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Full text of "Jahrbuch der Gesellschaft für bildende Kunst und vaterländische Altertümer zu Emden (Volume 15)"

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Jahrbuch 


der 

Oesellsehaft  ftir  bildende  Kunst 

und 

vaterlandische  Altertttmer 

zu 

EmdeiL. 


FQnfzehnter  Band.  —  Erstes  Heft. 

(S.  1—186.) 


— ^^CWKi^ — 


Emdan. 

Eigentum  der  Oesellsehaft 
1903. 


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Hohenaallem  Collcctic ?. 
Gift  of  A.  C  Cooiidp? 


Oracle  von  Anton  (Terhard  in  Emden. 


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Inhalt. 

Seite 
Die  Quellen  des  „Rerum  Frisicarum  Historia"  des  Ubbo  Emmius.  I. 

Von  Dr.  H.  Reimers  in  Aurich  1 

Ein  Hausbuch  Eggerik  Beningas  (Schluss).  Von  Dr.  C  Borchling, 

Privatdozent  in  GOttingen 104 

Kleinere  Mitteilungen: 

I.  Beitrage  zur  Geschichte  der  Armenpflege  und  des 
Gasthauses  in  Norden.  Vom  Archivdirektor 
Dr.  Wagner  in  Wiesbaden 138 

n.  Mitteilungen  tiber  das  Schiffswesen  Ostfrieslands 
im  XVI. Jahrhundert.  Von  P.  van  Rensen, 
Sekret&r  der  Handelskammer  in  Emden    .       161 


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Die  Quellen  der  „Rerum  Frisiearum  Historia" 
des  Ubbo  Emmius. 

Von  Dr.  Heinrich  Reimers  in  Aurich. 


I.  Leben  und  Werke  des  U.  Emmius. 

Eine  gliickliche  Vereinigung  aller  der  Umstande,  welche 
geeignet  sind,  einen  bedeutenden  Menschen  auf  die  H6he  seiner 
Zeit  zu  stellen,  lasst  uns  die  Beschaftigung  mit  Ubbo  Emmius 
der  Mvihe  wert  erscheinen.  Dazu  tritt  uns  der  friesische  Ge- 
lehrte  des  ausgehenden  16ten  Jahrhunderts  entgegen  im  Lichte 
einer  grossen  Zeit,  hineingestellt  in  den  Rahmen  einer  jugend- 
kraftigen  Volksbewegung. 

Ubbo  Emmius  wurde  am  5ten  Dezember  1547  geboren ;  seine 
Heimat  war  das  ostfriesische  Dorf  Greetsiel.  Das  Meer,  welches 
dem  friesischen  Lande  iiberhaupt  wesentlich  sein  Geprage  leiht, 
musste  die  ersten  Eindriicke  des  Knaben  bestimmen.  Auf  das 
Meer  hinaus  gingen  vor  allem  die  Interessen  der  Bewohner  des 
Dorfes ;  Schiffahrt  und  Fischfang  boten  manchen  von  ihnen  die 
Nahrung.  Daneben  nahrte  der  fruchtbare  Boden  des  Marsch- 
landes  einen  kraftigen,  freiheitstrotzigen  Bauernstand  —  jene 
Manner,  welche  in  den  Wirren  des  Landes  in  ihrer  Weise  den- 
selben  Gedanken  von  Unabhangigkeit  und  Selbstandigkeit  durch- 
zusetzen  suchten,  wie  ihn  in  Ostfriesland  die  gebildeten  und 
hoherstrebenden  Elemente,  vor  allem  die  Btirger  Emdens,  ihren 
Fiirsten  gegentiber  vertraten.  Bei  alledem  war  Greetsiel  der 
Stammsitz  des  ostfriesischen  Herrscherhauses,  und  die  Tradi- 
tionen,   welche  einst  das  cirksenasche  Haus  so  eng  mit  dem 

Jahrbuch  dor  GesolUch.  f.  b.  K.  u.  vatorl.  Altertumer  zu  Eiuden,  Bd.  XV.  1 


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Boden  verbanden,  dein  es  entsprossen  war,  und  die  Tage  des 
grossen  Edzard,  der  wohl  noch  selbst  auf  dem  Sitz  seiner  V&ter 
residierte,1)  mochten  in  Greetsiel  um  die  Mitte  des  16ten  Jahr- 
hunderts  noch  unvergessen  sein.  Nicht  gar  weit  von  Emmius1 
Geburtshause  stand  als  mahnender  Zeuge  der  Geschichte  des 
greetsielischen  Hauses  die  von  dem  ersten  Grafen  aus  cirksena- 
schem  Geschlechte,  Ulrich  I.,  wehrhaft  hergestellte  Burg,  damals 
noch  einer  der  bedeutendsten  festen  Pl&tze  im  Lande. 

Emmius'  Vater  war  der  Pfarrer  des  Dorfes,  ein  Theologe 
aus  der  Schule  der  grossen  Reformatoren.  Er  selbst  hatte  noch  in 
Wittenberg  zu  Luthers  und  Melanchthons  Fiissen  gesessen,  das 
sp&tere  Leben  hatte  ihn  mit  Johannes  a  Lasko  wahrend  dessen 
Emcfer  Aufenthalt  zusammengefiihrt,  und  innige  Freundschaft 
verband  beide  Manner.2)  Seine  Familie  war  von  alters  her  in 
Ostfriesland  wohl  angesehen.  Der  Bruder  seiner  Mutter,  der 
Amtmann  Ubbe  Emmen,  war  unter  den  tapfern  Verteidigern  Leer- 
orts  in  der  sachsischen  Fehde,  dem  Grossvater  hatte  das  Ver- 
trauen  seiner  Landsleute  das  Amt  eines  Sielrichters  tibertragen.3) 

Den  ersten  Unterricht  genoss  Ubbo  Emmius  bei  seinem  Vater, 
doch  sandte  dieser  ihn  bereits  mit  9  Jahren  auf  die  lateinische 
Schule ;  er  besuchte  Emden,  Bremen  und  Norden.4)  Die  Frucht 
seiner  griindlichen  Gymnasialstudien  —  er  hielt  sich  an  den 
drei  Schulen  nicht  weniger  als  14  Jahre  auf  —  war  eine  ein- 
gehende  Bekanntschaft  mit  den  klassischen  Sprachen;  besonders 
der  Unterricht  des  beriihmten  Rektors  Molanus  in  Bremen  soil 
in  dieser  Beziehung  von  grossem  Einfluss  auf  Emmius  gewesen 
sein.  Ein  formvollendeter  lateinischer  Stil,  ein  feinsinniges  Ein- 
gehen  auf  die  Gedankenwelt  der  Alten,  sind  Emmius  immerdar 
eigen  geblieben.  Geschult  an  den  Vorbildern  der  Alten,  gen&hrt 
mit  den  Erzeugnissen  ihrer  edelsten  Geister,  war  Emmius  doch 
zugleich  seiner  Zeit  ein  wahrhaft  moderner  Mann,  der  es  wie 
wenige  verstand,  das  alte  Gold  in  neue  Formen  zu  giessen,  der 
Vertreter  einer  lebenswarmen,  naturwahren  Renaissance  auf 
friesischem  Boden.  So  ausgeriistet  genoss  er  wahrend  zweier 
Jahre  in  Rostock  den  Unterricht  des  ersten  Historikers  seiner 


0  Wiarda:  Ostfriesische  Geschichte  II  p.  321. 
*)  Mulerius:  Vita  Ubbonis  Emmii  p.  170. 
8)  Em.  hist.  p.  878. 
«)  Vita  Ubb.  Em.  p.  172. 


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—     3     — 

Zeit,  David  Chytraeus.  In  theologischer  Beziehung  freilich  ist 
Emmius  diesem  Lehrer,  dem  Mitverfasser  der  Konkordienformel, 
nicht  gefolgt,  hier  iibten  die  Universitat  Genf,  wo  Emmius 
spater  zwei  Jahre  weilte,  und  ihr  gefeierter  Lehrer  Theodor 
Beza  den  entscheidenden  Einfluss  auf  ihn  aus.  Der  Historiker 
Emmius  aber  weiss  sich  durchaus  als  Schiiler  des  Chytraeus. 
Die  spatere  Freundschaft  beider  M&nner  und  das  Urteil  des 
Chytraeus  iiber  das  Werk  seines  Schiilers1)  sind  Zeugen  ihrer 
engen  Beziehungen.  Wohlunterrichtet  iiber  Land  und  Leute 
durch  eine  Studienreise,  die  ihn  durch  Siiddeutschland,  die 
Schweiz  und  Frankreich  fuhrte,  kehrte  Emmius  1579  in  die 
Heimat  zurtick.  Sein  letzter  Universitatsaufenthalt  hatte  ihn 
in  eine  entschieden  reformierte  Richtung  gedrangt,  Calvin  war 
der  iiberragende  Geist,  der  seine  theologischen  Anschauungen 
beherrschte;  und  das  republikanische  Genf  war  der  Ort,  an 
dem  diese  Ideen  die  Statte  ihrer  klassischen  Auspragung  gefunden 
hatten. 

So  kam  er  in  das  Ostfriesland  Edzards  II.  Hier  war  in- 
zwischen  ein  anderer  Geist  herrschend  geworden,  als  zur  Zeit 
der  Grafin  Anna  und  a  Laskos.  In  Emmius'  Vaterhause  hatte 
ein  milder  versShnlicher  Sinn  geherrscht,  der  Vater  war  luthe- 
rischer  Geistlicher,  er  war  Luthers  Schiiler,  aber  er  konnte 
dabei  doch  auch  a  Laskos  Freund  sein ;  der  Sohn  war  nun  ent- 
schieden in  die  Bahnen  der  Schweizer  Reformatoren  eingelenkt. 
In  dem  grossten  Teil  seiner  Heimat,  in  den  massgebenden  Kreisen 
zumal,  hatte  sich  die  entgegengesetzte  Entwicklung  angebahnt. 
Des  grossen  Edzard  gleichnamiger  Enkel  hatte  als  Gemahlin  eine 
Prinzessin  aus  koniglichem  Gebliit  heimgefuhrt,  eine  Tochter 
Gustav  Wasas.  Erzogen  in  dem  ausgepragt  lutherischen  Sinn, 
wie  er  am  Hofe  des  grossen  Schwedenkonigs  herrschend  war, 
wusste  sie  das  Herz  des  Gatten  bald  fur  ihre  Anschauungen 
zu  gewinnen.  Edzard  II.  ward  ein  entschiedener  Lutheraner, 
sein  Bruder  Johann,  der  einen  Teil  des  Landes  selbstandig 
regierte,  war  ebenso  entschieden  reformiert,  und  die  kon- 
fessionellen  Gegensatze  scharften  sich,  wie  nie  zuvor  im  Lande. 
Dazu  waren  die  innern  politischen  Verhaltnisse  schwierig  genug. 

Die  ersten  Glieder  der  cirksenaschen  Dynastie  hatten  das 
Emporkommen  ihres   Hauses  noch  nicht  vergessen,   sie  waren 

l)  Tiaden:  Das  gelehrte  Ostfriesland.  Bd.  II  p.  187. 


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-    4     — 

ttichtige  und  kraftvolle  Regenten,  bei  alledem  aber  wussten  sie 
sich  stets  als  „primi  inter  pares",  als  Fiihrer  des  Volkes  im 
eigentlichen  Sinne.  Sie  standen  dem  Volke  nicht  gegenflber 
wie  sonst  wohl  die  Fiirsten  im  Reich,  sie  standen  im  Volke, 
und  beider  Interessen  waren  eins.  Auf  die  Dauer  aber  konnte 
das  schwerlich  so  bleiben.  In  demselben  Masse,  in  dem  die  Be- 
herrscher  des  Landes  liber  den  Standpunkt  der  H&uptlinge 
hinauswuchsen,  und  in  dem  ihre  Macht  nach  innen  und  aussen 
erstarkte,  mussten  sie  zu  einer  andern  Auffassung  ihrer  fiirst- 
lichen  Stellung  hingedr&ngt  werden.  Fanden  sie  nun  far  diese 
Ideen  keinen  Stiitzpunkt  im  Lande  selbst,  so  war  es  das  Nattir- 
liche,  dass  sie  sich  mit  auswartigen  Raten  umgaben,  die  in 
jenen  Anschauungen  von  der  Macht  eines  Fiirsten  und  dem  Ge- 
horsam  seiner  Unterthanen  aufgewachsen  waren,  welche  ihnen 
genehm  waren,  und  in  denen  sie  somit  willige  Werkzeuge  ftir 
die  Durchfiihrung  ihrer  Absichten  finden  mussten. 

Schon  unter  Enno  II.,  dem  Sohne  Edzards  des  Grossen, 
schienen  die  Dinge  eine  derartige  Wendung  nehmen  zu  wollen. 
Aber  seine  kurze  Regierung  (1528—1640)  konnte  das  einzig- 
artige  Band,  das  sich  hier  zwischen  Fiirst  und  Volk  geschlungen 
hatte,  nicht  zerreissen,  und  Ennos  Witwe  Anna  von  Oldenburg 
war  klug  genug,  w&hrend  ihrer  vormundschaftlichen  Regierung 
die  fiirstlichen  Anspriiche  nicht  zu  iiberspannen,  und  das  Herz 
des  Volkes  gehSrte  ihr,  wie  einst  den  Ahnherm  ihrer  Kinder. 
Aber  das  alles  war  nun  anders  geworden.  Der  Schwiegersohn 
des  Konigs  von  Schweden  sah  nicht  ein,  warum  er  sein  Volk 
anders  regieren  sollte,  wie  draussen  die  Fiirsten  im  Reich  und 
wie  etwa  sein  koniglicher  Schwiegervater.  Er  umgab  sich  mit 
Ratgebern,  welche  in  fremden  Verh&ltnissen  aufgewachsen,  frie- 
sischer  Art  und  friesischer  Sitte  unkundig,  die  Verhaltnisse 
der  Grafschaft  unertraglich  fanden,  und  die  nun  ihrem  Herrn 
die  Stellung  zu  sichern  suchten,  welche  nach  ihrer  Meinung 
einem  Landesherrn  zukam.  Dies  Streben  nach  ftirstlichem 
Glanze  und  furstlicher  Macht  aber  musste  dem  jungen  Grafen 
die  Herzen  seiner  Landsleute  entfremden,  die  unter  dem  landes- 
v&terlichen  Regiment  seiner  Vorg&nger  von  alledem  nichts  er- 
fahren  hatten.  So  gingen  denn  die  Interessen  von  Fiirst  und 
Volk  auseinander,  welche  fast  ein  Jahrhundert  aufs  engste  ver- 
bunden  gewesen  waren. 


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—     5     — 

Das  Volk  suchte  und  fand  eine  st&rkere  Vertretung  in 
einer  Kraftigung  der  Landst&nde.  Diese  waren  bisher  mehr 
zurtlckgetreten,  ihr  harmonisches  Zusammenwirken  mit  der 
landesherrlichen  Gewalt  hatte  eine  scharfe  rechtliche  Abgrenzung 
der  gegenseitigen  Rechte  kaum  erforderlich  gemacht.  Die  ein- 
getretene  Spannung  steigerte  nun  die  Ansprtiche  von  beiden 
Seiten.  War  es  auf  der  einen  Seite  die  reichsfiirstliche  Ge- 
walt und  Landeshoheit,  welche  den  Strebungen  des  Grafen 
einen  Riickhalt  und  Sttitzpunkt  gewahrten,  so  fanden  die  Land- 
st&nde  ihren  nattirlichen  Halt  in  der  aufkeimenden  Freiheits- 
bewegung  der  Niederlande.  Mit  steigender  Spannung  und 
wachsendem  Interesse  richteten  sich  die  Blicke,  der  gebildeten 
Bewohner  des  Landes  zumal,  nach  Westen.  Hier  entwickelte 
sich  ein  kraftiges  politisches  Leben,  hier  begann  ein  freiheit- 
liebendes  Volk  den  Druck  iiberspannter  absolutistischer  Gewalt 
von  sich  abzuschiitteln,  und  sein  Beispiel  musste  ermutigend 
und  belebend  wirken.  Kein  Wunder,  wenn  in  solcher  Lage  in 
Ostfriesland,  hier  an  der  Grenzscheide  des  Reiches,  die  Gegen- 
satze  aufeinanderplatzten.  Vom  Reiche  her  klangen  dem 
regierenden  Herrn  wie  Lockrufe  die  Worte  von  Fiirstenrecht 
und  Fiirstenherrlichkeit  in  die  Ohren.  An  den  Thoren  des 
Landes  zeigte  ein  freies  Brudervolk  dem  Friesenvolke,  was  das 
Ende  des  fflrstlichen  Absolutismus  sei,  und  welche  Krafte  des 
staatlichen  und  burgerlichen  Lebens  sein  Sturz  zu  entbinden 
verm6ge. 

Es  ist  nicht  schwer  zu  erraten,  auf  welche  Seite  es  Ubbo 
Emmius  nach  seiner  ganzen  Entwicklung  hindrangen  musste. 
Dennoch  trat  Emmius  in  die  Dienste  Edzards  II.  Wohlvorgebildet 
zum  Predigt-  wie  zum  Lehramt,  wahlte  er,  als  ihm  nach  seiner 
Ruckkehr  beides  angeboten  wurde,  die  Stelle  als  Rektor  der 
lateinischen  Schule  zu  Norden.  Den  politischen  Gegensatzen 
blieb  er  hier  fern.  W&hrend  die  ihm  anvertraute  Schule  unter 
seiner  Leitung  machtig  emporbltihte,  fuhrte  er  neben  seinen 
amtlichen  Verpflichtungen  das  Leben  eines  emsigen,  rastlosen 
Gelehrten;  in  diese  Zeit  fallen  die  ersten  Anfange  seines  grossten 
Werkes,  seiner  friesischen  Geschichte.  Aber  ob  er  sich  gleich 
so  weit  ab  hielt  vom  politischen  Leben,  so  sollte  er  doch  von 
anderer  Seite  gar  bald  in  die  Gegensatze  im  Lande  hinein- 
gezogen  werden.    Sein  reformierter  Standpunkt,  obwohl  bereits 


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—     6     — 

von  Anfang  an  nicht  unbekannt,  erregte  plotzlich  das  Miss- 
fallen  des  durch  seinen  Hofprediger  aufgehetzten  Grafen ;  dieser 
wollte  in  dem  durchaus  lutherischen  Norden  einen  reformierten 
Rektor  nicht  langer  dulden,  und  Emmius  musste  1587  sein  Amt 
verlassen. 

Des  Grafen  reformierter  Bruder  nahm  ihn  auf,  und  bereits 
im  folgenden  Jahre  konnte  er  die  Leitung  der  neugegrundeten 
lateinischen  Schule  in  Leer  iibernehmen.  Dass  diese  Wendung 
der  Dinge  seinen  Gegensatz  zu  Edzard  II.  verschftrfte,  ist  nur 
natiirlich.  Bei  alledem  aber  darf  man  sich  Emmius  nicht  als 
einen  grundsatzlichen  Feind  des  graflichen  Hauses  vorstellen, 
wie  dies  spater  seine  hofischen  Gegner  wohl  darzustellen  be- 
liebten.  Noch  1592  widmete  er  von  Leer  aus  Edzards  Sohn, 
dem  spateren  Grafen  Enno  III.,  die  erste  Dekade  seines  Geschichts- 
werkes,  und  die  Art,  wie  er  in  seiner  Geschichte  selbst  iiber 
das  grafliche  Haus  spricht,  ist  nichts  weniger  als  feindselig. 
Er  bekampfte  nur  Edzards  System,  nicht  die  Person  des  Landes- 
herrn,  noch  weniger  sein  Haus.  Der  Aufenthalt  in  Leer  brachte 
Emmius  reiche  Forderung,  er  lernte  die  niederlandischen  Ver- 
h&ltnisse  hier  aus  naherer  Anschauung  kennen.  Die  treibenden 
Ideen  der  ganzen  niederlandischen  Freiheitsbewegung  mussten 
sich  ihm  hier  weit  konkreter  gestalten,  als  in  dem  dem  Schau- 
platz  der  Dinge  ferner  liegenden  Norden.  So  wuchs  er  mehr 
und  mehr  in  den  Gedanken-  und  Gesichtskreis  des  Landes  hinein, 
welches  ihm  eine  zweite  Heimat  werden  sollte.  Vor  allem  fand 
er  in  Leer  reiche  Anregung  durch  den  Verkehr  mit  angesehenen 
Fltichtlingen  aus  Groningen,  mit  Johann  Rengers  ten  Post  und 
seinemKreise  besonders.  Als  diese  nach  der  Befreiung  Groningens 
in  die  Heimat  zuriickkehrten,  dankte  er  ihrer  Ftirsprache  einen 
Ruf  als  Rektor  in  ihre  Vaterstadt. 

Im  Jahre  1596  ubernahm  Emmius  dann  die  Leitung  der 
lateinischen  Schule  in  Groningen.  Hier  bot  sich  seiner  Ent- 
wicklung  ein  Spielraum,  wie  er  ihn  in  seiner  Heimat  nimmer 
hatte  finden  konnen.  Er  selbst  sah  sich  nun  mit  einem  Male 
hineinversetzt  in  das  Leben  des  Landes,  welches  ihm  und  den 
Seinen  immerdar  als  das  klassische  Land  der  btirgerlichen 
Freiheit  hatte  erscheinen  mussen.  In  unmittelbarem  Verkehr 
mit  den  fuhrenden  M&nnern,  Wilhelm  Ludwig  von  Nassau, 
Friedrich  und  Abel  Coenders  van  Helpen  u.  a.,  konnten  in  ihm 


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—     7     — 

nunmehr  die  staatlichen  und  politischen  Ideale  zu  freier  Ent- 
wicklung  gelangen,  fur  die  sein  Aufenthalt  in  Genf,  die  Be- 
schaftigung  mit  den  klassischen  Vorbildern  antiken  Biirger- 
sinnes  und  endlich  nicht  zuletzt  die  konkreten  Verhaltnisse 
seiner  engeren  Heimat  den  Boden  bereitet  hatten.  Hierzu  kam 
noch  die  Beriihrung  mit  den  Ideen  von  Hugo  Grotius,  wie  sie 
damals  den  Niederlandern  nahe  lag,  vor  allem  aber  sein  enger 
Freundschaftsbund  mit  dem  damaligen  Emder  Syndikus  Althusius. 
Dieser  Mann,  der  erste  Vertreter  einer  neuen  staatsrechtlichen 
Auffassung,  einer  der  geistigen  Vater  des  contrat  social,1)  war 
damals  die  Seele  der  freiheitlich  gerichteten  Elemente  in  Ost- 
friesland.  Seinen  radikalen  Anschauungen  hat  sich  Emmius 
nicht  angeschlossen,  er  war  seiner  Grunduberzeugung  nach 
ebensowenig  ein  Ftirstenstiirmer,  wie  ein  Demokrat,2)  aber  die 
neuen  staatsrechtlichen  Ideen  gingen  doch  nicht  spurlos  an 
ihm  voriiber,  und  die  Idee  des  vom  Ftirsten  mit  dem  Volke  ge- 
schlossenen  Vertrages  spielt  bei  seiner  Beurteilung  der  ost- 
friesischen  Verhaltnisse  ihre  Rolle.  Vor  allem  aber  sind  ein 
auf  das  Grosse  gerichteter  politischer  Blick  und  eine  selb- 
standige  Art,  die  Dinge  anzuschauen,  der  bleibende  Erfolg,  den 
auch  der  Historiker  Emmius  diesen  Verhaltnissen  verdankt. 
Dabei  bot  ihm  Groningen  auch  sonst  in  historischer  Beziehung 
Fftrderung  genug. 

Zu  dem  groninger  Geschichtschreiber  Eggerik  Phebens, 
dem  Kurator  der  lateinischen  Schule,  stand  er  nicht  nur  in 
amtlichen  Beziehungen3) ;  Rengers  ten  Post  stellte  ihm  seine 
historischen  Kommentare  zur  Verfugung,  und  vor  allem  bot 
sich  ihm  in  Groningen  durch  das  Wohlwollen  der  Behorden 
ausgiebige   Gelegenheit   zur   Benutzung  der   dort  vorhandenen 


!)  vgl.  0.  Gierke:  Johannes  Althusius  und  die  Entwicklung  der  natur- 
rechtlichen  Staatstheorie.    Breslau  1880,  2.  Ausgabe  1902. 

*)  Bezeichnend  ist  in  dieser  Beziehung,  was  Emmius  in  der  Historia 
pag.  19  liber  die  Besetzung  der  obrigkeitlichen  Aemter  in  Groningen  sagt: 
„Olim  tamen  ita  observatum,  ut  ad  ccmsulatum,  aut  ordinem  senatoHum  nulli 
facile,  nisi  antiquis,  partim  etiam  nobilibus  familiis,  quae  complures  ex  agro  in 
civitatem  concesscrant,  nati,  aut  alioqui  insignibus  commendati  dotibus  admitteren- 
tur.  Quae  ratio  quamdiu  valuit,  tt  pax  cum  vieinis,  quos  idem  sanguis  oppi- 
danis  miscebat,  immota,  et  fortuna  civitatis  prospera  fuit:  Ea  projecta,  cuncta. 
rcliqua  etiam  in  contrarium  iere." 

2)  Groninger  Bijdragen,  Jahrgang  I  p.  264. 


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—     10    — 

anitnum,  ac  populum  ad  commiserationem  faciUime  impeUebant; 
maxime,  cum  velut  tabulae  subserviret,  quae  a  consilio  erat  nobili- 
tas,  et  conditionem  Mam  miserdbilem  populo  saepe  ingereret;  ac 
populus  ipse  per  se  singular*  affectu  ob  memoriam  Edtardi,  quam 
omnes  venerabantur,  eiusce  posteritatem  complecteretur."  Mit  dem 
Vertrage  von  Delfziel  (1595)  schliesst  der  Ueberblick  ab.  An- 
gebunden  findet  sich  noch  eine  zweite  Arbeit  von  Emmius: 
„de  Frisia  orientals,  welche  in  kurzer  Zusammenstellung  eine 
Schilderung  der  st£ndischen  Streitigkeiten  etc.  von  1574 — 1694 
enthftlt.  Von  den  beiden  Arbeiten  ist  die  eine  1597,  die  andere 
1600  verfasst,  doch  lasst  sich  nach  dem  Befund  der  Hand- 
schrift  nicht  feststellen,  auf  welche  die  eine  oder  andere  Zahl 
zu  beziehen  ist. 

Aus  dem  Jahre  1607  stammt  eine  kleine  historisch- 
polemische  Schrift  von  Emmius'  Hand:  „de  causa  Emdana  et 
totius  patriae" ,  dieselbe  befindet  sich,  leider  nicht  mehr  voll- 
st&ndig  erhalten,  in  der  Urschrift  auf  dem  kgl.  Staatsarchive 
in  Aurich.  Ebendort  ist  auch  eine  in  genealogischer  Form  ge- 
haltene  Abhandlung  iiber  die  dynastischen  und  rechtlichen  Ver- 
h&ltnisse  im  Harlingerlande,  welche  Emmius'  grosser  Gegner, 
der  Kanzler  Brenneisen,  spater  mit  der  Aufschrift  versehen  hat: 
„Nachrichten  von  den  Rechten  des  Hauses  Ostfriesland  an 
Esens  und  Wittmund".  Die  Arbeit  muss  aus  der  Zeit  nach 
1616  stammen,  da  Emmius  in  einem  hierzu  gehorenden  Stamm- 
baume  bereits  auf  die  Paginierung  der  Folioausgabe  seiner 
Historia  von  1616  Bezug  nimmt.1) 

Diese  letztere  enthalt  zum  ersten  Mai  in  vollstandiger  Zu- 
sammenstellung das  Hauptwerk  seines  Lebens  die  „  Historia 
rerum  Frisicaruma,  welche  in  60  Btichern  die  Geschichte  von 
Ost-  und  Westfriesland  bis  zum  Jahre  1664  enthalt.  Dieses 
Werk  vor  allem  hat  Emmius1  Ruhm  als  Historiker  begriindet 
und  ihm  eine  bleibende  Bedeutung  fiir  die  friesische  Geschicht- 
schreibung  bis  auf  unsere  Tage  gesichert.  Demgegentiber  treten 
seine   andern  grosseren   historischen   Schriften,   die    „  Historia 


*)  Fur  die  Datierung  der  hierzu  erforderlichen  Studien  macht  dies 
naturlich  nichts  aus,  zumal  Emm.  hist.  pag.  348  sich  bereits  ausdnicklich 
auf  dieselben  beruft:  „Sed  mihi,  eius  aetatis  cwneta  dUigentius  expendenti  et 
veterum  rerum  vestigia  in  tabulis  foederwn  persequenti,  hoc  maxime  verum 
occurrit."  etc. 


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—    11    — 

nostri  temporis",  die  Biographien  Wilhelm  Ludwigs  von  Nassau 
und  des  Emder  Predigers  Menso  Alting,  sowie  die  der  grossen 
Folioausgabe  von  1616  angefUgten  wertvollen  geographisch- 
historischen  Beschreibungen  des  damaligen  Frieslands  mehr 
zurtick,  so  schatzbares  Material  sie  auch  im  einzelnen  ent- 
halten.  Wenn  von  Emmius  und  seiner  Bedeutung  fur  die 
gegenwartige  historische  Forschung  die  Rede  ist,  so  ist  dabei 
allemal  an  die  „Hist.  rer.  Fris."  gedacht. 

Bei  Emmius  waren  in  mehr  als  einer  Hinsicht  die  Vor- 
bedingungen  gegeben,  welche  ihn  zu  einem  Historiker  machen 
konnten,  der  die  tiberwiegende  Mehrzahl  der  zeitgenossischen 
provinzialen  Geschichtschreiber  weit  hinter  sich  zuriickl&sst. 
Gediegene  wissenschaftliche  Bildung,  grfindliche  Kenntnis  seiner 
eigenen  Zeit,  und  vor  allem  der  warme  Lebenshauch  einer  grossen 
denkwtirdigen  Bewegung,  welche  tiber  sich  hinaus  die  Blicke 
zurucklenkt  in  die  Vergangenheit,  und  welche  eine  aus  ihr 
herausgeborene  Darstellung  und  ein  von  ihr  aus  gewonnenes 
Verstandnis  vergangener  Zeiten  immerdar  wird  anziehend  und 
reizvoll  erscheinen  lassen.  Aber  gerade  hier  liegt  auch  Emmius1 
Schw&che  als  Historiker,  und  seine  Gegner  haben  nicht  ver- 
saumt,  sich  diese  Schw&che  zu  nutze  zu  machen. 

In  der  ersten  Zeit  nach  dem  Erscheinen  des  Emmiusschen 
Werkes  freilich,  zeigt  sich  ein  Widerspruch  gegen  seine  Ge- 
schichtsdarstellung,  soweit  dies  die  Hauptsache  betrifft,  nicht. 
Sein  Gegensatz  zu  dem  Oldenburger  Chronisten  Hamelmann 
und  seine  litterarische  Fehde  mit  den  Verfechtern  einer  aus- 
flihrlichen  apokryphen  friesischen  Urgeschichte  (vgl.  cap.  VIII.  §  6) 
gehdrt  nicht  eigentlich  hierher.  Trotzdem  Emmius  aufs  engste 
in  die  st&ndischen  Streitigkeiten  in  seinem  Heimatlande  ver- 
wickelt  war,  trotz  seiner  dem  Graf  en  Enno  gehassigen  Ver- 
Gffentlichung  der  im  Geiste  Machiavells  gehaltenen  Denkschrift 
des  gr&flichen  Kanzlers  Thomas  Frantzius  „Getreuwer  Rath, 
wie  eine  bestendige  feste  regierung  in  Ostfriefzlandt  einzuftlhren 
seyal)  (1610),  fwurde  ein  Widerspruch   gegen    sein    gewaltiges 

*)  Das  1609  aus  Aurich  nach  Emden  entfuhrte,  lange  verschollene 
und  vor  Kurzem  im  Emder  Rathaus-Archive  wieder  aufgefundene^  Original 
hat  nicht  den  obigen  Titel  „Getreuwer  Rath"  etc..  sondern  auf  dem  Urn- 
8chlage  die  von  spaterer,  aber  alter  Hand  herruhrende  Aufschrift:  .Thornae 
Frantzii  Instructio  ahn  Seine  Gnaden  von  deren  regirung  alias  Testamentum 
Thomae  Frantzii^.    Eine  Ueberschrift  von  Frantzius  Hand  fehlt. 


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Ihm  folgt  im  wesentlichen  Onno  Klopp  im  ersten  Band 
seiner  ostfriesischen  Geschichte  bis  1570.  Klopps  Gegner 
Mohlmann  iibt  dann  zum  ersten  Mai  wieder  an  Emmius  scharfe 
Kritik.  J.  H.  D.  Mohlmann,  von  Hause  aus  Jurist,  ehedem 
Auditor  in  Aurich  und  Stade,  sp&ter  in  Emden  als  Privat- 
gelehrter  lebend,1)  liess  im  Jahre  1862  eine  Schrift  erscheinen: 
„  Kritik  der  Friesischen  Geschichtschreibung  (iberhaupt  und  der 
des  Dr.  Onno  Klopp  insbesondere".  Er  sucht  hier  die  ganze 
bisherige  friesische  Geschichtschreibung  nicht  nur  als  un- 
zureichend,  sondern  sogar  als  unzuverlassig  hinzustellen,  und 
auch  der  grSsste  aller  friesischen  Historiker,  Ubbo  Emmius, 
kommt  nicht  besser  weg  als  seine  Kollegen.  Gestiitzt  auf  die 
Forschungen  von  Richthofens  iiber  die  friesische  Rechts- 
geschichte,  sowie  auf  die  Schrift  von  Wierichs:  BVersuch 
einiger  Anmerkungen  iiber  den  Staat  von  Friesland  mittler 
Zeiten"  (Oldenburg  1741),  sucht  dann  Mohlmann  nicht  nur 
Emmius1  Anschauungen  iiber  das  Verhftltnis  Karls  des  Grossen 
zu  Friesland  und  iiber  die  friesische  Freiheit  im  Mittelalter 
an  der  Hand  der  Ergebnisse  spaterer  Forschungen  zu  be- 
richtigen,  sondern  er  zieht,  in  seiner  Kritik  weit  iiber  das 
Ziel  hinausschiessend,  auch  Emmius1  Glaubwilrdigkeit  im 
einzelnen  in  Zweifel.  Er  wirft  Emmius  ubergrosse  Abhangigkeit 
von  Eggerik  Beninga  vor  (vgl.  cap.  VI  §  1),  halt  ihn  von 
anderer  Seite  in  vielen  Fallen  fiir  iibel  unterrichtet,  ja  gar  fur 
leichtfertig,  und  nimmt  gelegentlich  eine  absichtliche,  wo  nicht 
Verdrehung,  so  doch  Verschleierung  der  Thatsachen  an;  ausser- 
dem  hat  er  von  Emmius1  archivalischen  Studien  eine  geringe 
Vorstellung  und  halt  die  Zahl  der  von  ihm  benutzten  Urkunden 
fiir  recht  gering  (vgl.  dagegen  cap.  V  §  1—5). 

Mohlmanns  Kritik  hat  bisher  eine  Widerlegung  in  ihrem 
vollen  Umfange  nicht  gefunden,  und  so  besteht  auch,  was  er 
iiber  Emmius  gesagt  hat,  in  gewissem  Sinne  noch  heute  in  der 
wissenschaftlichen   Welt    zu    recht    (vgl.  z.  B.  v.  Wegele:    Ge- 


')  Ausser  seiner  Kritik  erechienen  von  ihm  u.  a.  eine  Ausgabe  der 
Reimchronik  des  Grestius  von  Harlingerland,  der  Hieringschen  Beschreibung 
der  Herrlichkeit  Gddens  und  der  Genealogie  der  Hauptlinge  von  Godens 
von  Alexander  von  Werdum,  Stade  und  Harburg  1846,  sowie:  Stamm- 
tafeln  einiger  Ostfriesischer,  Hannoverscher  und  Westfalischer  Familien, 
Leer  1832. 


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—    IB    - 

schichte  der  deutschen  Historiographie  1885  p.  415 — 17).  Es 
w&re  zu  erwarten  gewesen,  dass  der  hollandische  Kritiker 
Bolhuis  van  Zeeburgh,  obschon  er,  was  die  &ltere  Geschicht- 
schreibung  anlangt,  vielfach  Mohlmann  zustimmt,  in  seiner 
griindlichen  Untersuchung :  „Kritiek  der  Friesche  Geschied- 
schrijvinga  ('s  Gravenhage  1873)  eine  gerechtere  Wtirdigung  der 
Bedeutung  unseres  grossen  Historikers  gegeben  h&tte.  Nach 
dem,  was  Bolhuis  p.  207 — 208  iiber  Emmius  sagt,  kann  man 
dies  mit  einiger  Sicherheit  annehmen,  aber  leider  ist  das  Werk 
nicht  fiber  diese  Einleitung  zu  einer  Besprechung  des  Emmius 
hinaus  gediehen.  Dagegen  hat  der  gegenwartig  bedeutendste 
Kenner  unserer  heimischen  Geschichte,  der  Generalsuperinten- 
dent  Bartels,  im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  fiir  bildende  Kunst 
und  vaterlandische  Alterttimer  zu  Emden  (Bd.  I.  p.  1  ff.)  in 
einer  griindlichen  Untersuchung:  „ Emmius,  Mohlmann  und  die 
Entstehung  des  Dollarts"  den  Nachweis  geftihrt,  dass  die  Vor- 
wiirfe,  welche  Mfthlmann  dem  Emmius  wegen  seiner  Dar- 
stellung  der  Dollartbildung  macht,  grand-  und  haltlos  sind, 
und  dargethan,  wie  sich  Emmius  bei  seiner  Behandlung  dieser 
Frage  auf  gute,  zuverlassige  Quellen  griindet.  Derselbe  Forscher 
giebt  denn  auch  im  6ten  Bande  dieses  Jahrbuchs  p.  32,  33  in 
seiner  Abhandlung:  „Emmius  und  die  Historia  rerum  Frisi- 
caium",  eine  Uebersicht  uber  einen  Teil  der  Quellen,  welche 
Emmius  zu  Gebote  standen.  Durch  beide  Nachweise  sind  die 
Wege  gewiesen,  auf  denen  sich  eine  gerechte  Wiirdigung  von 
Emmius'  Verdiensten  und  seiner  Bedeutung  anbahnen  lasst. 
Die  stete  Beriicksichtigung  der  von  Mohlmann  erhobenen  Vor- 
wttrfe  auf  der  einen  Seite,  auf  der  andern  die  Weiterfiihrung 
der  von  D.  Bartels  gegebenen  Anregungen  und  ihre  Durch- 
ftihrung  an  dem  ganzen  Werke,  werden  die  Richtlinien  sein, 
innerhalb  deren  sich  eine  kritische  Wurdigung  des  Quellen- 
wertes  der  nHistoria  rerum  Frisicarum^  wird  zu  bewegen  haben. 


II.  Beschaffenheit  der  Historia  rerum  Frisicarum  in  formeller  HinsichL 

§  1.    Quellenangaben  bei  Emmius. 
Eine   durchgehende  Angabe   der  Quellen   findet   sich   bei 
Emmius  nicht.    Ware  dies  der  Fall,  so  wtirde  es  unserer  Unter- 


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—     16    — 

suchung  eine  wesentlich  andere  Richtung  geben.  Trotzdem 
findet  sich  bei  ihm  eine  ganze  Anzahl  derartiger  Angaben,  so 
zwar,  dass  sich  aus  denselben  auch  nicht  entfernt  ein  Bild  von 
dem  Umfange  der  Quellen,  wie  von  Emmius'  Verh&ltnis  zu  ihnen 
gewinnen  lasst.  Jedenfalls  aber  bieten  diese  Angaben  Finger- 
zeige,  welche  die  Kenntnis  der  Quellen  an  einzelnen  Punkten 
vervollst&ndigen.  Dass  Emmius  bei  diesen  verstreuten  Hin- 
weisen  sich  von  bestimmten  historischen  Grundsatzen  habe 
leiten  lassen,  wird  man  nicht  behaupten  kSnnen.  Auff&llig 
mag  es  dabei  immerhin  erscheinen,  dass  die  Darstellung  der 
&ltesten  Zeit  in  dieser  Beziehung  weit  reicher  ausgestattet  ist, 
als  diejenige  der  letzten  Jahrhunderte,  ohne  dass  sich  hierfur 
eine  Erklarung  beibringen  liesse.  Wenn  die  Quellenangaben  fiir 
eine  Periode  fehlten,  welche  Emmius  als  Zeitgenosse  beschrieben 
hatte,  oder  fiir  die  er  sich  wenigstens  noch  auf  miindliche  Be- 
richte  von  Zeitgenossen  h&tte  berufen  konnen,  so  ware  dies  ja 
leicht  erklarlich.  Aber  davon  kann  hier  nicht  die  Rede  sein, 
schon  die  Thatsache,  dass  der  betreffende  Zeitraum  mehrere 
Jahrhunderte  umspannt,  spricht  deutlich  genug  dagegen.  Zudem 
wttrden  selbst  fiir  die  letzten  Jahrzehnte  der  Historia  Berichte 
von  Zeitgenossen  kaum  mehr  in  Betracht  kommen  konnen.1) 
Oft  ist  auch  die  Quellenangabe  durch  einen  allgemeinen 
Ausdruck,  wie  „commentariia,  „  annates"  u.  a.  verschleiert. 
Dabei  aber  handelt  es  sich  an  den  betreffenden  Stellen  weder 
um  ein  bestimmtes  Werk,  welches  durch  einen  derartigen  Aus- 
druck ein  fiir  allemal  bezeichnet  wilrde2),  noch  auch  lasst  sich 


*)  Emmius  wurde  1547  geboren,  sein  Werk  schliesst  bereits  mit 
dem  Jahre  1664. 

*)  Wie  wenig  es  sich  hier  um  feststehende  Bezeichnungen  handelt, 
mag  z.  B.  ein  Blick  auf  den  Gebrauch  des  Ausdrucks  Bannalesa  bei  Emmius 
zeigen.  Unter  den  Em.  hist.  p.  49  citierten  ,  annates"  ist  Eggerik  Beningas 
Chronik  (p.  40—42)  zu  verstehen,  eine  andere  Nachricht  aus  derselben 
(p.  51)  wird  aber  Em.  p.5G  unter  der  Bezeichnung  „nonnulli  annates"  ge- 
geben,  obschon  hier  von  mehreren  Berichten  schwerlich  die  Rede  sein 
kann.  Der  Ausdruck  ^annates  patrii"  Em.  p.  226  kann  nur  auf  Andreas 
Cornelius  zu  beziehen  sein,  wahrend  die  auf  p.  231  erwahnten  „patrii 
annates"  eine  Nachricht  aus  Sicke  Benninge  II  p.  49  (ed.Feith)  wiedergeben. 
Unter  der  blossen  Bezeichnung  ^annates*  giebt  Em.  p.  90  einen  Bericht  aus 
Worp  v.  Thabor  III  cap.  4 ;  der  gleiche  Ausdruck  fiihrt  auf  p.  201  eine 
Notiz   aus   einer    Bremer  Chronik    ein.      Ein    prinzipieller   Unterschied 


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ein  hinlanglicher  Grund  dafur  finden,  warura  Emmius  gerade 
an  der  einen  Stelle  sich  des  allgemeinen,  an  der  andern  des 
deutlicheren  Ausdrucks  bedient  habe.  Man  konnte  dabei  auf 
den  Gedanken  kommen,  Emmius  habe  an  der  einen  oder  anderen 
Stelle  Ursache,  mit  der  Nennung  seiner  Quelle  zuriickzuhalten, 
so  etwa  wenn  er  Nachrichten  aus  Andreas  Cornelius  bezw. 
Occo  von  Scharrel  *)  unter  der  Angabe  „annales  patrii"  (p.  226) 
oder  „autor  rerum  Frisiae  Occiduae"  (p.  114)  bringt.  Dagegen 
spricht  aber  die  Thatsache,  dass  er  Cornelius  gerade  bei  einer 
Nachricht,  die  er  durchaus  nicht  zu  diskreditieren  beabsichtigt, 
bei  dem  Em.  hist.  p.  775  angefuhrten  Brief  des  „grooten  Pier" 
an  seine  Gegner,  als  Gewabrsmann  anfiihrt,  wahrend  er  Cornelius 
gelegentlich  ausdriicklich  bekampffc,  ohne  seinen  Namen  anzu- 
fiihren,  so  p.  45  u.  256  („consarcinator  quidam  rerum  Frisiae 


zwischen  Annales  und  Historia,  wie  er  sonst  im  16k>n  Jahrhundert  nach- 
weisbar  ist,  und  wie  ihn  z.  B.  Baronius  (Praefatio  in  annales  ecclesiasti- 
cos  p.  3)  im  Anschluss  an  A.  Gellius  (noct  Att.  IV,  18)  macht,  findet  sich 
in  dieser  Weise  bei  Emmius  nicht.  Nach  jener  Unterscheidung  handelt  es 
sich  bei  einer  Historia  um  zeitgenossische  Geschichtschreibung,  und  zwar 
in  reflektierender  Form  („neque  tantum  quid  gestum  sit,  sed  etiam  qua 
ratione  quove  consilio").  Die  Annalen  enthalten  dagegen  besonders 
Ereigxiisse  aus  fruherer  Zeit,  und  zwar  so,  dass  diese  in  der  Reihen- 
folge  der  einzelnen  Jahre  dargestellt  werden;  das  reflektierende  Moment 
fehlt  dieser  Art  der  Geschichtschreibung.  Baronius  vollzieht  hier  eine  Kom- 
bination  zweier  von  Gellius  angefuhrten  Anschauungen,  Gellius  fuhrt  die 
Unterscheidung,  nach  welcher  Historia  die  Zeitgeschichte,  Annales  dagegen 
die  Geschichte  alterer  Perioden  bezeichnet,  auf  Verrius  Flaccus,  die  andere 
Unterscheidung  dagegen  auf  Sempronius  Asellio  zuriick.  Dass  Emmius  nun 
der  kombinierten  Unterscheidung  des  Baronius  folgt,  ist  schon  dadurch  aus- 
geschlossen,  dass  er  sein  eigenes,  uber  ein  Jahrtausend  umfassendes  Werk 
als  BHi8toria"1  eine  Zeitgeschichte  wie  die  Chroniken  der  Aebte  Emo  und 
Menco  dagegen  als  „Annalesa  bezeichnet  (Em.  hist.  p.  118  und  129).  Da- 
gegen ist  es  im  Hinblick  auf  die  Unterscheidung  des  Sempronius  Asellio 
nicht  unmSglich,  dass  er  sein  Werk  mit  Bewusstsein  als  Historia  be- 
zeichnet, wahrend  ihm  z.  B.  Eggerik  Beninga  (Em.  hist.  p.  960)  und  das 
Chronicon  Nordanum  (Em.  hist.  p.  218)  als  Annalen  gelten.  Freilich  muss 
auch  dies  als  unsicher  angesehen  werden,  da  er  selbst  gelegentlich  nicht 
nur  auch  Sicke  Benninges  Werk  als  „Historiaa  bezeichnet  (Em.  hist.  p.  841), 
sondern  andrerseits  auch  sein  eigenes  Werk  wiederum  „Commentarii* 
nennt  (Em.  hist.  p.  960),  ein  Ausdruck,  der  auch  fur  Eggerik  Beninga  bei 
ihm   in   gleicher  Weise   vorkommt   (Em.  hist.  p.  957). 

l)   Croniicke   ende   warachtige   beschryvinghe   van  Vrieslant  etc., 
Leeuwarden  1597. 

Jahrbnch  dor  Gosellsch.  f.  b.  K.  u.  vatorl.  Altorttimer  zu  Emden,  Bd.  XV.  2 


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-     18     — 

Translavicanae").  So  verfahrt  man  nicht  gegen  einen  Schrift- 
steller,  dem  man  zwar  offentlich  widerspricht,  dessen  Nach- 
richten  man  aber  doch  gelegentlich  gern  mehr  oder  wenigar 
unbemerkt  benutzt  (vgl.  dazu  besonders  Mohlmann:  Kritiketc. 
p.  67,  68). 

Die  gleiche  Art  der  Quellenangabe  findet  sich  bei  ihm 
sogar  nicht  selten  fiir  solche  Schriftsteller,  die  er  sonst  recht 
oft  mit  Namen  citiert.  So  bringt  er  gelegentlich  (p.  533)  eine 
Nachricht  aus  Eggerik  Beninga  (p.  424)  uber  Getreidepreise  etc. 
im  Jahre  1495  unter  dem  einfachen  Hinweise:  „sic  enim  a 
maioribus  notatum  reperioa.  Irgend  ein  Interesse,  die  Quelle 
zu  verschweigen,  kann  hier  unmflglich  vorliegen,  zumal  es  sich 
um  einen  Schriftsteller  handelt,  den  Emmius  tiber  50  Mai  aus- 
driicklich  zitiert.  Das  Bestreben,  die  Darstellung  leicht  und 
geschmackvoll  zu  gestalten,  wird  hier,  wie  in  vielen  andern 
Fallen,  den  Ausscblag  gegeben  haben.  Es  handelt  sich  um 
eine  Nachricht  ohne  grosses  historisches  Interesse,  um  eine 
Thatsache,  die  fernab  liegt  von  den  grossen  Begebenheiten  der 
Zeit,  da  ist  dem  Schriftsteller  nicht  daran  gelegen,  einen  ge- 
wichtigen  historischen  Zeugen  aufzuftihren,  er  giebt  sich  den 
Anschein,  als  ftige  er  seiner  Darstellung  noch  eine  kleine  Notiz 
bei,  die  er  gelegentlich  in  alten  Aufzeichnungen  gefunden  hat, 
und  sucht  so  in  die  Schilderung,  ohne  der  historischen  Wahr- 
heit  irgendwie  etwas  zu  vergeben,  scheinbar  absichtslos  eine 
kleine  Abwechselung  hineinzubringen.  Gewiss  lassen  sich  damit 
nicht  alle  Fragen  beantworten,  die  sich  iiber  die  Art  und  das 
Mass  der  Emmiusschen  Zitate  erheben  lassen,  doch  wird  man 
jedenfalls  mit  der  Behauptung  nicht  fehl  gehen,  dass  ihnen 
eine  Tendenz,  sei  es,  durch  geschickt  gewahlte  schillernde  Aus- 
drticke  fiir  dieselben  Quellen  zu  glanzen,  sei  es,  durch  das 
Verschweigen  trtiber  Quellen  Schwachen  zu  verhehlen,  allemal 
nicht  unterzulegen  ist. 

