italia, Bd. UI S. 261 ff.
*) Geschichte des Klavierspiels und der Klavierliteratur, 2. Aufl. , S. 307 ff. Über-
nommen von Pauer in Old italian composers, London, Augener, Bd. I S. 8 ff.
°) Zwei Nummern bei Torchi a. a. 0. S. 417.
zur Alteren italienischen Klaviermusik
19
Einen anderen Weg als Pasqulni ging Alessandro Scarlatti und nahm dabei
im besten seiner bis jetzt zugänglichen Werke auch einen gewaltigen Aufschwung.
Wer die erwähnte 8hedlocksche Ausgabe aufmerksam durchsieht, wird gewahren,
wie ungleichwertiges darin enthalten ist. Geschichtlich ist die Entwickelung der
lockeren Schreibart, die uns hier begegnet, jedenfalls durchaus interessant, und der
künstlerische Wert einzelner Nummern, z. B. der araoll-Toccata Nr. 2, der Fuga
2£ tuoni, der Fuge S. 164 springt ebenso in die Augen, wie das Kommendes an-
deutende Adagio S. 114 mit seiner Annäherung an das Rezitativ. Aber erst mit
dem letzten Stück gelangen wir zur vollen Höhe: da steht eine große, fünfsätzige
Toccata, aus dem Jahre 1723, also aus Scarlattis letzten Tagen stammend, eine
Schöpfung, die ich nicht anstehe, zu den besten Werken der Klavierliteratur über-
haupt zu rechnen.
Scarlatti verbindet in einigen Toccaten zwei bis sieben Teile oder Sätze.
Die nicht nur mehrteilige, sondern mehrsätzige Toccata, wie sie weitere Kreise aus
Buxtehude und Bach kennen — J. S. Bachs erste Toccata hat vier Sätze — , ist
das Ergebnis einer wohl verständlichen Entwickelung. Je mehr sich die einzelnen
Teile der Toccata zu festeren Gebilden kristallisierten, desto näher rückt die Toccata
einerseits der Sonate, andererseits der Kombination: Toccata und Fuge. Die scharfe
Profilierung der Glieder bei Froberger, dieselbe Eigenschaft und der Reichtum an
Einzelgliedern bei Muffat sind zweifellos in der Vorgeschichte der Tastensonate als
bedeutsamer Faktor in Rechnung zu stellen. Dabei wird die von Frescobaldi her-
gestellte innere Einheit, die wechselseitige Beziehung der Glieder, ihre Verbindung
durch : thematische und psychologisch - logische Zusammenhänge teils festgehalten,
teils preisgegeben. Scarlatti zeigt eine ganze Reihe Typen. Er baut den Einzelsatz
wieder mehrgliedrig auf, stellt in die mehrsätzige Form Gebilde ein, die mit den
Grundelementen der Toccata: Laufwerk und Akkord, Passagen und Imitation oder
Fugierung nichts zu tun haben, verwertet neue fertige, nicht aus diesem Material
entwickelte Formen. Der Zusammenhang mit dem folgenden Satze wird gern durch
das Wort segue (neapolitanisch siegue) auch äußerlich angezeigt. So hat Scarlatti
in der 4. Toccata dem Hauptsatz ein Menuett angehängt, in der 5. eine Corrente usw.
(Dieses Menuett versandet leider vom 13. Takt an und wird geradezu schülerhaft
fortgeführt) Aber nicht immer ist der Einzel satz in sich beschlossen; beispielsweise
leitet in der 8. Toccata der Hauptsatz über in eine Aria alla fr&ncese. Anderer-
seits wird die innere Einheit des Ganzen völlig negiert, so daß der Spieler gar
nicht mehr an den Vortrag des ganzen Stückes gebunden ist. Scarlattis Nr. 11
ist eine viersätzige Toccata; am Ende des 2. Satzes bemerkt der Komponist:
„si puÖ finire qul, o seguitare ad arbitrio come siegue“. Die beiden Schlußsätze
bringen dabei eine Partita alla lombarda und Fuge. Allmählich aber tritt auch
bei Scarlatti das Bestreben wieder auf nach größeren Zusammenhängen und innerer
Einheit Die s ieben sä tzige Toccata Nr. 15 (8. 101 ff.) bringt kein „buntes Vielerlei“,
sondern zielt energischer auf einen Bund wechselnder Stimmungen. Am Schluß
des 2. Satzes verlangsamt sich die Bewegung und bereitet so .das folgende Andante
2*
20
ADOLF SANDBERGE B
vor; der 6. Satz, das bereits erwähnte Adagio,
für die folgende kleine fröhliche Fuge:
ist ein ausgezeichneter Wegmacher
Die Krönung aller zur Zeit vorgelegten Stücke aber bedeutet, wie gesagt, die letzte
Nummer der Ausgabe. Die Toccata beginnt mit einem drangvollen, feurigen Preludio:
Primo Tono Preludio.
o. Pretlo.
usw. ;
Baß: d l
dann erklingt das wundervolle rezitativartige Adagio, von dem Shedlock (S. 174) die
ersten Takte mitgeteilt hat, dann ein Presto und eine bedeutsam ausklingende Fuge,
darauf wiederum ein überleitendes Adagio und am Schluß die Händel wohlbekannte
Follia mit 29 Variationen, deren sinnvolle rhythmische Gestaltung und Steigerung
Shedlock zu Recht betont Ein großer Zug durchpulst das Ganze, man verspürt
die Kraft des Dramatikers, im Großen zu disponieren, das Werk ist von ungemeiner Ge-
schlossenheit und hat bei entsprechendem Vortrag etwas Hinreißendes; man möchte
nicht für möglich halten, daß nicht die ganze ernstere klavierspielende Welt sich be-
reits dieses Prachtstückes bemächtigt bat. Der Verbreitung in den historisch un-
21
ZUR ÄLTEREN ITALIENISCHEN KLAVIERMUSIK
geschulten Kreisen kommt auch die merkwürdig moderne Gestaltung von Vorbe-
reitung und Erfüllung zu Hilfe.
Der Hinweise auf J. 8. Bach bei Alessandro Scarlatti sind mannigfache;
Shedlock bat bereits die Parallele des Fugenthemas
U8W.
mit dem der einoll-Fuge aus dem ersten Teil des wohltemperierten Klaviers hervor-
gehoben; auch das Fugenthema der d moll-Toccata G. A. Band XV 8. 269 wäre da zu
nennenj es wäre hinzuweisen auf die schmerzlich-innigen Wendungen de9 ersten Adagios
auch gegenüber dem Adagio der g moll-Toccata G. A. Band XXXVI 8. 56 u. a. m.
Dabei ist freilich zu bedenken, daß die Fuge des wohltemperierten Klaviers spätestens
1722 (das Präludium in kürzerer Fassung schon 1720) fertig war 1 ), die fragliche d moll-
Toccata spätestens 1717. Ob Alessandro Scarlatti über die deutsche Produktion jener
Zeit auf dem Laufenden war, ist entgegen Shedlock schon für Pachelbel und Muffat
zu bezweifeln, gegenüber Bach wohl zu verneinen. Gelegentlich mag er ja wohl
durch deutsche Reisende, durch Pasquinis deutsche Schüler oder sonstige Über-
mittelung ein Stück oder das andere kennen gelernt haben; aber wo deuten die
Bestände der italienischen Bibliotheken auch nur an, daß die Italiener damals auf-
merksamer über die Alpen geblickt hätten? Lotti dürfte wahrscheinlich mit seinem
Ausspruch: „la vera composizione si trova in Germania“ auch bei den meisten jener
italienischen Kollegen Mißbehagen hervorgerufen haben, die Deutschland aus eigener
Anschauung kannten.
Von der Shedlockschen Sammlung sind eine Anzahl Stücke dem Cembalo,
andere der Orgel zugewiesen, bei anderen fehlt die nähere Angabe. Wie uns
Seiffert dartat, hat ja in Italien die Gütergemeinschaft zwischen Orgel und Klavier
länger gewährt al9 in Deutschland. Unser Hauptstück von 1723 führt die Über-
schrift „Toccata per Cembalo d’Ottava stesa“; ob damit eine bestimmte Fest-
zeit gemeint ist, ob der Komponist an die „Königin der Strophen“ (Hermann Lingg)
gedacht bat oder ob die Bemerkung nur musikalische Bedeutung haben soll, läßt
sich aus der Vorlage nicht entscheiden.
Die von Shedlock benutzte Handschrift ist Eigentum eines englischen Liebha-
bers (Mr. C.M.Higgs) und nach Dent 2 ) „das wichtigste und maßgebendste Manuskript“,
das er für Scarlattis Harpsichord Music kenne. Nach dieser Probe ist gewiß be-
fremdlich, daß die auch Dent 8 ) noch unbekannt gebliebenen, aber bei Eitner und
Shedlock angeführten weiteren Handschriften in Neapel, Mailand usw. nicht schon
längst einer gründlichen Durchsicht unterzogen wurden.
Von Scarlattis Toccata in der entwickeltsten Form gilt, was Seiffert von Muffat
*) Spitta, Ph., J. 8. Bach I, 769 ff. und I, 392 ff. bezw. 403.
2 ) Alessandro Scarlatti, London 1905, S. X.
*) Dent a. a. O. S. 231; Eitner, Quellenlexikon, Artikel Al. Scarlatti.
22
ADOLF 8ANDBEBGER
*
sagte 1 ), aber in viel stärkerem Maß: daß sich nämlich hier die Toccata der Sonata
nähert. Was in diesem Zusammenhang Mufiat gegenüber Kuhnau bedeutet, muß
nun für Alessandro Scarlatti gegenüber della Ciaja in Anspruch genommen werden.
Das oben erwähnte Werk dieses Meisters enthält eine Sammlung künstlerisch
und geschichtlich sehr bedeutender Klaviersonaten, sowie anhangsweise 18 Ricercari
für Orgel, auf die hier nicht näher eingegangen werden soll, sowie ein Pasto-
rale für das gleiche Instrument, ein originelles programmatisches Seitenstück zu
den ähnlichen Gebilden von Pasquini, Corelli, Zipoli usw. Dies Opus 4 ist von
der ersten bis zur letzten Note des Neudrucks wert. Die Gestaltung der sechs
Sonaten im einzelnen ist die folgende:
Sonata 1: Toccata largo e tenuto Sonata II: Toccata
C an zone Canzone
Allegro Tempo I Tempo I Lento
Moderato Tempo II. Tempo II Allegro.
IV: Toccata
Canzone
Tempo I Larghetto
Tempo II Allegro.
VI: Toccata
Canzone. Allegro
Tempo I Lento
Tempo II Allegro.
In der Anlage differieren also jeweilig nur die zwei letzten Sätze, wobei sich die
überwiegende Neigung zeigt, an dritter Stelle einen langsameren Satz zu bringen
als an der letzten; nur in der fünften Sonate ist das Verhältnis umgekehrt. Die
Schlußsätze sind durchweg viel kürzer als die beiden ersten, auf die der Komponist
das Hauptgewicht mit allem Nachdruck gelegt hat Der Name „Tempo“ ist also
übernommen; er wird aber insofern anders gebraucht wie bei Casini, als er nicht
auch auf den ersten und zweiten Satz angewendet erscheint
Die Art der Toccaten und Canzonen bewegt sich im allgemeinen in der* Ent-
wicklungslinie Freöcobaldi — Pasquini — Alessandro Scarlatti weiter und zeigt Be-
rührungspunkte mit Griecos Intavolature per il cembalo 2 ), sowie, und in stärkerem
Maß, mit Zipolis Sonate d’intavolature per organo e cembalo, Roma 1716®).
Die Toccaten in Op. 4 sind wundersame Gebilde voll Phantastik, von oft
kühner Harmonik, reich an innerlich erregten deklamatorischen, rh&psodierenden Stel-
len; andererseits geben sie sich tief träumerisch versonnen und sie kommen nicht nur
im vereinzelten Anklang, sondern in Ernst und Schmerz, Große und Kraft J. S. Bach
da und dort tatsächlich nahe, Kretzschmar hat einmal schön zur Charakterisierung
von dall* Abacos Größe und Tiefe gemeint, er sei ein Italiener vom Schlage Dantes.
Das darf auch von Giaja gesagt werden. Wie die dritte Sonate träumerisch, weltenfern
(ähnlich der fünften) beginnt und sich dann zu einem gewaltigen Gebilde gestaltet,
■) A. a. 0. S. 245.
*) Einige Proben veröffentlichte Shedlock bei Novello, Ever & Co.
*) Farrenc, trösor Bd. XI, Paris 1869.
„ III : Toccata
Canzone
Tempo I Moderato
Tempo U Non presto.
„ V : Toccata
Canzone
Tempo I Moderato
Tempo II Maestoso.
ZUE ÄLTEREN ITALIENISCHEN KLAVIERMUSIK
23
mit imponierenden Baßfiguren und sonstigen prächtigen Eingebungen prometheische
Stimmungen hervorzaubert, das läßt sich in Worten ebensowenig erschöpfen wie
Ciajas eigenartige Offenbarungen tiefschmerzlicher und mystischer Natur. Eine
charakteristische Stelle mag als Beispiel dienen:
5 . Toccata 11 (S. 14)
Diese Toccaten sind Musik von hervorragendem Wert; sie sind in der Tat er-
greifend, aufwühlend und erhebend. Gleich denen Zipolis und Pachelbels ver-
zichten sie auf das Fugato; sie sollten nach Ciajas Absicht ja gerade der folgenden
freien Fuge, der Canzone, als Einleitung dienen, und in der Geschichte des Präludiums
spielen sie eine ähnliche Rolle wie die Toccaten Pachelbels oder die Toccata-ver-
wandten Präludien Kuhnaus und verdienen dabei einen Ehrenplatz. Die merkwürdige
Verwandtschaft dos 5. Stückes mit Bachs Präludium aufzuhellen, muß weiteren Unter-
suchungen Vorbehalten bleiben. Vorerst läßt sich nur so viel sagen, daß Bachs Prä-
ludium bekanntlich schon 1720 in Friedemanns Klavierbuchlein stand, andererseits
Ciaja vierzehn Jahre älter ist als Johann Sebastian und bereits 1700 mit Kompo-
sitionen hervortrat.
Die Canzonen zeigen gleichfalls Ciajas hochgemuten Geist. 1628 spricht
Freacobaldis Schüler Grassi von den „heiteren Motiven“ im primo libro dflle canzone
seines Meisters, 1645 sagt Fasolo in seinem Annuale vom Wesen der Canzonen:
„sono di nature allegre“. Von Bolch , überlieferungsgerechter Fröhlichkeit läßt uns
Ciaja freilich weuiger gewahren; seine Stücke sind mehr kraftvoll als heiter. Das von
Buonamici im Zusammenhang mit der Cdur-Toccata neugedruckte Stück ist nicht
das bedeutendste der Sammlung, aber das prächtigste in Betracht der äußeren Wirkung.
Von lebendigem Fluß sind sie alle und zeugen auch mit ihrer zu Anfang regelrecht
fugierenden, in der Folge freieren Arbeit, mit ihren geistreichen Einsätzen, Kom-
binationen und Engführungen (z. B. im dritten Stück) von einem klaren Kopf und,
wie die erwähnten Ricercari, wie die Wechselbeziehungen zwischen Singstimme und
Continuo in Ciajas Kantaten, von bedeutendem Können. Die freieren Partieen weisen
deutlich auf Durantes Studii hin, vielleicht haben wir sie als deren Vorbild anzu-
sprechen, Gedruckt sind beide Gruppen ja ungefähr gleichzeitig (Durante ca. 1730).
24
ADOLF SANDBERGER
Oiaja arbeitet mit einem oder zwei Themen; deren Erfindung ist überall gut (bei
Nr. 3 befruchtet durch einen Sprung in die übermäßige Quarte); Nr. 2 stellt sich
als mustergültiger Charakterkopf vor:
6 . Canxone II (S. 15) Langumie.
* f**2***"4T , Jfjf
In ihrer klavieristisch aufgelockerten Art spielen sich die Canzonen sehr an-
genehm; daß Ciaja an ein zweimanualiges Instrument dachte, sieht man aus ver-
schiedenen Merkmalen, insbesondere an sonst unmotivierten Rückungen in der me-
lodischen Führung (plötzliche Fortsetzung in der oberen Oktave usw.). Die Stücke
Nr. 1 und 5 beginnen mit dem bekannten Canzonenanfang der mehrmaligen Wieder-
holung derselben Tonstufe, dem „Starenlied“ der Canzone, ohne davon ästhetisch
Schaden zu nehmen, wie dies ja auch bei ihren zahlreichen, in gleicher Weise an-
hebenden älteren und gleicbalterigen Schwestern keineswegs der Fall ist. Aus den
andern Nummern ersehen wir, daß auch Ciaja nicht meinte, eine Canzone müsse
unbedingt auf diese Weise anfangen 1 ). Das ausgedehnteste Stück ist das letzte, in
dem die Fuge nach einem wie all* ungarese anmutenden Zwischensatz nochmal anhebt.
Die jeweiligen zwei Schlußsätze der Ciaja’schen Sonaten sind zwar nicht
entfernt so wirksam wie die Toccaten und Canzonen, aber um so größer erscheint
ihre historische Bedeutung. Denn sie bilden die nächste Vorstufe zu den „Exercicii*
Domenico Scarlattis, und zwar insbesondere zu deren- bei Seiffert *) beschriebenen
zweitem, manchmal auch zum dritten Typus. Ihre Form ist zweiteilig, jeder Teil
wird, wie bei Domenico Scarlatti, wiederholt; überhaupt zeigen sich nach Anlage
und Mittelverwendung bei unserem Meister und dem jüngeren Scarlatti ähnliche
Tendenzen sowohl in den Stücken von freier Gestaltung als in der Anlehnung an
die überkommenen Tanzstücke, an die Allemande, Courante, Giga, Siciliano usw.
Ihrer Erscheinung fehlt freilich die gesteigerte Leichtigkeit, das „scherzo ingegnoso“
Domenicos, sie sind im allgemeinen altertümlicher, aber nicht entfernt steif und trocken.
Einer der liebenswürdigsten Gedanken mag hier Platz finden:
Der Wirksamkeit dieser Gebilde nach den Toccaten und Canzonen steht im Wege
das kleinere Genre und das Suchen nach Neuland; bei den vorangehenden Sätzen
konnte sich Ciaja ausgiebig auf eine große Vergangenheit stützen; diese freien
Klavierstücke, obwohl teilweise auf die Suite zurückweisend, sind Pioniere der mo-
*) Vergleiche Riemann, H., Handbuch der Musikgeschichte 2. Band, 2. Teil, Seite 130.
*) a. a. O. S. 423.
ZUR ALTEREN ITALIENISCHEN KLAVIERMUSIK
25
dernen Sonatenform, ganz wie jene Domenicos, und eine Erweiterung des Sonata
da camera-Prinzips in fortschrittlicher Richtung. Auch tonartlich hebt Ciaja diese
Epiloge merkwürdig hervor; in der zweiten Sonate folgt dem zweiten Satz, der in
amoll steht, der dritte in cmoll, in der fünften Sonate steht der dritte Satz bei
Haupttonart Cdur in Ddur. Wenn Poglietti vor eine Allemande, Courante und
Sarabande eine Toccata und Canzone stellte, entstand ein anderes Gebilde als in
unserem Falle. Poglietti verbleibt damit bei der Suitensonate. Ciajas Sonaten hin-
gegen sind wahre Janusköpfe. Ciaja steht der modernen Bildung auch näher als
Pasquini und Kuhnau; die Entwicklung der Sonate rückt durch ihn in neues Licht,
er bildet eine wichtige Station auf dem Weg, die mehrsitzige Sonate aus dem Be-
reich der Streichinstrumente herüberzuleiten auf die Tasten und er übermittelt dabei
auch bedeutendere künstlerische Werte als in vielen Leistungen der nächsten Epoche,
im Bereich der venetianischen Sonatistenschule seit Marcello, dargeboten werden.
Besonders fesselt auch, wie schon angedeutet, seine vornehme, nachdenkliche und
aparte Harmonik, für die wenigstens ein Beispiel hier noch Platz finden möge;
mit diesem Sinn für Wirkung seltenerer und kühnerer Akkord Verbindungen und
Akkorde tritt er würdig den Tenaglia, Astorga, Alessandro Scarlatti, Lotti usw. an
die Seite.
8. Sechs Ricercari di tuoni misti. No. 2. [Takt 12 fT. 8. <»9.]
Auf Ciaja und erneut auf die Tastenmusik Alessandro Scarlattis hinzuweisen,
war der Zweck dieser Zeilen. Den Gegenstand zu erschöpfen lag nicht in der
Aufgabe dieser kurzen Studie, noch, wie gesagt, in der Absicht des Verfassers. Ich
freue mich aber, mit der Mitteilung schließen zu können, daß einer meiner jungen
Freunde im Begriffe steht, Leben und Werke dieses ernsten Künstlers, gleich Abaco
eines Spätlings in der beginnenden italienischen Decadence, auf meinen Wunsch zum
Gegenstand einer umfänglicheren Untersuchung zu machen; auch Ciajas Kantaten
und seine Kirchenmusik bieten bedeutende Leistungen.
*
Hauptwerke unter den Denkmälern Deutscher
Tonkunst
Von
Hermann Kretzschmar
Auch wenn man berücksichtigt, daß den Denkmälern Deutscher Tonkunst durch
die älteren Veröffentlichungen der Werke von Schütz, Eccard, Händel, S. Bach ein be-
trächtlicher Teil wertvollsten Materials entzogen ist, kommt man nicht darüber hinweg,
daß ihr Arbeitsboden von der Natur weniger begünstigt ist als der des an dieser
Stelle seinerzeit behandelten österreichischen Unternehmens. Bis zu einem gewissen
Grade gilt eben der Satz, daß die Kunst, insbesondere die Tonkunst, mit der Sonne
geht Der Norden ist an Tonsetzern ersten Ranges schon darum ärmer, weil er
später in die Kultur eingetreten ist, aber er ersetzt das einigermaßen durch den
unbestreitbaren und erwiesenen Gebrauchswert der in sein Bereich fallenden Werke.
Unter ihnen sind besonders die zahlreichen Solokantaten willkommen, deren Aus-
führung nichts weiter als einen Sopran, Baß — Alt und Tenor werden selten in
Anspruch genommen — und einen Organisten verlangt. Sehr ansprechende Leistungen
bietet in dieser Gruppe der Lübecker Organist Franz Tunder. Seine Sätze über
„Ach Herr, laß dein* lieb* Engelein“ und von „Wachet auf, ruft uns die Stimme“
sind wahre Muster in der Kunst, einfache Schlichtheit des Ausdrucks mit vollem
und reichem Sümmungsgehalt zu verbinden. Viel tun hierbei die bei aller Kürze
wirksamen Einleitungssinfonien, die über die üblichen Choralvorepiele durch einen
hohen Grad von Pathos und Feierlichkeit hinausragen. Der Choral selbst setzt in
gerader Taktart ein, wiederholt hier und da bedeutungsvolle Intervalle und führt
dann die Melodie im dreiteiligen Rhythmus mit gesteigertem Schwung und in einer
konzertierenden Art, bei dem Singstimme und Instrument sich ablosen und ineinander-
greifen, zu Ende. Es ist erstaunlich, wie fortreißend diese kurzen Zwischenspiele
wirken.
Die Frage, wie weit die eigene melodische Kraft Tunders reicht, entzieht
sich der Entscheidung, weil er sich grundsätzlich darauf beschränkt Choräle zu
bearbeiten und zwar in einer höchst einfachen Art, die nur an den Kadenzen sich
eigene Eingebungen gestattet. Will man unter seinen gleichzeitigen Standesgenossen
sich an einem Melodiker von Gottes Gnaden erfreuen, so kommt vor allen Friedrich
/
28
HERMANN KRETZ SCHM AR
Wilhelm Zach au in Betracht. Zufällig schlage ich KöstlinB Musikgeschichte nach.
Da heißt es denn über diesen Lehrer Handels, daß er als Komponist und Musiker
nicht bedeutend gewesen sei. Darüber darf man aber doch wohl anderer Meinung
sein. Zachau hat sich ähnlich wie S. Bach mit einem bescheidenen Wirkungskreis
begnügen müssen, aber wer Gesänge anstimrat, wie die herrliche Baßarie:
Ich mag den Himmel nicht, wo Du nicht bist, mein Licht, wo Du nicht bist, mein Licht
dem wird man einen Platz unter den gesegneten Künstlern nicht verweigern können.
Daß der Komponist über die Schönheit dieser Melodie im Klaren war, sieht man
daraus, daß er sie wiederholt in der Kantate für Ritornelle und als Grundstock des
Aufbaues benutzt Sie steht unter den Sologesängen Zachaus nicht allein, ßeine
Chöre treten dagegen allerdings weit zurück; sie bekunden in dem Mangel an Größe
und Entwicklung, daß Schule und genügende Vorbilder, die doch der Zeit, wie die
Bachschen Vorfahren schon allein beweisen, erreichbar waren, gefehlt haben. Daß
der Verzicht auf Chöre das Einstudieren erleichterte, muß allerdings bei solchen an
Chören armen Chorkantaten mit in Rechnung gezogen werden, doch wird dieser
Umstand die Kantoren in der Regel nicht veranlaßt haben, sich eines so glänzenden
und wirkungsvollen Mittels zu begeben. Auch Zachau nicht. Die Spärlichkeit seiner
Chöre hat vielmehr verschiedene Ursachen. Einmal beherrscht er den Chorstil nicht
mit der nötigen Freiheit Das zeigt schon die Anlage der Sätze, die viel wechselt,
vom Thema abspringt und sich gern mit Episoden und Zwischensätzen, auch rezita-
tivischen, hilft. Das längste Maß, zu dem er sich als Chorkomponist ausnahms-
weise auf schwingt, zeigt der Schlußsatz der Kantate „Ruhe, Friede, Freud und
Wonne“ mit 116 Takten. Er arbeitet aber in diesem Falle stark mit rondoartigen
Wiederholungen. Zum andern sind es aber liturgische Gründe, denen der Sologesang
sein Übergewicht über den Chor verdankt. Das achtzehnte Jahrhundert kennt
Neben gottesdienste, bei denen die Musik nur durch Orgelspiel und Choralgesang ver-
treten ist, so gut wie gar nicht, rechnet sie wenigstens nicht für voll und läßt die
bloßen „Choralisten“ nicht als gleichwertige Mitglieder des Sängerstandes, sondern
nur als Anhängsel gelten. Wir haben in dieser Beziehung einen großen Rückschritt
gemacht und das Gefühl dafür verloren, daß die in unseren Gottesdiensten allgemein
übliche Vorherrschaft des Gemeindegesanga einen unkünstlerischen, mechanischen
Charakter hat. Aus allen diesen Gründen darf man unseren Kantoren und Kirchen-
musik direkteren unbedenklich eine fleißige Verwendung der Werke Tunders und
Zachaus empfehlen. Sie haben das Mark, das man in den meisten kirchlichen
Arbeiten der Gegenwart vermißt, wenn sie auch nur zu den kleinen Meistern ihrer
Zeit gehören. Aber ebenso, oder vielleicht noch mehr als von den geschichtlichen
Größen wird der Gehalt einer Periode durch die Summe, durch die Gesamtheit der
kleinen Meister und Durchschnittskräfte bestimmt. Wenn aber diese Klasse durch
Künstler wie Tunder und Zachau vertreten ist, bleibt vernünftigerweise kaum noch
viel zu wünschen. Besondere Aufmerksamkeit zieht in diesem Kreise der Thüringer
Hauptwerke unter den Denkmälern deutscher tonkunst
29
Liebhold auf sich. Ihn hat nämlich Teleznann gelegentlich mit der Zensur ver-
sehen; er vermöge weiter nichts als Klauseln zusammen zu leimen. Diese Bloßstellung
geht etwas weit. Gedanken, die nicht schon vorgedacht, hat der arme Liebhold
allerdings nicht aufzuweisen, und seine Satztechnik ist dadurch etwas mangelhaft,
daß die Mittelstimmen am Leben des Satzes nur geringen Anteil nehmen und die
Künste des Ineinandergreifens und Nachahmens fast ganz dem Sopran und Baß
überlassen. Aber seine Motive und Themen sind immer textgemäß und werden
auch allen billigen Forderungen sinnvoller Auffassung und Deklamation gerecht
Man kann es deshalb nur gut heißen, daß ihn die Redaktion der Denkmäler in
dem Bande der Thüringer Motetten hat ziemlich reichlich zum Wort kommen lassen.
Dieser Band enthält mehrere Namen, nach welchen man vergeblich in neuen und
alten Lexicis Bucht. Dahin gehört gleich der Komponist des Anfangsstückes, der
sechsstimmigen Motette: „Fürchtet euch nicht, ich verkündige euch große Freude“,
die in der Mitte den Choral mit sehr wohltuender Wirkung ein treten läßt und bis
zum Ende durchführt. Nach einem alten handschriftlichen Eintrag in meinem
Exemplar des Gerber war dieser Topff Organist in Breslau, wird aber von dem
Schreiber mit der wegwerfenden Bemerkung; „ein elender Kirchenkumponist“ ver-
sehen. Gewiß ist nur, daß er als Vertreter des alten guten Motettenstils nicht
gelten kann, namentlich deshalb nicht, weil er von dem Recht des Absetzens einen
zu starken, auf Hilflosigkeit deutenden Gebrauch macht, es nicht auf den Wechsel
von Text und Motiv beschränkt, sondern innerhalb der Perioden anwendet Unter
den unbekannten Namen fällt der eines gewissen Flendner dadurch auf, daß er
seiner Sangesfreudigkeit schon bei der Motiverfindung in weitgehender, ja natura-
listischer Weise die Zügel schießen läßt Kommt im Text das Wort „Freude“,
so fangen die Stimmen ohne alle Vorbereitung, ohne jeden Übergang an in Sech-
zehnteltriolen zu flattern. Daß solche Stellen gewagt werden konnten, zeigt auf
große technische Sicherheit und Schlagfertigkeit der Thüringer Kurrenden chöre, für
welche die Stücke ja in erster Linie geschrieben worden sind.
Außer solchen kleinen Geistern hat aber die deutsche Kirchenmusik des 17*
und 18. Jahrhunderts auch Größen von geschichtlicher Bedeutung aufzuweisen. Da
ist an erster Stelle Agostino Steffani, zu dem Handel nach Hannover pilgerte,
zu nennen. Seine Duette sind noch heute als Muster klassischen Zweigesangs un-
übertroffen und in der Feinheit der Empfindung, der Natürlichkeit und Schönheit des
Ausdruckes eine immer wieder frisch mundende Quelle ausgesuchten Kunstgenusses.
* *
Aus diesem Grunde wäre zu wünschen, daß eine deutsche Übersetzung ihrer italie-
nischen Texte der Benutzbarkeit zu Hilfe käme. Übrigens ist nur ein Teil dieser
StefFani’schen Duette kirchlichen oder religiösen Charakters. Unter die geschichtlich
bedeutenden Komponisten wird man auch Andreas Hammerschmidt rechnen
dürfen. Hammerschmidts Bedeutung und die ganz erstaunliche Beliebtheit, deren
sich seine Werke bei den Zeitgenossen erfreuten, beruht darauf, daß ihre Musik
eng an den kirchlichen Volkston anlehnt. Wendungen, die an die Litaney und an
ähnliche bekannte Gesänge erinnern, sind es, die bei ihm immer wiederkehren, und
seine Originalität besteht darin, daß seine Melodik das Originelle meidet und mög-
BO HERMAKN KRETZ SCHM AR
liehst viel bekannte Weisen anklingen läßt. Wo er kunstvoller schreibt, ist er
eifrig darauf bedacht, daß die Kunst auch leicht begriffen wird. Deshalb singt in
Beinen imitierenden Duetten die zweite Stimme der ersten zwar alles in ganz kurzen
Abstanden, von nur zwei Vierteln, sozusagen auf dem Fuße, nach. Dieses Verfahren
schließt große, breit geschwungene Melodien und deren mächtige Wirkungen aus.
Dafür waren sie leicht behältlich und fanden ein dankbares Publikum. Eine der
schönsten Kompositionen Hammerschmidts ist der dreistimmige Psalm (2 Soprane
— oder Tenöre — und Baß) „Wie der Hirsch schreit . . .“ Der Schrei wird hier
— nebenbei bemerkt — durch eine vom Grundton nach der Oktave eilende Skala
ausgedrückt Aber auch ihr Reiz liegt vorwiegend in der Kleinarbeit, in hübschen
Motiven und in den Nachahmungen der Stimmen; die gewaltige Sehnsucht nach
Gott und seinem Frieden, von der der Text voll ist kommt in der Musik nicht zu
ihrem Recht. Die Vorzüge hangen ebenso wie die Mängel Hammerschmidts eng
damit zusammen, daß seine Erfindung den Ausgang immer vom Lied, also von
einem Formenideal nimmt, dessen Bereich sich auf die Wiederholung und die Variation
desselben Grundgedankens beschränkt. Immerhin ist in den Leistungen Hammer-
schmidts das Erfreuliche überwiegend; es spricht aus ihnen eine harmonische, mit
Gott und der Welt zufriedene, im Formellen fertige Persönlichkeit und eine trotz
der Nähe des dreißigjährigen Krieges harmonische und fromme Zeit.
Daß manche Züge, die uns bei Hammerschmidt zunächst individuell anmuten,
doch auf Rechnung der Zeit kommen, erfährt man, wenn man von ihm aus an den
Nürnberger Erasmus Kindermann und an seine Monodien und Lieder heran-
tritt Da könnte das dreistimmige Eingangsstück „Ach, lieber Herr, wir haben
gesündiget“ anstandslos unter die Arbeiten des Zittauer Komponisten gemischt werden,
ohne daß der Stil die Fälschung verriete. Im Ganzen veranschaulicht Kindermann
sehr reizvoll die romantischen Kräfte der Zeit. Ein außerordentlich schönes Zeugnis
hierfür bietet das Terzett „0 salutaris hostia“, das in die Einführungsszene des Abend-
mahls wie eine Himmelsstimme hineinklingt. Besonders an der etwas verlegnen Ver-
wendung der Violine merkt man bei ihm, daß die Gattung der Kantate noch in der Ent-
wicklung lag und der Unterschied von der Motette noch nicht klar war. In der Stimm-
führung tritt die Freude an Nachahmungen und kleinen Künsten stark hervor.