Einen  Teil  von  Emmius1  Quellenangaben  verdanken  wir 
seiner  Gewohnheit,  in  zweifelhaften  Fallen  die  Ansichten  der 
verschiedenen  Autoren  einander  gegentiber  zu  stellen,  ohne 
ttber  ihre  Glaubwiirdigkeit  eine  sichere  Entscheidung  zu  treffen. 
In  der  Regel  aber  erscheint  die  Berufung  auf  seine  Vorder- 
manner  eng  in  die  Darstellung  selbst  verflochten,  und  die 
relativ  reiche  Abwechselung  in  den  Bezeichnungen  zeigt  Uberall, 


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-     19     - 

dass  dem  feinen  klassisch  gebildeten  Marine  die  Eleganz  des 
Stiles  vereint  mit  dem  Streben,  die  Darstellung  ansprechend 
und  lebensvoll  zu  gestalten,  der  Massstab  gewesen  ist,  nach 
dem  er  sich  iiber  seine  Quellen  ausl&sst.  Bei  alledem  ist  die 
Zahl  der  von  Emmius  aufgefuhrten  Quellen  eine  recht  betracht- 
liche,  wie  dies  u.  a.  das  in  §  3  des  Schlussabschnittes  angefuhrte 
Verzeichnis  aller  von  ihm  benutzten  Quellen  zeigt,  worauf  an 
dieser  Stelle  nur  hingewiesen  sein  mag. 


§  2.  Emmius1  Verhaltnis  zu  den  zitierten  Quellen. 

DieMannigfaltigkeit  der  zitierten  Chroniken  und  Geschichts- 
werke  legt  auf  den  ersten  Blick  die  Vermutung  nahe,  es  handle 
sich  hier  vielfach  nur  um  solche  Zitate,  welche  aus  andern 
Schriftstellern  ungepriift  ubernommen  sind,  zumal  wenn  man 
erwagt,  dass  die  iiberwiegende  Mehrzahl  sich  nur  ein-  oder 
zweimal  bei  Emmius  erwahnt  findet.  Eine  wahre  Fundgrube 
hatte  in  dieser  Beziehung  fur  Emmius  das  Chronicon  Frisiae 
von  Worperius  von  Thabor  *)  abgeben  konnen ;  Worperius  ist 
unter  den  einheimischen  Geschichtschreibern  der  erste,  welcher 
auswartige  Schriftsteller  in  weitgehendem  Masse  verwertet 
und  zugleich  iiber  seine  Quellen  fast  allenthalben  sorgfaltig 
Rechenschaft  giebt.  Ein  Vergleich  zwischen  Worperius  von 
Thabor  und  Emmius  zeigt  aber,  dass  dieser  iiber  Worperius 
hinaus  selbstandig  an  die  Quellen  herangegangen  ist,  da  er 
auch  an  den  Stellen,  wo  er  mit  jenem  aus  gleicher  Quelle 
zitiert,  originale  Ztige  zeigt,  die  eine  selbstandige  Benutzung 
deutlich  erkennen  lassen.  Der  Dienst,  den  Worperius  dem 
Emmius  in  dieser  Beziehung  geleistet  haben  mag,  kann  nur 
der  sein,  dass  er  ihn  vielleicht  auf  die  eine  oder  andere 
Quellenschrift  besonders  aufmerksam  gemacht  hat,  die  dann 
Emmius,  soweit  ihm  diese  Schriften  zuganglich  waren,  nach 
seiner  Weise  genutzt  hat.  Inwieweit  er  in  einzelnen  Fallen 
die  Quellen  von  Worp  nicht  wird  haben  einsehen  konnen, 
mag  bei  der  Besprechung  seiner  Benutzung  der  Worperschen 
Chronik  weiter  unten  deutlich  werden  (vgl.  cap.  VIII.  §  1  u.  2). 
Einige  Beispiele  mogen  hier  das  Gesagte  weiter  erlautern. 


')  vgl.  VIII  §  1—3. 

2* 


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—     20 


Em.  hist.  p.  41. 
Itaque  vix  addere  libet, 
quod  Leidensium  annates 
habent,  idem  expresse  confir- 
mans.  Willibrordum  nimi- 
rum  cum  sociis  ex  Britannia 
venientem  in  Walachriam  pri- 
mum  appulisse  atque  evange- 
lium  lingua  Frisonica  quasi 
Frisonem  Frisonibus  praedi- 
casse.  Et,  quod  iidem  memo- 
rant,  Hengistum  ducem,  quern 
Frisium  vocant,  insidiantem 
Vortigerno  regi,  suis  occulta 
mandata  dedisse  sermone  pa- 
trio,  quern  Britones  non  in- 
telligebant,  his  verbis:  nimet 
oure  saxen.  Quibus  ego  au- 
thoritatem  nee  adjicio,  nee 
demo. 

Danach  scheint  Emmius  bereits  fur  die  Nachricht  tiber 
die  Landung  Willibrords  auf  die  Leidener  Annalen  zurtick- 
gegangen  zu  sein,  und  hat  dann  zugleich  von  dorther  die 
Nachricht  tiber  den  Kampf  gegen  Vortigernus  entnommen. 


Worperius  I.  cap.  8  (p.  37). 
Dicit  insuper  chronica  Lei- 
densis,  quod  sanctus  Willibror- 
dus  cum  suis  ex  Angliaveniens 
primum  applicuit  Walacriae 
insulae  Zelandiae  et  venit  in 
Westcapella,  ubi  Deus  erat 
Mercurius,  ibique  Evangelium 
lingua  Frisonica,  quasi  Friso 
Frisonibus,  praedicavit. 

(Der  Kampf  gegen  Vorti- 
gernus ist  bei  W.  bereits  vor- 
her  (p.  36)  erzahlt,  die  Leide- 
ner Annalen  werden  dort  als 
Quelle  daftir  nicht  angeftihrt.) 


Em.  hist.  p.  52. 
(Es  handelt  sich  um  den  Zeit- 
punkt    der    Landung    Willi- 
brords.) 

Is  eorum  adventus  in  an- 
num Christi  DCXC  conjicitur 
ab  ipso  Marcellino,  imperante 
in  Oriente  Justiniano  juniore 
Pogonati  filio,  Sergio  autem 
apud  Romanos  pontificatum 
tenente,  in  Anglia  apud  Nort- 
humbros  rerum  potiente  Ald- 
frido 

Hier  geht  Emmius   deutlich   tiber  Worperius   auf  dessen 


Worperius  II.  cap.  3  (p.  46). 


.  .  .  advehuntur  anno  scilicet 
ab  incarnatione  Domini  690, 
pontificante  Romae  apostolico 
viro  Sergio  papa,  anno  suo  III, 
imperante  piissimo  imperatore 
Justiniano. 


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—     21     — 

Quelle,  die  pseudonyme  „vita  Suidberti",  zuruck,  denn  dieser 
Quellennachweis  liess  sich  nicht  aus  Worp,  sondern  nur  aus 
jener  vita  selbst  fuhren.  Ebenso  miissen  dem  Emmius  die  p.  52 
in  gleicher  Sache  erwahnten  Autoren  Sigebert,  Aemilius,  Heda 
und  die  annales  Ultrajectini  vorgelegen  haben,  da  sie  bei 
Worp  in  diesem  Zusammenhange  tiberhaupt  nicht  erw&hnt 
werden.  In  gleicher  Weise  muss  Emmius  auf  Saxo  Gramma- 
ticus  selbst  zurttckgegangen  sein,  denn  er  spricht  zwar  (p.  69) 
von  Froto  I,  den  Worperius  I  cap.  5  (p.  24)  aus  Saxo  Grammaticus 
zitiert,  daneben  aber  auch  von  Harald  III,  bezw.  seiner  Er- 
wahnung  durch  Saxo,  woriiber  sich  bei  Worp  nichts  findet. 
Vgl.  dazu  noch  die  cap.  VIII  §  1  angeftihrten  Stellen  Em.  hist, 
p.  69  u.  Worp  I  cap.  5  (p.  29).  Ob  sich  bei  alledem  unter  den 
gegen  70  von  Emmius  zitierten  Schriftstellern  nicht  dennoch 
einige  befinden  mogen,  deren  Kenntnis  ihm  nur  durch  ab- 
geleitete  Quellen  vermittelt  war,  muss  dahingestellt  bleiben. 
Bei  den  zum  betrachtlichen  Teil  nur  zu  einer  einzigen  Stelle  an- 
geftihrten Autoren  ist  in  dieser  Beziehung  an  einen  sichern 
Nachweis  nattirlich  nicht  zu  denken.  Jedenfalls  aber  mag  das 
Ausgefiihrte  dargethan  haben,  wie  in  keiner  Weise  ein  Grund 
vorliegt,  Emmius  von  vorn  herein  bei  seinen  Zitaten  zu  miss- 
trauen.  Sein  vielfach  nachweisbares  fleissiges  und  sorgfaltiges 
Zuriickgehen  auf  die  letzten  ihm  zuganglichen  Quellen  notigt 
vielmehr  dazu,  ihm  auch  in  den  weniger  kontrollierbaren  An- 
gaben  dieser  Art  Vertrauen  entgegenzubringen. 


§  3.  Die  Zusammensetzung  des  Werkes. 
Emmius  beginnt  seine  „Historia  rerum  Frisicarum"  mit 
einer  Beschreibung  von  Land  und  Leuten.  Er  spricht  von  den 
Produkten  des  Landes,  von  der  Bodengestaltung,  von  den  Sitten 
und  Trachten  des  Volkes  und  giebt  vor  allem  eine  ziemlich  aus- 
fuhrliche  topographische  Beschreibung.  Ein  gut  Teil  davon 
mag  auf  eigener  Anschauung  und  Erfahrung,  anderes  auf  ge- 
legentlichen  Mitteilungen  und  Erkundigungen  beruhen.1)  Dabei 
erzahlt  er  im  steten  Blick  auf  die  alteste  geschichtliche  Zeit 
und  giebt  eine  Anzahl  Zitate  aus  r5mischen  Schriftstellern,  wie 

*)  Einen  Einblick  in  die  Art,  wie  Emmius  sich  gelegentlich  Material 
fur  die  damals  noch  recht  schwierig  zu  beschaffenden  topographischen 


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—     22     — 

Tacitus,  Caesar,  Plinius  u.  a.1),  welche  besonders  zur  Auf- 
klarung  ethnographischer  Verh&ltnisse  dienen  sollen.  So  inter- 
essant  und  wertvoll  diese  Darlegungen  im  einzelnen  sind,  so 
wenig  sind  sie  geeignet,  eine  historische  Darstellung  der 
altesten  Zeit  zu  ersetzen.  Eine  solche  zu  geben  liegt  nicht  in 
des  Verfassers  Absicht,  liber  die  Beziehungen  Frieslands  zu  den 
Romern  schweigt  er  ganz,  er  weist  es  ausdrucklich  ab,  das, 
was  Plinius,  Strabo,  Tacitus  u.  a.  gesagt  haben,  zu  wiederholen, 
da  ja,  wie  er  sagt,  ihre  Bilcher  in  aller  Handen  sind  (p.  38). 
Emmius  wendet  sich  mit  seinem  Werke  also  ausdrlicklich  an 


Beschreibungen  zu  sammeln  wusste,  gew&hrt  uns  u.  a.  ein  Brief  seines 
Bruders  Dyke  Emmen  aus  Greetsiel.  Dieser  Brief  befindet  sich  im  Origi- 
nal im  kgl.  Staatsarchiv  zu  Aurich  unter  den  Vorarbeiten  zu  seiner  Be- 
schreibung  Butjadingerlands ;  da  derselbe  bisher  ungedruckt  ist,  mag  er 
hier  im  Wortlaut  folgen: 

Wetet  Ubbe  leve  broder,  dat  yck  yow  schry vendt  endtfangen  hebbe 
und  heb  woll  en  reyse  edder  tueyye  myt  den  breff  an  Egbart  gescbreven 
tho  Yennellt  west,  dat  he  nycht  tho  hus  wer  und  dar  na  den  yunge  hen 
geschycket,  des  hefft  he  my  en  sedell  by  den  yungen  geschycket,  wat 
syn  mennynge  hyr  yn  ys,  wellcker  sedell  yck  yow  by  dessen  breff  aver 
schycke.  Yck  heb  dyt  schryvendt  wadt  lange  vortagen  um  orsake  halven, 
dat  gy  my  beden,  yck  schulde  wornemen  de  gelegenheyt  van  Butyager- 
landt,  so  synnen  yck  und  Dyke  syns  west,  wy  wolden  up  dyt  vorleden 
Burhaver  marcket  gevest  syn  und  noch  na  gebleven,  um  orsake  dat  wy 
gen  geldt  fan  de  lude  krygen  kunden.  So  kan  yck  an  de  gelegenheyt 
van  Butyagerlant  nycht  zekers  schryven  dan  dat  yn  Statlant  3  karken 
man  syn  als  Hammellvard  und  Goldtsvard  und  Rokarken,  wo  fell  karken 
yn  Butyagerlandt  kan  yck  nycht  egentllyck  beffragen.  Ock  heb  yck  Here 
woll  en  reyse  er  tuyye  anspracken  umme  de  breve  fan  Pyllsmer  karke 
und  kryge  gen  byschet,  secht,  gy  hebben  en  dar  newarrelde  van  secht. 
Gy  beden  my,  yck  sulde  na  de  klouven  fan  den  fagell  sen,  dar  ys  nychtes 
an  um  syn  yogets  halven.  Here  drut  erstes  dages  na  Styckhusen  to 
then,  wert  yow  sunder  tuyvell  woll  ansprecken.  Nu  godt  bevallen  grotet 
Grete  mynennet  halven. 

datum  Gretzyll  den  14  septembrys. 

Dyke  Emmen. 

Die  Aufschrift  lautet:  An  den  achtbaren  und  woll  gelerten  Ubbo 
Emmen  recktor  tho  Ler  mynen  leven  broder  tho  byhandygen. 

Dazu  von  Emmius'  Hand  die  Bemerkung:  „Ep(isto)la  fr(atr)is 
Dic(onis)  pertinens  ad  Chorographiam  Butyad.  et  Stadtl. 

item  de  resp(onso)  fr(atr)is  Egb(erti)." 

*)  Von  den  betreffenden  Stellen  bezieht  sich  z.  B.  Em.  hist.  p.  10  u.  11 
auf  Tacitus  Germ.  cap.  36,  Em.  hist.  p.  12  auf  Caesar  bell  Gall.  IV  cap.  10, 
Em.  hist.  p.  38  auf  Strabo  VII.  cap.  1. 


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—     23     — 

die  Gebildeten  seiner  Zeit,  wie  dies  ja  auch  schon  die  Abfassung 
in  lateinischer  Sprache  andeutet.  Zugleich  aber  wird  schon 
hieraus  deutlich,  dass  es  ihm  hier  weniger  um  eine  abgerundete 
Darstellung  aller  auf  seinen  Gegenstand  beziiglichen  historischen 
Ereignisse  zu  thun  ist,  als  vielmehr  um  eine  Zusammenfassung 
derjenigen  Thatsachen,  die  sich  in  mehr  oder  weniger  unzugang- 
lichen  Quellen  verstreut  finden  (vgl.  die  Widmung  an  den  Grafen 
Enno,  vor  der  Folioausgabe  v.  1616  p.  3).  So  tritt  denn  dieser 
erste  Abschnitt  fiir  unsern  Zweck  von  selbst  mehr  in  den 
Hintergrund. 

Die  Geschichtserzahlung  selbst  beginnt  mit  dem  Berichte 
der  Expedition  der  Sachsen  und  Friesen  nach  Britannien  im 
Jahre  449  bezw.  mit  der  Vorgeschichte  derselben.  Hauptquelle 
fiir  diese  und  die  nachstfolgende  Zeit  ist  ihm  Beda  venerabilis, 
vom  Ende  des  7ten  Jahrhunderts  an  tritt  Sigebert  von  Gembloux 
in  den  Vordergrund,  daneben  wird  gelegentlich  unter  andern 
auch  Andreas  Cornelius  benutzt.  Wenn  fiir  die  Missio- 
nierung  Frieslands  mehrfach  auf  die  Marcellinus  (Marchelm) 
zugeschriebene  „vita  Suidberti"  zuriickgegangen  wird,  so  kann 
Emmius  ein  Vorwurf  daraus  nicht  gemacht  werden,  da  die 
Schrift  unter  seinen  Zeitgenossen  noch  als  zweifellos  echt 
gelten  musste.  An  dem  Chronicon  Frisiae  von  Worperius  von 
Thabor,  das  schon  fiir  die  bisherige  Zeit  nicht  ohne  Einfluss 
geblieben  ist,  spinnt  sich  vom  11  ten  Jahrhundert  an  der  eigent- 
liche  Faden  der  Erzahlung  fort.  Besonders  das  dritte  Buch 
dieser  Chronik  hat  dem  Emmius  ftir  die  Beziehungen  Frieslands 
zu  den  Grafen  von  Holland  und  ahnliches  eine  Fiille  von  Stoff 
dargeboten.  Daneben  erscheint  dann  ausser  der  Chronik  von 
Wittewerum  und  andern  mehr  gelegentlich  benutzten  Schriften 
Olivers  Geschichte  des  Zuges  nach  Damiette  als  Quelle  fiir  die 
sich  hierum  gruppierenden  Ereignisse.  Die  Kunde  der  Gescheh- 
nisse  in  den  Nachbargebieten  vermitteln,  soweit  hier  die  ge- 
nannten  Quellen  nicht  ausreichen,  bremische,  oldenburgische  und 
niederlandische  Chroniken,   die  Utrechter  Bischofschronik  u.  a. 

Den  Anfang  des  dritten  und  weitaus  umfassendsten  Ab- 
schnittes  des  Emmiusschen  Werkes  konnen  wir  fiiglich  ins  Jahr 
1264  setzen,  denn  hier  beginnt  Eggerik  Beninga  als  Haupt- 
quelle fiir  die  ostfriesischen  Ereignisse  einzusetzen.  Wohl  ist 
bereits   vorher  eine  Anzahl   verstreuter  Nachrichten   aus  ihm 


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—     24     — 

geschopft,1)  doch  erst  etwa  seit  der  zweiten  Halfte  des 
13ten  Jahrhunderts  findet  sich  bei  Eramius  eine  zusammen- 
h&ngende  Reihe  aus  Eg.  Beninga  entnommener  Thatsachen, 
und  gerade  mit  dem  Jahre  1264,  mit  der  Griindung  des 
Dominikanerklosters  in  Norden,  beginnt  auch  der  zusammen- 
hangende  Text  des  in  §  2  des  Schlussabschnittes  besprochenen 
lateinischen  Auszuges  aus  Eg.  Beninga.  Seitdem  etwa  reihen 
sich  bei  Emmius  die  ostfriesischen  Ereignisse  an  die  Beningasche 
Erzahlung  an,  die  dann  ihrerseits  wieder  im  einzelnen  durch 
die  von  Emmius  ausserdem  noch  benutzten  ostfriesischen 
Chroniken,  sowie  durch  die  auch  etwa  seit  dieser  Zeit  in  urn- 
fassenderem  Masse  benutzten  Urkunden  richtig  gestellt  bezw. 
erg&nzt  wird.  Fiir  die  Ereignisse  westlich  der  Ems  behaupten 
Worp  von  Thabor  bezw.  seine  Fortsetzer  noch  eine  Zeit 
lang  ihre  Stelle,  bis  diese  dann,  wenigstens  fiir  die  Geschichte 
Groningens  und  der  Umlande,  mit  der  Mitte  des  15ten  Jahr- 
hunderts wesentlich  durch  Sicke  Benninge  eingenommen  wird, 
dem  eine  ganze  Anzah]  groninger  Chroniken  und  die  von 
Emmius  trefflich  ausgebeuteten  Urkunden  des  Groninger  Archivs 
an  die  Seite  treten.  Die  Ftihlung  mit  den  ausserfriesischen  Er- 
eignissen  dieser  Periode  ist  vor  allem  hergestellt  durch  die 
Werke  von  Krantz  (vgl.  cap.  IV  §  4),  nachstdem  auch  durch  die- 
jenigen  von  Emmius'  Lehrer  David  Chytraeus.  Ausserdem 
liegen  auch  hier  als  spezielle  Quellen  fiir  derartige  Nachrichten 
bremische,  jeversche,  oldenburgische  und  hollandische  Chroniken 
vor  (vgl.  cap.  IX).  Nicht  zu  gedenken  der  fiir  alle  Perioden  recht 
zahlreichen  anderweitigen  Chroniken  und  Geschichtswerke,  aus 
denen  Emmius  gelegentlich  Nachrichten  oder  Berichtigungen 
entnommen  hat,  ohne  dass  dieselben  auf  den  eigentlichen  Gang 
der  Erzahlung  nennenswerten  Einfluss  ausgeubt  hatten.  Die- 
selben werden  nach  Art  und  Mass  ihrer  Einwirkung  bei  der 
Einzelbesprechung  der  Quellen  zur  Geltung  kommen. 


III.  Historische  Grundanschauungen  von  Emmius. 

Schon  die  erbitterten  Streitigkeiten,  welche  sich  zur  Zeit 
der  standischen  Wirren  in  Ostfriesland,  zu  Anfang  des  18tenJahr- 

*)  So  u.  a.  bei  den  in  §  1  dieses  Abschnittes  berQhrten  Stellen  Em. 
hist.  p.  49  u.  56. 


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—     25     — 

hunderts,  an  den  Namen  des  Emmius  ankniipften,  scheinen 
seiner  Objektivitat  kein  gutes  Zeugnis  auszustellen.  Emmius 
selbst  war  zu  seinen  Lebzeiten  personlich  in  die  Konflikte  der 
Stande  mit  dem  Grafenhause  verflochten,  er  war,  wie  nach 
seinem  Tode  das  Orakel,  so  zu  Lebzeiten  der  Vorkampfer  der 
standischen  Partei,  und  es  versteht  sich  von  selbst,  dass  dieser 
politische  Standpunkt  bei  der  Abfassung  der  Historia  seine  Rolle 
spielen  musste. 

Die  ostfriesischen  Stande  zur  Zeit  des  Emmius  wollten 
nicht  etwa,  in  Ausnutzung  einer  giinstigen  politischen  Kon- 
stellation  der  Dynastie  neue  Volksrechte  abringen,  sondern  sie 
stellten  sich  bei  ihren  Forderungen  mit  Bewusstsein  auf  den 
Boden  eines  historisch  gewordenen  Volksrechtes.  Sie  hielten 
nicht  sich  selbst  fur  die  Neuerer,  sondern  vielmehr  das  re- 
gierende  Haus  mit  seinen  absolutistisch  territorialen  Be- 
strebungen.  Was  das  letztverflossene  Jahrhundert  unter  der 
Herrschaft  der  ersten  Cirksena  anlangt,  so  mochten  die  Stande 
mit  dieser  Auffassung  nicht  ganz  Unrecht  haben,  aber  ihre 
historisch  begriindeten  Pratensionen  wurzelten  tiefer,  und  der 
Stand  der  damaligen  Geschichtschreibung  kam  ihnen  hier  zu 
Hulfe.  Schon  seit  Jahrhunderten  war  in  Friesland  ein  sogenanntes 
Privilegium  Karls  des  Grossen  bekannt,  in  dem  dieser  den  Friesen 
ihre  Freiheit  garantierte  und  ihnen  vor  allem  eine  selbstandige 
republikanische  Verfassung  unter  selbstgewahlten  sogenannten 
Potestaten  zuerkannte.  Die  Urkunde  selbst,  unstreitig  ein 
Machwerk  des  spateren  Mittelalters,  war  in  zahlreichen  Ab- 
schriften  verbreitet  und  in  die  Chroniken  jener  Zeit  vielfach 
ubernommen.  Sie  wurde  trotz  offenbarer  historischer  Widfcr- 
spriiche  in  Beziehung  auf  Datierung,  Zeugen  etc.  von  Emmius* 
Zeitgenossen  Cornelius  Kempius,  Suffrid  Peters,  Furmerius  u.  a. 
in  vollem  Umfange  als  echt  anerkannt.  Die  Falschung  aber 
war  zu  plump,  um  auch  in  einer  wenig  kritisch  veranlagten 
Zeit  unwidersprochen  zu  bleiben. 

Albert  Krantz1)  war  der  erste,  welcher  auf  die  Unechtheit 
der  Urkunde  hinwies;  dass  dieselbe  auch  Emmius  nicht  ver- 
borgen  bleiben  konnte,  versteht  sich  von  selbst.  Mit  einer  ein- 
fachen  Ablehnung  der  Urkunde  ware  aber  zugleich  das   letzte 


')  Saxonia  IX  cap.  6. 


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-      26     — 

und  vornehmste  Glied  in  der  Beweiskette  fur  die  angestammten 
Rechte  eines  freien  Volkes  dahingefallen,  wie  sie  in  Emmius  ja 
gerade  ihre  systematische  und  historisch  fundierte  Ausbildung 
gefunden  haben.  So  verf&llt  Emmius  denn  auf  einen  Ausweg. 
Er  giebt  die  Echtheit  des  unhaltbaren  Privilegs  preis,1)  sucht 
aber  zugleich  seinen  Inhalt  auf  andere  Weise  sicherzustellen. 
Einmal  lehnt  er,  von  der  an  sich  ganz  richtigen  Erw&gung  aus, 
dass  bereits  Karl  Martell  die  Friesen  unterworfen  habe  und 
erst  spater  auf  Karl  den  Grossen  als  auf  den  bedeutenderen 
alles  zurtickgefiihrt  sei,  eine  alleinige  Privilegienverleihung  durch 
Karl  den  Grossen  ab.  Dieser  habe  nur  vollendet  und  weiter- 
gefuhrt,  was  unter  jenem  bereits  begonnen  sei.2)  In  Betreff  des 
von  Karl  dem  Grossen  erlassenen  Privilegs  aber  nimmt  er  an, 
dass  dieses  zwar  im  Original  langst  verloren  und  spater  durch 
die  vorliegende  ungeschickte  Falschung  ersetzt  sei,  doch  so, 
dass  sich  jene  Falschung  materiell  wesentlich  mit  dem  ver- 
lorenen  Privileg  decke.  Hiermit  handelt  es  sich  in  Grunde  urn 
eine  willkurliche  Annahme,  durch  welche  Emmius  einen  ver- 
lorenen  Posten  zu  halten  sucht.  Die  Ansatze  zur  Kritik  sind 
hier  vorhanden,  aber  er  scheut  sich,  die  letzten  Konsequenzen 
zu  Ziehen,  und  so  ist  denn  nach  dieser  Seite  hin  letztlich  seine 
ganze  historische  Auffassung  auf  eine  willkurliche  Hypothese 
gebaut.  Denn  jenes  verlorene  Privileg  Kaiser  Karls  ist  natiir- 
lich  nach  Emmius'  Anschauung  nicht  ohne  Wirkung  geblieben, 
es  bildet  ihm  in  seinen  Hauptziigen  die  staatsrechtliche  Grund- 
lage  der  friesischen  Verfassung  im  Mittelalter.  Auf  ihm  erhebt 
sich,  in  dem  romantischen  Helldunkel  langst  verflossener  Jahr- 
hunderte,  das  Idealbild  eines  demokratischen  Freistaates,  im 
Rahmen  der  altfriesischen  7  Seelande,  mit  dem  Upstalsboom 
als  dem  Palladium  der  Freiheit.  Ueber  die  Geschichte  jener 
Tage  ist  das  letzte  Wort  noch  nicht  gesprochen,  bei  den  spar- 
lichen  Quellen  wird  vielleicht  vieles  fur  immer  dunkel  bleiben 
miissen.  Die  Emmiussche  Annahme  einer  durch  Jahrhunderte 
hindurch  bestehenden  Demokratie  aber  muss,  schon  nach  der 
Untersuchung  von  Wierichs,3)  vor   allem  aber  seit  denjenigen 

*)  z.  B.  de  antiquitatibus  etc.  (Folioausgabe  v.  1616)  p.  14. 
2)  Emmius  hist.  p.  71. 

8)  Versuch   einiger   Anmerkungen  uber   den   Staat   von  Friesland 
mittler  Zeiten.    Oldenburg  1741. 


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—     27     — 

von  Richthofens,1)  in  dieser  Form  als  unhaltbar  bezeichnet 
werden. 

In  Konsequenz  der  einmal  eingeschlagenen  Bahnen,  iiber- 
tragt  Emmius  seine  demokratischen  Grundanschauungen  end- 
lich  auch  auf  das  Ostfriesland  der  Dynastie  Cirksena.  Das 
Recht  des  Volkes  auf  Freiheit  bleibt  ihm  durch  das  ganze 
Mittelalter  hindurch  ungebrochen,  ob  es  gleich  zur  Zeit  der 
Hauptlinge  im  13ten  und  14ten  Jahrhundert  etwas  zuriick- 
gedrangt  schien.  Durch  freie  Entschliessung  iibertragen  die 
ostfriesischen  St&nde  Ulrich  I.  die  Oberherrschaft  iiber  das 
Land,  und  obschon  diese  im  Cirksenaschen  Hause  erblich 
wird,  so  behalt  doch  die  jedesmalige  Succession  das  Aus- 
sehen  eines  durch  die  Stande  vollzogenen  Wahlaktes,  und  die 
Territorialhoheit  der  Dynastie  ruht  auf  einem  zwischen  dem 
freien  Volke  und  dem  Hause  Cirksena  geschlossenen  Vertrage. 
Die  letzten  Gesichtspunkte  waren  fur  die  Stellung  des  Emmius 
in  den  politischen  Kampfen  seiner  Zeit  ausschlaggebend.  Die 
Thatsache  der  Belehnung  des  Hauses  Cirksena  mit  Ostfriesland 
durch  den  Kaiser  tritt  hier  einseitig  zurtick.2)  Fur  die  anfang- 
liche  Machttibertragung  an  Ulrich  I.  waren  beide  Faktoren  be- 
deutungsvoll,  und  zwar  war  hier  die  Zustimmung  des  Volkes  und 
seiner  Vertreter  neben  der  thatsachlichen  Machtfiille  des  Hauses 
das  Primare,  die  kaiserliche  Belehnung  gab  nur  den  Rechts- 
titel.  Nachdem  diese  aber  einmal  geschehen  war,  bildete  die 
Succession  im  Reichslehn  die  legitime  Grundlage  fiir  die  Rechts- 
nachfolger  Ulrichs  L,  und  das  standische  und  demokratische 
Element  musste  in  steigendem  Masse  zuriicktreten.  So  baut 
also  Emmius  auf  einer  falschen  Voraussetzung  zwei  wesentlich 
falsche  Folgerungen  auf,  so  dass  dieselben  fast  den  ganzen 
von  ihm  geschilderten  Geschichtslauf,  von  den  Tagen  Karls  des 
Grossen  an  bis  zu  dem  letzten  in  der  Historia  berichteten 
Regierungswechsel  im  Jahre  1540,  umspannen. 

Es  konnte  demnach  einen  Augenblick  scheinen,  als  ob  die 
„  Historia  rerum  Frisicarum"  damit  von  vorn  herein   gerichtet 


*)  Friesische  Rechtequellen,  Berlin  1840;  Untersuchungen  uber  Frie- 
sische  Rechtsgeschichte,  Berlin  1880/82. 

2)  In  der  Vorrede  zur  3t®»  Dekade  seines  Werkes  (hist  p.  315)  heisst 
es:  „  principalis  populi  voluntate,  Jmperatoris  assensu  constitutes. a 


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—     28     — 

ware.  Dies  scheinen  denn  auch  ihre  Bestreiter  aus  der  Brenn- 
eisenschen  Periode,  wie  ihr  neuerer  Kritiker  Mohlmann  anzu- 
nehmen.  Ein  Blick  in  die  Historia  aber  muss  uns  zeigen,  wie 
verkehrt  ein  derartiges  konstruierendes  Verfahren  ist.  Es  stellt 
sich  thatsachlich  nicht  so,  dass  jene  Grundideen,  wie  man  wohl 
von  gegnerischer  Seite  behauptet  hat,  die  Historia  durchweg 
beherrschen.  Die  wenigen  Stticke,  welche  jene  Anschauungen 
begriinden  sollen  bezw.  ihnen  unmittelbaren  Ausdruck  leihen, 
lassen  sich  mit  Leichtigkeit  ausscheiden,  es  sind  neben  den 
Naehrichten  iiber  das  karolingische  Privileg  die  sparlichen  An- 
gaben  aus  der  Potestatengeschichte,1)  einige  Nuancierungen  der 
sonst  im  Anschluss  an  die  leges  Upstalsbomicae  und  die 
Chronik  von  Wittewerum  gegebenen  Naehrichten  iiber  den 
Upstalsboom,  und  endlich  die  Bemerkungen  iiber  eine  st&ndische 
Mitwirkung  beim  Regierungswechsel  im  graflichen  Hause,  welche 
an  die  Stelle  eines  Huldigungs-  und  Anerkennungsaktes  eine  Art 
Wahlakt  setzen. 

Abgesehen  davon  kann  aber  ftir  uns  der  Gang  der  Unter- 
suchung  nur  der  sein,  dass  wir  die  einzelnen  Naehrichten  des 
Emmius  selbst  auf  ihre  Quellenmassigkeit  priifen,  bezw.  iiber 
Wert  oder  Unwert  dieser  Quellen  ein  Urteil  zu  gewinnen  suchen. 
Hier  ist  nun  im  Blick  auf  die  oben  entwickelten  Grund- 
anschauungen  ein  doppeltes  Ergebnis  moglich.  Entweder  hat 
Emmius  von  diesen  Anschauungen  aus  seine  Geschichte  kon- 
struiert  und  dem  entsprechend  ihnen  zu  Liebe  seine  Quellen  ge- 
falscht,  bezw.  ihm  unbequeme  Naehrichten  verschwiegen.  Oder 
aber,  er  hat  das  ihm  vorliegende  Quellenmaterial,  ohne  Ab- 
zweckung  auf  jene  Grundanschauungen,  in  rein  sachlicher 
Weise  verwertet,  so  dass  sich  jener  Rahmen,  in  den  das  Ge- 
schichtsbild  eingespannt  ist,  mit  den  oben  charakterisierten 
Naehrichten  ohne  Schwierigkeiten  ablosen  lasst.  In  diesem 
letzten  Falle  wiirde  die  Darstellung  des  Emmius,  von  den  ge- 
nannten  wenigen  Ausnahmen  abgesehen,  voiles  Vertrauen  ver- 
dienen.  Es  erhellt  somit  ohne  weiteres,  dass  fiir  uns  die  Frage 
nach  den  Grundanschauungen  aus  der  Untersuchung  vorlaufig 
ganz  auszuscheiden  hat,  solange  uns  diese  Anschauungen  nicht 
etwa  wiederum   selbst   aus   den   von   uns  untersuchten  Nach- 


*)  vgl.  cap.  VIII  §  6. 


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—     29     — 

richten  entgegentreten.  Tritt  dieser  Fall  nicht  ein,  so  bleiben 
beide  Gebiete  reinlich  geschieden,  und  die  Frage  nach  jenen 
Grundanschauungen  ist  aus  der  Quellenuntersuchung  in  ein 
anderes  Gebiet  zu  verweisen,  wo  sie  als  historiographisch  und 
staatsrechtlich  gleicherweise  interessantes  Problem  eine  ge- 
sonderte  Behandlung  finden  mag. 


Das  Verhaltnis  des  Emmius  zu  den  einzelnen  Quellen. 


IV.  Allgemeine  Quellen. 

§  1.  Beda. 
Von  den  drei  historischen  Schriften  Bedas  konnten  fur 
Emmius  von  vorn  herein  nur  zwei  in  Betracht  kommen,  da 
seine  dem  „liber  de  temporibus"  eingereihte  kleine  Weltchronik1) 
keinerlei  fiir  eine  friesische  Geschichte  verwendbare  Nachrichten 
bringt.  Aber  auch  die  grossere  Chronik2)  Bedas  hat  fiir  die 
von  Emmius  erzahlten  Ereignisse  nur  verhaltnismassig  kurze 
Angaben,  so  iiber  den  Einfall  der  Angeln  und  Sachsen,3fdie 
Bekehrung  Konig  Ethelberts  durch  Augustin,4)  die  Missionierung 
Frieslands  durch  Willibrord5)  u.  a.,  welche  sich  alle  in  der 
Kirchengeschichte  in  weiterer  Ausfuhrung  vorfinden.  Letztere 
kommt  somit  allein  als  Quelle  der  Historia  in  Betracht.  Bei 
der  Besprechung  der  Worpschen  Chronik6)  wird  es  sich  noch 
weiter  zeigen,  wie  Emmius  fiir  die  Zeit  vom  5ten  bis  7ten 
Jahrhundert  sich  vielfach  auf  Beda  griindet.  Er  selbst  be- 
zeichnet  ihn  gelegentlich  als  einen  „scriptor  diligentissimus"7) 
und  lasst  dementsprechend  seinen  Berichten  iiber  die  Ein- 
wanderungen  in  England  wie  iiber  die  Missionierung  Frieslands 
vor  andern  eine  durchaus  gerechte  Wiirdigung  zu  teil  werden. 

*)  Migne:  Patrologiae  latinae  Tom.  XC  p.  288— 292. 
2)  Migne:  T.  XC.  p.  526—571:   Chronicon  sive  de  sex  huius  saeculi 
aetatibus  (cap.  66  der  Schrift:  de  temporum  ratione). 
a)  a.  a.  0.  p.  561. 

4)  p.  565. 

5)  p.  569. 

•)  vgl.  cap.  Vm  §  1. 
7)  Emmius  hist.  p.  48. 


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—     30    — 

Die  Art,  wie  Emmius  den  Bericht  iiber  die  Einwanderung 
der  Angeln  und  Sachsen  benutzt,  macht  dies  deutlich :  Andreas 
Cornelius  und  die  Seinen  suchten  zum  grosseren  Ruhme  des 
Vaterlandes  die  Fiihrer  des  Zuges  von  449  Hengist  und  Horsa 
als  Friesen  hinzustellen.  Emmius  beruft  sich  demgegeniiber 
auf  Beda,  und  macht  u.  a.  auch  den  von  Beda1)  erwahnten 
Namen  des  Vaters  dieser  beiden  Fiihrer  dafur  geltend,  dass 
nach  Beda  beide  Sachsen  gewesen  seien.  Die  Thatsache,  dass 
Beda  iiber  die  Teilnahme  der  Friesen  an  dem  Zuge  schweigt, 
sucht  er  dadurch  zu  entkr&ften,  dass  er  aus  einer  anderen 
Stelle  desselben  Schriftstellers  einen  indirekten  Beweis  fiir  die 
Teilnahme  der  Friesen  erbringt.  Wo  Beda  von  der  versuchten 
Missionsreise  Egberts2)  berichtet,  nennt  er  unter  den  zu  be- 
kehrenden  VOlkern  die  Friesen  an  erster  Stelle  und  sagt  dann 
zugleich  von  jenen  Volksst&mmen :  „nationes,  a  quibus  Angli 
et  Saxones,  qui  nunc  Britanniam  incolunt,  genus  et  originem 
duxisse  noscuntur".  Es  ist  deutlich,  wie  Emmius  hier  Beda 
als  die  sichere  Quelle  ansieht,  von  der  aus  alle  iibrigen  sp&teren 
Berichte  tiber  jene  Zeit  orientiert  werden  mtissen.  Dasselbe 
zeigt  sich  auch  bei  der  Datierung  des  friesischen  Konigs  Alde- 
gillus.  Aus  Beda3)  steht  fest,  dass  der  vertriebene  englische 
Bischof  Wilfrid  unter  diesem  Kdnige  in  Friesland  gewirkt  habe. 
Von  da  aus  ist  Emmius  im  stande,  seine  Regierungszeit  urn 
das  Jahr  679  anzusetzen,  und  weist  auf  Grund  dessen  ein 
paar  falsche  Datierungen  von  Cornelius  zurtick,4)  wie  er  denn 
an  diesem  unter  Berufung  auf  Beda,  als  auf  einen  Zeitgenossen, 
in  wirksamer  Weise  Kritik  zu  iiben  vermag. 


§  2.    Sigebert  von  Gembloux. 

Die  Chronik  des  Monches  Sigebert5)  von  Gembloux  wird 
in  der  Historia  5  mal  angefiihrt.6)  Mehr  noch  als  diese  That- 
sache,  lasst  die  haufige  Erwahnung  in   den  Kollektaneen   zu 


*)  historia  ecclesiastica  I,  10. 

*)  hist.  eccl.  V,  9. 

8)  hist.  eccl.  V,  19. 

4)  Emmius  hist.  p.  45  und  48. 

8)  Monumenta  Germaniae,  Scriptores  VI,  p.  268— 374. 

n)  Emmius  hist.  p.  52,  57,  85,  92,  96. 


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—     31     — 

Worp  von  Thabor  und  Andreas  Cornelius  auf  eine  eingehende 
Bekanntschaft  des  Emraius  mit  dieser  Chronik  schliessen. 
Trotzdem  ist  der  positive  Ertrag  fur  den  Inhalt  der  Historia 
nicht  eben  hoch  anzuschlagen.  Einige  Nachrichten  freilich  sind 
nachweislich  auf  Sigebert  zurttckzufuhren,  so  jedenfalls  das- 
jenige,  was  Emmius  iiber  Pipins  Sohn  Grimoald  berichtet. 
Eggerik  Beninga1)  hat  hier  nur  die  Nachricht  von  seiner  Er- 
mordung,  und  auch  diese  unter  der  wenig  genauen  Angabe, 
Grimoald  sei:  rde  havemester  des  Konings  van  Franckryck" 
gewesen.  Dagegen  tritt  bei  einem  Vergleich  zwischen  Emmius 
und  Sigebert  die  Abhangigkeit  jenes  deutlich  hervor : 


Sigebert  p.  328  (an.  699). 

„Drogo  filius  Pipini  dux 
Campanensium  moritur.  Gri- 
tnoaldus  frater  eius  a  Patre 
Pipino  in  aula  Hildeberti  regis 
maior  domus  statuitur,  eique 
filia  Rabbodi  Fresonum  ducts 
in  uxorem  despondetur." 

p.  329  (an.  713). 
„Grimoaldus  maior  domus 
Leodii  ante  altare  Sancti 
Lamberti  orans  a  Raingario 
satellite  Rabbodi,  ducis  Freso- 
num, perimitur,  et  Theodoaldus 
filius  Drogonis  o5  avo  suo  Pi- 
pino maior  domus  statuitur.il — 
quae  Lamberto  episcopo,  quindecim  ante  annos  illic  a  Dodone  Mar- 
telli  avunculo  ob  concubinatum  Alpaidis  sororis  suae  cum  Pipino 
reprehensum  occiso,  erecta  erat,  a  satellite  Radbodi  Rangario, 
homine  Frisio,  per  insidias  interemptus  fuit.u  Die  hier  ein- 
geflochtene  Notiz  iiber  den  heiligen  Lambertus  fand  Emmius 
gleichfalls  bei  Sigebert.  Zum  Jahre  698  berichtet  dieser2): 
^Sanctus  Lambertus  Pipinum  principem  increpare  ausus,  quod  peli- 
cem  Alpaidem  suae  legitimae  uxori  Plictrudi  superduxerit,   a  Do- 


Emmius  hist.  p.  53. 
»Radbodi  quoque  filia  Theo- 
dosinda,  quamvis  in  impietate 
pater  persisterct,  ad  Christum 
accessit:  nee  multo  post  Grimo- 
aldo  Pipini  Crassi  e  legitimis 
minori  filio,  quern  parens  aulae 
regiae  Theodoberti  recens  prae- 
fecerat,  nupsit,  Francicamque 
gent  em  Frisiis  arctius  conjunxit. 
Invitone  patre  Radbodo,  an 
sponte  eius  hoc  fecerit,  incertum 
est,  nisi  quod  f acinus  multo  post 
secutum  adversam  eius  volun- 
tatenx  arguerc  videatur.  Nam 
decimo  quarto  a  nuptiis  his  anno, 
Grimoaldus    Leodii    ad    aram. 


J)  Eg.  Beninga  p.  47. 

2)  Mon.  Germ.  Script.  VI  p.  328. 


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—     32     — 

done  fratrc  ipsius  Alpaidis  Leodii  martyrisatur. u  Den  Namen  der 
Tochter  Radbods,  sowie  den  veranderten  Namen  fiir  den 
frankischen  Konig  muss  Emmius  dagegen  aus  einer  andem 
Quelle  hinzugeftigt  haben. 

Obgleich  Emmius  den  Sigebert  gelegentlich  als  einen 
„bonus  auctor"  bezeichnet,1)  ist  er  doch  weit  entfernt,  dem  Ver- 
fasser,  auf  die  einmal  erkannte  Zuverl&ssigkeit  hin,  unbedingt 
zu  trauen,  sondern  zeigt  ihm  gegeniiber  stets  ein  besonnenes 
kritisches  Verhalten.  Wenn  Sigebert  zum  Jahre  935  die  Nach- 
rioht  bringt2):  nIiex  Henricus  Danos,  qui  per  piraticam  Fresones 
incursabant,  vincit  et  tributarios  facit  et  Chiupam  regent  eorum 
baptieari  facitu,  so  setzt  Emmius8)  dem  seine  wohlbegriindeten 
Bedenken  entgegen:  ^Sigebertus  etiam  prodit,  Frisiis  contra  iniu- 
rias  defensis,  victos  Danos  ad  pendenda  sibi  tribula,  ac  regetn 
eorum  Chuipiam  ad  baptismum  et  sacra  Christiana  accipienda  Aucu- 
pem  coegisse.  Quod  ego  de  Jutarum  parte,  ac  de  principe  eorum, 
aut  regio  praefecto  accipiendum  censeo.  Nam  de  universa  genie 
Danica  ad  tributum  adacta,  nee  vero  simile  est,  nee  cum  historia 
eius  temporis,  quam  Saxo  aliique  prodiderunt,  consentit.  Nee  Chui- 
piam regem  Dani  in  historiis  agnoscunt,  aut  quenquam  regem  suo- 
rum  ab  Henrico  Aucupe  Christianis  sacris  imbutum  esse  tradunt.a 
Aehnlich  verf&hrt  Emmius4)  mit  der  Angabe  Sigeberts,5)  im  Jahre 
1058  habe  der  damals  erst  9jahrige  Heinrich  IV.  einen  Zug 
gegen  die  Friesen  unternommen.  Beim  Bericht  tiber  den  Tod 
des  Herzogs  Godfried  von  Lothringen  im  Jahre  1076  stellt 
Emmius6)  der  von  Sigebert7)  und  Worp  von  Thabor8)  vertretenen 
Auffassung,  wonach  der  Herzog  in  Friesland  ermordet  ist,  die- 
jenige  eines  gleichzeitigen  Antwerpener  Berichterstatters  ent- 
gegen.9)   Schon  hier  zeigt   sich,   dass   der  Worpersche  Bericht 


l)  Emmius  hist.  p.  57. 

*)  a.  a.  0.  p.  347. 

8)  Em.  hist.  p.  85. 

4)  Emmius  hist.  p.  92. 

R)  Mon.  Germ.  Script.  VI  p.  3G0. 

e)  Em.  hist.  p.  96. 

7)  Mon.  Germ.  Script.  VI  p.  363. 

8)  Worp  von  Thabor  III  cap.  5. 

•)  Emmius  begegnet  hier  ein  eigentumliches  MissverstS-ndnis ; 
wahrend  Sigebert  erz&hlt:  Sicarius  in  Presonia  Godefridum  ducem  perimit, 
findet  sich  bereits  in  den  Kollektaneen  zu  Worp  III,  5  die  Bemerkung: 


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—     33     -* 

demjenigen  Sigeberts  parallel  lauft,  wie  denn  auch  Sigebert 
unter  die  Quellen  Worps  zu  zahlen  ist.1)  Hierin  liegt  zugleich 
der  Grund,  warum  in  der  Historia,  selbst  an  solchen  Stellen, 
wo  Emmius  nachweislich  den  Sigebertschen  Bericht  zu  Rate 
gezogen  hat,  eine  unmittelbare  Benutzung  desselben  nicht 
nachweisbar  ist.  DieHauptbedeutung  Sigeberts  fur  die  Historia 
liegt  jedenfalls  darin,  dass  Emmius  durch  ihn  die  Worpsche 
Darstellung  kontrolliert  hat.  Diose  wird,  wo  es  thunlich  ist, 
ubernommen,  doch  nicht  ohne  dass  Sigebert  zuvor  iiber  die 
Stichhaltigkeit  der  Angaben  Worps  zu  Rate  gezogen  ist. 
Derart  verfahrt  Emmius  u.  a.  bei  der  Unterwerfung  der  Sachsen 
durch  Karl  Martell  (Sigebert:  Mon.  Germ.  Scr.  VI.  p.  331,  Emmius 
hist.  p.  58),  beim  Tode  Martells  (Sigebert  p.  331,  Emmius  hist, 
p.  58)  und  bei  den  Sachsenkriegen  Karls  des  Grossen  (Sigebert 
p.  334,  Emmius  hist.  p.  62).  So  ist  denn  Sigebert  trotz  des 
verhaltnismassig  geringen  positiven  Ertrages  in  diesem  Sinne 
als  eine  bemerkenswerte  Quelle  der  Historia  rerum  Frisicarum 
etwa  fur  die  Zeit  von  700  —  1100  anzusehen. 


§  3.  Nauclerus. 

Aus  einigen  Notizen  der  Kollektaneen  ergiebt  sich,  dass 
Emmius  auch  die  grosse  Weltchronik  des  Nauclerus2)  bei  der 
Abfassung  seiner  Historia  zu  Rate  gezogen  hat.  Die  einzige 
Erzahlung  aber,  fur  die  sich,  eben  auf  Grund  von  Emmius 
Notizen,  eine  Beziehung  zwischen  beiden  nachweisen  lasst,  ist 
die  vom  Einfall  Konig  Gottfrieds  von  Danemark  im  Jahre  809. 
Emmius  lag  fur  dieses  Ereignis  ausser  der  Prophezeihung  des 
heiligen  Ludger  bei  Worp  von  Thabor3)  der  Bericht  bei  Egge- 
rik  Beninga4)  vor.    Sigebert  dagegen  bot  ihm  fur  das  Verhalt- 


„ea  caedes  facta  ao.  1076  a  Frisio  quodam  Richario  auth.  Sigeb."  Der- 
selbe  Name  wird  dann  hist.  p.  96  wiederholt.  Em.  hat  hier  jedenfalls 
da8  Wort  sicarius  verlesen  und  es  dann  als  unubersetzbar  fur  einen 
friesischen  Personennamen  gehalten. 

l)  Vgl.  dariiber :  Bolhuis  v.  Zeeburgh,  Kritiek  der  Friesche  Geschied- 
schrijving  p.  101. 

»)  Memorabilium  omnis  aetatis  et  omnium  gentium  chronici  commen- 
tarii  a  Joanne  Nauclero  etc. :  digesti  in  annum  salutis  1600.  Tubingen  1516. 

3)  vgl.  cap.  VIII  §  1. 

*)  Eg.  Beninga  p.  69  ff. 

J&hrbach  der  Oesellsch.  f.  b.  K.  u.  vatorl.  Alterttiraor  zu  Emdon,  Bd.  XV.  3 


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—    :-m    — 

nis  zu  den  Dfincn  wahrend  der  spiiteren  Regierungszeit  Karls 
des  Grossen  nur  zwci  kurze  Nachrichten.  Zum  Jahre  809: 
»Godefridus  rex  Danorum  mulia  contra  vicinas  gentes  abutens 
insolentia,  pacem  ab  imperatore  Karolo  expetit**)  und  809: 
vGodefrido  Danorum  rege  mortuo  Hcmingus,  filius  this,  paean 
expetit  ab  imperatore  Karolo*.-)  Vergleichen  wir  mit  dem  hier- 
mit  gegebenen  Material  die  Darstellung  bei  Emmius,  so  wird 
deutlich,8)  dass  er  seinen  Bericht  tiber  dieses  Ereignis  wesentlich 
nach  Nauclers  Angaben  gestaltet  hat.  Dorther4)  stammt  die 
Kunde  von  dem  anf£nglichen  unglticklichen  Zuge  von  Karls 
Sohn  und  die  Angabe  der  200  Schiffe,  mit  denen  Gottfried  in 
Friesland  landet.  Auf  Grand  des  Nauclerschen  Berichtes  lasst 
er  den  Kaiser  selbst  sein  Lager  an  der  Weser  aufschlagen,  und 
wenn  Emmius  das  Verhaltnis  des  d&nischen  Konigs  zu  Fries- 
land  mit  den  Worten  kennzeichnet:  quam  suam  iam  provinci- 
am  aestimabat",  so  erinnert  dies  deutlich  an  den  Ausdruck  bei 
Nauclerus:  ^Frisiam  quoque  atque  Saxoniam  haud  aliter  atque 
suas  provincias  aestimabata.  Dass  Emmius,  abgesehen  von 
diesem  vereinzelten  Falle,  den  Nauclerus  fur  seine  Darstellung 
nicht  besonders  in  Betracht  zieht,  ergiebt  sich  aus  dem 
Charakter  jener  Chronik.  Emmius  halt  sich  durchweg  an 
speziellere  Quellen,  und,  soweit  es  ihm  moglich,  an  solche,  die 
den  Ereignissen  zeitlich  naher  stehen.  Dagegen  legt  sich  die 
Vermutung  nahe,  dass  er  die  Nauclersche  Weltchronik  gelegent- 
lich  ftir  seine  Ausblicke  auf  die  allgemeinen  geschichtlichen  Er- 
eignisse  benutzt  habe.  Wie  weit  dies  zutrifft,  lasst  sich  im 
einzelnen  nicht  darthun,  immerhin  aber  miissen  auch  fur 
diese  Zwecke  dem  Emmius  noch  andere  Geschichtswerke  vor- 
gelegen  haben,  zumal  eine  Anzahl  der  genannten  orientierenden 
Ueberblicke  in  eine  Zeit  f&llt,  wo  ihm  der  mit  dem  Jahre  1500 
bezw.  1503  abbrechende  Nauclerus  nicht  mehr  als  Ftihrer 
dienen  konnte5). 


»)  Sigebert  a.  a.  0.  p.  336. 

«)  p.  337. 

a)  Emmius  hist.  p.  70. 

*)  Nauclerus  II.,  Gen.  XXVII,  Fol.  115. 

*)  so  z.  B.  diejenigen  auf  p.  887  und  797. 


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—     35     — 

§  4.    Albert  Krantz. 

Kein  auswartiger  Schrifts teller  wird  in  der  Historia  so 
haufig  citiert  wie  Albert  Krantz.1)  Wir  verdanken  diesem,  einem 
Hamburger  Geistlichen  und  Staatsraanne  aus  der  Reformations- 
zeit,  umfangreiche  historische  Werke,  welche  fur  die  Geschichte 
undKirchengeschichteNorddeutschlands,  besonders  im  14ten  und 
15ten  Jahrhundert,  von  grundlegender  Bedeutungsind:  Wandalia, 
Koln  1519;  Saxonia,  Koln  1520;  Chronica  regnorum  aquilonarium 
Daniae  Sueciae  Norvagiae,  Argent.  1546;  Metropolis  s.  historia 
de  ecclesiis  sub  Carolo  M.  in  Saxonia  instauratis,  Basel  1548 
ed.  Joachim  Moller.  Emmius  hat  alle  vier  Werke  gekannt  und 
benutzt,  wenngleich  „Saxoniaa  und  ^Metropolis"  fur  ihn  vor 
allem  als  Quellen  in  Betracht  kommen  mussten. 

In  ihrer  historischen  Auffassung  stehen  beide  Manner  in 
einem  principiellen  Gegensatz  zu  einander.  Dem  Hamburger 
Dekan  und  Doctor  juris  canonici  ist  der  Freiheits-  und  Un- 
abhangigkeitsdrang  des  friesischen  Volkes  ein  unverstandliches 
und  unberechtigtes  Streben ;  er  ist  eher  geneigt,  die  Friesen  als 
Rebellen  wie  als  Vork&mpfer  der  Freiheit  anzusehen.  Dazu 
kommt  noch  der  Gegensatz  des  hansischen  Burgers  gegen  das 
Volk,  welches  Jahrhunderte  lang  die  Handelstrassen  der  See- 
stadte  unsicher  gemacht  hat,  gegen  das  Land,  dessen  entlegene 
Gestade  den  gefurchteten  Vitalienbrudem  immer  wieder  will- 
kommenen  Unterschlupf  boten.  Grund  genug  fiir  Emmius,  um  der 
Geschichtschreibung  dieses  Mannes  von  vornherein  nicht  eben 
sympathisch  ge geniiberzustehen.  Krantz  ist  ihm  ein:  ^obtrectator 
ingens  maiarum  nostrorum"  ,2)  er  ist  ein  Geschichtschreiber : 
nqui  magna  invidia  in  gentem  nostram  laboravit,  ne  quid  dicatn 
gravius"*)  Dies  bedingt  von  vornherein  eine  entschieden 
kritische  Stellung  zu  den  Krantzschen  Angaben.  Wenn  Emmius 
gleich  gegen  die  Behauptung,  dass  die  Ditmarschen  keine  Friesen 
seien,  wohl  mit  Unrecht  polemisiert,4)  so  widerlegt  er  anderer- 
seits  doch  die  von  Krantz  in  Verwechselung  des  Namens  auf- 
gestellte  falsche  Behauptung,  der  heilige  Suidbert,  der  Begleiter 


»)  so  z.  B.  Emmius  hist.  p.  30,  58,  66,  91,  93,  100  etc. 
*)  Emmius  hist.  p.  106. 
*)  Emmius  hist.  p.  300. 
*)  Emmius  hist.  p.  30. 


3* 


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—     36     — 

Willibrords,  sei  mit  dem  ersten  Bischof  von  Verden  identisch.1) 
Emmius  steht  nicht  nur  den  Angaben  von  Krantz  unabhangig 
gegeniiber,2)  sondern  er  geht  auch,  um  ihn  zu  kontrollieren,  auf 
seine  Quellen  zurilck.3) 

Es  liegt  auf  der  Hand,  dass  die  Nachrichten,  welche 
Emmius  den  Krantzschen  Werken  entnahm,  sich  nicht  auf  das 
Gebiet  der  inneren  friesischen  Verhaltnisse  beziehen  konnen. 
Obwohl  Krantz  auch  in  dieser  Beziehung  manches  bringt, 
konnte  er  doch  hier  einem  einheimischen  Schriftsteller  keine 
Erg&nzungen  bieten.  Das  einzige  Mai,  wo  Krantz  nach  dieser 
Seite  hin  eine  originale  Nachricht  bringt,  wird  er  von  Emmius 
energisch  zurflckgewiesen.  Die  betreffende  Stelle,  welche  den 
Tod  des  Ritters  Ocko  ten  Brok,  seine  vermeintlichen  Ursachen 
und  n&chsten  Folgen  behandelt,  ist  zugleich  fur  die  Beurteilung 
friesischer  Verhaltnisse  durch  Krantz  charakteristisch  genug; 
dieselbe  (Saxonia  X,  14)  lautet:  ^Phrisii  interea  superbum  genus 
hominum,  et  quod  sibi  tnultum  arrogat  de  Ubertate,  Ockonem  virum 
in  eis  primarium,  quod  inter  Germanos  militans,  militarem  cingulum 
acceperit,  f actus  eques  auratus,  occiderunt:  arbitrati  ilium  a  patria 
libertate  degenerasse,  cui  peregrinam  inducere  tentaverit  nobilitatem. 
Mira  hominum  temeritas  palustrium:  caeca  superbia,  quae  insolentiam 
inde  concipit,  quod  non  facile  armis  ad  iuga  coguntur.  Uxor  autem 
Ockonis,  viri  necem  vindicatura,  ad  Comites  de  Aldenborg  et  Delmcn- 
horst  profecta,  arma  comparat  in  tumultuantes.  Non  contemnenda 
manus  erat,  quae  ducit  in  Phrisiam:  ecclcsiam,  quam  de  more  gent  is 
incastellavere1  oppugnant:  deiectaque  Phrisones  ibi  repertos  ad 
ducentos  iussit  capite  plectia.  Emmius  weist  die  hier  gegebene 
Erklarung  fiir  die  Ermordung  Ockos  mit  Recht  zuriick,  da  sich 
hierftir  auch  nicht  der  leiseste  Anhaltspunkt  finden  lasst4),  und 
glaubt  auch  die  letzte  Nachricht  ablehnen  zu  miissen,  weil  sie 


")  p.  58. 

2)  p.  100:  quamquam  anticipare  rem  quadriennio  Crantzium  haud 
ignorem. 

»)  So  p.  105  auf  Helmolds  Slavenchronik  und  p.  93  auf  Adam 
von  Bremen. 

4)  Die  von  Klinkenborg:  Gesch.  der  ten  Broks  Beil.  I.  p.  6  f.  fur 
die  Auffassung  von  Krantz  angefuhrten  Argumente  sprechen  wohl  fiir  eine 
Erbitterung  der  Friesen  gegen  Ocko,  doch  tritt  die  bei  Krantz  gegebene 
Beziehung  auf  seine  Ritterwurde  dort  nirgends  hervor. 


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~     37     - 

den  sonst  aus  jener  Zeit  berichteten  Thatsachen  widerstreitet, 
er  schliesst  mit  den  Worten:  „w  falsis,  ut  multa  eiusdetn  (sc. 
Crantzii)  de  rebus  nostris,  duco".1) 

Ftir  die  ausw&rtigen  Beziehungen  Frieslands   stellt   sich 
das  Verh&ltnis  von  Emmius  und  Krantz   bei  weitem   anders. 
Hier  ist  Emmius  oft  durch  den  Mangel  an  einheimischen  Nach- 
richten  auf  auswartige  Schriftsteller  angewiesen,  und  Krantz 
bietet  hier  eine,  wenn  nicht  unbedingt  zuverlassige,  so  doch  jeden- 
falls  die  beachtenswerteste  der  Emmius  zur  Verftigung  stehenden 
Quellen.      Ausgiebige  Nachrichten   boten   sich   bei    Krantz   in 
dieser  Beziehung,  neben  solchen  tiber  das  Vorgehen  der  Hansa- 
stadte  gegen  die  friesischen  Seerauber,2)   besonders   tiber  die 
Feldzfige  der  benachbarten  Gewalthaber  zur  Unterwerfung  ein- 
zelner  friesischer  Gebietsteile     Bereits  beim  Vernichtungskriege 
gegen  die  Stedinger,  fur  den  Eggerik  Beninga3)  nur  eine  kurze 
Notiz  bietet,  musste  ftir  Emmius4)  neben  dem  Berichte  Emos5) 
fiber  die  Aufnahme  der  Kreuzpredigt  in  Friesland  Krantz6)  als 
Vorlage  dienen.    Dasselbe  ist  der  Fall  ftir  den  Kampf  Christians 
von  Oldenburg  gegen  die  Rtistringer  1366  (Metrop.  X,  26.,  Em.  hist, 
p.  207),    ftir  die  Personalien  der  1421  bei  Detern  geschlagenen 
auswartigen  Verbtindeten    (Metrop.  XI,    31,  Em.  hist.  p.  300), 
den  Kriegszug  gegen  die  Wurstfriesen  1499  (Metrop.  XII  25, 26, 
Em.  hist.  p.  587),  bis  hin  zum  Raubzug  der  verbtindeten  Ftirsten 
gegen  Butjadingerland  1501  (Em.  hist.  p.  614,  Saxonia  XIII,  29). 
Auch  fur  Oldenburgische  Angelegenheiten  dient   Krantz   einige- 
male  als  Quelle.    Die  Fehde  zwischen  Konrad  von  Oldenburg 
und  dem  Grafen  von  Diepholz,   Em.  hist.  p.  212,   wird  im  An- 
schluss an  Saxonia  IX,  40  berichtet,  ebenso  steht  es  mit  den 
Oldenburgischen  Fehden  von  1462  und  1476,   Em.  hist.  p.  338 
und  419,  welche  Metrop.  XI,  44  und  XI,  52  entsprechen.      Ein 
Bericht  der  Chronica  Daniae7)  dient  als  Quelle  ftir  die  Nieder- 
lage,  welche  Sueno  von  Danemark  den  an  der  danischen  Grenze 


')  Emmius  hist.  p.  222. 

2)  vgl.  z.  B.  Emmius  hist.  p.  456  und  Sax.  XIII.  14. 

»)  Eg.  Beninga  p.  110. 

4)  Emmius  hist.  p.  144  if. 

*)  Mon.  Germ.  Script.  XXm,  499  if. 

•)  Metrop.  VII,  47. 

7)  p.  208. 


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—     38     — 

wohnenden  Friesen  beibringt,1)  die  dem  vertriebenen  Knut 
Aufnahme  gewahrt  haben.2)  Wo  Emmius  bei  diesen  Berichten 
andere  Quellen  nicht  zu  Rate  Ziehen  konnte,  sind  sie  in  der 
von  Krantz  gegebenen  Fassung  in  der  Weise  hertibergenoramen, 
dass  Emmius,  fiir  dessen  Darstellung  diese  Dinge  mehr  an  der 
Peripherie  lagen,  die  bei  Krantz  oft  recht  ausfuhrlichen  Er- 
z&hlungen  wesentlich  kiirzt  und  nur  den  Hauptinhalt  heraus- 
stellt. 


§  5.    Chytraeus. 

Als  Fortsetzung  der  Wenden-  und  Sachsenchronik  des  Albert 
Krantz  schrieb  David  Chytraeus  eine  „Vandaliae  et  Saxoniae 
Alberti  Cranzii  continuations 3)  dieselbe  umfasst  die  Zeit  von 
1500— 1541. 4)  Emmius  hat  sich  mit  dem  Werke  seines  Lehrers 
eingehend  besch&ftigt  und  manche  Nachricht  daraus  ftir  die 
Historia  fruchtbar  gemacht,  wie  er  sich  denn  auch  im  Verlauf 
derselben  einigemal  auf  Chytraeus  beruft.6)  Dieser  bietet  eine 
iiberraschende  Fiille  von  Angaben  uber  friesische  Verhaltnisse 
und  zeigt  sich  auch  im  allgemeinen  in  friesischen  Dingen  ver- 
h&ltnism&ssig  gut  unterrichtet.    Mehr  als  50mal  werden  im  Ver- 


l)  Emmius  hist.  p.  106. 

*)  Emmius  zitiert  hist.  p.  105  und  106  die  Slavenchronik  Helmolds 
und  zwar  als  Quelle  der  Darstellung  von  Krantz  in  seiner  Wandalia.  Das 
geschilderte  Ereignis  fallt  in  das  Jahr  1147,  es  handelt  sich  um  einen 
Ueberfall  friesischer  Ansiedler,  welchen  Adolf  von  Holstein  die  fruheren 
Wohnsitze  der  Wenden  fiberwiesen  hat,  durch  einen  wendischen  Heer- 
haufen.  Aus  Krantz  (Wandalia  IV,  3)  konnte  Emmius  nicht  entnehmen, 
dass  dieser  hier  Helmold  folge;  es  wird  also  an  dieser  Stelle  deutlich, 
dass  er  Krantz  auf  seine  Quelle  verglichen  haben  muss.  Im  ubrigen 
aber  hat  die  betr.  Stelle  bei  Helmold  (Chron.  Slavorum  I,  64)  auf  die  Dar- 
stellung bei  Em.  nicht  selbst&ndig  eingewirkt.  Ein  paar  genauere  An- 
gaben, wie  die  Zahlenangaben  fur  die  angreifenden  Slaven  und  die  Be- 
merkung,  dass  kurz  vorher  300  Friesen  abgezogen  seien,  fehlen  gleich- 
massig  bei  Krantz  und  Emmius.  Fur  erstere  Nachricht  haben  beide 
„aliquot  millia". 

3)  Wittenberg  1686. 

*)  spater  hat  er  dieselbe  bis  1599  fortgesetzt  (D.  Chytraei  Op.  Tom.  IV. 
Lipsiae  1599);  uber  die  Entstehung  des  Werkes  vgl.  0.  Krabbe,  David 
Chytraeus,  Rostock  1870,  Bd.  II  p.  357  ff. 

B)  Emmius  hist.  p.  676  und  779. 


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—     39     — 

lauf  des  Buches  friesische  Verhaltnisse  beruhrt,  wir  erfahren  nicht 
nur  von  Edzard  dem  Grossen  und  seinem  Geschlechte,  von  der 
sachsischen  Fehde  und  dem  wechselvollen  Schicksale  Groningens, 
auch  von  Edo  Wiemken  und  den  Seinen,  sowie  von  Balthasar 
von  Esens  ist  die  Rede,  und  endlich  werden  auch  noch  die 
Geschicke  der  benachbarten  Butjadinger,  wie  diejenigen  der 
Wurstfriesen  mit  in  den  Kreis  der  Betrachtung  gezogen.  Natttr- 
lich  schopft  aber  Emmius  seine  Kunde  tiber  innere  friesische 
Verhaltnisse  nicht  aus  Chytraeus. 

Die  orientierenden  Ueberblicke  uber  die  Entwicklung  der 
geschichtlichen  Verhaltnisse  in  Ostfriesland,1)  in  Groningen2)  oder 
Jeverland3)  konnten  Emmius  nichts  Neues  bieten,  ebenso  wenig 
die  im  Anschluss  hieran  erzahlten  weiteren  Ereignisse  aus  der 
ersten  Halfte  des  16ten  Jahrhunderts.  Eine  Ausnahme  macht 
hier  nur  der  Bericht  iiber  Reibereien  zwischen  dem  Grafen 
Edzard  und  den  Bremern  im  Jahre  1509,4)  iiber  welche  Emmius 
in  keiner  friesischen  Quelle  etwas  fand,  und  die  er  daher  mit 
Konstatierung  dieses  Thatbestandes  unter  dem  notigen  Vor- 
behalt  wiedergiebt.5)  Anders  stellt  sich  auch  hier  wieder  das 
Verhaltnis  zu  den  Nachrichten,  welche  die  Beziehungen  der 
Friesen  zu  ausw&rtigen  Machthabern  betreffen.  Hier  konnten 
dem  Chytraeus  Quellen  zu  Gebote  stehen,  iiber  welche  Emmius 
nicht  verfugte,  jedenfalls  aber  war  Emmius  dem  Chytraeus  hier 
nicht  durch  einheimische  Quellen  von  vornherein  iiberlegen. 
Am  deutlichsten  tritt  dies  hervor  bei  den  Kampfen  der  Wurst- 
friesen gegen  die  Bremer  Erzbischofe;  hier  sieht  sich  Emmius 
durchweg  auf  Chytraeus  angewiesen.  Einmal  allerdings,  beim 
Zuge  des  Erzbischofs  vom  Jahre  1524,6)  tritt  Sikke  Benninge  als 
erganzende  Quelle  hinzu,  sonst  aber  pflegt  Emmius  die  hierher 
geh5renden  Berichte  einfach  aus  Chytraeus  heriiberzunehmen. 
Ein  Beispiel  mag  das  Verhaltnis  beider  Schriftsteller  an  dieser 
Stelle  deutlich  machen. 


')  Chytraeus  (Wittenberg  1586)  p.  86  f. 

*)  p.  117  f. 

«)  p.  140  f. 

*)  p.  133. 

»)  Emmius  hist.  p.  676. 

•)  Chytraeus  p.  223,  Emmius  hist.  p.  823. 


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—     40    — 

Chytraeus  p.  158.  Emmius  hist.  p.  778. 

In  Bremensi  dioecesi  Christo*  Anno  eodem  Worstenses  in 

phorus  Frisios  Wursatos  armis  dioecesi  Bremensi  ab  archiepis- 
ad  mandata  ipsis  officia  hacte-  copo    suo    hello    pressi    fuere. 

nus  neglecta,  et  amplius  ex  tarn  Archiepiscopus  enim  Christo- 
fertili  et  amoeno  agro  annul  tri-  phorus  ex  familia  animos  gerens 
buti  vectigal  sibi  pendendum,  (Brunsvigius  quippe  erat,  Hen- 
adducere  instiiuit.  Hactenus  rico  seniore  natus,  ferocis  pa- 
enim  superbi,  feroces  ac  indomiti  tris  ferox  atque  inquies  animo 
titulotenus  magis,  quam  verae  filius)  haud  ferendum  putans, 
subjectionis    officiis,    archiepis-         populum  rusticum,  angustos  fines 

copum  dominum  recognoverant.         habentem, mandata  sua  tem- 

Wursatipro  defensione  libertatis  nere,  tributa  ultra  modum  ma- 
patriae  a  maioribus  acceptae  jorum  recusare,  nomine,  non 
artna  capientes,  non  viri  solum,  re  in  obsequio   esse,   arma  in 

sed  etiam  foeminae.  .  .   .  eum  cepit.    At  Mi  eo   cognito, 

quamquam  paucitatem  suam  nossent,  tamen  quoniam  de  libertate 
agebatur,  resistendum  fortiter,  et  in  pugna  potius  moriendum  sibi, 
quam  servitutem  subeundam  judicarunt.  Nee  viri  solum,  sed  etiam 
foeminae  in  hoc  pulcherrimum  consilium  conspirarunt.  Die  Ab- 
h&ngigkeit  wird  unmittelbar  deutlich,  dabei  weiss  sich  aber 
Emmius  nicht  nur  die  Eigenart  der  Diktion  zu  wahren,  sondern 
er  fiigt  auch  uber  den  Erzbischof  eine  erkl&rende  Bemerkung 
hinzu  und  versteht  die  bei  Chytraeus  angedeuteten  Gedanken 
weiter  zu  entwickeln  und  auszugestalten,  ohne  doch  tiber  den 
Rahmen  des  Gegebenen  hinauszugehen.1) 

In  ahnlicher  Lage,  wie  hier  bei  den  Wurster  Ereignissen, 
befand  sich  Emmius  in  Bezug  auf  das  Quellenmaterial  fiir  die 
Streitigkeiten  zwischen  der  Stadt  Bremen  und  dem  Junker 
Balthasar  von  Esens.  Eg.  Beninga  geht  einige  Male  hierauf 
ein,2)  doch  liegen  ihm  diese  Ereignisse  zu  fern,  als  dass  er  dartiber 
genauere  Nachricht  geben  konnte.3)  Chytraeus  aber  zeigt  sich 
hier   auf  Grund   bremischer  Quellen   gut   unterrichtet,   so  be- 

')  Ein  ahnliches  Beispiel  bietet  der  Krieg  zwischen  dem  Erzbischof 
und  den  Wurstfriesen  im  Jahre  1525,  Chytraeus  p.  226,  Emmius  hist  p.  830. 

*)  Eg.  Beninga  p.  725  und  728. 

8)  So  ist  z.  B.  die  Nachricht  von  der  1539  erfolgten  Gefangennahme 
der  in  Balthasars  Diensten  stehenden  Seerauber  durch  die  Bremer,  Eg. 
Beninga  p.  722,  erst  vom  Herausgeber  Harkenroht  anmerkungsweise 
hinzugefugt. 


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—     41     — 

sonders  p.  312  ff.  und  336  ff.,  auch  hier  schliesst  sich  Emmius,1) 
welchem  ausser  Eggerik  Beninga  einheimische  Quellen  fiir  diese 
Dinge  nicht  vorlagen,  an  Chytraeus  an.2)  Das  Gleiche  ist  endlich 
der  Fall  fiir  einen  Teil  der  burgundisch-geldrischen  Ereignisse, 
soweit  hier  die  westfriesischen  Quellen  keinen  zureichenden 
Aufschluss  boten.  Besonders  ist  dies  beim  Kampf  zwischen 
dem  Herzog  von  Geldern  und  Karl  V.,  sowie  bei  den  Utrechter 
Wirren  von  1528  geschehen.  Emmius  hat  fiir  die  letzten  Ereig- 
nisse zugleich  die  Geschichte  der  Utrechter  Bttrgerkriege  von 
Lambertus  Hortensius*)  zur  Hand  gehabt,  doch  scheint  ihm 
diese  mehr  zur  Kontrolle  und  zu  gelegentlichen  Erg&nzungen 
gedient  zu  haben.  Fiir  die  Darstellung  schliesst  er  sich  an  die 
weniger  ausfiihrlich  gehaltenen  Berichte  bei  Chytraeus  an,  dies 
zeigt  sich  u.  a.  beim  Friedenschluss  zwischen  Burgund,  Geldern 
und  Utrecht  im  Jahre  1528.  Nachdem  Emmius  zuvor  nach 
Chytraeus  p.  252  f.  von  der  Einnahme  von  Utrecht  und  der 
Bestrafung  der  Aufriihrer  gesprochen  hat,  geht  er  auf  den  Ab- 
schluss  der  Friedensverhandlungen  tiber: 

Chytraeus  p.  254.  Emmius  hist.  p.  845  f 

Jnterea   comitia    principum  Turn  actio  de  pace  instituta 

Gorichi  habita  sunt,  ubi  solida  Gorichemi  intercessione  princi- 

pax  inter  Augustissimum  Caesa-  pum,  ac  pax  convenit  his  legibus, 

rem  Carolum  et  Geldriae  ducem  ut  Gelder  sine  haerede  sua  mori- 
atque  ipsos  denique  Trajectinos  ens  omnes  ditiones  suas  Caesari, 

tnediocribus  conditionibus  firma-  domuique    Burgundicae    relin- 

ta  est,  restitutis  Geldrio  oppidis,  queret,    Caesar  ei  vicissim  oppi- 

quae  Hit  iamdudum  comes  ade-  da  omnia  hoc  bello  in  Geldria 

merat,  et  vicissim  promittente  se  occupata  Geldro  restitueret, 
mortuo  sine  haeredibus  omnes  di-  Praesul  Ultrajectinusf  ordinibus 

tiones  suas  in  Domus  Burgun-  dioeceseos  iuramento  sibi  dato 

dicae  potestatem  fore".  (Darauf  solutis,  imperium  suum  totum 
folgt  der  Bericht  tiber  die  Ein-  eidem  Caesari  et  successoribus 

nahme  von  Utrecht  durch  den  eius  permitteret.  Hoc  factum  die 
Kaiser.)  XIII  Cal.  Nov.  huius  anni.a 

l)  so  hist.  p.  897,  907,  908. 

*)  Ein  kleiner  Aufsatz  von  Emmius  uber  den  Krieg  zwischen  Bal- 
thasar  und  Bremen  (Kgl.  Staatsarchiv  zu  Aurich  Msc.  A.  51)  tragt  die  Unter- 
schrift :  „Haec  omnia  ex  supplements  historiaeCrantzianae"  (also Chytraeus). 

•)  Lamberti  Hortensii  Montfortii  secessionum  civilium  Ultraj.  etc. 
libri  VH.  Utrecht  1642. 


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—     42     - 

Die  Aenderung  des  Ausdrucks  „comitia  principum*  in  „actio 
intercessione  principum"  ist  auf  den  Einfluss  von  Hortensius 
zurtickzuftihren,  der  die  Namen  derjenigen  Gesandten  nennt, 
welche  die  Verhandlungen  im  Namen  ihrer  Ftirsten  abgeschlossen 
haben;1)  ebenso  wird  Emraius  hierher2)  das  bei  Chytraeus  nicht 
erwahnte  Datum  des  Vertrages  entnommen  haben. 


Spezielle  Quellen. 


V.  Urkunden. 

§  1.   Ostfriesische  Urkunden. 

Man  ist  von  jeher  geneigt  gewesen,  wo  man  glaubte 
der  Darstellung  des  Emmius  entgegentreten  zu  mtissen  oder 
seinen  Angaben  die  Glaubwurdigkeit  absprechen  wollte,  seine 
Verwertung  urkundlichen  Materials  als  durchaus  unzureichend 
hinzustellen.  Schon  der  Kanzler  von  Ludewig  macht  Emmius 
hiertiber  einen  Vorwurf,  und  Emmius1  letzter  Kritiker  MShlmann 
hat  den  Umfang  seiner  archivalischen  Studien  recht  gering  an- 
geschlagen.  Nachdem  dieser,  nicht  ohne  einen  Anflug  von  Ironie, 
den  Bericht  des  Emmius  tiber  seine  Thatigkeit  im  Groninger 
Archiv  wiedergegeben  hat,  bemerkt  er:3)  „Insbesondere  aber  ist 
der  umstandlichen  Angabe  tiber  seine  Bemuhungen  im  Stadt- 
archive  (sc.  zu  Groningen),  sowie  dem  gewissenhaften  Schweigen 
tiber  Slhnliche  Institute  zu  entnehmen,  dass  seine  archivalischen 
Forschungen  auf  jenes  beschrankt  blieben."  Etwas  weniger 
streng  scheint  er  diese  Beschrankung  an  einer  anderen  Stelle4) 
aufzufassen,  wo  er  zugiebt,  es  konne  „nicht  geleugnet  werden, 
dass  den  Emmiusschen  Berichten  vielfach  archivalische  Zeug- 
nisse,   die  aber  doch  nur  auf  Groningische  Verhaltnisse  oder 


')  a.  a.  0.  lib.  VII  p.  169. 
a)  a.  a.  0.  lib.  VH  p.  172. 

3)  Mohlmann:  Kritik  p.  66. 

4)  a.  a.  0.  p.  98. 


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—     43     — 

eigentlich  nur  auf  die  der  Stadt  sich  beschranken,  zu  Grunde 
liegen,  auch  lasse  sich  nachweisen,  dass  in  einzelnen  Fallen 
noch  sonstige,  wie  wohl  sehr  sparliche  Urkunden  benutzt  seien." 
Die  richtige  Antwort  auf  diese  allgemein  gehaltenen  Bemerkungen 
wird  nur  das  Resultat  einer  genauen  Einzeluntersuchung  geben 
konnen.  Dagegen  werden  wir  bereits  hier  auf  diejenigen  Ein- 
wendungen  Bezug  nehmen  miissen,  welche  Brenneisen  gegen  die 
Urkundenbenutzung  des  Emmius  erhoben  hat.  Dem  Charakter 
seines  auf  urkundlicher  Grundlage  beruhenden  Werkes  ent- 
sprechend,  beschrankt  sich  der  ostfriesische  Kanzler  nicht  auf 
Redensarten,  sondern  sucht  an  der  Hand  bestimmter  Urkunden 
darzuthun,  wie  Emmius  dieselben  absichtlich  falsch  benutzt, 
bezw.  wie  er  andere  absichtlich  tibergangen  habe.  Einige 
Beispiele  mOgen  zeigen,  was  es  mit  diesen  Vorwiirfen  auf 
sich  hat. 

Brenneisen  (Ostfr.  Historie  und  Landesverfassung,  2  Bde., 
Aurich  1720)  Tom.  I  libr.  Ill  Nr.  36  p.  82,  macht  Emmius  einen 
Vorwurf  wegen  seiner  Verwertung  der  Cessionsurkunde  ttber 
2/3  der  Burg  und  Herrschaft  zu  Emden  durch  die  Junker  Abco 
und  Gerhard  an  Graf  Ulrich  I.  (Ostfriesisches  Urkundenbuch  I, 
763).  Brenneisen  wirft  hier  Emmius  vor,  dass  er  die  Sache  so 
darstelle,  „als  wenn  dies  Werk  nur  zum  Schein  geschehen  ware, 
die  Leute  desto  mehr  zu  betriegen."  Sodann,  dass  er  damit 
„  das  Zeugnis  so  vieler  vornehmen  Personen  nicht  nur  in 
Zweifel  ziehe,  sondern  sie  gar  vor  unehrliche  Leute  declarieren 
diirfe."  Er  bemerktdazu:  „Dieser  locus  des  Emmii  ist  einer 
der  merkwtirdigsten  Oerter,  woraus  man  sehen  kann,  wie 
Emmius  sich  unterstanden  habe,  aus  blinder  Passion  gegen 
die  Stadt  Emden,  wider  alle  Principia  iuris  naturalis  et  gen- 
tium, klare  Siegel  und  Brieffe  anzufechten".  Endlich  fiigt  er 
noch  den  Vorwurf  hinzu  „Emmius  habe  die  gemeine  Rechts- 
regel  nicht  gewusst:  quod  omne  instrumentum  publicum  habeat 
praesumptionem  veritatis  et  solemnitatis,  adeo  ut  ille,  qui  tale 
instrumentum  pro  se  habet,  habere  dicatur,  tangere  me  noli". 

Es  wird  damit  also  Emmius  eine  Urkundenbenutzung 
Schuld  gegeben,  welche  gerade  das  Gegenteil  von  dem  bedeutet, 
was  man  in  dieser  Beziehung  von  einem  Historiker  verlangt; 
denn  jene  Urkunde  hat  dem  Emmius  wirklich  selbst  vorgelegen, 
wie  sich  nicht  nur  aus  ihrer  Behandlung,  hist.  p.  385,  sondern 


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—     44     - 

auch  aus  dem  betreffenden  Regest  im  „Catalogusmagistratuumal) 
ergiebt.  Der  historische  Befund  des  in  Frage  stehenden  Er- 
eignisses  rechtfertigt  aber  die  Auffassung  des  Eramius  durchaus. 
Ein  thats&chliches  Recht  der  beiden  Agnaten  auf  Emden  war 
nicht  vorhanden.  Der  Jurist  Wiarda  giebt  dafiir  die  rechtliche 
Begrttndung,2)  freilich  ohne  dabei  auf  die  fiir  ihn  bereits  gegen- 
standslosen  Brenneisenscben  Vorwilrfe  gegen  Emmius  irgendwie 
Bezug  zu  nehmen,  was  seine  Aussagen  vielleicht  noch  um  so 
bedeutsamer  macht.  Dass  zudem  der  ganze  Vorgang  etwas 
Operettenhaftes  hat,  ist  ohne  Zweifel:  Zwei  Landjunker  ohne 
nennenswerte  Machtmittel  tibertragen  dem  thatsachlichen  Herrn 
des  Landes  2/s  ihres  Anrechtes  auf  dessen  bedeutendste  Stadt, 
bloss  weil  sie  aus  einer,  nicht  einmal  erbberechtigten,  Linie 
Nachkommen  eines  ehemaligen  Besitzers  jener  Stadt  sind.  Der 
Grund  ist  durchsichtig  genug,  Ulrich  musste  gegen  die  drohende 
Pr&tension  der  Hamburger  einen  Rechtstitel  haben,  und  mochte 
er  noch  so  haltlos  sein.  Der  ganze  Vorwurf,  den  man  nun 
Emmius  bei  der  Behandlung  der  Sache  machen  kOnnte,  ist  der, 
dass  er  mit  klarem  Blick  diesen  Zusammenhang  der  Verh&ltnisse 
erkannt  hat.  Er  schildert  die  ganze  Inscenierung  nicht  ohne 
Ironie,  und  das  mit  Recht:  difficile  est,  satiram  non  scribere. 
Dabei  giebt  er  den  Inhalt  des  Vertrages  richtig  wieder,  das 
Einzige,  was  er  den  Kontrahenten  zum  Vorwurf  macht,  ist :  „Ita 
nova  iuris  species  velut  larva  quaesita,  datumque  quod  non 
habebant  qui  dabant,  tenebat  autem,  cui  videbatur  donari". 
Einen  Betrug  wirft  Emmius  hier  niemandem  vor;  es  handelt 
sich  bei  diesem  Scheinmanover  um  eine  papierene  Stiitze  fiir 
den  thatsSchlichen  Besitzer  Emdens  gegenttber  den  Hamburgern, 
die  sich  einst  selbst  der  Stadt  auf  unrechtm&ssige  Weise  be- 
ra&chtigt  hatten;  diese  miissten  also  schon  nach  Brenneisen 
die  Leute  sein,  welche  desto  mehr  betrogen  werden  sollten, 
wovon  natiirlich  bei  Emmius  nicht  die  Rede  ist. 

Wenn  Brenneisen  weiter  im  Namen  der  Zeugen  den  Beleidig- 
ten  spielt,  so  denkt  doch  kein  Mensch,  am  wenigsten  Emmius, 
daran,  diese  als  unehrliche  Leute  hinzustellen.     Es  konnte  ja 


*)  vgl.  fiber  denselben  die  Ausflihrungen  im  weiteren  Verlauf  dieses 
Paragraphen. 

*)  Wiarda,  Ostfriesische  Geschichte  II,  p.  46. 


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—     45     — 

vielleicht  bei  einigem  guten  Willen  jemand  diese  Konsequenz 
aus  ihrer  Mitwirkung  bei  der  ganzen  Sache  Ziehen,  aber  selbst 
dann  kann  doch  die  Rucksicht  gegen  all  diese  Wiirdentrager 
den  beiden  Hauptlingen  ein  positives  Recht  nicht  zusprechen. 
Am  unsinnigsten  ist  der  dritte  Vorwurf  gegen  Emmius;  eine 
Sache,  die  fur  sich  nicht  zu  Recht  besteht,  kann  es  doch 
durch  Brief  und  Siegel,  welche  lediglich  ihre  Thatsachlichkeit 
bezeugen,  nimmermehr  werden,  und  wenn  zehnmal  ein  „in- 
strumentum  publicum"  dariiber  aufgenommen  wird! 

Brenneisen,  Tom.  I  lib.  Ill  Nr.  37,  bringt  den  Vertrag  zwischen 
Ocko  von  Loquard  und  Graf  Ulrich  I.  vom  Jahre  1460  (Ostfr. 
Urkundenbuch  I,  753)  und  bemerkt  dazu:  „Von  diesem  Kontrakt 
meldet  Emmius  auch  kein  einziges  Wort  und  wird  dadurch 
seine  grobe  Beschuldigung,  lib.  22  p.  337,  destomehr1)  widerlegt." 
Dass  Emmius  dies  nicht  erwahnt,  wird  einfach  daran  liegen, 
dass  ihm  die  betreffende  Urkunde  nicht  zuganglich  war.2)  Jene 
grobe  Beschuldigung  wird  aber  auch  durch  die  in  der  Urkunde 
ausgesprochene  Thatsache  eines  giitlichen  Vergleichs  in  keiner 
Weise  bertihrt.  Sie  besteht  darin,  dass  Emmius,  hist.  p.  337, 
nachdem  er  vom  Tode  Ocko  ten  Broks  im  Jahre  1435  berichtet 
hat,  bemerkt,  sein  rechtmassiger  Erbe  ware  Brunger  von  Loquard 
gewesen,  obwohl  Edzard  Cirksena  die  ten  Brokschen  Gtiter  auch 
jetzt  noch  zurtickgehalten  habe;  er  setzt  dann  hinzu:  „Verum 
tot  praesidia  pro  Edsardo  stabant,  potentia,  possessio,  favor 
publicus,  consensus  multitudinis,  ut  inter  ea  perrumpere  sola 
iuris  specie  Loquerdani  non  possent".  Nun  beweist  aber  gegen 
diese  Behauptung  der  von  Brenneisen  angeftihrte  spatere  Friedens- 
vertrag  von  1460  gar  nichts,  ebensowenig  der  dabei  erwahnte 
vorhergehende  Vertrag  mit  Brunger  von  Loquard,  da  dieser  auch 
bereits  mit  Ulrich,  also  nach  Edzards  Tode  (1441),  abgeschlossen 
ist  und  somit  ftir  die  Zeit  um  1435,  um  die  es  sich  bei  Emmius 
p.  337  handelt,  nichts  besagt.    Ausserdem  war  es  Emmius  aus 


!)  Brenneisen  verweist  auf  dieselbe  Stelle   Tom.  I  lib.  I.  cap.  5  §  5. 

*)  Den  gleichen  Vorwurf  macht  Brenneisen  dem  Emmius  haufig, 
und  zwar  teils  bei  Urkunden  von  geringem  historischen  Wert,  die  Emmius 
vielleicht,  wenn  er  sie  gekannt  hat,  als  unwichtig  ubergangen  hat,  so 
Tom.  I  lib.  Ill  Nr.  19  u.  20,  Tom.  I  lib.  Ill  Nr.  42,  Tom.  I  lib.  IV  Nr.  4  etc., 
zum  Teil  auch  bei  wichtigeren  Stucken,  die  Emmius  jedenfalls  nicht  ge- 
kannt hat,  wie  etwa  Tom.  I  lib.  IV  Nr.  35  oder  Tom.  I  lib.  V  Nr.  5. 


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-      46     — 

einer  Urkunde,  welche  er  im  „Catalogus  magistratuum"  erwahnt 
(Ostfr.  Urkundenbuch  I,  495),  bekannt,  dass  Brunger  von  Loquard 
noch  1438  ausdriicklich  den  Titel  „hovetling  tho  Broke"  fuhrte, 
also  seine  Anspriiche  auf  die  ten  Broksche  Erbschaft  noch 
keineswegs  hatte  fallen  lassen. 

Brenneisen,  Tom.  I  lib.  I  cap.  9  p.  212,  fuhrt  den  Revers  an, 
welchen  die  Emder  1601  dem  Grafen  Enno  dariiber  ausstellten, 
dass  durch  die  Wasserbauten  bei  Nesserland  seine  Rechte  in 
keiner  Weise  sollten  benachteiligt  werden,  und  macht  dann 
Emmius  den  Vorwurf,  dass  er  zwar  (Descriptio  chorogr.  p.  44) 
diese  Bauten  erwahne,  nallein  von  diesem  an  den  Landesherrn 
ausgegebenen  Revers,  der  ihm  doch  nicht  unbekannt  sein  konnen, 
gedenket  er  seiner  Gewohnheit  nach  mit  keinem  Wort."  Selbst 
wenn  Emmius  diesen  Revers  gekannt  hat,  was  ja  gem  zu- 
gegeben  werden  mag,  so  hatte  er  doch  schlechterdings  keine 
Veranlassung,  an  jener  Stelle  darauf  einzugehen.  Er  giebt  dort 
eine  einfache  Beschreibung  jenes  Bauwerkes  (das  dazu  dienen 
sollte,  die  Ems  in  ihrem  alten  Bett  zu  erhalten)  und  seiner  Be- 
deutung  fur  die  Stadt,  auf  irgend  welche  rechtliche  Erorterungen 
dabei  einzugehen,  liegt  kein  Grund  vor,  dies  wtirde  im  Gegen- 
teil  die  Einheitlichkeit  der  Beschreibung  nur  storen.  Der  weitere 
Vorwurf  Brenneisens  (Tom.  I  lib.  I  cap.  9  p.  214),  dass  Emmius  den 
Wappenbrief  der  Stadt  Emden  von  1495  verschweigt,  weil 
daraus  die  rechtliche  Stellung  der  Stadt  zum  Grafen  von  Ost- 
friesland  hervorgehe,  ist  nicht  zutreffend.  Da  Emmius  die  Ur- 
kunden  niemals  im  Wortlaut  bringt,  so  hatte  er,  falls  dieser 
Grund  fur  ihn  ausschlaggebend  gewesen  ware,  die  anstossigen 
Worte  „unter  dem  Grafen  zu  Ostfriesland  gelegen"  sehr  leicht 
umgehen  konnen. 

Brenneisen,  Tom.  I  lib.  Ill  Nr.  14  p.  61,  bringt  die  Urkunde, 
durch  welche  Edzard  von  Greetsiel  die  Norder  alten  Lande  in 
seinen  Schutz  nimmt  (1436)  (Ostfriesisches  Urkundenbuch  I,  456), 
mit  dem  Zusatz  „womit  die  Erzahlung  des  Emmii  lib.  22  p.  337 
widerlegt  wird",  und  redet  dann  weiter  noch  von  den  „Ver- 
falschungen  des  Emmii".  Und  das  alles,  weil  aus  der  Urkunde 
hervorgehen  soil,  dass  bei  der  Huldigung  nichts  „singulares* 
bedungen  und  keine  „special-Zusagetf  gemacht  sei.  Nun  lautet 
die  betreffende  Stelle  bei  Emmius:  „Nordani  omnes  magno 
suffragiorum  consensu  Rectorem  ac  iudicem  perpetuum,  vivente 


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—     47     — 

etiam  tunc  Hima,  hunc  eundem  (sc.  Edsardum)  sibi  constitue- 
runt.a  Emmius  setzt  dann  noch  die  Bemerkung  hinzu:  „Semper 
haec  virtutis  natura  est,  ut  ament  earn  homines  atque  iraperia 
ad  ipsam  deferant."  Nach  dem  Wortlaute  der  Urkunde  selbst 
nimmt  Edzard  jene  Lande  „ under  myne  beschermynghe",  so 
zwar,  dass  die  Einwohner  ihr  Erbe  sollen  „unbekummert  van 
myner  wegen  vry  unde  velich  myt  ghemake  bruken."  Endlich 
verpflichtet  sich  Edzard,  keine  Briefe  unter  des  Landes  Insiegel 
auszustellen  ohne  Vorwissen  der  „gude  mans".  Ausserdem  fand 
Emmius  im  Chron.  Nord.1)  als  alteste  chronistische  Notiz  ttber 
dies  Ereignis:  „Anno  1437  concessa  est  iurisdictio  antiquae  ac 
novae  terrae  Nordensis  Edsardo  Ydsinga  (Circsena)  quoad  vita 
ei  suppeteret",  so  dass  also  die  Darstellung  bei  Emmius  in 
keiner  Weise  als   eine  Verfalschung   betrachtet  werden   kann. 

Brenneisen,  Tom.  I  lib.  V  Nr.  26  p.  189  f.,  giebt  einen  Ver- 
trag  zwischen  der  Grafin  Anna  und  dem  Grafen  Johann  von 
Ostfriesland  von  1550  wieder,  welcher  sich  ehedem,  wohl  als 
ein  Stftck  aus  der  Auricher  Beute  von  1609,2)  in  Emmius'  Be- 
sitz  befand.  B.  macht  hier  Emmius  den  Vorwurf,  dass  er,  ob- 
wohl  im  Vertrage  nur  von  einer  Besprechung  der  Grafin  mit 
ihren  R£ten  die  Rede  sei,  die  Sache  so  dargestellt  habe,  als 
ob  Deputierte  aller  St&nde  zugezogen  seien.  Nun  werden  zwar 
nach  dem  Befund  von  hist.  p.  144  f.  dem  Emmius  fiir  diese 
Verhandlungen  jedenfalls  auch  noch  andere  Quellen  vorgelegen 
haben,  aber  auch  abgesehen  davon,  ist  ein  Verstoss  gegen  die 
vorliegende  Urkunde  keineswegs  zuzugeben.  Wenngleich  hier 
mehrfach  von  der  Besprechung  mit  den  R&ten  die  Rede  ist,  so 
wird  doch  auch  von  der  Grafin  ausdriicklich  gesagt,  sie  ver- 
handele  wegen  „Oerer  Kinder  und  Landschup",  und  letztere  wird 
mehrfach  erwahnt.  Dass  aber  hierbei  an  irgend  eine  st&ndische 
Mitwirkung  zu  denken  ist,  wird  deutlich  aus  dem  Ausdruck: 
„also  dat  oere  Gnaden  und  die  Rehde  Orsake  mogen  hebben 
die  Landschup  sulckes  vorthostellen:  Alsdann  willen  und  belaven 
Oere  Gnaden  und  die  Landschup  S.  H.  thor  Dankbarheyd"  etc. 