Kindermanns um eine Generation älterer Landsmann Johann Staden ist in
den Bayerischen Denkmälern mit einem Band geistlicher und weltlicher Kompositionen
vertreten, die den Titel Monodien führen. In den geistlichen kommen reichlich
Choralquellen zum Vorschein, die weltlichen stehen, wie schon die häufigen Bar-
karolenrbythmen zeigen, unter venetianischem Einfluß, dem Bich Süddeutschland bei
den herrschenden Verkehrs Verhältnissen kaum entziehen konnte, haben aber dauernden
Wert durch ihren Reichtum an Humor. Durchschnittlich sind diese Monodien auf-
fallend kurz, einzelne bestehen nur aus acht Takten. Das ist bedauerlich, aber durch
die Zwecke ihrer Verwendung, als Beiträge zur gesellschaftlichen Erheiterung, erklär*
lieh. Dabei war eins der beliebtesten Stücke das Lied vom Kuckuck, das manche
Komponisten mehrmals gesetzt haben. Bei einer Preiskonkurrenz käme das Staden-
sche entschieden mit an erster Stelle in Betracht. Als Anhang ist dem Band eine
HAUPTWERKE UNTER DE» DENKMÄLERN DEUTSCHER TONKUNST
31
Sammlung von 17 Orchestersätzen beigegeben; die beiden letzten sind als Sinfonien
bezeichnet, ohne im Charakter von den vorstehenden Stücken, ernsten, feierlichen
Tanzsätzen, die zum Teil auch als Pavanen angeführt werden, abzuweiohen. Sie
stehen den bekannten Arbeiten Melchior Francks nahe, erreichen sie aber nicht an
Innerlichkeit der Melodik. Zuweilen klingt bei Staden schon der eigne Ton Nürn-
berger Anmut an, der dann durch Pachelbel weltbekannt wurde. Geschichtlich gehört
Staden unter die Männer, welche die deutsche Musik von der Herrschaft der in
äußerlichen Künsten allmählich erstarrten Niederländer befreien halfen. Unter den
Nachfolgern, welche sie dann durch ihre Werke auch zu eigner Bedeutung brachten,
ragt besonders Hans Leo Häßler hervor, auch in seinen Messen, mehr noch in
seinen Motetten. Die Messen fesseln formell durch einen Wechsel polyphoner und
homophoner Abschnitte, bei dem die Höhepunkte des Ausdrucks in der Regel auf
«
letztere fallen; sie befremden auch ein wenig durch einen Mangel an Rentabilität,
der in der Hauptsache auf eine Zurückdrängun g melismatischer Elemente in der
Thematik zurück zufübren ist. Das Schönste an den Motetten Häßlers ist ihre
Gradheit und Herzhaftigkeit des Ausdrucks, die Kunst, ohne Einleitungen und Um-
schweife eine Hauptstimmung klar und packend anzuschlagen. Hort man das schlichte
Verbum caro factum est
ein setzen, so weiß man allerdings nicht sofort, worauf
dieser Anfang hinaus will. Erst aus der Fortsetzung ergibt sich, daß Freude und
Jubel zum Ausdruck kommen soll, beim ersten Einsatz könnte man auch Schrecken
erwarten. Häßler hatte nicht umsonst in Venedig zu Füßen des Andrea Gabriel!
gesessen, die Pracht der Mehrstimmigkeit, wie sie in der Markuskirche zu Hause
war, ist ihm da auf- und eingegangen, und er hat sie in freier Weise, hat sie so
meistern gelernt, daß er auch mit bescheidnen Mitteln, die nur über einzelne Stimmen
verfügten, wo dort ganze Chöre üblich waren, groß und mächtig wirkte. Aber tiefer
als durch den Niederschlag venetianischer Kunst dringt er ins Herz durch die
zahlreichen ungesuchten Anklänge an den Ton des deutschen Liedes, das es ihm
angetan hatte, obwohl es offiziell wenig oder, nichts galt. Sehr beachtenswert sind
in dem Haßlerband die mit&ufgenommnen Orchestercanzonen und zwar, weil sie zeigen,
wie noch um die Mitte des 17. Jahrhunderts die Instrumentalmusik, wenn es sich
um vollstimmigeren Satz handelte, auf Selbständigkeit unter Umständen vollständig
verzichtete. Text untergelegt und man hat die brauchbarsten Chorsätze vor sichl
Auch in ihnen herrscht der Liedcharakter vor. Unter den eigentlichen Chorliedem
stehen Tanzlieder von der Art „Jungfrau, dein schön Gestalt erfreut mich sehr“
im Vordergrund, weil in den Tagen, wo sie niedergeschrieben wurden, die Zeit
noch nachwirkte, in der Gesang und Reigen aufs engste verbunden waren. Sie sind
es auch, mit denen man Häßler bei einem ihm noch fern stehenden Publikum am
besten, d. h. mit sichrer Aussicht auf Anklang und Erfolg, einführen kann. Von
Rechtswegen müßten sie längst so populär sein wie Mendelssohns „O Täler weit“,
oder dessen „Wer hat dich, du schöner Wald“. Ein kleines Hindernis bilden aller-
dings die Texte, nicht bloß die italienischen der Madrigale, die man ja übersetzen
32
Hermann kretzschmaH
könnte, sondern auch die deutschen, die zugunsten der Erotik ganz auf das er-
zählende Element verzichten. Die deutsche Liebesdichtung aber war in jener Zeit
ziemlich matt, arm an Herz und reich an Phrasen.
Von altern bayrischen Tonsetzem sind in den Denkmälern Ludwig Send,
K. Kerll und Adam Gumpelzhaimer nach Gebühr reichlicher vertreten, Senfl, der
Liebling Luthers vor allen mit seinen berühmten Magnifikats, Gumpelzhaimer
mit Motetten und Kerll mit sogenannten geistlichen Konzerten und außerdem mit
Stücken für Klavier und Orgel. Die geistlichen Konzerte ziehen darunter die Be-
achtung ganz besonders auf sich, weil sie uns in die Entstehungszeit des Sologesangs
und in eine Periode zurückführen, in der die Grenzregulierung zwischen Deklamation
und melodischem Satz noch nicht abgeschlossen war, wo beide Gattungen sich in
demselben Takt oder in einer kurzen Taktgruppe fortwährend streiften und mischten.
Einen Ohrenschmaus, wie man ihn gleich stattlich in neuer Musik vergebens sucht,
bietet Kerll mit dem Baßduett „Refulsit“. Händel führt -in dem Duett seines
Israel „Der Herr ist der starke Held“ seine beiden Baßstimmen sogleich in Eng-
führungen ins Feld. Kerll verfährt da als bessrer Haushalter, indem er die Sänger
in Ruhe einen nach dem andern sein Programm vortragen läßt; erst dann beginnen
sie sich zu messen.
Den Gesangsätzen des Bandes geht eine Auswahl von Stücken für Orgel und
Klavier voraus, unter denen namentlich die Tokkaten großen Genuß bereiten. Leider
wird diese Formgattung in der neuern Musik arg vernachlässigt, fast kennt sie unsre
Jugend nur aus den Beiträgen S. Bachs. Und doch liegen diese schon jenseits der
Blütezeit: die aber findet sich bei Kerll und seinen Mitarbeitern und äußert sich da
in der losen Führung der Gedanken, und in dem phantastischen Wechsel der Ein-
fälle. Es ist als wolle die Tokkata der Herrschaft der Fuge Fehde ansagen. Aber
keiner der Tokkatenfreunde würde es gewagt haben ohne Fugen durchs Leben zu gehen.
Unter denen, die wir von Kerll besitzen, ist die interessanteste die über das Lied
vom „steirischen Hirten“, weil sie die in jener Zeit auf dem Klaviere möglichen
Spielarten ziemlich alle in Parade vorbeiziehen läßt. Auch hier sehen wir wieder,
daß in Sechzehnteln verlaufender Fingerwechsel auf derselben Taste zu den piani-
stischen Glanzleistungen gerechnet wurde.
Mit einem der letzten Meister des acappella- Stils macht uns der Dulichius-
Band bekannt. Der aus Chemnitz in Sachsen gebürtige Komponist, der in Stettin
wirkte, ist von den Zeitgenossen zuweilen als der Pommersche Laßus gefeiert
worden. Dulichius ist ein moderner, erregter Geist, und in seinen Werken taucht
neues Land und neue Zeit auf. Die alten Kirchentöne schicken sich bei ihm an,
unserem Dur und Moll Platz zu machen, sein Streben nach Ausdruck ermattet nie
und feiert namentlich in Schlüssen von ganz eigener Schönheit reichliche Triumphe.
Ohne Frage hat unsere Praxis diesem Künstler gegenüber eine Schuld einzulösen,
er müßte viel häufiger und regelmäßiger auf den Chorprogrammen erscheinen, als
das tatsächlich der Fall ist. Wer nur ein Stück aus seinen Sätzen des hohen Lieds
gehört hat, vielleicht „Steh auf, meine Freundin“ in seiner wunderbaren Zartheit,
der schließt diesen Komponisten in sein Herz. Allerdings macht es Dulichius durch
HAUPTWERKE UNTER DEN DENKMÄLERN DEUTSCHER TONKUNST 33
die Neigung zu hochliegenden Sopranen seinen Freunden etwas schwer, für ihn zu
werben.
Der Punkt, der den Deutschen des 17. Jahrhunderts bei der Einbürgerung der
Kantate am meisten im Wege stand, war die Verwendung der Instrumente. Das
Nächstliegende wäre gewesen, sie als obligate Stimme ganz im Stile der Singstimme
zu führen. Das kommt auch tatsächlich zuweilen vor, aber es zur Regel zu machen,
hinderte die Wissenschaft von dem maßgebenden Brauch der Italiener. So finden
sich noch in den Kantaten von Bernhard und Weckmann viele Stellen, denen
man die Verlegenheit um die Führung der Violinen ansieht. Sie sind mit kleinen
Brocken in die Satze, auch in die Solosatze, hineingepfropft und sehen so aus, als
wäre es dem Komponisten lieber gewesen, auf sie verzichten zu dürfen. Erst durch
Buxtehude kommt es auf diesem Gebiete zum Ausgleich, wie denn ihm die kirch-
liche Kantate die Gestalt, das Wesen und den Boden verdankt, auf dem die Werke
S. Bachs reiften.
Motette und — in merkbarem Abstand — Kantate sind die Hauptgebiete,
auf denen die Denkmäler Deutscher Tonkunst reicheres Anschauungsmaterial vorlegen.
Das Oratorium steht dagegen weit zurück und zwar aus dem natürlichen Grunde,
weil für die Pflege des Oratoriums, der sich die Italiener sofort bei den Anfängen der
Gattung angenommen hatten, die notigen Anstalten fehlten. Die sogenannten kleinen
Kirchenoratorien Matthesons, von denen nebenbei bemerkt, die Denkmäler sehr wohl
Proben vorlegen dürften, und das Lazarusoratorium des Bückeburger Bach und
sein „Jüngling von Nain“ sind scheinbare Ausnahmen; in Wirklichkeit haben wir
es aber bei ihnen nur mit erweiterten Lektionen, nicht mit Oratorien im italienischen
Sinne zu tun. Dagegen wurde die neue Kun9t sehr bald für das Lied, den alten
Liebling der Deutschen, fruchtbar gemacht Voran ging hier der Sachse Heinrich
Albert, der in Königsberg wirkend von Simon Dach und dem diesen Führer um-
gebenden Dichterkreise kräftige Anregungen empfing. Merkwürdigerweise fehlt Albert
eine Haupteigenschaft des Pioniers: die Entschiedenheit. Das kommt am deutlich-
sten darin zum Ausdruck, daß er seine Melodien in doppelter Fassung mitteilt:
als Sologesänge und als Chorgesänge. Dieses Verfahren ist weniger auf Mangel
an Mut und an Überzeugung, als auf praktische und geschäftliche Klugheit zurück-
zuführen. Denn tatsächlich fand das begleitete Sololied zahlreiche und heftige Gegner
und zwar in den Kreisen der Kantoren, die nicht ohne Grund besorgt waren, daß
es sich der Gelegenheitsmusik, einer Hauptquelle für Einnahmen bei Trauungen,
Beerdigungen und sonstigen Kasualien bemächtigen werde. Dazu ist es nicht
gekommen ; nur in der Hausmusik haben Chor und Ensemble dem Sologesang einen
großen Teil Platz einräumen müssen. Das zeigt sich in der neuen Komposition
besonders darin, daß die Soloquartette fast ganz fehlen. Beethoven bat noch welche
geschrieben, dann aber kommt ein Stillstand in die Gattung, den zu beheben sich
erst wieder Brahms, gefolgt von H. v. Herzogen berg, von H. Huber und anderen,
bemüht hat.
Albert setzt uns durch die Menge und Mannigfaltigkeit der von ihm ver-
suchten Liedformen in Erstaunen; sie gehen vom einfachen Strophenlied über das
Jahrbuch 1918. 3
34
H ERMANN KRETZ 8CHMAR
durchkomponierte bis zur reich gruppierten Kantate. Da trafen seine Nachfolger
eine Auslese und schritten zur Vereinfachung. Unter diesen Nachfolgern ist der
wichtigste der Sachse Adam Krieger, dem die Denkmäler ebenso wie Albert einen
Band gewidmet haben. Kriegers Phantasie bewegt sich auf einem engeren Gebiete,
aber auf ihm, dem des Scherzes und Humors, ist er ein Meister; insbesondere seine
Tanzlieder sind mit ihren eindringlichen und anmutigen Rhythmen Muster ihrer Art.
Bald nach Krieger,
klassische Hohe.
iit Wolfgang Franck erreichte auch das geistliche Lied eine
Es war ein Mißgeschick, daß in diesem Augenblick die schon
langst schwächliche deutsche Dichtung völlig versagte. Statt in eine Blütezeit ein-
zutreten, hört das deutsche Sololied auf, es beginnt eine liederlose Periode, die ein
reichliches Menschenalter dauert. Erst mit dem Leipziger Studenten SperonteB
(Hoffmann?) und seiner „Singenden Muse an der Pleiße“ kommt die Liedkomposition
wieder in Fluß und macht nochmals alle die Schwierigkeiten und Wechselfälle durch,
welche die Entstehung neuer Arten zu begleiten pflegen. Allerdings ist das Tempo
der Entwickelung diesmal rascher, schon zwei Menschenalter nach Sperontes steht
das deutsche Lied bei Zelter, bei der Berliner Schule und ist von da ab in un-
unterbrochenem, oft glänzendem Aufstieg geblieben. Mit dieser Entwickelung haben
die Denkmäler Deutscher Tonkunst noch nicht genügend bekannt gemacht, zum Teil
wegen einer rein formellen Schwierigkeit, nämlich der Bestimmung, daß als Grenze
ihres Wirkungsbereiches das Jahr 1750, also die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts,
£
festgehalten werden soll. Davon muß in Zukunft abgesehen werden.
Während die Deutschen im Oratorium stark zurückhielten, gingen sie an die
Oper, anfangs wenigstens, mit erfreulicher Tatenlust Bekanntlich hat gleich Schütz
sich ans Werk begeben und eine „Dafne“ für Torgauer Hoffestlichkeiten komponiert,
die leider ebenso verloren gegangen ist wie die verwandten Arbeiten Sigismund
Kuss er s. Erhalten ist von dem deutschen musikdramatischen Früh werk dagegen
der Krösus Reinhard Keisers und er liegt als Denkmälerband der allgemeinen
Prüfung offen. Wiederum werden wir durch ihn aufs Lied als die Hauptquelle
deutscher Musiklust geführt, in der Behandlung anderer Formen schneiden wir,
mit den Italienern verglichen, schlecht, um nicht zu sagen plump ab. Daß aber
die Deutschen den Vorsprung auszugleichen suchten und dies auch bis zu einem
hohen Grad vermochten, zeigt Ignaz Holzhauers „Günther von Schwarzburg“.
Mit ihm und mit Anton SchweitzerB „AlceBte“, die in der Deklamation tief packt,
und mit seiner „Rosamunde“ wurde in Mannheim der Versuch und der Anfang gemacht,
das dortige Deutsche Nationaltheater auch von der musikalischen Seite her zu stützen.
Die Übersiedelung des Hofes nach München zwang, den Plan aufzugeben, und die
deutsche Oper hat bis auf C. M. v. Weber und R. Wagner warten müssen.
Schweitzers und Holzbauers Bemühungen verschwanden ganz gegen den Glanz
J. A. Hasses und der anderen in Deutschland wirkenden Vertreter italienischer Kunst
Die Pflicht, in diese italienische Zeit der deutschen MuBik tiefer einzuführen, liegt
unseren Denkmälern noch ob; ßie ist mit Gr a uns „Montezuma“ keineswegs ge-
nügend eingelöst. Dafür müßten vor allem Hassesche Opern eintreten. Wohl aber
darf die Veröffentlichung größerer Bruchstücke aus Opern Trajettas als willkommene
HAUPTWERKE UNTER DEN DENKMÄLERN DEUTSCHER TONKUNST 35
Abschlagszahlung gelten. Es handelt sich dabei freilich nicht um deutsche Werke,
aber um Bolche, die für das Bild der Tonkunst in Deutschland zu einer bestimmten
Zeit wichtig gewesen sind. Sie sind Denkmäler einer unter italienischer Hörigkeit
stehenden deutschen Musik. Ob auch rühmliche Denkmäler? Das ist eine andere Frage.
Aber Denkmäler haben unter Umständen auch den Beruf zu warnen und die Er-
innerung an das wachzuhalten, was an einer Zeit und ihrem Geschlecht schwach war.
Wenn in unseren Denkmälern die Instrumentalmusik nach Menge und Güte
der vokalen nachsteht, so entspricht das nur der geschichtlichen Tatsache, daß die
Instrumentalmusik verhältnismäßig spät zu selbständiger Bedeutung gelangte und
daß sie sich langsam entwickelte. Klavier und Orgel gingen dabei voran, das
Klavier beschränkte sich aber noch auf lange Zeit im wesentlichen auf die durch
die Spielleute eingebürgerten Formen der Suitenmusik. Versuche wie die J. Fro*
bergers, Tokkaten und ähnliche freie Gebilde, ja gar Programmusik zur Geltung
zu bringen, blieben vereinzelt. Das Gelungenste hat auf diesem Gebiet der Leip-
ziger Thomaskantor Johann Kuhn au, der Vorgänger Seb. Bachs, mit seinen
biblischen Sonaten geboten, die die Aufgabe, geschichtliche Vorgänge mit Wahrung
guter musikalischer Form auszuführen, in ausgezeichneter Weise lösten. 8ie scheinen
unseren Pianisten ziemlich unbekannt geblieben zu sein, sonst würde man ihnen häu-
figer auf den Programmen begegnen, und sicher haben sie in ihrer Literatur nicht
viele Stücke, die so geistreichen Inhalts und doch so natürlich und einfach angelegt
sind. Von Kuhnau ab rückt die Sonate mehr und mehr an die Spitze der Klavier-
musik, mit Beethoven steht sie auf der Höhe ihrer Bahn und zugleich am Ende
ihrer Herrschaft.
Die Entwickelung der Orchestern) usik läßt sich in unseren Denkmälerbanden
nur auf eine kurze Strecke verfolgen, und zwar führt diese nicht an die großen
Leistungen der Gattung heran. Aber ihre bescheidenen Anfänge fesseln und er-
freuen ebenfalls. Es ist wiederum Suitenmusik, vor die wir geführt werden. Am
schönsten wirkt sie in den Pavanen und Paduanen Melchior Francks, aus denen
ein Ton frommen Siunes klingt, der in unserer Zeit nur ganz ausnahmsweise von
bevorzugten Geistern angeschlagen wird. Was dann im Verlauf des achtzehnten
Jahrhunderts von deutschen Komponisten, etwa den Mannheimern, vorgelegt wird,
hat klanglich, in sogenannter koloristischer Beziehung, Interesse, der Gedankenwert
dieser Kompositionen aber ist gering.
So zeigen uns die Denkmäler Deutscher Tonkunst Treffer und Nieten durch-
einander. Wir aber wollen froh sein, daß wir sie haben und fleißig aus ihnen
Genuß und Belehrung schöpfen.
3*
Giacomo Meyerbeer
Von
9
Hermann Abert
Keine musikalische Gattung ist so sehr dem Wechsel des Geschmackes unter-
worfen wie die Oper, und in ihrer Geschichte bietet wiederum das Schicksal der
Meyerbeerschen KunBt wohl das krasseste Beispiel eines solchen jähen Stimmungs-
umschwunges dar. Nicht als ob sie von den Bühnen bereits völlig verschwunden
wäre; die „Hugenotten* z. B. sind bei einer einigermaßen sorgfältigen Darstellung
auch heute noch einer starken Wirkung sicher. Aber im allgemeinen ist Meyer-
beer heutzutage der Prügelknabe für alle und alles, wie dereinst die italienische
Oper des 18. Jahrhunderte, zumal seit den bekannten scharfen Angriffen R. Wag-
ners. Ja der Streit blieb nicht einmal auf das musikalische Gebiet beschränkt, er
wurde von chauvinistischer und antisemitischer Seite aufgenommen und fortgesetzt,
und so entstand schließlich ein Zerrbild, bei dessen Anblick man sich wirklich fragen
könnte, ob denn unsere Väter, die doch zum guten Teil zu den „Hugenotten* mit
derselben Verehrung emporblickten wie heute der waschechte Wagnerianer zum
„Tristan", von allen guten Geistern der Kunst gänzlich verlassen gewesen seien.
Nun ist ja freilich große Beliebtheit an sich noch durchaus kein Gradmesser für
den Wert einer Kunst. Auch Kotzebue hatte, sogar im Zeitalter Schillers und
Goethes, eine tausendköpfige Gemeinde hinter sich, und ein Stück Kotzebue steckt
tatsächlich auch in Meyerbeer, in seinem Spürsinn für das äußerlich Wirksame,
für dankbare Rollen und andere Dinge, die auf die Triebe der großen Masse zuge-
schnitten sind. Trotzdem war Meyerbeer zu weit Höherem berufen als Kotzebue.
Kraft einer ungewöhnlichen musikalischen
rung für die Grundströmungen seiner Zeit gelang es ihm mit Hilfe seines Text-
dichters Scribe, der diese Eigenschaften in nicht geringerem Grade besaß, wirklich,
zum musikalischen Herold seines Zeitalters zu werden. Mag man über den Kunst-
wert seiner Opern denken wie man will, sie sind das musikalische Abbild einer
ganzen Kulturperiode, sie verschaffen uns Einblicke in die treibenden Kräfte ihrer
Entstehungszeit, besser und tiefer als manches Literaturwerk. Weder aus der
Musikgeschichte wird sich also Meyerbeers Name einfach wegdekretieren lassen noch
aus der Kulturgeschichte, ebensowenig läßt er sich aber kurzer Hand an die Fran-
zosen abschieben. Denn abgesehen von seinen zahlreichen persönlichen Beziehungen
Begabung und einer äußerst feinen Witte
38
HERMANN ABERT
zu Deutschland zeigt ein stattlicher Kreis von Schülern, unter denen sich zeitweilig
auch R. Wagner befand, daß sein Opernideal auch in Deutschland hoch im Preise
stand und daß sich auch bei uns bedeutende Köpfe lange Zeit ein musikalisches
Drama nicht anders vorstellen konnten als in Meyerbeer scher Form. Und ebenso
*
war ob in Italien: selbst G. Verdi wurde durch seinen Einfluß von der im „Na*
bucco“ eingeschlagenen Bahn auf Jahrzehnte hinaus abgedrängt.
Wir haben demnach allen Grund, uns mit dieser merkwürdigen Erschei-
nung näher zu beschäftigen, nicht um ihret- sondern um unsertwillen. Bei grund-
legenden Reformen wie der Wagnerschen kennt die Geschichte wenig Rücksicht, sie
rafft mit dem innerlich Morschen auch eine Menge lebensfähiger Keime hinweg und
überläßt es späteren Geschlechtern, Gerechtigkeit zu üben.
Meyerbeer hat seine Laufbahn als Glied der Berliner Schule begonnen, und
diesen Jugendeindrucken verdankte er wohl eine der stärksten Seiten seiner Kunst,
die gediegene Satztechnik, die auch schwieriger kontrapunküscher Probleme mühelos
Herr wird, und überhaupt seine formale Meisterschaft. Dann wurden die Studien
in Darmstadt unter Abt Vogler fortgesetzt. Diese Schule erweiterte seinen Gesichts-
kreis, und zwar nicht allein den musikalischen, beträchtlich, sie weckte aber zu-
gleich in seinem Innern auch allerhand dunkle Regungen, die zu dämpfen sein
Charakter auf die Dauer doch nicht Kraft genug besaß. Voglers musikalische Kultur
trug bei allem Reichtum doch schon den Stempel des Überreifen, Ungesunden. Er
gab seinen Schülern eine Menge neuer Ideen und besonders neuer Klangwirkungen
mit auf den Weg, die die jungen Gemüter lebhaft beschäftigten, aber er ließ sie
über den eigentlichen Zweck dieser neuen Ausdrucksmittel nur zu oft im Unklaren.
Seine eigenen Werke enthalten zahlreiche Stellen selbstherrlichen, effektsüchtigen
Musikmachens, auf die Wagners Wort von der Wirkung ohne Ursache zutriflt; sie
wirken um so gefährlicher, als sie häufig neben Stellen von wirklichem poetischem
Gehalt stehen. Weber haben diese Sirenenklänge auf die Dauer nichts anzuhaben
vermocht, Meyerbeer aber wurden sie verhängnisvoll, denn sie weckten zum ersten
Male in ihm den musikalischen Demagogen, der in ihm schlummerte. Schon die
unter Voglers Einfluß entstandenen Jugend werke lassen diesen Zug deutlich erkennen.
1816 reiste Meyerbeer, der gleich R. Schumann dem Zuge der Zeit folgend
sich lange mit dem Gedanken getragen hatte, Virtuose zu werden, auf Salieris Rat
nach Italien, neben O. Nicolai der letzte deutsche Musiker, der hier sein Heil als
Opernkomponi8fc suchte. Nach seinem eigenen Bekenntnis ist er dort gleich den
meisten seiner Vorgänger musikalisch zunächst ganz zum Italiener geworden; die zahl-
reichen Mozartismen in diesen Werken lehren freilich, daß jenes Bekenntnis mit
einigem Vorbehalt aufzunehmen ist. Immerhin war er ein sehr gelehriger Schüler
der Italiener, das beweist nicht allein die stark von Rossini beeinflußte Melodik
dieser Werke, sondern namentlich ihr orchestrales Gewand, das mit großem Geschick
die Errungenschaften Simon Mayrs und seiner Schule verwertet. *) Gerade diese
Eindrücke waren der bleibende Besitz, den er von seiner italienischen Zeit mitbrachte,
J ) H. Kretzschmar in diesem Jahrbuch 1904, S. 36, 40.
GIACOMO MEYERBEER
39
an ihnen hielt er fest, auch nachdem er mit dem „Crociato“ der italienischen Oper
den Rücken gewandt hatte (1824).
Nach diesem Werke folgt, ähnlich wie bei Wagner nach dem „Lohengrin“,
eine sechsjährige Pause in Meyerbeers Opernschaffen, eine Zeit innerer Sammlung
und des Suchens nach einem neuen Opernideal. Aber wahrend sie bei Wagner
schließlich zu einem Bruch mit der ganzen bisherigen Tradition führte, war das Er-
gebnis bei Meyerbeer nur der Übergang zu einer andern der bereits bestehenden
Opernformen, der französischen, die er schon 1815 in einem mehrmonatigen Pariser
Aufenthalt kennen gelernt hatte. Er nahm damit einen Faden wieder auf, den der-
einst 1778 J. Chr. Vogel 1 ) und Mozart angeknüpft hatten. Jetzt, als Meyerbeer
1825 zur Einstudierung des „Crociato“ in PariB eintraf, lagen die Verhältnisse noch
erheblich günstiger, da die Acadömie royale sich infolge Mangels an zugkräftigen
Neuheiten dem ausländischen Wettbewerb besonders geneigt erwies. Hat doch auch
Rossini, der hier Meyerbeers Lebensweg abermals kreuzte, in jener Zeit die Aca-
dömie mit zwei umgearbeiteten älteren Opern versorgt. Vor allem bewährte Meyer-
beer jedoch jetzt zum erstenmale den ihm eigenen feinen Spürsinn für die treiben-
den Kräfte des geistigen Lebens seiner Zeit. Er hatte ihn früher schon gegen die
Lockungen der deutschen Oper und Webers unempfindlich gemacht, denn was steckte
hinter Webers Vorwürfen gegen Meyerbeers unnationales Wesen im Grunde ge-
nommen anderes als der sehnliche Wunsch, dieses bedeutende Talent für die deutsche
Kunst zu gewinnen? Jetzt aber, in jenen Jahren der Gärung vor der Julirevolution,
wurde Meyerbeer vollends hellhörig, er sah wohin die Reise der tragöd ie lyrique
ging und fühlte sich stark genug, die Führerschaft zu übernehmen.
Tatsächlich warfen die Ereignisse von 1830 bereits ihre Schatten voraus. Nie
hat sich ein Volk nach einer Niederlage rascher erhoben, als die Franzosen nach
den Freiheitskriegen, und nie den Siegern so fe6t sein geistiges Joch aufgezwungen.
Für die politische Freiheitstheorie und die allmählich ganz unter deren Bann tretende
Literatur wurde Paris sehr bald die ausschlaggebende Macht in ganz Europa. Schon
begannen, wie das Beispiel Börnes zeigt, die Pilgerfahrten der deutschen Literaten
nach der Seine. Daß dabei daB deutsche Judentum die Führung an sich riß, ist
bekannt, und dieser Umstand mag auch Meyerbeer bestimmt haben, der Bewegung
beizutreten und die Bestrebungen seiner Stammesgenossen von der Seite der Oper
her zu unterstützen. Es waren die Anfänge der jungdeutsch-französischen Bewegung,
die dann nach 1830 Politik, Literatur und Kunst vollständig überfluten sollte.
Meyerbeer ist von der Opernbühne aus einer ihrer Hauptwortführer, seine Kunst
das getreue Spiegelbild aller ihrer einzelnen Strömungen geworden. Zunächst was
ihren politischen, speziell demagogischen Zug an belangt.
Die Oper zum Sprachrohr politischer Tagesfragen zu machen war alter franzö-
sischer Brauch, dem schon Lully in seinen Prologen bis zur Geschmacklosigkeit
gehuldigt hatte. Ja selbst bei Gluck finden wir noch einzelne Nachzügler dieses
Geistes, wie z. B. den Chor „Chantons, cölöbrons notre reine“ der „Aulischen Iphi-
') Vgl. A. Vogler, J. Chr. Vogel, Halle 1914.
40
HERMANN ABERT
genie“ mit seiner Huldigung an die junge Königin Marie Antoinette. Seinem Kerne
nach blieb allerdings das Gluckscbe Musikdrama von allen außerkünstlerischen, also
auch politischen Tendenzen frei, es sei denn man erblickte in der künstlerischen
und sittlichen Reinheit der „Taurischen Iphigenie“ eine bewußte Kritik des Meisters
an den damaligen Pariser Zuständen, einen verklärten Niederschlag des alten Geistes,
dem die Franzosen zum größten Teil ihre eigentümliche Größe in Geschichte und
Kunst verdankten. Darüber nachzudenken blieb ihnen freilich keine lange Zeit,
meinen Ordnung der Dinge
auch die Grundfesten der Opernbühne; es blieb kein Raum für künstlerische An-
dacht mehr übrig, zumal einem Kunstwerk wie der tragödie lyrique gegenüber, die
schon zu Rousseaus Zeiten als Hauptvertreterin der verhaßten und dann gestürzten
alten aristokratischen Gesellschaftsordnung betrachtet wurde. Um so kräftiger strebte
die junge opöra comique in die Höhe. Sie entsprach den neuen Begriffen von Na-
tur und Wahrheit . weit besser als die als steif verschrieene alte Musiktragödie. Es
war wie immer, wenn „Natur“ das Losungswort wurde: die Schilderung der Wirk-
lichkeit galt als die eigentliche Aufgabe der Kunst, und unter Wirklichkeit verstand
man deren äußersten Vordergrund, nämlich den Alltag, das Aktuelle. So ist die
opöra comique zu einer Quelle für die damalige französische Kultur geworden, die
sich keine allgemeine historische Darstellung entgehen lassen dürfte. Die inneren
politischen und sozialen Zustände Frankreichs während der letzten drei Jahrzehnte
des Königtums finden hier ihr treues Spiegelbild; es war ein ganzer Schwarm von
„Sturmvögeln der Revolution“, der da lange vor Mozarts Figaro über die Opem-
bühne dahin flatterte.
denn der Wirbel der Revolution erschütterte mit der allge
Die Schicksale der Gluckschen Kunst in Paris sind bekannt. 1 ) Ihrem Geiste
nach fand sie eigentlich nur einen einzigen ihrer würdigen Erben in Cherubini.
Aber schon sein „Dömophon“ zeigt durch seinen Text, wie stark das alte Ideal be-
reits getrübt war, und seine ihrer dramatischen Idee nach weit mehr Gluckscbe
„Medea“ blieb dank den äußeren Verhältnissen in dem bescheidenen Rahmen
einer „komischen“ Oper stecken. Man kann ohne weiteres sagen, daß durch die
Ereignisse der großen Revolution dem Gluckschen Kunstwerk die Resonanz beim
Pariser Publikum entzogen war, während die opöra comique gerade jetzt einen neuen
Aufschwung erlebte und mit ihren drastischen Bildern au9 dem Alltag mit all
seinen Schrecknissen abermals zum Herold der politischen Ereignisse wurde. Diese
ganz ungluckiscbe Tendenz drang nunmehr aber auch in die ernste Oper ein. Merkt
man es schon den Opern der republikanischen Zeit an, daß sie nicht mehr der
alten höfisch-aristokratischen Kultur entstammen, so ist dasselbe bei dem letzten Aus-
läufer der Gluckschen Schule, ßpontini der Fall. Nichts scheidet Spontini so
scharf von Gluck wie die ausgesprochene politische Tendenz seiner Kunst. Mit der
napoleonischen Zeit wechselte wie der Staat, so auch die Opernbühne der Franzosen
ihren Herrn. Der neue Herrscher aber liebte es, zur Festigung seines Thrones nicht
allein in seiner Politik, sondern auch in seiner Stellung zur Kunst Grundsätze des
*) Vgl. H. Kretzschmar, Zum Verständnis Glucks in diesem Jahrbuch 1903, S. 75 f.
GIACOMO MEYER BE ER
41
alten römischen Kaiserreichs wieder zu beleben. Sein ganzes Verhältnis zur Musik
%
und besonders zur Oper beruht auf dem alten römischen Nützlichkeitsstandpunkt:
sie erhalten ihre Daseinsberechtigung nur durch den Zweck, den Ruhm des neuen
Regiments zu mehren und die Herzen der Untertanen dafür zu gewinnen. Von
diesem Standpunkt aus kam Napoleon die Form der Gluckscben Renaissanceoper
mit ihrem heroischen Charakter sehr gelegen, und er ißt auf diese Weise mittelbar
zum letzten Erneuerer des alten, bereits ins Hintertreffen geratenen Ideals geworden.
Allerdings büßte es dabei sein Bestes, seine künstlerische Reinheit, zum größten
Teile ein. Denn Spontini, der sich als verständnisvoller Diener seines Herrn er-
wies, wußte genau, daß seine Aufgabe keine rein künstlerische war, sondern daß
es galt, die Massen mit fortzureißen. Ein demagogischer Zug dringt mit ihm noch
zuguterletzt in die alte Glucksche Gattung ein, der stark von der aristokratischen
Resignation ihres Begründers absticht und dafür um so deutlicher auf die folgende
Entwicklung hinweist. Er zeigt sich vor allem in der zeitweiligen Bevorzugung des
Sinnlichen vor dem Geistigen, des rein Musikalischen vor dem Poetischen. Szenen
von wirklich großem dramatischem Wurf stehen neben anderen, die nur um der
äußeren Wirkung willen da sind oder deren Musik den Textworten gegenüber me-
lodisch oder namentlich rhythmisch viel zu leicht wiegt. Mit Napoleons Sturz er-
blich auch Spontinis Glanz; seine „Olympia“, das letzte Werk der Gluckschen
Schule, erreichte langst nicht mehr den Erfolg der früheren und bedeutete auch
seinem Stil nach einen entschiedenen Schritt nach abwärts. Mit Spontinis Abgang
war die tragädie lyrique abermals ohne einen allgemein anerkannten Führer, und
wiederum drohte ihr die Mitbewerberschaft der mit frischen Kräften, wie Boieldieu,
a
auf marschierenden komischen Oper zum Verhängnis zu werden. Es war die Zeit,
wo Rossini mit dem „Siöge de Corinthe“ (1826) und „Moise“ (1827) in die
Bresche sprang. Ein Vergleich des „Siöge“ mit seinem Vorgänger, dem „Mao-
metto II“ (1820) ist schon dichterisch sehr, lehrreich. 1 ) Das Urbild ist ein echt
italienisches Liebesintrigenstück mit großem historischen Hintergrund. Die Bear-
beitung tastet zwar diesen Grundcharakter durchaus nicht an, betont aber besonders
das Militärische und Patriotische und flicht wirkungsvolle Szenenbilder, Soldaten-
aufzüge, eine Hochzeitsfeier, ja sogar eine Bannerweihe ein, die wohl mit Recht alß
das unmittelbare Vorbild der entsprechenden Szene in den „Hugenotten“ gelten darf. 2 )
Daß Rossini in seiner musikalischen Bearbeitung diesen Veränderungen nur
teilweise Rechnung trug, ist ebenso bezeichnend für ihn wie für das Pariser Publi-
kum, das an derartigen Widersprüchen zwischen Text und Musik bereits keinen
Anstoß mehr nahm, wofern eben nur die äußere Wirkung vorhanden war.
Der Boden für eine abermalige Umgestaltung der tragödie lyrique war also
wohl vorbereitet, als der letzte Anstoß wiederum von einer einschneidenden politischen
Wandlung erfolgte: den Ideen, die schließlich zur Julirevolution von 1830 führten.
Aubers „Stumme“, Rossinis „Teil“ und Meyerbeers „Robert“ gelten
*) A. Sandberger, Rossiniana, ZeiUchr. der I. M.-G. IX 388 ff.
*) Sandberger S. 344.
42
HERMANN ABERT
gemeinhin als die drei Stammwerke der neuen Gattung. Dabei inuß freilich be-
♦
merkt werden, daß die beiden ersten einander weit näher stehen als dem dritten.
Gemeinsam ist ihnen beiden der damals in seinem Radikalismus höchst zeitgemäße
Gedanke der gewaltsamen Selbstbefreiung der Völker und der darauf auf gebauten
Gleichheit aller, gemeinsam ferner auch die exotische Einkleidung. Es ist derselbe
heiße Atem, der uns in der Literatur aus Delavignes „Vöpres Siciliennes“ und
Mörimöes „Jacquerie“ anweht, und auch für das neapolitanische und schweizerische
Lokalkolorit boten Dichtung und Musik schon vor V. Hugo zahlreiche Seitenstucke
dar. Proben musikalischer Ethnographie hatte bereits Gluck in seinen Musikdramen
gegeben. Indessen war ihm derlei doch niemals Selbstzweck gewesen; seine Phryger
und Skythen sind reine Phantasie -Orientalen und lediglich von der dramatischen
Idee eingegeben, den Vertretern einer höheren Kultur das ungeschlachte, triebhafte
Barbarentum entgegenzusetzen. Dagegen legte die opöra comique dank ihrer be-
kannten» Vorliebe, ihre Figuren inmitten ihres äußeren Lebenskreises darzustellen,
auf die musikalische Exotik als solche von Anfang besoqderen Wert. In ihren
Chören tritt die Zeichnung ausländischen Volkstums immer stärker hervor. Aber
auch jetzt noch kommen alle diese pikanten Bilder über den Rahmen äußerer Zu-
taten nicht hinaus, es bleibt bei Idyllen und Schwänken, die die Handlung beleben,
aber nicht bestimmen. Das wurde bei der „Stummen “ Aubers ganz anders; hier
war das südliche Kolorit nicht mehr bloß Staffage, sondern der Träger des Tempera-
mentes eines ganzen Volkes, das zugleich der Held des Ganzen war, es durchdrang
die Handlung vom Anfang bis zum Ende. Es war eine außerordentlich glückliche
Vereinigung von Elementen der opöra comique, von der ja Auber herkam, mit dem
heroischen Ballettcharakter der alten tragödie lyrique, und der überraschendste Effekt,
die Stummheit der Heldin, die zugleich eine bedeutungsvolle Erweiterung der Orchester-
sprache zur Folge hatte, lag ganz in der Richtung altfranzösischer Programmusik.
Neu aber war die weit über Spontini hinausgehende, selbstherrliche Entfesselung
aller sinnlichen Reize, die die eigentliche Handlung ganz in den Hintergrund drängt.
Sie wirkt nur deshalb noch nicht so brutal wie später bei Meyerbeer, weil sie durch
den demagogischen Charakter des Stoffes motiviert ist; es besteht hier tatsächlich
noch eine Harmonie zwischen Form und Inhalt, Wirkung und Ursache, die z. B.
Wagners Lob durchaus erklärt. Es steckt wirklich noch ein seelisches Erlebnis
hinter diesem Werk des Franzosen Auber, der den heißen Atem seiner Zeit in seiner
Brust verspürte, während gleich der „Teil“ des Italieners Rossini schon mehr den
Eindruck des geistvoll Erdachten macht. Die „Stumme“ war noch Original, der
„Teil“ ist schon bewußte Nachahmung und bewußtes Ausnützen der Zeitströmungen.
Von den Italienern hat erst der junge Verdi seinen Opern einen politischen Unter-
ton gegeben, der aus einem wirklich nationalen Herzen kam.
Diesen beiden Werken gegenüber schlug Meyerbeer mit dem „Robert“ zunächst
eine ganz andere Richtung ein, indem er sich statt ins politische in das literarische
Fahrwasser seiner Zeit begab. Mit dem „Robert“ nimmt die neue französische
Romantik Besitz von der Opernbühne. Bezeichnend ist, daß das Werk ursprünglich
als komische Oper gedacht war. Seit Gr6trys „Zömire et Azor“ hatte diese
GJACOMO MEYEBBEER
43
Gattung schon zu einer Zeit, da die ernste Oper noch an dem alten Renaissance*
ideal festhielt, mehr und mehr romantische Stoffe zugelassen und damit merklich
auch auf das deutsche Singspiel eingewirkt; vielleicht hat auch der Erfolg des
„Freischutz" Meyerbeer bestimmt, ein französisches SeitenBtück dazu zu schaffen.
Die auf die opöra comique hinweisenden Züge sind denn auch noch in der umge-
arbeiteten Partitur mühelos zu erkennen: die Figur des Raimbaud, die volkstümliche
Haltung einzelner Szenen, bestimmte Lieblingstypen , wie gleich im ersten Akt das
Trinklied, die Ballade und Romanze, auch die Verwendung des Leitmotivs gehören
hierher. Die Verschmelzung beider Gattungen, der ernsten und der komischen, ißt
also hier um ein gutes Teil weitergeführt.
Wenn Meyerbeer allerdings jemals den Gedanken gehegt haben sollte, einen
dem „Freischütz" entsprechenden Text zu bekommen, so mußte ihn gleich der erste
Blick in das von -Delavigne verfaßte und später von Seribe überarbeitete Buch
eines Besseren belehren. Wohl ist auch dieser „Robert" eine Erlösungsoper, die
die Befreiung eines sündigen Mannes aus der Gewalt des Bösen durch reine Weibes-
liebe zum Gegenstand hat Aber diese einfache Grundidee, die schon früher in
Frankreich Marmontel in „Zömire et Azor“, in Deutschland z. B. Bretzner in
seinem „Irrwisch" behandelt hatte, verschwindet hier vollständig hinter einem Wust
effektsücbtiger Nebenmotive und Episoden. Es fehlt alles Tiefe, Schwärmerische,
Sehnsüchte- und Ahnungsvolle, das auch in den schwächsten deutschen Libretti
0 0
noch zu Worte kommt, die Charaktere sind bloße Puppen, die von Abenteuer zu
Abenteuer gezerrt werden, ja selbst der böse Bertram bestätigt nur Goethes Wort,
daß es nichts Abgeschmackteres auf der Welt giebt, als einen Teufel, der verzweifelt.
Es war vom dramatischen Standpunkt aus der schlimmste Text, den Meyerbeer je
in die Hände bekommen hat, und dennoch bewies der Erfolg, daß die beiden Poeten
es abermals ausgezeichnet verstanden hatten, die Opernbühne bestimmten Zeitströmungen
dienstbar zu machen.
Die Romantik hat zwar von Hause aus alle europäischen Kulturgebiete gleicher-
maßen erfaßt, aber das neue Weltgefühl, das sie brachte und das sich überall in
einer beständigen Sehnsucht nach Bewegung, in einem fortwährenden Suchen, Gären
und Mischen äußerte, kam bei den verschiedenen Völkern, dem Unterschied der Tem-
peramente gemäß, zu ganz verschiedenem Ausdruck. In Deutschland entfesselte es
wieder einmal den irrationellen Zug unseres Wesens, die Neigung zum rein Gefühls-
mäßigen, Alogischen, Naturhaften; auch auf seelischem Gebiet war diesen Künstlern
das Erleben als solches Selbstzweck, die Gestaltung nur das äußere Mittel, der
Prozeß wichtiger als sein Ergebnis. Daher rührt ja auch in der musikalischen
Ästhetik dieser Zeit die Überschätzung der Phantasie, also des Irratiönellen , auf
Kosten der Verstandestätigkeit.
Der Franzose dagegen, von Hause aus Rationalist, ist es auch in der roman-
tischen Periode geblieben. Der Wille, Logik und Ordnung in die chaotische Wirk-
lichkeit hineinzubringen, beseelt diese Künstler so gut wie die der vorhergehenden
Jahrhunderte. Deshalb äußerte sich jener romantische Trieb nach Bewegung bei
ihnen nicht wie bei den Deutschen in dem Drang, das Seelenleben in seinen tausend-
44
HERMANN ABEBT
fachen Mischungen und Übergangen, sondern als einen Wechsel scharf erfaßter und
möglichst zugespitzter Gegensätze darzustellen. V. Hugo, der Hauptwortführer der
ganzen Richtung, wurde der Meister der Antithese. Der Gegensatz, der alle Ver-
mittlungen und Übergänge ausschließt, wird , damit zum System erhoben, und der
weitere, in jener Zeit, wo die Dichtung zu den breitesten Massen sprach, nur natür-
liche Schritt war der, daß der Gegensatz um seiner selbst, um der äußeren Wirkung
willen Trumpf wurde, daß man sich daran gewöhnte, die Wirkung höher zu schätzen
als die Wahrheit. Die Hauptsache war jetzt der möglichst spannende Wechsel
heterogenster Bilder, und da der neuentfesselte Individualismus keine Schranken irgend-
welcher Konvention mehr kannte, so hatte die Einbildungskraft freiesten Spielraum.
Schon einmal, in der Revolutionszeit, hatte die Pariser Oper eine Periode der aben-
teuerlichsten Stoffe erlebt, aber damals waren sie ihr unter dem schweren Druck der
Zeitläufte als Abbilder täglich erlebter Schicksale aufgedrängt worden, jetzt dagegen
waren sie Ausgeburten einer in den schroffsten Gegensätzen schwelgenden Phantasie
und lediglich auf grelle Wirkungen berechnet. Mit „Robert dem Teufel“ nahmen
diese Zerrbilder der Hugoschen Antithesentheorie auch von der Opernbühne Besitz
0
und verführten auch den Musiker dazu, auf seinem Gebiete ähnlichen Zielen naoh-
zujagen. Es war rein künstlerisch ein starker Abstieg der „Stummen“ und dem
„Teil“ gegenüber. Dort hatte über dem ganzen bunten Treiben doch noch der Frei-
heitsgedanke als treibende Kraft gewaltet, im „Robert“ ist die Idee fast rettungslos
verschüttet, das Ganze besteht eigentlich nur aus nerven spannender Abwechslung,
und Liszt hatte recht mit seinem offenbar auf V. Hugo gemünzten Wort vom
„Schwindelgefühl der Antithesen“. Jetzt erst trat die Hauptschwäche der neuen
tragödie lyrique, ihre heillose Armut an wirklich großen Ideen, nackt zutage, sie
wirkt hier doppelt abstoßend durch die sittliche Gleichgültigkeit, die dieses „Erlösungs-
werk“ begleitet und von dem religiösen Unterton des „Freischütz“ so grell absticht.
Der Bund Scribes mit Meyerbeer, in dem jener sofort den gegebenen musi-
kalischen Bundesgenossen für seine eigenen Ideen erkannt batte, war damit fest be-
gründet. Mittlerweile aber waren auf der großen Weltbühne Dinge geschehen, die
das politisch so überaus hellhörige Künstlerpaar veranlaßten, seinen Kurs abermals
zu wechseln. Auf die Bourbonen war Ludwig Philipp gefolgt, der den Namen des
Bürgerkönigs mit Recht trug, da er seinen Thron tatsächlich der Gnade der „Rour-
goi sie “^verdankte, nannte doch Barrot seine Herrschaft einmal die „beste der Repu-
bliken“. Der Frei hei tsrausch legte sieb zwar allmählich, doch glomm der revolutionäre
Funke unter der Asche weiter und machte sich gelegentlich in Aufruhr und Geheim-
bündelei aller Art Luft. Neue soziale Kampfe kündigten sich an, der sog. vierte
Stand sah sich um sein Recht betrogen und hegte gegen das besitzende Bürgertum
einen steigenden Groll, der in den Verheißungen der neuen sozialistischen Lehren
kräftige Nahrung fand Riß im Zusammenhang damit eine starke religionsfeindliche
Stimmung in den unteren Schichten ein, so wuchs dafür der Anhang des Katholi-
zismus bei den oberen, dem Adel und dem gebildeten Bürgertum, um so mehr, und
namentlich die Literaten, Victor Hugo an der Spitze, wurden in ihrem neu erwachten
Glaubenseifer nicht müde, das „Heidentum“ des 18. Jahrhunderts anzuklagen.
UIACOMO MEYERBEER
45
Trotz allen Schäden stand aber der Ruhm Frankreichs auch im Auslände so
fest begründet da, wie seit den Tagen Napoleons nicht mehr. Kein Wunder, daß
das französische Nationalgefühl wieder mächtig aD schwoll und da9 um sein Dasein
■
besorgte Königtum alle Mühe hatte, die kriegerischen Leidenschaften der Franzosen
im Schach zu halten. Scribe selbst war es, der damals in einem seiner Lustspiele
den Namen des Chauvinismus erfand. Er hat es auch als Operndichter sehr bald
verstanden, seiner Zeit ihre mannigfaltigen neuen Träume zu deuten. „Hugenotten",
„Prophet" und „Afrikanerin" sind mit dem Geist des Julikönigtums, seinem Glanze
wie seinem zwiespältigen Wesen unzertrennlich verbunden.
Sehr bezeichnend ist dafür allein die Tatsache, daß in diesen Dichtungen,
ganz anders als in den früheren monarchischen Perioden der Oper, jede Verherr-
lichung des Königtums fehlt. Man merkt auch hieran deutlich, daß Ludwig Philipp
im damaligen Paris eigentlich nur geduldet war. Auch der Adel kommt ziemlich
schlecht weg, trotzdem in dem äußeren Auftreten seiner Vertreter immer noch etwas
von dem Respekt vor der alten feinen Gesellschaftskultur nachwirkt. Ihrer Ge-
sinnung nach sind diese Edelleute freilich schon seit der „Stummen" entweder
skrupellose, mattherzige Bösewich ter oder leichtsinnige Schlemmer oder finstere
Verschwörer. Eis sind Gestalten, die sich bis in Verdis „Rigoletto" und in Wag-
ners „Rienzi" und „Hohe Braut" hinein fortsetzen. Nur der Nevers der „Huge-
notten" bildet eine Ausnahme. Um so aufdringlicher machen sich die Massen be-
merkbar. Wie im damaligen Paris, so lauern sie auch in diesen Texten beständig
im Hintergründe, stets bereit loszuschlagen und die bestehende Ordnung über den
Haufen zu werfen. Zu dieser schwülen Revolutionsluft gesellt sich in den „Huge-
notten" noch das nicht minder zeitgemäße kirchlich -religiöse Problem. ßaint-Bris
ist der Träger jenes demonstrativen Katholizismus, der damals im Schwange war,
und getreu nach dem Leben auch insofern gezeichnet, als sein Glaube nicht ein
Bekenntnis des Herzens, sondern des Kopfes ist. Der ganze Konflikt der „Huge-
notten“ hat zpit dem Glauben als solchem blutwenig zu tun, weder auf katholischer
noch auf protestantischer Seite. Raouls Protestantentum bleibt lediglich auf dem
Theaterzettel, es kennt keine inneren Kampfe und keine Gewissensnöte; er handelt
bis zum Schlüsse nur als Kavalier wie alle seine übrigen Standesgenossen, und auch
sein Gefolgsmann Marcel ist ein seltsames Gemisch von romantisch-mittelalterlicher
Knappentreue und fanatischem Sektierertum. Er hat gewiß in seiner eisernen Starr-
heit weit mehr Charakter als sein Herr und ist neben seinem Gegner Saint- Bris
die gelungenste Charakterfigur der Meyer beerschen Oper überhaupt, aber auch sein
Protestantentum ist mehr äußerlich als innerlich und gleicht eher den Luther so
gründlich verhaßten Schwarmgeistern als einem wirklichen Lutheraner. Der „Prophet"
andererseits begibt sich auf das damals nicht minder „aktuelle" Gebiet der sozialen
Gegensätze, wobei natürlich die Stellungnahme der beiden Autoren als der Herolde
der bürgerlichen Ordnung nicht zweifelhaft sein konnte. In allen drei Werken
aber gesellt sich dem allem noch ein ausgesprochen militärisch -patriotischer Zug
hinzu, auch er eine kluge Spekulation auf die kriegerischen Instinkte der damaligen
Franzosen.
46
HERMANN ABERT
Obwohl die ausschweifende und überhitzte Phantastik des „Robert" merklich
nachgelassen hat, so ist doch das Prinzip der um jeden Preis wirksamen Gegensätze
geblieben. Nach wie vor stoßen anscheinend unvereinbare Dinge und Situationen
in kluger Berechnung hart aufeinander, scheinen einzelne Charaktere geradezu auf
den Gegensatz zueinander modelliert. Was Scribe bei seiner Aufnahme in die
Akademie offen bekannte, nämlich daß es nicht die Aufgabe der Bühne sei, sich
irgendwie mit Ideen zu befassen, hat er auch als Librettist treulich befolgt Alle
drei Werke haben nur den Schein einer durchgehenden Grundidee, des großen
Glaubensstreites, der Tragik des vom Volke erkorenen und schließlich verratenen
Volkskindes, des Konfliktes eines kühnen Entdeckers mit reaktionärem PhiiisterBinn —
aber das alles ist weit davon entfernt die Handlung vorwärts zu treiben und zu
bestimmen. Das bleibt vielmehr dem jähen Auf und Ab spannender Augenblicks-
bilder überlassen, die am Faden einer ziemlich verwickelten Intrige aufgereiht
werden. Und bezeichnenderweise trägt diese Intrige in der Hauptsache nicht
einmal ein heroisches, sondern ein höchst bürgerliches Gepräge. Die Helden ge-
langen zu ihren entscheidenden Entschlüssen durch Motive, wie sie der damalige
wohlhabende Bourgeois aus seinem eigenen Leben nur zu gut kannte: galante Aben-
teuer, Boudoirgeheimnisse, Verlobungs- und Ehekonflikte, kleinliche Ränke und Eifer-
süchteleien bestimmen den Gang der Weltgeschichte, die hier gemacht wird. Die
Freude an der Intrige ist die treibende Kraft in Scribes Libretti wie in seinen
Lustspielen, sie muß alles andere, die dramatischen Ideen wie die Charakteristik,
ersetzen. Das ist aber wiederum ein echt rationalistischer Zug, es läuft alles auf
„Belustigung des Verstandes und Witzes" hinaus und bezeichnenderweise hat sich
der Deutsche für den Reiz der Intrige allein nie recht zu erwärmen vermocht,
wenn ihm nicht zugleich auch wirkliche Charakterkunst geboten wurde. Gerade iu
der Charakter Zeichnung ist aber die Scribesche Librettistik im Grunde genommen
nicht über den Standpunkt des 18. Jahrhunderts hinausgekommen, einen Standpunkt,
den unter sichtlichem Einfluß der französischen Aufklärung bereits Metastasio
vertreten batte. Diese Gestalten sind gar keine wirklichen Menschen, d. h. Ein-
heiten lebendiger, individueller Seelenkräfte, sondern lediglich Träger bestimmter
typischer Eigenschaften, die zuerst mit dem Verstände ausgedacht werden, ehe die
betreffende Gestalt dann nach diesem Schema modelliert wird. Daher machen sie
alle einen roh gezimmerten, oft geradezu kindlichen Eindruck. Wahre Engelstugend
steht neben schwärzester Teufelei, ja Scribe steht sogar erheblich hinter dem weit
feineren, aristokratischen Metastasio zurück, weil er in seiner Jagd nach wirksamen
Gegensätzen weit plumper übertreibt. Die geschminkte Muttertugend der Fides im
„Propheten“ z. B. wäre bei Metastasio einfach ausgeschlossen gewesen. Daß vollends
der Charakter eines Menschen auch sein Schicksal bedeutet, der Gedanke ist Scribe
niemals in den Sinn gekommen. Daher rührt aber auch das ewig Schwankende,
Haltlose dieser Gestalten und ihr Mangel an wirklicher, großer Leidenschaft. Sie
vermögen in diesem Getriebe äußerlicher Spannungen überhaupt keine individuellen
Seiten zu entfalten, sondern werden von der Handlung beständig bin und her geschleudert.
Sie kennen mitunter wohl Aufwallungen großer sinnlicher Glut, aber keine starke
U1AC0M0 MEYERBEER
47
Leidenschaft, die ja dem rationalistischen Drama der Franzosen von jeher als etwas
Irrationelles verdächtig war. Über diese Gebrechen vermögen uns auch andere Züge
nicht hin wegzu täuschen, die ebenfalls altes französisches Erbgut sind, das glänzende,
anspruchsvolle Auftreten dieser Gestalten, ihr ungeheurer Respekt vor der heroischen
Gebärde und der rhetorische Aufputz ihrer Äußerungen, der nur allzuoft das wirklich
Poetische zu ersetzen hat
Bewundernswert bleibt freilich trotz alledem das fast nie versagende Geschick,
mit dem Scribe alle diese auseinander strebenden Bestandteile nicht nur zusammen-
zuhalten, sondern auch jeden nach seiner Art zu besonderen Wirkungen auszubeuten
verstanden hat Keiner der ihm sonst geistesverwandten venezianischen Librettisten
des 17. Jahrhunderts erreicht auch nur von ferne seine Kunst feinberechneter Gegen-
sätze und klug vorbereiteter und virtuos durchgeführter Steigerungen. Ihre augen-
blickliche Wirkung verfehlt kaum eine einzige davon, mag sich der Zuhörer auch
nachher an den Kopf greifen und sich schelten, daß er dem Tausendkünstler doch
wieder ins Garn gegangen ist. Es sind aber auch andere darunter, die einen Hauch
wirklicher Große atmen, wie z. B. die Schwerter weihe der „ Hugenotten deren
charaktervoller Wucht sich auch heute noch niemand zu entziehen vermag, wo alle
an die damalige Zeit gebundenen Neben tendenzen längst unwirksam geworden sind.
Scribe war aber auch ein feiner Kenner der Pariser tragöd ie lyrique als solcher.
Er hat es ausgezeichnet verstanden, ihrem alten Ballettcharakter neue Seiten abzu-
gewinnen. Bei dem gewichtigen Wort, das die Massen in diesen Dramen mitzureden
haben, mußte den Chören und Charaktertänzen von vornherein ein entscheidender
Anteil zu fallen. Tatsächlich überwiegt die Zahl dieser Sätze die der Soli um ein
erhebliches; mitunter machen die Soli nur den Eindruck von Ruheepisoden zwischen
zwei Massenszenen. Handelnde und bloß dekorative Chöre und Ensembles lösen
Bich in buntem Wechsel ab, die alte Ballettgrundlage der französischen Oper erfährt
in modernem Geiste eine glänzende Neubelebuug.
Altfranzösischer Brauch ist auch das enge Zusammenarbeiten des Dichters und
des Komponisten. Das war schon zu Lullys Zeiten und dann in der ersten Blüte-
zeit der komischen Oper eine Hauptquelle des Erfolges jener Stücke gewesen. Beide
Autoren kannten nicht allein das gemeinsame Ziel, sondern auch ihre gegenseitige
Eigenart aufs genaueste, sie standen in beständiger Fühlung miteinander, stets bereit,
um des Erfolges willen auf eigene Sonderwünsche zu verzichten. Und da Beide
Kinder desselben Geistes waren, gelang eB ihnen auch, alle ihre Trümpfe jederzeit
mit der größtmöglichen Wirkung auszuspielen.
Der Anteil der Musik war bei dieser Art von Dramatik eigentlich von vorn-
herein vor gezeichnet Kein Musiker der Welt wäre imstande gewesen, ihr die fehlenden
Ideen zu ersetzen. Immerhin wäre es für einen Musiker von einigem dramatischen
Gewissen doch noch möglich gewesen, diesen Stoffen wenigstens einige einfache und
empfmdung88chwere Situationen abzugewinnen und an ihnen seine Kunst der Seelen-
malerei zu erproben. Die effektsüchtige venezianische Librettistik des 17. Jahr-
hunderts hatte immer noch Raum für Cavalli und seine Nachfolger gehabt, Meyer-
beer aber bat von jenem Vorrecht des Musikers nur selten Gebrauch gemacht, wie
48
HEBMANN ABERT
z. B. im 4. Akt der Hugenotten. Der dramatische Höhepunkt, den er hier erreicht,
ist nur eine Folge des dichterischen Ausnahmecharakters dieses Aktes, der ganz
entgegen Scribes sonstiger Art nur aus zwei großen, ebenso stimmungsvollen als
lebenswahren und von allen Theaterkünsten gänzlich freien Szenen besteht. Aber
das sind Ausnahmen, die Meyer beer sich mitunter der Abwechslung halber gefallen
ließ, ohne dabei seinen eigentlichen Grundsätzen untreu zu werden. Die lagen
aber nicht in der Richtung dramatisch-psychologischen Gestaltens, sondern in dem
echt französischen System glänzender Antithesen, in jähem Stimmungs- und Situations-
wechsel in starken äußeren Wirkungen um jeden Preis. Dieser Victor Hugosche
Geist war aber weit mehr als eine flüchtige Pariser Tagesmode, sondern ist noch
bis tief in Wagners Behalfen hinein zu verspüren. Im „Tannhäuser“ z. B. wäre
der plötzliche Übergang vom Venusberg zur WartburglandBchaft ohne ihn gar nicht
denkbar, ja noch in dem Zusammenbruch von Klingsors Zauberherrlichkeit im
„Parsifal“ treibt er sein Wesen. Nur haben bei Wagner alle diese „Wirkungen“
in dem Verlauf der dramatischen Idee ihre „Ursache“ gefunden. Es ist überhaupt
nicht schwer, hinsichtlich der Ausdrucks mittel zwischen Wagner, der ja ebenfalls
durch die jungdeutsche Schule hindurchgegangen ist, und Meyerbeer Beziehungen
anzuknüpfen. Nur hat Wagner alle diese Phänomene, die Meyerbeer um ihrer
sinnlichen Wirkung willen herauf beschwört, regelmäßig einem Höheren, der drama-
tischen Idee, dienstbar gemacht
So leicht demnach Meyerbeers Kunst vom dramatischen und noch mehr vom
ethischen Standpunkt wiegen mag, es steckt doch in seiner Art, den Effekt sozu-
sagen in ein System zu bringen, nicht nur ein beträchtliches Maß schärfsten Ver-
standes, sondern auch ein außerordentlicher Machtwille. Nachdem er sich einmal
dieser bestimmten Richtung verschrieben hatte, gab es für ihn kein Zurück und
kein Zögern mehr. Es war nur folgerichtig, wenn er seinen Texten durch möglichste
Ausbeutung der rein sinnlichen, demagogischen Seite der Musik einen Bundesgenossen
zuführte, wie er wirksamer nicht zu denken war; er lud sozusagen alle jene auf
sinnliche Wirkung angelegten Spannungen noch mit Musik und machte dadurch
ihre Entladungen physisch noch überwältigender.
Die Versinnlichung der Tonsprache bildet ein Hauptmerkmal der romantischen
Musik, sie war der natürliche Rückschlag auf den Höhenflug der klassischen, be-
sonders der Beethovenschen Kunst. Auch in der Welt des Klanges forderte das
Anschauliche, Primitive, Greifbare wieder seine Rechte. Das ist das gemeinsame
Band, das die vergeistigte, bochpoetische Klangromantik Cherubinis mit der weit
robusteren Art Simon Mayrs und seiner Schule verbindet Beide gehen auf neue,
primitive Klangphänomene aus, nur daß es Cherubini auf die geistige, Mayr dagegen
A
zunächst auf die rein physische Wirkung ankommt Meyerbeer hat sich seinerseits
bezeichnenderweise auf die Mayrsche Seite geschlagen, wiewohl ihm auch das
Cherubinische System teils von seiner Quelle selbst teils namentlich von Cherubinis
deutschem Nachfolger Weber her sehr wohl vertraut war. Er stellt in jenem Prozeß
der Versinnlichung des musikalischen Ausdrucks das äußerste Extrem dar, er pflegt
die neuen Klänge um ihrer selbst und ihrer sinnlichen Wirkung willen. Einzelne
49
GIACOMO METERBEER
Ausnahmen bestätigen nur die Kegel. Und zwar arbeitet der „Robert" noch vor-
wiegend mit dem Mayr sehen Prinzip des orchestralen Massenklangs, während die
späteren Werke daneben auch auf feinere und subtilere Wirkungen ausgehen. Der
Gedanke, Raouls erste Arie nur von einem konzertierenden Instrumente begleiten
zu lassen, verliert dadurch nichts von seiner Originalität, daß er im 18. Jahrhundert,
bei R, Kaiser, schon einmal da war, und auch die erste Szene des „Propheten" mit
ihren zwei konzertierenden Klarinetten gehört hierher, ein in seiner Melancholie
genial geschautes holländisches Landschaftsbild, dessen Spuren bis in den Beginn
des dritten Tristanaktes hineinreichen. Nur bleibt es bei Meyerbeer wiederum bei
einem pikanten Illusionskunststuck, während das Wagnersche Bild organisch aus
der dramatischen Idee herauswächst
Wie immer in der Oper, so ist auch bei Meyerbeer die Stellung des Kom-
ponisten zum Rezitativ das Hauptkennzeichen für seine dramatischen Ziele. Zunächst
war ihm seine Bahn durch den Dichter vorgezeichnet. Für Scribe waren diese
Partien nur die Vermittler zwischen den großen szenischen Bildern, in deren wirkungs-
vollem Wechsel er den Hauptinhalt seiner Dramen erblickte, sie dienen in der
Regel wenigstens, weit davon entfernt, eigenen Empfindungsgehalt zu besitzen, nur
der Fortführung der Intrige. Dem entspricht auch die musikalische Ausführung.
Als musikalisch nationalisierter Franzose ist Meyerbeer gewiß kein schlechter Dekla-
mator, aber er macht doch derartige geschäftsmäßigen Partien ohne tiefere innere
Anteilnahme mit den bewährten alten Mitteln ab, wie gehaltenen Akkorden, einzelnen
Akkordschlägen, kurzen malerischen Motiven usw. und fügt außerdem, da er die
schwache Seite dieser Methode wohl kennt, nach gutem altfranzosischem Brauche
noch kleine coupletartige Sätzchen ein, um die Fühlung mit dem lieben Publikum
nicht zu verlieren. Nur da, wo auch der Dichter sich zu größerer lyrischer Kraft
aufschwingt (es sind bezeichnenderweise meist Partien erzählenden Charakters),
da steigert auch Meyerbeer die Deklamation und namentlich die Orchestersprache
zu einer Gewalt des Ausdrucks, die unmittelbar zum Herzen geht und auf die
Zukunft weist. Der „Prophet“ enthält zwei glänzende Belege dafür, die Traum-
erzäblung des ersten Aktes mit ihrer vorweggenommenen Kronungsmusik und die
Beschwörung des vierten mit ihrer kühnen, Blut ziehenden Harmonik, auch der
Schluß des berühmten Hugenottenduetts gehört hierher.
Über Meyerbeers sonstigen Stil hat die neuere Zeit mit ihrer Vorliebe für
kurze Schlagworte das Urteil geprägt: deutsch in der Harmonik, französisch in der
Rhythmik und italienisch in der Melodik. Am ehesten kann man das noch für die
deutschen Züge gelten lassen, zu denen aber außer der Harmonik noch Meyerbeers
beträchtliche Kunst des mehrstimmigen Satzes zu zählen wäre. Bezüglich der fran-
zösischen und italienischen trifft es aber schon deshalb nicht zu, weil die Wechsel-
beziehungen zwischen französischer und italienischer Oper schon vor Meyerbeer,
eigentlich von der GluckBchen Schule an, besonders enge gewesen sind. Aber auch
bei Meyerbeer selbst ist es unmöglich, jene Scheidung auch nur einigermaßen durch-
zuführen. Gewiß enthält seine Melodik Züge, die sich ohne weiteres als italieni-
sches Gut kund geben, bis herab auf die bekannten freien Kadenzen Mayrscher
Jahrbuob 1938- 4
50
i
HERMANN ABERT
Herkunft, Andererseits aber wurden von den Anhängern Rossinis bereits der »Ro-
bert der doch noch am meisten italienisches Blut hat, und dann vollends die
»Hugenotten" des Mangels an Melodie geziehen. Man lese nur einmal nach, was
Heine im 9. Brief „Über die französische Bühne" gegen diese Vorwürfe vorbringt
Hier werden die „isolierten, außergesetzlichen" Melodien der Italiener den „diszip-
linierten, dramatischen" Melodien Meyerbeers in einer Weise entgegengesetzt, die
Bchon an Wagnersche Aussprüche streift. Tatsächlich fehlt der Meyerbeerschen
Melodik das Breitausladende, Klangschwelgerische, Redselige der Italiener, sie ist
deklamatorisch und besonders rhythmisch weit mehr zugespitzt und somit trotz aller
italienischen Zutaten doch im Grunde ein französisches Erzeugnis. Die Mehrzahl
der Meyerbeerschen Melodien, zumal in den Ensembles und Chören, ist ohne den
straffen orchestischen Rhythmus, aus dem sie geboren sind, gar nicht zu denken.
Nun ist eine solche Betonung des Rhythmischen an und für sich kein dramatischer
Fehler, sie ist ein altes Erbstück der französischen Oper schon von Lullys Zeiten
her, und welche eminent dramatische Rolle der Rhythmus in den Gluckschen Mu-
sikdramen spielt, ist bekannt. Auch Meyerbeer hat Melodien, denen die straffe
rhythmische Färbung zu großer Plastik und Eindringlichkeit verhilft; man darf ihn
hierin nur z. B. mit Halövy vergleichen, um seine Überlegenheit zu erkennen. In
anderen zahlreichen Fällen freilich schlägt dieser „Schmiß" ins Unvornehme und
Ordinäre um, die Freude an der sinnlich aufreizenden Seite der Rhythmik herrscht
manchmal in einem Grade vor, daß alle andern Rücksichten, besonders auch auf den
Text, verschwinden. Hat sich Meyerbeer doch in dem bekannten „Rataplan" sogar
den billigen Effekt geleistet, den Marschrhythmus rein durch eich selbst, auf bloße
Lärmlaute des Sängers, wirken zu lassen. Des weiteren vergleiche man z. B. den
Beginn des Septetts im 3. Akt der „Hugenotten" mit seinem jahrmarktsmäßigen
Schrumm! im Basse, seinen lediglich musikalisch motivierten Einsätzen der Ensemble-
stimmen und seiner forsch tänzelnden Marschmelodie — dabei handelt es sich um
die Vorbereitung zu einem Kumpf auf Tod und Leben!