Aus  dem  Gesagten  geht  zur  Geniige  hervor,  dass  man 
Emmius  den  Vorwurf  eines  unkritischen  oder  gar  unaufrichtigen 


l)  vgl.  cap.  VI  §  2. 

a)  vgl.  daniber  im  weiteren  Verlauf  dieses  Paragraphen. 


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-     48     — 

Verfahrens  in  der  Behandlung  des  ihm  zu  Gebote  stehenden 
urkundlichen  Materials  nicht  machen  kann.  Wir  werden  also 
hiervon  abzusehen  und  einfach  Umfang  und  Art  der  von  ihm 
benutzten  archivalischen  Quellen  festzustellen  haben. 

Der  nachste  Eindruck,  den  wir  aus  der  Historia  gewinnen, 
lftsst  vermuten,  dass  Eramius  zu  seiner  Darstellung  im  weit- 
gehendsten  Masse  Urkunden  benutzt  habe.  Die  Zahl  der  im 
Texte  erw&hnten  Urkunden,  deren  Inhaltsangaben  in  der  Regel 
durch  den  Druck  kenntlich  gemacht  sind,  betragt  mehrere 
Hunderte.  Zwar  handelt  es  sich  hier  zu  einem  nicht  geringen 
Teile  um  solche,  welche  Emmius  aus  Chroniken  iibernommen 
hat,1)  doch  steht  dem  auf  der  andern  Seite  eine  betracht- 
liche  Anzahl  solcher  Urkunden  gegeniiber,  welche  zwjir  ihrera 
wesentlichen  Inhalte  nach  ftir  den  Gang  der  Geschichte  belang- 
los  sind,  aus  denen  sich  aber  doch  ein  Name,  eine  Angabe  iiber 
die  Lebenszeit  eines  bedeutsamen  Mannes  oder  fthnliches  ent- 
nehmen  liess.  Ftir  den  Umfang  des  Materials,  welches  Emmius 
zur  Verfiigung  stand,  spricht  weiter  die  Thatsache,  dass  eine 
Anzahl  der  im  Ostfriesischen  Urkundenbuch  (ed.  Friedlaender, 
Emden  1878)  enthaltenen  Stiicke  uns  nur  durch  Abschriften 
von  Emmius1  Hand  erhalten  ist,2)  ausserdem  ist  noch  bei  vielen 
neben  andern  wenigstens  auch  auf  eine  Abschrift  oder  ein 
Regest  von  Emmius  verwiesen.3) 

Wie  das  Groninger  Archiv  seine  Hauptquelle  ftir  die  frie- 
sischen  Lande  westlich  der  Ems  bildete,  so  lag  in  Ostfriesland 
der  Schwerpunkt  seiner  archivalischen  Studien  in  Emden.  Hier 
standen  ihm  zwei  umfangreiche  Archive  zur  Verfiigung,  das 
Ratsarchiv,  wie  dasjenige  der  Grossen  Kirche.  Beide  hat  er 
in  weitgehendem  Masse  benutzt.  Ein  sch5nes  Zeugnis  seines 
Forscherfleisses  bildet  ein  im  Besitz  der  landschaftlichen  Biblio- 
thek  zu  Aurich  befindliches  Manuskript4)  von  der  Hand  des 
Emmius,  welches  die  Aufschrift  tr&gt:  ^Catalogus,  in  quo  nomina 
magistratuum  plerorumque,  qui  apud  Emdanos  ah  anno  Christi  1312 
rebus  praefuerunt,  praecipue  consulum  ac  praefectorum,  turn  etiam 


l)  vgl.  §  4. 

*)  so  Ostfr.  U.  B.  I,  305,  371,  G79,  II.  951  etc. 

3)  U.  B.  I,  254,  278,  390,  403  etc. 

*)  Mac.  Fol.  92. 


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—    49    — 

civium  nonnullorum  per  seriem  annorum  ordine  digesta  sunt,  et 
Utteris  sigUlo  munUis  aut  foederum  tabulis  similibusque  instrumen- 
ts, coUectus  ab  Ubbone  Emmio  anno  aerae  Christianae  1591  mense 
Novemb.*  Hier  finden  sich  die  Namen  der  Ratsglieder,  Amt- 
leute,  Drosten  und  sonstiger  angesehener  Personen x)  wesentlich 
auf  Grund  der  Bestande  der  beiden  genannten  Archive  zu- 
sammengestellt.  Haufige  Hinweise  auf  die  Urkunden,  denen 
die  betreffenden  Namen  entnommen  sind,  lassen  uns  von  dor 
Fiille  der  zu  diesem  Zwecke  verwerteten  Archivalien  ein  deut- 
liches  Bild  gewinnen.  Die  im  Catalogus  gegebenen  Regesten, 
sowie  gelegentliche  Hinweise,  lassen  mit  Sicherheit  auf  224 
Originalurkunden  schliessen.  Ausserdem  sind  in  77  Fallen  auf 
Grund  urkundlicher  Nachrichten  Namen  angefilhrt,  doch  ohne 
dass  sich  fiir  diese  bestimmte  Urkunden  als  Quellen  nachweisen 
lassen.  Von  ersteren  aber  lassen  sich,  soweit  sie  in  die  Zeit 
vor  1500  fallen,  auf  Grund  des  Ostfriesischen  Urkundenbuches,2) 
16  mit  Sicherheit  auf  das  Emder  Ratsarchiv,  bezw.  das  Emder 
Stadtbuch,  was  in  diesem  Falle  dasselbe  besagen  will,  zurttck- 
fiihren,  46  dagegen  auf  das  Archiv  der  Grossen  Kirche  zu 
Emden.3)  Bei  der  uberwiegenden  Mehrzahl  aber  lasst  sich  die 
Herkunft  nicht  mehr  feststellen,  weil  sich  die  betr.  Urkunden 
jetzt  nirgends  mehr,  weder  im  Original,  noch  in  der  Abschrift, 
vorfinden,  doch  werden  wir  im  Ganzen  schwerlich  fehlgehen 
mit  der  Annahme,  dass  sich  auch  diese  vorwiegend  auf  die 
beiden  genannten  Emder  Archive  werden  verteilt  haben.  Manche 
von  diesen,  sonst  nicht  mehr  nachzuweisenden  Urkunden  sind 


f)  Diese  urkundlich  feststehenden  Namen  und  Daten  bildeten  dann 
das  Gerust  fur  seine  Geschichtsdarstellung  jener  Zeit.  Nach  ihnen  be- 
stimmt  er  die  Glieder  der  Emder  H&uptlingsfamilien,  die  Emder  Biirger- 
meister,  die  Hamburgischen  Amtleute  in  Emden  etc.  Ueber  ein  kleines 
Versehen,  das  ihm  bei  der  Namensbestimmung  eines  der  letzteren  be- 
gegnet,  vgl.  Nirrnheim,  Ostfriesland  und  Hamburg  in  der  ersten  Hftlfte 
des  15ten  Jahrhunderts,  p.  89. 

*)  U.B.I:  319,  489,  512,  658,  G91.  II:  899,  1096,  1114,  1116,  1117, 
1162,  1227,  1314,  1398,  1414,  1545. 

*)  U.B.I:  496,  553,  554,  555,  582,  598,  612,  656,  693,  703,  707,  724, 
756,  787,  799,  800,  803,  821,  822,  826,  839,  866,  877,  888.  II:  907,  934,  963, 
975,  1000,  1034,  1085,  1119,  1120,  1153,  1172,  1175,  1206,  1211,  1248,  1258, 
1281,  1.331,  1337,  1392,  1579. 

Jahrbnch  der  Gosellsch.  f.  b.  K.  u.  vatorl.  ^ttertumdr  zu  Emden,  Bd.  XV.  4 


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in  den  von  Emmius  im  Catalogus  gegebenen  Regesten  in  das 
Ostfriesische  Urkundenbuch  tibernommen;1)  warum  dies  nicht 
bei  alien  der  Fall  ist,  erhellt  nicht. 

Bei  der  damaligen  Lage  der  Dinge  musste  dem  Emmius 
das  gr&fliche  Archiv  verschlossen  bleiben,  und  er  h&tte  damit 
eine  Anzahl  der  wichtigsten  Dokumente  zur  Geschichte  des 
Landes  und  seines  Herrscherhauses  entbehren  mflssen.  Nun 
kam  ihm  nach  dieser  Richtung  ein  ausserer  Zwischenfall  zu 
Htilfe,  welcher  ihm  gestattete,  wenigstens  in  einen  Teil  jener 
sorgsam  verschlossenen  Urkundenbest&nde  Einblick  zu  ge- 
winnen.  Im  Jahre  1609  hatten  im  Verlauf  der  st&ndischen 
Wirren  Emder  Truppen  die  Auricher  Burg  eingenommen  und 
als  Kriegsbeute  nicht  nur  das  Inventar  jener  Burg,  sondern 
auch  einen  nicht  unerheblichen  Teil  des  dort  aufbewahrten 
graflichen  Hausarchivs  mitgenommen.  Die  Urkunden  kamen 
zun&chst  in  den  Besitz  des  Emder  Magistrats.  Nun  wurden 
dieselben  zwar  spater  zum  grossten  Teil  dem  rechtm&ssigen 
Besitzer  zurtickgestellt,  doch  reichte  die  Zwischenzeit  immerhin 
aus,  um  Emmius,  dem  Vertrauensmanne  des  Emder  Magistrats, 
einen  wertvollen  Einblick  auch  in  die  spater  zurflckgegebenen 
Stiicke  gew&hren  zu  kdnnen.  Es  ist  bereits  darauf  hingewiesen, 
dass  Emmius  aus  den  in  Aurich  geraubten  Archivalien  die  den 
damaligen  Kanzler  Thomas  Frantzius  schwer  kompromittierende 
Staatsschrift  „Getreuwer  Rat  etc."  ver6ffentlichte.  Dass  aber 
bei  Emmius  neben  dem  politischen  Zwecke  auch  die  Gelegen- 
heit  zur  Vervollstandigung  seiner  historischen  Arbeiten  nicht 
unbenutzt  blieb,  versteht  sich  von  selbst.  Wie  weit  sich  aber 
diese  Benutzung  des  graflichen  Archivs  erstreckt  haben  mag, 
ist  schwerlich  genau  nachzuweisen. 

Einen  festen  Ausgangspunkt  mogen  uns  hier  ein  paar  Briefe 
des  Grafen  Enno  von  Ostfriesland  an  seinen  Vater  bieten.2)  Der 
eine  ist  datiert  Friesoythe  den  23.  August  1686  und  ent- 
h&lt  die  Nachricht,  dass  die  beabsichtigte  Zusammenkunft  mit 


»)  U.  B.  I:  284,  286,  332,  369,  374,  378,  404,  424,  462,  479,  495,  575, 
579,  606,  616,  617,  631,  666,  694,  708,  859.  II:  909,  945,  966,  1083,  1126, 
1181,  1301,  1340. 

*)  Dieselben  finden  sich  unter  den  zu  Mscr.  A.  4.  des  kgl.  Staats- 
archivs  zu  Aurich  gehdrenden  Notizblattern  des  Emmius. 


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dem  Grafen  von  Oldenburg  nicht  stattgefunden  hat,  Graf  Enno 
vermutet,  dass  sie  durch  Hajo  Manninga  vereitelt  worden  sei. 
Der  zweite  Brief,  vom  1.  November  1591  aus  Halle,  spricht  von 
eincr  Reise  nach  Polen,  sowie  von  der  Moglichkeit,  dorther  in 
einer  nicht  naher  bezeichneten  Angelegenheit  Hiilfe  zu  erhalten. 
Der  Charakter  der  Briefe  spricht  dafiir,  dass  sie  nur  auf  dem 
beschriebenen  Wege  aus  dem  graflichen  Archiv  in  Emmius' 
Hande  gelangt  sein  konnen.  Es  ist  demnach  anzunehmen, 
dass  auch  die  mit  diesen  Schriftstucken  zugleich  gegebenen 
Abschriften  und  Regesten  auf  dieselbe  Quelle  zuriickzufflhren 
sind.  Eine  Abschrift  des  Vertrages  zwischen  Gustav  Wasa 
und  der  Grafin  Anna  vom  28.  Januar  1557 l)  ist  von  fremder 
Hand  geschrieben,  enthalt  aber  Ueberschrift  und  Bemerkungen 
von  Emmius1  Hand.  Weiter  finden  sich  hier  von  Emmius  selbst 
einige  Angaben  aus  dem  Testamente  des  Grafen  Christoph  von 
Ostfriesland,  d.  d.  Rastede  22.  Juni  1566,  mit  der  Bemerkung : 
nHaec  notavi  ex  authographo  origincUi  in  patenti  charta  scripto,  ita 
ut  chartae  latus  utrimque  sit  scriptura  cotnpletum  etc.u  Dazu 
kommen  noch  Regesten  von  einigen  Urkunden:  1415  Vertrag 
zwischen  Keno  ten  Brok  und  den  Groningern;  1442  Friede 
zwischen  den  Oestringern  und  Ulrich  I.,  sowie  kaiserliche 
Lehnsbest&tigungen  ftir  verschiedene  Glieder  des  Hauses  Cirk- 
sena  aus  den  Jahren  1495,  1521,  1528,  1558  und  1592,  und 
endlich  ein  Vertrag  der  Grafen  Enno  und  Johann  mit  der 
K5nigin  Maria  vom  17ten  Oktober  1536.  Dass  ihm  ausserdem 
noch  viele  aitere  Originalurkunden  aus  dem  graflichen  Archiv 
vorgelegen  haben,  ist  durchaus  wahrscheinlich.  Wenn  es 
gilt,  einige  derselben  zu  bestimmen,  werden  zun&chst  alle  die- 
jenigen  auszuscheiden  sein,  welche  ihm  durch  Eggerik  Beninga 
bekannt  sein  konnten.2)  Wo  sich  Notizen  aus  derartigen 
Urkunden  finden,  muss  unerGrtert  bleiben,  ob  sie  auf  die 
Originale  oder  auf  die  genannten  Kopien  zuriickzufiihren 
sind.  Einige  hiernach  von  Emmius  jedenfalls  im  Original  be- 
nutzte  Urkunden  mogen  hier  nach  der  Numerierung  des  Ost- 
friesischen  Urkundenbuches   folgen :    U.  B.  I  Nr.  299  (Em.  hist. 


l)  Emmius  hist.  p.  954. 

')  so  z.  B.  U.  B.  I  513  =  Eg.  Beninga  p.  309  (Emmius  hist  p.  349), 
U.  B.  I  791  =  Eg.  Beninga  p.  359  (Emmius  hist.  p.  388). 

4* 


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p.  286),  658  (Em.  hist.  p.  370  f.),1)  763  (Em.  hist.  p.  385), , 
790  (Em.  hist.  p.  389),  U.  B.  II  Nr.  1054  (Em.  hist.  p.  420). 
1361  (Em.  hist,  p/461  f.),2)  1447  (Em.  hist.  p.  529),  1490  (Em.  hist, 
p.  535).  Ausserdem  wird  Emmius  wohl  auch  hierher  den  Schutz- 
brief  Ocko  ten  Broks  fur  das  Klosterlhlo  vom  Jahrel378  erhalten 
haben.  Da  dieser  Emmius  noch  im  Original  vorlag,8)  zu  Wiardas 
Zeiten  aber  bereits  verloren  war,4)  so  wird  er  unter  die  Schrift- 
stticke  zu  z&hlen  sein,  welche  seiner  Zeit  bei  Ruckgabe  der  Archi- 
valien  an  den  Grafen  Enno  zurtickbehalten  sind.5) 

Schon  die  genannten  Best&nde  stellten  Emmius  ein  far 
jene  Zeit  ungewohnlich  umfangreiches  urkundliches  Material 
zur  Verftigung.  Eine  nennenswerte  Erganzung  aber  erfuhr  dies 
noch  dadurch,  dass  Emmius  durch  Beziehungen  zu  verschiedenen 
ostfriesischen  Adelsgeschlechtern  in  den  Stand  gesetzt  wurde, 
auch  deren  Archive  zu  verwerten.  Die  deutlichste  Spur  weist 
uns  hier  nach  Grimersum.  Durch  das  Entgegenkommen  zweier 
Glieder  des  Beningaschen  Hauses6)  war  ihm  bereits  die  damals 
noch   ungedruckte   Chronik  Eggerik  Beningas    zur   Benutzung 

!)  u.  *)  Fiir  beide  standen  Emmius  auch  Abschriften  auf  dem  Emder 
Ratsarchive  zur  Verfugung,  doch  muss  er  auch  die  Originale  zur  Hand 
gehabt  haben,  da  er  in  den  Kollektaneen  eine  Beschreibung  der  Siegel  giebt. 

•>  Emmius  hist.  p.  214:  quae  etiam  nunc  superest. 

4)  Wiarda,  Ostfr.  Gesch.  I  p.  331. 
•  5)  Ausser  den  genannten  Stucken  besass  Emmius  u.  a.  noch,  wahr- 
scheinlich  gleichfalls  aus  der  Auricher  Beute,  einen  Brief,  welchen  Menso 
Alting  am  llten  Dezember  1592  an  den  spateren  Grafen  Enno  III.  ge- 
schrieben  hatte.  Alting  bittet  hier  den  Grafen  urn  seine  Verwendung  bei 
Edzard  U.  in  Betreff  der  durch  die  Predigten  des  Lutheraners  de  Prato 
auf  der  neuen  Miinze  aufs  neue  entfachten  konfessionellen  Wirren  in 
Emden.  In  der  ungedruckten  Brenneisenschen  Kirchengeschichte  findet 
sich  zur  Inhaltsangabe  dieses  Briefes  die  Bemerkung:  „  dieser  Brief  ist 
unter  Emmius'  Briefschaften  gewesen."  (p.  817  des  auf  dem  Staatsarchiv 
in  Aurich  befindlichen  Exemplars.)  Immerhin  kflnnte  es  sich  hier  auch 
um  eine  von  Alting  selbst  an  Emmius  iibersandte  Abschrift  handeln. 
Hierfur  wiirde  vielleicht  die  Thatsache  sprechen,  dass  Emmius  auch  die 
beiden  zwischen  Alting  und  Selneccer  gewechselten  Schriften  — -  doch 
jedenfalls  durch  Alting  —  besass,  vgl.  dariiber  Tiaden,  Gel.  Ostfr.  I  p.  158; 
die  hierfur  als  Quelle  angefuhrte  Stelle  aus  Brenneisen  findet  sich  ubrigens 
in  dem  Mscr.  des  Staatsarchives  zu  Aurich  an  dem  entsprechenden  Orte 
p.  781  (nach  dem  von  Tiaden  citierten  Exemplar  p.  955  56)  nicht. 

•)  M5hlmann  (a.  a.  0.  p.  01)  scheint  dies  mit  Recht  aus  der  Vorrede 
zur  ereten  Dekade  von  1592  (Em.  hist  p.  3)  zu  folgern.  Wahrscheinlich 
sind  Eggerik  und  Jost  B ,  des  Chronisten  Enkel,  gemeint. 


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uberlassen.  Ein  direktes  Zeugnis  fiir  die  Benutzung  einer  Ur- 
kunde  auf  dem  Grimersumer  Hause  giebt  Emmius1)  selbst  bei 
der  Nachricht,  dass  Jmel  von  Osterhusen  im  Jahre  1426  Grimer- 
suiii,  Wirdum  und  Jennelt  in  Eid  und  Pflicht  genommen  habe.2) 
Er  fiigt  hier  die  Bemerkung  hinzu:  „extantibus  ea  de  re  etiam 
nunc  solennibus  litterarum  tabulis,  quae  apud  posteros  Jmelonis 
conservantur.*  Dass  Emmius  sich  nicht  auf  die  Einsicht  in 
diese  einzige  Urkunde  beschrankt  hat,  ist  naturlich.  Es  lasst 
sich  denn  auch  in  der  That  unter  den  von  Emmius  benutzten 
Urkunden  eine  ganze  Anzahl  auf  das  Grimersumer  Archiv 
zuriickfiihren.  Ein  Verzeichnis  der  im  Jahre  1732  auf  dem 
Hause  zu  Grimersum  vorhandenen  Urkunden8)  giebt  uber  die 
damaligen  Bestande  des  Grimersumer  Archivs  besseren  Auf- 
schluss,  als  solcher  in  der  Regel  von  anderen  Archiven  aus  jener 
Zeit  zu  gewinnen  ist.  Hiernach  lasst  sich  die  Identitat  einer 
Reihe  von  Urkunden,  welche  Emmius  benutzt  hat,  feststellen. 
In  der  folgenden  Uebersicht  sind  dieselben  nach  den  Nummern 
des  Ostfriesischen  Urkundenbuches  und  den  Nummern  jenes 
Verzeichnisses  einander  gegenubergestellt:  U.  B.  I,  340  =  Fasc.  I 
Nr.  8  (Em.  hist.  p.  297);  U.  B.  I,  395  =  Fasc.  II  Nr.  17,  U.  B.  I, 
475  =  Fasc.  II  Nr.  20,  U.  B.  I,  501  =  Fasc.  II  Nr.  21,  U.  B.  I, 
366  =  Fasc.  I  Nr.  11  (Em.  hist.  p.  306);  U.  B.  I,  373  =  Fasc.  I 
Nr.  12  (Em.  hist.  p.  318);  U.  B.  I,  385  =  Fasc.  I  Nr.  14.  Die 
drei  letzten  Urkunden  finden  sich  in  einer  Sammlung  von 
Urkundenabschriften  bezw.  -auszugen,  welche,  obschon  sie  sich 
nach  dem  Verzeichnis  als  Grimersumer  Urkunden  nicht  fest- 
stellen lassen,  doch  fast  ohne  Ausnahme  Beziehungen  zur 
Allena-Beningaschen  Familie  aufweisen.  Es  sind  dies  folgende: 
U.  B.  I  137  (Em.  hist.  p.  216),  205  (Em.  hist.  p.  249),  558  (Em. 
hist.  p.  352),  336  (Em.  hist.  p.  295  f.),  344  (Em.  hist.  p.  302  f.), 
362  (Em.  hist.  p.  302),  390  (Em.  hist.  p.  323).  Es  liegt  somit 
die  Annahme  nahe.  dass  Emmius  auch  diese  Stiicke  auf 
dem  Grimersumer  Archiv  benutzt  hat.  In  welche  Zeit  diese 
Benutzung  f&llt,  lasst  sich  nicht  feststellen,  zumal  auch  die 
zwei  Briefe  von  Emmius1  Freund  Aeibo  Jnen,4)  welche  Nach- 


')  Em.  hist.  p.  297. 

*)  U.  B.  I  340. 

3)  Im  Besitz  des  Verfassers;  vgl.  Jahrbuch  Bd.  XIV  p.  515. 

♦)  vgl.  cap.  X  §  3. 


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richten  iiber  FamilienangehOrige  der  Burgherm  von  Grimersum 
enthalten,  undatiert  sind.  Einen  sicheren  Hinweis  in  dieser 
Beziehung  enthalten  dagegen  einige  Urkundenabschriften,  die 
oflfenbar  aus  dem  Archiv  der  Oldersuraer  Burg  stammen.  Von 
diesen  tr&gt  eine  die  Bemerkung:  ndescr.  verbotenus  ex  principals 
in  mtmbr.  ezar.  ao.  1591  d.  17.  Sept."  Es  handelt  sich  hier  im 
Ganzen  nur  um  7  Urkunden,  und  zwar:  U.  B.  I  773  (Em.  hist, 
p.  387),  774  (Em.  hist.  p.  387),  U.  B.  II  979,  sodann  der  Vertrag 
der  Gr&fin  Theda  mit  den  Kindern  Wiards  von  Oldersum  1465 
(Em.  hist.  p.  390),  die  Testamente  Wiards  des  Jiingeren  1506 
und  Ailts  von  Oldersum  1508,  und  endlich  eine  Urkunde 
Edzards  des  Grossen  vom  Jahre  1524,  in  der  er  sich  seiner 
Ansprttche  auf  Oldersum  begiebt. 

Es  ist  mGglich,  dass  Emmius  auch  einige  Urkunden  aus 
der  Kankenaschen  Burg  zu  Dornum  benutzt  hat.  Hierauf  scheint 
besonders  der  Umstand  hinzudeuten,  dass  ihm  zwei  auf  Dornum 
beziigliche  Schriftstiicke:  U.  B.  I  576  und  634  nach  seiner  eigenen 
Bemerkung  im  Original  vorgelegen  haben.  Ausserdem  hat  er 
einige  Klageschriften  von  Gliedern  der  Kankenaschen  Familie 
iiber  das  ihnen  von  den  H&uptlingen  von  Esens  zugefugte  Unrecht 
vor  sich  gehabt.  Diejenige  des  Hicco  von  Dornum  beschliesst1) 
er  mit  den  Worten:  nHaec  omnia  ex  authographo  Hicconis  Dor- 
numani."  Hieran  schliesst  sich  eine  Abschrift  des  Vertrages, 
den  Onna  von  Rietberg,  die  Erbin  von  Esens,  im  Jahre  1540 
mit  der  Stadt  Bremen  abschloss,  dieser  aber  tragt  die  Be- 
merkung: „descripsi  ex  authographo  adiuncto  scriptis  superioribus 
Hicconis  Dornumani"  Da  nun  aber  das  Original  jenes  Ver- 
trages sich  schwerlich  in  Dornum  befunden  haben  kann,  so 
werden  wir  es  auch  bei  den  Klageschriften  mit  den  nach  Esens 
eingesandten  Exemplaren  zu  thun  haben.  Ob  dem  Emmius 
nun  diese  Schriftstiicke  in  Esens  zuganglich  waren,  oder  ob 
sie  etwa  sp&ter  als  ein  Teil  der  Auricher  Beute  von  1609 
in    Emmius1  Hande  gelangt  sind,    mag   dahingestellt    bleiben. 

Dass  Emmius  ausserdem  noch  Urkunden  anderer  ostfrie- 
sischer  Burgen  benutzt  hat,  beweist  ausser  den  zahlreichen  Ur- 
kunden, deren  Herkunft  sich  nicht  mit  Sicherheit  feststellen  lasst, 
u.  a.  der  Umstand,  dass  Emmius  eine  Urkunde  Ulrichs  I.  aus  dem 


l)  Emmius  entnimmt  ihr  besonders  genealogische  Notizen  iiber  die 
beteiligten  H&user  aus  der  Zeit  von  1457—1543. 


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Jahre  1466 l)  mit  der  Bemerkung  anfiihrt  nex  authographo  Midlu- 
mano.u  Nun  lasst  sich  tiber  eine  sonstige  Benutzung  von 
Midlumer  Urkunden  nichts  nachweisen,  zumal  uns  auch  die 
Kunde  dariiber  fehlt,  was  damals  auf  der  Burg  zu  Midlum 
vorhanden  gewesen  sein  mag.  Jedenfalls  aber  erweckt  doch 
diese  gelegentliche  Angabe  den  Eindruck,  dass  die  archivalischen 
Quellen,  welche  Emmius  in  Ostfriesland  zu  Gebote  standen,  auch 
mit  den  genannten  schwerlich  erschOpft  sein  werden.  Wenn 
endlich  Bartels 2)  unter  den  archivalischen  Quellen  des  Emmius 
BBriefschaften  der  adligen  Hauser  Upleward  und  Loquard"  an- 
ftihrt, so  findet  sich  zwar  ein  direkter  Hinweis  auf  diese  weder 
in  der  Historia,  noch  in  den  Kollektaneen,  doch  wird  in  letzteren 
eine  Anzahl  von  Nachrichten  aus  Urkunden  gegeben,  welche 
zu  den  genannten  Hausern  deutlich  in  Beziehung  stehen.8) 
Aber  auch  abgesehen  von  diesen  immerhin  nicht  direkt  nach- 
weisbaren  Quellen  beweist  dasjenige,  was  sich  mit  Sicherheit 
uber  Emmius1  Verh&ltnis  zu  den  verschiedenen  Ostfriesischen 
Archiven  darthun  lasst,  dass  die  Urkundenbenutzung  der  Historia 
eine  wesentlich  andere  ist,  als  uns  etwa  Brenneisen  und  Mohl- 
mann  glauben  machen  wollen. 


§  2.   Das  Langener  Copialbuch. 

Von  den  Chroniken  der  zahlreichen  ostfriesischen  Kloster 
ist  uns  ausser  einem  Bruchstiick  der  Chronik  des  Norder  Domini- 
kanerklosters  nichts  Wesentliches  erhalten.  Dagegen  ist  wenig- 
stens  etwas  der  Art  auf  uns  gekommen  in  dem  Kopialbuche 
des  Klosters  Langen  oder  Blauhus,  welches  ausser  zahlreichen 
Urkundenabschriften  und  -auszttgen  zugleich  auch  chronistische 
Notizen  enthalt.  Da  es  einzig  in  seiner  Art  dasteht,  ist  dies 
fiir  die  ostfriesische  Geschichtsforschung  nattirlich  um  so  wert- 
voller.  Das  Buch  findet  sich  auf  dem  Kgl.  Staatsarchiv  zu 
Aurich.4)  Nachdem  bereits  Suur5)  auf  dasselbe  verwiesen  hatte, 


')  U.B.I,  840. 

')  Jahrbuch  der  Gesellschaft  fiir  bildende  Kunst  etc.  zu   Emden 
Band  VI,  Heft  1,  p.  32. 

•)  so  z.  B.  die  aus  Emmius*  Angaben  iibernommene  Urkunde  U:  B.  1, 284. 

*)  Mac.  A.  88. 

*)  Hemmo  Suur:  Die  Kloster  Ostfrieslands  p.  43. 


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ist  es  mit  einer  entsprechenden  Einleitung  auszugsweise  in 
der  historischen  Zeitschrift  ftir  Niedersachsen  Jahrgang  1862 
p.  262  ff.  verSffentlicht  worden.  Die  in  der  Handschrift  ent- 
haltenen  Urkunden  bis  zum  Jahre  1500  sind  im  Ostfriesischen 
Urkundenbuch  abgedruckt.  Bei  der  Einzigartigkeit  des  Buches 
ist  die  Thatsache,  dass  Emm i  us  dasselbe  gekannt  und  ver- 
wertet  hat,  um  so  bedeutsamer.  Vielleicht  war  es  schon  zu 
seiner  Zeit  neben  dem  Gtiterverzeichnisse  jenes  Klosters l)  und 
der  erw&hnten  Norder  Chronik  der  einzige  Rest  von  derartigen 
Aufzeichnungen  ostfriesischer  Klosterangehoriger. 

Emraius  bezeichnet  das  Copialbuch  als  ^registrwn  litterarum 
coenobii  Langensis  sen  Blauhus."  Er  scheint  es  auch  in  der  That 
ausschliesslich  als  registrum  litterarum,  als  Urkundensammlung, 
angesehen  zu  haben.  Folgende  auch  im  Urkundenbuch  wieder- 
gegebene  Stficke  sind  bei  ihm  tibernommen  bezw.  benutzt: 
U.  B.  I  Nr.  77,  79,  124,  164,  513,  608.  U.  B.  I  1072,  1312, 
1326,  1580.  Von  anderweitigen  Nachrichten  dagegen  hat  er 
nur  die  vom  Tode  des  Hauptlings  Enno  von  Larrelt  im  Jahre 
1407  tibernommen,2)  wahrend  er  dagegen  die  zwischen  den  Ur- 
kunden eingestreuten  Nachrichten  fiber  die  Pest  von  1335,  die 
Befestigung  von  Oldersum,  den  Brand  von  Larrelt,  die  Hungers- 
not  des  Jahres  1492  u.  a.  unberticksichtigt  lasst.  Auf  welche 
Weise  die  Handschrift  dem  Emmius  tiberhaupt  zug&nglich  ge- 
wesen  ist,  wird  sich  kaum  feststellen  lassen. 


§  3.    Das  Archiv  zu  Groningen. 

Bei  seiner  Uebersiedelung  nach  Groningen  eroffnete  sich 
Emmius  ein  neuer  weiterer  Gesichtskreis.  Die  Beziehungen 
zu  geistig  hervorragenden  und  wissenschaftlich  bedeutsamen 
M&nnern  boten  ihm  Anregungen,  welche  ihm  sein  Heimatland 
und  vor  allem  der  kleine  Flecken  Leer  nicht  zu  geben  ver- 
mochten.  Auch  an  Geschichtsquellen  stand  ihm  hier  ein  ganz 
anderes  Material  zur  Verfugung.    Namentlich  aber  war  es  das 


l)  abgedruckt  im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  f.  b.  Kunst  etc.  in  Emden 
Bd.  II,  Heft  1,  p.  19. 

a)  Emmius  hist.  p.  249. 


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Groninger  Archiv,  welches  fiir  den  Fortgang  seiner  historischen 
Forschungen  von  der  grossten  Bedeutung  werden  sollte.  Hier 
genoss  er  zum  ersten  Mai  den  Vorteil,  an  der  Statte  seiner 
Wirksamkeit  selbst  eins  der  fiir  die  Landesgeschichte  wichtig- 
sten  Archive  zur  Verfugung  zu  haben.  Der  Groninger  Magistrat 
gab  ihm  die  Erlaubnis  zu  uneingeschrankter  Benutzung,  und 
Emmius  hat  die  fiir  seine  Zeit  bewundernswerte  Liberalitat 
jener  Behorde  durchaus  gerechtfertigt.  Er  selbst  kommt  ein- 
mal  in  der  Historia  auf  seine  Thatigkeit  im  Groninger  Archiv 
zu  sprechen1)  und  bemerkt,  nachdem  er  eine  Urkunde  dorther 
angefuhrt  hat:  »Quae  ut  reciiata  a  me  sunt,  ita  in  vetustis  tabulis 
comprehensa  servantur  in  reip.  Groninganae  chartophylacio,  unde  haec, 
ut  plurima  alia,  cum  fide  transscripta.u  2)  Besser  aber  als  dieser 
bescheidene  Hinweis  des  Verfassers  zeugt  fiir  die  Art,  wie  Ubbo 
Emmius  die  Schatze  des  Groninger  Archivs  zu  nutzen  ver- 
standen  hat,  der  Inhalt  der  „  Historia  rerum  Frisicarum"  selbst. 
Es  ist  eine  erfreuliche  Thatsache,  dass  gerade  die  neuesten 
Forscher,  welche  ihr  Studium  auf  das  Verhaltnis  zum  Gro- 
ninger Archiv  fOhrte,  sich  iiber  diesen  Teil  von  Emmius1  Thatig- 
keit durchaus  anerkennend  aussern.  Sperling  bemerkt  in  seiner 
Schrift  „Herzog  Albrecht  der  Beherzte  von  Sachsen  als  Guber- 
nator  Frieslands"3):  „Gerade  fur  imsere  Zeit  ist  Emmius  ein 
glaubwlirdiger  Gewahrsmann,  um  so  mehr,  als  er  auch  die  in 
Groningen  vorhandenen  Archivalia  benutzt  hat."  In  gleichem 
Sinne  spricht  sich  Nirrnheim  in  der  Vorrede  zu  seinem  Buche 
jjOstfriesland  und  Hamburg  in  der  ersten  Halfte  des  15ten  Jahr- 
hunderts"  aus:  „Von  letzteren  (sc.friesischenGeschichtschreibern) 
war  besonders  Emmius  heranzuziehen.  Fiir  die  hier  behandelte 
Periode  wenigstens  kann  ich  durchaus  nicht  dem  harten  Urteil 


')  vgl.  dazu  ausserdem  noch  die  bei  Mohlmann  a.  a.  0.  p.  04  f.  an- 
gefuhrten  Stellen. 

»j  Ebenso  weist  Emm.  hist.  p.  G84  auf  seine  Benutzung  des  Gro- 
ninger Archivs  hin,  wenn  er  dort  eine  Reihe  von  Nachrichten  mit  den 
Worten  einleitet:  Ex  cliartis  reip,  huius  cognosco.  Die  betr.  Nachrichten  be* 
Ziehen  sich  auf  den  bei  der  Verhaftung  einiger  angeblichen  Verrftter  zu 
Leeuwarden'1512  entflohenen  Tiardus  Moccama  und  setzen  die  Bekannt- 
schaft  mit  einigen  in  dieser  Sache  von  dem  sachsischen  Statthalter,  dem 
Grafen  von  Bentheim,  und  dem  Kaiser  Maximilian  an  den  Groninger 
Magistrat  gerichteten  Schreiben  voraus. 

*)  Programm  des  Kgl.  Gymnasiums  zu  Leipzig  1892  p.  1  Anm.  1. 


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—     58     — 

beistimmen,  welches  Mdhlmann  in  seiner  Kritik  der  friesischen 
Geschichtschreibung  liber  diesen  Mann  gefallt  hat.  Sehr  oft, 
wo  ich  seine  Berichte  mit  urkundlichen  Nachrichten  vergleichen 
konnte,  erwies  er  sich  als  vollkommen  zuverl&ssig;  besonders 
hinsichtlich  der  Verhaltnisse  Groningens,  dessen  Archiv  er 
fleissig  benutzt  hat,  wird  man  ihm  im  allgemeinen  durchaus 
trauen  dflrfen." 

Da  auf  der  einen  Seite  in  den  Papieren  des  Eramius 
Urkundenabschriften  und  -regesten  aus  dem  Groninger  Archiv 
nicht  eben  h&ufig  sind  und  uns  dazu  nattirlich  sichere  Kunde 
fiber  das,  was  zu  Emmius'  Zeiten  im  Groninger  Archiv  vor- 
handen  war,  fehlt,  so  ist  ein  stringenter  Nachweis  fur  einzelne 
bestimmt  benutzte  Urkunden  nur  in  beschranktem  Masse  zu 
ftihren.  Es  wiirden  hier  etwa  folgende  Sttlcke  in  Betracht 
kommen:  Ostfr.  Urkundenbuch  I,  301,  302,  367,  745,  ausserdem 
die  Best&tigungsurkunde  filr  die  Rechte  Groningens  durch  Albert 
von  Baiern  1364  (Em.  hist.  p.  207:  quod  testantur  litterae  cum 
sigillo  etiatn  nunc  incolumes),  der  Vertrag  zwischen  Ocko  ten  Brok 
und  Genossen  und  den  Schieringern  vom  15.  Sept.  1420  (Em. 
hist.  p.  281);  derselbe  findet  sich  zwar  auch  bei  Eg.  Beninga 
p.  208,  sowie  bei  Worp  v.  Thabor  IV  und  Sicke  Benninge,  doch 
giebt  ihn  Emmius  in  den  Kollektaneen  mit  dem  ausdrflcklichen 
Zusatz:  „  Litterae  aputl  Gron.  conservantur" ,  ferner:  Vertrag 
Ulrichs  I.  mit  Groningen  1457  (Em.  hist.  p.  376:  „lit.  orig.  vidia); 
Vertrag  zwischen  Groningen  und  Hamburg  1437  (Em.  hist.  p.  341); 
Vertrag  zwischen  Albert  von  Sachsen  und  der  Stadt  Groningen 
vom  21.  August  1500  in  einem  Transsumpt  von  1552  (Em.  hist, 
p.  601:  nextat  Groningae  in  curia");  gedrucktes  Exemplar  der 
Reichsacht  ftir  Groningen  1505  (Em.  hist.  p.  635:  „Extans  in 
curia  Groningana").  Ausserdem  ein  Schreiben  Edzards  des 
Grossen  von  1524,  wegen  rttckstandiger  Steuern:  „L#.  sunt  in 
curia  Gron.u,  sowie  zwei  Urkunden  Karls  V.  ftir  Groningen,  Zoll- 
streitigkeiten  mit  Emden  betreffend,  von  1551  u.  52:  „vwK  origi- 
nalia  in  curia.11 

Nun  hat  aber  bereits  Sperling  darauf  hingewiesen,  dass 
fiir  Groninger  Verh&ltnisse  nach  dem  Ausweise  der  Historia  eine 
ganze  Reihe  von  Korrespondenzen  und  Urkunden  benutzt  sein 
mttsse,  welche  sich  in  seinen  Quellen  nirgends  finden,  also 
wohl  mit  Sicherheit  auf  das  Archiv  zu  Groningen  werden  zuruck- 


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—     59     — 

zufuhren  sein,  obgleich  sie  sich  zum  Teil  in  den  auf  unsere 
Tage  gelangten  Best&nden  desselben  nicht  mehr  vorfinden.  Er 
fuhrt  von  derartigen  Schriftstiicken  an:  zwei  Briefe  Edzards 
an  den  Groninger  Magistrat1)  d.  d.  Cal.  Dez.  1495  und  IX  Cal. 
Feb.  1496  (Em.  hist.  p.  547),  die  Berichte  der  beiden  Gesandten 
Hermann  Held  und  Egbert  Koning,  sowie  des  Rats  der  Stadt 
Kampen2)  fiber  die  im  Jahre  1497  gegen  Bolsward  heran- 
ziehenden  fremden  Knechte  (Em.  hist.  p.  551).  Weiter  den 
Brief  des  Erzherzogs  Philipp  an  die  Groninger  Gesandten,  so- 
wie einen  gleichzeitigen  von  Albrecht  von  Sachsen  an  den 
Bischof  von  Utrecht  von  1499,8)  welchen  wir  noch  das  an 
gleicher  Stelle  von  Emmius  erwahnte  Begleitschreiben  fiir  beide 
Briefe  an  den  Groninger  Magistrat  hinzufugen  konnen  (Em.  hist, 
p.  576).  Endlich  ist  dahin  wohl  auch  der  Brief  Maximilians 
an  die  Groninger4)  vom  14ten  April  1500  zu  z&hlen  (Em.  hist, 
p.  595).  Ferner  erwahnt  Sperling  an  Urkunden  die  Instruktion 
fiir  den  bald  nach  Absendung  dieses  Briefes  in  Groningen  an- 
langenden  Gesandten  Georg  von  Thurn5)  (Thorenius),  Em.  hist, 
p.  595,  den  Vertrag  der  Groninger  mit  ihrem  Feldhauptmann 
Ulrich  von  Dornum  1599 6)  (Em.  hist.  p.  584),  und  sodann  ein 
noch  jetzt  in  Groningen  im  Original  vorhandenes  Stack,  den 
Bericht  Schaumburgs  an  den  Grafen  Edzard  iiber  die  Verhand- 
lungen  zu  Vullenhove7)  am  9ten  August  1498  (Em.  hist.  p.  567). 
Dies  Verzeichnis  von  Urkunden,  welche  Emmius  aller  Wahr- 
scheinlichkeit  nach  auf  dem  Archive  zu  Groningen  benutzt  hat, 
lasst  sich  leicht  auch  iiber  den  von  Sperling  bearbeiteten  Zeit- 
raum  hinaus  ausdehnen.  Eine  Aufzahlung  im  einzelnen  wtirde 
hier  zu  weit  fiihren,  es  mag  daher  lediglich  durch  Angabe  der 
Seitenzahl  in  der  Historia  auf  eine  Anzahl  von  Urkunden  uber 
Groninger  Verh&ltnisse  verwiesen  werden,  welche  jedenfalls 
hierher  werden  zu  zahlen  sein.  Es  sind  dies  u.  a.  folgende: 
Emm.  hist.  p.  191,  204,  206,  214,  217,  219,  223,  225,  248,  262, 

a.  0.  p.  5. 


')  Sperling  a. 

*)P. 

7. 

»)P. 

23. 

4)P. 

43. 

ft)p. 

43. 

•)P. 

36. 

OP- 

19. 

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-     60     — 

208,  270,  309,  310,  335,  342,  345,  353,  357,  369,  364,  365,  381, 
392,  399,  403,  404,  429,  431,  433,  441,  453,  455,  463,  481,  484, 
485,  486,  494,  496,  515,  522,  523,  542,  543,  569,  572,  573,  624, 
733,  745,  755,  762,  780,  827.  Die  gegebenen  Zahlen  vermogen 
natiirlich  nur  ein  annaherndes  Bild  von  dera  Umfang  der  bei 
Emmius  verarbeiteten  Groninger  Urkunden  zu  geben.  Die  An- 
zahl  liesse  sich  noch  bedeutend  vermehren  urn  viele  Urkunden, 
deren  Benutzung  gleichfalls  moglich  ist,  wenngleich  fiir  sie 
nicht  derselbe  Grad  von  Wahrscheinlichkeit  besteht,  wie  bei 
den  genannten.  Bei  den  genannten  ist  es  natiirlich  auch  nicht 
ausgeschlossen,  dass  Emmius  die  eine  oder  die  andere  nur 
durch  Vermittelung  einer  fiir  uns  verlorenen  Groninger  Chronik 
erhalten  hat,  docb  wiirde  es  sich  hier  wohl  immer  nur  um 
einzelne  Stiicke  handeln  konnen,  im  allgemeinen  kann  das 
Resultat  der  Untersuchung  dadurch  schwerlich  alteriert  werden. 


§  4.   Aus  Chroniken  ttbernommene  Urkunden. 

Dass  Emmius  tiberhaupt  aus  Chroniken  Urkunden  tiber- 
nommen  hat,  deren  Originale  ihm  nicht  vorgelegen  haben,  ist 
schon  angesichts  der  Thatsache,  dass  er  in  der  Historia  mehrere 
Hundert  Urkunden  ihrem  Inhalte  nach  anfiihrt,  durchaus  wahr- 
scheinlich.  Bei  den  damaligen  Verhaltnissen  war  es,  trotzdem 
Emmius  eine  relativ  so  grosse  Anzahl  von  Originalurkunden 
benutzen  konnte,  ein  Ding  der  Unmtiglichkeit,  dass  er  sich  Ein- 
sicht  in  die  Originale  aller  von  ihm  verwandten  Urkunden  ver- 
schafft  hatte.  So  musste  er  sich  fiir  manche  Urkunden  mit 
dem  Texte  begntigen,  welchen  ihm  die  Chroniken  seiner  Zeit  zu 
bieten  vermochten.  Da  Emmius  in  der  Regel  nur  den  wesent- 
lichen  Inhalt,  niemals  aber  den  Wortlaut  der  Urkunden  wieder- 
giebt,  so  tritt  jener  Nachteil  kaum  hervor. 

Wo  Emmius  aber  imstande  war,  zu  der  Abschrift  aus  einer 
Chronik  auch  das  Original  zu  vergleichen,  hat  er  dies  sorg- 
faltig  gethan.  Einen  Beleg  hierfur  bietet  der  Vertrag  Albrechts 
von  Sachsen  mit  der  Stadt  Groningen  vom  21.  August  1500. 
Der  Wortlaut  desselben  war  Emmius  nach  Sicke  Benninge1) 
bekannt.    Nun  fand  er  bei  Durchsicht  des  Groninger  Archivs  zu- 


*)  ed.  Brouerius  v.  Nidek  p.  61. 


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-    61    - 

nachst  ein  Transsurapt  jenes  Vertrages  vom  27.  Juni  1552 ;  er 
erganzte  hieraus  den  bei  Benninge  fehlenden  Passus  iiber  die 
Verbfindeten  Albrechts,  besonders  den  Grafen  Edzard.  Am 
21.  Februar  1598  endlich  hat  dann  Emmius  auf  dem  Groninger 
Archive  auch  das  Original  in  Handen  gehabt  und  bemerkt 
dariiber:  „quod  istic  vidi  et  cum  his  contuli,  respondent  omnia." 
Zudem  war  auch  in  Groningen  noch  die  erste  Festlegung 
der  Vertragspunkte  vorhanden,  tiber  welche  Emmius  in  den 
Kollektaneen  folgendes  bemerkt:  »Extat  Groningae  in  curia 
charta,  in  qua  capita  transactionis  nuda  his  ipsis  verbis  sine  prae- 
fatione  ac  conclusione  in  mundum  relata  continentur,  sigillo  parvo 
et  manu  ipsius  Alberti  iuxta  sigillum,  qui  rudibus  characteribus 
nomen  solum  suum  Albrecht  cxaravit,  item  nominibus  Groningensibus, 
qui  cum  eo  nomine  reipubl.  egerunt  propriis  quoque  manibus  script  is 
subsignata}  primae  fidei  causa  hoc  modo: 

Albrecht  Egbert  Koning 

(L  S)  Koleff  Ulger. 

*    '  Luddeke  Hornken. 

Ex  hac  charta  deinde  instrumentum  confectum.  Subsignatio  in 
charta  habetur  eodem  die,  qui  in  instrumento  principali  notatus, 
scil  21  Aug.  an.  1500*.  Auf  Grund  dieses  Schriftstiickes  be- 
richtet  Emmius  dann  auch  in  der  Historia  von  einer  doppelt.cn 
Ausfertigung  des  Vertrages. 