So erfinderisch nun Meyerbeer als Rhythmiker Ut, so bleibt er andererseits
doch immer wieder an bestimmten Schemen haften. Man kann z. B. bei allen Stellen,
wo es sich um ritterliche Kraft oder heroischen Aufschwung handelt, mit ziemlicher
Sicherheit auf punktierte Marscbrhythmen rechnen, als hätte die Tonkunst für derlei
überhaupt keine anderen Ausdrucksmitte]. Am glänzendsten und vorteilhaftesten
entfaltet sich sein melodisch-rhythmisches Talent dagegen in den Sätzen, wo er nicht
an das Wort gebunden ist, in den Ballettmusiken. Hier zeigt er sich wirklich als
würdiger Fortsetzer einer uralten Tradition, und nichts ist bezeichnender für den Un- .
terschied der beiden Talente als ein Vergleich der lendenlahmen Ballettmusik in
Wagners „Rienzi" mit der nächsten besten von Meyerbeer. Auch in den Chören
wird man Meyerbeer meist da auf dem Posten finden, wo es sich um dekorative
Wirkungen handelt. Die ganze Szene der Königin im 2. Akt der „Hugenotten“
gehört dazu. Das ist doch trotz allem Haut-goüt ein Kulturbild von ausgesucht
prikelndem Reiz und ohne alle Roheiten mit feiner Hand ausgeführt. Nur freilich
sind derartige Dinge Triumphe des Musikers, nicht des Dramatikers, und selbst die
I
GIACOMO MEYEEBEER 5 1
glänzendste Bilderreihe vermag die dramatische Bloße dieser Kunst nicht zu ver-
decken. Wo aber in solchen Szenen das Dramatische sein Recht fordert, wird# es
nur zu oft übertäubt von allerhand rhythmischen und satztechnischen, jedenfalls aber
rein musikalischen Künsten, die den Text nach allen Richtungen zerreißen und ent»
stellen, bis der Hörer über all dem Schwall das Verständnis schließlich ganz ver-
loren hat. Der Spottchor in den Hugenotten z. B. gemahnt der äußeren Situation
nach an das Prügelfinale der „Meistersinger“ und entspricht ihm auch in seiner
kecken, realistischen Polyphonie. Und doch, welcher Unterschied in der Führung
der Singstimmen ! Bei Wagner ein Zusammenprallen verschiedener Einzelpersönlich-
keiten, ein handfestes dramatisches Leben, bei Meyerbeer ein geschickter, fort-
während sich steigernder kontrapunktischer Satz, bei dessen Gewebe die Textworte
kaum noch eine Rolle spielen. Die Spannung ist freilich vorhanden, aber sie ist
abermals rein musikalischer, nicht dramatischer Art.
Eine starke Seite Meyerbeers ist die Behandlung der Form, allerdings wiederum
im spezifisch musikalischen Sinne der älteren „geschlossenen“ Formen. Selbst das
berühmte Duett im 4. Akt der „Hugenotten“ zieht seine Hauptwirkungskraft aus
der fein berechneten Folge in sich geschlossener arien- und kavatinen mäßiger Sätze,
erst am Schlüsse wird diese Ordnung durchbrochen. Man kann beim Aufbau der
Meyerbeerschen Sätze unschwer ein Hauptprinzip erkennen, es lautet: möglichste
Abwechslung bei leichtester Orientaerungsmöglichkeit. Der Hörer soll stets angeregt,
aber in seinem Fassungsvermögen auch nie allzusehr belastet werden. Deshalb sieht
Meyerbeer vor allem auf klare und übersichtliche Formgebung; auch wo er einzel-
nen Begriffen länger nachsinnt und Seitenwege einschlägt, sorgt er sehr bald für
ausreichende Erklärung und führt den Hörer wieder in bekannte Regionen zurück.
Kein Wunder, daß er ein Meister der Variation und des Rondos ist. Seine Va-
riationskunst halt sich zwar streng an den Grund Charakter der Themen; ihnen neue
Seiten abzugewinnen wird geflissentlich vermieden, wie ja diese ganze Kunst seeli-
schen Abgründen ängstlich aus dem Wege geht. Variation und Rondo zusammen
aber spielen in den Ensembles, besonders den großen Finales eine große Rolle.
Wiederum sei hier an die Schwerterweihp erinnert, die ein Muster klaren und wirk-
samen Aufbaus darstellt. Sie tragt Rondoform, wie bereits im 18. Jahrhundert das
Piccinnische Buffofinale, und der Hauptgedanke erscheint dabei in stetig steigernder
Variierung; er nimmt bei jeder Wiederkehr sozusagen etwas vom Geiste der jewei-
ligen Seitensätze in sich auf und schwillt schließlich zu einer Kolossalgestalt an,
die den ganzen Empfindungsgehalt der Situation, Kampfgier, Ritterlichkeit, Fanatis-
mus und Blutdurst nochmals in einem Brennpunkte vereinigt. Dieser „serment“
hat wirklich an Eindringlichkeit der Wirkung und Übersichtlichkeit der Form nicht
seinesgleichen und stellt so gut einen Höhepunkt dar wie das folgende Duett, das
zu ihm abermals eine fein berechnete Antithese bildet. So steht Meyerbeers sichere
und glatte Formbehandlung in fühlbarem Gegensatz zu der Art der jungdeutschen
Schriftsteller, bei denen das Formgefühl je länger je mehr verwilderte.
Handelte es sich in der Oper allein um das Musikalische, so hätte Meyerbeer
noch heute gute Tage. Denn Erfindungs- und Kombinationsgabe, salz technisch es
4 *
52
HERMANN ABERT. GIACOMO MEYERBEER
Können und Klangsinn waren ihm in reichstem Maße gegeben und es ist kein
Wunder, daß er schon nach der rein musikalischen Seite hin Schule gemacht hat.
Hier war tatsächlich, zumal was die Technik der Massenszenen und des Orchesters
anlangt, viel von ihm zu lernen. Er hat hier neue Ausdrucksmittel geschaffen,
die einer späteren, geläuterten Dramatik zugute kamen. Aber musikalische Vor-
züge allein tun’s bekanntlich bei der Oper nicht. Auch Wagner hat, was nie ver-
gessen werden darf, der Musik in seiner Kunst von Hause aus einen weit breiteren
Raum angewiesen als alle die ihm sonst geistesverwandten Dramatiker vor ihm.
Aber Singen und Sagen, Wort und Ton quellen bei ihm aus demselben seelischen
Erleben hervor, und deshalb kommt es auch in Werken wie dem Tristan, wo die
Musik das Drama bis in seine feinsten Spitzen durchdringt, nie zu einer Störung
ihres Gleichgewichts. Bei Meyerbeer dagegen streben Wort und Ton nur zu häufig
auseinander, und zwar ist es die Musik, die unverträglich und selbstherrlich das
Drama mitunter geradezu knechtet, indem sie ohne Rücksicht, auf Textwort und
Situation ihren eigenen sinnlichen Wirkungen nachjagt. Hierin liegt die große
Unnatur seiner Kunst, die über kurz oder lang nicht allein den künstlerischen, son-
dern auch den natürlichen Verstand gegen sich in die Schranken rufen mußte. Der
schlimmste Vorwurf, der ihn trifft, ist aber der, daß er diesen Weg mit vollem Be-
wußtsein eingeschlagen und sein außerordentliches Talent nicht allein in den Dienst
#
einer innerlich unwahren Kunst gestellt, sondern deren Unwahrheit durch die musi-
kalische Behandlung noch gesteigert hat Der Mangel an Naivität des künstle-
rischen Schaffens, der früher Wagner vorgeworfen wurde, ist weit eher bei Meyer- ,
beer zu finden: seine Kunst entquillt Belten einem inneren Erlebnis, um so häufiger
dagegen kühler Berechnung und brutalem Macht willen. Zu wirklich freiem, unbe-
fangenen Schaffen ist dieser Meister eigentlich nie gelangt und deshalb seines eigenen
Reichtums auch nie recht froh geworden, denn die Besorgnis, ob er seinen Herrn
und Gebieter, das große Publikum, auch befriedigen werde, saß ihm stets im Nacken.
Hier liegt sicher ein tragischer Zug, der es zugleich auch erklärt, warum es nicht
eben leicht ist, hinter seiner Kunst eine geschlossene Persönlichkeit und damit einen
einheitlichen Stil zu entdecken. Denn einen solchen hat doch nur der Künstler,
der seine Werke in voller Unbefangenheit schafft. Nicht Schumann, nicht Wagner
haben der Meyerbeerechen Kunst das Grab gegraben, sondern ihre eigene Wider-
standslosigkeit den dumpfen Instinkten gegenüber, denen nur ein starkes und auf-
rechtes künstlerisches Gewissen die Spitze hätte bieten können.
*
Zuccalmaglio und das Volkslied
Ein Beitrag zur Stilkritik des deutschen Volksliedes
Von
Max Friedlaender
„Nach einem altdeutschen Minneliede" — so liest man zu Beginn des Andante
in Brahms Cdur-Bonate für Klavier Op. 1 (1853), und gleich mit dem ersten Takte
beginnt die trauliche Weise „Verstohlen geht der Mond auf“, bei der Brahms noeh
die alten Zusätze: „Vorsänger“ und „Alle“ beibehält, aber seine Vorlage doch durch
kleine klavieristisch empfundene Wendungen umgestaltet. Die Weise ward ihm wie
kaum eine andere lieb und wert: als er am Abend seines Lebens (1894) 49 deutsche
Volkslieder für eine Stimme mit Klavierbegleitung bearbeitet, bringt er auch diese
Melodie wieder, um sie den Freunden des Volksliedes noch einmal ins Herz zu
singen :
Vorsänger: Alle: Vorsänger :
Ver-stoh-len geht der Mond auf, blau, blau Blü - me -lein! durch Sü - her- wölk-chen
Alle:
/TS
führt sein Lauf; Ro-sen im Tal, Mä-del im Saal, o schönste Ro - sa!
Durch die Veröffentlichung dieser 49 deutschen Volkslieder, der 14 Volks-
Kinderlieder und vieler Bearbeitungen für gemischten Chor dachte Brahms eine Reibe
der beliebtesten Volksgesänge der Kunstmusik wieder zuzuführen. Wollte man über-
haupt einmal eine Übersicht über die am liebsten gesungenen Volksweisen geben,
so würden neben: „Verstohlen geht der Mond auf“ mit in die erste Reihe der
Lieder gehören:
Schwester- lein, Scbwester-lein, wann gehn wir nach Haus?
b)
Die Son - ne scheint nicht mehr so schön als wie vor - her
mit dem Nachsätze:
Das Feu - er kann man lö - sehen,
die Lie - be nicht ver - ges - sen
54
MAX FRIEDLAENDER
C )
Mein Mäs del hat ei - nen Ko - sen-mund
ferner das durch Brahms, Julius Rietz, Commer, Erk und viele andere harmonisierte,
in Konzert und Haus heimische „Sandmännchen“:
d)
Die Blfi-me-lein sie schla-fen schon längst im Mon - den-schein
Diesen Liedern würden sich eine Reihe von Dichtungen anscbließen, die
auf Schwingen der Musik berühmter Romantiker weite Verbreitung gefunden
haben, z. B.: Die verlorene Tochter: „Es flogen drei Schwälbelein über
dfen Rhein“ (komponiert von Carl Loewe, Op. 78, Nr. 2) 1 ), O Jugend, schöne
Rosen zeit: „Von allen schönen Kindern in der Welt“ (komponiert von Felix
Mendelssohn-Bartholdy, Op. 57, Nr. 4), Dort in den Weiden steht ein Haus
(komponiert von BrahmB, Op. 97, Nr. 4), Vergebliches Ständchen: „Quten Abend,
mein Schatz, guten Abend, mein Kind“ (komponiert von Brahms, Op. 84, Nr. 4).
Noch bekannter als diese Stücke ist das Lied, das Heine in seinem „Taschen-
buch für Damen auf das Jahr 1829“ mit dem Zusatz veröffentlicht hat: „Dieses
Lied ist ein rheinisches Volkslied“: „Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,
er fiel auf die zarten Blaublümelein, sie sind verwelket, verdorret“.
Ist es nicht seltsam, daß alle diese Lieder nicht aus dem Volksmunde stammen,
noch viel weniger aber „altdeutsche Minnelieder“ sind, sondern am Schreibtische
eines den gebildeten Ständen angehörigen Dichterkomponisten entstanden? Brahms
und Heine ließen sich täuschen, und selbst ein so kritischer Forscher wie Ludwig
Erk übersah, als er zu sammeln begann, die Herkunft dieser neuen Melodien. 9 )
Ihr Schöpfer, der seine Dichtungen jahrzehntelang hinter dem Sammelnamen
„Volkslied“ versteckte, ist kein anderer als Anton Wilhelm Florejitin von
Zuccalmaglio. 8 )
Daß sein Name bisher nicht in weiteren Kreisön bekannt geworden ist, er-
*) Loewe hat an Zuccalmaglios Text eine Reihe von Änderungen vorgenommen und
zwei ganze Strophen aus Eigenem hinzugefügt. — Wegen ausführlicher Notizen über die
Ballade vgl. Max Runzes Gesamtausgabe, Leipzig, Breitkopf & Härtel, 9. Band, S. VI — VIH.
*) „Verstohlen geht der Mond auf“ eröffnet das erste Heft der „Sammlung deutscher
Volkslieder mit ihren Melodieu, herausgegeben von Ludwig Erk und Wilhelm Inner“, Berlin f838;
in seine grundlegende Sammlung „Deutscher Liederhort“ (1854) nahm Erk das Lied nicht
mehr auf. — Erk hat später ebenso Hoffmann von Fallersleben Zuccalmaglios Verfahren bei
der Herausgabe von Volksliedern aufs schärfste bekämpft.
*) Von den Vornamen scheint der erste der Rufname gewesen zu sein, denn in der
Familie wurde Z. „Ohm Anton“ genannt (Mitteilung des Herrn Dr. C. Nörrenberg, Direktors
der Landes- und Stadtbibliothek in Düsseldorf). Seine Briefe an Schumann hat Z. mit A. W.
von Zuccalmaglio unterschrieben, in der später zu erwähnenden vierstimmigen Ausgabe seiner
Volkslieder aber steht auf dem Titelblatte: W. von Zuccalmaglio. Diesen Vornamen bringt
auch sein Pseudonym Wilhelm von Waldbrfthl.
I
ZUCCALMAGLIO UND DAß VOLKSLIED
55
klärt sich aus der noch jungen Geschichte der Volksliedforschung, die zu einer
stilkritischen Untersuchung von Text und Melodie, von Technik und Grundsätzen
der Aufzeichnung noch nicht vorgedrungen ist. Es fehlen uns noch immer die
wichtigsten Maßstäbe zur Beurteilung des Unterschiedes zwischen Volks* und Kunst-
lied. Die älteren Herausgeber haben ihre Aufgabe zum Teil recht leicht genommen
und Altes und Neues, Bearbeitungen und eigene Zutaten miteinander vermischt, so
daß es oft schwer fällt, ihren Irrwegen in der Melodieaufzeichnung nachzugehen.
Einer der geschicktesten unter ihnen, Zuccalmaglio, hat es sogar verstanden, völlig
eigene Dichtungen und Weisen in seine VolkBliedsammlungen einzuordnen und in
seinen Versen und Melodien sich dem Volkston und Volksempfinden so anzupassen,
daß er neben Friedrich Silcher zu den bedeutendsten Schöpfern deutscher volks-
tümlicher Lieder gehört. 1 )
Auch unsere großen Tondichter haben ihre beste und stärkste Kraft aus der
Volkskunst geschöpft, aber nur eine überraschend kleine Zahl ihrer Werke hat
dem Volke neue Lieder und Weisen wiedergegeben. 2 ) Wollte man die volkstümlich
gewordenen Lieder der Klassiker Haydn, Mozart und Beethoven aufzählen, so würde
sich nur ein kleiner Ertrag ergeben, und diese wenigen Musikstücke verdanken
meist ihre Beliebtheit noch besonderen Umständen: der Aufnahme in Sammlungen
von Freimaurergesängen (Mozart), der Verbreitung durch Oper und Singspiel und
i
dem Aufschwung der Liedertafeln und Gesangvereine im 19. Jahrhundert. Hier
wurden später auch die volkstümlichen Chöre der Romantiker Weber und Mendels-
sohn heimisch, die bald ihren Weg aus den Vereinssälen in die freie Luft der
heimatlichen Wälder fanden. Und wie hier Mendelssohns leise Mahnung und Vor-
schrift „Im Freien zu singen“ zur Tat wurde, so kamen auch Weber, Marschner
und Lortzing mit ihren schönsten Liedern schnell von der Bühne her in Feld uud
Wald. — Die Bedeutung der Führer der Tonkunst für die Volksmusik ist somit
gewiß nicht zu unterschätzen, aber sie tritt doch zurück, wenn man an weniger be-
deutendere Musiker denkt, denen ein gütiges Geschick die Gabe, volkstümlich zu
dichten und zu singen, von früh auf mit auf den Weg gab. Man braucht nur
Methfessel und Silcher zu nennen, um gleich mit diesen beiden Namen an eine
Reihe unserer schönsten und beliebtesten volkstümlichen Lieder zu erinnern; so
stammen von Methfessel u. a. die Lieder „Stimmt an mit hellem hohem Klang“, „Hinaus
’) Silcher gegenüber erscheint Zuccalmaglio als eine mehr feminine Natur, die sich
am Liebsten zarten und weichen Stimmungen hingibt.
Ä ) Wirklich populär geworden ist von Seb. Bach und Gluck keine einzige Melodie, von
Händel nur „Seht, er kommt mit Preis gekrönt“ mit dem neueren Texte: „Tochter Zions,
freue dich“, von Haydn die österreichische Volkshymne zu Hoifmanns Versen: „Deutschland,
Deutschland über alles“, von Mozart das Kinderlied „Komm lieber Mai und mache“, eine Me-
lodie aus „Don Juan“ und etwa drei au6 der „Zauberflöte“ (das Papagenolied mit dem Höltyschen
Texte: „Üb immer Treu und Redlichkeit“), von Beethoven „Die Himmel rühmen des Ewigen
Ehre“, von Weber der »Jungfemkranz“ und die Männerchöre aus „Freischütz“, „Euryanthe“
und zu Körners Liedern, von Schubert der „Lindenbaum“, von Mendelssohn „Wer hat dich,
du schöner Wald“, „O Täler weit, o Höhen“, „Es ist bestimmt in Gottes Rat“, von Wagner
der Brautchor aus „Lohengrin“, von Brahms das Wiegenlied: „Guten Abend, gut Nacht“ u. a, m.
t
56 MAX FBIEDLAENDEB
Ln die Ferne" und „Der Gott, der Eisen wachsen ließ“, von Silcher: „Ich weiß
nicht, was soll es bedeuten", „Morgen muß ich fort von hier", „Ännchen von
V
Tharau“, „Nun leb wohl, du kleine Gasse", „Es geht bei gedämpfter Trommel
Klang", „Ach, du klarblauer Himmel“.
Ebenso weitbekannt wie diese Lieder sind die genannten Gesänge von Zuccal-
maglio, denen sich eine sehr große Reihe anderer von ihm komponierter oder be-
arbeiteter hfclodien anschließt, z. B.: „Feinsliebchen, du sollst mir nicht barfuß gehn",
„Guten Abend, mein tausiger Schatz", Es stunden drei Rosen", „Maria ging aus
wandern", „Dem Himmel will ich klagen“, „Es ging sich unsere Fraue“, „Nachti-
gall, sag“, „Es wohnet ein Fiedler“ usw. In diesen von Zuccalmaglio hergerichteten
Liedern glaubte ein so vorsichtiger und gewissenhafter Musiker wie Brahms „alt-
deutsche Weisen" zu erkennen, in deren Geist er Bich so einlebte, daß er alle Un-
■
gleich he iten der dichterischen Fassung und alle musikalischen Neubildungen völlig
übersah. Bei der Bearbeitung von Volksliedern war für Brahms nicht die Echt-
heit, sondern allein die musikalische Bedeutsamkeit und die musikalische Geeignet-
heit entscheidend. Für ihn blieb die melodische Formung der Weise, ihr -affekt-
betonter Charakter maßgebend, und diesen hatte Zuccalmaglio wie kaum ein
anderer zu treffen verstanden. Wenn er seine eigenen Texte und Melodien absicht-
lich unter ältere Volkslieder mischte, so tat er es vielleicht weniger in der Absicht,
die Freunde des Volksliedes irre zu führen, als um den Werken freie Bahn zu
sichern. 1 ) Wußte er doch, daß der Verbreitung von Volksliedern nichts hinderlicher
ist als der Zusatz, sie seien von einem Dichter und Musiker unserer Tage nach
älteren Vorbildern zurechtgestutzt oder frei gestaltet. — Der Erfolg gab seinem
Verfahren recht. Seine Lieder wurden sofort als „Volkslieder“ in die beliebtesten
Sammlungen der Zeit aufgenommen 2 ) und werden bis zum heutigen Tage überall
gesungen, wenn auch sein Name in Vergessenheit geraten ist und nur wenige noch
sich daran erinnern, daß hier ein ungewöhnlich feiner Nachgestalter des deutschen
Volksliedes Wort und Weise neu geformt hat
Zuccalmaglio, dessen Vorfahren aus Italien einwanderten,*) stammt aus der Kreisstadt
Waldbroel im einstigen Herzogtum Berg, wo er am 12. April 1803 als Sohn des Juristen
Jacob Sälen tin von Zuccalmaglio und seiner Frau Clara, einer geborenen Deycks, das Licht
der Welt erblickte. 4 ) Die Mutter, die wahrscheinlich dem Gesohlechte des berühmten bel-
*) Man denkt dabei unwillkürlich an Macphersons Verfahren mit Ossians Gedichten
(1760) oder an Chatterton-Rowley (1768), Ireland-Shakespeare (1795).
*) u. a. Finks Musikalischen Hausschatz, 1843; Erlachs Volkslieder der Deutschen,
1834—36,
*) Dasselbe trifft auf einen andern berühmten Volkflliedsammler: Clemens Brentano zu.
4 ) Für die oben gegebenen biographischen Mitteilungen habe ich benutzt: die Aufsätze
Sehnorrenbergs (in Liliencrons „Allgemeiner Deutscher Biographie“ 45, 567) und Gustav
Jansens („Davidsbündler“, Leipzig 1883, S. 138 ff.), ferner eine anonyme, unter dem Titel „Gemein-
nütziger Verein in Waldbröl“ erschienene Lebensbeschreibung (Waldbröl 1903), einen Artikel
über Zuccalmaglios Vater von Adolf Siewert (Festschrift zur Feier des 25jährigen Bestehens
des Barmer Konservatoriums der Musik, Bannen 1908), besonders aber ungedrucktes Material,
das mir ein Neffe Zuccalmaglios, Herr Landgerichtsdirektor Geheimer Justizrat Braun in
ZUCCA LM AGLIO UND DAS VOLKSLIED
57
gischen Maler« von Dyck entstammt, hatte eine glockenhelle Stimme und sang dem Knaben
täglich schöne alte Volkslieder vor, von denen sie einen großen Schatz im Gedächtnis
hatte. Schon früh geriet er in die musikalischen Kreise, die sich um seinen Vater, einen
sehr begabten, idealistisch gesinnten Musikliebhaber alten Schlages, vereinigten. Orchester
und Gesangverein wurden ins Leben gerufen und eingeöbt, um am Sonntag einen rechten
Gottesdienst mit guter Kirchenmusik zu veranstalten. „Mein Vater war ein großer Baß-
geiger“, so erzählt Zuccalmaglio selbst in der Neuen Zeitschrift für Musik (1835 Nr. 14),
der sich sogar neben Romberg hören lassen durfte, und wollte mich auch sicherlich für
seinen Liebling, die Baßgeige, heran». ildeo. ‘) Es gelang meinem Vater, einen Liebhaber-
verein in unserem Erdwinkelcben (Schlebusch und Burscheid im Kreise Solingen) zu
gründen, um eine Menge Schüler für die Kunst zu werben, unter denen ich keiner der
letzten war. Geigen mußte ich lerned, ohngeachtet es mich nicht dazu zog, durfte aber
auch dafür Klarinett blasen.“ Und nun erzählt er begeistert von den schönen Stunden, die
ihn Bedeutung und Eigenart der einzelnen Instrumente erkennen ließen, von den über-
mütigen Späßen und Neckereien der Orchestermitglieder, Erinnerungen, die weit hinter
ihm liegen. Jetzt schwärmt er „im Rhein weintaumel“ durch eine Mozartsche Symphonie,
taumelt „halb trunken und halb vernichtet durch eine Beethovensche“, freut sich „der alten
schönen Großvaterzeiten in einer Haydnschen“, jubelt durch ein Händelsches Tedeum und
scherzt durch eine Cimarosaische OpernBzene.“ Alle Instrumente hat er handhaben gelernt,
er „weiß, was auf jedem sich leisten läßt“, nun erst ist er „Kapellmeister worden“ und
schwelgt im Vollgefühl des alles beherrschenden Dirigenten.
Aus dieser romantischen Schwärmerei spricht mehr als die Begeisterung des „Dorf-
schulmeisters Wedel“, aus dessen fingierten Tagebuchb Jätern Zuccalmaglio seine Aufzeich-
nungen veröffentlichte. Robert Schumanu begleitete sie mit der Anmerkung: „Hut ab vor
dem Kapellmeister Wedel! Eine so hohe Idee in so bescheidenem Gewände hatt’ ich nicht
vermutet“ Es ist die Liebe zur Musik, die nach Ausdruck ringt, die Freude an prak-
tischer Ausübung der Tonkunst, die Hingabe an die Ideale der Jugend, die im gereiften
Marine tiefe Wurzeln geschlagen hatten. Gern denkt Zuccalmaglio zurück an die Schul-
zeit in Wiesdorf und die Sonnabendmusiken in Schlebusch, zu denen er sich noch als
Kölner Gymnasiast einfand. Es waren schöne, heitere Tage, die in seinem empfänglichen
Gemüt den Sinn für höhere Tonkunst und Volksmusik weckten und in ihm den Gedanken
an eine Aufzeichnung all der Lieder reifen ließen, die er in der Jugend von der Mutter
und später von Mädchen aus dem Volke gehört hatte. Schon auf dem Gymnasium stand
er im Mittelpunkt aller musikalischen Unternehmungen. Sein Lehrer Wilhelm Smets —
ein Sohn der großen Sophie Schröder, Stiefbruder der Schröder-Devrient — gewann starken
Einfluß auf diese leidenschaftliche Neigung zur Tonkunst und zum deutschen Volkslied, die
zunächst noch mit dem Studium der Naturwissenschaften, neueren Sprachen, Mathematik,
ja sogar der Landschaftsmalerei wechselte. Seine vielseitigen Interessen fanden zunächst
mit dem Eintritt in die 7. Artilleriebrigade*) ein schnelles Ende, doch quittierte er nach
einem Unfall schon nach drei Jahren den Militärdienst und bezog die Universität Heidel-
berg, um Rechts- und Staatswissenschaften und daneben deutsche Mythologie und Natur-
wissen schaffen zu studieren. Mitten in diesen Vorbereitungen zur akademischen Laufbahn
Aachen und sein in Passau wohnender Sohn zur Verfügung zu stellen die Freundlichkeit
hatten. — Auch an dieser Stelle möchte ich beiden hilfsbereiten Herren meinen verbindlich-
sten Dank aussprechen.
J ) Auch Carl Maria von Webers Vater spielte neben der Geige den Kontrabaß, und
dieser war das Hauptinstrument von Johann Jacob Brahms, Johannes Brahms 1 Vater. —
Die Erwähnung (Bernhard) Rombergs könnte übrigens darauf schließen lassen, daß Zuccal-
maglio statt Baßgeige die Kniegeige (Violoncello) meint.
*) Der Großvater, Oberst Johann Heinrich von Zuccalmaglio, war Befehlshaber des
bergischen Landjägerkorps.
58
MAX FRIEDJLAEN DER
wurde er i. J. 1632 als Erzieher des einzigen Sohnes des damaligen Gouverneurs von
Polen, Fürsten Gortschakoff nach Warschau berufen. Er entschloß sich, gegen diese feste
Stellung seine unsichere Position einzutauschen, und fand auch an pädagogischer Tätigkeit
so viel Gefallen, daß er fortan keinem anderen Berufe mehr nachstrebte. Als er 1838 nach
Deutschland zurückkehrte, hatte er die Doktorwürde der Universitäten Dorpat und Moskau
und vom Zaren Nikolaus den Titel eines Professors erhalten. 1 ) Er blieb nun bis 1847 in
Schlebusch und entfaltete dort und später in Freiburg i. B., Elberfeld, Wehringhausen,
Nachrodt und Grevenbroich eine umfangreiche Tätigkeit als Schriftsteller, Politiker, Erzieher
und Organisator, bis ein Herzschlag am 23. März 1869 den ausgezeichneten Mann uner-
wartet aus seinem arbeitsreichen Leben riß. —
Diese kurzen biographischen Züge, die nur die äußeren Daten seines einfachen
Lebensweges festhalten sollen, werden bereits einen kleinen Einblick in die Viel-
seitigkeit seiner Interessen und Arbeiten geben. Veröden tlichun gen über „Das Leben
berühmter Werkmeister“, „Briefe über die Mode“, Arbeiten zur Sagengeschichte und
über Jagdrecht, Studien zur slawischen und kaukasischen Poesie und Volksmusik,
dramatische Kinderspiele und Operndichtungen, 2 ) Anregungen zur Hebung der rhei-
nischen Musikfeste und zur Einführung des altdeutschen Maienfestes in Schlebusch,
Sammlungen und Aufsätze in großer Zahl reihen sich im Laufe der Jahre aneinander,
und eine Aufzählung und Beurteilung seiner Werke würde eine literarhistorische
Arbeit für sich beanspruchen.
Außer den sehr zahlreichen durch ihn Belbst veröffentlichten Venen hat Zuccalmaglio
an handschriftlichen Werken hinterlassen : 8 Trauerspiele, 20 Lustspiele, 15 Singspiele,
15 Werke und Abhandlungen in Prosa und über 2000 kleinere Gedichte. „Fast kein Tag
verging, ohne daß er den Tagesblättern und Zeitschriften Aufsätze sandte oder Gelegen-
heitsgedichte machte. Es war kein Familienfest, kein Ereignis im Bekanntenkreise seiner
Freunde, wofür er nicht irgend ein Lied, ein Festspiel oder eine Zeichnung zu liefern
hatte. Gewöhnlich begab er sich gleich an die Arbeit, und der Besteller konnte die fertige
Schrift sogleich mitnehmen. Niemals hat er für irgend eine Arbeit eine Vergütung bean-
sprucht. u Vgl. das durch den Gemeinnützigen Verein in Waldbröl i. J. 1903 herausgegebene
Lebensbild Waldbrühl-Zuccalmaglios.
Von alledem liegen uns seine musikalischen Aufsätze am nächsten. Er begann
sie in der Warschauer Zeit mit einem Beitrag zur „Neuen Zeitschrift für Musik“:
„Die große Partitur“, einer sonnigen, frohen Kindheitserinnerung, die Schumann
gleich mit der erwähnten aufmuuternden und freudig zustimmenden Schlußbemerkung
versah. Schumann fand in den zwanglosen Aufzeichnungen des „Dorf sch ulmeisters
Wedel“ 8 ) „eine sehr schöne, der Tendenz des Blattes vorzüglich angemessene Idee“.
l ) Eine Frucht seines Aufenthaltes in Rußland stellt das i. J. 1848 erschienene Werk:
„Balalaika, eine Sammlung slawischer Lieder von Wilhelm von Waldbrühl“ dar, das eine
Fülle polnischer und russischer Volkslieder in geschickten Übertragungen bringt.
*) In einem Briefe an Rob. Schumann unterbreitet er diesem den phantastischen Plan,
. die Texte aller Mozartschen Opern neu zu bearbeiten. In Berner Umdichtung beabsichtigte
er z. B. in der „Entführung“ die Abenteuer des Don Quichote-Dichters Cervantea in Algier
. zu schildern, im „Idomeneo“ die Schicksale Karls VII. von Frankreich: dieser sollte den
Idomeneo singen, seine Gemahlin die Elektra, seine Maitresse Agnes Sorel die Ilia, der
Dauphin Karl den Idamante u. s. w. (Vgl. den handschriftlichen Nachlaß Robert Schumanns,
aufbewahrt in der Staatsbibliothek in Berlin: Briefe an Schumann, Band III.)
*) Zuccalmaglio schuf die Figur des Dorfs chulmeisters Wedel nach dem Vorbilde des
vortrefflichen Schlebuscher Dorfküsters Friedrich Lützenkirchen, mit dem er zeitlebens in
Freundschaft verbunden blieb.
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
59
Er schrieb Zuccalmaglio, es gefalle ihm an den Aufsätzen „das leise und tiefe Ver-
senken ins Gemüt“, „die Klarheit“, in der alles an den Tag gebracht würde; und
noch heute strahlt aus diesen Randbemerkungen zur Kunst eine Warme, die gerade
%
in unserm kritischen Zeitalter erquickend wirkt. Über alles Historische und Proble-
matische wie die Zusammenstellung der Meister Pal es trina, Marcello und Pergolese x ) usw.
muß man freilich liebevoll hinweglesen; nach dieser Richtung hin hat Dorfschul-
meister Wedel weder etwas Neues noch Anregendes zu sagen. Man freut sich aber
über manche Gedanken, die in diesem unruhigen Kopf keimen; so wenn er von den
musizierenden Engeln des Kölner Doms nach Anhaltspunkten zur „Geschichte der
Tonbühne des Mittelalters“ sucht, oder gar Vogelsang und Volkslied miteinander
vergleicht und seiner Schwärmerei für Natur und Gesang alle Zügel frei läßt. Zur
zeitgenössischen Kunst ist seine Stellung durch die Liebe zu Mendelssohn, durch
die Verehrung Mozarts und Bewunderung Beethovens von vornherein festgelegt, und
so vermag er weder Meyerbeer und den Scribescben Opernbüchern noch Berlioz, Auber,
Adam oder Italienern vom Schlage Bellin is gegenüber die rechte Stellung zu finden, ja
er sendet ihnen manche bittere Satire aus seiner Warschauer Festung nach. Am schön-
sten und freiesten aber schreibt er, wenn er von seinen eigenen Erinnerungen erzählt,
von jenen begeisterungsfreudigen Orchesterabenden in Schlebusch und seinen geliebten
Lehrern Thibaut und Bernh. Jos. Maurer.*) Dann gerät er in ein Schwärmen und
Schwelgen, für das er nicht genug Bilder und Vergleiche Zusammentragen kann,
dann verbindet er als rechter Jean Paulianer die entlegensten Gedanken miteinander
und fabuliert mit einer Frische und wohltuenden Begeisterung, daß man versteht,
wie Schumann für einen Bund der „Wedeliana und Davidsbündlereien“ schwärmen
konnte.
*
Mochte er unter dem Deckmantel eines „A. W. v. Wbrühl oder W. v. Wald-
brüh ]“,*) unter „St Diamond“ oder einfach als „Gottschalk Wedel“ schreiben,
man erkennt ihn schon äußerlich an seiner übertriebenen Neigung zur Sprachreinigung.
„Der große Wodan“, wie er von Freunden wegen seiner Studien zur deutschen
Mythologie genannt wurde, ging in der Übertragung von Fremdwörtern weiter als
Beethoven und Schumann, ja er übersetzte alle musikalischen FachauBdrücke, die
ü
l ) Ähnliche unbegreifliche Zusammenstellungen finden sich in Thibauts berühmtem
Werke: Über Reinheit der Tonkunst (Heidelberg 1825).
*) Unter Maurers „vorzüglichsten“ Schülern nennt er selbst als letzten den „Dorfschul-
meister Gottschalk Wedel“ (v. Zuccalmaglio), der, wie er stolz schreibt, „als Kunstrichter
und Sammler nicht ohne Namen geblieben“.
*) D® 8 Pseudonym W. von Waldbrühl hatte schon der Jüngling gewählt, als er in
der Zeit der Demagogennecherei wegen seiner handschriftlichen Sammlung von Volks- und
Soldatenliedern in den Verdacht revolutionärer Gesinnung gekommen war. Nicht anders war
es bei seinem Bruder Vincenz von Zuccalmaglio, der es liebte, seine Schriften unter den ver-
schiedensten Decknamen herauszugeben. Nur bei wenigen Werken nannte er seinen eigenen
Namen, sonst war er der „Volksfreund“, der „alte Fuhrmann“, „der Alte vom Berge“, „Julius
Berger“, „ein römischer Katholik' l * * 4 , oder er nannte auch gar keinen Namen. Alle volkskund-
lichen und geschichtlichen Werke zeichnete er aber mit „Montanus“, — Über Vincenz von
Zuccalmaglio vgl. weiter unten S. 65.
MAX FBIEDLAEKDER
60
überhaupt in seine Feder kamen, mit eiserner Konsequenz. Daß er bei seinen
Übertragungen „Instrument“ mit „Tonzeug“, „Symphonie“ durch „Tonspiel“ oder
„Bardiet“, „Harmonik“ mit „Sammtklang“ ersetzte, ginge noch hin; aber er kam
dann auch zu Worten wie „Gezweie“ für „Duo“, „Gedritte“ für „Terz“, „Männer-
ge viere“, „Saitengeviere“ für Quartett, „Allheqd“ für „Oratorium“, „in Fangweise“
für „kanonisch“ oder „Tonbühne für „Orchester“, „Reffreime“ J ) für „Refrains“
und ähnlichen Neubildungen, die einem Prinzip zuliebe in Geschraubtheiten und
Unnatürlichkeiten ausarteten. Wenn seine musikalischen Beitrage*) in der „Neuen
Zeitschrift für Musik“ nicht schon durch ihre ganze Art, neue Fragen eigenartig
und anregend zu behandeln, unter denen der übrigen Mitarbeiter 3 ) hervortreten, —
man würde sie auch ohne Namensnennung leicht an ihren puritanischen Sprach-
wendungen und an ihrer persönlichen Färbung erkennen.
Ausführlicher als in seinen für Schumann geschriebenen Aufsätzen kommt er
in den Tagehuchhlättern, die er 1841 seinem Lehrer Thibaut, dem berühmten Sammler
alter Musik und Herausgeber der „Reinheit der Tonkunst“- widmet, auf sein Lieblings-
gebiet zu sprechen: das deutsche Volkslied.
„Von Jugend auf 4 ) hatte das deutsche Volkslied, das sich in meiner Heimat zwischen
den bergischen Flüßchen Sieg und Wupper wohl am längsten und reichsten erhalten hat,
einen tiefen Eindruck auf mich gemacht, sowohl was den Reiz der Weise, wie den Fluß
der Worte anbelangt, wie denn ihre Sammlung meine einzigen eigentlichen poetischen
Studien geblieben. Schon damals hatte ich mir vieles von dem schönen Liederschätze der
Heimat aufgezeichnet, war ich auf die Weisen des oberrheinischen Gaues aufmerksam ge-
worden, so daß ich auch dort mit Sammlerfleiß umherepähte. Dieses Suchen nun machte
mich mit einigen Jüngern der Thibaut’schen Muse bekannt, welche mir von den Gesang-
abenden ihres Lehrers erzählten, an welchen ganze Volksliederkränze eingerichtet wurden,
wo das bunte Gemisch aller Stimmen der Völker erklinge, und so von der strengen, alten
Kirchenmusik Erholung und Abspannung gewähre.“ Er erhielt eine Einladung zu den
Thibaut’schen Gesangabenden, und bald hörte er „Lieder in bunter Folge“: „Altes und
Neues, Deutsches und Russische«, Schottisches und Spanisches, Ostindisches und Brasilia-
nisches“. „Nach dem Geiste wie nach der Tonlage der Lieder waren sie entweder ein-
stimmig, mit dem Flügel begleitet, wurden sie zwei- oder mehrstimmig, oder vom ganzen
Chor gesungen, wie denn der Meister den meisten Wert auf die schottischen und irischen
zu legen schien, welche aber meistens so von den Zurichtern 6 ) behandelt worden, daß alles
‘j Unter diesem Titel vereinigt Zuccalmaglio eine größere Zahl seiner Gedichte, die
in der handschriftlichen Abteilung der Staatsbibliothek in Berlin ruhen (Mskr. germ. fol. 1340).
*) Weitere musikalische Aufsätze erschienen in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung,
Schillings Universal-Lexikon der Tonkunst, Bagges Deutscher Musikzeitung.
*) Ee darf ausgesprochen werden, daß die Mehrzahl der Mitarbeiter der „Neuen Zeit-
schrift für Musik“ nicht wertvollere Beiträge geliefert haben, als die von ihnen befehdete
Finksche „Allgemeine Musikalische Zeitung“ brachte. Schumanns eigene Aufsätze stehen in
seiner Zeitschrift meist wie Berge in der Ebene; selbst der vorzügliche Eduard Krüger er-
scheint hier etwas schwächlich.
4 ) „Neue Zeitschrift für Musik“ in dem Aufsatz über Thibaut, 14. Band, Nr. 1, S. 1
(1841); vier Jahre vorher hatte Z. an derselben Stelle unter Wedels Namen Aufsätze über
„Volkslieder am Rhein“ veröffentlicht.
6 ) Gemeint sind, wie aus Zuccalmaglios handschriftlichen Aufzeichnungen hervorgeht,
die Bearbeitungen Joseph Haydns und Ignaz Pleyels.
4
ZUCCALMAQLIO UND DAS VOLKSLIED
Volksliederartige dabei weggefallen.“ Er war „ganz entzückt über den bunten reichen
Strauß dieser Blüten aller Erdengürtel“, und wußte „seinen Dank nicht lebhaft genug
auszudrücken“. —
Es muß ein starker Eindruck gewesen sein, der Bich an diesem Abend in
seinem empfänglichen Gemüt verankerte. Sah er doch seine Jugendpläne zum ersten
Male verwirklicht und spürte aus dem Vortrag der Lieder, wieviel hier noch für ihn
zu leisten war. Der Gedanke, „Stimmen der Völker“ *) nicht nur in der Dichtung,
sondern auch mit der Melodie und Begleitung zu sammeln, verließ ihn nicht mehr
und wirkte in ihm fort, bis seine Pläne feste Gestalt Annahmen. Im Jahre 1825
waren seine Vorarbeiten so weit gediehen, daß er ein erstes Liederheft gemeinsam
mit seinem Freunde Baumstark herausgeben konnte. Beide nannten die Sammlung,
die nach und nach auf 21 Hefte anwuchs:
Bardale, Sammlung auserlesener Volkslieder der verschiedenen Völker der
Erde, alter und neuer Zeiten mit deutschem Texte und Begleitung des
Pianoforte und der Guitarre herausgegeben und dem Herrn Geheimen Rathe
und Professor Dr. A. F. J. Thibaut hochachtungsvoll gewidmet von E. Baum-
stark und W. v. Waldbrühl. — Braunschweig 1829. 1 )
Über Bardale heißt es in Johann S. Schillers berühmtem Thesaurus anti-
quitatum Teulonicarum (Ulm 1728) 3, 89: Bardaea, Bardala, Gallis & Oeltis
Alauda quasi Cantrix avis. — „Bardale“ ist die Überschrift einer Klopstock-
schen Ode, deren erste Strophe mit dem Verse endigt: „Sing, B&rdple, den
Frühling durch l u , und zu der Klopstock die Anmerkung macht: Bardale
— von Barde, hieß in unsrer Älteren Sprache die Lerche, die Nachtigall
verdiente noch mehr, so zu heißen (eine echt Klopstocksche Wendung!). An
einer andern Stelle heißt es bei Klopstock: „Wer den Gesang der Nachtigall
und Bardalens vereint“. — C. F. D. Schubart nennt einmal die Karschin
„Borussiens Bardale“. *)
Unter den 42 Nummern des ersten Bandes (ein zweiter ist nicht erschienen)
finden sich neben chinesischen, hebräischen, hindostanischen, persischen, portugiesi-
schen, andalusischen, neugriechischen, polnischen, dänischen, walisischen, irischen uaw.
*) Diesen nicht von Herder herrührenden Titel gab Johann von Müller der zweiten,
i. J. 1807 nach H.’s Tode veranstalteten berühmten Sammlung, die Herder selbst einfach:
Volkslieder genannt hatte.
*) Auf eine sehr absprechende Beurteilung der Sammlung, („Allgemeine Musikalische
Zeitung“ 1829, S. 733 — 742) antwortete Baumstark mit einer Antikritik, deren Abdruck ihrer
Länge wegen durch die Redaktion abgelehnt wurde (Allg. Musikal. Zeitung 1830, S. 178). —
Im ersten Hefte der „Bardale“ findet sich als Nr. 9 Text und Melodie des Liedes „Verstohlen
geht der Mond auf), das in der weiter unten zu erwähnenden Sammlung Kretzschmer-
Zuccalmaglioa : Deutsche Volkslieder (1840) zweimal abgedruckt ist, das zweite Mal mit ver-
ändertem Texte (Gar heimlich geht der Mond auf) und der Überschrift: „Der verratene
Ritter“. — Später erschien noch eine undatierte Titelauflage der „Bardale“ bei Robert Crayen
in Leipzig.
*) Unbegreiflich ist Heinrich Düntzera Behauptung in seinen „Erläuterungen zu
Klopstocks Werken“ (1, 138), Klopstock wolle mit Bardale willkürlich die Nachtigall be-
zeichnen.
62
MAX FBIEDLAENDER
Gesängen neun deutsche Lieder, darunter ein österreichisches und eines aus der
Schweiz. 1 )
In der Vorrede äußern Baumstark und Zuccalmaglio ganz keck: „Was die
Echtheit dieser Volkslieder betrifft, so möchte man wohl von uns eine Bürgschaft
verlangen. Daß die in der Sammlung folgenden Lieder wirkliche Volkslieder sind,
dafür können wir unsern Lesern nur sagen: „Gehet hin in die Welt und lasset sie
euch nur Vorsingen“. “ — Welche Enttäuschung würde aber den Leser erwartet
haben, der alle Melodien im Volksmunde wiederzufinden geglaubt hätte!
Immerhin lag ein Verdienst darin, daß hier neue zum Teil wertvolle Volks-
und volkstümliche Lieder mit ihren Melodien geboten wurden. Neben Büsching
und von der Hägens „Melodien zu der Sammlung Deutscher, Flamländischer und
Französischer Volkslieder“ (Berlin o. J. — 1807 erschienen — ) und Friedrich Silchers
unschätzbaren „Volksliedern für Männerstimmen“ (Tübingen o. J., erstes Heft 1826
veröffentlicht) bildet Bardale den ersten Versuch, ein musikalisches Gegenstück zu
Herders „Volksliedern“ und Arnim und Brentanos „Wunderhorn“ *) zu schaffen.
Die Musiker waren ja am „Wunderhorn“ ziemlich achtlos vorübergegangen, trotzdem
die Herausgeber nicht müde wurden, auf die Bedeutung der Lieder für die Musik
hinzuweisen. In Österreich, wo Beethoven und Schubert wohl gern nach guten
Volksdichtungen gegriffen hätten, blieb die Sammlung weiteren Kreisen unbekannt,
und in Deutschland trat zwar Joh. Fr. Reichardt, dem die Volkslied bewegung be-
sonders nahe stand, in Wort und Ton für das Volkslied ein, aber seine Versuche
blieben doch vereinzelt und drangen nicht durch. Erst Weber begann vorsichtig
mit einigen prächtig geglückten Liedern, dann folgten Mendelssohn, Schumann und
Franz mit ähnlichem Erfolge. Bald versiegte aber auch hier wieder das Interesse
mehr und mehr, bis Brahms mit seinen einzigartigen Bearbeitungen eingriff und Sinn
und Geist des Volksliedes in Haus und Konzert 3 ) zu neuem Leben weckte. —
Im Wunderhorn hatte das Fehlen der Melodien dazu beigetragen; daß die
Ausgabe mehr literarisch als musikalisch gewertet wurde und die Musiker eine Be-
lebung des Volksliedes nur von einer neuen Melodiensammlung mit hinzugefügter
Begleitung erwarteten. Diesen Schritt bereitete Thibaut in Heidelberg an seinen
Volksabenden vor, und die gleiche Richtung schlugen Baumstark und Zuccalmaglio
in ihrem „Bardale“ ein. Man hört es aus ihrer wortreichen, mit vielen Zitaten
durchsetzten Einführung, mit welchen Widerständen sie bei diesem ersten Versuch einer
„musikalischen Länderkunde“ rechnen mußten.
Sie laufen Sturm gegen Unnatur 4 )
*) Auch Herder hat in seiner berühmten Sammlung: „Volkslieder“ nur eine verhältnis-
mäßig sehr kleine Zahl deutscher Lieder geboten.
2 ) Die anonym erschienenen „Vierundzwanzig deutschen Lieder aus dem Wunderhorn
mit bekannten meist älteren Melodien“, Heidelberg 1810, sind zu unbedeutend, um ernsthaft
in Betracht gezogen zu werden.
■) Brahms’ Beispiel wirkte auch auf Gustav Mahler, dessen Sinfonien aus „Des Knaben
Wunderhorn“ einige ihrer wichtigsten Motive erhielten.
4 ) „Ja diese Untugenden (Regellosigkeit und Unvollkommenheit, Verzwicktheit und
Unnatur, Leerheit und Steifheit, Mattigkeit und Kränkeln in der Musik) sind im grüßten
Teil unserer mit Unrecht so genannten musikalischen Kunstwerke bereits auf das beweinena-
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
63
in Kunst und Loben, kämpfen für die Rückkehr zur Volkstümlichkeit und Einfach-
heit und treten für Naturtreue in der Aufzeichnung und Wiedergabe der Melodien
ein. Es sind Bekenntnisse zur Volkskunst, wie sie wärmer und ziel bewußter nicht
abgelegt werden können. Die Herausgeber versprechen überdies daB Höchste und
Beste, was sich überhaupt denken läßt: Kritik und Zuverlässigkeit der Aufzeichnung
und Übertragung. Wie weit diese Versprechungen nach dem Stand der damaligen
Länderkunde eingelöst wurden, läßt sich heute schwer entscheiden. Für uns sind
ihre Notierungen fremdländischer Volkslieder jedenfalls ohne wissenschaftliche Bedeu-
tung geblieben. 1 ) Dafür entschädigen aber die allerdings recht spärlich eingestreuten
deutschen Volkslieder, die wohl sämtlich auf Zuccalmaglio zurückgehen. Er zeigt
sich schon hier als gewandter Herausgeber, der allen Liedern nicht nur eine einfache
Klavierbegleitung, sondern ebenso einen leichten Satz für Gitarre mit auf den Weg
gibt. In dieser scheinbar nebensächlichen Anordnung sieht man den Kenner und
Freund des Volkes, seine ganz auf praktische Verwertbarkeit bedachte Tätigkeit als
Sammler und Herausgeber. 9 )
Weitere Verbreitung hat die „Bardale“ nicht gefunden, und auch einer zehn
Jahre später veröffentlichten Sammlung war kein Erfolg bescbieden. Sie erschien
unter dem Titel:
„Auserlesene, echte Volksgesänge der verschiedensten Völker mit Ur-
texten und deutscher Übersetzung, gesammelt in Verbindung mit A, W. von
Zuccalmaglio, ein- und mehrstimmig eingerichtet, mit Begleitung des Piano-
forte und der Guitarre und herausgegeben von E. Baumstark. Darmstadt,
Verlag von L. Papst." — 3 Hefte, (1, 2) 1835* (3) 1836.
und brachte im ganzen 20 meist fremdländische
indische, portugiesische, italienische, französische, englische, schwedische, russische,
litauische, polnische und sieben deutsche Lieder. Anordnung und Einrichtung ent-
wertest© in Wirklichkeit getreten. Dieser Vorwurf trifft vorzüglich und namentlich die Zeit,
in welcher wir leben I* 1 heißt es in der Vorrede. Man kann wohl der Versicherung des
Kritikers der Leipziger „Allgemeinen Musikalischen Zeitung“ v. J. 1829 (31, 738) Glauben
schenken, daß diese törichten Anklagen der jugendlichen Stürmer gegen Beethoven ge-
richtet sind.
*) Von einer wissenschaftlich fundierten vergleichenden musikalischen Länderkunde
kann erst seit der Erfindung des phonographischen Apparates und den grundlegenden Arbeiten
Carl Stumpfs und E. von Hornbostels gesprochen werden; Zusammenstellung in Stumpfs
„Anfängen der Musik“, 1911, S. 66 ff
*) Übrigens war die Gitarre in jener Zeit so beliebt, daß Schuberts früheste Verleger
Cappi und Diabelli eine ganze Reihe seiner Lieder gleich bei der ersten Veröffentlichung
in einem Arrangement für Gitarrenbegleitung erscheinen ließen, u. a. den „Erlkönig“ (!),
„Gretchen am Spinnrade“, den „Wanderer“ usw.; dasselbe taten die späteren Verleger Pennauer
mit „Ach um deine feuchten Schwingen“ und Josef Czerny mit den Liedern: „Der zürnenden
Diana“, „Nachtstück“ usw., und Schuberts Op. 11 und Op. 16 sind bereit« auf dem ursprüng-
lichen Titelblatt überschrieben: „Chöre für Männerstimmen mit Begleitung des Pianoforte
oder der Guitarre, in Musik gesetzt von Franz Schubert“. — Mit meinem Freunde
Eusebius Mandyczewski bin ioh der Meinung, daß alle diese Bearbeitungen für Gitarre nicht
von Schubert Beibat herrühren.
Gesänge, darunter südamerikanische,
MAX FRIED LA ENDER
64
sprachen bis in Einzelheiten dem älteren Werke; gleich geblieben war auch die
Kritiklosigkeit, mit der die Herausgeber ihre exotischen Melodien aus den meistens
recht bedenklichen „ Quellenwerken “ abdruckten. Am wertvollsten waren noch
Zuccalmaglios Beitrage: zwei niederrheinische Stucke und ein in Warschau dem
Volksmunde abgelauschtes Tanzlied (Mazurka). — „Unsere zweite Herausgabe ist auch
mißglückt und Perlen werfe ich nicht mehr vor die Schweine. Während die erbärm-
lichsten Sammlungen von Schwabenliedern von Silcher, 1 ) welche dazu weder Kritisches
noch wahrhaft Nationales enthalten, Glück machen, geht unsere Sammlung unter.
Pfuil über den Geschmack unserer Zeit“, so klagt Baumstark seinem Warschauer
Freunde am 22. Juli 1837,*) und er erwähnt dann den Namen eines anderen Volks-
liedsammlers: des Geheimen Kriegsrats Andreas Kretz schmer in Berlin, der in
Schumanns „Neuer Zeitschrift für Musik“ 5 ) eine sehr anerkennende Kritik der
„Bardale“ veröffentlicht hatte und seitdem mit Baumstark sowohl wie mit Zucc&l-
maglio in nahen Verkehr getreten war. „Die Angelegenheit mit unserm guten
Kretzschmer“ heißt es in Baumstarks Briefe „ist längst besorgt, er hat schon seit
Wochen fast unsere ganze Sammlung, nämlich alle Hefte, worin Deutsches enthalten
ist.“ Und nun kam ein Werk zustande, das zu den umfangreichsten der deutschen
Volksliedliteratur gehört und bis in die jüngste Zeit weite Beachtung gefunden hat
Das Titelblatt lautet:
Deutsche Volkslieder mit ihren Original- Weisen. Unter Mitwirkung des
Herrn Professor Dr. Massmann in München, des Herrn von Zuccal-
maglio in Warschau und mehrerer anderer Freunde der Volks- Poesie, nach
handschriftlichen Quellen herausgegeben und mit Anmerkungen versehen von
A. Kretzschmer, Königlichem Geheimen Kriegsrathe und Ritter etc. Erster
Teil. Berlin, 1840. Vereins -Buchhandlung.
Das Werk ist vordatiert, der größte Teil der Lieferungen erschien bereits im
März 1838, zu gleicher Zeit mit Erk und Irmers erster Sammlung der „deutschen
Volkslieder mit ihren Singweisen“.
Bevor noch die letzten Hefte des „Ersten Teils“ veröffentlicht waren, starb
Kretzschmer 4 ) im März 1839. Zuccalmaglio setzte das Unternehmen unter dem
Titel fort 0 ):
l ) Die Ungerechtigkeit dieseB Urteils richtet sich selbst. Der als Herausgeber tüchtige,
als Erfinder volkstümlicher Weisen aber geradezu geniale Silcher eteht hoch Über dem wenig
begabten Dilettanten Baumstark, der sich nur als fleißiger Sammler ein bescheidenes Verdienst
erworben hat.
*) Der ungedruckte Brief ist mir durch die Freundlichkeit des Besitzers Herrn Land-
sturmarzt Dr. Braun in Fassau zur Verfügung gestellt worden.
*) ln Nr. 7 des dritten Bandes vom 24. Juli 1835. Ala Leitspruch für diese Nummer
wählte Schumann in feinsinniger Weise ein langes Zitat aus dem Werke: „Über Reinheit der
Tonkunst“, in dem Thibaut sich mit großer Wärme über den Wert von Volksliedern äußert.
4 ) Ein Teil von Kretzschmers handschriftlichen Sammlungen ruht in der Staatsbibliothek
in Berlin, während E. Baumstarks Nachlaß (laut einer freundlichen Mitteilung von Prof Dr.
Rudolf Schwartz in Leipzig) in der Universitätsbibliothek in Greifswald aufbewahrt wird.
Ä ) Einen bezeichnenden Einblick in Zuccalmaglios Denken geben die folgenden Sätze
aus seinen handschriftlichen Aufzeichnungen: „Durch Commer erfuhr ich von Berlin, daß
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
65
Deutsche Volkslieder mit ihren Original -Weisen. Unter Mitwirkung des
Herrn Professor Dr. E. Baumstark und mehrerer anderer Freunde der Volks-
Dichtung, als Fortsetzung des A. Kretzschmer'schen Werkes, gesammelt und
mit Anmerkungen versehen von A. Wilh. v. Zuccalmaglio. Zweiter Teil.
Berlin, 1840. Vereins-Buchhandlung.
Im ganzen werden in den beiden 1252 Seiten umfassenden Banden 699 Lieder
geboten, — eine imponierend große Zahl. Keine einzige vorher erschienene Samm-
lung deutscher Volkslieder mit Melodien hatte auch nur den zehnten Teil dieses
Umfangs erreicht, und auch nachher sollten mehr als 50 Jahre vergehen, ehe ein
Werk von ähnlicher Reichhaltigkeit veröffentlicht werden konnte (Erk-Böhme i. J.
1893). — Der Sammelfleiß Zuccalmaglios, Kretzschmers und Baumstarke ist hoch
zu bewerten, — verdanken wir ihm doch die Zusammenstellung einer größeren Reihe
wertvoller älterer und neuerer Volkslieder. 1 ) In philologischer Beziehung bleiben
allerdings viele Wünsche unerfüllt, und F, W. Gubitz’ Anzeige in der Vossischen
Zeitung: „Das Werk ist bereits anerkannt als klassisch, als das Gediegenste und
Vollständigste, was in diesem Bereiche unserer poetischen und musikalischen Litera-
tur existiert", zeigt, daß hier kein Fachmann gesprochen hat. Den Forderungen
der Genauigkeit und Zuverlässigkeit Btanden die Herausgeber in wahrhaft prae-
adamitiecher Unschuld gegenüber, und es waren gewiß gute Gründe, die sie veranlaßt
haben, die versprochenen Anmerkungen nicht zu liefern.
In der Vorrede versichern Kretzschmer und Zuccalmaglio, daß Text und Musik
von allen Zutaten freibleiben und allein durch schlichte volksgetreue Wiedergabe
wirken sollen. Diese Zusage ist nicht erfüllt worden, vielmehr stellte sich heraus,
daß A, W. von Zuccalmaglio bei seinen Volksliedern ähnlich vorgegangen ist wie
sein Bruder Vincenz — ein als „Montanus" am Rhein s. Z. weit bekannter Schrift-
steller — , der ea fertig gebracht hatte, in die erste Ausgabe seines Werkes: „Die
Vorzeit" (Sammlung Rheinländischer Sagen, 1836 erschienen) eine Fülle „erdichteter
Unwahrheiten", wie er selbst später entschuldigend eingesteht, einzuschwärzen. 2 )
der Kronprinz Kenntnis von meiner Volksliedersammlung genommen und das Verlangen
geäußert habe, mich kennen zu lernen. Ich muß gestehn, daß ich keine so große Lust hatte,
mit hohen Herrschaften bekannt zu werden, und daß ich die Sache auf eich beruhen lassen
wollte, bis ich im Herbst wieder nach Berlin ginge. Dort hatte ich die letzten Liederhefte
an den Verleger zu liefern. — Inzwischen war im Jahre 1840 Friedrich Wilhelm IV. König
geworden. Ich blieb aber den politischen Kreisen fern und kümmerte mich nur um die
Herausgabe meiner Volkslieder.“
*) Die große Zahl der Lieder hat es unmöglich gemacht, auch eine Klavierbegleitung
beizugeben, da das Format sonst unhandlich und der Druck zu kostspielig gewesen wäre.
In einem Satz für Männerchor aber erschien eine kleine Anzahl unter dem Titel: Samm-
lung der ausgezeichnetsten Volkslieder, herausgegeben von W. von Zuccalmaglio (W. von
Waldbrühl). Für vier Männerstimmen bearbeitet von Julius Rietz, Elberfeld und Leipzig,
im Dezember 1846.
*) Vgl.: Vincenz von Zuccalmaglio9 (Montanus’) Werke, I. Band: Die Vorzeit.
1. Teil: Sagen der Länder Jülich, Clewe, Berg, Mark usw., von Montanus, in wissenschaft-
licher Umarbeitung von Wilhelm von Waldbrühl. Bearbeitet und neu herausgegeben von
Rudolf Roth, Solingen, 1912.
Jahrbuch 1918 .
5
66
MAX FRIEDLAENDER
Auch die zweite Versicherung der Herausgeber: Kunstlieder sollen von vorn-
herein ausgeschlossen bleiben, wurde nicht eingehalten. Macht man sioh einmal
die Mühe, den Quellen nachzugehen, so findet man Gedichte von Johann Martin
Miller, Maler Müller, Goethe, Kosegarten, Jung-Stillrag, Grübel, Wilhelm Hauff,
Uhland, Justinus Kerner, Haug, Ernst Moritz Arndt, Jos. von Eichendorff, weiter
Kompositionen von Siegmund von Seckendorff, Jos. Drechsler, Johann Friedrich
Reichardt (von diesem besonders viele), von Friedrich Silcher und sogar von dem
* Berliner Buchhändler Friedrich Nicolai, der seine Melodien im „Feynen kleynen
Alm an ach“ 1777/78 in parodistischer Absicht geschaffen hatte. 1 )
Ihre Aufgabe als Herausgeber haben sich Kretzschmer und Zuccalmaglio leicht
genug gemacht. Außer Nicolais berüchtigtem Almanach — eine nicht gerade zu-
verlässige Quelle für jemanden, der echte Volkslieder sucht! *) — benutzten sie als
Vorlage u. a. Büsching und von der Hägens „ Melodien zu der Sammlung deut-
scher usw. Volkslieder" (1807), Ziska-ßchottkys „österreichische Volkslieder mit
ihren Singweisen" (1819), August Zarnacks „Deutsche Volkslieder mit Volksweisen“
(1818 — 20), Silchers „Deutsche Volkslieder für vier Männerstimmen“ (1825 — 36),
Kugler-Reinicks „Liederbuch für deutsche Künstler“ , (1833). Erwähnt haben sie
von diesen Quellen aber nur eine einzige, und sonst alles getan, um durch irre-
führende Bezeichnungen, die sie über die Melodien setzten, den Tatbestand zu ver-
schleiern. Wie wenig zuverlässig ihr Vorgehen war, zeigt u. a., daß sie statt Senfl:
Wölffl schrieben oder daß sie das Lied „In einem kühlen Grunde“ von Eichen-
dorff (1810), das Glück 18 14 komponierte, mit der Bezeichnung: „altdeutsch“ ver-
sahen. — Beide Bände haben mit allen ihren Fehlern die Grundlage für die meisten
Brahmsschen Volkslied bearbeitungen abgegeben.
Zuccalmaglio darf die Redaktion aller Lieder zugesprochen werden, die oben
über den Noten die Notiz tragen: „Aus den Bergischen“, „Vom Niederrhein“, Vom
Westrich“, „Westfälisch“ oder einfach „Deutsch“. Im Bergischen hatte er von
Jugend an gesammelt, was er selbst erlauschen oder nachschreiben konnte, und hier,
glaubte er, müsse sich das deutsche Lied „am längsten und reichsten“ erhalten
haben. Über seine eigentliche Tätigkeit bei der Feststellung von Wort und Weise
und über die Herausgabe der Lieder erfahren wir nichts. So ist es gekommen,
daß seine Aufzeichnungen lange Zeit für Niederschriften nach dem Volksmund
gehalten wurden, die in seltener Vollständigkeit ein Bild von dem bergischen Volks-
ton und Volkslied gäben. In ZuccalmaglioB Fassungen trifft man aber auf Schritt
1 ) Mit einem Seitenblick auf Goethe und Bürger äußerte Nicolai über seine Melodien :
„Möge man sich in Weimar und Göttingen die Zungen daran zerbrechen.“ Brahms, der
von Nicolais Autorschaft nichts ahnte, hat zwei dieser fragwürdigen Weisen — er fand sie
bei Zuccalmaglio — als Volkslieder bearbeitet, nämlich: „Es ritt ein Herr und auch sein
Knecht“ und „Es ging ein Mägdlein zarte“.
*) Vgl. die Neuausgaben des „kleynen feynen Almanach“ von Georg Ellinger (ohne
Musik, Berlin 1888) und Johannes Boltes schönen Faksimiledruck mit den Melodien (Weimar,
Gesellschaft der Bibliophilen, 1918), ferner meinen Aufsatz: „Brahms 1 Volkslieder“ im Jahr-
buch der Musikbibliothek Peters, 9. Jahrgang 1902, S. 70.
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
67
und Tritt Verkünstelungen im Ausdruck, die unmöglich der Volksdichtung und
ihrem schlichten, natürlichen Ausdruck entsprechen. So heißt es einmal in dem mit
„Rheinländisch“ bezeichneten Liede: „Der Jäger längs dem Weiher ging“ (1,77):
Was schimmert dort im Grase feucht? Wohl Gold und Edelstein, mich deucht,
eine Wendung, die aus der Sprache der Gebildeten in das Lied hineingetragen ist
und gleich Zweifel an der Echtheit der volkstümlichen Herkunft weckt. Und wie
in diesem Lied, so geht es in vielen: man merkt, daß Zuccalmaglio wiederholt in
das Leben der einzelnen Gebilde eingrifF, daß er nicht nur besserte, ergänzte und
vervollständigte, sondern auch selbst neue Weisen und Worte gestaltete. Bekennt
er doch selbst 1 ), daß er da, wo ihm die Worte fehlten, diese „nach Gutdünken“
unterlegte, und fährt dann fort: „Manches, welches ich flüchtig aus der Erinnerung
aufgesetzt, zu welchem ich, da mir die richtige Wortunterlage fehlte,
eben die ersten besten mir passend erscheinenden Worte verband, ist
durch den Thibautschen Verein in alle Welt gewandert“, und ein andermal erzählt
er, Karl Simrock (der bekannte Germanist, Dichter und zuverlässige Herausgeber
der rheinischen Volkslieder) habe sich in früheren Jahren einmal durch ihn an-
führen lassen 2 ), und zwar dadurch, daß Simrock „Worte, welche ich unter eine
wunderbare Volksweise ohne sonderliche Wahl gelegt hatte, für echt hielt und als
Muster reinster Volksdichtung pries. Ich hatte bei dieser Wortunterlage freilich
nicht die Absicht gehabt, ihn oder irgendeinen Menschen zu hintergehen. Ich hatte
die schönen Weisen gehört und aufgeschrieben, batte die Worte nicht mit aufgefaßt
oder nur sehr mangelhaft auffassen können. Zudem legte ich denselben damals
keinen besonderen Wert bei. Es nahmen mich nur die wundervollen, eigentüm-
lichen Gesangsweisen und Tonreihen in Anspruch. Später habe ich dann auch,
durch Arnold namentlich angeregt, versucht, so viel als möglich die Worte nach
dem VolksBinne herzustellen. Bei vielen ging das nur mangelhaft, doch ist die
Hauptsache, die Weise, der Inhalt des Liedes getreu wiedergegeben. Da doch jedes
Lied mehrere Sangarten, seine Varianten hat, mag man mir verzeihen.“ 3 )
s ) In den oben erwähnten handschriftlichen Aufzeichnungen.
*) Zuccalmaglio meint damit sein Kunstlied: „Verstohlen geht der Mond auf a , das
Simrock in seinem Buche: Der Rheinländer (1840) als „Bergisches Volkslied“ abgedruckt
hat. — Es braucht kaum erst hinzugefügt zu werden, daß ein Kenner von Simrocks Range
bald darauf auf die Schliche Zuccalmaglios gekommen ist und ihn ähnlich scharf angegriffen
hat wie Hoflmann von Fallersleben und Erk.
*) Bei dieser Gelegenheit erzählt Zuccalmaglio auch von einem offiziellen Attest über
eines der von ihm angeblich „gesammelten Volkslieder“ : „Da Simrock in seinem Volkslieder-
buch auch das Lied ,Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht 1 in Verdacht hatte, von mir
unterschoben zu sein, ließ ich es in Wiesdorf am Rhein, wo es noch gesungen wird, auf-
schreiben, ließ die Abschrift durch den Bürgermeister des Ortes amtlich bescheinigen und
sandte diese Urkunde durch Arnold dem Gelehrten zu, — wohl das einzige Volkslied, das
amtlich außer Zweifel gestellt ist. Übrigens ist das Lied wohl am Siebengebirge entstanden,
da das Blaublümelein (die stilla bifolia) dort am nördlichsten vorkommt“ — Es mag Zuccal-
maglio, der stets den Schelm im Racken hatte und sich so gern maskierte, nicht gerade
schwer geworden sein, dem Dorfschulzen von Wiesdorf Kinder vorzuführen, denen er das
5 *
t
68
MAX FBI E1) LA ENDE tt
Wir sehen daß Zuccalmaglio .selbst empfand, wie äußerst bedenklich sein Ver-
fahren war. Im übrigen verwahrte er sich doch dagegen, daß sich „einige Kunst-
richter in dem Glauben steiften“, er habe alle Volkslieder seiner Sammlungen in
Weisen und Worten selbst gemacht „Sie bedachten kaum“, schreibt er, „daß sie
mich dann zu einem großen Dichter und Tonsetzer machen, dem deutschen Volke
aber nur die mittelmäßigsten Gassenhauer zuschieben würden. 1 )
Es ist oft schwer zu entscheiden, welche Lieder und Liedteile Zuccalmaglio
verändert oder selbst geschaffen hat, denn kaum ein anderer hat sich so in Emp-
finden und Ausdruck des Volkslieds eingelebt, wie er. Bestlos wird die Frage wohl
erst geklärt werden, wenn sich aus Z.’s Nachlasse Handschriften finden sollten, die
über Vorlage und Bearbeitung sichere Auskunft geben. Bis dahin sind wir auf
stilkritische Untersuchungen und Vergleiche angewiesen, für die hier einige Eicht-
linien gegeben seien.