Fiir  Emmius  kommen,  soweit  sich  dies  noch  feststellon 
lasst,  als  Quellen  fiir  Urkunden  hauptsftchlich  drei  Chroniken 
in  Betracht,  diejenigen  von  Eggerik  Beninga  und  Sicke  Benninge, 
sowie  die  Chronik  von  Worp  von  Thabor.  Auch  hier  hat 
er,  wo  ihm  eine  mehrfache  Ueberlieferung  fttr  eine  Urkunde 
zu  Gebote  stand,  die  Texte  unter  einander  verglichen,  um  so, 
in  Ermangelung  eines  Originals,  wenigstens  eine  moglichst  zu- 
verl&ssige  Textrezension  zu  erhalten.  Es  mag  hier  eine  kurze 
Uebersicht  tiber  die  von  Emmius  aus  Chroniken  iibemommenen 
Urkunden  folgen,  und  zwar  in  der  Weise,  dass  zur  Bezeichnung 
derselben  die  betr.  Seite  der  Historia  angegeben  ist,  wo  sie 
sich  vorfindet,  w&hrend  die  Quelle  in  Klammern  daneben  ge- 
setzt  ist:  Em.  hist.  p.  71  (Eg.  B.  74  f.),  149  (Worp  III),  174 
(Eg.  B.  122),  180  (Worp  III),  192  (Worp  III),  216  (Eg.  B.  157), 
247  (Eg.  B.  173),  249  (Eg.  B.  177),  253  (Worp  IV),  258  (Worp  IV), 


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—    62    — 

268  (Eg.  B.  195,  Worp  IV),  281  (Eg.  B.  208,  Worp  IV,  Sicke  B.  103), 
290  (Eg.  B.  225),  295  (Eg.  B.  235),  297  (Eg.  B.  231),  302  (Eg. 
B.  249),  306  (Eg.  B.  253),  318  (Eg.  B.  256),  320  (Eg.  B.  258), 
322  (Eg.  B.  265  u.  277),  323  (Eg.  B.  262),  328  (Eg.  B.  282),  332 
(Eg.  B.  288),  332  (Eg.  B.  289),  346  (Eg.  B.  303),  349  (Eg.  B.  309), 
352  (Eg.  B.  312),  360  (Worp  IV),  373  (Eg.  B.  334),  388  (Eg.  B. 
359),  394  (Sicke  B.  p.  6),  427  (Eg.  B.  377,  Worp  IV),  439  (Worp  IV), 
475  (Worp  IV),  480  (Worp  IV),  489  (Worp  IV),  550  (Worp  IV), 
556  (Eg.  B.  438,  Worp  IV,  Sicke  B.  38),  562  (Eg.  B.  456),  601 
(Sicke  B.  51),  636  (Sicke  B.  90),  663  (Eg.  B.  501),  668  (Sicke  B. 
177),  683  (Worp  V,  Sicke  B.  198),  696  (Sicke  B.  209),  743  (Worp  V), 
805  (Worp  V,  Sicke  B.  349),  806  (Worp  V),  811  (Worp  V),  903 
(Worp  VI),  903/904  (Worp  VI). 

Ausserdem  werden  einige  von  Emmius  angefflhrte1)  kaiser- 
liche  Lehnsurkunden  wahrscheinlich  auf  die  Historia  episcoporura 
Ultrajectensium  von  Wilhelm  Heda  (p.  128— 131) 2)  zurttckzu- 
ftthren  sein.  Was  von  dem  urkundlichen  Material  der  Historia 
mftglichenfalls  sonst  noch  auf  Chroniken  zunickzuftthren  ist, 
muss  dahingestellt  bleiben,  da  uns  unter  den  von  Emmius  be- 
nutzten  Chroniken  weiter  keine8)  mit  eingestreuten  Urkunden 
erhalten  sind. 


')  Emmius  hist.  p.  96. 

*>  Die  Citate  sind  nach  der  Utrechter  Ausgabe  von  1642  gegeben; 
die  betr.  Urkunden  vgl.  bei  BShmer :  Regesta  chronologico  -  diplomatic*, 
Frankfurt  1831,  und  zwar  p.  89  unter  Nr.  1779  und  1780. 

*)  Dass  Emmius  von  den  in  Rengers'  Chronik  (vgl.  cap.  VII,  §  9) 
angefuhrten  Urkunden  etwas  Ubernommen  hat,  ist  nicht  wahrscheinlich. 
Die  Quellen  desselben,  Worp  v.  Thabor,  Eg.  Beninga  und  das  Groninger 
Archiv,  standen  ihm  ebensogut  wie  Rengers  zur  Verfugung.  So  lag  ihm 
z.  B.  die  von  Rengers  I  p.  83  f.  mitgeteilte  Urkunde  nach  seiner  eigenen 
Bemerkung  (hist.  p.  198)  im  Original  vor,  bei  dem  von  Rengers  I,  p.  124  ff. 
mitgeteilten  Vertrage  war  dies  gleicherweise  der  Fall,  ausserdem  hatte 
er  hier  noch  den  Text  bei  Worp  von  Thabor  und  Eggerik  Beninga.  Ent- 
scheidend  ist  aber  der  von  Emmius  hist.  p.  278  angefuhrte  Vertrag  zwischen 
Groningen  und  den  Fivelgoern,  hier  hat  Emmius  nicht  das  von  Rengers  I, 
p.  117  Uberlieferte  Datum  „up  aller  hilligen  dag",  sondern  „die  tertia  a 
natali  Domini ",  was  nach  der  Anmerkung  von  Feith  zu  Rengers  I,  p.  117 
mit  einer  aus  dem  16ten  Jahrhundert  stammenden  Abschrift  auf  dem 
Groninger  Archiv  ubereinstimmen  muss. 


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§  5.   Anderweit  benutzte  Originalurkunden. 

Inwieweit  Emmius,  abgesehen  von  den  oben  genannten 
Archiven,  sich  nocb  Einsicht  in  Originalurkunden  verschafft 
haben  mag,  lasst  sich  mit  Sicherheit  nicht  umgrenzen.  An- 
zunehraen  ist  jedenfalls,  dass  er  etwas  aus  dem  Leeuwardener 
Archiv  benutzt  hat.  Obwohl  ihm  hier  anfangs  der  Zutritt  ver- 
weigert  wurde,1)  scheint  doch  eine  von  ihm  zum  Jahre  1477  be- 
richtete  Notiz2)  aufeine,  vielleicht  spftter  gestattete,  Benutzung 
hinzudeuten:  „2ft  circiter  Calend.  Septembr.  eifisdem  huius  anni 
Leoardiae  diuturnam  litem,  quant  habuit  cum  vieinis  agricolis  de 
jure  quatuor  cataractarum,  finivit,  descriptis  ccrtis  legilms,  quae 
etiam  nunc  apud  eos  $ervantur.u  Hierfiir  wttrde  vielleicht  auch 
das  hist.  p.  446  erwahnte  Schreiben  des  nsacerdos  Goutumannus" 
an  die  Leeuwardener  vom  Jahre  1487  sprechen. 

Unerkl&rlich  konnte  es  auf  den  ersten  Blick  erscheinen, 
dass  Emmius  Kunde  hat  von  zwei  zu  seiner  Zeit  im  Miinster- 
schen  Archive  vorhandenen  Klageschriften  des  von  den  Ham- 
burgern  gefangen  genommenen  Hauptlings  Jmel  von  Emden. 
Die  von  Emmius  hinzugefiigte  Bemerkung:  „flas  litteras  Mona- 
sterienses  ao.  1572  in  actionecum  Emdensibus  Aschendorpii,  ni  fallor, 
pertulerunt,  juris  sui  demonstrandi  causa",  sowie  die  als  Quellen- 
angabe  beigeftigten  Buchstaben  wH.G.a  machen  es  wahrscheinlich, 
dass  Emmius  diese  Nachricht  seinem  Freunde,  dem  Emder  Stadt- 
sekretar  H.  Gerdes,8)  verdankt,  welcher  iiber  diese  Dinge  wohl 
unterrichtet  sein  konnte.  Einem  andern  Emder  Freunde  scheint 
er  sogar  eine  Anzahl  von  Originalurkunden  zu  verdanken,  wenig- 
stens  tragt  ein  Auszug  aus  der  im  Ostfriesischen  Urkunden- 
buch  I,  384  abgedruckten  Urkunde  die  Unterschrift:  ^Extat 
exemplar  inter  chartas  Nicolai  Frese.u 

Aus  Ostfriesland  haben  ihm  endlich  mOglichenfalls  auch  noch 
st&ndische  Akten  vorgelegen.  Hierauf  deutet  eine  Nachricht4) 
iiber  die  Beantragung  einer  Steuer  zur  Ausstattung  der  Comtesse 
Elisabeth6)  im  Jahre  1555  und  die  Beantwortung  des  Antrages 


l)  vgl.  „Vrije  Fries"  IX  p.  343  u.  ^Ostfriesisches  Monatsblatt"  III  p.  101 . 

*)  Emmius  hist  p.  427. 

*)  vgl.  fiber  denselben  cap.  X  §  2. 

*)  M8C.  A.  4.  des  kgl.  Staatsarchivs  zu  Aurich. 

*)  Emmius  berichtet  uber  diese  VorgEnge  hist.  p.  952. 


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-     B4    — 

durch  die  Ritterschaft  bin.  Emmius  sagt  hier:  vvidi  exemplar 
integrum  in  volumine  actorum  temporis  huius  nostri  ad  annum  1604 
ct.l605.a  Endlich  hat  Emmius  sich  einigc  Aktenstucke  uber 
den  geldrischen  Krieg  zu  verschaffen  gewusst,  deren  Her- 
kunft  sich  schwerlich  wird  erklaren  lassen.  Es  handelt  sich 
um  den  Vertrag  zwischen  dem  Grafcn  Enno,  Junker  Balthasar 
von  Esens  und  dem  Herzog  von  Geldern  vom  20.  Marz  1534,1) 
sodann  um  eine  Ratifizierung  und  Erweiterung  desselben  Ver- 
trages  vom  27.  M£rz  und  eine  Vollmacht  der  Grafen  Enno  und 
Johann  fiir  Omco  Ripperda,  um  die  Burg  Greetsiel  aus  den 
Handen  der  geldrischen  Besatzung  wieder  in  Empfang  zu 
nehmen.  Emmius  hat  diese  Urkunden  nach  einer  von  R. 
Dybbets  aus  den  auf  der  „Rekenkamera  zu  Arnheim  befind- 
lichen  Originalen  genommenen  Copie  abgeschrieben,  und  zwar 
bereits  am  18.— 20.  Januar  1594.2)  Dazu  hat  ihm  noch  ein  ge- 
drucktes  Exemplar  des  Manifestes  vorgelegen,  welches  Balthasar 
von  Esens  am  6ten  Oktober  1533  von  Arnheim  aus3)  gegen  den 
Grafen  Enno  erlassen  hat.4) 

Schon  der  Umstand,  dass  wir  die  Kunde  von  den  hier 
besprochenen  Quellen  zum  Teil  nur  ganz  gelegentlichen  Notizen 
verdanken,  Iftsst  darauf  schliessen,  dass  ihre  Reihe  mit  den 
genannten  keineswegs  erschopft  ist.  Immerhin  aber  mag  das 
Besprochene  hinreichen,  um  einen  Eindruck  zu  gewahren  von 
der  Mannigfaltigkeit  und  Vielseitigkeit  der  von  Ubbo  Emmius 
benutzten  archivalischen  Quellen. 


1)  Emmius  hist.  p.  880. 

2)  M8C.  A.  121  des  kgl.  Staatsarchivs  zu  Aurich. 
8)  Emmius  hist.  p.  874. 

4)  Emmius  hat  derartige  zeitgeschichtlich  interessante  Drucke  mehr- 
fach  benutzt,  so  ausser  der  bereits  erw&hnten  AchtserklSlrung  gegen  Gro- 
ningen  die  vom  Herzog  Georg  im  Jahre  1513  gegen  den  Grafen  Edzard 
und  die  Stadt  Groningen  veroffentlichte  Druckschrift,  ferner  den  gedruckten 
Bericht  der  Oldersumer  Disputation  (Wittenberg  1526;  Em.  hist.  p.  837)  u.  a. 


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Chroniken. 


VI.  Aus  Ostfriesland. 

§  1.   Eggerik  Beninga. 

Unter  all  den  zahlreichen  Schriftstellern,  die  von  Emmius 
benutzt  sind,  hat  keiner  auf  seine  Darstellung  einen  solchen 
Einfluss  gewonnen,  wie  Eggerik  Beninga1)  durch  seine  Chronik 
von  Ostfriesland.  Wie  diese  den  Grundstock  seiner  historischen 
Arbeit  bildete,  so  ist  sie  auch  das  eigentliche  Ruckgrat  der 
gesamten  Darstellung  der  Historia,  soweit  sie  die  ostfriesischen 
Ereignisse  des  14.,  15.  u.  16.  Jahrhunderts  umfasst.  Als  der 
Norder  Rektor  1587  die  Ausfuhrung  seiner  historischen  Arbeit 
begann,  legte  er  sich  in  lateinischer  Uebersetzung  einen  Auszug 
der  Beningaschen  Chronik  an,  beginnend  mit  dem  Jahre  1264, 
bis  hin  zum  Sterbejahre  Eggerik  Beningas  1562.  Diesem  Aus- 
zuge  fiigte  Emmius  dann  die  Erganzungen  und  Verbesserungen 
bei,  welche  ihm  aus  anderen  Quellen  zuflossen;  so  ward  ein 
wesentlicher  Teil  der  Historia  rerum  Frisicarum.  Und  so  muss 
denn  ftir  die  Darstellung  der  ostfriesischen  Geschichte  durch 
Emmius  vor  andern  sein  Verhaltnis  zu  dieser  seiner  Haupt- 
quelle  iiber  Wert  und  Unwert  entscheiden. 

Emmius  selbst  sagt  von  Eggerik  Beninga  gelegentlich: 
nAnnales  rerum  Frisicarum  congessit,  rudes  illos  quidem,  sed  fidos, 
et  diligentiae  ac  amoris  in  patriam  indices  certissimos:  in  quibus 
mediae  aetatis  pactorum,  foederum,  transactionum  tabulas,  ceu  nau- 
fragae  navis  fragmina  sparsim  fluitantia  actorum  saeculi  istius  testi- 
monia  infallibilia  singulari  studio  collegit,  atque  ita  obscuris  rebus 
lucent  non  parvam  affudit"  (hist.  p.  960).  Bei  alledem  ist  er 
weit  davon  entfernt,  sich  auf  eine  blosse  Wiedergabe  der 
Beningaschen  Nachrichten  zu  beschranken.  Er  hat  sich  viel- 
mehr  mit  sicherem  kritischen  Urteil  in  der  Hauptsache  auf  die- 
jenigen  Jahrhunderte  beschrankt,  ftir  die  dem  alten  Drosten 
wirklich  glaubwiirdige  Quellen  und  sicher  tiberlieferte  Nach- 
richten zuganglich  waren.     Bis  iiber  die  Mitte  des  13ten  Jahr- 


l)  vgl.  fiber  denselben  Bartels  im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  fur  bil- 
dende  Kunst  und  vaterlandische  Altertiimer  zu  Emden,  Bd.  I  Heft  3  p.  1—3. 

Jahrbuch  dor  Getellsch.  f.  b.  K.  a.  rater  I.  Altertiimer  zu  Emden,  Bd.  XV.  5 


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—    66    — 

hunderts  hinaus  sind  Bertihrungen  zwischen  Eggerik  Beninga 
und  Emmius  immer  nur  an  einzelnen  Punkten  aufzuweisen,  in 
der  Gesamtdarstellung  der  Geschichte  zeigt  sich  Emmius  hier 
von  seinem  Vorg&nger  nichts  weniger  als  abh&ngig.  Nicht 
ohne  Ankl&nge  an  Eggerik  Beninga  (p.  14  u.  15)  ist  die  Be- 
schreibung  der  Erzeugnisse  des  Landes,  der  Sitten  des  Volkes  etc. 
bei  Emmius  (hist.  p.  7  u.  8),  doch  ist  die  Anordnung  bei  beiden 
verschieden  genug,  urn  Emmius1  Selbstandigkeit  ohne  weiteres 
erkennen  zu  lassen.  Noch  deutlicher  ist  dies  bei  dem  zweiten 
Parallelbericht,  der  Beschreibung  der  7  friesischen  Seelande 
(Eg.  B.  p.  16,  17;  Em.  p.  12  ff),  diejenige  des  Emmius  ist  in 
Anlehnung  an  Cornelius  Kempis  (vgl.VII§ll)  bedeutend  weiter 
angelegt  und  eingehender  durchgeffthrt.  Die  folgenden  zwanzig 
Kapitel  bei  Beninga  (ibergeht  Emmius,  der  seinem  Plane  gemass 
auf  die  Verh&ltnisse  Frieslands  zur  Romerzeit  nicht  eingeht 
und  auf  diese  Weise  eine  Fiille  abenteuerlicher  Erz&hlungen  bei 
Eggerik  Beninga  aus  dieser  Zeit  vermeidet,  wenngleich  er  sich 
nicht  veranlasst  fuhlt,  die  authentischen  Berichte  romischer 
Schriftsteller  an  ihre  Stelle  zu  setzen. 

Wie  selbst&ndig  Emmius  aber  seinem  Ftihrer  Beninga  fur 
die  aiteste  Zeit,  auch  da  noch,  wo  er  mit  ihm  Gleiches  be- 
richtet,  gegenttbersteht,  zeigt  schon  diejenige  Erzahlung,  mit 
welcher  die  zusammenh&ngende  historische  Darstellung  bei 
Emmius  beginnt,  der  Zug  nach  Britannien  im  Jahre  449.  Eggerik 
Beninga  (p.  36)  setzt  diesen  nicht  nur  in  das  Jahr  435,  sondern 
macht  Hengist  auch  zu  einem  friesischen  Konig,  w&hrend  von 
den  Sachsen  bei  ihm  tiberhaupt  nicht  die  Rede  ist ;  ebensowenig 
wird  der  Name  Horsa  erw&hnt.  Emmius  nun  versetzt  den  Zug 
in  die  richtige  Zeit  und  berichtet  auch  von  den  Ftihrern  als 
von  Angehorigen  des  sachsischen  Stammes;  er  nimmt  nur  an, 
dass  auch  Friesen  bei  dem  Zuge  beteiligt  gewesen  sind,  dabei 
schliesst  er  sich  eng  an  den  Bericht  Bedas  an  und  weiss  sich 
von  Beningas  Irrtiimern  fern  zu  halten.  Wie  hier,  so  folgt  er 
auch  in  den  tibrigen  Nachrichten  der  alteren  Zeit  durchweg 
ausw&rtigen,  mflglichst  gleichzeitigen  Schriftstellern,  ohne  sich 
viel  um  Beningas  Erzahlungen  zu  kiimmern.  So  datiert  er  u.  a., 
trotzdem  Eggerik  Beninga  noch  688  den  Kdnig  Ritzerd  regieren 
lasst,  von  ca.  680  an  die  Regierung  des  KOnigs  Radbod,  wohl 
im  Anschluss  an  Beda. 


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Eine  der  wenigen  Nachrichten,  die  Emmius  unmittelbar 
aus  Beninga  tibernommen  hat,  ist  die  von  der  Schlacht  bei 
Tours  und  den  dort  verrichteten  Heldenthaten  eines  Poppo  von 
Wirdum,  den  Beninga  als  seinen  Ahnherrn  zu  reklamieren  sucht. 
Hieriiber  muss  sich  denn  Emmius  auch  von  einem  neueren 
Kritiker  recht  harte  Worte  sagen  lassen.1)  Nun  lasst  sich  ja  ge- 
wiss  Emmius  trotz  der  Einkleidung  der  ganzen  Erzahlung  in  die 
Worte:  „tn  nonnullis  annalibus  invenio"  ein  Vorwurf  dariiber  nicht 
ersparen,  dass  er  eine  derartige  Fabel  aufgenommen  hat,  die 
mehr  geeignet  ist,  dem  Familienstolze  eines  edlen  Geschlechtes 
zu  schmeicheln,  als  der  historischen  Wahrheit  zu  dienen.  Selbst 
die  Thatsache,  die  auch  Mohlmann  ausdriicklich  zugiebt,  dass 
er  jenen  Poppo  nicht  wie  sein  Vorganger  als  einen  Beninga 
hinstellt,  will  hiergegen  wenig  besagen.  Bei  alledem  aber  sind 
wir  es  der  Wahrheit  schuldig,  Emmius  gegen  einige  der  grobsten 
Vorwiirfe,  welche  ihm  um  dieses  Missgriffs  willen  gemacht 
worden  sind,  in  Schutz  zu  nehmen.  Wenn  Mohlmann  die  Zuriick- 
datierung  der  Schlacht  bei  Tours  um  zwei  Jahre  Bfiir  einen  Pro- 
fessor der  Geschichte  nicht  weniger  stark"  findet,  als  dieBehaup- 
tung  des  Professors  der  Rechte  S.  Peters,  „das  Kollegium  der  7 
Kurfursten  sei  bereits  von  Karl  dem  Grossen  angeordnet",  so  ist 
das  ja  seine  Sache.  Jedenfalls  aber  folgt  Emmius  hier  nicht 
ganz  so  kritiklos,  wie  Mohlmann  uns  glauben  machen  will, 
seinem  Vorbilde,  da  ihm,  wie  aus  seinen  handschriftlichen 
Kollektaneen  hervorgeht,  zugleich  die  Datierung  jenes  Ereignisses 
ins  Jahr  730  durch  Sigebert  von  Gembloux2)  bekannt  war.  Ein 
Versehen  konnte  hier  um  so  leichter  sich  einschleichen,  als 
auch  sonst  Sigebert  von  Emmius  fiir  diese  Zeit  zu  Rate  ge- 
zogen  wurde.  Eben  dorther  entnahm  Emmius  auch  die  Nach- 
richt  von  dem  unsern  Ereignissen  unmittelbar  vorhergehenden 
Zuge  Martells  gegen  die  Friesen,  dem  dann  ein  rascher  Friedens- 
schluss  folgen  musste,  eine  Thatsache,  von  der  Beninga  nichts 
wusste,  und  deren  Einftigung  durch  Emmius  Mohlmann,  der  bei 
Emmius  fiir  diese  Zeit  ausschliessliche  Benutzung  Beningas  an- 
nimmt,  den  harten  Vorwurf  entlockt:  „Aber  Emmius  verfahrt 
arger  als  seine  Gegner,  indem  er  mit  seiner  Quelle  willktirliche 


*)  M6hlmann,  Kritik  etc.  p.  108. 
*)  Mon.  Germ.  Scriptores  VI  p.  330. 


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-     68    — 

Veranderungen  vomimmtu  etc.  Ein  solcher  Vorwurf  fur  die 
Leichtsinnigkeit,  dort  von  Krieg  zu  sprechen,  wo  die  Quelle 
nur  den  tiefsten  Frieden  kennt,  ware  in  der  That  berechtigt. 
wenn  —  Emmius  nicht  gelegentlich  ausser  in  seinen  Eggerik 
Beninga  auch  noch  in  andere  Quellen  hineingesehen  hatte. 

Man  wiirde  Eramius  aber  uberhaupt  bitter  Unrecht  thun, 
wollte  man  allein  nach  seiner  Erz&hlung  von  der  Schlacht  bei 
Tours  uber  sein  kritisches  bezw.  unkritisches  Verhalten  zur 
Darstellung  der  ftlteren  Zeit  bei  Beninga  aburteilen.  Dass 
Emmius  solche  Fabeln,  wie  den  von  Beninga  (p.  64)  berichteten 
Zug  Karls  des  Grossen  nach  Jerusalem,  oder  etwa  (Beninga 
p.  117)  die  Erzahlung  von  den  365  Kindern  der  Grafin  von 
Henneberg  in  grosser  Anzahl  ubergeht,  bedarf  kaum  des  Hin- 
weises.  Aber  auch,  wo  er  bei  Eggerik  Beninga  Berichte  uber 
wirklich  historische  Ereignisse  der  friiheren  Jahrhunderte  vor- 
findet,  weiss  er  sich  seine  Selbstandigkeit  und  seinen  freien 
Blick  durchaus  zu  wahren.  Ein  Beispiel  dieser  Art  bietet  der 
Einfall  des  danischen  Konigs  Gottfried  im  Jahre  809  (Eg.  Beninga 
p.  69  ff.,  Em.  hist.  p.  69  f.).  Gleich  zu  Anfang  der  Erzahlung 
fugt  Emmius,  uber  Beninga  hinausgehend,  hinzu,  dass  der  Konig 
von  Danemark  durch  sachsische  Fluchtlinge  zu  dem  Zuge  an- 
gereizt  worden  sei.  In  der  Beschreibung  der  Art  des  Angriffes  auf 
Friesland  widerspricht  er  Beninga  sogar  direkt;  dieser  sagt,  er 
sei  geschehen  „meestlich  tho  Landea,  Emmius  dagegen  im  An- 
schluss an  Worperius  von  Thabor:  nin  Frisiam  a  mari  incubuit*. 
Ferner  halt  Emmius  den  genannten  Zug  ftir  die  erste  Unter- 
werfung  Frieslands  durch  die  Nordlander,  Beninga  dagegen 
weiss  auch  schon  von  andern  Kriegszugen  derselben  nach  Fries- 
land,  so  585  (p.  38)  und  690  (p.  42).  In  grundsatzlichem  Wider- 
spruch  aber  stehen  beide  wegen  des  Erfolges  des  danischen 
Eroberungszuges.  Zwar  ist  bei  beiden  der  Danenkftnig  Sieger, 
und  es  gelingt  ihm,  sich  in  Friesland  festzusetzen,  aber  nach 
Eggerik  Beninga  schliessen  die  Friesen  mit  dem  Konige  von 
Danemark  einen  hochst  annehmbaren  Vertrag,  und  der  KCnig 
verpflichtet  sich:  „/<e  tvullde  se  ock  by  alle  ore  Privilegien  und 
Freyheiden  laeten  blieven",  sie  sollten  ihm  nur  „m#  eenen  seckeren 
Penning*  verpflichtet  sein.  Emmius  dagegen  sagt  von  dem 
danischen  Konig:  nin  turpem miseramque  servitutem  populum  adegit. 
Tributum  quoque  annuum  iniunxit,  quod  insolentis  animi  eius  ac  con- 


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tumclia  victorwn  gaudentis  manifestum  argumentum  est."  Dies  ist 
zugleich  ein  Beweis  dafiir,  wie  bei  Emmius,  trotzdem  in  diesor 
Richtung  sonst  gerade  seine  Schwache  liegt,  doch  die  freiheit- 
lichen  Neigungen  der  historischen  Wahrheit  gegeniiber  zurtick- 
treten.  Fiir  Eggerik  Beninga  steht  es  von  vornherein  fest, 
dass  auch  der  fremde  Herr  die  unantastbare  Freiheit  des  Volkes 
respektieren  muss,  Emmius  aber  geht  nicht  auf  diese  seinen 
Neignngen  sonst  so  sehr  entgegenkommende  Darstellung  ein, 
sondern  folgt  den  ihm  vorliegenden  danischen  Annalen.  Ausser- 
dem  scheint  hier  auch  die  Schilderung  des  Normannenzuges, 
welche  der  Prophezeihung  des  heiligen  Ludger  zugeschrieben 
wird,1)  und  die  als  ein  „vaticinium  post  eventum"  wohl  nicht 
ganz  ohne  historischen  Wert  ist,  auf  Emmius  eingewirkt  zu 
haben. 

Dieselbe  Beobachtung  einer  selbstandigen  Feststellung  des 
Thatbestandes,  auch  Eggerik  Beninga  gegeniiber,  konnen  wir 
bei  der  Schilderung  der  von  beiden  berichteten  Belagerung  und 
Eroberung  von  Damiette  machen  (Eg.  Beninga  p.  108,  Em.  hist, 
p.  122  ff.).  Beninga  giebt  hier  wesentlich  einen  Auszug  aus 
Worperius  von  Thabor  (III  cap.  20,  21),  doch  bringt  er,  iiber 
diesen  hinausgehend,  den  Namen  des  einen  der  beiden  frie- 
sischen  Helden,  Hinrich,  sowie  Angaben  iiber  den  Wohnort 
beider  in  Friesland.  Letzteres  ubernimmt  Emmius,  doch  geht 
er  im  Uebrigen  fiir  die  ganze  Schilderung  der  Belagerung  nicht 
nur  iiber  Eggerik  Beninga,  sondern  auch  iiber  dessen  Quelle, 
Worperius  von  Thabor,  hinaus  auf  Olivers  „historia  Damiatina" 
zuriick,  wie  dies  ausser  der  ganzen  Anlage  des  Berichtes,  aus 
den  ausfiihrlich  erzahlten  Friedensanerbietungen  von  sara- 
zenischer  Seite  vor  der  Einnahme  der  Stadt  hervorgeht.  Die 
mit  Beninga  (p.  117)  genau  tibereinstimmende  Nachricht  von 
dem  Erdbeben  in  Wittewerum  1262  (Em.  hist.  p.  164),  lasst 
sich  auf  eine  von  beiden  benutzte  Quelle,  auf  die  Chronik  des 
Abtes  Menco  von  Wittewerum  zuriickfiihren,  auf  deren  Be- 
nutzung  Emmius  auch  in  seiner  Historia  kurz  vor  der  ge- 
nannten  Notiz  ausdriicklich  hinweist. 

Wenn  etwa  vom  Jahre  1264  an,  mit  dem  der  oben  er- 
wahnte  Auszug  des  Emmius  aus  Eggerik  Beninga  beginnt,   die 


l)  Worperius  von  Thabor  II  cap.  26  p.  87. 


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—     7G     — 

Beningasche  Chronik  in  ausgiebigerem  Masse  als  Emmius'  Quelle 
betrachtet  werden  muss,  als  dies  nach  dem  Gesagten  fur  die 
frtihere  Zeit  der  Fall  ist,  so  ist  darum  doch  auch  hier  an  ein 
einfaches  Ausschreiben  nicht  zu  denken.  Wenn  z.  B.  Beninga 
(p.  119)  von  einer  Schirmherrschaft  Ludwigs  des  Heiligen  iiber 
Friesland  fabelt,  so  giebt  Emmius  (p.  165)  demgegeniiber  die 
richtige  Fassung  jener  Thatsache,  welche  sich  auf  die  von 
Ludwigs  Sendlingen  auch  in  Friesland  ausgefuhrte  Kreuz- 
predigt  reduziert.  Fttr  die  spezifisch  ostfriesischen  Ereignisse 
findet  sich  zwar  von  jetzt  ab  grossere  Uebereinstimmung 
zwischen  beiden,  doch  ohne  dass  Beninga  in  den  meisten 
Fallen  als  alleinige  Quelle  angesehen  werden  kann.  Es  handelt 
sich  hier,  wie  schon  bei  der  zum  Jahre  1264  berichteten 
Grttndung  des  Dominikanerklosters  zu  Norden,  zunachst  um 
Nachrichten,  welche  Beninga  der  von  Emmius  selbstandig 
benutzten  Norder  Chronik  (vgl.  §  2  dieses  Kapitels)  entnommen 
hat,  so  1277  die  Wahl  der  Friedensmanner  (Beninga  p.  134, 
Em.  p.  175),  1285  die  Errichtung  einer  Burg  zu  Norden  (Ben. 
p.  139,  Em.  p.  178)  etc.  Die  westfriesischen  Ereignisse  werden, 
auch  wo  Eggerik  Beninga  iiber  dieselben  berichtet,  nach  wie 
vor  im  Anschluss  an  Worperius  von  Thabor  erz&hlt.  Nach 
Eggerik  Beninga  (p.  139)  kommen  die  Friesen  dem  in  Muiden 
belagerten  Grafen  Floris  V.  von  Holland  zu  Hiilfe,  Emmius 
(p.  179)  dagegen  berichtet  im  Anschluss  an  Worperius  (III  cap.  33) 
wie  Floris,  als  die  Friesen  durch  die  Flut  von  1287  in  eine 
bedrangte  Lage  geraten  waren,  diesen  Zustand  ausgenutzt  und 
Brederode  in  feindlicher  Absicht  nach  Friesland  entsandt  habe. 
Fur  die  sp&tere  Zeit,  fur  welche  Eggerik  Beninga  als 
Hauptzeuge  in  ostfriesischen  Dingen  gilt,  legt  sich  die  Frage 
nahe,  welcher  Art  denn  diese  Benutzung  gewesen  ist,  bezw.  wie 
eng  sich  Emmius  an  den  Wortlaut  seiner  Vorlage  anschliesst, 
wo  er  sachlich  mit  ihr  tibereinstimmt.  Die  Frage  liesse  sich 
schon  bei  einem  oberflachlichen  Vergleiche  beider  leicht  er- 
ledigen,  doch  macht  eine  merkwtirdige  Behauptung  des  mehr- 
fach  erwahnten  Kritikers  MOhlmann  hier  ein  naheres  Eingehen 
wunschenswert,  welches  uns  zugleich  einen  Einblick  in  Emmius' 
Art  zu  arbeiten  tiberhaupt  gewahren  kann.  Mohlmann  (Kritik 
p.  100)  sucht  das  Verhaitnis  beider  dahin  zu  bestimmen,  dass 
Emmius  den  Eggerik  Beninga  „meistens  nur  wortlich  tibersetzt." 


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—    71     — 

Die  Bemerkungen  der  beiden  Harkenroht,  welche   er   dazu  an- 

fuhrt,  besagen  gar  nichts,  es  erhellt  ohne  weiteres,   dass  dort 

sachliche  und  nicht  wortliche  Kongruenz  gemeint  ist.     Nun  soil 

ja  gewiss  nicht  geleugnet  warden,   dass   Emmius   gelegentlich 

ganze  Satze  aus  Eggerik  Beninga  einfach  ins  Lateinische  tiber- 

tragen  und  so  in  sein  Werk  tibernommen  hat,  wie  dies  ja  schon 

bei   seiner    mehrfach    erwahnten  Arbeitsmethode   (lateinischer 

Auszug  aus  Beninga  mit  Zusatzen)  ohne  weiteres  wahrscheinlich 

ist.    Dies  beschrankt  sich  aber  eigentlich  immer  nur  auf  ein- 

zelne  herubergenommene  Satze.    Gerade,  wo  Emmius  ganze  zu- 

sammenhangende  Erzahlungen  aus  Beninga  tibernimmt,  ist  ihm 

diese  Art  der  einfachen   Uebersetzung  durchaus   fremd.     Man 

kann  im  Gegenteil  weit  eher  von  einer  freien,   oft  reichlich 

freien  Reproduktion  der  Beningaschen  Berichte  sprechen,  welche 

Emmius  in  intuitivem  Erfassen  des  Wesentlichen,  zugleich  mit 

den  jeweils   in   Betracht   kommenden   Elementen  seiner  histo- 

rischen    Gesamtanschauung  verbindet,   um   so   in  klassischem 

Latein  wie  aus  einem  Gusse  eine  schone  in  sich  harmonisch 

abgerundete  Darstellung  der  Thatsachen  zu  geben,  die  nichts 

weniger    ist,    als  eine  wortliche  Uebersetzung  des  Chronisten 

Beninga.    Bei  alledem  mag  man  den  sicheren  historischen  Takt 

bewundern,  mit  dem  Emmius  es  versteht,  seinen  Darlegungen, 

wo  sie  sich  in  der  That  nur  auf  Beninga  griinden  und  griinden 

sollen,  alle  fremden  Elemente  und  alles  eigene  Beiwerk,  soweit 

es  etwa    den  Sachverhalt  verwirren  konnte,   fern  zu  halten. 

Doch  lasst  sich  dieses  alles  an  den  Beispielen  selbst  am  deut- 

lichsten  aufweisen. 

Es  handelt  sich  um  Streitigkeiten  zwischen  zwei  ost- 
friesischen  H&uptlingen  im  Jahre  1356;  daruber  berichtet  Beninga 
und  im  Anschluss  an  ihn  Emmius  folgendes: 

Eggerik  Beninga  p.  145.  Em.  hist.  p.  204. 

Anno  Christil356  is  Folckmer  Erat  turn,  cum  ista  agebantur 

Allena  tho  Osterhuesen  undHintc  inter  primos   nobilium,    qui  in 

etc.  lloevetlink,  mit  Boinck  tho  Amasana  Frisiae  regione  domi- 

Suiderhusen  etc.  Hoevetlink  um  cilium    habebant,    adolescentiae 

erve    und  goeder    twistigh    ge-  annos  vixdum  egressus,  sed  acer- 

tcurden.    Daar  over  heft  Folck-  rimi  ingenii  Folcmarus  Allenius 

met  Allena  den  geroerden  Boinck  Osterhusanus,  cujus  parens  Alio 

sinen  jungen  mit  gelde  daer  tho  etiam  tunc  superstes,  aetate  ad- 


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—    72    — 

gekofft,  dot  he  ohne  de  poorten  hue  firma  Osterhusae  et  Hintoe 

up  eene  beschedene  tyt  apenen  arces  ac  praetorium  imperitim 

schulde  etc.  —  tefiebat.     Huic  ad  annum  1356 

lis  ae  contentio  vehemens  nata  fuit  cum  Boijngo  Suderhusano  nobili 
cum  in  haereditate  herciscunda,  quae  ipsis  forte  obvenerat,  consentire 
non  possent.  Erat  vera  Folcmarus,  ut  adolescentiae  vitio  fervidior, 
it  a  natura  quoque  inimicitiarum  acerrimus  persequutor:  judicabatque, 
nullam  in  vindicando  inimico  rationem  inhonestam  esse.  Itaque, 
cum  injuriam  sibi  fieri  omnino  putaret,  ac  nocere  se  Boijngio  vi 
aperta,  qui  arcem  bene  munitam  tencbat,  posse  dififideret,  ad  ddlum 
se  vertit  etc. 

Schon  hier  zeigt  sich,  wie  Emmius  es  versteht,  die 
trockenen  Notizen  seiner  Vorlage  lebensvoll  zu  gestalten.  Die 
Bedeutung  der  Familie  Folkmar  Allenas,  dessen  Alter  zur  Zeit 
jener  Ereignisse,  sowie  seine  Charakteranlagen,  waren  ihm  aus 
anderweitigen  Nachrichten,  die  er  iiber  jene  Zeit  hatte,  wohl 
bekannt,  die  Kenntnis  derselben  verstand  sich  fur  einen  einiger- 
massen  genau  mit  der  Geschichte  jener  Zeit  vertrauten  Mann 
von  selbst.  Ausserdein  hatte  er  sich,  wie  aus  seinen  Kollek- 
taneen  hervorgeht,  aus  dem  Langener  Kopialbuche  (vgl.cap.V§2) 
iiber  Alio  notiert,  dass  derselbe  noch  1365  und  1370  sich  am 
Leben  befunden  habe,  er  konnte  also  wissen,  dass  jener  damals 
nicht  nur  noch  am  Leben,  sondem,  als  mindestens  14  Jahre  vor 
seinem  Tode,  sogar  noch  in  riistigem  Alter  gewesen  sein  miisse. 
Aus  dem  alien  versteht  er  dann  seine  oben  mitgeteilte  Dar- 
stellung  zu  gestalten. 

Noch  deutlicher  und  auffallender  mag  uns  ein  anderer  Ver- 
gleich  zeigen,  wie  Emmius  seine  Quelle  „tibersetzta  hat.  Es 
handelt  sich  urn  den  zweiten  Einfall  des  Bischofs  von  Munster 
in  ostfriesisches  Gebiet  im  Jahre  1495,  wahrend  Edzard  der 
Grosse  Jever  belagerte: 

Eg.  Beninga  p.  417.  Em.  hist.  p.  530. 

De  Bisschup  ....   heft  sick  .  .  .  ipse  Mudensi  in  coenobio 

thor   Mude  int  Closter  gelecht.  castra  posuit.     Is  locus  in  ex- 

Als   nu    an   Grave  Edsart  de  tremo  angulo  est  agri  iUius,  in 

tidinge  to  Jever  int  leger  is  gc-  confluente  Amasi  et  Laedac,  ex 

Jcamen,   is   he    mit    eenhelligen  adverso  arcem  Orthanam  intuens, 

raede  vor  Jever  upgebrahen,  und  solo   Laedae  alveo  non  amplo 

leet   Otto   Papen  und  Wilhelm  ab    ea    diremptus:    qui   castris 


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—     73     — 

de  bede  Voegede  toh  Stickhusen         occupatus  speciem  obsessae  arcis 

und  Langen  mit  ohren  luyden         praebere  videbatur.     Ejus  rei 

in  de  richte  over  dat  Hapseler1)  nuncio  commotus,  Edsardus  ab- 

tnoer  und  vort  door  Overledinger-         jecta  pacis  cogitatione,  quo  suis 

lant,  om  den  Bisschup  tho  Vollen  etiam  suppetias  ferret,   vocatos 

vor  tho  kamen,  tehen,  desgelycken  ad  se   Ottonem  Papium  Stick- 

toech  oock   Grave   Edsart  mit  husanum,  Guilhelmum  Hattenum 

ruiteren,    knechten    und    voet-  Lenganum,praefectos  viros  acres 

gangern  in   der   nacht  stracks  et  belli  gnaros,  cum  sua  utrum- 

na  den   Ort9    und   als  he  mit  que  cohorte  rustica,  quam  maxi- 

punten  sick  tegen  Esclum  und         mis  itineribus  per  palustria  Ho- 

Heringeborch    wulde   oversetten         peliana,    Lengana,    Mormeria, 

laten  etc.  —  Translaedana   eniti   et    Vollam 

contendere  jubet;  hortatur,   ut  pro  patriae  salute  laborent  ac  festi- 

nent  quam  maxime:  rem  summi  momenti  futuram,  non  ad  commoda 

solum  sed  quoque   ad  gloriam,   si  episcopum,    tot  bellis  defunctum, 

patriae  tarn  infestum,  ad  Vollam  possint  exitu  prohibere:  se  diverso 

itinere  cum  reliquo  exercitu  adfuturum,  et  a  tcrgo,  a  latere  hostem 

invasurum.     Mox,   exposilo   in   corona  consilio  suo  cunctisque   vir- 

tutis  admonitis,  paucis   ad  Jeveram  relictis,   qui  castra  tuerentur, 

cum  caeteris  copiis  pedestribus  et  equestribus  festinus  via  Bacban- 

dina,  ne  noctu  quidcm  intermisso  itinere,  per  Heselanos,  Brincanos, 

Loganos  Leram  pervolat:   eademque  statim  node  magno  silentio   e 

regione  Herenborgi  ct  Esclumi  trajicere  flumen  pontonibus   aliisque 

navigiis,  quae  fors  dabat  incipit  etc. 

An  dieser  Stelle  fallt  vor  allem  auf,  wie  Ernmius  seine 
topographischen  Kenntnisse  in  der  Darstellung  zu  verwerten 
versteht,  so  schon  gleich  bei  der  Schilderung  der  Oertlichkeit 
des  Klosters  Mude,  durch  welche  die  Lage  des  Bischofs  erheb- 
lich  an  Anschaulichkeit  gewinnt.  Sodann  bei  der  Beschreibung 
des  von  Edzard,  bezw.  von  seinen  Drosten  eingeschlagenen 
Weges,  welchen  er  dem  Leser  auf  diese  Weise  deutlich  vor 
Augen  stellt,  wahrend  nach  der  Schilderung  Beningas  die 
Situation  einem  mit  den  einschlagigen  geographischen  Verhalt- 
nissen  nicht  ganz  vertrauten  Leser  einige  Schwierigkeiten  be- 
reiten  konnte.  Als  eine  auffallende  Differenz  beider  Berichte 
kann  auf  den  ersten  Blick  die  von  Emmius   eingefugte  Rede 


l)  so  Harkenroht  statt:  Hopelser. 


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-     74    — 

Edzards  an  seine  beiden  Drosten  erscheinen.    Hier  zeigt  es 
sich,  wie  Emmius  durchaus  an  klassischen  Vorbildern  geschult 
ist.    Wie  es  der  antike  Historiker  ftlr  vSllig  erlaubt,  ja  so- 
gar  filr  geboten  h&lt,  gelegentlich  eine  der  Lage  der  Dinge  ent- 
sprechende  Rede  des  Truppenftihrers   oder  sonst  bedeutsamer 
PersSnlichkeiten  frei  zu  konzipieren,  so  halt  auch  Emmius  dies 
ftir  sein  gutes  historisches  Recht.    Gerade  in  derartigen  Reden 
zeigt  sich  bei  Emmius,  n&chst  der  Eleganz  des  lateinischen 
Stiles  tiberhaupt,   der  Einfluss   klassischer  Vorbilder  am  deuk 
lichsten.    Es  ist  hier,  wie  wenn  wir  bei  Caesar  etwa  oder  bei 
Livius  einen  Feldherrn  vor  uns  h&tten,   der  vor  der  Schlacht 
eine  ermunternde  Ansprache  an  die  Seinen  halt.    Ja  sogar  eine 
doppelte  Ermahnungsrede  lasst  Emmius  den  grossen  Grafen 
halten,  wie  bei  romischen  Schriftstellern  wohl  der  Heerfuhrer 
erst  zu  seinen  Offizieren  und  sodann  zur  gesamten  Mannschaft 
spricht.    Die  Bemerkung  Beningas,   der  Graf  sei    „mit  eenhel- 
ligen  raedea  aufgebrochen,  gentigt  Emmius,   um  ihn   an  seine 
Rate  eine   besondere   Ermahnungsrede  halten  zu  lassen.    Zu 
beachten  aber  ist,  bei  der  Rede  an   die  Drosten  zumaJ,  wie 
Emmius,   trotz   dieser  Freiheit  in  der  Komposition,   nicht  ins 
Fabulieren  gerat.    Aus  Beninga  lasst  sich  entnehmen,  dass  der 
Zug  der  „in  de  richtea  geschickten  Drosten  ein  eiliger  wird  ge- 
wesen  sein,  deshalb  l&sst  Emmius  in  seiner  Rede  den  Grafen 
die  Seinen  zur  Eile  ermahnen.    Den  Gedanken,  von  welch  weit- 
tragender  Bedeutung  es  gewesen  ware,  wenn  man  den  Bischof 
wirklich  dort  uberrumpelt  hatte,  legt  die  Sachlage  dem  denken- 
den  Leser  unmittelbar  nahe;   statt  sich  nun  hier  in  eine  lang- 
wierige  Erwagung  mit  wenn  und  aber  einzulassen,  legt  Emmius 
diesen  Gedanken  seinem  Grafen  frischweg  in  den  Mund.    Und 
endlich  versteht  er  es,  in  geschickter  Verkniipfung  hier  zugleich 
noch  den  von  Beninga  berichteten  eigenen  Feldzugsplan  des 
Grafen  anzubringen,    so    dass  wir  glauben,    aus  dem   Munde 
Edzards  selbst  hieriiber  unterrichtet  zu  werden.    Man  mag  iiber 
derartige  Reden  bei  Historikern  denken,  wie  man  will,   soviel 
wird  man  Emmius  hier  immer  zugestehen  miissen,  dass  er  an 
keinem  Punkte  die  Linie   des  in  sich  Wahrscheinlichen  tiber- 
schreitet,   geschweige  denn  zu  einer  schiefen  Auffassung  der 
historisch  feststehenden  Thatsachen  verleitet.     Dabei  ist  fest- 
zuhalten,  dass  dem  Emmius,  ausser  Beninga,   eine  Quelle  ftlr 


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—     75     — 

diese  Ereignisse  nicht  vorgelegen  hat;  es  geht  vielmehr  alles 
letztlich  auf  Beningas  Bericht  zuriick,  mit  Ausnahme  des  Namefts 
des  einen  Drosten,  den  Emmius  aus  irgend  einer  urkundlichen 
Notiz,  wie  dies  bei  Feststellung  von  Namen  seine  Gewohnheit 
war,  sich  wird  verschafft  haben. 

Eine  andere  Rede  Edzards  des  Grossen  bringt  Emmius  auf 
p.  611.  Der  Graf  ist  in  Oterdum  bezw.  Termunten  gelandet  (1501), 
um  von  dort  aus  das  bedr&ngte  Appingadam  zu  entsetzen.  Nach 
der  Landung  l&sst  er  die  Schiffe  vor  den  Augen  seines  Heeres 
zuriicksegeln  und  wendet  sich  nun  an  die  Seinen  mit  folgen- 
den  Worten:  ^Abnavigat,  en,  classis  nostra,  commilitones,  qua  vecti 
hue  sumus.  Id  consilio  et  iussu  factum  meo,  ne  quis  nostrum  in  fuga 
praesidium  ponat.  Omnes  eadem  sorte  tenemur:  nee  mea  melior 
quam  vestra  fortuna  est.  In  terra  aliena  consistimus  universi,  in 
qua  nisi  vicerimus,  aut  mori,  out  vincula,  ludibria,  insolentiam 
superborum  hostium  captivi  perpeti  cogemur.  In  victoria  nobis  sola 
salus:  ea  nisi  fortibus  animis  et  factis  parari  non  potest  Fuga 
omnis  inter clusa,  nisi  in  carceres  hostiles.  Hostis  Groninganus  is 
est,  quern  majores  nostri  (vobis  hoc  Frisiis  me  is  dico),  Foccone 
proavo  meo  et  ante  eum  Kenone  Broectnerio  duce,  saepe  ceciderunt, 
nos  hactenus  ab  eo  superati  non  sumus.  Neu  vos,  milites,  talibus 
commilitonibus  in  caedes  et  vulnera  promptis,  de  virtute  et  fortuna 
desperare  vestra  contra  hostes  debetis.  Hoc  quoque  expendendum 
nobis  fuerit,  non  nostra  solum  capita  ab  animis  manibusque  nostris 
pendere,  sed  vitam  quoque  illorum,  qui  Dammonae  obsidentur,  viri 
fortissimi,  nobis  sanguine,  ajfinitate,  amicitia  juncti:  qui  fiducia 
nostri  tantos  labores  et  pericula  etiam  supra  vires  sustinuere,  ut 
patriae  nobisque  consulerent.  Nee  vos  verba  spectare  mea  volo. 
Nisi  ad  pericula  praeivero,  damnate  me  et  fortia  detrectate,  fugae- 
que  consilium  capessite.  Me  due  em,  non  mandatorem  habete.  Mi  hi, 
si  quid  acciderit,  patriae  et  causae  publicae  quam  mei  rationem 
majorem  ducite.  Denique  vestrum  nunc  est,  exemplum  prodere, 
quam  proba  posteritas  admiretur,  imiteturque. 