Am überzeugendsten läßt sich aus der Textkritik auf eigene Zutaten Zuccal-
maglios schließen. Wenn in dem Liede: „Es wollte ein Mädchen die Lammeriem
hüten im Holze“ (Deutsche Volkslieder 2, 149) gesungen werden soll:
Waldvögelein sitzen im grünen Busche und spielen,
Der Eichbaum schattet dorten hernieder so kühle,
dann fühlt man die ebenso sorglose wie flüchtige Hand des Verfassers. Ungeschickte,
stark verkünstelte Wendungen begegnen auch sonst in außerordentlich vielen Fällen,
von denen hier nur erwähnt seien:
1 , 64 : Auf den Polstern, auf der Bank,
Von den Gluten grell umschimmert,
Einer seufzet, einer wimmert,
Gräßlich ist der Qualendrang.
1, 77 : 0 Jäger, laß den goldnen Reif,
Die Diener regen schon den Streif.*)
1, 174: Wohlan! Ich willfahre dem Wunsche dein.
1, 175 : Wohl sieben Jahre nach der Tat
Sie solche bitter bereuet hat.
Der erste starb auf dem Morgengeläut,
Man grub ihre Grube zur Taueszeit.
Lied „Es fiel ein Reif“ einstudiert hatte, und trotz Attest und Bürgermeister kann kaum ein
Zweifel darüber obwalten, daß Zuccalmaglio das Lied selbst gedichtet und sich, wie so oft,
hinter dem Deckmantel des Volksliedes versteckt hat. — Die oben im Text und in dieser
Fußnote in Gänsefüßchen abgedruckten Sätze aus Zuccalmaglios Memoiren entnehme ich
einem pietätvollen Aufsatz, der mir durch den verehrten Autor zugesandt worden ist, nach-
dem mein Artikel bereits in Druck gegeben war; er rührt von dem oben erwähnten Neffen
Zuccalmaglios: Dr.A.H. Braun her und ist unter der Überschrift: „Ein verschollener Volks-
liedsammler“ in der Stuttgarter Neuen Musik-Zeitung 1919, Heft 1, S. 7 ff. erschienen.
*) Vgl. Zuccalmaglios handschriftliche Aufzeichnungen, Blatt 40.
*) Mit gewohnter Unzuverlässigkeit setzt F. M. Böbme beim Abdruck des Liedes (Erk-
Böhmes „Liederhort“ 1, 35) statt Streif: Schweif.
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
69
1, 177:
1, 357 :
1, 439:
2, 153: Er nahm das Mädchen bei der Hand
Und gab ihr einen Kuß gewandt.
2. 157 : Die weiße Spur hindeutet zur Tür.
2, 172 : Freundlich tät sie empfangen ihn,
Gab stracks ihren Willen drein.
2, 182: Der Overstolz starrt gleich einem Leuen
Des soll sich keiner der Feinde erfreuen.
Das Ungemach, das ich trage
O zieh ein Beistand uns einher,
O Führer der Heerscharen heer,
Du stürzest die in ew’ge Nacht,
Die sich gen Gottes Licht gewagt.
Die lügenden Zungen, sag, konnten sie nicht
Den reinen Namen unbefleckt lan?
Man könnte diese Blötenlese verfehlter Ergänzungen und Zusatze, die Beispiele
aus un poetischen, trockenen Wendungen verhundertfachen und auf einen flüchtigen,
höchst unzuverlässigen Bearbeiter schließen. Das Bild, das sich so ergeben würde,
wäre aber keineswegs vollständig. Zuccalmaglio ist gewiß ein unbedenklicher und
schnellfertiger Schriftsteller, aber anderseits, und das darf man nicht außer Acht
lassen, auch ein Dichter, der in glücklichen Stunden den Volkston geradezu meister-
haft: packend und doch einfach und natürlich im Ausdruck zu treffen weiß.
Wiederholt hat er einzelne Verse eines Volksliedes benutzt, um sie selbständig
weiter zu führen oder neu zu gestalten. So fand er im Volksliede: „Laß doch
meine Jugend, meine Jugend floriren“ : ) als 5. und 6. Strophe die folgenden Verse :
*) Vielleicht schon vor 1810 aufgezeiohnet ; abgedmckt ist es u. a. in Erks neuer
Sammlung Deutscher Volkslieder, 4. und 5. Heft, S. 54; ferner in Ditfurths Fränkischen
Volksliedern' 2, 276 und in etwas anderer Form in Hoffmann-Richters Schlesischen Volksliedern
(1840) S. 247.
2, 184:
2, 287 :
2, 341 :
Herr Diehter traun ist ein Gesell,-
Der Pfaff will Fürstenherrlichkeit.
Und allen Pfaffen solle so gehen,
Die fürder uns im Wege stehn.
Spielen wir auf der Zither,
Trotz dem Ungewitter,
Streiten wir gegen Jupiter
Mit des Donners Kraft.
(angeblich „mündlich in Andern gehört“)
Da Hegt ein Specht wohl auf dem Grund,
Todeswund,
Nimmer wird er wohl gesund.
Ich könnte wohl gesunden
Durch den Genuß von einem Kuß
Von meinen Herzenswunden.
70
*
MAX FRIEDLAENDER
„Brüderchen, ach Brüderchen, wann gehn „Nur noch einen Walzer, einen Walzer
wir nach Haus?“ zuletzt!
„Früh, wenn der Hahne kräht, Seht mal, wie hübsch und nett
Der Tau auf dem Felde steht: Mein Mädchen sein Füßchen setzt!
Brüderchen, ach Brüderchen, dann gehn Nur noch einen Walzer, einen Walzer
wir nach Haus!“ zuletzt!“
Von diesem lustigen Kehraus, der dem Liebchen fröhliche Abschieds worte
nachruft, übernahm Zuccalmaglio die ersten vier Zeilen, gab aber dem Liede eine
neue Wendung und einen ungleich tiefer greifenden Ausgang:
1. „Schwesterlein, Schwesterlein, 3. „Schwesterlein, Schwesterlein,
Wann gehn wir nach Haus?“ Wohl ist es Zeit?“
„Morgen wenn die Hahnen krähn, „Mein Liebster tanzt mit mir,
Wolln wir nach Hause gehn, Geh’ ich, tanzt er mit ihr,
Brüderlein, Brüderlein, Brüderlein, Brüderlein,
Dann gehn wir nach Haus.“ Laß du mich heut!“
2. „Schwesterlein, Schwesterlein, 4. „Schwesterlein, Schwesterlein,
Wann gehn wir nach Haus?“ Was bist du blaß?“
„Morgen, wenn der Tag anbricht, »Das macht der Morgenschein
Eh* endet die Freude nicht, Auf meinen W&ngelein,
Brüderlein, Brüderlein, Brüderlein, Brüderlein,
Der fröhliche Braus.“ Die vom Taue naß.“
%
5. „Schwesterlein, Schwesterlein,
Du wankest so matt?“
„Suche die Kammerttir,
Suche mein Bettlein mir,
Brüderlein, es wird fein
Unterm Rasen sein.“
Wie reich und geschlossen wirkt diese Umdichtung, wie ergreifend die drama-
tische Spannung, die von höchster Lebenslust zur Todesmattigkeit hinabsinkt, wie
fein ist das Motiv der Eifersucht in der dritten Strophe verwandt! Das dämonische
Element fehlt nicht; schon in den ersten Strophen ahnt man, daß es der Tod ist,
■
mit dem das Mädchen tanzt. Wie in den größten Balladendichtungen: Donna
Lombarda, Großmutter Schlangenköchin, Edward, Oluf, Erlkönig wird auch hier
keine Erzählung geboten, sondern eine fortschreitende Entwicklung durch Rede und
Gegenrede. 1 )
Noch eine andere Meisterschöpfung Zucealmaglios zeigt diesen inneren Reich-
tum an Stimmung und Ausdruckskraft, nämlich das oben bereits erwähnte Lied:
1. Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht, 2. Ein Knabe hat ein Mädlein lieb
Wohl über die schöne blau Blümelein, Sie liefen heimlich vom Hause fort,
Sie sind verwelket, verdorret. Es wußte nicht Vater noch Mutter.
J ) In Georg Reickes Drama „Blutopfer“ (1917) spielt das Lied „Schwesterlein“ eine
bedeutende Rolle. Wie der Dichter mir mitzuteilen so freundlich war, hat ihn die Bezeich-
nung des jüngsten Sohnes des Hauses als „Brüderlein“ auf unser Lied gebracht; mit dem
neueren Zuccalmaglioschen Texte machte er die Verse zum Grundmotiv seines StückeS, so daß
ihr leiser Ton und Klang sich durch das Ganze hindurchzieht.
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
71
3. Sie liefen weit ins fremde Land
Sie hatten weder Glück noch Stern,
Sie sind verdorben, gestorben.
4. Auf ihrem Grab Blaublümchen blühn,
Umschlingen sich treu wie im Grab,
Der Reif sie nicht welket, nicht dörret. 1 )
■ "
Auch dies ein Kunstlied, kein Volkslied. Man merkt es an der ungewöhnlichen
Intensität des Ausdrucks, an der Knappheit und Gespanntheit der Erzählung, an
der genau abgewogenen Steigerung. Vergleicht man: „Es fiel ein Reif“ mit einem
ausgezeichneten Volksliede, etwa mit dem „Überläufer“ aus dem „Wunderhorn“:
1. In den Garten wollen wir gehen,
Wo die schönen Rosen stehen,
Da stehn der Rosen gar zu viel,
Brech ich mir eine wo ich will.
2. Wir haben gar öfters beisammen gesessen,
Wie ist mir mein Schatz so treu gewesen !
Das häfct ich mir nicht gebildet ein,
Daß mein Schatz bo falsch könnt sein.
3. Hört ihr nicht den Jäger blasen
In dem Wald auf grünem Rasen,
Den Jäger mit dem grünen Hut,
Der meinen Schatz verführen tut.
so tritt noch mehr das Künstlerische, Geschlossene und Überlegte der Schöpfung
Zuccalmaglios im Gegensatz zu der lässigen metrischen Form und der Absichtslosig-
keit des Volksliedes hervor. In Zuccalmaglios Dichtung ißt die Naivität des Volks-
liedes auf ein mit Künstleraugen gesehenes Erleben übertragen, die Volkslied technik
steht hier gleichsam im Dienste der Kunst, sie gibt nach Herders Mahnung: „Verbum,
Leben, Handlung, Leidenschaft“. 2 )
J ) Zuerst gedruckt in der von Heines Jugendfreunde J. B, Rousseau herausgegebenen
Zeitschrift: Rheinische Flora, Blätter für Kunst, Leben, Wissen und Verkehr, Nr. 15 vom
25. Januar 1825, mit der Bemerkung des Einsenders : Im Bergischen aus dem Munde des
Volkes aufgeschrieben von Wilh. von Waldbrühl. (Der Angabe „aus dem Munde des Volkes*
traute der genaueste Kenner der rheinischen Volksges&nge, Karl. Simrock, so wenig, daß er
bei der Aufnahme des Liedes in seine berühmte Sammlung „Deutsche Volkslieder* (1851)
S. 94 ausdrücklich vermerkte: „Nicht verbürgt“ und es auch nicht in seinem Register ab-
druckte. Auch Hoflinann von Fallersleben, Ludwig Erk und Ernst Meier erklärten die Verse
für „gemacht“, Meier verwies in seinen „Schwäbischen Volksliedern“ (1855) S. 144 auf ein
Volkslied, von dem er irrtümlich vermutete, daß es Heine als Quelle gedient habe.) — Später
hat Heine das Gedicht mit kleinen Veränderungen in den ersten Teil seines „Salons“ (1834)
aufgenommen, und zwar mit einer irreführenden Vorbemerkung. — Angeregt durch „Es fiel
ein Reif“ hat Heine zwei Vierzeiler als dramatischen Eingang gedichtet: „Entflieh mit mir
und sei mein Weib“, ferner zwei andere als lyrischen Schluß: „Auf ihrem Grab, da steht eine
linde“ und das Ganze mit „Tragödie“ überschrieben. Mendelssohn komponierte diese drei
Gedichte als Quartett für Sopran, Alt, Tenor und Baß (Op. 41 Nr. 2).
*) Zu „Es fiel ein Reif“ veröffentlichte Zuccalmaglio später in Beinen „Deutschen Volksliedern 11 1, 148 (1810)
eine angeblich rheinländische, in Wirklichkeit vonZ. seihet herrührende schwermütige, eindrucksvolle Melodie, welche
auf zwei alten Volksweisen fußt, nämlich: „Es ging ein Müller über Feld“, gedruckt 1782 in J. F. Reichardts Musi-
kalischem Kunstmagazin 1, 100, and zu: „Es fuhr ein Fuhrknecht Übern Rhein“, nufgezeiclinet 1807 durch Leo von
Beckendorff, abgedruckt u. a. bei Erk-Böhme, 1, 668. — „Es fiel ein Reif“ wird u. a. in dem Buche behandelt :
„Zur Einführung in das Deutsche Volkslied“ von Karl Leimbach, Lic. theol. Dr. phil., Direktor des Gymnasiums
und Realgymnasiums, sowie des pädagogischen Seminares zu Goslar, Ephorus der Loccumer Erziehungsanstalt zu
Goslar. — Die Ausführungen des viel betitelten Autors bieten ein wahres Musterbeispiel unpoetischer Pedsnterei,
das zur Erheiterung der Leser hier abgednickt sei: „Die erste Strophe zeigt im Bild das Schicksal eines ohne
Elternsegen geschlossenen, durch heimliche Entführung ermöglichten, dafür aber auch durchaus unglücklichen,
durch den frühen Tod beider Gatten gestraften, Liebesbundes; ln der Strophe 2 und 3 wird die Tatsache ohne
weiteres Bild fortgesetzt. Und doch ist etwas Rührendes an diesem Bunde ; sie sind in aller Armut und Not,
Ln aller Verlassenheit, fremd unter Fremden, bis in den Tod sich treu geblieben. Auf ihrem Grabe wachsen die
Blumen, welche treue Liebe versinnbildlichen, ohne vom Frühreife geschädigt zu werden. Der Flach scheint
zurückgenommen worden zu sein: die Toten ruhen in Frieden, und auf ihrem Grabe schlingen alch die blauen
Blü allein eng aneinander. 1 *
72
MAX FRIEDLAENDER
Und wie kunstvoll wird der Kehrreim nach der Stimmung der einzelnen
Strophen Variiert! Zuccalmaglio verstand wie kaum ein anderer, die Verse auf den
Refrain hin zuzuspitzen und das ganze Lied in einem einzigen crescendo nach'
dem Schlüsse hin zu steigern. Von den vielen Beispielen guter wirksamer Kehrreime
mögen hier außer denen in „Schwesterlein" und „Verstohlen geht der Mond auf"
noch einige besonders charakteristische angeführt sein:
2, 86 : Es trieb ein Schiffer wohl über die Brück,
Edele, edele Rose!
Er hat nen Geldsack auf dem Rück,
Berg und Tal, kalter Schnee,
6
Herzlieb scheiden und das tut weh.
2, 193: Es freit der Wassernixe,
Feins Mädchen!
Des Königs Töchterlein.
Feins Mädchen!
Er freit der Jahre sieben,
Hat’s bis ins achte getrieben.
Die Weiden rauschen.
2, 141:
Nachtigall, sag, was für Grüß,
Was ist dein Gesang so süß?
So schaurig, so schaurig.
Bald tut wohl mir dein Gesang,
Bald wird’s in dem Herzen bong!
So schaurig, so schaurig.
Daß aber neben gelungenen auch weniger glückliche Einfälle Btehen geblieben
sind, ist bei Zuccalmaglios schneller Art zu arbeiten nicht verwunderlich. So findet
man Refrains wie:
2, 79
oder 2, 681
Und was sein Versprechen, er wird 69 doch brechen,
Die Weide bieget sich jedem Wind.
Dem Himmel will ich klagen
Meine Leiden und“ mein Zagen,
Mein Liebblaublümeleiu !
f
Wie Zuccalmaglio in „Schwesterlein" aus dem lustigen Kehraus ein tragisches
Abschiedslied schuf, so griff er auch bei andern Liedern ein und vervollständigte
und besserte, wo er Lücken oder unbefriedigende Ausklänge fand.
Am Rhein hörte er einmal ein Lied ; *)
1. „Ich wünscht es wäre Nacht,
und mein Bettchen wäre gemacht,
wollt ich zu meim Schätzchen gehn
und bei ihr am Fenster stehn,
bis sie mir aufraacht.“
2. „Wer ist denn dafür?
Wer klopfet an die Tür?“ —
„Schönster Schatz, und ich bin hier,
3.
„Die Tür ist schon zu,
’s schläft alles in der Ruh;
denn du weißt, daß bei der Nacht
Niemand die Thür aufmacht: •
komm morgen früh ! “
4.
ich ko
mach :
H|ll
aus Lieb zu dir:
ir auf die Tür! “
„Morgen früh hab ich keine Zeit,
da sehn mich alle Leut.
Hättet du mir in dieser Nacht
einmal die Tür aufgemacht,
hätt es mich erfreut.“
5. Schönes Geld und schönes Gut,
hübsche Mädchen, die sind gut.
Wenn mein Schatz einen andern liebt,
bin ich auch nicht betrübt,
scher mich nichts darum.
*) lloffinann von Fallersleben hatte es bereits 1819 als Bonner Student im Mosel tale
aus dem Volksmunde notiert.
ZUCCALMAGL10 UND DAS VOLKS UED
73
Dieser echt volkstümliche, nicht gerade tief gehende Dialog am Fensterl gefiel
ihm offenbar nicht, und so dichtete er danach einen neuen Text, das „Vergebliche
* Ständchen“:
1. „Guten Abend, mein Schate, 3. „So kalt ist die Nacht,
Gaten Abend, mein Kind! So eisig der Wind,
Ich komm aus Lieb zu dir, Daß mir das Herz erfriert,
Ach, mach mir auf die Tür, Mein Lieh erlöschen wird;
Mach mir auf die Tür ! “ öffne mir, mein Kind ! “
2. „Meine Tür ist verschlossen, 1 ) 4. „Löschet dein Lieb,
Ich laß dich nicht ein; Laß sie löschen nur!
Mutter, die rät mir klug, Löschet sie immer zu,
Wärst du herein mit Fug, Geh 1 heim zu Bett, zur Ruh,
Wär’B mit mir vorbei ! “ Gute Nacht, mein Knab ! “
Bei Zuccaltnaglio ist aus dem einfachen Volksliedchen ein kleines Meisterwerk
geworden, alles scheint gedrungener und feiner, und nur die Worte „mit Fug“ ver-
raten noch die Entstehung in der Studier stube. Der hohe Wert einer solchen be-
scheiden und anonym herausgegebenen Umdichtung tritt so recht bei dem Vergleich
mit ähnlichen durch Rudolf Kleinpaul 1 ) und Gustav Legerlotz 8 ) veröffentlichten
Versuchen hervor, die zwar anspruchsvoll auftreten, aber ohne Ausnahme unkünst-
lerisch geraten sind und zum Teil unfreiwillig komisch wirken. — In der Kompo-
sition von Brahms (Op. 84, Nr. 4), der Zuccalmaglios Autorschaft nicht merkte,
ist „Vergebliches . Ständchen“ eines der schönsten und meist gesungenen , Lieder
geworden.*)
Auch sonst versucht Zuccalmaglio, fragmentarisch überlieferte Texte oder ab-
gebrochene Schlüsse zu vervollständigen oder besonders einprägsamen Melodien einen
neuen Text unterzulegen. So las er einmal, Beethoven habe in seinem Septett
Op. 20 das Thema des fünften Satzes:
*) Diese beiden Anfangszeilen der zweiten Strophe übernahm Zuccalmaglio dem Volks-
liede „Ach englische Schäferin, erhör mein Bitt" aus dem zweiten Bande seiner Samm-
lung, 352.
*) „Von der Volkspoesie, nebst ausgewählten echten Volksliedern und Umdichtungen
derselben, 2. Auflage, Barmen 1870.
*) „Aus guten Stunden, Dichtungen und Nachdichtungen", Salzwedel 1886, ferner „Aus
Heimat und Fremde, Nach- und Umdichtungen", wissenschaftliche Beigaben zu den Jahres-
berichten des Königlichen Gymnasiums zu Salzwedel, 1895/96.
4 ) Von unseren Konzertsängerinnen gelingt es nur wenigen, das Lied auch dramatisch
wirksam zu charakterisieren. Da, wo der Bursch durch seine Drohung den brutal empfindenden
Gesellen herauskehrt, gewinnt das Mädchen seine Würde und Sicherheit wieder, um mit
überlegen -spöttischen Worten ihren ungestümen Liebhaber abzufertigen. Und Brahms unter-
streicht das noch: Nach den Worten:
„Mein Lieb erlöschen wird,
Offne mir, mein Kind"
erklingt im Klavierritornell ein übermütiges Lachen, das ohne weiteres in die schnöde Ab-
weisung des Liebhabers einlenkt.
74
MAX FRIEDLAENDEß
einem rheinischen Volksliede entnommen. Die Tatsache ist nicht beglaubigt. Wegeier
und Ries, die als Rheinländer Kenntnis gehabt haben sollten, erwähnen nichts dar-
über, und ein Philologe von der Bedeutung Nottebohms zweifelt an der Richtigkeit
(Beethoveniana 2, 491). — Für Zuccalmaglio aber, der die Melodie im Volksmunde
nicht wiederfand, hatte' jene Andeutung genügt, um der Weise einen eigenen Text
unterzulegen und ihn als Volksdichtung auszugeben:
„Ach Schiffer, lieber Schiffer, Lieb Schwester wird mich retten,
Stoß noch nicht ab, o mache halt. Da kommt sie hergewallt.“ 1 )
(Vgl. Kretzschmer -Zuccalmaglios Deutsche Volkslieder 1, 181).
Bezeichnend für die Unzuverlässigkeit Zuccalmaglios ist auch die Tatsache,
daß er die schöne niederländische Ballade „Mooi Aaltje“, die er in Hofimann von
Fallerslebens Horae belgicae 2, 164 fand und ins Deutsche übertrug, in seine
„Deutschen Volkslieder“- 2, 74 aufgenommen und mit neuer Melodie und der Über-
schrift: Vom Niederrhein versehen hat. — Wenn Zuccalmaglio Unebenheiten glättete,
wie sie noch heute im Volksliede überall zu finden sind, oder wenn er ergänzte, 2 )
wo die Erinnerung seiner Sänger nachließ, so ließ er weder literarische noch wissen-
schaftliche Kritik gelten. In seiner Freude am Ändern und Neudichten ging er
weit über <Ja9 hinaus, was Arnim und Brentano beim „Wunderhora“ gewagt hatten. 8 )
Er glaubte, daß der Herausgeber die Volkslieder einfach als Grundlagen für eigene
Schöpfungen benutzen dürfe. 4 ) In einigen (nicht gerade häufigen) Fällen Wär aber
J ) Ale Vorbild für seine Dichtung benutzte Zuccalmaglio wahrscheinlich ein Behr Ähn-
liches Lied Friedrich Haugs in dessen Poetischem Lustwald 1819, 8. 264, dem er auch den
oben gespreizten Vers: „Da kommt sie bergewallt“ entnahm. Gleichen Inhalt haben die
echten rheinischen Volkslieder von Schiffmann, die Zuccalmaglio selbst in seiner Sammlung
2, 54 und später Karl Simrock in den „Deutschen Volksliedern“ S. 90 abgedruckt haben. —
Vergl. noch Johannes Boltes Anmerkung zu dem Text im Volksliederbuch für gemischten
Chor 2, 837 zu Nr. 514.
*) Es sei hier an die Ergänzungen der Torsi aus dem klassischen Altertum erinnert,
die bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts so beliebt waren.
*) Man vergleiche u. a. Achim von Arnims unerfreuliche Bearbeitung des Volksliedes:
„Zu Coblenz auf der Brücke“ im „Wunderhorn“ und ebendort die völlig mißglückte Um-
dichtung der „beiden Königskinder“:
Es wirbt ein schöner Knabe
Da überm breiten See
Um eines Königs Tochter,
Nach Leid geschah ihm Weh.
Wenn freilich Johann Heinrich Voß das Wunderhorn einen „zusammengeschaufelten Wust
voll mutwilliger Verfälschungen“ nannte, so ging er über alles Maß hinaus. — Eingehende
Auskunft über die einzelnen Lieder bringt Karl Bodes verläßliches Werk: Die Bearbeitung
der Vorlagen in „Des Knaben Wunderhorn“, Berlin 1909.
*) Nicht ohne Humor ist es, zu sehen, daß auch einmal Zuccalmaglio selbst zugefügt
worden ist, was er Andern getan hat: Felix Mendelssohn-Bartholdy, der bei seinen Liedertexten
immer gern willkürlich änderte, tat dies auch bei dem, von ihm komponierten, oben bereits
erwähnten Gedichte Zuccalmaglios: „Ö Jugend, o schöne Rosenzeit“. U. a. findet man unter
Mendelssohns Noten (Op. 57, Nr. 4) statt Z.'b Original versen :
ZUCCALMAGL10 UND DAS VOLKSLIED
75
das selbständige, in Wesen und Eigenart volkstümlicher Kunst tief eindringende
Empfinden so stark in ihm, daß er auch Melodien verändern und neu zu kompo-
nieren vermochte, ohne ein fremdes Moment in den Organismus des Liedes zu
tragen. 1 ) Wenn er gar völlig frei aus Eigenem schaffen konnte, gelangen ihm wahr-
haft volkstümliche, ergreifende Weisen wie: „Verstohlen geht der Mond auf“.
Im einzelnen ist es nicht immer leicht, Zuccalmaglios Redaktion der Weisen
festzustellen, und aus der Fülle seiner Lied auf Zeichnungen seine eigenen Zutaten
herauszuschälen. Einige glückliche Funde geben aber einen Blick in seine musika-
lische Werkstatt So hörte er zu dem oben S. 70 erwähnten Liede im Volke die
nachstehende Melodie 1 ):
Laßt nur der Ju-gend, der Ju-gend, der Ju-gend ih-ren Lauf, laßt nur der
Brüderchen, ach Brüderchen, wann gehn wir nach Haus, Brüderchen, ach
(Fine)
Ju - gend, der Ju - gend ih - ren Lauf.
Brüderchen, wann gehn wir nach Haue '{
Klei - ne
Früh
M& - del wach - een
wenn der
im - mer wie - der auf, laßt nur der Ju - gend ih • ren Lauf.
Hah - ne kräht, der Tau auf dem Fel - de steht
D. C.
al Fine
Bei der Wiederholung in der zweiten Strophe heißt es am Schluß: „Dann gehn wir
nach Haus*.
Aus ihr benutzte er die beiden wiederholten Takte de9 Mittelsatzes, denen er
aus Eigenem den rhythmisch fein ge formten, stimmungsvollen Beginn und Schluß
Zwei Grübchen der Wangen, ein Grübchen in dem Kinn,
Darin ist gefangen mir mein leichter Sinn,
Ein Grübchen auf dem Herzen, da muß ich noch hinein,
Wenn ich doch ohne Gnade gefangen muß sein,
die folgende vom Komponisten herrührende, nicht gerade glückliche Variante:
Die Grübchen in den Wangen, das Grübchen in dem Kinn,
Drin war mir gleich gefangen mein ganzer leichter Sinn,
Und in die blauen Augen, aeh ich da recht hinein,
Da möcht ich mein Lebtag gefangen drin sein.
Wegen sonstiger Änderungen in dem Gedicht darf ich auf meine Textrevision zu Mendelssohns
„Sämtlichen Liedern“, Edition Peters, verweisen.
') Man könnte ihn da fast mit Johannes Brahms in Verbindung bringen, der auch
einmal aus einem alten katholischen Ohoralton: „Miserere mei tf sein herrliches Kunstlied
„In stiller Nacht“ entwickelte und als Volkslied ausgab, obwohl das Meiste und Beste daraus
von ihm selbst herrührte. In meinen Anmerkungen zum Volksliederbuch für gemischten
Chor 1, 752 habe ich hierüber ausführliches Material gebracht.
*) Aufgezeichnet u. a. in Ditfurths Fränkischen Volksliedern (2, 276).
76
MAX FRIEDLAENDER
beifügte; so entstand eines der ergreifendsten Lieder, welche die neue Musik uns
geschenkt hat:
Schwester -lein, Schwester- lein, wann gehn wir nach Haus? Mor-gen wenn die
Hah - nen krähn, wolln wir naoh Hau - se gehn, Brü - der - lein, Brö - der - lein,
dann gehn wir nach Haus. 1 )
In ähnlicher Weise verwendete Zuccalmaglio für sein berühmtes Lied »Die
Blümelein sie schlafen“ ein altes Weihnachtslied aus dem „Geistlichen Psalter“
(Straßburg 1697), das im Original so aufgezeichnet ist:
»■
ko - ren, sein ei-gen will ich sein. Ei - - a, ei - a, sein ei-gen will ich sein.*)
Diese Melodie übernimmt Zuccalmaglio für seinen neuen, wahrscheinlich ganz
von ihm gedichteten Text und gibt der Weise durch kleine Umänderungen noch
weichere, zartere Umrisse. Die Anfangstakte läßt er unberührt, dann aber vermeidet
er beim Aufstieg zur Dominante die alte feste V orhaltef ormel der Kadenz und führt
schon vom zweiten Takt an in schmiegsamen Bekundschritten zur Quintlage des
Dominantakkords:
Nun wiederholt er die ersten vier
Takte und geht dann noten getreu mit einer kleinen beweglichen Variante im vierten
Takt (h statt d) seiner Quelle nach, wobei er auch hier wieder die Ton Wiederholung
in Takt 6 (c — c) durch eine leichte aus der Unterterz hergeleitete Bewegung (a h c)
ersetzt. Auch dieser Teil schließt nicht in der typischen Formel der Kirchenmusik
mit Vorausnahme des folgenden Tons, sondern in leichter, volksmäßiger Kadenzierung:
f — Der Schluß, der im Kirchenlied an all die Lieder des
*) Unverständige Kritiker haben bei „Schwesterlein“ die Hervorhebung der Nebensilbe
„lein“ durch die Erhöhung des Tones und Verlängerung der Note bemängelt; sie bedachten
nicht, daß, ähnlich wie Mozart im Don Juan-Duett: La ci darem la mano („Reich mir die
Hand mein Leben“) und Weber in der Freischütz -Arie: „Durch die Wälder“, auch Zuccal-
maglio in seiner Melodie auf Sänger rechnete, welche die höher gelegte Note ohne jeden
Akzent, durchaus im piano zu Gehör brächten.
*) Abgedruckt ist die Melodie im VolkBliederbuch für gemischten Chor 1, 186.
ZUCCALMAfiLIO UND DAS VOLKSLIED
77
Kindel vriftgens mit ihren weichen schaukelnden Meliamcn erinnert, blieb im Charakter
und Tongeragt fast unverändert, nur noch kleine, durch den neuen Text bedingte
Varianten wurden angebracht:
Durch diese kleinen Umänderungen hat Zuccalmaglio» Lied eine freundliche,
weh wundervoll ansebmiegende Melodie bekommen, die in keinem Takt mehr auf
eine fremde Vorlage weist:
Und in di**er naiven, traulichen Weih nachts weise geht „Sandmännchen a i>och
heute zu allen Müttern, die ihre Kleinen in Schlaf und Traum »Ingen.
Noch tiefer griff Zuccalmaglio in die musikalische Vorlage xur „andächtigen
Nähterin 4 * rin. Hier schien ihm die bescheidene Durmelodie des Originals (abge-
d ruckt in Ditfurth* Frankwehen Volksliedern 2, 248) nicht zu dem Pwwionstext tu
passen. Seine dichterische Bearbeitung mit dem Beginn:
•) Zuccalmaglios Autogr»|>b ( da» oben im Kakdinil« wiedergegebeu wird. ist im Hwitx
de« Yerüjftcr* die*«* Auftatze*.
78
MAX FßLEDLAENDER
Die Elle und die bei der Nähterin ist,
Die bedeutet die Säule, Herr Jesus Christ*
0 edle Seele mein, wenn du bei Gott willst sein,
Betracht das bittre Leiden.
wollte sich nicht in die ursprüngliche Weise fügen, die so schwer mit anklingenden
Wendungen und Wiederholungen belastet ist:
Er übertrug deshalb die Melodie einfach nach Amoll, wodurch ihr ganzer
Charakter von Grund auf verändert und choralartiger und getragener wurde:
Wie der Vergleich mit der Vorlage zeigt, ist die erste Melodiehälfte bis auf
zwei Noten (d statt e, g statt h) unverändert geblieben. In der zweiten beginnt er mit
der Melodie Verlegung in die obere Terz und läßt dann eine eigene Weiterführung
folgen, die mit großem Geschick alle Wiederholungen vermeidet und doch in Haltung
und Führung noch in Verbindung mit der ursprünglichen Weise bleibt. Der Schluß
lenkt in strenger Kadenzierung nicht mehr zum Terzausklang, sondern zum Grund-
ton zurück. Eine stärkere Umarbeitung und Umgestaltung der Quelle ist kaum
denkbar. Zuccalmaglio erblickt in der Vorlage lediglich das Material zur selbständigen
Ausarbeitung und zur Umkleidung ßeiner Dichtung. Mit peinlichster Sorgfalt sieht
er darauf, daß Wort und Ton einander decken, daß der Affekt der Dichtung auch
in der Melodie zum Ausdruck kommt; um diese Übereinstimmung zu erzielen und
um die Weise auch rein musikalisch ergiebig und interessant zu gestalten, scheute
er vor keinem noch so willkürlichen Eingriff zurück. Er wollte seine Lieder in
möglichst vollkommener Form der Nachwelt überliefern, und dieser seltene musika-
lische und dichterische Zusammenklang war es auch, der einen Johannes Brahms
anzog und zur Bearbeitung bestimmte.
Und wie der Schluß des Liedes „Die Sonne scheint nicht mehr“ :
Das Feil - er brennt so sehr, die
Lie - be noch viel mehr
’) Vergleiche Volksliederbuch für gemischten Chor 1, 332.
ZUCCALMAGLIO UND DAS VOLKSLIED
79
nach dem allen Volkaliede: „Ich habe mein Feinsliebchen“ geformt ist:
so
» *
♦
lan - ge nicht ge - sehn, so lan - ge nicht ge - sehn. 1 )
Zuccalmaglio
weise *) :
Einzeln .
Chor.
U8W.
Es wohnt’ ein Mül -ler an je- nem Teich, lauf, Mül -ler lauf!
seinem Liede an: „Der Jäger längs dem Weiher ging“; dabei lost er die Veizögerung
im dritten Takt bei „lauf, Müller, lauf“ (es-d— d— c) in ein keckes Jauchzen auf
(b-f-f-d-), bei dem man den Burschen förmlich die Mütze in die Höhe werfen sieht:
Vo»ftnger.
Alle.
usw.
Der Jä - ger längs dem Wei- her ging, lauf J& - ger lauf, 3 )
Das Lied ist inzwischen durch das Volksliederbuch für Männerchor (1, 733)
und für gemischten Chor (2, 519) wie auch durch die Liederbücher der „Wander-
vögel“ weit verbreitet worden. Noch viele andere Vorlagen könnten angeführt
werden, die Zuccalmaglio umgeändert und zurechtgestutzt hat, um seinen Dichtungen
durch eine kleidsame und ansprechende volkstümliche Weise die Möglichkeit des
Lebens und Wirkens mit auf den Weg zu geben. Doch mag es an dem Gesagten
genug sein.