HierfOr  haben  Emmius  3  Quellen  vorgelegen:  Worperius 
von  Thabor,  Sicke  Benninge  und  Eggerik  Beninga.  Worperius  V 
p.  46.  berichtet  tiber  Edzards  Landung  einfach :  nAls  Ghronningers 
ten  tvyle  voer  den  Dam  hadden  geleegen  ende  Chraeue  Edsart  ver- 
nam  dat  inden  Dam  groet  gebreck  was,  alsoe  datse  den  Dam  niet 
langer  moehten  holden  sonder  ontset,   soe  heuet   dye  Qraue  al  syn 


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—     76     — 

Vriesen  in  Eemderlant  met  dye  botjagers  vergaedert,  ende  is  den 
15.  dach  Juny  ower  dye  Eems  gecomen  met  al  syn  macht,  omden 
Dam  toe  ontsetten."  Sicke  Benninges  Bericht  (ed.  Brouerius 
v.  Nidek  p.  56)  lautet :  „  Daer  nae  op  St.  Vyts  avondt  quam  Grave 
Edzert  van  Oostfrieslandt  over  mit  een  grote  macht,  tot  over  de 
summa  van  viertyn  hondert  knechten  en  dardehalf  dusent  syner 
buren  om  den  Dam  te  ontsetten."  Am  ausfiihrlichsten  wird  die 
Sache  bei  Eggerik  Beninga  erz&hlt,  er  sagt  (p.  486) :  nAls  nu 
Grave  Edsard  aUe  syn  kriegesvolck,  geschut  und  alles,  wes  he  tho 
der  slacht  nodich,  nth  den  schepen  hadde,  leet  Grave  Edsard  aUe 
de  schepen,  up  dat  sick  nemant  daer  up  vertroosten  schulde,  tceder 
van  dat  lant  leggen,  hielt  doch  mit  den  gantsen  hoop  gemeen,  gaff 
voor  wat  noot  ohne  daer  hen  drunge,  als  dat  de  Groningers  syne 
arme  lueden  daer  in  den  Dam  so  schwarlick  belecht  und  tho  tweemalen 
bestormet,  nochtans  van  den  Almachtigen  gereddety  weer  nu  der- 
halven  daer,  um  se  van  de  Groningers  tho  untsetten,  begeerde  se  dat 
beste  by  ohne  wullen  doen,  waar  door  de  knechten,  de  by  20000  sterk 
alle  lustig,  und  sick  tegen  ohre  viande  tho  bruken  gencget  tcerenr 
Somit  ist  auch  hier  Eggerik  Beningas  Bericht  fur  die  von 
Emmius  konzipierte  Rede  die  einzige  Quelle  gewesen.  Aber  nicht 
nur  fur  die  Thatsache  einer  von  Edzard  gehaltenen  Ansprache, 
sondern  auch  fast  fiir  alle  in  der  Rede  bei  Emmius  beriihrten 
Gedanken  giebt  Eggerik  Beninga  Anhaltspunkte.  Nur  der  Hin- 
weis  auf  die  Niederlage  der  Groninger  durch  Keno  ten  Brok 
und  Focke  Ukena  ist  von  Emmius  frei  erganzt.  Emmius  ver- 
wertet  hier  ausserst  geschickt  eine  historische  Reminiscenz. 
welche  der  Darstellung  selbst  an  dieser  Stelle  nur  forderlich  ist. 
Wir  haben  auch  bei  dieser  Rede  die  Feinheit  der  Conzeption, 
die  geschickte  Benutzung  des  gegebenen  Materials  und  die  weise 
M&ssigung  zu  bewundern,  mit  der  sich  Emmius  hier  durchaus 
im  Rahraen  der  historisch  gegebenen  Situation  zu  halten  weiss. 
Man  wiirde  fehlgehen,  wollte  man  annehmen,  Emmius  habe 
nun  Eggerik  Beninga  ftir  die  Zeit  und  far  die  Nachrichten,  fiir 
die  er  als  glaubwilrdiger  Zeuge  in  Betracht  kommen  muss, 
blindes  Vertrauen  geschenkt  und  seine  Angaben  unbesehen 
iibernommen.  Fast  iiberall  zeigt  er  vielmehr  auch  hier  Eggerik 
Beninga  gegentiber  eine  besonnene  Kritik.  Verh&ltnism&ssig 
zahlreich  sind  diejenigen  Stellen,  in  denen  Beningaschen  Nach- 
richten im  einzelnen  abweichende  Angaben,  insbesondere  Zahlen- 


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—     77     — 

angaben  gegeniiberstehen.  Wo  sich  fur  diese  ein  glaubwiirdiger 
Gewahrsmann  findet,  stellt  Emmius  sie  den  Beningaschen  ein- 
fach  gegeniiber,  ohne  sich  selbst  bestimmt  fur  den  einen  oder 
den  anderen  zu  entscheiden.  So  erzahlt  Emmius  z.  B.  im  An- 
schluss an  westfriesische  Quellen,  ira  Kampfe  Edzards  gegen 
Groningen  1501  seien  250  Burger  und  400  Soldaten  gefallen, 
daneben  aber  giebt  er  die  Notiz:  ^Grimershemius  solus  ad  ter 
mille  in  universum  cecidisse  diversis  casibus  memorat*  (p.  612).  Die 
1514  von  Edzard  nach  Geldern  abgelieferte  Geldsumme  betragt 
nach  geldrischen  Quellen  14,000,  nach  Eg.  Beninga  18,000 
Rheinische  Gulden  (Em.  hist.  p.  719).  Graf  Edzard  wirbt  zu 
den  1515  aufgebotenen  Bauern  aus  dem  Emsgau,  Brokmer- 
und  Reiderland  nach  Beninga  noch  800  Soldaten  an,  nach 
andern  600  (Em.  hist.  p.  739). 

Haufig  stehen  sich  auch  die  Angaben  Eggerik  Beningas  und 
die  des  Sicke  Benninge  gegeniiber,  so  giebt  ersterer  z.  B.  die 
Zahl  der  1514  von  Edzard  auf  seinem  Zuge  nach  Lengen  mit- 
genommenen  Leute  auf  800  an,  Sicke  dagegen  auf  etwa  100  (Em. 
hist.  p.  726).  Bedenklicher  schon  ist  die  Differenz  zwischen 
beiden,  wenn  in  dem  Seegefecht  bei  Delfziel  (1514)  Eggerik  den 
Ostfriesen,  Sicke  dagegen  den  Sachsen  den  Sieg  zuschreibt  (Em. 
hist.  p.  713).  Immerhin  ist  es  ein  Zeichen  der  Unparteilichkeit 
des  Emmius,  dass  er  hier  nicht  einfach  auf  die  Seite  Eggeriks 
tritt,  sondern  statt  dessen  beide  Auffassungen  einfach  registriert. 
Ausserdem  zeigt  sich  Emmius,  auch  wo  er  Beninga  folgt, 
manchmal  iiber  den  Sachverhalt  im  einzelnen  besser  unter- 
richtet,  30  dass  er  diesen  zurechtzurucken  imstande  ist.  So 
tibernimmt  er  aus  Beninga  (p.  151  f.)  die  Erz&hlung  tiber  Ocko 
ten  Broks  Aufenthalt  in  Neapel,  allerdings  nicht,  ohne  sich 
betreflfs  der  Verbiirgung  dieser  seltsamen  M&r  mit  den  Worten 
zu  verwahren:  »Quae  ego,  ut  damnare  falsi  simpliciter  nolim, 
ita  temere  credere  omnia  sane  non  ausimu  (hist.  p.  213).  Dabei 
zeigt  er  sich  aber  tiber  die  PersOnlichkeit  der  Konigin  Johanna 
von  Neapel  und  die  Verhaltnisse  an  ihrem  Hofe  weit  besser 
unterrichtet,  als  Beninga.  Wahrend  dieser  sie  zur  Witwe  eines 
erst  kiirzlich  verstorbenen  K5nigs  macht,  weiss  Emmius  tiber 
sie  zu  bemerken:  „quae  maritos  et  concubinos  in  annos  et 
menses  mutabat."  Auch  eine  von  Beninga  selbst  empfundene 
Liicke   ist  Emmius   imstande  auszuftillen.     Nachdem  Beninga 


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(p.  265)  berichtet  hat,  wie  der  gefangene  Ocko  ten  Brok  seine 
reiderl&ndischen  Unterthanen  ihres  Eides  entl&sst,  ftigt  er  hin- 
zu:  „So  veele  ick  averst  der  olden  schribenten  gelesen,  kan  ick 
nicht  gruntlich  vornemen,  wo  lange  he  daerna  gelevet,  wo  he 
umme  gekamen  und  waer  he  gesturven  is*.  Emmius  berichtet 
wahrscheinlich  auf  Grand  der  ihm  zur  Verfttgung  stehenden 
Tab.  Geneal.  (vgl.  cap.  VI  §  5),  welche  tiber  Begebenheiten 
der  Art  gute  Nachrichten  bringen:  ^Occonem  Brockmerium  septenni 
career e  r teens  liber atum  Nordae  mors  subita  abstulit.u 

So  bedeutsam  und  zahlreich  nun  aber  solche  Er- 
ganzungen  auch  sind,  so  ist  damit  doch  fiir  die  von  Beninga 
-flbernommenen  Nachrichten  ein  eigentlicher,  auf  kritischer 
Forschung  beruhender  Fortschritt  noch  nicht  gegeben.  Nach 
den  Ausfiihrungen  Mohlmanns  (Kritik  p.  129)  tiber  das  Verh&ltnis 
unserer  beiden  Geschichtschreiber  in  dieser  Beziehung,  die  in 
dem  Satze  gipfeln:  „durchgehends  aber  ist  ihm  (sc.  Emmius) 
in  Beninga  die  alleinige  Wahrheit  personifiziert",  kOnnte  es 
allerdings  so  scheinen,  als  ob  Emmius  den  Standpunkt  Beningas 
kaum  iiberschritten  h&tte.  Nun  ist  ja  gewiss  Mdhlmann  in 
sofern  recht  zu  geben,  als  es  Emmius  vermeidet,  mit  Ausnahme 
einiger  weniger  F&lle,  Eggerik  ausdrOcklich  zu  widerlegen.  Ihm 
aber  daraus  einen  Vorwurf  zu  machen  oder  gar  zu  behaupten, 
es  geschehe  dies  „um  auf  die  Ehre  der  Beningaschen  Chronik 
nichts  kommen  zu  lassena,  ist  durch  nichts  gerechtfertigt.  Es 
ist  eben  nicht  jedermanns  Sache,  tiberall  gegen  seine  Vorgftnger 
zu  polemisieren !  Es  w&re  falsch,  wollte  man  hier  einwenden, 
Emmius  habe  doch  die  Polemik  gegen  S.  Peters  und  Genossen 
oder  etwa  gegen  Hamelmann  nicht  gescheut;  dort  handelt  es 
sich  um  prinzipiell  zugespitzte  Gegens&tze,  hier  aber  um  ein- 
zelne  Versehen  eines  auf  objektiver  Grundlage  arbeitenden 
Chronisten. 

Dass  aber  Emmius'  Kritik  an  Beningaschen  Angaben  sich 
auch  auf  die  ostfriesischen  Berichte  der  letzten  Jahrhunderte, 
also  auf  Eggerik  Beningas  ureigenstes  Gebiet  erstreckt,  tritt 
bei  einem  Vergleiche  beider  deutlich  genug  zu  Tage.  Beninga 
(p.  151)  berichtet,  dass  Imel  ten  Brok  im  Jahre  1376  nach 
seinem  Vater  Keno  „eenes  natuerlichen  doodesa  gestorben  sei. 
Emmius  dagegen  weiss  zu  erz&hlen,  dass  dieser  Imel  vielmehr 
schon   1372,   also  vier  Jahre  vor  seinem  Vater  infolge  eines 


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Sturzes  mit  dem  Pferde  umgekommen  sei.  Es  handelt  sich  da- 
bei  nicht  etwa  um  die  willktirliche  Bevorzugung  einer  anderen 
in  diesem  Sinne  gehaltenen  Bemerkung  Eg.  Beningas  (p.  147), 
sondern  Emmius  geht  hier  mit  gutem  Recht  auf  seine  genea- 
logischen  Tabellen  zuriick,  zumal  Eggerik  Beninga  dabei  inter- 
essiert  war,  Imel  nach  seines  Vaters  Jode  sterben  zu  lassen. 
War  namlich  das  Ableben  der  beiden  ten  Broks  in  dieser  von 
Beninga  angegebenen  Zeitfolge  geschehen,  so  musste  damit 
notwendig  auch  Imels  einzige  Tochter  Adda,  die  Ahnfrau  des 
Beningaschen  Hauses,  als  rechtmassige  Erbin  der  ten  Brok- 
schen  Gtiter  und  der  thatsachlich  succedierende  Ocko  ten 
Brok  als  Usurpator  gelten.1)  Ferner  setzt  Beninga  (p.  478) 
die  Erwahlung  Ulrichs  von  Dornum  zum  Ftihrer  der  grossen 
Garde  und  seinen  Zug  gegen  die  Wurstfriesen  in  das  Jahr  1500, 
Emmius  (hist.  p.  587)  datiert  dagegen  diese  Dinge  richtig  ins 
Jahr  1499.  Das  sichere  Datum,  von  dem  aus  er  die  Ereig- 
nisse  berichtigt,  bietet  ihm  die  Schlacht  bei  Hemmingstedt 
(17.  Febr.  1500),  von  da  aus  ist  eine  Verlegung  des  Zuges 
gegen  die  Wurstfriesen  in  das  vorhergehende  Jahr  unvermeid- 
lich.  Aehnliche  Beispiele  bieten  noch  die  Nachrichten  von  der 
Aufnahme  der  Piraten  durch  die  ten  Broks :  Eg.  Beninga  p.  147  f. 
und  Emmius  hist.  p.  244  u.  a.  m.  Was  endlich  die  Abweichungen 
des  Emmius  von  der  Beningaschen  Darstellung  der  Entstehung 
des  Dollarts  betrifft,  so  mag  dafiir  nur  auf  die  Abhandlung  von 
Bartels  im  Jahrbuch  der  Emder  Gesellschaft  fiir  Kunst  und  Alter- 
tlimer  verwiesen  werden,  Bd.  I  p.  1  ff. :  Emmius  Mohlmann  und 
die  Entstehung  des  Dollarts,  wo  zugleich  die  Nichtigkeit  der 
Mohlmannschen  Vorwtirfe  gegen  die  Geschichtschreibung  des 
Emmius  an  diesem  Punkte  nachgewiesen  ist.  Zusammen- 
fassend  konnen  wir  tiber  das  Verhaltnis  von  Eggerik  Beninga 
und  Emmius  sagen,  dass  unser  Historiker  die  Beningasche 
Chronik,  einige  wenige  Falle  ausgenommen,  nur  da  benutzt, 
wo  der  ostfriesische  Edelmann  des  16ten  Jahrhunderts,  der 
Freund  und  Ratgeber  des  graflichen  Hauses,  der  Besitzer  des 
reichhaltigen  Grimersumer  Familienarchivs,  der  eifrige  Sammler 
alter  Urkunden  und  Vertrage,  als  durchaus  glaubwtirdiger  Zeuge 
erscheint.  Emmius1  Verdienst  ist  es,  den  besonders  im  ersten  Teile 


')  vgl.  Klinkenborg:  Geschichte  der  ten  Broks,  Norden  1895,  Beil.  L 


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—    80    — 

der  Chronik  aufgeh&uften  sagenhaften  StofF  einfach  iiber  Bord 
geworfen  zu  haben.  Wo  er  dennoch  die  eine  oder  andere  Er- 
z&hlung  dieser  Art  iibernimmt,  thut  er  es  nicht,  ohne  sich 
wegen  der  Glaubwilrdigkeit  des  Berichteten  ausdriicklich  zu 
verwahren.  Wo  er  Beninga  aber  in  seinen  Angaben  folgt,  thut 
er  dies  allemal  mit  gutem  Bedacht  und  nicht  ohne  eine  be- 
sonnene  Kritik,  die  dem  Historiker  Emmius  alle  Ehre  macht. 


§  2.   Das  Chronicon  Nordanum   und  die  v.  Wichtschen 

Annalen. 

Eine  Anzahl  Angaben  bei  Emmius1)  lasst  annehmen, 
dass  ihm  liber  die  Norder  Verhaltnisse  besondere  Quellen  zur 
Verftigung  gestanden  haben.  Das  Nachstliegende  ist,  hier  an 
die  Annalen  von  Ernst  Friedrich  von  Wicht  zu  denken,  deren 
Benutzung  uns  durch  die  Kollektaneen  hinlanglich  bezeugt  ist. 
Mohlmann2)  vertritt  denn  auch  die  Annahme,  dass  sich  die 
Kunde  des  Emmius  tiber  Norder  Ereignisse  mit  dem  decke, 
was  Eggerik  Beninga  und  von  Wicht  der  Norder  Chronik  ent- 
nommen  haben.  Er  sagt  iiber  die  nach  seiner  Meinung  aus 
Eggerik  Beninga  tibernommenen  Norder  Nachrichten:  „Die 
Stellen  betreffen  samtlich  Norden  und  sind  von  Beninga 
wahrscheinlich  der  von  ihm  benutzten,  jedenfalls  erst  nach 
1457  und  zwar  plattdeutsch  abgefassten  Norder  Chronik  ent- 
nommen,  weshalb  Emmius,  auch  wenn  er  sie  benutzt  hatte, 
von  einem  sehr  alten  Jahrbuche  nicht  wohl  sprechen  konnte.* 
Weiter  behauptet  er:  „Wenn  nun  durch  Obiges  zwar  nichts 
weniger  als  eine  direkte  Benutzung  der  Norder  Chronik  durch 
unsern  Verfasser  bestatigt  wird,  so  ist  doch  zu  benicksichtigen, 
dass  er  von  einigen  seit  1200  zu  Norden  gefeierten  Capiteln 
spricht,  woriiber  bei  Beninga  vergeblich  gesucht  wird,  doch 
findet  sich,  einige  Emmiussche  Zusatze  abgerechnet,  alles  wQrt- 
Uch  in  den  ihm  mitgeteilten  v.  Wichtschen  (Badeschen)  Annalen, 
und  durch  diese  klart  sich  die  Berufung  auf  das  sehr  alte  Jahr- 
buch  hinreichend  aufa. 


l)  so  z.  B.  hist.  p.  204,  212,  218  etc. 
a)  a.  a  0.  p.  131  f. 


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—    81     — 

Diese  Annahme  M5hlmanns  ist  schon  dadurch  widerlegt, 
dass  sich  unter  den  auf  dem  Konigl.  Staatsarchiv  zu  Aurich 
befindlichen  Manuskripten  aus  Emmius1  Nachlass  auch  ein 
Exemplar  der  Norder  Klosterannalen  findet,  welches  durch 
eigenhandige  Randbemerkungen  von  Emmius1  Hand  die  Be- 
nutzung  durch  diesen  zweifellos  macht.  Auf  jene  Hand- 
schrift  verweist  bereits  Dr.  Pannenborg  im  Jahrbuch  der 
Emder  Gesellschaft  fur  bildende  Kunst  etc.  vom  Jahre  1897. l) 
Da  der  an  jener  Stelle  in  Aussicht  gestellte  Abdruck  der 
Annalen  bisher  nicht  erfolgt  ist,  so  ist  hier  ein  n&heres 
Eingehen  auf  dieselben  notwendig.  Das  sauber  geschriebene 
Manuskript  entstammt  dem  Anscheine  nach  der  ersten  Halfte 
des  16ten  Jahrhunderts,  es  umfasst  auf  14  Quartseiten  An* 
gaben  aus  der  Zeit  von  1270  bis  1530.  Hierauf  folgen 
dann  nochT  von  anderer  Hand  geschrieben,  zwei  Seiten  mit 
Nachrichten  aus  dem  15ten  und  16ten  Jahrhundert,  besonders 
solchen  Daten,  welche  das  grafliche  Haus  betreffen;  diese 
sind  unterschrieben:  „Broder  Gerrit  van  Norden.tf  Die 
Annalen  stammen,  wie  bereits  Pannenborg  bemerkt,  aus 
dem  Dominikanerkloster,  es  geht  dies  aus  einzelnen  Nach- 
richten zur  Genxige  hervor.  Der  Inhalt  ist  zum  iiber- 
wiegenden  Teil  durch  von  Wicht  verwertet,  manches  ist  sogar 
wortlich  von  ihm  ubernommen.  Dies  ist  gleich  bei  der  ersten 
Nachricht  der  Fall,  sie  zeigt  zugleich,  wie  v.  Wicht  den  Worten 
der  Dominikanerchronik  aus  seinen  anderweitigen  historischen 
Kenntnissen  Erweiterungen  und  Erlauterungen  hinzuzuftigen 
pflegt: 

Annalen  des  Dominikaner-  v.Wichts  Annalen. 
klosters. 

Anno  1271  Dominus  Heidel-  Anno  1271    Eildeboldus   ar- 

boldus  Bremensis  archiepiscopus  chiepiscopus    Bremensis,    filius 

invisitFrisiamOrientalem.  Apud  comttis    a    Brockhusen,   invisit 

monachos  Nordae  diversatus  est,  Frisian*  Oricntalem,  et  Nordae 

pueros  confirmavit  et  missam  sol-  apud  monachos   diversatus  est, 

lenniter  celebravit.  pueros   confirmavit    et    missam 


l)  Bd.  XII  p.  4,  8  und  17 ;  in  dem  Artikel :  Eilart  Loringa  und  seine 
Genealogien,  vorher  aber  schon  in  den  G5ttinger  Gelehrten  Anzeigen  vom 
Jahre  1879,  Stack  90,  S.  940. 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  E.  a.  raterl.  Alterifimer  zu  Elm  den,  Bd.  XV.  6 


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—    82    — 

solcnni  ritu  celebravil.  Moritur  hie  archiepiscopus  anno  1273,  cum 
15  annos  rezisset,  ei  successit  in  gubernatione  Gisebertus  a  Brunc- 
horst,  qui  Frisios  Katellones1)  hello  domuit. 

Beiden  gegeniiber  zeigt  der  Emraiussche  Bericht  eine  ge- 
wisse  Selbst&ndigkeit  (Em.  hist.  p.  172):  y,Post  quae  Hildcbcldus 
Bremensis  praesul  Monasteriensium  exemplo  monitus,  ne  quid  sibi 
a  Frisiis  suae  dioeceseos  simile  accideret,  Nordam  ipse  venit,  extre- 
mam  provinciae  suae  in  sacrorum  cura,  et  Broecmeriis  Amasa- 
nisque  confinem.  Ibi  coram  omnibus  inspects  et  causis  offensionum 
ac  tumultuum  sublatis,  censura  sacri  ordinis,  quam  res  inquirebat, 
acta,  Dominicanae  familiae,  ad  quam  diverterat,  collegio  et  institute 
confirmato,  missa  decant  at  a,  denique  populo  officii  admonito,  et 
pietate  commendata,  ad  suos  rursus  discessit."  Selbst,  weim  man 
annimmt,  Emmius  habe  die  Kombination  der  Reise  des  Erz- 
bischofs  mit  den  munsterschen  Wirren  eigenmachtig  vollzogen, 
so  mtissen  doch  jedenfalls  die  Nachrickten  iiber  die  in  Norden 
geschlichteten  Streitigkeiten  und  iiber  die  Bestatigung  des 
Dominikanerklosters  auf  eine  Quelle  ausser  der  erhaltenen  Norder 
Handschrift  und  den  von  Wichtschen  Annalen  zunickgehen.2) 

Auch  die  Berichte  v.  Wichts  zeigen,  selbst  wo  dieser  der 
Norder  Chronik  augenscheinlich  Colgt,  gelegentlich  originale 
Ziige.  So  stimmt  zwar  die  Nachricht  uber  die  1277  erwahlten 
Friedensmanner  bei  beiden  genau  tiberein,  doch  schon  bei  der 
dritten  Nachricht  der  Norder  Annalen,  derjenigen  von  der  Flat 
im  Jahre  1277,  weicht  v.  Wicht  ab : 
Annalen  des  Dominikaner-  v.  Wichts  Annalen. 

klosters. 
ContradictiovideturannilJ277.  Huius   anni  initio,   nimirum 

Ob  varia  dissidia  vicinorum,  ne-  23.  Jan.,  et  sub  finem  huius  anni 

glectis  aggeribus  et  catarrhactis,  29  Decembr.  die  lunae  circiter 

25.  die  Decembris  absorbuit  33  horam  undecimam  horribilis  in 

pagos  ditissimos  Orientalis  Fri-  Frisia  inundatio  maris  fait,  quae 

siae,sito'sadGroningensium fines,  in  Eeidergonia  33   pagos    ab- 

inundatio  infestissima.  sorpsit.  Sequentibus  enim  tribus 


l)  Kadeloni  (Kadeleni)  ist  bei  v.  Wicht  und  Worp  die  Bezeichnung 
fOr  Kedinger. 

s)  Dass  hier  etwa  das  von  Wiarda  I.  p.  229  unter  andern  fur  diese 
Bi8chofsreise  citierte  alte  Manuskript  einer  „  Historic  von  Ostfriesland* 
Emmius'  Quelle  gewesen  sei,  ist  nicht  anzunehmen,  da  jenes  die  Reise  ins 


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—     83    — 

annis  post,  cum  mare  iterum  valde  exaestuaret  et  aggeres  restourari 
non  poterant,  limo  maris  paulatim  obruti  stmt,  locumque  istum  mise- 
rabilem  de  Dullerth  nominarunt. 

Die  iiberwiegende  Mehrzahl  der  Nachrichten,  welche  die 
Norder  Handschrift  enth&lt,  ist  durch  v.  Wicht  mit  geringen 
Abanderungen  und  Zus&tzen  tibernommen.  Es  handelt  sich 
hier  urn  folgende: 

1288  Stifbung  der  St.  Andreaskirche  in  Norden  und  Ein- 
weihung  des  neuen  Kirchhofes;  1296  Brand  in  Norden;  1300 
Generalkapitel  der  Dominikaner  in  Norden1);  1314  Besuch  des 
Erzbischofs  von  Bremen;  1318  Besetzung  des  Dominikaner- 
klosters,  Einsturz  der  Kirche;  1321  (1323) 2)  Versammlung  am 
Upstallsboom;  1337  Kapitel  der  Dominikaner;  1344  (1345) 
Kriegszug  Wilhelms  von  Holland;  1349  Pest;  1350  Kloster 
Marienkamp  wiederhergestellt ;  1353  Zerstflrung  der  Aldersna- 
schen  Burg  in  Lintel;  1358  Besetzung  des  Dominikanerklosters, 
Abschaffung  der  Friedensm&nner  in  Norden;  1360  die  Pest  in 
Norden;  1361  Marcellusflut;  1367  Niederlage  des  Graf  en  von 
Oldenburg;  1368  Bau  der  Briicke  beim  Minoritenkloster  in 
Emden;  1372  Imel  Kenesna  und  Evenardus  Jtzinga  f;  *373 
Bedden  (Boder)  erobert,  Niederlage  Ulrich  Cirksenas;  1374  (73) 
Dionysiusflut,  1377  Ocko  ten  Brok  und  Christian  von  Olden- 
burg erobern  zwei  Burgen  (nach  den  Norder  Annalen  in 
Wittmund,  nach  v.  Wicht  in  „Wymodiaa3),  Keno  Keensna, 
Remboldus  Elenga  und  Boyo  Martesna  ermordet,  zweite 
Dionysiusflut;  1378  Kempo  von  Emden  f&llt;  1389  (84)  Pro- 
vinzial  -  Kapitel  in  Norden;  1390  Ocko  ten  Brok  ermordet; 
1400  die  Pest  in  Ostfriesland ;  1407  (1408)  ZerstSrung  von 
Norden  und  Pilsum  durch  die  Hamburger  und  Ltibecker;  1411 
Einsturz  des  Norder  Turms,  Ermordung  vieler  Vornehmer, 
Sturm  in  Nesse  und   Dornum;   1413  Keno  ten   Brok  erobert 


Jahr  1273  setzt  Das  genannte  Mskr.  kann  eher  von  Emmius  abhangig 
sein,  zumal  gerade  durch  Em.  wegen  der  hist.  p.  171  am  Rande  stehen- 
den  Jahreszahl  1273  jener  Irrtum  in  der  Datierung  leicht  entstehen  konnte. 

')  Die  Norder  Annalen  haben  hier  1309,  doch  ist  dies  jedenfalls  nur 
ein  Schreibfehler, 

*)  Die  eingeklammerten  Zahlen  etc.  bedeuten  Angaben  v.  Wichts. 

*)  Nach  der  Herrn  Dr.  Klinkenborg  in  Berlin  gehSrigen  Abschrift, 
die  MShlmann  im  Jahre  1827  von  dem  jetzt  verlorenen  Originale  nahm. 


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-     84    — 

Emden;  1414  Evenardus  Jtzinga  f;  1415  Groningen  erobert; 
1417  (18)  Keno  ten  Brok  f;  1420  Eroberang  von  Stavoren; 
1422  Heirat  der  Hyma  Jtzinga;  1426  Treffen  bei  Detern;  (1427) 
Schlacht  auf  den  wilden  Aeckern ;  1430  Besetzung  des  Domini- 
kanerklosters  in  Norden  mit  Htllfe  der  Bremer  und  Oldenburger ; 
1437  (34)  Focko  Ukena  f;  1438  Besetzung  von  Larrelt;  1441 
Tammo  Kankena  gefangen,  Edzard  und  Hajo  Hartema  (Har- 
relda)8)  f;  1442  Hajo  Elstena  von  Nesse  f;  1448  Abfall  Wanger- 
lands  von  Ulrich;  1449  (47)  Wiederherstellung  der  Auricher  Burg; 
1452  Sibo  von  Esens  schl&gt  die  Hamburger  bei  Osterhusen ;  1454 
Ulrich  I.  heiratet  Theda  Ukena;  1457  Zug  Sibos  von  Esens 
gegen  Oldenburg;  1459  Turm  zu  Marienhafe  erbaut,  grosse 
Hungersnot;  1462  Erbauung  der  Schleuse  in  Greetsiel  und  der 
Burg  in  Wittmund;  1464  Ulrichs  I.  und  Sibos  Standeserhohung; 
1466  Ulrich  I  f;  1474  (73)  Sibo  von  Esens  f;  1477  Reepsholt 
erobert,  Btindnis  Thedas  mit  dem  Erzbischof  von  Bremen,  Flut 
an  Petri  Kettenfeier,  1491  Graf  Enno  f;  1492  Einfall  des 
Bischofs  von  Miinster,  Teuerung  im  Lande;  1494  Grafin  Theda  f; 
1495  Edzards  Zug  gegen  Jever;  1497  Treffen  bei  Westerholt; 
1499  Junker  Fox  f;  Edzards  Einfall  in  Groningerland,  Alberts 
Ankunft  in  Friesland,  Heinrich  von  Sachsen  in  Franeker  be- 
lagert ;  1500  die  grosse  Garde  zieht  gegen  die  Dithmarsen,  1501 
Schlacht  Edzards  gegen  die  Groninger;  1505  Klosterkirche  in 
Sielmonken  vollendet;  1507  Graf  Uko  f;  1509  grosse  Flut; 
1514  die  s&chsische  Fehde,  Edzard  weigert  den  Groningern  die 
Eidesentlassung,  Edzard  schlagt  die  Braunschweiger,  2200  (2000) 
Mann  fallen,  Niederlage  der  Ostfriesen  bei  Stickhausen;  1515 
in  vigilia  Martini  (circa  festum  Michaelis  1517),  Edzard  erobert 
Friedeburg;  1515  (1517)  Edzard  erhalt  Stickhausen  zurfick; 
1516  (1517)  Edzard  sohnt  sich  mit  dem  Kaiser  aus ;  1528  Graf 
Edzard  f;  1529  Verlobung  des  Grafen  Enno;  1530  Heirat  des- 
selben;  1530  Zug  Ennos  gegen  Balthasar  von  Esens. 

Aus  dieser  Zusammenstellung  erhellt  leicht,  dass  weitaus 
die  meisten  Nachrichten  aus  der  nur  14  Seiten  umfassenden 
Norder  Handschrift  in  die  von  Wichtschen  Annalen  tiber- 
gegangen  sind.  Dabei  ist  aber  bei  von  Wicht  immerhin  noch 
einiges  unberiicksichtigt  geblieben.  Es  sind  dies  zun&chst  die- 
jenigen  Notizen,  welche  sich  auf  allgemeine  Weltereignisse  be- 
ziehen  und  auf  einen  gewissen  weiteren  Blick  des  Verfassers 


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—     85     — 

schliessen  lassen.  Der  Norder  Chronist  verzeichnet  an  der- 
artigen  Ereignissent  die  nicht  nur  iiber  seine  Klostermauern, 
sondern  auch  uber  die  Grenzen  seiner  engeren  Heimat  hinaus- 
reichen,  folgende:  1292  Thronbesteigung  Adolphs  von  Nassau; 
1366  Einnahme  der  Stadt  Bremen  durch  den  Erzbischof;  1378 
Beginn  des  Schismas.  Ferner  auch  eine  Anzahl  Nachrichten 
von  ausgesprochen  lokaler  Farbung,  fur  deren  Uebergehung 
durch  von  Wicht  sich  eine  zureichende  Erkl&rung  schwerlich 
wird  beibringen  lassen:  ^Anno  1345  arcta  fames  urgebat  nostros, 
ac  tanta  fuit  annonae  caritas,  ut  modicus  constant  ac  emeretur 
400  solicits  sterlingiorum  (ea  autem  moneta  Anglica  est)  ac  multa 
hotnimtm  millia  fame  et  peste  perirent*.  Zu  der  Nachricbt  tiber 
die  zweite  Dionysiusflut  wird  noch  hinzugeftigt :  nEadem  hyeme 
naufragia  innurnerabilia  facta  stmt.  Hie  annus  quoque  pestUentia 
infamis  fuit  in  Frisia  Orientali.  —  Anno  1378  translatae  sunt  soro- 
res  de  Jlada  ad  S.  Margaretam  in  Diclchusen".  1392  vergeblicher 
Zug  des  Graf  en  von  Holland  gegen  die  Friesen.  [9Anno  1420 
nobilis  et  strenuus  Dn.  Ocko  Keensna  armis  et  valido  exercitu  ex- 
pugnavit  castrum  in  Jariz.al)\  —  ^1422  gravi  pestUentia conflictati  sunt 
Frisii.  —  Anno  1434  multi  foederati  in  mari  mersi,  interfecti  ac  capti 
sunt  in  portu,  qui  dicitur  Jade,  a  strenuo  capitaneo  Sibodo.  —  Anno 
1435  in  die  Marthae  virginis  interempti  sunt  nobiles  Dns.  Sibodus 
et  Udo  a  strenuo  ac  fortt  mro  Edzardo  et  foederatis  Brockmanno- 
rum  et  Hamburgensium  et  in  choro  fratrum  praedicatorum  sepulti.  — 
Anno  1437  concessa  est  iurisdictio  antiquae  ac  novae  terrae  Norden- 
sis  EcUtardo  Ydzinga,2)  filio  Evenardi,  quoad  vita  ei  suppeteret.  — 
Anno  1439  Bna.  Hebe*)  Yteinga  defuncta  est,  sepultaque  iuxta 
maritum  in  choro.  —  Anno  1441  proscripti  occuparunt  LarUh,  qui 
tamen  post  paullo  in  manus  victorum  devenerunt.  —  1441  Quibus 
(sc.  Edzard  Cirksena  et  Hajo  Harles)  mortuis  pax  ac  tranquillitas 
magna  consecuta  est,  cum  summa  imperii  penes  Ulricum  filium 
Edgar di  YcLsinga2)  esset.  —  Anno  1444  Ulrico  dynasta  dido  rerum 
praeside  et  indicia  legesque  administrante  in  pace  fuit  Frisia.  —  1456 


*)  Diese  Lesung  teilt  mir  auf  eine  nachtr&gliche  Anfrage  Herr 
Archivrat  Dr.  Wachter  freundlichst  mit  und  erkennt  darin,  sicher  mit 
Recht,  „  Jaueris"  (Jever),  vgl.  Beninga  S  207  und  v.  Wicht  z.  J.  1420,  deren 
Quelle  an  dieser  Stelle  bhne  Zweifel  die  Norder  Annalen  waren. 

•)  Emm.  korr.:  ,Circzena". 

*)  Emmiii8  korrigiert:  .Hyma*. 


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—     80     — 

Coenobium  Appinge  occupatum  est  a  carmelitis  monachis"  —  Bei 
einigen  dieser  Nachrichten,  wie  bei  den  letzterw&hnten,  ist  die 
Nichtbenutzung  durch  von  Wicht  vielleicht  dadurch  zu  er- 
klaren,  dass  sie  dem  nachsten  Zwecke  seiner  Annalen  ferner 
lagen ;  andere,  wie  die  liber  den  Frieden  zu  Ulrichs  Zeiten,  hat 
er  vielleicht  nicht  ausdriicklich  zu  konstatieren  fur  notig  be- 
funden.  Jedenfalls  bleiben  aber  auch  dann  noch  einige  ubrig, 
fur  deren  Fehlen  es  schlechterdings  keine  Erkl&rung  giebt, 
doch  sind  diese  nicht  von  derartiger  Wichtigkeit,  dass  man 
darum  annehmen  mtisste,  v.  Wicht  habe  die  Nachrichten  der 
Norder  Handschrift  gar  nicht  in  dern  uns  vorliegenden  Um- 
fange  gekannt. 

Fur  die  Datierung  bietet  die  Norder  Handschrift  selbst 
wenig  Anhaltspunkte  dar.  Pannenborg1)  nimmt  an,  dass  die 
Nachrichten  bald  nach  dem  Jahre  1530  zusamraengestellt  seien. 
In  Bezug  auf  das  uns  vorliegende  Exemplar  trifft  das  gewiss 
zu,  es  reicht  bis  zum  Jahre  1530.  und  wir  haben  alien  Grand, 
seine  Anfertigung  nicht  zu  weit  uber  dieses  Jahr  hinabzu- 
setzen.2)  Nun  handelt  es  sich  aber  bei  unserm  Exemplar 
sicherlich  um  eine  Abschrift  bezw.  einen  Auszug.  Schon  die 
gleichmassigen  Schriftzuge  sprechen  dafiir,  dass  nicht  etwa 
die  Nachrichten  der  letzten  Jahre  parallel  mit  den  Ereignissen 
selbst  erst  hinzugefugt  sind.  Ausserdem  aber  sprechen  einige, 
wie  bereits  bemerkt,  von  Emmius  korrigierte  Fehler  deutlich 
fiir  einen  Abschreiber.  So  konnte  ein  Mann,  der  diese  immer- 
hin  von  einigen  historischen  Kenntnissen  zeugenden  Annalen 
zusammenstellte,  nicht  wohl  schreiben.  Die  Thatsache,  dass 
die  Nachrichten  vom  Beginn  der  sachsischen  Fehde  etwa  aus- 
fuhrlicher  und  eingehender  werden,  scheint  deutlich  daranf 
hinzuweisen,  dass  wir  hier  gleichzeitigen  Aufzeichnungen  gegen- 
iiberstehen.  Von  dieser  Fehde  selbst  heisst  es:  ^bettum  durissi- 
mumprincipi  nostro,  comiti  Edeardo*  Auch  dieses  deutet  auf  eine 
zu  Edzards  Lebzeiten  geschriebene  Nachricht  hin,  da  man  sich 


!)  a.  a.  0.  Bd.  XII.  p  4. 

*)  Hierfur  spricht  nicht  nur  die  auasere  Beachaffenheit  der  Hand- 
schrift, sondern  vor  allem  der  Umstand,  dass  sich,  wie  bereits  erwShnt, 
am  Schluss  der  Annalen  noch  offenbar  eigenhftndige  Eintragungen  eines 
„Broder  Gerrit  van  Norden",  also  jedenfalls  eines  Norder  Dominikaner- 
monches  finden. 


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87     — 


nach  seinem  Tode  wohl  etwas  anders  wiirde  ausgedruckt  und, 
wollte  man  iiberhaupt  dann  noch  von  ihm  als  dem  „  princeps 
nostera  sprechen,  einen  Hinweis  auf  seinen  Tod  schwerlich 
wiirde  unterlassen  haben.  Das  Weitere  iiber  das  Alter  und  die 
Vorlage  der  Annalen  wird  der  Befund  des  v.  Wichtschen  Werkes 
ergeben.  Jedenfalls  aber  enthalt  unsere  Handschrift,  auch  wenn 
man  eine  Entstehung  der  Nachrichten  erst  nach  1530  annimmt, 
die  alteste  zeitgenossische  Charakteristik  Edzards  des  Grossen. 
Dieselbe  ist  zum  tiberwiegenden  Teil  in  die  v.  Wichtschen  An- 
nalen iibergegangen,  doch  zeigt  sie  trotzdem  diesen  gegeniiber 
noch  einige  originale  Ztige,  die  bei  der  Bedeutung  des  Gegen- 
standes  eine  Gegenfiberstellung  beider  Berichte  wohl  der  Miihe 
wert  erscheinen  lassen: 


Annalen  des  DominiJcaner- 
klosters. 

„Anno  1528  14.  February  c 
vita  decessit  generosus  dn.  ac 
princepsFrisiae  Orientalis  Comes 
Edmrdus,  totius  Frisiae  dectts 
ac  lumen,  princeps  hello  acer- 
rimus,  virtute  eximius,  sancti- 
tate  praecipuus  ac  nulli  secun- 
dns  sui  seculi,  vel  fortitudine 
animique  magnitudine  adversus 
hostes,  vel  fide  in  amicos,  vel 
iustitia,  lenitate,  dementia  erga 
subiedos.  Quod  autem  omni 
studio  animoque  contenderit  ac 
omni  ope  operaque  enisus  sit, 
niaxumasqtie  res  gesserit,  id 
libertatem  Frisiae  tueretur,  id 
perspicuwn  est  constatque  inter 
omnes.  — 


v.  Wichts  Annalen. 

„Anno  1528  Edzardus  comes 
Frisiae  Orientalis  aetatis  suae 
66  Emdae  e  vivis  excessit  d. 
14.  Febr.  totius  Frisiae  dents 
et  gloria.  Princeps  bello  acer- 
rimus,  ac  nemo  fere  illi  secun- 
dus  fortitudine  et  animi  magni- 
tudine vel  fide  in  amicos  vel 
iustitia  lenitateque  et  dementia 
erga  subditos.  Amplectebatur 
veram  Evangelii  lucem  a  Luthero 
divinitus  restauratam,  eiusque 
libros  diligenter  legebat,  unde 
certum  est,  fulsisse  in  ipso  veram 
fidem   et  agnitionem  fili  Dei}) 


l)  Fur  den  Lutheraner  v.  Wicht  versteht  es  sich  von  selbst,  dass 
er  auch  der  Stellung  Edzards  zur  Reformation  gedenkt,  charakteristisch 
fur  die  Reformationspraxis,  wie  fur  die  PeraSnlichkeit  des  grossen  Grafen 
ist  es  dagegen,  dass  auch  der  Klosterbruder  ihn  als  „sanctitate  praecipuus K 
bezeichnen  kann. 


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—     88     — 

Dann  berichtet  v.  Wicht  von  den  letzten  Ermahnungen  des 
sterbenden  Grafen  ...  vet  ut  subditi  e  fUiis  suis  unum  sibi  dige- 
rcnt  dominum,  qui  ipsi  in  gubernatione  succederel,  instanter  rogavit.* 
Abgesehen  von  dem  letzten  Passus  fslllt  die  nahe  Verwandt- 
schaft  zwischen  den  v.  Wichtschen  und  den  Annalen  des 
Dominikanerklosters  wiederum  deutlich  in  die  Augen ;  v.  Wicht 
hat  in  der  Charakteristik  Edzards  einen  grossen  Teil  einfach 
iibernommen.  Trotz  dieser  engen  Beziehungen  steht  er  aber 
doch  an  mehr  als  einer  Stelle  zu  Angaben  der  Norder  Hand- 
schrift  in  direktem  Widerspruch.  So  berichtet  diese  zum  Jahre 
1430:  vEodem  anno  destructum  est  ac  solo  aequatum  castrutn  in 
Lehr  a  sociis  et  foederatisuy  w&hrend  v.  Wicht,  offenbar  im  An- 
schluss an  Eggerik  Beninga  p.  279,  angiebt :  ^Arx  Lerhana  feme 
ad  deditionem  compulsa  capta  est11,  und  dieses  Ereignis  zugleich 
richtig  ins  Jahr  1431  setzt.  Auch  in  Beziehung  auf  die  Herkunft 
des  ungetreuen  Drosten  Engelmann  widersprechen  sich  beide, 
statt  „natus  in  dioecesi  Trajectensi",  giebt  v.  Wicht  richtig  an: 
„in  dioecesi  Monasteriensi  natus". 

Am  deutlichsten  aber  tritt  der  Gegensatz  der  beiderseitigen 
Berichte  zu  Tage  beim  Tode  Albrechts  von  Sachsen ;  hier  lehnt 
sich  v.  Wicht  offenbar  wiederum  gegen  den  Norder  Bericht  an 
Eggerik  Beninga  p.  475  an.  Die  Norder  Handschrift  weiss  von 
einer  Verwundung  des  Herzogs  zu  erzahlen,  der  er  erlegen  istr 
eine  Auffassung,  die  uns  auch  in  einigen  westfriesischen  Quellen 
entgegentritt.  Es  ist  dies  um  so  bemerkenswerter,  als  wir  es 
hier  mit  einem  Zeugnis  zu  thun  liaben,  welches  den  Ereignissen 
zeitlich  noch  ziemlich  nahe  steht.  Der  Bericht  lautet:  ^Caeterum 
dictus  dux  Albertus  cum  muUis  principibus  postea  suscepta  expe- 
ditione  adversus  Groningenses  bombardae  globo  ictus,  ut  fertur, 
morte  occubuit,  intestina  autem  eius  Emedae  in  templo  sepulta  sunt*. 
An  dieser  Stelle,  und  wo  er  sonst  mit  seiner  Vorlage  in  Wider- 
spruch steht,  ist  v.  Wicht  anscheinend  mit  Bewusstsein  von 
derselben  abgewichen,  da  ihm,  in  der  Regel  mit  Recht,  die 
Beningasche  Auffassung  glaubwtirdiger  erschien.  Dabei  liegt 
kein  Grand  vor,  anzunehmen,  dass  v.  Wicht  etwa  die  ent- 
sprechenden  Berichte  der  Norder  Annalen  nicht  gekannt  habe. 
Befremden  aber  muss  es,  dass  er  an  der  Stelle,  wo  er  aus- 
driicklich  einer  Norder  Chronik  gedenkt,  dieser  gerade  eine 
Nachricht  zuschreibt,  die  mit  der  uns  erhaltenen  Norder  Hand- 


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—    89    — 

schrift  in  direktem  Widerspruch  steht.  Es  handelt  sich  urn 
den  Kampf  Ulrichs  I.  und  Sibos  von  Esens  gegen  Jever  im 
Jahre  1457.  Die  Annalen  des  Dominikanerklosters  berichten 
zu  diesem  Jahre:  „ai  eodem  anno  eos  vicit  praelio  Tanne  up 
Sendorper  Zill.a  v.  Wicht  dagegen  erz&hlt:  ^Brevi  tamen  post 
Tammo  restauratis  viribus  iterum  cum  iUis  congressus  est  up  Nen- 
dorpersyl  vel,  secundum  Nordanum  Chronicon,  apud  Campeschlott 
victoriam  obtinuit,  quamvis  ea  non  diu  duravit."  Eine  Verwechse- 
lung  der  beiden  Ortsbezeichnungen  durch  v.  Wicbt  ist  aus- 
geschlossen,  da  auch  Eggerik  Beninga  (p.  340)  zu  den  genannten 
Ereignissen  bemerkt:  „De  Norder  Chronica  meldet,  dat  idt  tho 
Camper  Schloet  sol  geschehen,  und  aldaer  Hero  Mauritz  mil  mehr 
anderen  gefangen  syn.u 

Es  ergiebt  sich  demnach,  dass  v.  Wicht,  oder  doch  jeden- 
falls  Beninga,  eine  Norder  Chronik  vorgelegen  haben  muss, 
welche  mit  den  uns  erhaltenen  Annalen  nicht  wohl  identisch 
sein  kann.  Ffir  diese  Annahme  spricht  zugleich  der  Befund 
der  v.  Wichtschen  Annalen.  Es  finden  sich  namlich  in  diesen 
zahlreiche  Nachrichten  von  spezifisch  lokaler  Farbung,  die  in 
den  Norder  Klosterannalen  in  der  uns  erhaltenen  Form  fehlen, 
dabei  aber  doch  auf  die  Herkunft  aus  einer  diesen  gleichartigen 
Quelle  deutlich  genug  hinweisen.  Die  Nachricht  von  der  in- 
folge  innerer  Unruhen  erfolgten  Errichtung  einer  Burg  in  Norden 
im  Jahre  1285  freilich  kann  wohl  aus  Eggerik  Beninga  (p.  139) 
tibernommen  sein,  wenngleich  dann  dieser  doch  wiederum  auf 
die  Norder  Quelle  wird  zurflckzufllhren  sein.  Dagegen  lasst 
sich  ftir  die  Nachricht  v.  Wichts  zum  Jahre  1350:  „Sw&  idem 
tempus  templum  in  Ostringfelde  restaur atur  ordinaturque  et  donatur 
ibi  coenobium  virginum  ordinis  praedicatorum  Nordensium,  quod 
78  annos  devastation  fuerat*  weder  eine  Beziehung  zu  Eggerik 
Beninga  noch  sonst  eine  bestimmte  Quelle  nachweisen.  Das- 
selbe  ist  der  Fall  bei  folgenden  Nachrichten  v.  Wichts:  1422 
„/n  festo  autem  nativitatis  virginis  Mariae  celebratum  est  capitulum 
prindpale  quartum  Nordae.*  1430:  ^Hoc  anno  Vdo  Itzinga  Cap. 
Nordanus  destruit  munUissimam  turrim  templi  Arreliae,  quam  hostes 
eius  occuparant  et  praesidiis  munierant.  Hie  Vdo  vir  strenuus  ac 
fortis  fuit,  ac  Nordae  propriam  monetam  cudit,  et  submerso  Westelae 
pago  novum  aggerem  exstrui  sternique  curavit  ab  aquaeductu  Nordano 
Ostelam  usque.    Fuit  ille  Fochonis  filius  et  patri  praedictis  praeliis 

5* 


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—     90     — 

cum  Nordanis  fidelem  operant  tulit.*  Nach  Analogie  des  oben 
angeftthrten  Berichtes  fiber  den  Besuch  des  Erzbischofs  in 
Norden  im  Jahre  1271  und  anderer  aus  den  Annalen  des 
Dominikanerklosters  bei  v.  Wicht  wiedergegebener  Nachrichten 
kdnnte  dieser  auch  hier  den  ersten  Satz  aus  einer  bestimmten 
Quelle  tibernommen  und  dann  die  Bemerkung  von  „Hic 
Udou  ab  selbstandig  hinzugefiigt  haben.  Hierher  gehoren 
ferner  die  Nachrichten  der  v.  Wichtschen  Annalen:  vAnno 
1449  celebraium  est  capitulum  principale  quintum  in  Norda  ipso  die 
Jacobi  apost.  i.  e.  die  25  Jtdii.  Sub  idem  iempus  agger  iste  Achner- 
dam  dictus  a  Nordensibus  et  Harlingensibus  exstrui  coeptus  est.  — 
Anno  1502  Coenobium  Praedicatorum  Nordensium  in  praesentw 
duorum  Comitum,  duorum  Abbatum,  4  Doctorum  aliorumque  praeda- 
rorum  virorum  est  reformatum."  Zum  Jahre  1509:  9Hoe  anno 
horribile  fuit  incendium  Nordae,  quod  in  aedibus  cuiusdam  tonsoris 
prope  coemiterium  fratrum  Praedicatorum  ortum,  ventis  mirum  in 
modum  saevientibus  per  septentrionalem  fori  partem  perque  plateam 
coenobialem  ac  molarem  usque  ad  longam  plateam,  quae  nova  via 
nuncupatur,  omnes  civium  aedes  conflagravit  ac  in  cinerem  redegU* 
Weiter  gehOrt  dahin  wohl  noch  die  Normannenschlacht  bei 
Norden  und  die  ErzShlung  vom  Bremer  Erzbischof  Rembert, 
die  Grtindung  des  Dominikanerklosters  1264  *),  sowie  die  Ein- 
richtung  desselben  durch  Gerhard,  den  Abgesandten  des  Konigs 
von  Frankreich  1268,  etc. 