Unsere Untersuchung wollte das Verhältnis zwischen Volkslied und volkstüm-
') Schon 1806 gedruckt, oben in der Fassung Kretzschmer-Zuccalmaglios 1, 524.
*) Vergl. Erk und Irmer, Die deutschen Volkslieder mit ihren Singweisen 2, 13.
*) Mein Freund Dr. Georg Schünemann, dem ich sehr wertvolle Winke für diesen
Aufsatz verdanke, hat mich auf ein uni 1685 geschriebenes Liederbuch (Berliner Staats-
bibliothek Mscr. germ. oct. 230) aufmerksam gemacht; hier findet sich die älteste Quelle für
„Es wohnt ein Müller“ und „Der Jäger längs dem Weiher ging“, nämlich das „Bayrische
Hirtenlied“ :
Solo. Tut«.
P-If” m - m~ "f f
* H-f f f*-Fr— 1
J *-■ ■ ft— —
qr~- -£■ — ft £ 1
;.-.~=L. 1 : SEE =E= EEg
i U !
Schaug, Han - sei, schaug zu dei - ner Sach, laff, Han - sei, laff,
dessen Schluß
lie - her Han - sei
sowohl im Liede vom Müller wie bei Zuccalmaglio notengetreu wiederkehrt.
80
MAX FRIEDLAENDEB. ZUCCALMAGLIO OND DAS VOLKSLIED
lichem Lied an einem besonders lohnenden Beispiel klarstellen und dem lange
übersehenen, in seinem eigensten Werte kaum erkannten Dichter und Musiker zu
seinem Recht verhelfen. Der letzte Grund für alle seine Bearbeitungen und Ein-
griffe liegt nicht in einer bewußten Absicht zu fälschen — um dieses Wort einmal
auszusprechen — , sondern in seiner starken dichterischen und musikalischen Natur,
die aus dem Volkslied ihre beste Kraft schöpfte. Es war der Künstler in ihm,
der dem kritischen Herausgeber die Feder führte, und diesem Miterleben und Weiter-
gestalten volkstümlicher Motive verdanken wir einige unserer schönsten und ver-
breitetsten Lieder.
Totenschau für das Jahr 1918
zusammengestellt von Rudolf Schwartz
Abkürzungen der benutzten Quellen.
AMZ — Allgemeine Musik- Zeitung. ME = Musiker-Kalender (Baabe A Plothow).
Coe — Caeeüienvereinsorgan (Regensburg). MBS — Muslkal. Rundschau (Düsseldorf).
DMZ = Deutsche Musiker-Zeitung. Musa = Musi ca sacra (Regensburg).
DTZ = Deutsche Ton kD ns tler- Zeitung. NMZ = Neue Musik-Zeitung.
HKTZ — Hamburgische Konzert- u. Theater-Zeitung. NZ = Neue Zeitschrift für Musik.
Kl = Klavierlehrer (Musikp&dagog. BUUter). RMTZ = Rheinische Musik- und Theater- Zeitung.
KP = Konzert- Programme der Gegenwart (Frank- 8h — ßängerhalle (Deutsche S&ngerbundes-Zeitg.).
fort a. M.). 81 = Signale.
Kw = Kunstwart. 8t = Die Stimme.
MBH == Mitteilungen (Breitkopf A Hirtel). ZIB = Zeitschrift für Instrumentenbau.
MGKK= Monatschrift für Gottesdienst u.klrchl. Kunst. ZMW = Zeitschrift für Musikwissenschaft.
In der vorigen Totenachau sind au streichen:
HAGEN, ADOLF, Geh. Hofrat und LITZMANN, BERTHOLD, Geheimrat Prof. Dr.
ADAM ETZ-FRI EDO WSKY, EMMA, Opern- BIENERT, RUDOLF, Musiker, f 27. Januar
Sängerin a.D. -j- in Wien (81). NZ 102. in Baden-Baden (67). DMZ 34.
ADOLPHI, H., Direktor des Stadttheaters. ft BIENSTOCK, HEINRICH, Komponist,
f in Aachen (73). RMTZ 20; NMZ 39, f 15. Dezember in der Klinik in Tübingen
145. an einer Erkrankung, die er sich im Felde
AMALOU, AUGUSTE, Kapellmeister am zugesogen hatte (24). AMZ 572 u. ’19, 6;
Theater „Gattd-Lyrique*. f in Paris. NMZ RMTZ *19, 22; NMZ 40, 94; NZ 336.
39, 205. BOITO, ARRIGO, Dichter und Komponist.
ANGSTER, JOSEF, Orgelbaumeister, f in + 10. Juni in Mailand (76). NMZ 39,273;
Fünfkirchen in Ungarn (84). ZIB 38, 294. AMZ 320; RMTZ 175; NZ 184; DTZ 70;
APEL, HEINRICH, Großherzoglicher Hof- MRS VI, 8.
muaiker. f 24. März in Karlsruhe i. B. BORISCH, FRITZ, Königl. Kammermusiker.
(42). DMZ 90. f Februar in Berlin. DTZ 78.
ASTOR, EDMUND A., Musik Verleger, früh. BOULANGER, LI LI, KomponUtin. finBern.
Inhaber der Firma Bieter - Biedermaun. (23). St XII, 190; NMZ 39, 233.
f 12. November in Leipzig (74). NZ 303. BRAUER, MAX, Musikdirektor, f 2. Januar
BARTEL, RICHARD, Mitglied der Stadt- in Karlsruhe (62). NMZ 39, 145; 193; AMZ
theater-Kapeile. fia Danzig (54). DMZ 129. 19; DTZ 21 ; RMTZ 20; Kl 42.
BERGFELD, FRIEDRICH, Großherzoglicher ft BRAUNE, ALBERT, Solocellist in Coburg.
Hofmusiker, f im Mai in Neustrelitz (60). [31. Juni 19171] DMZ 288.
DMZ 143. BRENDEL, HEINRICH FELIX, Organist
BEYER, FRANZ GEORG, Musikdirektor. an der Friedenskirche und Musiklehrer.
+ 28. Januar in Oschatz (61). DTZ 39. + 3. Januar in Leipzig.
1 ) Die ein geklammerten Zahlen bezeichnen das Lebensalter. Bel Kw bedeuten die arabischen
Zahlen das betreffende Heft. Folgen swei Zahlen aufeinander, die durch ein Komma getrennt sind, so bezieht
sich die erste auf den Jahrgang der angegebenen Zeitschrift Wo nicht anders bemerkt, ist dio Todesstfltle
zugleich der Ort des Wirkungskreises des Gestorbenen, ft = starb den Heldentod.
Jahrbach 1918. (3
82 TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 1910
BRUNGERT, L. } Musikdirektor. + in Koes- |
feld. KP VII, 206,
BÜNGER, ADOLF, Musiklehrer, + 5. Sep-
tember in Berlin. DTZ 78.
BURK, MAX, Großherzoglicher Kammer-
musiker + 27. Mai in Karlsruhe i. B. (70).
DMZ 160.
BURKHARDT, GUSTAV, Musiker. + 8. Juli
in Dresden (73). DMZ 216.
BURKHARDT, HERMANN, KönigL Kam-
mermusiker a. D. + 4. September in Berlin.
DTZ 78.
BUSCH, H., Großherzogi. Musikdirektor.
-j- 23. Februar in Neustrelitz (57). DTZ 39.
CARL8TRÖM, GUSTAV WALFRIED, Hof-
kapellisl a. D. +11. September in Stock-
holm (77). DMZ 297.
CASPAR, HELENE, Musikpädagogin, + Juli
in Oetzsch bei Leipzig. Kl 113; NMZ 39,
293; NZ 184.
CATENHUSEN^ ERNST, Kapellmeister.
+ 9. Mai in Berlin (84). DTZ 54 ; St XII, 263.
COLLI, G1USEPPINA, Lehrerin am Kon-
servatorium. -j* in Zürich. NMZ 40, 51.
CORDS, KARL, Hof Opernsänger a. D. + 4.
November in Hamburg. AMZ 515; St XIII,
70; NMZ 40, 75.
GUI, CAESAR, Komponist. + in Moskau (83).
Si 600; NZ 254; DTZ 78; NMZ 40, 15;
RMTZ 256.
££ DAMMANN, HEINRICH, Organist, Ab-
solvent der Kirchenmusikschule in Regens-
burg. Musa 78.
DEBUSSY, CLAUDE, Komponist. + 27. März
in Paris (56). Si 288; AMZ 156; DTZ 38;
NZ 91 ; NMZ 39, 210; RMTZ 82; Kw
XXXI, 15; Cae 38.
DEGENER, MARGARETHE, Musik lehreri n.
+ 17. Mai in Leipzig (71). NZ 127; NMZ
39, 265.
DIBURTZ, REINHOLD, Musiklehrer. + 18.
Juni in Berlin (65). DTZ 70.
DIEDRICH, ALBERT, Großherzoglicher
Musikdirektor in Darmstadt. + 12. Juli in j
Bad Neuenahr (56). NZ 182; DMZ 206;
214; AMZ 351; DTZ 70.
DITTERICH, RICHARD, Ritter von, König],
Kammermusikus, + 4. August in München.
DTZ 71.
DOBRITSCH, KARL, Musiker aus Halle.
DMZ 67. !
EICH BORN, HERM ANN,Dr., Musikforscher,
Verfasser von „Die Trompete in alter und
neuer Zeit“ usw. + 15. April in Griea-
Bozen (71). NMZ 39, 265; NZ 127.
EISENREICH, WILHELMINE, Konzert-
sängerin. + in München. DTZ 70; St XIII,
23.
EISENRING, GEORG, Dr., Gesanglehrer.
+ 9. Oktober in Kreuzlingen im Thurgau (32).
ZMW 213; NMZ 40, 51.
ELSÄSSER, EVA, Harfenistin der städtischen
Kapelle in Chemnitz, + 4. Februar in „Rei-
boidsgrün“. DMZ 40.
ERLER, HERMANN, Musikverleger. +33.
Dezember in Berlin an den Folgen eines
Straßenbahnunfalls (74). AMZ 572;NZ336;
Kl *19, 11.
FALTIN, RICHARD, Komponist u. Prof, an
der Universität. + 1. Juni in Helsingfore (83)-
DTZ 70.
%
FASSEL, JOSEPH, Dekan und Kreisschu!-
inspektor, Pfarrer von Eppstein. + 17. Juli
in Wiesbaden (46). Musa 140.
FISCHER, FRANZ VON, Generalmusik-
direktor. + 8. Juni in München (69).
NMZ 39, 278; Si 444; AMZ 303; Kl 105;
NZ 152; DMZ 183; DTZ 70.
FISCHHOF, ROBERT, Prof, am Konser-
vatorium, Pianist. + in Wien (62). NZ 91;
AMZ 202; Kl 75.
FLEMMING, FRIEDRICH, Musiker. + 16.
Januar in Dresden (83). DMZ 22.
FRIEDRICH II., Herzog von Anhalt. +21.
April in Ballenstedt (61). NMZ 39, 233;
DMZ 134.
FRIEDRICHS, FRITZ, Bassist, Opernsänger
a. D. +15. Mai in einer Heilanstalt in
Königs'.atter (70). AMZ 282; MRS 55;
NZ 138; RMTZ 152; St XII, 263.
FÜRST, HANS, Stadtmusikdirektor. + in
Rothenburg o. T.“ (31). DTZ 71.
GAIGG VON BERGHEIM, Prof., Musik-
schriftsteller. + in Wien. DTZ 55.
GAILHARD, PIERRE, ehemaliger Direktor
der Großen Oper. + in Paris (70). Si 727 ;
NZ 277; RMTZ 272.
GALLI- BERRY, C., Musikdirektor. + in
Pontresina. KP VII, S. 82.
GÄRTNER, EDUARD, Professor, Gesangs-
pädagoge und Komponist. + 2. Juli in Wien
(97). Si 495; RMTZ 189; DTZ 71.
TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 1018
83
GAST, PETER, Komponist und Schriftsteller,
-j- 15. August inAnnaberg i. Erzgebirge (64).
NMZ 39, 317 u. 40, 129; AMZ 376; 394;
NZ 208; Kl 138; DTZ 68; RMTZ 220.
GERHARD, GEORG, Tonkünstler, Leiter
des Beethovenkonservatoriums und Bach-
vereins. *|* 15. Februar in Wiesbaden (54).
St XII, 215.
GERHARTZ, JOSEPH, Großherzogi. Hof-
opernsänger a. D. u. Gesanglehrer, f 19. Fe-
bruar in Leipzig. NZ 60; NMZ 39, 205;
St XII, 167.
GERHÄUSER-TORDEK, Frau ELLA, Kö-
nigl. bayerische Kammersängerin, f Sep-
tember in München. AMZ 411; DTZ 78;
NMZ 40, 15.
£ GILLHAUSSEN, GUIDO VON, Major
und Komponist, f in Berlin an seiner auf
dem westlichen Kriegsschauplatz empfange-
nen schweren Verwundung. AMZ 225;
DTZ 54; St XII, 215.
GLATT, IGNAZ, Domkapellmeister, f in
Fünfkirchen in Ungarn. Musa 78.
$ GMEINER, JULIUS, Gesanglehrer am
HochBchen Konservatorium in Frankfurt a.M.
f auf dem Rückmarsch in Klausenburg i. U.
AMZ 551; St XIII, 94.
GOTHEL, ERNST, Komponist und Theore-
tiker. +2. Mai in Pforzheim (49). NM Z39, 285.
GRÄFER, ROBERT, Musiker, f 19. Juli in
Waldenburg i. Schl. DMZ 216.
GRISSEMANN, JOHANN, Kapellmeister,
f in Meran (83). DTZ 30; St XII, 190.
GROB, KLARA, Pianistin. + in Zürich. NMZ
40, 51.
GURCKHAUS, LUDWIG, Musikverleger,
Inhaber der Firma Fr. Kistner. 21. Juli
in Leipzig (57). ZIB 38, 330; NZ 184;
DTZ 70.
HAFNER-LANDOLF, Organist. + in Zürich.
KP VII, 206.
HAMM, PAUL, Musiker in Köln.
HANDWERG, WILHELM, König!. Musik-
direktor und Komponist. + 7. Februar in
Berlin (76). Sh 51; DTZ 29; AMZ 74;
KI 42;
HANELT-BARTH, JOHANNA VON, ehe-
*
malige Opernsängerin. *)• 8. Februar in
Berlin (77). DTZ 38; St XII, 215.
HARCOURT, EUGENE d\ Komponist und
Dirigent, f ^ Paris (63). NMZ 39, 233.
HART LEB, GUSTAV, Musiker, f 2. De-
zember in Düsseldorf (60). DMZ 360.
HEBEL, E., Musikkritiker und Komponist,
t in Kassel. KP VII, 146.
HEGER, ROBERT, ehemal. Vorstand des
Musikervereins, f 6. Januar in Straß-
burg i. E. (69). DMZ 18.
HEINEMANN, ALEXANDER, Konzert-
sänger. f 16. Oktober in Berlin (45). Si 7 10 ;
DTZ 86; AMZ 471; RMTZ 272; Kl 170.
HELLMANN, K., Musikdirektor. f in Blanken-
burg a. H. KP VII, ICO.
HEMPEL, ELISE, Musik lehrerin. f 17. Ok-
tober in Berlin DTZ 96.
HERITTE -VIARDOT-Garcia s. Viardot.
HERTEL, PAUL, Mitglied des Kurorchesters,
f 8. Januar in Wiesbaden (42). DMZ 28.
HIRSCH, CARL, Musikdirektor. + in Mün-
chen (60). NMZ 40, 62; AMZ 515; NZ 303;
RMTZ 306.
HIRSCHBERG, LUDWIG, Professor, Musik-
pädagoge. f in Berlin. AMZ 50.
HITZ ACKER, GÜNTHER, Fürstlicher Hof-
mnsiker a. D. f 3. Februar in Sonders-
bausen (82). DMZ 40.
HOEBEL, ERNST, Prof. Dr., Musikkritiker
und Komponist, f in Kassel (67). DTZ 46;
AMZ 226; NMZ 39, 233; NZ 114; Kl 87.
HÖFER, LUISE, Hofopernsängerin. *j* in
München (44). AMZ 411; DTZ 78; NMZ
40, 15; RMTZ 256.
HOFFMANN, JAROMIR, Hof -Musikalien-
händler. f in Prag. Si 192; NMZ 39, 205.
HOFMANN, RICHARD, Professor, Musik-
pädagoge und Komponist, f 11. November
in Leipzig (75). NZ303; AMZ 515 ; DTZ 97 ;
RMTZ 306.
HOLLAENDER, ANNA, geb. Becky, die
Gattin von Prof. Alexis Holländer, ehemalige
Lieder- und Oratorien Sängerin, f in Berlin.
AMZ 294; Kl 105; DTZ 68.
HORINA, LOUISE, Hofopernsängerin a. D.
in Berlin. *j* 5. April in Wilmersdorf (74).
AMZ 178; DTZ 46; St XII, 190.
HOUFER, HEINRICH, Musftdirektor und
Direktor des Konservatoriums in M-Glad-
bach. f iu Viersen. RMTZ 109.
HUMMLER, SOPHIE, ehemalige Violin-
virtuosin. *|* 26. Juli in Stuttgart (77).
NMZ 40, 40.
6 *
♦
84
TOTENSCHAU FÜB DAS JAHR 1918
HUPPERTZ, JOHANN ADAM, Inatrumen-
tenhändler. f 15. Februar in Eschweiler
bei Aachen (91). Z1B 38, 194.
• JÄGER, W., Pianist in Bremen. EP VII,
146.
JAUCK, EICH. GÜST. ADOLF, Glocken-
gießer. f 11. Juli in Leipzig (75). El 123.
JENT8CH, MAX, Eomponist. + November
in Stendal (63). AMZ 557.
JOACHIM, MARIE, Opernsangerin a. D. und
Gesanglehrerin , die Tochter Joseph J.’s.
f Hamburg. AMZ 471; NZ 291; DTZ 86;
8t XIII, 47; NMZ 40, 51.
EAHLE, PAUL, Mitglied des städtischen
Orchesters, f 4. Mai in Augsburg (39).
DMZ 135.
EÄHNE, AUGUST, Elarinettist, Vorstands-
mitglied des Zentral au sschusses des Allgem.
Deutschen Musiker- Verbandes, f 25. April
in Berlin (63). DMZ 119; DTZ 54.
KAISER, GEORG, Dr. phil., Musikschrift-
steller. f in der Nacht vom 16. zum 17.
AuguBt in Leipzig (35). Si 558; El 138;
ZMW 88; NMZ 39, 317; AMZ 375; NZ
208; DTZ 70.
KAPELLER, KARL, Komponist und Kapell-
meister. t in Wien. NZ 139; DTZ 55.
KÄSLIN, P. BENEDIKT, Organist aus
Schwarzenberg. + in Engelberg. NMZ 40,
87.
KEIDEL-LA ROCHE, Frau MARGARETE,
Musikp&dagogin . f in Berlin. DTZ 54;
KP VII, 146.
KEMPTER, LOTHAR, Dr. b. c., Kapell-
meister und Komponist, f 14. Juli in
Vitznau (74). DMZ 246; AMZ 351; NZ 184;
NMZ 39, 293; DTZ 71.
KIRCHNER, HUGO, Oberspielleiter des
städtischen Opernhauses, f 27, Dezember
in Breslau (57). AMZ *19, 22; NMZ
40, 98.
KLING, HENRI, Professor am Konservato-
rium. t 2. Mai in Genf (6G). Si 418;
NMZ 39, 257; AMZ 282; RMTZ 163;
DMZ 150.
KLUPP, PAUL, Großherzoglicher Kammer-
musiker a. D. f 29. August in Karlsruhe, j
DMZ 305.
KLÜPPEL, EDUARD, Komponist. + Januar
in Dresden (74). NMZ 39, 193; NZ 35;
DTZ 21.
KONDRACKI, MARION, Opernsänger aus
Lübeck, f in Berlin. DTZ 78; St XHI, 70.
KOSEL , SIEGMUND , Opernsänger a. D.
f Frankfurt a. M. (78). DTZ 21; AMZ 63;
NZ 36.
KRAUSE, MARTIN, Prof., Klavierpädagoge
in Berlin, f 2. August in Plattling (Nieder-
bayern). Kl 129; AMZ 363; 463; Si 548;
ZIB 38, 352; RMTZ 210; DTZ 70.
KREMSER, JULIE, die Witwe Eduard Krem-
sers. f 7. April in Wien (69). Sh 79.
KRIEG, JEAN, Hofmusiker a. D. f 7. August
in Mannheim (59). DMZ 256.
KRÜSCH , ALBERT , Musikdirektor und
Komponist. *f* 27. März in Düsseldorf.
DTZ 46.
(j KUNSEMÜLLER, EMIL, Dr., Univer-
sitätsmusikdirektor in Kiel, + an seinen
Wunden, die er im Felde erhalten hatte,
in Düsseldorf (33). RMTZ 109; 282;
AMZ 214; Si 372; St XII, 337; NMZ 39,
233; NZ 114; Kl 75; DTZ 55.
KUTSCHERA, EUGEN, Leiter des Caecilien-
vereina und Musikpädagoge, f 9. Februar
in Aarau (66). DTZ 38, St XII, 215.
KUULA, TOIVO, Komponist und Kapell-
meister. f in Wiborg (35). NMZ 39,285;
NZ 139; AMZ 294; RMTZ 163; DTZ 71.
LAPORTE, ANDRIÜ, Komponist -j* an einer
Verwundung im Höpital du Val de Grace.
NMZ 39, 257.
Si LAUEN STEIN, CARL LUDWIG, Dr.,
Kgl, Bayerischer Kammersänger (40). NZ
208; AMZ 374; 385; Si 562; DTZ 71.
LAUTERBACH, AUGUST, Seniorchef der
Pianofortefabrik Ed. Seiler, f 3. Septem-
ber in Liegnitz (71). AMZ 385; ZIB 39, 4.
LAUTERBACH, JOHANNES, Hofrat, Kgl.
Konzertmeister a. D. f Dresden (86), NZ
91; DTZ 38; AMZ 166; NMZ 39, 213;
St XII, 190; Kl 75.
LAEWEN, ROBERT, Mitglied des Stadt-
theater-Orchesters. *|* 10. Dezember in Nürn-
berg. DMZ *19, 10.
LECOCQ, ALEXANDRE CHARLES,
Operetten-Komponist. f in Paris (86). Si
727; NZ 29; NMZ 40, 51; DTZ 97.
LESSMANN, OTTO, MuBikschri ft steiler,
Komponist und Pädagoge, f 27. April in
Jena (75). AMZ 207;219 u. 225; DTZ 46;
Si 373; Kl 75; NMZ 39, 233; MRS 51.
4
TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 191R 85
LIEBESKIND, ERNST, Hofoperasänger a.D.
f in Kassel (55) NZ 182; NMZ 39, 293;
DTZ 70.
£ LIETZMANN, KURT, Konzertaänger
(Bariton) in Berlin. AMZ 331; NMZ 39,
293; DTZ 70.
LINDEN, CORNEL18 VAN DER, Opern-
Kapell meist er a. D. f in Amsterdam (78).
NZ 159; NMZ 39, 293.
LINDER, GOTTFRIED, Professor, ehern.
Lehrer des Klavierspiels am Konservatorium.
■J* 29. Jaguar in Stuttgart (75). AMZ 63;
NMZ 39, 161 ; NZ 36; DTZ 30; RMTZ 45.
LINK, KARL, Kammersänger, f in Graz
(71). AMZ 494; NMZ 40, 51; St XIII, 70.
LISKER, FRANZ, Früherer 1. Cellist des
städtischen Orchesters. *{* 11. März in
Freiburg. DMZ 90.
LUCKNER, GEORG, MusikschrifUteUer.
f in München (36). NMZ 40, 39.
LÜSTNER, LOUIS, Musikdirektor. + 24. Ja-
nuar in Wiesbaden (77). AMZ 63; 87;
DTZ 21; NZ 36; RMTZ 45.
MAIER, ANTON, Mitglied der städtischen
Kapelle, f 18. Juni in Augsburg (69).
DMZ 193.
MANDL, RICHARD, Komponist. + 4. April
in Wien (59). AMZ 172; NMZ 39, 213;
289; NZ 91 ; 8i300; RMTZ 110; DTZ 47.
MATERNA, AMALIE, berühmte Wagner-
sangerin. f 18. Januar in Wien (71). NMZ
39, 161; 180; Si 91; Kl 25; RllTZ 31;
NZ 24; 36; MRS V, 42; DTZ 21.
MAURER, LEONHARD, Musiker, f 28. Fe-
bruarin Nürnberg (71). DMZ 67.
MAYER, ADOLF, Pianomechanikfabrikant,
t 25. Mai in Stuttgart (55). ZIB 38, 271.
MAYER, CARL, Bruder des vorigen. Teil-
haber der Firma, f 25. Dezember in Stutt-
gart (58). ZIB 39, 134.
(MAYERHOFER), P. THERESIUS a.
6. MARIA, Kirchenkomponist, f 10. Januar
im Karmelitenkloater zu WQrzburg (75).
Muss 22.
MENTER, SOPHIE, Pianistin f 23. Februar
in München (72). NMZ 39, 217; AMZ 103;
Si 201 ; DTZ 29; NZ 60; Kl 42; RMTZ 69.
METZ, FRANZ, Königl. Kammermusiker,
f 10. Juni in Mönchen (55). DMZ 256.
MEYER, FRIEDRICH, Königl. Musikdirek-
tor. f 4. Februar in Berlin (57). DTZ 29.
(fl MICHAELIS, ALFRED, Mitglied des
Philharmonischen Orchestera in Berlin, f in
englischer Gefangenschaft. DTZ ’19, 17.
MORGAN, GERALDINE, Violinistin, f in
New York. Si 511; NMZ 39, 306.
MOUSIKANT (Pseudonym); NMZ 39, 161.
MÜLLER, KARL, Kapellmeister, der Leiter
der Bayreutber Stilbildungsschule. f 21. Ok-
tober daselbst (40). DTZ 96; Kl 170;
NMZ 40, 51.
MUSHAKE, ERNST AUGUST, Kantor a.D.
f 12. Mai in Leipzig (79).
NA AFF, A. A., Mnsikscbriftsteller. f 27. De-
zember in Wien (69). Sh »19, 5; DTZ’19,
17; NMZ 40, 123.
NEHER, JOSEF, Chorregent an der Hof-
kirche zu Nympbenburg. + 23. Oktober in
München (53). DTZ 97; St XIII, 94.
NOBEL, EMIL, Kantor. + 17. Mai in
Podelwitz (58).
OEHLSCHLAGEL, EMIL, Königl. Musik-
direktor und Gymnasialoberlehrer, f 23. No-
vember in Meißen (51). Sh 188.
£ OTHMER, HANS PHILIPP, Kapell-
meister. t Graudenz an den Folgen
seiner Verwundung. DTZ 55.
PAATZ, WILHELM HERMANN, Musiker.
t 17. Januar in Hamburg (66). DMZ 22.
PALEY, ERNST, Hofmusiker, f 29. Septem-
ber in Koburg (31). DMZ 305.
PARRY, C. HUBERT H„ Komponist, Direk-
tor des Royal College of music. f in Lon-
don (70). ZMW213; NMZ 40, 62; ßi 748;
NZ 277; RMTZ 283.
PERZINA , ALBERT , Hofpianofabrikant,
f in Schwerin i. M. (76). ZIB 39, 31.
PLÜMER, FERDIN AND, Hofkonzertmeister.
+ 7. Dezember in Sondershausen. AMZ 564 * r
DMZ '19, 10.
j POMMER, JOSEF, Prof. Dr., Volkslied-
forscher. f 26. November in Gröbming in
Steiermark. Sh M9, 51; ZMW 375.
PRECHNER, ADOLF, Klavierpädagoge, f in
Wien. NMZ 40, 87.
RAAB, JOHANN AUGUST, ehemaliger
Konzertmeister des Gewandhaus-Orchesters,
t Oktober in Leipzig. AMZ 471; Kl 170.
f KABEL, ANTON, Komponist ans Mün-
chen. [1. April.] DTZ 48; AMZ 226;
NMZ 39, 273; RMTZ 189,
86
TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 1918
4
RADEKE, AGNES, Gesanglehrerin, f in Ber-
lin. St XIII. 23.
RAPIN, EUGENE, Professor für kirchliche
Musik an der Universität und Musikkri-
tiker. 'f in Lausanne (75). NM2 39, 145;
DTZ 21.
RE H B AUM/THEOB A LD, Komponist, f 2 .Fe-
bruar in Berlin-Friedenau (83). DTZ 38;
NMZ 39, 213; Si 253; NZ 71; St XII, 215.
REHKOPF-WESTENDORF, Frau ELSA,
Opernsängerin. *j* in Berlin. DTZ 78;
St XIII, 70.
REICHEL, KARL, Violinpädagoge. + in
St. Gallen (30). NMZ 39, 317.
REINHARDT, CURT, Mitglied des Phil-
harmonischen Orchesters, j* 16. Juni in
Dortmund (25). DMZ 174.
REUSCHEL, KARL, Konigl. Kammermu-
siker a. D. f 21. März in Dresden (79).
DMZ 90.
RICHARD, SOPHIE, Musikpädagogin, f in
Zürich (67). NMZ 40, 51.
RICHTER, HEINRICH ERNST, Musik-
direktor. f 5. Januar in Leipzig (59).
tfg RICHTER, WALTER, Chormeister in
Dresden. Sh 158.
& RONIS, MAXIMILIAN, Violinvirtuose,
-j- 14. November in Berlin, an einem Leiden,
das er sich im Felde zugezogen (30). AMZ
515; NMZ 40, 75.
ROESSINGER, BLANCHE, Musiklehrerin
am Konservatorium, f in Bern. NMZ 40, 15.
RÜSCH, Musikdirektor, f in Neustrelitz.
KP VII, 128.
SAFONOFF, WASSILI, Dirigent der kais.
Russischen Musikgesellschaft, f in St. Peters-
burg (66). Si 254; NZ 71; AMZ 139;
RMTZ 83; DTZ 46; NMZ 39, 273.
SAMBERGER, KARL MARIA, Gymnasial-
musiklehrer. f in München (97). DMZ 70;
St XIII, 23.
SATZ, ELSA, Pianistin, f in Berlin. DTZ
96; AMZ 494; RMTZ 297.
SCHARWENKA-STRESOW, MARIANNE,
Violinvirluosin. f 24. Oktober in Berlin.
Kl 170; Si 728; DTZ 96.
SCHEIDWEILER, MATTHIAS, Hofopern-
sanger a. D. j 31. August in Berlin.
DTZ 78; St XIII, 70.
SCHEUERNSTUHL, K., Stadtmuaikdirektor.
j in Günzenhausen. KP VII, 108.
SCHLAG, OSCAR, Hof- Orgelbaumeister.
■J* 26. November in Schweidnitz (71). ZIB
39, 101.
SCHLEMÜLLER, HUGO, Musikkritiker,
f in Frankfurt a. M. (47). KP VII, 162;
Si 559; AMZ 363; NMZ 39,306; Kl 138;
DTZ 70.
SCHMID, CARL MARIA, Musikdirektor.
f 21. August in München (72). DTZ 70;
AMZ 385; NMZ 40, 15.
SCHNEIDER, K., Konigl. Kammermusiker.
f 5. September in Stuttgart (70V DMZ 297.
SCHOLTZ, HERRMANN, Professor, Konigl.
Kammervirtuos, -j- 13. Juli in Dresden (73).
AMZ 346; Kl 123; Si 512; NZ 182;
NMZ 39, 293; 305; DTZ 70.
# SCHONERT, WILHELM, Gesanglehrer,
Direktor der Singakademie in Liegnitz Und
anderer Vereine. [13. August.] Sh 140; ’
DTZ 78.
SCHÖNHERR, FRIEDRICH HERMANN,
Kapellmeister a. D. -j* 27. März in Chemnitz
(70). DMZ 90.
SCHRECK, GUSTAV, Professor Dr., Kantor
an St.Thomae. + 22. Januar in Leipzig (69).
MBH 5072; NMZ 39, 261 u. 40, 165;
AMZ 44; Kl 25; NZ 29; DTZ 21; Cae 18;
Sh 46; St XII, 138; RMTZ 31.
SCHREINER, PETER, Musiklehrer, f 5. Ok-
tober in München. DTZ 97; St XIII, 94.
SCHUMANN, CLEMENS, Stadtmusikdirek-
tor, der Vater Prof. G. Schumann’s. *j- 24.
Dezember in Königstein a. Elbe. AMZ *19,
22 .
SCHULZ, OTTO, Mitglied des philharmoni-
schen Orchesters, f 27. Dezember in Dort-
mund (44). DMZ ’19, 27.
SCHUSTER, ANDREAS, Orgelbaumeister,
t 14. Dezember in Zittau (80). ZIB 39, 123.
SEIBICKE, GUSTAV, Hofmusiker. *)• 10. Au-
gust in Gera. DMZ 248.
SEIFERT, OTTO, Mitglied des städtischen
Orchesters, *f* in Baden-Baden. DMZ 181.
SEIFHARDT, WILHELM, Professor, Konigl.
Musikdirektor und Organist an der Garnison-
kirche. f in Dresden (67). NZ 60; AMZ
110; DTZ 38; NMZ 39, 205.
SEYDEL, FRANZ, Mitglied des philharmoni-
schen Orchesters, f 29. April in Berlin.
DTZ 46.
TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 1918
87
SILOTI, ALEXANDER, Pianist, + in Hel-
aingfora (55). NMZ 40, 39; DTZ 70;
MRS VI, 7; RMTZ 220.
SIMON, CARL, Musik Verleger, f 12. Dezem-
ber in Berlin (76). ZIB 39, 101; AMZ
551; NZ 326; Kl ’19, 11.
gg SINDLINGER, HEINRICH, Musikdirek-
tor aus Heidenheim a. d. Brenz. [18. März.]
DTZ 46; NMZ 39, 299; KP VII, 128.
SJÖGREN, EMIL, Komponist. *J* in Stock-
holm (64). AMZ 124; NZ 60; Si 231;
MRS VI, 7; RMTZ 70; DTZ 39; NMZ
39, 205; Kl 59.
SOMMER, JOHANN, MusikeV. + 30. Juli
in München (78). DMZ 256.
SONN, OTTO, Herzog!. Hofopernsänger,
Direktor einer Gesgngschule. f 9. Mai in
Berlin (76). DTZ 68 .
SOUBIES, ALBERT, Musikschriftsteller. *[* in
Paris. NMZ 39, 257.
SPERHAKE, HERMANN, Herzogi. Kammer-
musiker. *|* 26. März in Altenburg. DMZ 98.
STÄUBER, PAUL, Dr., Muaikschriftsteller.
f 17. Juli in Wien (41). Si 521; AMZ 351.
STIGLER, WILHELM, Dr., Hofopernaänger
a. D. f in Raschwitz bei Leipzig (72).
AMZ 494; NZ 291.
STIMM EL, IRMA, Konzertsängerin in Stutt-
gart. *)* in Konstanz. NMZ 39, 306.
STOLL, AUGUST, Oberregisseur des k. k.
Hofopernlheaters. 12. Juli in Wien (65).
AMZ 3ö3; DTZ 71.
STRAUCH, MARGARETE, Mecklenburgi-
sche Kammersängerin, + 4. November in
Berlin (36). DTZ 96; St XIII, 94.
SZILLAGYI, ARABELLA, Opernsängerin,
f in Budapest. NZ 114; NMZ 39. 265.
THALAU, GUSTAV, Konzertmeister und
Solocellist des städtischen Orchesters, -j- in
Köln (46). RMTZ 256; NMZ 40, 39;
DTZ 96.
THERESIUS A S. MARIA s. Mayerhofer.
THOMA, MICHAEL, Musiklehrer, f 23. Fe-
bruar in Berlin (52). DTZ 30.
gg THOMAS- SAN GALLI, WOLFGANG,
Musikschriftsteller, f 14. Juni in Baden-
weiler (44). AMZ 320; NZ 171; NMZ
39, 285; DTZ 68 .
THÜRING, LEO, Pater, Organist. *j- im
Kloster Marinslein. DTZ 78; Si XIII, 70.
TIEFENBRUNNER, GEORG, Herzogi. Hof-
Instrumentenfabrikant. f 8 . Juli in Mitten-
wald. DTZ 70.
TRESCII, JOHANNES BAPTIST, Geistlicher
Rat und Kirchenkomponist, -f- 18. Februar
in Neuraark in der Oberpfalz (77). St XII,
190.
TORDEK, ELLA, s. Gerbäuser-Tordek.
n TUMMA, LUDWIG, Opernsänger aus
Metz, erlag seiuen Verwundungen, die er
sich im Felde zugezogen hatte. DTZ 39.
ULLRICH-HOHN, HENRIETTE, ehemalige
Sängerin. *J- in Mannheim (84). AMZ 63;
DTZ 21.
URBAN, JULIUS, Königl. Musikdirektor,
fl 7. Juli in Berlin (79). DTZ 70; St XIII, 23.
VIARDOT-G ARCIA , LOUISE UMRITTE,
+ in Heidelberg (77). AMZ 63; RMTZ
33; NZ 36; DTZ 21.
WEBER, AUGUST, Begründer d.Orchestrion-
fabrik. *{*14. August in Waldkirch (Baden)
(57). ZIB 38, 377.
WEBER, GABRIEL, Organist und Musik-
lehrer. f 7. Februar in Zürich ( 66 ).
DTZ 39; St XII, 167.
WEBER, WILHELM, Direktor der Musik-
schule und des Oratoricnvereins. f 14. Ok-
tober in Augsburg (59). NMZ 40, 39 u.
115; AMZ 471; NZ 277; RMTZ 272;
DTZ 86 ; DMZ 341; ZMW 214.
WEDLER, ANGEL A, geb. Novah, Harfenistin
beim Wiener Konzert- Verein. •f in Bremen.
DMZ 348.
WEILEN, ALEXANDER VON, Prof, an der
Wiener Universität. Verunglückte tödlich
in Beckstein bei Salzburg im Juli (55).
ZMW 88 .
WEIL, AUGUST, Pfarrer, Herausgeber ver-
schiedener Sammlungen von Orgelkomposi-
tionen. f im März in Würzburg (79). Cae 38;
Musa 78; St XII, 238.
gg WEILL, RUDI, Kapellmeister am Stadt-
theater in Breslau [9. Juni.] DTZ 78;
St XIII, 70.
WEISHEIT, HERMANN, Fürstl. Kammer-
musiker. f 14. Juli in Sondershausen.
DMZ 216.
WELTE, BERTHOLD, Kommerzienrat,
Seniorchef der Firma M. Welte & Söhne.
7 29. Januar in Freiburg i. B. (73). ZIB
38, 157.
88
i
TOTENSCHAU FÜR DAS JAHR 1916
WENDLANDT, GERTRUD, KonzerUÄnge-
rin. *f* 1. Dezember in Berlin. AMZ 540;
RMTZ 321.
WENDLING, CARL, Hofpianist u. Professor,
Lehrer am Konservatorium, f 20. Juni in
Leipzig (61). AMZ 320; NZ 159; Kl 18,
105; NMZ 39, 273; DTZ 70.
WERTH, OTTO, Koozertsänger in Berlin,
f in Blankenburg (47). AMZ 527; DTZ
96; NMZ 40, 87.
WESTBERG, HENRIK, Tenorist. + 70 J.
RMTZ 98.
WHITEHILL, CLARENCE, Opernsänger,
• (Bariton), f in New York. NZ 80; NMZ
39, 213.
WIEDERMANN , FRIEDRICH , Königl.
Musikdirektor, Organist und Chordirigent
an St. Nikolai. *{* 12. Februar in Berlin (62).
DTZ 29; Kl 42.
WILLMANN, FRANZ E., Musikreferent.
f in Leipzig (36). NMZ 39, 257 ; DTZ 55.
WOLF, FRIEDRICH ALBAN, Musiker.
+ 12. April in Chemnitz (73). DMZ 105.
WOLFF, PETER WILHELM, Königlicher
Musikdirektor and Komponist, f 12. März
in Tilsit (65). NMZ 39, 221; AMZ 202;
DTZ 39; NZ 102; Sh 93.
Ql WROBEL, THEODOR, Musiker aus
Berlin. DMZ 123.
WYMANN, PAUL, Kapellmeister aus Becken-
ried. + in Engelberg. NMZ 40, 87.
YSAYE, TH^OPHILE, Pianist, der Bruder
Eugen Y’s. + in Nizza (53). AMZ 178; NZ
101; DTZ 46; NMZ 39, 221; St XII,
238.
ZELLNER, LEO, Professor, Musikdirektor,
t 10. September in Berlin (71). AMZ 527;
NZ 315; DTZ 96; RMTZ 306; St XIII,
94.
ZEPLER, BOGUMIL, Dr., Berliner Kompo-
nist. f 17. August in Krummhübel (61).
AMZ 375; NMZ 39, 317; Si 563; DTZ 70;
RMTZ 220.
ZIMMER, GEORG, Leiter des Lehrergesang-
vereins. f Görlitz (56). St XII, 287.
ZIPKE8-BLOCH, A., Gesanglehrerin, f in
Zürich. NMZ 40, 75; KP VII, 206.
ZUK MÜHLEN, RAIMUND VON, Konrert-
sänger. -j- in London (65).
[Nach, einer Meldung der VoBsiachen Zeitung,
die aber von anderer Seite noch. nicht bestätigt ist,
vergl. NMZ 39, 233.]
Ql ZWARG, PAUL, Musiker auB Halle.
DMZ 67.
»
VERZEICHNIS
der
im Jahre 1918 in Deutschland, Österreich-Ungarn, der Schweiz,
Dänemark, Schweden und Holland erschienenen
Bücher und Schriften über Musik
Mit Einschluß der Neuauflagen und Übersetzungen *)
Von
Rudolf Schwarte
Die mit einem * versehenen Werke wurden von der Musikbibliothek Peters erworben
Frank, Faul. Taschenbüchlein des Musikers.
Enth.: eine vollst. Erklärg. in der Ton-
*
kunst gebrauch]. Fremdwörter, Kuns taus-
drücke and Abbreviaturen , sowie die An-
fangsgründe des Musikunterrichts und
manches andere Wissenswerte. Für Musiker
und Freunde der Tonkunst hrsg. 25. Aufl.
Leipzig, C. Merseburger. 16°. XIV, 122 8.
BBhnen-Splelplan,* Deutscher. Mit Unter- Jt 0,75.
%
stützg. d. deutschen Bühnenvereins. Red.: Hennerberg, C. F. Förteckning över Gunnar
Erich Oesterheld. 23. Jahrg. Sept. 1918 Wennerbergs Tonverk. Stockholm, Utgi-
bis Aug. 1919. 12 Hefte. Berlin, Oester- varens forlag. I diatribution Elkan & Schild-
held & Go. Lex. 8°. Jt 18. Einzelheft knecht, Emil Carelius K. Hovmuslkhandel.
Jt 1,50. 8°. 41 S. Kr. 3.
Cordes, Jobs. Literarischer Ratgeber für [Hofmeister, Friedrich.]* Verzeichnis der
Musikfreunde. Bonn, Borromäusvereine- im Jahre 1917 erschienenen Musikalien,
verlag. [Durch C. Fr. Fleischer in Leipzig.] auch musikalischen Schriften und Abbil-
gr. 8°. 55 S. Jt 1,60. dangen mit Anzeige der Verleger u. Preise.
Engl, Job., Ev.* Katalog des Mozart-Häus- I In alphabetischer Ordnung nebst System at.
chens s. Abschnitt V unter Mozart. geordneter Übersicht und einem Titel-
Foss, Gnnnar. Musikudtryk. [MusikaL und Text - Register (Schlagwort - Register).
Fachausdrücke]. [Dänischer Text.] Kopen- 66. Jahrg. Leipzig, Hofmeister. Lex. 8°.
hagen, Lehmann & Stage. 8*. 42 S. | 198 S. Jt 24.
*) Die Kenntnis der in Dänemark und Schweden erschienenen Werke verdanke Ich der QQte der Herren
Prof. Dr. A. Hümmerich in Kopenhagen und C. F. Hennerberg, Bibliothekar an der Königlichen Musik -
akademio in Stockholm. Mil Herrn Prof. Felipe Pedrell in Barcelona, dem langjährigen Referenten der
spanischen Bibliographie, war auch in diesem Kriegsjahre keine Verbindung herzustellen.
*) Zu den sämtlichen Preisen kommt ein Tenenmgszu9chlag.
I.
Lexika und Verzeichnisse.
Altmann , Wilh. * Kammermusikliteratur.
yj Verzeichnis von seit 1841 erschienenen
Kammermusik werken. 2., verna . und verb.
Aufl. Leipzig, C. Merseburger. 8°. VIII,
132 S. Jt 5.»)
90
BI13LIOGRAPUIE
✓
Konservatorium,* Das Königliche, d. Musik
zu Leipzig [Lehrer- und Schüler- Verzeich-
nis] 1893 — 1918. Leipzig, [Dr, von Breit-
kopf & H.] Lex. 8°. VII, 114 S. Jf 2.
— s. auch Abschnitt IV unter Festschrift.
Niemann, Walter.* Klavier- Lexikon. Ele-
mentarlehre f. Klavierspieler, Anleitg. zur
Aussprache d. Italienischen, Tabelle d. Ab-
kürzungen in Wort u. Notenschrift, Litera-
turverzeichnis, ausfübrl. Fremdwörter-, Sach-
und Personal-Lexikon [Virtuosen, Kompo-
nisten, Pädagogen, Methodiker und Schrift-
steller des Klaviers]. 4., völlig umgearb.
u. reich verm. Aufl. Leipzig, C. F. Kahnt.
kl. 8°. 265 S. Geb. 4.
Realkatalog * der K. B. Hof- u. Staatsbiblio-
thek München. Musikalien. München, A.
Huber, Hoflithographie u. Buchdr. gr. 8 D .
IV, 21 S.
Riedel, August. Texte zu den Kirchen-
musiken [zagest, auf Grund d. PerLkopen-
reilie II], welche in den Monaten Januar
bis Dezember 1918 in der St. Johanniskirebe
zu Plauen im Vogtl. z. Aufführg. kommen.
29. Jahrg. Plauen, A. Kelle, kl. 8°. 8,
9, 7 + 8 8. Ji 0,40.
Ruthardt, Adolf.* Wegweiser durch die
Klavierliteratur. 9., vermehrte u. verb. Aufl.
Leipzig, Gebr. Hug & Co. 8°. 436 S.
Jt 7.20.
Saerchinger, C6sar. International Whö’s who
in music and musical gazetteer. A con-
temporary biographical dictionary and a
record of the wordl’s musical activity. First
edition. New York, Current Literature
Publ. Co. 8°. X, 840 S.
n.
Periodische Schriften.
Von den laufenden Zeitschriften werden an dieser Stelle
ntu die netten, sowie die bisher noch nicht erwähnten
Veröffentlichungen »ufgefßhrt.
Al man ach für Opernhaus und Schauspielhaus.
Amtl. Ausg. 1918—1919. Frankfurt (Jlain),
Frankfurter Theateralmanach M. Koebcke.
(Frankfurt [Main], Auffarth in Komm.) gr.
8®. 120 S. mit cingedr. Bildnissen. Jt 4,50.
Archiv • für Musikwissenschaft. Hernusge-
geben von Max Seiffert, Johannes Wolf,
Max Schneider. 1. Jahrg., 1. Heft. Okto-
ber 1918. (FUratl. Institut für musikwissen-
schaftliche Forschung i. E. Bückeburg.)
Bückeburg u. Leipzig, Breitkopf & Härtel.
Lex. 8®. Jährl. Ji 20. Einzelne Hefte Ji 5.
[FBr die Mitglieder der Deutschen Musikgoaell-
eebaft J6 IG.]
Bach-Jahrbtich.* 14. Jahrg. 1917. Im Auf-
träge der neuen Bachgesellschaft hrsg. von
Arnold Schering. (Veröffentlichungen der
neuen Bachgesellschaft, Jahrg. 18,3.) Leip-
zig, Breitkopf & H. 8°. VII, 176 S.
Geb. Ji 4.
Beethoven- Forschung.* Lose Blätter. Hrsg,
v. Thdr. v. Frimrael. 8. Heft. Mödling,
J. Thomas, gr. 8°. S. 115 — 160. Jt 4,20.
Blätter, Baltische, für Theater und Kunst.
Schriftleitg.: Wolfg. Hoffmann Harnisch.
l.Jg. Oktober 1918— Sept. 1919. 12 Hefte.
Berlin-Steglitz, F. Würtz. Lex. 8®. Jährl.
Ji 10. Einzelhefte Jt 1.
Blätter, Neue, für Kunst u. Literatur. Hrsg,
v. d. Verein f. Theater- u. Musik-Kultur, d.
neuen Gesellschaft f. Kunst u. Literatur u.
[Angezeigt in der Zeitschr. f . Mualkwiss. S. 430.]
Sakolowski, Pani. Musikalisches Fremd-
wörterbuch. Neu bearb. [Miniatur- Biblio-
thek No. 343/44.] Leipzig [’17], Paul.
16®. * 0,30.
Verein „Zentral -Bibliothek“ in Wien, I.,
Teichlauben 13. Tätigkeits- Bericht 1917.
Wien, Verlag des Vereins „Zenlrnl-Biblio-
tbek“. gr. 8°. 16 S. m. Beilage A— F
auf 3 gefalteten Blättern.
Vocabnla, Breviarii roraani, rariora cum
Version e germanica. Disposuit A. K. Graz,
Moser. 16°. 29 S. M 0,75.
d. Verein Frankfurter Kammerspiele. Schrift-
leitg.: Albert DessoflT. l.Jg. Oktb. 1918 —
Sept. 1919. 12 Nrn. Frankfurt (Main),
Englert & Schlosser. Lex. 8°. A 4.
Bühne, Deutsche. Jahrbuch d. Frankfurter
städt. Bühnen. Im Auftrag d. Generalinten-
danz hrsg. v. Georg J. Plotke. 1. Bd.
Spielzeit 1917/1918. Mit 6 Taf. u. 7 Abb.
im Text. Frankfurt (Main) ’19, Bütten &
Loening. gr. 8°. VI, 403 S, Geb. .A 18.
Bulletin de la Soci<*l£ fran^aise de musico-
logie. I ro annöe. Paris, Alcan.
|Angvzeigl in: ZciUchr. f. Musikwiss. I, S>. 369. J
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1919. 12 Hefte. Coburg, Rossteutscher.
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Jacobsohn, Siegfr., Das Jahr der Bühne.
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& Co. 8°. XIV, 210 S. Geb. Jf 5.
Jahrbuch, Amtliches, d. k. k. Hoflheater in
Wien für die Spielzeit 1917 — 18. Wien,
Gerold & Co. in Komm. 8°. 166 8.
Kart. Jt 8.
Jahrbuch* der Musikbibliothek Peters für
1917. Her&usgegeben von Rudolf Schwarte.
24. Jahrg. Leipzig, C. F. Peters. Lex. 8°.
XII, 111 S. Jt 4.
Lauten-Almanach auf d. Jahr 1919. Ein
Jahr- und Handbuch für alle Lauten- und
Gitarrespieler, Freunde guter Hausmusik u.
d. Volksliedes. Mit 6 Kunstbeil. u. 12 Abb.
Unter Mitwirkg. zahlr. Fachleute hrsg. v.
Erwin Schwarz-Reiflingen. Berlin-Pankow,
Köster, kl. 8°. 143 S. Jt. 3.
Libelle, Die. Stimmen z. Bühnenkullur von
Kunstgesang u. Tanzkunst mit artist. Per-
sönlichkeitswertg. Erste neuideale Lieb-
haber-Fachschrift f. tat. Künstlerkreise u.
ihre Freunde. Schriftleitg. : Wilh. Backhaus.
(1.) Jahrg. 1917/1918. 24 Hefte. Leipzig,
W. Backhaus, gr. 8°. Vierteljährl. Jt 3.
Einzelheft Jt 0,50.
Mitteilungen der Salzburger Festspielhaus-
Gemeinde. Hauptschriftleiter: Heinrich Da-
misch. Verantwortlich: Franz Neumayr.
1. Jg. 1918/19. 12 Nrn. Salzburg, Salz-
burger Festspielhaus-Gemeinde (Dreifaltig-
keitsgasse 16). gr. 8°. Jährl. Jt 6,60. \
Einzelne Nrn. Jt 0,60. j
Mozarteums-Mitteilungen. • Herausgegeben
vom ZentralauBschuß der Mozartgemeinde
in Salzburg. 1. Jahrg. Heft 1. Novbr.
1918. Salzburg, Mozarteum. [Salzburg,
E. Höllrigl in Komm ] 25X19,5 cm.
[Verantwortlich: Friedrich Frischen schlagcr.
Bibliothekar der Mozarteums-Bibliothek u. Sekretilr
der Mozartgemcinde. Jährlich 4 Hotte. Kr. 0.
Einzelne Helte Kr. ‘2.}
Musiker-Kalender,* Allgemeiner Deutscher,
f. 1919. 41. Jahrg. Herausgegeben von
Dr. Rieb. Stern [früher Raabe k Plothow].
1. 2. Teil. Berlin, Richard Stern. M 5. j
Musiker- Kalender,* Max Hesses deutscher,
f. d. Jahr 1919. 34. Jg. 2 Teile. Berlin,
Max Hesse, kl. 8°. Pappb. u. geh. Jt 4,50.
Musiker-Kalender für 1919 (Verbands-
Kalender). 31. Jahrg. Berlin, Allgemeiner
Deutscher Musiker- Verband, 31, Bernburger
Straße, kl. 8°. Jt 1,75.
Nenj&hrsblatt, 107,* der Allgemeinen Mu-
sikgesellschaft in Zürich 1919. Zürich,
Füssli. Lex. 8° [darin: Gysi, Fritz.
Mozart in Beinen Briefen. I. Teil. 65 S.
Jt 4.
Stimme, Die, seines Herrn. Monatsschrift
f. Musikfreunde. Verantwortlich : Fr. Georg
Knöpfke. 10. [1] Jahrgang 1918. Berlin,
Deutsche Grammophongesellschaft. Jt 1,20.
Tage- Buch der kgl. Bächs. Hoftheater v. Jahre
1917. Theaterfreunden gewidmet v. Theater-
Dienern Adolf Ruffaui u. Rob. Steiniger.
101. Jg. Dresden, Burdach — C. A. Klemm.
— F. Ries in Komm. kl. 8°. 96 S. Jt 3.
Theater- Adreßbuch, Deutsches. 1918/19.
Herausgeg. vom deutschen Bühnen verein.
8. Jahrg. Berlin, Oesterheld & Co. kl. 8°.
862 S. Jt 4. Subskr.-Pr. Jt 3.
Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunst-
wissenschaft. Herausgeg. von Max Dessoir.
13. Band. Heft 1 — 4. Stuttgart, Enke.
Lex. 8°. Je M 6,40.
Zeitschrift* für Musikwissenschaft. Herausg.
von d. Deutschen Musikgesellschaft. [Schrift-
leitg.: Alfred Einstein.] 1. Jahrg. 1. Heft.
Okt. 1918. Leipzig, Breitkopf & H. Lex. 8°.
[Erscheint monatlich. Fflr die Mitglieder der
Deutscbon Musikgesellschaft kostenlos, für Nichl-
mitglieder .fi 21, Finzel hefte 2.]
Zwinger, Der. Zeitschrift für Weltanschau-
ung, Theater und Kunst. Schriftleiter: Karl
Wolff. 3. Jg. 1919. 24 Hefte. Dresden,
A. Waldheim & Co. 8°. Jährlich Jt 16.
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Beckmann, Gustav.* Das Violinspiel in
Deutschland vor 1700. Leipzig, Simrock in
Komm. gr. 8°. IV, 76 u. 26 S. m. Titel-
bild u. 1 Taf. Jt 5.
Bekker, Paul.* Die Sinfonie v. Beethoven
bis Mahler. Berlin, Schuster & Locffler.
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G. Franzscher Verlag in Komm. 8°.
53 S. J$ 1.
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d. 19. Jahrh. II. 3., durchges. Aufl. (Samm-
lung Göschen. N° 165.) Berlin, Göschen,
kl. 8°. 139 S. Geb. Ji 1.
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geschichte. 22. Heft.) Königsberg, Grafe
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8°. 129 S. Kr. 10.
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Kirchen- u. Schulgeschichte v. vorreformator.
Zeit bis z. Gegenwart (1. TI.: Vorreformat.
Zeit u. Reformationszeitalter d. S. Meiningi-
schen Kirchen geschieh te. (Schriften des Ver-
eins f. sachsen-mein ingische Geschichte u.
Landeskunde. 76. Heft.) Hildburghausen,
Gadow & Sohn. Lex. 8°. 172 8 . Ji 3.
Klernotti , Heikki. Musiikin historia. I.
Porvoo (’16), W. Söderström. 423 S. m.
Abb. u. Notenbeisp. Ji 8.
Kochmann, Adolf Arnim. Zur Enlwicklg.
■ d. Oper iu der Gegenwart. Berlin, Führer-
Verlag. Ji 3.
Kothe, Bernhard. Abriß der allgemeinen
Musikgeschichte. 10., auf Grund der neuesten
Forschungen ergänzte Aufl. v. Rudolph Frei-
herr v. Prochätka. Mit vielen Abbildgn.,
Porträts u. Notenbeil. Leipzig, Leuckart.
8°. Ji 4,50.
Lach, Hob. Seb. Sailers „Schöpfung“ in der
Musik s. Abschnitt V unter Sailer.
Löbmann, Hugo u. Karl Gast. Überblick
üb. die Musikgeschichte u. die musikal. For-
menlehre f. Musikschulen u. höhere Lehr-
anstalten. 2., durchges. Aufl. Berlin, Tro-
witzsch & Sohn. 8°. 48 S. m. Ahb. Ji 1.
Naumann , Emil . 41 Illustrierte Musikgeschichte.
Vollst. neu beerb, n. bis auf die Gegenwart
fortgef. v. Eugen Schmitz. Einleit u. Vor-
geschichte v. Leop. Schmidt Mit 274 Text-
abb., 30 Kunst- u. 32 Noten heil. 3. Aufl.
Stuttgart, Union, gr. 8°. VIII, 792 S.
Geh. Ji 24.
Nieraann, Walter,* Die Musik der Gegen-
wart u. d. letzten Vergangenheit bis zu den
Romantikern, Klassizisten u. Neudeutschen.
.5. — 9., reich verm. u. sorgfältig durchgeseh.
Aufl. Berlin, Schuster & Loefiler. gr. 8°.
XVI, 303 S. Ji 8.
Niemann, Walter.* Das Klavierbuch. Ge-
schichte der Klaviermusik u. ihrer Meister
bis z. Gegenwart. Mit e. Übersicht üb. den
Klavierhau. Mit zahlr. Abb. 6., reich verm.
u. vollst durchgearb. Aufl. Leipzig, Kahnt
8°. XVI, 260 S. Geb. Ji 6.
Norllnd , Tobias. Musik och studentaäug
1 Lund. (Särtryck ur „Under Landag&rds
kronor“ eidd. 238—348. Lund, Gleerup.)
(Nicht im Handel.)
Norlind, Tobias. Svensk Musikhistoria. 2:a
tillökade och illustrerade upplagan. Stock-
holm, Wahlström & Widstrand. 8°. 347 S.
Kr. 9,50.
Rau, €. A. Geschichte der Musik vom Beginne
der christlichen Zeitrechnung bis zum Aus-
gange des XIX. Jahrh. In Tabellenform
dargestellt (Sammlg. Kösel Bd. 83/84.)
Kempten und München, Köselsche Buchh.
8°. 272 S. Ji- 2,40.
Ke ic har dt, Joh. Frdr. Vertraute Briefe, ge-
schrieben auf e. Reise nach Wien u. d. Öster-
reich. Staaten zu Ende d. J. 1808 u. zu Anfang
1809. Eingel. u. erläut. v. Gustav Gugitz.
2 Bde. Mit 33 bezw. 29 Bildbeigaben. (Denk-
würdigkeiten aus Alt-Österreich XV u.XVI.)
München (’15, Umschlag *18), Georg Müller.
8°. XXVI, 357 u. 324 S. Ji 25.
Rodhe [!], Edv. Studie in den svenska Infor-
mation stiders liturgiska tradition. Uppsala,
A. B. Akademiaka Bokhandeln 1917. 8°.
16G S. Kr. 4. (— Uppsala, Univeraitets
Arsskrift 1917. Teologie. 1.)
Rolland, Romain. Nägra tonkonstens mäst&re
i forna dagar. Bemyndigad Översättning
av Alma Faust man. Stockholm, P. A.
Norstedt & Söner. 8°. 372 S. Kr. 10.
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den (’17), Frey. 8°. u* 1,50.
Schmidt, Karl.* Beiträge z. Kenntnis des
musik&l. Lebens in der ehemal. Reichsstadt
Friedberg i. d. W. Leipzig, Breitkopf & H.
gr. 8°. 78 8. Ji 3.
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Mit neuem Text u. Dialog von Anton Rudolph.
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kl. 8°. 95 S. m. 1 Abb. 0,50.
Radczwill, Minna. Reigen-Sammlg. , m. e.
Anhang: Tanzen nach Instrumentalmusik.
з. Aufl., unveränd. Abdr. d. 2. Aufl. Leip-
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Breitkopf & H. — Wien, Artaria & Co.
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v. Inga Bielensteiu, Die Bearb. der vorlieg.
v Übertr. besorgte Jobs. v. Guenther.) Mün-
chen, G. Müller, kl. 8°. 113 S. 3.
Weingartner, Felix.* Ratschläge für Auf-
führungen klassischer Symphonien. II. Bd.
Schubert u. Schumann. Leipzig, Breit-
kopf &H. 8°. V, 119 S. mit zahlr. Noten-
beisp. JH 5.
Weissmann, Adolf.* Der Virtuose. Mit
1 Bilde u. 39 Fksjns. Berlin, P. Caasirer.
Lex. 8°. 1/74-C" Jt 24.
Wesselski, Albert. Flämische Volkslieder.
In deutscher Nachdichtg. u. mit d. Sing-
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Innsbruck, Verlag d. Wagner-
ßchen Univ.-Buchdr. 8°. 154 S. Ji 5.
Wiehern, Caroline. Alte und neue Weih-
nachtslieder. Für Schule u. Haus gesammelt
u. z. TI. neu bearb. Hamburg, Agentur des
Rauhen Hauses, kl. 8°. 48 S. m. 1 Abb,
Jt 0,25.
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(Einzelne Meister.)
Adamberger, Antonie.
Zimmer, Hans.* Theodor Körners Braut.
Ein Lebens- u. Charakterbild Antonie Adam-
bergers. Mit II Bildnissen und 1 Hand-
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vprsity Press. 8°. 2 a. 6 d.
— Hirschberg, Leop. Rieh. Wagners
Beethoven-Brevier, zusammengest. (Deut-
sche Mnsikbiicherei, hrsg. v. Leop. Hirsch-
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& Sohn. gr. 8°. 120 S. M 2,50.
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berlain. Ein Abriß seines Lebens, auf
Grund eigener Mitteilgn. hrsg. Mit 4 Bild-
nissen. München, J. F. Lehmanns Verlag,
kl. 8°. 114 S. Jt 2,50.
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Brev fr&n Bernhard Crusell, utgivna av
Daniel Fryklund. Sundsvall, Sahlius
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Hiuschens auf dem Kapuzinerberge zu
Salzburg. (Aufstieg 5 Minuten Von der
Linzergasse.) 4. Aufl. Salzburg, Interna-
tionale Stiftung: Mozarteum, gr. 8°. 40 8.
m. 1 Bildnistafel. K. 1,20-
— Gysi, Fritz. Mozart in seinen Briefen
8. Abschnitt II unter Neujahreblatt.
— Kreitm aier, Josef.* W.A. Mozart. Eine
Charakterzeichn an g des großen Meistere
nach den literarischen Quellen. Mit 4 Ab-
bildgn. Düsseldorf (*19), Schwann, kl. 8 U .
XXIII, 249 8. m. 4 Taf. Geb. Ji 5,50.
, — Kurthen, [?]. Studien zu Mozarts
kirchen musikalischen Jugend werken. Dis-
Bert. Bonn.
[Angeseigt in : Di« Stimme XII, 284.1
— Lach, Robert.* W.A. Mozart als Theore-
tiker. (Denkschriften d. Akad. d. Wissen-
^ schäften in Wien. Philosophisch-histor. Kl.
61. Bd., 1. Abt. Wien, Holder in Komm.
4°. 100 8. m. 2 Taf.
— Lert, Ernst.* Mozart auf d. Theater.
Mit 39 Bildern. Berlip^dSchuster & Loeffler.
8®. XVIII, Mjp&r Jt 12,50.
— Mattlinger. Mozarts Bekenntnisse und
Lehren über seine Kunst. (Dissert.) Basel.
— Mörike, Eduard. Mozart auf der Reise
nach Prag. Eine Novelle. (Insel-Bücherei
Nr. 230.) Leipzig, Insel-Verlag, kl. 8°.
76 8. Geb. Ji 1,10.
— Rudolph, Anton. Mozart in Prag. Ein
Singspiel in 1 Aufz. Unter Benutzg. der
Musik z. „Schauspieldirektor“, z. „Lo sposo
deluso“ u. a. v. W. A. Mozart. (Textbuch.)
Mü nchen(’l 7) , Zierfuß. kl.8°. 468. Ji 0,60.
— s. a. Abschnitt IV unter „Neuausgaben“.
Mraczek, Joseph Gustav.
— Müller, ErichH. Joseph Gustav Mraczek.
Dresden, Felix Stiemer. 8°. 36 S. m. 1
Bildnis, 1 Facs. u. Notenbeisp. Ji 1,50-
Müller, Peter.
Müller, Heinr. Peter Müller, d. 1. hes-
sische Seminarmuaiklehrer. Ein Bild seines
Lebens u. Wirkens. Zum lOOjihr. Be-
stehen des Lehrerseminare zu Friedberg
verf. u. hreg. Darmstadt (*17), Druck ▼.
C. Winter. [Gießen, E. Roth in Komm.]
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schaften in Wien. (Philosophisch-histor.
Klasse. 60. Bd., l.Abb.) Wien *16 (Um-
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einem Leitgedicht von Friedr. Lienhard.
Lübeck 017), Gebr. Borchers. 8°. 31 8.
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Tristan u. IsoIde^Em Interpretationsver-
such. Wien u^eipzig, H. Harbauer. 8®.
292 8. J( 9,60.
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flyvende Hollaender“, chronologiak, textlig
og musikalsk belyst. [Dänischer Text.]
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Wagners. 2. verb. Aufl. (Aus Natur u.
Geistesweit. 330. Bd.) Leipzig, Teubner.
8°. VI, 125 S. m. 1 Bildnis. Jf 1,20.
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1859 — 1883. Mit 6 Abb., 1 Unterschrift-
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Berliu^Ernst Hofmann & Co. 8°. XVI,
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allgemein-verständl. Beitrag zur Philoso-
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Breitkopf & H. 8°. 424 u. Musikbeil. 31 8.
m. 1 Bildnis. Geb. ul 3,50. — [Dasselbe.]
Herausgegeben v. Jul. Kapp. Mit 6 Bildn.
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Lohengrin. Tristan. S66 8. — 2. Bd. Dar Ring des
Nibelungen: Rheingold. WalkOre. Siegfried. Götter-
dämmerung. 400 S. — 3. Bd. Die Meistersinger
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zu Leipzig bearb. 29. Aufl. m. Anmerkgn.
u. Ergänzgn. vers. v. Alfred Richter. Leip-
zig, Breitkopf & H. gr. 8°. XIV, 226 S.
Jt 3. — [Dasselbe]. 2. Bd. Lehrbuch des
einfachen u. doppelten Kontrapunkts ....
verm. u. ergänzt von Alfred Richter. Neu
rev. 14. Aufl. Ebenda, gr. 8°. XI, 241 S.
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ihre Hygiene. 3. Aufl. (Aus Natur u. Geistes-
weit. 136. Bd.) Leipzig, Teubner. 8°. IV,
121 S. mit 21 Abb. 4 1,20.
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freitags nach d. röm. Missale, lateinisch u.
deutsch nebst Erklärg. d. dabei vorkomm.
Gebräuche. 8. Aufl. Rottenburg, W. Bader.
16°. 48 8. 4 0,25.
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methodische Winke f. Gesanglehrer u. Ge-
sanglehrerinnen dieser Anstalten. Nürnberg,
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für Gesunde, Schwache u. Kranke. . . Aus
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Atmens. Ein Lebenswink f. Alle, insbes. f.
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solche, die infolge angeborener innerer Ver-
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Atmung leiden. Homburg v. d. Höhe, Selbst-
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Bertelsmann, gr. 8°. XVI, 396 S. Ji 15.
Offizium, Das kleine, d. seligsten Jungfrau
Maria f. die vier Zeiten des Jahres nach dem
röm. Brevier nebst d. Totenoffizium and d.
Bußpsalmen d. Litanei za allen Heiligen,
gemäß d. neuesten Entscheidg. d. Ritenkon-
gregation. 3.Aufi. Latein.'Text m. deutschen
Rubriken and Vorbemerkgo. Regensburg,
Pustet, kl. 8°. 376 S. m. Titelbild. Ji 3.
Plaß, Jobs.* Der Rhythmusd. Melodien unserer
Kirchenlieder. Nach den Erfordernissen d.
Gemeindegeaanges v. d. musikai. Grundlagen
aus entwickelt. Leipzig, Breitkopf & H.
gr. 8°. 166 S. Ji 5.
Rade, Adolf. Methodik d. gesamten Volks-
scholunterrichts. Unt.be«. Berücks. d. neueren
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dik des naturkundlich-mathemat. u. d. techn.
Unterrichts. (Der Bücherschatz d. Lehrers. . . .
Hrsg. v. K.O. Beetz u. A.Rude. 9. Bd.,2.Tl.)
18., verb. Aufl. Osterwieck, Zickfeldt. gr. 8°.
XII, 664 8. m. Abb. Ji 8.
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Sakkers, D. J. Het zang-examen voor de
onderwijzersacte. 60 verslagen der laatste
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Scherndl, Balthasar. Liturgisches Hand-
büchlein z. Gebrauche f. Priester u. Meßner.
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Sohn. 8°. XI, 176 8. J$ 5. [Dasselbe.]
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editio vaticana, m. Choralnoten Violinschlüs-
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Texte u. Rubriken. 2. Aufl. Regensburg,
Pustet 8°. IV, 108 8. Jt 0,80.
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Besondere Mueiklehre: Instrumente.
Auch Instrumentenbau und Inatru-
mentationslehre.
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Anlei tg. z. Einachätzg. der Geigen, Violen,
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vereinen , sowie f. solche, welche mangelhaften
Unterricht genossen, e. ungenüg. Schule z.
Selbstunlerr. benutzten, aich schlechte Spiel-
manieren angewöhnten, od. ihr Wissen in
bezug a. Theorie u. Praxis bereichern wollen.
Verf. nach fünfzigjähr. Tätigkeit auf d. Ge-
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C. G. Niuroinn Q. m. b. H. B Lfllpzlg