Nach  alledem  liegt  die  Annahme  nahe,  dass  v.  Wicht 
sowohl  wie  Eggerik  Beninga  eine  grosse  Norder  Chronik 
vorgelegen  hat,  welche  an  Umfang  des  beschriebenen  Zeit- 
raumes  wie  auch  an  Ausdehnung  der  Nachrichten  weit  uber 
den  Inhalt  der  uns  erhaltenen  Norder  Handschrift  hinausgeragt 
haben  muss.  Die  Rolle,  welche  der  Dominikanerorden  und  seine 
Geschichte  auch  in  diesen  Nachrichten  spielt,  l&sst  weiter  darauf 
schliessen,  dass  es  sich  bei  dieser  urspriinglichen  Norder  Chronik 
gleichfalls  um  eine  Chronik  aus  dem  dortigen  Dominikaner- 
kloster  gehandelt  habe.  Das  Verhaltnis  der  grossen  Chronik 
zu  den  uns  erhaltenen  Annalen  wird  sich  im  Wesentlichen 
dahin  bestimmen  lassen,  dass  wir  in  jenen  einen  Auszug 
bezw.  Abschriften  von  einzelnen  Nachrichten   der  Chronik  vor 


*)  benutzt  von  Eggerik  Beninga  p.  118. 


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—    91     — 

uns  haben.  Ausser  den  Momenten,  welche  die  Annalen- 
handschrift  als  Abschrift  charakterisieren,  l&sst  noch  eine  Be- 
merkung  in  denselben  darauf  schliessen,  dass  es  sich  nur  um 
Ausziige  aus  einer  grdsseren  Chronik  handeln  kann.  Zu  dem 
Zuge  des  Grafen  Wilhelm  von  Holland  im  Jahre  1345  wird 
bemerkt:  v  Quanta  auiem  ilia  victoria  fuerit  nostrorutn,  satis  facunde 
ac  lueulenier  Froscardus  ac  reliqui  Gallic*  historiographi  celebrarunt 
in  monumentis  annalium  suarwn,  cttm  interim  Qermamci  historici 
emu  pugnam  et  helium  satis  frigide,  immo  veto  falso  tnaligneque  me- 
moriae prodant  ac  perscribant.u  —  So  hatte  wohl  ein  Mann, 
welcher  die  kurzen  geschichtlichen  Notizen  unserer  Annalen 
zusammenstellte,  kaum  geschrieben.  Dagegen  erklart  sich 
diese  sonst  dem  Gesamttenor  der  Annalen  fremde  Reflexion 
leicht,  wenn  wir  annehmen,  dass  es  sich  hier  um  eine  aus  der 
grosseren  Chronik  zufallig  mit  tibernommene  Erw&gung  des 
Chronikschreibers  handelt. 

Ueber  den  Zeitraum,  welchen  jene  ursprtingliche  Domini- 
kanerchronik  umfasste,  lassen  sich  unbedingt  sichere  Angaben 
nicht  machen.  Die  aitesten  Nachrichten,  welche  wir  mit  ziem- 
licher  Wahrscheinlichkeit  auf  die  Chronik  werden  zurtickfuhren 
dtofen,  sind  die  ins  Jahr  882  gesetzte  Normannenschlacht 
und  die  Erw&hnung  der  Missionierung  Frieslands  unter  Karl 
dem  Grossen;  von  dort  an  wird  die  Chronik  dann  jedenfalls 
bis  auf  das  Jahr  1530  hinabgereicht  haben.  Die  erw&hnte 
Nachricht  von  der  Missionierung  Frieslands  unter  Karl  dem 
Grossen,  wie  wir  sie  aus  v.  Wichts  Annalen  entnehmen  konnen, 
bietet  zugleich  eine  Handhabe  ftir  die  Datierung  der  Norder 
Chronik.  An  jener  Stelle  bei  v.  Wicht  ist  davon  die  Rede,  wie 
die  Bewohner  von  Reidergo,  Emsgo  und  der  Insel  Bant  Ge- 
sandte  an  Karl  geschickt  h&tten,  mit  dem  Versprechen  der 
Unterwerfung  ftir  den  Fall,  dass  er  ihnen  Missionare  senden 
wtirde,  die  der  Landessprache  machtig  wiiren:  ^Carolus  hortmi 
precibus  commotus,  misit  eis  Ludgerum,  qui  Frisonicam  linguam 
perfecte  novit,  uti  Friso  ex  utroque  parente  natus  ac  in  Frisia  nu- 
tritus,  ac  insuper  latinamy  anglicam,  gallicam  el  germanicam  per- 
pulchre  calluit,  qui  brevi  idolatricos  cultus  abolens,  multum  sacra 
condone  et  ecclesiarum  reformations  ibi  profecit,  itaque  exinde  credo 
hudgerum  apud  Nordanos  patronum  ecclesiae  coli  ac  celebrari,  ubi 
et  templum  in  eius  memoriam  eonstructttm  est,  quod  Ulricus  comes 


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nostro  seculo  condito  excelsae  ibidem  magnitudinis  choro  restauravit.* 
Nun  ist  dieser  Chorbau  vom  Grafen  Ulrich  im  Jahre  1445 
ausgefflhrt,1)  es  konnte  also  v.  Wicht,  der  etwa  urn  1600 
schrieb,  von  sich  aus  nicht  wohl  behaupten,  dieser  Bau  sei 
„nostro  seculo"  ausgefflhrt,  er  muss  vielmehr  den  ganzen  Passus 
wflrtlich  aus  einer  Quelle,  welche  fiir  ihre  Zeit  so  sprechen 
konnte,  tibernommen  haben.  Der  Schluss  aber,  dass  hier,  wo 
es  sich  urn  Norder  Angelegenheiten  handelt,  die  grosse  Norder 
Dominikanerchronik,  deren  Vorhandensein  wir  im  Vorhergehen- 
den  nachwiesen,  die  Quelle  gewesen  sei,  ist  nur  natftrlich. 
Von  da  aus  wflrde  sich  uns  dann  ergeben,  dass  der  Verfasser 
bezw.  Zusammensteller  jener  Chronik  in  dem  Zeitraume  zwischen 
1445  und  1600  gelebt  haben  muss,  denn  nach  dem  genannten 
Jahre  konnte  er  den  Chorbau  des  Grafen  Ulrich  nicht  mehr  als 
„nostro  seculoa  aufgefflhrt  bezeichnen.  Dabei  werden  wir  die 
Abfassung  nicht  allzu  nahe  an  das  Jahr  1445  heranzuriicken 
haben,  da  ein  Schriftsteller  in  einem  der  auf  den  Bau  zu- 
n&chst  folgenden  Jahrzehnte  wohl  nicht  von  einem  in  seinem 
Jahrhundert,  sondern  vielmehr  von  einem  in  seiner  Zeit  oder 
seinen  Tagen  ausgefiihrten  Bau  wflrde  gesprochen  haben.  Es 
ergiebt  sich  uns  demnach  als  mutmassliche  Abfassungszeit  der 
Chronik  das  letzte  Drittel  des  15ten  Jahrhunderts.  In  wie  weit 
dann  die  Chronik  wiederum  im  einzelnen  auf  zeitgenossische 
Aufzeichnungen  zuruckgeht,  wird  sich  schwerlich  nachweisen 
lassen.  Jedenfalls  aber  haben  wir  dann  in  den  Nachrichten 
nach  dem  Jahre  1500  mit  Sicherheit  solche  vor  uns,  woftLr 
uns  auch  bereits  oben  der  Befund  der  Nachrichten  der  Norder 
Annalenhandschrift  aus  der  s&chsischenFehde  zu  sprechen  schien. 
Hat  nun  Emmius  jene  Chronik  des  Dominikanerklosters 
zu  Norden  benutzt,  oder  beschr&nkt  sich  seine  Kenntnis  von 
derselben  auf  das,  was  ihm  v.  Wichts  Annalen  und  der  aus 
seinem  Besitz  erhaltene  Annalenauszug  vermittelten?  Der 
sicherste  Aufschluss  hierflber  ware  aus  den  Emmiusschen 
Kollektaneen  zu  erwarten.  Dort  bringt  Emmius  eine  Anzahl 
von  Nachrichten  unter  der  ausdrflcklichen  Quellenangabe  „Chron. 
Nord.a,  und  eine  Vergleichung  darflber,  ob  diese  lediglich  dem 
uns  erhaltenen  Annalenauszuge  entstammen  oder  nicht,  mflsste 


')  Em.  hist,  p,  357. 


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—    93     — 

uns  in  unserer  Frage  einen  entscheidenden  Schritt  weiterfiihren. 
Nun  liegen  die  Dinge  zwar  so  einfach  nicht.     Einmal  sind  die 
Nachrichten,   welche   Emmius   unter   der  Bezeichnung  „Chron. 
Nord.a  bringt,  wenig   zahlreich,   und  sodann   lasst  sich   auch 
aus  den  7  so  bezeichneten  Nachrichten  eine  solche  nicht  nach- 
weisen,   die  in  den  handschriftlichen  Annalen  nicht  eventuell 
eine  Vorlage  k6nnte  gefunden  haben.     Dies  wiirde  aber  auch 
nach  der  negativen  Seite  immerhin  noch  nichts  mit  Sicherheit 
beweisen  konnen.    Hierzu  kommt  noch,   dass   es   bei  2  Nach- 
richten nicht  eben  wahrscheinlich  ist,   dass   sie   in   der  Form, 
in  welcher  sie  sich  in  den  Kollektaneen  vorfinden,  auf  die  uns 
bekannten  Annalen  zuriickgehen,  wennschon  sich  materiell  in 
denselben  Anhaltspunkte  fiir  beide  Nachrichten  finden.    Emmius 
berichtet  in  seinen  Kollektaneen  zu  Eggerik  Beninga,  er  f&nde 
in  einigen  Exemplaren  der  Norder  Chronik:  ^Focconem  ao.  1437 
obtisse  et   Edzardum  a  Nordanis   in  magistratrum   electum   esse" 
Lasst  es  nun  schon  der  hier  gegebene  Hinweis   auf   mehrere 
Exemplare  der  Chronik  unglaubwtirdig  erscheinen,  dass  Emmius1 
Kenntnis  sich  auf  die  uns  erhaltenen  Blatter  beschrankt  habe, 
so  bestatigt  dies  vollends  der  Wortlaut  unserer  Nachricht  in 
den  Annalen.     Dort  wird  vom   Tode  Fockos   ausfuhrlich  be- 
richtet, iiber  Edzard  aber  heisst  es :  ^Anno  1437  concessa  est  iuris- 
dictio   antiquae  ac  novae  terrae  Nordensis  Edzardo  Ydzinga,  filio 
Evenardi,  quoad  vita  ei  suppeteret*     Das  Verhaltnis  beider  Nach- 
richten legt  die  Vermutung  nahe,   dass  sie   auf  eine  gemein- 
same  Quelle  zunickzufuhren  sind,  deren  allgemeiner  gehaltener 
Ausdruck  die  beiden  vorliegenden  Fassungen  ermoglicht  hat. 
Emmius   selbst  wiirde  diese  Nachricht,  h&tte  er  sie  unmittel- 
bar  aus   seinem   Auszuge   der   Norder   Annalen   iibernommen, 
kaum  derart  abgeandert  haben.1)    Ahnlich  liegen  die  Dinge  bei 

*)  Dass  demEmmiu8  gerade  bei  dieser  Nachricht  eine  ausfuhrlichere 
Fassung,  als  die  der  uns  erhaltenen  Annalen  vorgelegen  habe,  scheint 
auch  noch  aus  einer  anderweitigen  Notiz  von  ihm  hervorzugehen.  Er 
bemerkt  zu  einer  Urkundenabschrift  (Ostfr.  Urkundenbuch  I  Nr.  427): 
Anno  eodem  hebben  de  olde  und  nye  Norder  Landers  Junker  Edzard,  Enno 
Sirtzena  tho  Oretzill  soen,  vor  ehre  owerheit  und  Bichter  syn  Uventtang  over  te 
tho  regeren  angenommcn,  ut  prolixius  Chronicon  Nordanum."  Auf  die  uns  er- 
haltene  Nachricht  der  Norder  Annalen  kann  damit  jedenfalls  nicht  an- 
gespielt  sein.  Auch  hier  bietet  die  Annahme  einer  grosseren  von  Emmius 
benutzten  Norder  Chronik  die  einzige  zureichende  Erkiarung. 


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-     94-    — 

den  beiden  beztiglichen  Nachrichten  zum  Jahre  1444,  fiber  die 
voil  Ulrich  Cirksena  ausgetibte  Oberherrschaft  in  Ostfriesland. 
Emmins  fuhrt  hier  aus  der  Norder  Chronik  an:  „  Anno  1444  Ulrichus 
Circsena  ab  Ordinibus  Fr.  Or.  Dominus  Fr.  Or.  electus  est,  pax 
in  Frisia  fuita,  w&hrend  unsere  Annalen  von  einer  solchen  Wahl 
nichts  wissen  und  einfach  zust&ndlich  berichten:  ^Anno  1444 
Ulrico  dynasta  dido  return  praeside  et  iudicia  legesque  administrante 
in  pace  fuit  Frisia.*  Einen  zwingenden  Beweis,  dass  Emmius 
die  von  uns  oben  nachgewiesene  urspriingliche  grosse  Norder 
Dominikanerchronik  benutzt  habe,  vermogen  zwar  diese  an- 
gefiihrten  Stellen  nicht  zu  liefern,  doch  lasst  sich  nicht  ver- 
kennen,  dass  ihr  Befund  diese  Annahme  wahrscheinlich  zu 
machen  geeignet  ist.  Die  eigentliche  Entscheidung  hieruber 
muss  uns  die  „Historia  rerum  Frisicarum"  selbst  liefern. 

Es  ist  bereits  darauf  hingewiesen,  wie  die  Wiedergabe 
der  ersten  in  der  Annalenhandschrift  uberlieferten  Nachricht 
bei  Emmius  so  deutlich  originale  Ziige  aufweist,  dass  hier  die 
Annahme  einer  anderweitigen  umfassenderen  Quelle  unvermeid- 
lich  scheint.  Eine  Anzahl  von  Nachrichten  uber  spezifisch 
Norder  Verhaltnisse  aber  findet  in  unserer  Handschrift,  und 
zum  Teil  auch  bei  v.  Wicht,  tiberhaupt  keine  Anhaltspunkte 
und  drangt  somit  entschieden  zu  der  Annahme,  dass  Emmius 
jene  grosse  Norder  Chronik  in  ihrem  ganzen  Umfange  benutzt 
haben  muss.  Auf  p.  191  der  Historia  berichtet  Emmius: 
»Atque  eodem  isthoc  anno  (sc.  1322)  reperio  Jlensi  coenobio,  quod 
scholam  Dei  vocabant,  protectionem  a  Nordanis  promissam  esse,  cum 
civitatis  eius  consules  aut  advocati  essent  Tyrlingus  Addinga,  Poppo 
Jdringa,  Thyo  Addana  et  eorundem  orator  Hero.u  Die  Erwahnung 
der  Magistratsglieder  weist  deutlich  auf  die  Verwandtschaft  mit 
den  tibrigen  uns  erhaltenen  Norder  Nachrichten  hin.1)  Ein  An- 
haltspunkt  bei  Eggerik  Beninga  lasst  sich  hier  ebensowenig 
finden,  wie  bei  dem  Berichte  uber  den  5ten  Dominikanerkonvent 


l)  Einen  deutlichen  Parallelismus  im  Ausdruck  weist  z.  B.  die  Nach- 
richt der  Norder  Annalen  uber  den  ersten  dort  abgehaltenen  Dominikaner- 
konvent auf.  Die  betr.  Stelle  lautet:  „Anno  1309(1300)  cclebratwn  est  capi- 
txdum  generate  Nor  doe,  constdibus  et  advocatis  terrae  Nordensis  Martino  Ald&a, 
Kenone  Kenesna,  Menone  Mogena,  oratore  consilium  Sytato  Hayena";  ebenso  ist 
auch  die  Nachricht  uber  einen  solchen  Konvent  im  Jahre  1337  abgefasst 
Moglich  ist  es  freilich  auch,  dass  Emmius  die  vorliegende  Nachricht  aus 


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in  Norden  im  Jahre  1449.    Dort  heisst  es l) :    nInter  quae  anti- 

stiies  collegiorum  familiae  Dominicanae  conventum  pro  more  egerunt 

Nordae  sub  exttum  Julii  mensis,  statueruntque  multa  de  rebus  com- 

tnunibus.    Is  eonventus  apud  Nordanos  quintus  futi.     Deinde  aver- 

Undo  maris  aestui,   qui  multum  incommodi  vicinis   agris  afferebat, 

rivus  Aecumanus  in  primo  Harlingiae  aditu  coniuncta  Nordensium 

et  Harlingiorum  opera  obstructus,  et  ingentium  aggerum  initia  iacta: 

utile  opus,  si  perfectum  fuisset.     Sed  discordia   oborta,   quod  bene 

eoeptum    erat,    paulo    post  pessumdedit."      Fiir    letztere    Nach- 

richt  findet  sich,  wenn  auch  in  weniger  ausftihrlicher  Form, 

eine  Parallele  bei  v.  Wicht.    Dagegen  berichtet  Emmius  iiber 

den  Tod  von  Edzard  Cirksena  in  einer  Form,  die  nicht  nur 

deutlich  auf  das  Norder  Dominikanerkloster  hinweist,  sondern 

auch  weder  bei  v.  Wicht  oder  in  der  Norder  Annalenhand- 

schrift  noch  auch  bei  Eggerik  Beninga  (p.  314)  ihre  Vorlage 

k5nnte  gefunden  haben.     Es  heisst  fiber  dieses  Ereignis  hist. 

p.  351:    nEum   secutus    est  eadetn  lue  correptus   Edsardus   Gre- 

ihanus   mense    Septembri   una    cum    coniuge    Frouwa    Berumana, 

quae  pridie  maritum  antecesserat.     Horum  corpora   Nordae  apud 

Dominicanos  sepulta,   non   procul  ab    Ddonis  et  Sibeti    tumults. u 

Danach  muss  es  als  sicher  betrachtet  werden,  dass  Emmius 

Norder  Aufzeichnungen   vorgelegen   haben,    welche    in    dieser 

Form  ffir  uns  verloren  sind.    1st  nun  andererseits  die  Existenz 

einer  grosseren  Norder  Dominikanerchronik  zweifellos,  so  liegt 

es  unmittelbar  nahe,   zwischen   beiden   Thatsachen    die   Ver- 

bindungslinie  zu  Ziehen.   Wir  werden  es  somit  als  im  hochsten 

Grade  wahrscheinlich  bezeichnen  miissen,  dass  jene  uns   ver- 

lorene  Norder  Chronik  unter  die  Quellen  der  Historia  rerum 

Frisicarum  zu  zahlen  sei. 

Mit  dieser  Frage  ist  diejenige  nach  dem  Verhaltnis  des 
Emmius  zu  den  v.Wichtschen  Annalen  aufs  engste  verkniipft. 
Bei  der  von  uns  angebahnten  Losung  ist  der  iiberwiegende 
Teil  der  Parallelberichte  von  v.  Wicht  und  Emmius  nicht  als 
aus  jenem  iibernommen  anzusehen.     Diese   sind  vielmehr,   so- 


einer  Urkunde  entnommen  hatte,  zumal  ihm,  wie  bereits  cap.  VI  §  1  er- 
wihnt  ist,  eine  andere  Ihloer  Urkunde  aus  dem  Jahre  1378  vorgelegen 
hat;  doch  hat  dies  wegen  der  erwahnten  Aehnlichkeit  unserer  Nachricht 
mit  den  Norder  Annalen  wenig  Wahrscheinlichkeit  fur  sich. 
*)  Em.  hist.  p.  366. 


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—    96    — 

weit  sie  in  der  Norder  Dominikanerchronik  enthalten  waren, 
von  beiden  Verfassern  unmittelbar  aus  dieser  gemeinsamen 
Quelle  entnommen  und  tragen  daher  bei  beiden  einen  durch 
die  Eigenart  der  betreffenden  Werke  bedingten  Charakter. 
Trotz  der  damit  gegebenen  Beschrankung  aber  bleibt  dennoch 
eine  Reihe  von  Nachrichten  iibrig,  die  Emmius  seiner  Benutzung 
der  v.  Wichtschen  Annalen  verdankt.  Die  Schilderung  der 
Schlacht  bei  Bargerbuhr  im  Jahre  1433  giebt  Emmius1)  im 
Anschluss  an  Eggerik  Beninga,2)  doch  tritt  an  einer  Stelle  der 
Einfluss  der  v.  Wichtschen  Darstellung  dieses  Ereignisses  deut- 
lich  hervor.  Von  der  Flucht  des  H&uptlings  Ino  Kankena  so- 
wie  von  der  Gefangennahme  des  Norders  Hajo  Aldersna  weiss 
Eggerik  Beninga  nichts.  Emmius  erw&hnt  beides  und  zeigt 
dabei  hinlanglich  seine  Beziehungen  zu  v.  Wicht: 
v.  Wichts  Annalen  (ad.  an.  1433).  Emmius  hist.  p.  330. 

.  .  .  Jnone  Kankena  a  Wittmund  In  reliqua  fuga  non  magna 

et  Dornum  capitaneo  fuga  ela-  caedes  facta,  plures  capti.  Inter 

bente  Hajo  Aldersna  in  Linthell  quos  Haijngus  Aldersenius  non 

etreliquioptimates  terras  Norda-  ignobilis   inter    Nordanos  cm 

nae,  qui  in  manus  Hamburgen-  compluribus  aliis   notarum  fa- 

stum  venerunt,  captivi  Bam-  miliar  urn.  Jnonem  Kanhenim 
burgum  deducuntur.  fuga  eripuit. 

Hier  konnten  v.  Wicht,  welcher  in  der  Nahe  von  Norden  lebte, 
sehr  wohl  selbst&ndige  Nachrichten  zur  Verfugung  stehen, 
ebenso  fiir  die  Thatsache,  dass  Norden  im  Jahre  1514  nach 
der  Eroberung  von  Dornum  durch  eine  Abteilung  des  ver- 
bundeten  Heeres  gebrandschatzt  wurde,  was  Emmius8)  gleich* 
falls  hierher  iibernimmt.  Ausserdem  hat  Emmius  die  Annalen 
auch  noch  fiir  einige  anderweitige  ostfriesische  Nachrichten  ver- 
wertet.  So  weiss  v.  Wicht  ad.  an.  1451  von  einer  Einnahme 
der  Burg  zu  Hinte  durch  die  Hamburger.  Emmius4)  Iiber- 
nimmt dies,  versetzt  das  Ereignis  aber  zugleich  ins  folgende 
Jahr,   um   es   dem   bei   Eg.   Beninga6)   gegebenen   Zusammen- 

')  Em.  hist.  p.  330. 
2)  Eg.  B.  p.  284. 

•)  Em.  hist.  p.  717  f.;   bei  Eg.  Beninga  p.  559  ist  dies  nur  kura 
angedeutet. 

4)  Em.  hist.  p.  369. 
•)  Eg.  B.  p.  328. 


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—    97    — 

hange  der  Dinge  eingliedern  zu  konnen.  Gleichzeitig  verdankt 
er  den  Wichtschen  Annalen  die  Kunde  von  den  Raubziigen  der 
Groninger  ins  Reiderland,  bezw.  nach  Bunde  im  Jahre  1501  *) 
u.  a.  m.  Dass  es  sich  bei  dem  alien  immer  nur  um  kleine 
Erganzungen  oder  um  minder  wichtige  Dinge  handelt,  ent- 
spricht  durchaus  der  Thatsache,  dass  dem  Ernst  Friedrich 
v.  Wicht,  als  einem  Zeitgenossen  und  Freunde  des  Emmius, 
wohl  kaum  umfassendere  Quellen  zur  Verfiigung  gestanden 
haben,  welche  diesem  unbekannt  oder  verschlossen  geblieben 
waren. 


§  3.  Die  Biographie  des  Priors  Arnold  von  Creveld. 

In  seiner  Besprechung  der  Quellen  der  Historia  macht 
Mohlraann,2)  nachdem  er  auf  das  Verh&ltnis  des  Emmius  zu 
Eggerik  Beninga  eingegangen  ist,  die  Bemerkung:  „Andere  ost- 
friesische  Chroniken,  die  ihm  bekannt  gewesen  sein  mtfgen, 
konnten  schwerlich  von  besonderer  Bedeutung  sein,8)  nur 
macht  davon  das  Fragment  einer  Geschichte  des  Klosters 
Marienkamp  bei  Esens,  welches  1707  mit  Emmius'  handschrift- 
lichem  Nachlass  fur  das  Provinzialarchiv  angekauft  wurde, 
eine  riihmliche  Ausnahme".  Das  hier  erw&hnte  Fragment4)  ent- 
halt  einen  Teil  der  Lebensbeschreibung  des  2ten  Vorstehers  jenes 
Klosters,  Arnold  von  Creveld.  Wenn  Mohlmannn  mit  den  an- 
gefuhrten  Worten  auf  die  Bedeutung  der  Schrift  selbst  hin- 
weisen  will,  so  ist  er  vollig  im  Recht.  Es  handelt  sich  nicht 
nur  um  die  Lebensbeschreibung  eines  fur  das  Ordenswesen  in 
Ostfriesland  hochbedeutsamen  Mannes,  welcher  die  infolge  der 
Reformbestrebungen4)  von  Konstanz  bezw.  Petershausen  in  das 
alte  Benediktinerkloster  Marienkamp  versetzten  Chorherrn  in 
ihren  Rechten  zu  schutzen  und   zu   sichern  verstand,  sondern 


*)  Em.  hist.  p.  614. 

*)  a.  a.  0.  p.  67. 

*)  vgl.  dagegen  besonders  §  2  dieses  Abschnittes. 

4)  Herausgeg.  von  Sauer  im  Jahrbuch  der  Gesellschaft  fOr  bildende 
Kunst  etc.  zu  Emden  Bd.  Ha.  p.  47— 83;  vgl.  auch  Mohlmann:  ,Hironimus 
Gre8tius's  Reimchronik  von  Harlingerland"  etc.,  Stade  u.  Harburg  1845, 
Einleitung  p.  IV  f. 

8)  vgl.  H.  v.  Wessenberg:  Die  grossen  Kirchenversammlungen  etc. 
Bd.  II  p.  238  f. 

Jahrbach  der  Oosellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Altertiimer  ra  Emden,  Bd.  XV.  7 


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auch  das  Werk  selbst,  wenige  Jahre  nach  1450  abgefasst, 
bietet  eine  Reihe  sch&tzenswerter  Nachtichten  fiber  die  ost- 
friesischen  Verhftltnisse  in  der  ersten  H&lfte  des  15ten  Jahr- 
hunderts. 

Anders  aber  steht  es,  wenn  wir  das  Werk  als  eine  der 
besten  Quellen  der  Historia  ansehen  wollten.  Der  Umstand,  dass 
das  uns  erhaltene  Fragment  aus  Emmius1  Nachlass  stammt, 
mag  MOhlmann  diese  Annahme  nahegelegt  haben.  Eine  Spur 
der  Benutzung  unseres  Fragments  scheint  sich  denn  auch  in  der 
That  in  der  Historia  zu  finden.  Nachdem  Emmius  von  der 
Besetzung  der  bisherigen  BenediktinerklSster  SylmSnken  and 
Marienkamp  mit  regulierten  Chorherrn  gesprochen  hat,1)  setzt 
er  in  Bezug  auf  letzteres  hinzu:  net  primus  collegio  praefectus 
Arnoldus  datus  Creveldius,  opinion*  pietatis  et  virtutum  apud  pasteros 
scriptis  celebrates.*  Schon  dadurch,  dass  er  den  Namen  des 
Priors  nennt,  geht  er  deutlich  fiber  Eggerik  Beninga  hinaus.2) 
Die  Erw&hnung  von  Schriften,  welche  die  Tugenden  Arnolds 
preisen,  scheint  vollends  auf  unsere  Biographie  hinzuweisen. 
Dagegen  entspricht  das  ganze  Verh&ltnis  des  Fragments  zur 
Historia  durchaus  nicht  der  Art,  wie  Emmius  sonst  seine  Quellen 
zu  verwerten  pflegt.  Dass  er  Arnold  als  den  ersten  Prior  des 
Klosters  bezeichnet,  obwohl  fol.  2  und  fol.  9  ausdrftcklich  von 
seinem  ^antecessor*  die  Rede  ist,  mag  insofern  erkl&rlich  sein, 
als  fol.  19  Arnold  selbst  gelegentlich  als  ^primus  prior*  be- 
zeichnet wird,  so  dass  sein  Vorganger 3)  nur  die  Stellung  eines 
„  rector"  bekleidet  h&tte.  Die  Datierung  der  Klosterreformation 
ins  Jahr  1444  aber,  wie  sie  Emmius  im  Anschluss  an  Eggerik 
Beninga  giebt,  ist  einfach  unverst&ndlich,  wenn  Emmius  bei 
Abfassung  der  Historia  die  Biographie  Crevelds  wirklich  be- 
nutzt  hSLtte.  Nicht  nur,  dass  das  Jahr  seines  Todes  1431  fol.  18 
ausdrticklich  angegeben  ist,  selbst  wenn  Emmius  diese  Zahl 
tlbersehen  haben  sollte,  h&tten  ihm  doch  schon  die  Beziehungen 
Crevelds  zu  Udo  von  Norden  (fol.  2)  sowie  zu  Engelberg,  der 


s)  Em.  hist.  p.  357. 

*)  Eg.  Beninga  p.  323. 

*)  Sauer  nennt  als  solchen  Rembert  ter  List,  welcher  aber  wohl 
mit  Pannenborg  (G5tt.  gel.  Anz.  1879,  Stack  32,  p.  1020—23)  als  Arnolds 
Nachfolger  anzusehen  ist.  Der  Name  von  Arnolds  Vorg&nger  ist  dann 
wahrscheinlich  Arnoldus  Huls. 


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-     99     - 

Qemahlin  des  jiingeren  Ocko  ten  Brok  (fol.  16),  und  endlich  der 
ganze  historische  Hintergrund  der  Biographie  liber  die  Zeit,  in 
der  Arnold  lebte,  eines  besseren  belehren  miissen.    Dazu  kommt 
noch,  dass  Emmius  keine  von  den  fiir  die  ostfriesische  Geschichte 
wichtigen  originalen  Nachrichten,   welche  das  Fragment  ent- 
hait,  verwertet  hat.    Ebensowenig  ist  er  auf  ein  paar  gelegent- 
liche  charakteristische  Bemerkungen  eingegangen,  welche  als 
zeitgenossische  Zeugnisse  von  besonderem  Werte  sind.    Von  der 
Verbrennung  von  Esens  durcb  Itze  ten  Brok,   den  Halbbruder 
des  jiingeren  Ocko  ten  Brok  (fol.  16),  weiss  Emmius  nichts.    Die 
kurze  Charakteristik  Udos  von  Norden:  ^omnino  non  parum  tutni- 
dus  et  turgidus*   (fol.  3)   lasst   er  sich   entgehen,1)   ebenso  die 
Notiz  tiber  die  Reckengestalt  Focke  Ukenas,  den  der  Verfasser 
mit  Saul  vergleicht  (fol.  16) 2).    Es  ist  daher  anzunehmen,  dass 
dem  Emmius  bei  Abfassung  der  Historia  die  Biographie  Crevelds 
noch  nicht  vorgelegen  hat.    Moglichenfalls  war  ihm   das  Vor- 
handensein  derselben  und  damit  der  Name  des  Priors  bekannt, 
wahrend   es  ihm  erst  nach  Abfassung  seines  Werkes  gelang, 
die  Handschrift  selbst  zu  erwerben.8)    Wir  werden  die   Bio- 
graphie Crevelds  somit  nicht  unter  die  Quellen  der  Historia  zu 
zahlen    haben,4)    eine  Besprechung  derselben   an  dieser  Stelle 
schien  aber  um  der  eingangs  erwahnten  Bemerkung  Mohlmanns 
willen  geboten. 


*)  An  andern  Stellen  giebt  er  selbst  gelegentlich  derartige  kurze 
Charakteristiken,  so  hist.  p.  350  fur  Hayo  Harles. 

2)  Dieselbe  findet  sich  zuerst  verwertet  bei  Wiarda :  Ostfr.  Gesch.  I  p.  465. 

8)  vgl.  dazu  auch  Herquet:  Geschichte  des  Landesarchivs  von  Ost- 
friesland,  Norden  1879,  p.  14  Anm.  1. 

4)  In  gleicher  Weise  ist  auch  ein  aus  Emmius*  Nachlass  stammender 
Aufsatz  uber  die  Emder  Ereignisse  von  1536—80  nicht  zu  den  Quellen  der 
Historia  zu  zahlen.  Derselbe  findet  sich  unter  Emmius'  Papieren  auf  dem 
kgl.  Staatsarchiv  zu  Aurich  (Mscr.  A.  17a).  Die  teils  lateinische,  teils 
plattdeutsche  Schrift  ist  in  hochdeutscher  Uebersetzung  abgedruckt  in 
Buerens  .Jahrbuchlein  zur  Unterhaltung  und  zum  Nutzen,  zunachst  fiir 
Ostfriesland  und  Harlingerland.  Auf  das  Jahr  1837«  (Emden  1836),  p.  87 
bis  105.  Von  den  fur  uns  in  Betracht  kommenden  Nachrichten  ist,  soweit 
dieselben  hier  original  sind,  in  der  Historia  keine  verwertet.  Berichte, 
welche  bei  Emmius  den  hier  vorliegenden  Nachrichten  parallel  erzahlt 
werden,  gehen  deutlich  auf  anderweitige  Quellen  zuruck.  Ueber  die 
Teuerung  des  Jahres  1557  weiss  der  Verfasser  der  Notizen  zu  berichten, 

7* 


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§  4.  Das  Protokoll  des  Amtmanns  Ubbo   Emmen   in 

Leerort. 

In  den  Kollektaneen  zu  Eg.  Benniga  bemerkt  Emmius  ge- 
legentlich:  ^Toto  tempore  belli  Saxonici  avunculus  meus  magnus 
M.  Ubbo  Emmen  fuit  scriba  praefecturae  Orthanae,  a  quo  exara- 
tum  protocollum  adhuc  exstat  in  arce  ab  ao.  1503  usque  ad  annum 
1518.*  Das  Protokoll  selbst  ist  uns  nicht  erhalten,  es  ist  somit 
fiber  seinen  Umfang  wie  fiber  seine  Bedeutung  fttr  die  Historia 
schwerlich  noch  etwas  Genaueres  festzustellen.  Wenn  wir  an- 
nehmen,  dass  jene  Nachrichten  sich  auf  die  Ereignisse  in  Leer- 
ort beschr&nkt  haben,  so  wiirden  ftir  uns  wesentlich  2  Stellen 
in  Betracht  kommen:  Anfang  Februar  des  Jahres  1514  empf&ngt 
Edzard  der  Grosse  auf  der  Burg  zu  Leerort  den  Abgesandten 
des  Herzogs  Georg  von  Sachsen,  welcher  ihm  die  bereits  er- 
offnete  Fehde  in  aller  Form  ansagen  l&sst.  Emmius  berichtet 
iiber  die  Aufnahme  des  Ueberbringers  und  die  Botschaft  des 
Grafen  an  den  Herzog  von  Sachsen.  Hier  k5nnte  eine  Notiz 
des  Leerorter  Amtmannes  vorgelegen  haben,  aber  Emmius  be- 
ruft  sich  ausdrucklich  auf  Eg.  Beninga1)  und  giebt  lediglich 
das  bereits  bei  diesem  Gesagte  wieder.  Die  iiber  Beninga 
hinausgehende  Bemerkung  Edzards:  ^egregie  veto  et  ex  disciplina 
mxlitiae%  ubi  bellum  iam  dudum  geritis,  nunc  demum  verbis  id 
denunciatisa ,  kann  sehr  wohl  von  Emmius  nach  seiner  Ge- 
wohnheit  aus  der  Situation  erg&nzt  sein. 

Am  wichtigsten  ftir  unsere  Frage  ist  nattlrlich  diejenige 
Stelle,  wo  Leerort  im  Mittelpunkte  der  gesamten  historischen 
Entwicklung  steht,  die  Belagerung  durch  den  Herzog  von  Braun- 
schweig im  Jahre  1514.  Auch  hier  schliesst  sich  Emmius2) 
wieder  durchaus  an  die  Beningasche  Darstellung8)  an.    Dass 


dass  in  Emden  eine  Tonne  Roggen  im  Monat  April  80—90  Thaler  ge- 
kostet  habe.  Emmius  schliesst  sich  (p.  955)  an  Eg.  Beninga  an  (p.  843  f.), 
da  er  die  Teuerung  vom  Februar  an  datiert  und  die  Preise  fur  Ende  Mai 
anfuhrt.  Das  letzte  Ereignis,  welches  Emmius  berichtet,  dass  noch  am 
Peterstage  1664  gegen  1000  Menschen  bei  Emden  auf  dem  Eise  gewesen 
seien,  wird  auch  hier  erzahlt,  doch  ist  die  viel  anschaulichere  Darstellung 
bei  Emmius  unbedingt  selbstandig,  zumal  er  noch  hinzusetzen  kann 
(p.  962):  „quorum  ego  quoquc,  qui  turn  Emdae  dcgcbam,  unu$  fui.u 

l)  Em.  hist.  p.  693,  Eg.  B.  p.  626. 

»)  Em.  hist.  p.  710  ff. 

»)  Eg.  Beninga  p  647  ff. 


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—     101     — 

sich  die  Wiedergabe  durch  Emmius,  tibrigens  eine  der  schOnsten 
Schilderungen  in  der   Historia,   besonders  durch  Lebhaftigkeit 
und  Anschaulichkeit  auszeichnet,  brauchte  an  sich  fur  die  Be- 
nutzung  einer  besonderen  Quelle  noch  nicht  zu  sprechen.    Da- 
gegen  zeigt  dieser  Bericht   gegen   Eg.  Beninga   einige,    wenn 
auch  nicht  eben  bedeutsame  selbst&ndige  Ziige.     Vom  Herzog 
von  Braunschweig  wird  bereits  aus  den  ersten  Tagen  der  Be- 
Jagerung  berichtet:  ^ipse  ubique  adesse,  urgere,  festinare  opera  dies 
nodesque,   cophinos    ingentes  hie  illic    statuere,    tormentorum   ma- 
gistris  praecipue  instate?    Die  Ermahnungen   des   Drosten  und 
des  Kommandanten  der  Burgbesatzung  an  ihre  Leute  k5nnen 
vielleicht  frei  erganzt  sein,   ebenso  die  Bemerkung,  dass   man 
im  ostfriesischen  Lager  jenseit  der  Ems,   als   man  sah,   dass 
sich  die  Belagerer  zum  Sturm  anschickten,   die  schweren  Ge- 
schiitze   auf  den  Wall  und  Graben  der  Burg  gerichtet  habe. 
Dagegen  berichtet  Emmius  iiber  das  Verhalten  der  Belagerer 
beim  Tode  des  Herzogs  in  einer  Weise,  fur  die  sich  im  Beninga- 
schen  Berichte  jedenfalls  kein  Anhaltspunkt  wiirde  finden  lassen: 
9Perempto  Principe  concursari  illuc,   corpus  palpitans   erigi,    cere- 
brum craniumque  dispersum  colligi,  solum  quoque  cruentum  tolli,  cum 
corpore  ferri  in  castrisu  etc.   Nun  konnte  es  allerdings  befremdlich 
erscheinen,   dass  Emmius  dem  Berichte  des  Augenzeugen  nur 
diese    wenigen   Ziige    sollte    entnommen    haben,    w&hrend    er 
Beningas  Darstellung  so  grosse  Beachtung  schenkt.    Das  Ver- 
haltnis  zu  beiden  Quellen  wird  sich  am   besten   dadurch   auf- 
klaren  lassen,  dass  man  annimmt,  das  Protokoll  Ubbo  Emmens 
habe  auch  Eg.  Beninga  bereits  als  Quelle  vorgelegen.    Dies  ist 
um  so  eher  zu  vermuten,  als  sich  jenes  Schriftstiick  zu  Emmius1 
Zeiten  auf  der  Burg  Leerort  befand,  welche  einst  Eg.  Beninga 
als  graflicher  Drost  befehligte.    Es  ware  demnach  vielmehr  im 
Gegenteil  verwunderlich,   wenn  Eg.  Beninga  von  jenem  Proto- 
koll keine  Kunde  gehabt  haben  sollte,   und  die  ausfuhrliche 
Darstellung  jener  Belagerung  bei  ihm  wiirde  wohl  fiir  die  Be- 
nutzung  einer  derartigen  Quelle  sprechen.     Emmius  hat  dann 
die  Schilderung  seines  Oheims  sowohl,   wie   die  auf  jener  be- 
ruhende  Eg.  Beningas  vor  Augen  gehabt  und  sich  aus  beiden 
seine  Anschauung  der  Vorgange  von  Leerort  gebildet. 


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—     102    — 

§  5.   Die  Tabella  genealogica. 

Ebensowenig  wie  iiber  das  Leerorter  Protokoll  lasst  sich 
liber  eine  andere  ostfriesische  Quellenschrift  etwas  Sicheres  aus- 
machen,  welche  Emmius  in  seinen  Kollektaneen  als  „Tabella 
genealogica"  bezeichnet.  Bartels1)  charakterisiert  dieselbe  auf 
Grand  der  una  aus  ihr  ttberlieferten  Notizen  als:  „  Nachrichten 
eines  Ungenannten  liber  die  Familien  Cirksena,  Ukena,  ten  Brok, 
Oldersum,  Esens  und  Norden."  Die  Nachrichten  reichen  von 
1389 — 1499.  Nach  dem  Zeitraum,  welchen  sie  umspannen,  wie 
auch  nach  der  betr&chtlichen  Anzahl  der  hier  beriicksichtigten 
Familien  zu  urteilen,  scheint  es  sich  um  ein  ziemlich  umfang- 
reiches  Werk  gehandelt  zu  haben.  An  eine  blosse  Aufz&hlung 
von  kurzen  genealogischen  Notizen,  wie  dies  der  Titel  vielleicht 
vermuten  liesse,  wird  kaum  zu  denken  sein.  Nachrichten, 
wie  diejenigen  uber  einen  Deichbau  Udos  von  Norden,  sowie 
iiber  die  Thatsache,  dass  er  eigene  Mlinzen  hat  schlagen  lassen, 
scheinen  auf  eine  etwas  weiter  angelegte  Darstellung  hinzu- 
deuten.  Der  Verfasser  wird,  wie  zumal  aus  den  beiden  letzt- 
genannten  Nachrichten  hervorgeht,2)  als  Quelle  u.  a.  die  Norder 
Chronik  benutzt  haben,  wie  Emmius  denn  auch  einige  Nach- 
richten giebt  mit  der  Bezeichnung:  »Auth.  Tab.  Geneal.  ex  Chronica 
Nord.u  Die  Quelle  zeigt  eine  sehr  unsichere  Chronologie.  Das 
Treffen  bei  Detern  zwischen  Focke  Ukena  und  dem  Erzbischof 
von  Bremen  nebst  seinen  Verbiindeten  (1426)  wird  um  9  Jahre 
zuriickdatiert;  Focke  Ukenas  Tod  fallt  nach  der  „  Tabella 
genealogica"  ins  Jahr  1431,  wogegen  Eg.  Beninga  p.  294  und 
Emmius  p.  337  das  Jahr  1435  als  Todesjahr  angeben.  Auch 
die  letzte  aus  dieser  Quelle  gegebene  Nachricht,  uber  die  Be- 
lagerung  und  Entsetzung  von  Appingadam  im  Friihjahr  1500, 
wird  f&lschlich  in  das  Jahr  1499  verwiesen.  Nur  fiir  die  Be- 
lagerung  von  Jever  1495  giebt  der  Verfasser  gegen  Eg.  Beninga8) 
die  richtige  Datierung,  worin  ihm  Emmius  folgt.4)  In  einem 
andern  Falle,  beim  Zuge  der  mit  Keno  ten  Brok  verbiindeten 


l)  Jahrbuch   der  Gesellschaft   fur   bildende   Kunst  etc.  zu  Emden 
Bd.  Via.  p.  32. 
")  vgl.  §  2. 

")  Eg,  Beninga  p.  412:  1494 
4)  Em.  hist.  p.  527. 


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—     103    — 

Hamburger  and  Liibecker  gegen  einige  ostfriesische  Edelleute 
im  Jahre  1407,  entnimmt  Emmius1),  obschon  er  der  „Tabella 
genealogica"  in  der  Datierung  widersprechen  muss,  aus  ihr  die 
Nachricht,  dass  auch  die  Pilsumer  Burg  auf  jenem  Zuge  mit- 
erobert  sei,  was  Eg.  Beninga2)  nicht  erw&hnt.  Alles  in  allem 
werden  wir  uns  die  Ausbeute  aus  der  Tabella  genealogica 
nicht  eben  gross  vorzustellen  haben,  wennschon  es  nicht  aus- 
geschlossen  erscheint,  dass  Emmius  ihr  einige  selbstandige, 
zumal  genealogische  Nachrichten  ttber  die  in  der  „  Tabella"  be- 
handelten  Familien  verdankt. 

[Die  Fortsetzung  erscheint  im  n&chsten  Bande  des  Jahrbuches.] 


l)  p.  249. 

*)  Eg.  Beninga  p  178. 


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Ein  Hausbueh  Eggerik  Beningas. 

Von  Dr.  C.  Borchling  in  GSttingen. 
Schluss.1) 


Beilage  IX. 

Die  Protokotte  der  Auricher  Hexenprocesse  von  1543,  nebst  einem 
Deberblick  ilber  die  Hexenprocesse  in  Ostfriesland. 

bo  segensreich  und  befreiend  die  Reformation  in  vielen 
Punkten  fiir  unser  deutsches  Vaterland  gewirkt  hat,  das  letzte 
und  verderblichste  Geschenk  des  absterbenden  Mittelalters,  die 
grosse  Hexenverfolgung,  hat  sie  uns  nicht  fernzuhalten  ver- 
mocht.  Hexenglaube  und  Hexenwesen  spielen  ja  schon  im 
klassischen  Altertum  eine  bedeutende  Rolle  und  sind  seitdem 
bis  auf  den  heutigen  Tag  nicht  auszurotten  gewesen.  Sie  stehen 
als  Teil  des  allgemeinen  Zauber-  und  Aberglaubens  in  zu  enger 
Verkniipfung  mit  den  niedrigen  und  bornierten  Trieben  im  ge- 
wohnlicben  Menschen.  Die  grosse  Hexenverfolgung  des  15.  bis 
17.  Jahrhunderts  aber  erscheint  in  dieser  ganzen  Bewegung  wie 
eine  ungeheure  Flutwelle,  vor  deren  plotzlichem  Auftauchen 
und  rasend  schnellem  Anwachsen  man  bis  vor  Kurzem  wie  vor 
einem  unlosbaren  Ratsel  stand.  Erst  das  neuste  Werk  uber 
die  Geschichte  der  Hexenprocesse2)  hat  erschopfend  nach- 
gewiesen,  dass  das  um  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  ohne 
jeden  erkennbaren  &usseren  Anlass  einsetzende  Wiederaufleben 
der  Hexenverfolgungen  nicht  etwa,  wie  man  geglaubt  hat,  auf 


x)  Vgl.  Jahrbuch  XIV  (1902),  S.  177  ff. 

8)  Jos.  Hansen,  Zauberwahn,  Inquisition  und  Hexenprocess  im 
Mittelalter  und  die  Entstehung  der  grossen  Hexenverfolgung.  Munchen 
und  Leipzig  1900. 


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—     105    — 

irgend  einem  zuf&lligen  Ereignis,  wie  z.  B.   dem  ersten  Auf- 
tauchen  der  Zigeuner  in  Europa,  beruht,  sondern  in  Wahrheit 
nur  das  Ergebnis  einer  fast  zweihundertjahrigen  systematischen 
Vorarbeit  bildet.     In   den  Kreisen  der  scholastischen  Wissen- 
schaft  ist  in  langer  miihevoller  Arbeit  mit  all  der  Griindlichkeit 
und  spitzfindigen  Grtibelei,  die  dieser  Schule  eigen  ist,  das  voll- 
standige  System  des  Hexenglaubens  wie  seiner  Behandlung  im 
canonischen  Rechte,  des  Hexenprocesses,  bis  in  die  aussersten 
Details  ausgearbeitet  und  festgelegt    worden.     Dem    fertigen 
Systeme  gab  Papst  Innocenz  VIII  durch  die  Bulle   „Summis 
desiderantes  affectibus"  vom  Jahre  1484  die  kirchliche  Weihe, 
und  von  einem  der  3  Hexenrichter,  die  er  in  dieser  Bulle  fur 
Deutschland  einsetzte,    Jacob  Sprenger,    erschien    drei    Jahre 
sp&ter  (Coin  1487)  der  Katechismus  der  neuen  Lehre,  der  Malleus 
maleficarum  (Hexenhammer),  der  mit  seinen  schweren  Schlagen 
das  Gliick  von  Tausenden  und  Abertausenden  zermalmt  hat.  Der 
Hauptunterschied  zwischen  diesem  durch  scholastische  Specu- 
lationen  construierten  Hexenglauben  and  dem  naiveren  Volks- 
glauben  friiherer  Jahrhunderte  liegt  in  der  starkeren  Betonung 
des  Teufelsbiindnisses,    das  jetzt   durch  die   fleischliche  Ver- 
mischung    der   Hexen    mit    dem    Teufel    und    die    Orgien    der 
Hexensabbate  zum  Ausdruck  gebracht  wird.    Mit  der  Ausmalung 
dieser  beiden  Punkte  beschaftigt  sich  die  Theorie  des  Hexen- 
glaubens und  die  Praxis  der  Hexenprocesse  von  nun  an  mit  be- 
sonderer  Vorliebe  und  Ausfiihrlichkeit.     Hat  eine  Angeklagte 
den  Verkehr  mit  dem  Teufel  eingestanden,  so  ist  sie  damit  eo 
ipso   gerichtet,   und   es   ist  nicht  weiter  von  Belang,   ob   sie 
ausserdem  auch  durch  Zauberei,  Gift  u.  a.  ihren  Mitmenschen 
wirklichen  Schaden  gethan  hat.     Die  Betonung  des   religiosen 
Momentes  also,  der  Abfall  von  Gott,  der  in  dem  Umgange  mit 
dem  Teufel  zum  Ausdruck  kommt,   charakterisiert  den  Hexen 
glauben  des  ausgehenden  Mittelalters.    Diese  enge  Verbindung 
des  Hexenwahns  mit  dem  damals  zu  ebenso  hoher  Entwicklung 
gebrachten  Teufelsglauben  erklart  aber  auch,   weshalb  die  Re 
formation  hier  keine  Besserung  brachte.    Luther  selbst  ist  ja 
bekanntlich    ein    iiberzeugungstreuer    Anhanger    des    Teufels- 
glaubens  gewesen,  und  durch  die  Vermittlung  dieser  Anschauung 
hat  sich  denn  auch  der  Hexenglaube  in  den  Kirchen  der  Re- 
formation eingenistet.     So  lange  freilich  die  religiosen  Parteien 


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—     106    — 

in  einer  Landschaft  noch  miteinander  um  die  Herrschaft  k&mpfen, 
hOren  wir  wenig  von  Hexenverbrennungen.  Sobald  sich  aber 
die  Besitzst&nde  der  einzelnen  Kirchen  gesondert  und  consoli- 
diert  haben,  beginnt  auch  bald  die  erste  Kunde  von  Hexen- 
processen  aufzutauchen. 

Im  Gebiete  des  alten  Ostfrieslands  beginnen  die  sicheren 
Nachrichten  von  solchen  Processen  mit  den  vierziger  Jahren 
des  16.  Jahrhunderts :  1542  werden  die  ersten  Hexen  zu  Jever 
verbrannt,  im  folgenden  Jahre  spielt  der  grosse  Process,  der 
uns  hier  besch&ftigen  soil,  und  nun  folgt  das  ganze  16.  Jahr- 
hundert  hindurch  eine  l&ngere  Reihe  von  Hexenprocessen,  wozu 
das  eigentliche  Ostfriesland,  Groningerland,  Jeverland  und  But- 
jadingen  in  gleicher  Weise  beitragen.  Im  17.  Jahrhundert  wird 
es  aber  merkwttrdig  still,  wir  h6ren  nur  noch  von  6iner  Hexen- 
verbrennung  1615,  auch  diese  wieder  in  Jever.  Allein  es  wSLre 
falsch,  aus  diesem  Mangel  an  Nachrichten  voreilige  Schlusse  zu 
Ziehen  und  wegen  der  immerhin  nur  geringen  Zahl  der  ost- 
friesischen  Hexenprocesse  Ostfriesland  auf  Kosten  anderer  Teile 
des  deutschen  Vaterlandes  herauszustreichen.  Gerade  in  den 
Hexenprocessacten  ist  hier  zu  Lande  m&chtig  aufger&umt 
worden.  Man  hat  sich  friih  genug  dieser  barbarischen  Justiz 
einer  SJteren  Zeit  zu  sch&men  angefangen;  es  kommt  hinzu, 
dass  gerade  die  Hexenprocessprotokolle,  bei  der  Formlosigkeit 
des  ganzen  Verfahrens,  auch  im  juristischen  Sinne  mangelhaft 
genug  gefflhrt  wurden  und  schon  deshalb  ihre  Erhaltung 
dem  Fachjuristen,  der  tiber  ihre  Einstampfung  zu  entscheiden 
hatte,  nicht  am  Herzen  lag.  Wir  sind  somit  fttr  die  Hexen- 
processe fast  ganz  auf  die  gelegentlichen  Nachrichten  der  Ge- 
schichtsschreiber  und  an  anderen  Orten  verstreute  Notizen  an- 
gewiesen.  Von  all  den  Hexenuntersuchungen  aus  dem  jetzt 
oldenburgischen  Teile  Ostfrieslands,  die  Sello,  Studien  zur  Ge- 
schichte  von  Oestringen  und  Rtistringen  (1898),  S.  76  f.  u.  S.  81 
anfuhrt,  haben  sich  nur  zu  zweien  die  ausftthrlichen  Protokolle 
erhalten.    Aus  Groningen1)  ist  mir  auch  nur  eine  summarische 


2)  Vgl.  Mr.  J.  S.  G.  Koning,  Oude  aantekeningen  over  Heksen-Pro- 
ceesen  in  de  Ommelanden  en  het  Oldambt,  in  den  Bijdragen  tot  de  Ge- 
schiedenis  en  Oudheidskunde  i.  z.  van  de  provincie  Groningen,  Deel  7 
(1870),  S.  262  ff.  Dazu  Feiths  Nachtrag  S.  318  und  Bartels  Besprechung 
im  Ostfries.  Monatsblatt,  Bd.  1  (1873),  S  294  ff. 


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—     107     — 

Aufz&hlung  von  derartigen  Processen  bekannt,  die  gerade  weil 
sie  nur  die  kurze  Spanne  Zeit  von  1647—1557  umfasst,  durch 
die  hohe  Zahl  der  Falle  einen  erschreckenden  Riickschluss  auf 
die  Gesamtsumme  von  Hexenprocessen  in  den  Ommelanden 
und  dem  Oldambte  gestattet.  Im  Bezirk  des  heutigen  Ostfries- 
lands  endlich  sind  die  Acten  der  Beningaschen  Handschrift 
das  erste  und,  wie  es  scheint,  einzige  Beispiel  eines  Hexen- 
processprotokolls.  Sonst  sind  auch  hier  die  kurzen  Angaben 
der  Chronisten  unsere  einzige  Quelle.  Zu  der  Zahl  der  ost- 
friesischen  Hexenprocesse,  die  nach  Wiarda  HI,  12  u.  205  im 
Ostfriesischen  Monatsblatt  I,  208  ff.  und  nach  Abel  Eppens 
Chronik  ad  1586  ibid.  S.  300  f.  behandelt  werden,  weiss  ich 
keine  weiteren  hinzuzufiigen,1)  es  geniigt  also,  kurz  die  prim&ren 
Quellen  der  einzelnen  Nachrichten  zu  besprechen.  Von  den 
beiden  Processen  oder  richtiger  Processgruppen  von  1543  und 
1547  giebt  Beninga  selbst  in  seiner  Chronik  die  ersten  Nach- 
richten, die  durch  gleichzeitige  Notizen  im  Rechnungsbuche 
der  Grafin  Anna  bestatigt  werden.  Ich  setze  die  Stellen  aus 
dem  Beninga  hierher: 

1)  1643.  Beninga  ed.  Harkenroht,  S.  736  f.:  „Woe  itliche 
Toverschen  tho  Aurick  vorbrant.  CXI.  In  dussen  winter 
(1543)  wurden  in  lange  Ripe  in  den  Ampte  to  Aurick 
vele  Toverschen,  de  sick  den  duyvel  avergegeven,  mit  oene  to 
doende  als  mit  oeren  echten  menneren,  angegrepen,  dat  de 
meerer  deel  aene  pine  bekent  hebben,  so  dat  up  eenen  dach 
een  man  und  een  vrouwe,  de  van  den  grooten  thoern  doot  viel, 
verbrent.  Darna  umtrent  midvasten  wurden  noch  9  up  eenen 
dach  verbrent.  Nicht  lange  daerna  noch  vyf,  de  vele  groulicke 
dingen  mit  den  duivel  verschaffet,  belyet  hebben. a  —  Auf 
Beninga  beruht  im  Wesentlichen  die  Angabe  E.  F.  v.  Wichts  in 
seinen  Annales  Frisiae  ad  1543  (Manuscript  der  Ostfries.  Land- 
schaft  zu  Aurich  No.  15  in  4°,  S.  293,  abgedruckt  im  Ostfries. 
Monatsblatt  1  [1873],  S.  209  Anm.  1).  Doch  muss  v.  Wicht  auch 
noch  andere  Nachrichten  gehabt  haben,  da  er  den  auch  in  unseren 
Acten  wiederkehrenden  Einzelzug  hinzufttgt :  diaboli  monstrum  in 
coitu  frigidae  fuisse  complexionis.  Wenn  er  aber  diesen  Zu- 
satz  mit  den  Worten  einleitet:   Confessae  enim  hae  bestiae 


l)  Aber  siehe  jetzt  unten  zu  1591/92! 


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per  torturam,  so  bezieht  sich  die  Erw&hnung  der  Folter 
nattirlich  nur  auf  diese  eine  Aussage,  und  der  juristische  Ver- 
fasser  des  Artikels  im  Monatsblatte  hatte  daraus  keinen  Gegen- 
satz  zu  Beningas  Worten:  „dat  de  meerer  deel  aene  pine  be- 
kent  hebbena  construieren  dtirfen.  Aus  unsern  Protokollen 
ersehen  wir,  dass  wirklich  nur  ein  Teil  der  Aussagen  durch 
die  Folter  erpresst  ist. 

2)  1547.  Beninga  S.  799  f.:  „Woe  idtliche  Toverschen  tho 
Norden  gebrant  wurden.  CLI.  In  dussen  jaer  (1547)  wurden 
itliche  Toverschen  to  Norden  angegrepen,  dat  door  tweMoller 
knechte  int  licht  quam,  de  vele  andere  gemeldet,  de  vele  grouwe- 
licke  dingen  mit  den  Duivel  bedreven  hadden.  Daer  van  2  den 
6.  Augusti  up  den  dach  Sixti  na  oere  bekentenisse  int  vuyr  to 
pulver  gebrant  sinnen,  dewyle  im  olden  Testament  verbaden, 
datmen  de  Toverschen  nicht  schal  by  sick  laten  leven."  Hier 
ist  Beninga  bisher  die  einzige  Quelle. 

Kurz,  aber  schwerwiegend  ist  die  Notiz  in  v.  Wichts  An- 
nalen  ad  1590  (Mscr.  der  Landschaft  S.  356):  Multae  veneficae 
hoc  anno  (1590)  combustae  sunt:  in  Knipens  20,  Wittmundae 
2,  Auricae  2,  Lehrae1)  2,  Pewsumae  2  et  Nordae  3  ex 
insula  Juist.  Welch  ein  Jammer  in  den  wenigen  Zeilen! 
Uebrigens  ist  dieser  Kniphauser  Hexenprozess  mit  seinen  20 
Opfern  in  Sellos  Aufzahlung  a.  a.  0.  noch  nachzutragen. 

Weniger  blutig  sind  die  umfangreichen  Hexenverfolgungen 
des  Jahres  1586  verlaufen.  Wir  horen  von  ihnen  nur  durch 
die  Chronik  des  Ommelanders  Abel  Eppens  (Original-Manuscript 
im  Provinciaal-Archief  zu  Groningen,  No.  7b  in  Folio2).  Er  be- 
richtet  zum  Jahre  1587:  „We  verleden  jaar  (also  1586)  in  Oest- 
vreslant  tho  Esens  vnde  vp  meer  plaetsen  niet  allene  geruchte 
erschal  van  Touerschen,  dan  ock  voele  to  Auwerick,  Bierum 
ingetogen  vnde  to  water  laten  swemmen  torn  proue  etc.  vnde 


*)  [Die  jetzt  im  Besitze  des  Herrn  Dr.  M  Klinkenborg  zu  Berlin  be- 
findliche  MOhlmannsche  Abschrift  der  verlornen  Original-Handschrift  der 
v.  Wichtschen  Annalen  hat  an  dieser  Stelle  die  richtigere  Lesart  ,Lyror- 
thae".    R.] 

2)  Vgl.  S.  Muller,  Lijst  van  Noord-Nederlandsche  Kronijken  (=  Werken 
van  het  Historisch  Genootschap  te  Utrecht.  N.  S.  No.  31),  Utrecht  1880, 
S.  61.  —  Die  angezogene  Stelle  ist  hier  nach  Feiths  Abdruck,  Bijdragen 
tot  de  Geschiedenis  . . .  van  . . .  Groningen,  Deel  7  (1870),  S.  318  gegeben- 


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—    109    — 

nochtans  gr.  Edzard  myt  syn  reden  die  straffe  vnde  nasoeck  liet 
verbliuen.  Want  die  sake  so  wydt  vnde  breet  vthstreckede 
sonder  nootwendich  bewysz,  woe  to  Ossenbrugge  mer  dan  80 
personen  verbrant  worden,  rycken  vnde  wal  benoempt  wale  be- 
ruchtiget,  vnde  daer  na  is  verbleuen."  Unter  der  von  Eppens 
an  erster  Stelle  erwahnten  Esenser  Affare  ist  gewiss  an  den 
aus  der  politischen  Geschichte  bekannten  Criminalprocess 
wegen  der  mutmasslichen  Vergiftung  der  Grafin  Walpurgis,  der 
Gemahlin  Graf  Ennos  III,  zu  denken,  vgl.  de  Vries,  Ostfries. 
Monatsblatt  1  (1873),  S.  419 f .  Die  neueren  ostfriesischen  G eschichts- 
schreiber1)  behandeln  die  Sache  zwar  nicht  als  Hexenprocess, 
sondern  als  ein  gewShnliches  Criminalverfahren  wegen  Gift- 
raischerei.  Aber  die  Aussagen  der  gefolterten  Uebelth&terin 
enthalten  doch  einen  Zug,  der  das  Biindnis  der  Angeschuldigten 
mit  dem  Teufel  feststellt,  und  dass  die  Mitwelt  in  dem  Ver- 
fahren  gegen  Christine  Evken  und  ihre  Tochter  einen  veritablen 
Hexenprocess  erblickte,  zeigt  deutlich  die  Notiz,  die  der  Norder 
Pastor  Bernhard  Elsenius  damals  in  seine  Hauschronik  (Original 
im  Kgl.  Staatsarchiv  zu  Aurich,  Manuscript  A  10)  eintrug.  S.  292 
unter  dem  26.  Juli  lesen  wir  dort:  „Anno  1586  Is  Stine  Effcken 
ein  opentlicke  Touersche  vnnde  ehbreckersche  mit  2  Doch- 
teren  Anna  vnd  Hille  geslepet  vnd  vorbrant  worden,  Darummo 
dat  se  frouwe  Walproch,  Grefinne  van  Ritbergen,  Graue  Enno 
sine  gemale,  mit  vorgifft  vmme  gebracht  vnd  gedodet  hadde. 
Der  Sathan  hadde  ere  dat  vorgifft  gebracht  in  der  gestalt  eines 
engels,  we  se  suluest  bekennet."  Viel  diplomatischer  druckt 
sich  v.  Wicht,  Annalen  S.  349  f.  uber  diesen  Fall  aus.  Er  weist 
darauf  hin,  dass  die  Aerzte  der  Verstorbenen  in  bestimmter 
Form  ausgesprochen  hatten,  sie  sei  eines  naturlichen  Todes 
gestorben,  und  beh&lt  sich  deshalb  sein  Urteil  vor.  Dann  er- 
zahlt  er  ausftihrlich  den  Verlauf  des  Processes:  „Capta  tamen 
est  pestifera  ilia  Anna  cum  sorore  et  matre  Stina  Evken, 
Johannis  Evken  consulis  quondam  Esensis  vxore,  et  diris  tor- 
mentis  subjecta  mater  confessa  est,  se  veneficam  esse,  et  dia- 
bolum  praeparasse  quoddam,  quod  in  formam  angeli  trans- 
figuratum2)  sibi  tradiderit,  ut  filiae  Annae  daret.     Anna  vero 


>)  Vgl.  Wiarda  HI,  163  und  0.  Klopp  II,  2G. 
*)  Mfthlmanns  Hs. :  transfiguratus. 


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pet  torturam  rogata  se  quiddam1)  aliquid  a  matre  accepisse 
respondet,  quod  Comitissae  bibendum  dederit,  an  venenum  vero 
fuerit,  necne,  sibi  non  constare,  atque  ita  mater  cum  duabos 
filiis  ad  fiammam  condemnata  est  et  d.  27.  Julii  ad  patibulum 
Esense  miserabili  spectaculo  sunt  combustae."  — 

Erst  nach  dem  Abschlusse  dieser  Arbeit,  als  ihr  Anfang 
bereits  dem  Drucke  entgegenging,  bin  ich  durch  einen  glticklichen 
Fund  des  Herrn  Archivrats  Dr.  Wachter  zu  Aurich  mit  einem 
bis  dahin  ganz  unbekannten  ostfriesischen  Hexenprocesse  be- 
kannt  geworden,  der  durch  das  Local  der  Handlung  besonders 
erw&hnenswert  ist.  Er  bietet  n&mlich  das  erste  sichere  Zeug- 
nis  ftir  einen  Hexenprocess  in  einer  reformierten  Gemeinde 
Ostfrieslands  und  schliesst  zugleicb  die  Reihe  der  ostfriesischen 
Hexenprocesse,  von  denen  wir  wissen,  zeitlich  ab.  Im  Mscr. 
A  164  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Aurich  fand  Dr.  Wachter 
die  Abschrift  eines  Decrets  des  Grafen  Edzards  II  vom  1.  Juni 
1591,  das  den  Biirgermeister  von  Emden  Claes  Horn  erm&chtigt, 
den  gr&flichen  Scharfrichter  zur  Justifizierung  zweier  Hexen 
nach  Rysum  zu  entsenden.  Bei  weiterem  Nachforschen  gelang 
es  Dr.  Wachter,  in  den  Acten  der  Herrlichkeit  Rysum  auf  dem 
Kgl.  Staatsarchiv  auch  noch  den  Wortlaut  des  Urteilsspruches 
in  diesem  Rysumer  Processe,  nebst  dem  Executionsbefehl  an 
den  Scharfrichter  und  der  Beglaubigung  der  vollzogenen  Exe- 
cution durch  einen  kaiserlichen  Notarius  publicus,  alles  in  einer 
Abschrift  des  18.  Jahrhunderts,  zu  entdecken.  Fur  die  Mit- 
teilung  dieses  wertvollen  Materials  und  die  Ueberlassung  einer 
Abschrift  der  beiden  Actenstticke  bin  ich  Dr.  Wachter  zu  be- 
sonderem  Danke  verbunden. 

Erst  jetzt  gewinnt  der  alte  Volksreim,  der  die  Rysumer 
als  Hexenmeister  verspottet, 

Lookert  dat  ligt  heel  verkehrt, 
Ris'mer  Buren  hebben't  Hexen  lehrt,2) 


')  M8hlmanns  Hs.:  quidem. 

«)  Siehe  Ostfr.  Monatsbl.  1880,  S.  120.  Der  freundlichen  Mitteilung 
des  Herrn  Pastor  Lupkes  in  Marienhafe  verdanke  ich  nachtraglich  noch 
folgenden  Reim:  Tiisken  de  Rysmer  un  de  Wir(du)mer  Toren  hebben  de 
Hexen  een  Line  schoren.  —  Wie  Rysum  gait  als  „Hexenlooga  auch 
Thunum  im  Harlingerlande  („De  Thunumer  Bockhexen",  Kern  u.  Willms, 
Ostfriesland  wie  es  denkt  und  spricht,  3.  Aufl.,  1870,  Nr.  84). 


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—   Ill   — 

einen  greifbaren  Hintergrund;  dieser  letzte  bekannte  ostfriesische 
Hexenprocess  wird  also  auch  wohl  wirklich  einer  der  letzten 
gewesen  sein,  weil  er  sich  so  lange  im  Volksbewusstsein  er- 
halten  hat.  Der  Gerichtsherr  unseres  Processes  ist  Sweer  (Ahas- 
verus1)  van  Deelen,  zu  Harskamp,  Rysum,  Loquard  und  in  den 
Ham  Hauptling,  wie  er  sich  selbst  nennt.  Vgl.  fiber  ihn  Harken- 
roht,  Oorsprongkelykheden  (Emden  1712),  S.  199  u.  194  f.  Er 
stammte  aus  der  hollandischen  Provinz  Overyssel  (daher  Herr  zu 
Harskamp)  und  hatte  mit  der  Hand  der  Erbtochter  Tetta  Frese 
die  Herrlichkeit  Rysum  erheiratet.  Ihre  beiden  Namen  werden 
noch  heute  auf  einer  Inschrift  des  Rysumer  Kirchturms,  den  sie 
im  Jahre  1585  erbaut  haben,  bewahrt.  In  dem  bekannten  Oster- 
huser  Accord  von  1611  wird  Sweer  im  §  15  als  einer  der  neu 
eingesetzten  Revisoren  des  Landrechtes  und  der  Niedergerichte 
aufgefahrt,  neben  ihm  sind  aus  der  Ritterschaft  noch  Wilhelm 
von  Inn-  u.  Knyphausen  und  Eger  Beninga  dazu  erw&hlt.  Sweer 
van  Deelen  war  damals  schon  ein  alter  Herr,  wie  Harkenroht 
bezeugt.  Er  ist  aber  auch  friiher  schon  in  der  politischen 
Geschichte  Ostfrieslands  hervorgetreten.  Ubbo  Emmius  erw&hnt 
ihn  in  seiner  Historia  nostri  temporis  (Groningae  1732)  unter 
dem  Jahre  1607  an  mehreren  Stellen,  vgl.  SS.  251.  255  u.  276. 
Mitte  October  1594  ist  er  Mitglied  der  Gesandtschaft,  die  von 
den  ostfriesischen  St&nden  an  den  kaiserlichen  Hof  nach  Prag 
geschickt  wurde,  um  gegen  Graf  Edzard  Klage  zu  ftthren,  aber 
unverrichteter  Sache  wieder  abziehen  musste,  da  ihr  der  Graf 
mit  einer  eigenen  Gesandtschaft  zuvorgekommen  war.  Wir 
erfahren  davon  in  v.  Wichts  Annalen  ad  a.  1594  u.  1595,  be- 
sonders  aber  in  Christ.  Funcks  Ostfries.  Chronik,  Teil  3  (Aurich 
1785),  S.  80.  Dass  Sweer  im  selben  Jahre  auch  auf  dem  Land- 
tage  zu  Aurich  als  tapferer  Verteidiger  seiner  Gerichtsherrlich- 
keit  gegen  Uebergriffe  des  Grafen  Edzard  aufgetreten  sei,  giebt 
Houtrouw  I,  S.  354  an.  Ueber  die  der  Herrlichkeit  Rysum 
damals  noch  zustehende  peinliche  Gerichtsbarkeit  scheint  er 
Hberhaupt  eifersiichtig  gewacht  zu  haben,  das  lehren  uns  auch 


*)  So  wird  Sweer  v.  Deelen  Sfter  mit  gelehrter  latinisierender  Um- 
bildung  seines  Namens  genannt.  In  Wahrheit  hat  nattirlich  der  Name 
Sweer  nichts  mit  dem  alttestamentlichen  Namen  des  Perserkflnigs  zu 
thun,  sondern  ist  eine  Zusammenziehung  aus  alterem  Sweder. 


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—    112    — 

unsere  Acten:  beide  Teile,  der  Graf  sowohl  wie  Sweer  van 
Deelen,  behalten  sich  alle  ihnen  zustehenden  Rechte  ausdruck- 
lich  vor. 

Ueber  den  Verlauf  des  Processes  erfahren  wir  weiter  nichts, 
als  dass  die  beiden  Angeschuldigten,  Bileke  Doden  und  Dedde 
Ubbens,  ihre  Schuld  sowohl  in  gtitlichem  Verhor  wie  unter 
der  Folter  eingestanden  haben.  In  der  feierlichen  Schlusssitzung 
des  hochnotpeinlichen  Gerichts  am  23.  Juni  1591  (1592)  sind 
ihnen  daraufhin  noch  einmal  alle  ihre  „  wider  Gott,  sein  heiliges 
Wort  und  Christliche  Liebe  ihres  Nachsten  begangene  zaube- 
rische  Missethaten"  vorgelesen  worden,  sie  haben  noch  einmal 
„ungebunden  und  ungezwungen  offentlich  unter  dem  freien 
blauen  Himmel  in  Gegenwart  vieler  ehrlicher  und  redlicher 
Leutea  ihre  Schuld  bekannt,  und  der  Gerichtsherr  spricht  das 
Urteil  aus.  Die  gesetzmassige  Strafe  des  Feuertodes  mildert 
er  in  Hinrichtung  mit  dem  Schwerte  des  Scharfrichters.  Ge- 
rade  einen  Monat  vorher,  am  23.  Mai  1591,  *)  hat  sich  Sweer 
van  Deelen  an  den  Emder  Btirgermeister  Claes  Horn  gewandt. 
urn  von  ihm  den  Scharfrichter  zu  Emden,  Meister  Heinrich 
von  Gellern,  zu  erhalten.  Dieselbe  Bitte  richtet  er  nur  wenig 
spater  an  Graf  Edzard,  und  der  eriullt  seine  Bitte  durch  folgen- 
des  Decret,  das  ich  nach  der  Auricher  Abschrift  (Kgl.  Staats- 
arch.,  Mscr.  A  164,  S.  11 — 12)  wiedergebe: 

„Extractus  Protocolli  vom  1.  Juni  1591. 

Als  Schweer  von  Deelen  zu  Harschamp,  Risum  und  in 
dem  Ham  hauptling  erstlich  den  23.  Maji  Claes  Horn,  Burger- 
meister  und  Ambtsverwalter  zu  Emden,  jetzo  aber  wiederum 
Ihr.  Gnaden  selbst  um  Erlaubung  des  Scharff-Richters  zu 
Embden  zu  justificirung  zweyer  Hexen,  so  er  in  seiner  Herr- 
lichkeit  gefangen  hielt,  bittlich  angehalten,  ist  uff  Ihr.  Gnad. 
Befehl  folgendergestalt  an  Claesz  Horn  geschrieben  worden. 

Edzard  etc.,  Erbahr,  lieber  getreuer,  Demnach  Uns  der 
Ehrenveste  Unser  auch  lieber  getreuer  Schweer  von  Deelen  zu 
Risum    hauptling    bittlich    angelanget,    Ihme    zu   justificirung 


l)  Unsere  Abschriften  divergieren  in  den  Jahreszahlen,  das  Decret 
spricht  von  1591,  die  Rysumer  Acte  von  1592 ;  dass  nur  ein  Jahr  gemeint 
sein  kann,  ergiebt  sich  mit  Notwendigkeit  aus  den  Acten  selbst,  welches 
Jahr  aber  das  richtige  ist,  vermag  ich  nicht  zu  entscheiden. 


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—    113    — 

Zweyer  Hexen  Unsern  Scharfrichter  folgen  zu  lassen:  als  haben 
Wir  Ihm  solchs  tanquam  Precarium  aus  Gnaden  erlaubet  and 
zugelassen;  doch  Unser  habender  Hoch-,  Ober-  and  Gerechtig- 
keit  unvergreiff lich  und  dasz  Wir  Ihn  zu  angemaszten  Gericht 
keinen  Eingang  oder  BekrSLfftigung  dardurch  erstatten  wollen. 
Befehlen  Euch  derowegen  hiermit  in  Gnaden,  dasz  lhr  Ihme 
gedachten  Unsern  Scharfrichter  uff  sein  Ansuchen  im  Beyseyn 
Notarien  und  Zeugen,  so  obberuhrtermaszen  hievon  prote* 
stiren  sollen,  folgen  laszen,  immaszen  Wir  hiebevor  an  Euch 
deszwegen  Meldung  gethan,  daran  beschicht  Unsere  Meinung 
und  Wir  seyn  Euch  mit  Gnaden  gewogen.  Datum  uff  Unserm 
hause  Behrumb.  d.  1.  Juni  Anno  91.* 

Dass  Meister  Heinrich  in  Rysum  seines  Amtes  gewaltet 
hat,  erfahren  wir  aus  den  Zusatzen  zum  Urteilsspruch,  die  zu- 
nachst  den  Wortlaut  des  mtindlichen  Executionsbefehls  an  den 
Scharfrichter  und  dann  die  notarielle  Beglaubigung  der  voll- 
zogenen  Hinrichtung  geben.  Als  Ort  der  Hinrichtung  wird 
„meine  gewOnliche  gerichtsstedt"  genannt,  nach  Houtrouw  I, 
S.  366  lag  der  Rysumer  „Galgenberga  damals  ausserhalb  des 
Deiches,  bis  er  von  den  Fluten  verschlungen  und  ein  neuer 
Galgen  im  Jahre  1717  auf  den  Burglanden  errichtet  wurde. 
Dass  die  Leichname  der  beiden  Frauen  beerdigt  werden  sollen, 
wird  ausdriicklich  hinzugeftigt. 

Zum  Schluss  gebe  ich  den  Text  des  Urteils  und  der  An- 
h&ngsel  im  Wortlaute  nach  der  allein  erhaltenen  Abschrift  des 
Kgl.  Staatsarchivs  Aurich,  Acta  0.  A.  Herrlichkeit  Rysum  No.  9. 
Sie  stammt  aus  dem  Jahre  1742,  wo  der  damalige  Regierungs- 
rat  und  Amtsverwalter  Grems  zu  Norden  auf  Veranlassung 
des  Fflrsten  Karl  Edzard  die  gesamten  Criminalacten  des  Pro- 
cesses  gegen  Bilke  Doden  und  Dedde  Ubbens  wegen  ange- 
schuldigter  Zauberei  an  den  Hof  nach  Aurich  gesandt  hatte. 
Grems  fiigte  die  Bitte  hinzu,  ihm  die  Acten,  die  zum  Rysum- 
schen  Gerichte  gehorten,  bald  zuriickzusenden,  damit  er  solche 
seinem  Bruder,  dem  Gerichtsverwalter  zu  Rysum,  restituieren 
konne.  Man  hat  damals  in  Aurich  leider  nur  das  Urteil  selbst 
abgeschrieben  und  dann  die  Acten  zuriickgeschickt,  ihr  weiteres 
Schicksal  ist  unbekannt. 

„Ich  Schwer  von  Dehlen  zu  Harszkamp,  Risum,  Loquartt 
und  in  den  Ham  Heubttlingk 

Jahrboch  der  Geullsch.  f.  fc.  K.  u.  yaterl.  Altertttmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  8 


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—    114    — 

Demnach  Bileke  Doden  (u.)  Dedde  Ubbens l)  sowol  in  der 
guette  als  auch  etzlicher  zimblicher  angelegtter  Pein  solche 
itzo  abgelesene,  wieder  Gott,  sein  heiliges  Wortt  und  Christliche 
Liebe  ihres  negsten  begangene  zauberische  miszethaedten  al- 
hier  vor  meinem  hochnottpeinlichem  mit  Urtheil  und  Recht 
gehegtem  Halsgerichte  freywillig  ungebunden  und  gezwungen 
offentlich  unter  dem  freyhen  blauen  himmel  in  Kegenwertig- 
keitt  vieler  ehrlicher  und  redlicher  leuthen  bekandt,  und  mir 
von  ungedencklichen  Zeitten  her  wegen  wolerlangten  und  Krafft 
ersessener  Jurisdiction  dieser  Allodial  und  freyen  herligkeitt 
Risura  gebuehrett,  solche  und  andere  abschewliche  miszthaetten 
nach  Gottes  befehlich  und  des  RSmischen  Reichs  peinliche 
Halsgerichtsordnung  zuvolge  des  109.  Articuls  andern  zum  ab- 
schreckenden  Exempel  und  zu  erhaltung  Rechtens  und  gerech- 
tigkeit  mit  feuer  vom  Leben  zum  tode  zu  bringen 

So  will  doch  ausz  genugsam  mich  dazu  bewegenden  Ur- 
sachen  solche  fewerstraffe  vor  dieszmahl  einstellen,  Erkenne 
derentwegen  und  spreche  vor  Recht,  dasz  Bileke  Doden  (u.) 
Dedde  Ubbens  sol  an  meine  gew6nliche  gerichtsstedt  ausge- 
fuehrett  und  von  dem  Scharffrichter  mit  dem  Schwerdt  vom 
Leben  zum  Tode  gebracht  und  hernacher  beerdigtt2)  werden. 
Darmit  mein  hochnottpeinlich  halsgericht  hierdurch  gesterckett 
und  nicht  geschwechet  werde.  Von  Rechtswegen.  Pronun- 
ciatum  Risum  den  23.  Junii  Ao.  92. 

Nach  dieser  auszgesprochener  Sententz  sol  mundtlicb  die 
Execution  anbefohlen  werden  wie  volgett: 

Zu  Volstreckung  dieser  gesprochener  Urtheil  wirdt  euch 
M.  Heinrich  als  dem  Nachrichtern  ausz  befehlich  des  obge- 
meldten  gestrengen  und  edlen  Jungkern  als  dieses  orts  unge- 
miettelter  Obrigkeitt  gebotten,  lautt  itzo  abgelesener  Sententz 
die  wirckliche  Execution  zu  thuen  und  ins  werck  zu  richten: 
darbenebenst  gebotten  und8)  erstlichen  verbotten,  dasz  nie- 
mandt  ihn  M.  Heinrichen  an  solcher  Execution  wider  mitt 
Handt  noch  mundt  soil  eintrag  oder  behinderung  thuen:  bey 
Leibstraf. 


2)  Der  Name  der  Dedde  Ubbens  ist  hier  und  unten  am  Rande  nacb- 
getragen. 

f)  „u.  h,  b/'  am  Rande  nacbgetragen. 
8)  „geb.  und"  am  Rande  nachgetragen. 


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—    116    — 

t)asz  diesz  Urtheil  ausz  obgemelten  Acten  gesprochen,  in 
die  wirkliche  Execution  ohne  jemandts  Verhinderung  und  ein- 
sperrung  durch  M.  Heinrichen  von  Gellern  Scharffrichtern  zu 
Embden,  welchen  der  wohlgeborner  Herr  Herr  Edzartt,  Graf 
und  Herr  zu  Ostfrieslandtt  :  zu  Sterkung  desz  Jungkhern 
peinlich  Halsgeright1)  hatt  erlaubett,  gerichtett  worden  ist, 
bekenne  ich  0.  Brinen2)  manu  propria  imperatoriae  Majestatis 
autoritate  notarius  publicus. 

Dieses  ich  nach  dem  Original  mit  seinen  Marginalzus&tzen 
und  strichen  abgeschrieben  und  facta  collatione  damit  concor- 
dirend  befunden. 

in  fidem 
Detmers  F.  0.  Regierungs-Secretarius." 

Damit  haben  wir  die  Reihe  der  aus  Ostfriesland  bezeugten 
wirklichen  Hexenprocesse  durchmustert;  wollten  wir  dazu  nun 
auch  die  sonstigen  Zeugnisse  fiber  Hexenglauben  und  Bezaube- 
rungen  durch  Hexenmeister  mannlichen  und  weiblichen  Ge- 
schlechts  sammeln,  so  wtlrden  wir  freilich  nicht  so  schnell  zu 
Ende  kommen.8)  Werfen  wir  jetzt  einen  Blick  auf  die  n&heren 
Umstande  des  Processes  von  1543,  wie  wir  sie  aus  Beningas 
Aufzeichnungen  in  der  Bonner  Handschrift  kennen  lernen. 

Zun&chst  ergeben  die  Acten,  was  aus  Beningas  Worten 
in  der  Chronik  nicht  hervorgeht,  dass  wir  es  mit  zwei  ver- 


')  wzu  Sterkung  —  Halsg."  am  Rande  nachgetragen. 

")  Qemeint  ist  Oswald  Brinner,  vgl.  Jahrb.  XIV,  299. 

•)  Man  vergleiche  z.  B.  die  Verhandlung  des  reformierten  Coetus 
Anno  1579  gegen  den  Prediger  Hermannus  zu  Jemgum,  der  zu  einem  im 
tteftngnis  zu  Wedde  eingekerkerten  Teufelsbanner  gegangen  war,  um  von 
ihm  flat  far  seine  durch  Bezauberung  erkrankte  Frau  zu  holen.  Siehe 
Meiners,  Oostvrieschl  Kerkel.  Geschiedenisse  II,  151  ff.,  Bartels  im  Ostfries. 
Monatsbl.  1  (1873)  431  u.  437  Anm.  9;  2  (1874)  121.  Oder  aus  einer  etwas 
spateren  Zeit  die  Beschuldigung  gegen  den  angesehenen  1591  verstorbenen 
Ocko  Frese  (Staatsarchiv  zu  Aurich,  Reichskammergerichtsacten,  2.  Ab- 
lieferung  No.  106  =  Appellation  in  Sachen  Garlichs  Erben  contra  Kruminga, 
darin  PunktSO  [Mitteilung  Dr.  Wachters]):  „Wahr  dass  Ihm  Ocko  Friesen 
auch  in  Zeit  seiner  abgelegten  disposition,  ein  gemein  leuenth  {Leumund?] 
vnnd  sage,  alss  das  er  ein  Zauberer  sein  sollte,  nochgegangen,  vnnd  er 
desshalber  bei  menniglichen  anrUchtig  worden,  auch  tali  sinistra  hominum 
opinione  afficirt,  veratorben.*  Ueber  das  Treiben  der  Pul-Hille  in  Leer 
um  1730  vgl.  Ostfries.  Monatsbl.  1  (1873)  432  ff.  etc.  etc. 

8* 


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—     116    - 

schiedenen  Processen  zu  than  haben,  die  sich  zwar  raumlich 
und  zeitlich  nahe  berfihren,  aber  ganz  verschiedene  Gruppen 
von   Angeklagten   aufweisen.     Bei    dem   ersten   Processe 
kftnnen  wir  uns  aus   den  Acten   ein  genauea  Bild  von  dem 
Gange  der  Verhandlung  machen:  Montag  den  29.  Januar  1643 
dringt  die  erste  Kunde  von  dem  Treiben  der  Hexen  in  den 
Ripen  zu  den   Ohren  der  Amtleute  in  Aurich,   ein  M&dchen 
aus  Riepe  beklagt  sich,   dass  ihr  eine  jOngere  Frau  namens 
Froutet  immerfort  nachsteUe  und  sie  zur  Zauberei  verleiten 
wolle.     Sofort  lassen  die  Amtleute  durch  die  Gerichtsdiener 
die  beiden  Frauen  nach  Aurich  holen.     Froutet  leugnet  zu- 
nftchst,  als  ihr  aber  die  Folter  angedroht  wird  (wt  bedruwynge), 
legt  sie  ein   umfassendes   Gest&ndnis  ab.    Unter  der  langen 
Reihe  von  Mitschuldigen,  die  sie  aufz&hlt,  ist  auch  ein  Mann, 
Junge  Diude  aus  Riepe,   ein  Greis  von  80  Jahren,   dem  aber 
die  unfl&tigsten  Sch&ndlichkeiten  zugeschrieben  werden.    An 
ihm  wird  die  Justiz  mit  der  grossten  Beschleunigung  vollzogen. 
Am  Donnerstag  vor  Esto  mihi,  den  1.  Februar,  wird  er  pein- 
lich   befragt,   zum  Feuertode  verurteilt  und  am  andern  Tage 
hingerichtet.    Die  Nacht  zuvor  balgen  sich  Katzen  und  Hunde 
auf  dem   Eise  um  die  Auricher  Oberburg.    Als  Junge  Diude 
zum  Tode  geffthrt  wird,   sttirzt  sich  eine  der  beiden  Ridels- 
fiihrerinnen    (sie   werden    die    Schulmeisterinnen   der  flbrigen 
genannt),  Ocke  Ippe  Waelken  Frau,  bei  diesem  Anblicke  oben 
aus  dem  Fenster  des  Turms,  in  dem  sie  gefangen  sass.    Ihre 
Genossin,  Ocke  Frederick  Dayen,  sieht  ihrer  Entbindung  ent- 
gegen    und    wird    deshalb    bis    auf   Weiteres    interniert;  die 
Protokolle  iiber  ihre  sp&tere  Vernehmung  fehlen.    Nachdem  so 
die  drei  Hauptangeklagten  beseitigt  sind,  folgt  die  Vernehmung 
der  abrigen  „criminis  socie  et  conscie".    Von  zweien,  Amke 
Heynen   und  Ette  Poppe  Harmens,   horen  wir,  dass  sie  eben- 
falls  bereits  am  1.  Februar  ausgesagt  haben.   Von  ihnen  scheint 
Ette  durch  die  Gnade  der  Gr&fin  losgekommen  zu  sein,  wir 
horen   weiter   nicht  mehr  von  ihr,   und  die  sie  belastenden 
Aussagen  sind  in   den  Acten  flberall  getilgt  worden.     Amke 
dagegen  erscheint  auch  bei    den    spftteren  VerhSren   wieder. 
Diese  finden  am  7.  und  8.  Februar  (Donnerstag  und  Freitag 
nach  Esto  mihi)  statt  und  bringen  die  Aussagen  von  weiteren 
sechs  Angeklagten:  Moeder  Hilmers,  Bauwe  Bilfeldes,  Grete  Sun- 


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—     117     — 

neken,  Bauwe  In  den  Wolde,  Wibbeke  Galtetz  and  Ewke  Ubbe 
Poppen.  Bei  den  moisten  erw&hnt  das  Protokoll  ausdrttcklich, 
dass  sie  gefoltert  seien,  dabei  haben  sie  dann  noch  4  Frauen 
genannt,  die  sofort  geholt  and  ebenfalls  peinlich  befragt  wer- 
den.  Ihre  Namen  sind:  Gele  Jelscen,  Bauwe  Aepke  Tyan  stif- 
moder,  eine  alte  Frau,  mit  ihrer  Schwiegertochter  Hebe  Tyan 
and  endlich  Hayke  Agen  aus  dem  Hammeryk.  —  Nachdem  der 
Process  diese  Ausdehnung  gewonnen  hat,  beruft  Gr&fin  Anna, 
der  es  wohl  etwas  schwttl  dabei  geworden  sein  mag,  ihre  Rate 
and  bittet  sie  am  ihren  Rat.  Doch  diese  wissen  auch  nichts 
anderes  als  erneute  VerhOre  zu  empfehlen,  damit  noch  mehr 
Personen  genannt  werden  mSchten.  So  findet  denn  am 
13.  Februar  (Dienstag  nach  Invocavit)  an  einem  Tage  die  3. 
and  4.  Vernehmung  der  ganzen  Schar  statt.  Sie  geschieht  in 
der  feierlichsten  Form:  die  Vorsitzenden  sind  jetzt  die  Rate  der 
Grafin  Eggerik  Beninga  and  Itze  van  Grimersam,  der  Drost 
von  Aurich  Eylert  Deetloffs,  Hermen  Lent,  der  Haasschreiber 
Hermen  Prycker  und  Herr  Albert,  Pastor  zu  Aurich,  mit  seinem 
Cappellaen.  Bei  dem  2.  Verhdr  werden  die  Angeklagten  ihren 
Ehemannern  oder  sonstigen  nachsten  Verwandten  gegenflber- 
gestellt,  und  es  kommt  zu  einigen  riihrenden  Scenen.  Alle  be- 
kennen  ungepeinigt  ihre  Schuld,  nur  bei  zweien  fiigt  Beninga 
selbst  am  Rande  hinzu:  „den  scharprichter  eder  Geve-pyne  vor 
Eren  ogen  gestelt,  dar  se  syck  vor  ffruchten  dorste". 

Jetzt  wird  der  Pastor  zu  den  Unglttcklichen  geschickt, 
aber  als  der  ihnen  erdfifnet,  dass  sie  der  Tod  erwarte,  wider- 
rofen  sofort  sieben  der  Verurteilten  alles  was  sie  bekannt  haben 
and  erkiaren  sich  fiir  unschuldig.  So  ist  denn  das  peinliche 
Gericht  gendtigt,  die  Angeklagten  samtlich  noch  zum  5.  Male 
zu  verhdren.  Das  geschieht  am  16.  Februar  (Freitag  nach  In- 
vocavit), zu  den  schon  genannten  Vorsitzern  des  Gerichtes 
kommen  noch  die  beiden  Bttrgermeister  von  Aurich  hinzu. 
Znerst  leugnen  einige  der  Halsstarrigen  hartnackig,  aber  am 
Ende  hat  das  bis  zum  andern  Tage  veriangerte  VerhSr  doch 
seine  Schuldigkeit  gethan:  nach  gdtlicher  Ermahnung  gestehen 
schliesslich  alle  ihre  voile  Schuld  ein.  Es  ist  ein  widerwar- 
tiges  Schauspiel,  wie  dabei  eine  die  Schuld  des  Widerrufes  auf 
die  andere  abwaizt,  oder  wenn  einige  ihre  Schuld  nur  unter 
der  Bedingung   zugestehen  wollen,   dass  auch  alle  anderen 


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—    118     — 

schuldig  gesprochen  wttrden.  Auf  Sonntag  den  18.  Februar 
(Reminiscere)  werden  die  Manner  noch  einmal  nach  Aurich  ge- 
laden.  In  Gegenwart  der  Vorsitzenden,  der  beiden  Biirger- 
meister  und  zweier  „frommena  Burger  aus  der  Stadt  werden 
ihnen  die  protokollierten  Bekenntnisse  ihrer  Frauen  vorgelesen. 
Beninga  ftigt  ausdrucklich  hinzu,  dies  sei  geschehen,  damit  sie 
sich  sp&ter  nicht  beklagen  kdnnten,  wie  sie  es  bereitsver- 
sucht  h&tten.  Am  folgenden  Tage  sind  dann  9  von  den  Ver- 
urteilten  hingerichtet  worden. 

Damit  schliessen  die  Acten  des  ersten  Processes  in  un- 
serer  Handschrift.  Was  mit  den  iibrigen  Frauen  geschehen 
sei,  erfahren  wir  nicht.  Da  nun  Beninga  in  der  Chronik  be- 
richtet,  bald  nachher  seien  noch  5  verbrannt,  so  liegt  es  nahe, 
dabei  an  die  noch  iibrigen  Angeklagten  des  ersten  Processes 
zu  denken,  der  einschliesslich  Froutet  und  Ocke  Frederick 
Dayen,  aber  ohne  Junge  Diude  und  die  andere  Ocke,  gerade  14 
Personen  umfasste.  Aber  dass  nicht  alle  Frauen  aus  Riepe 
verurteilt  worden  sind,  haben  wir  schon  oben  bei  Ette  Poppe 
Harmens  vermutet;  es  wird  bewiesen  durch  eine  Notiz  im 
Rechnungsbuch  der  Grafin  Anna  (Aurich,  Staatsarchiv)  S.  4 
unter  den  Einnahmen  des  Jahres  1543:  „die  frunde  van  Leher 
wegen  der  frowen  wth  den  Ripen  veneficii  accusata  botz  bliuen 
noch  schuldig  100  g(ulden)  up  michaelis  —  50  E(mbder)  g(ulden) 
—  noch  50  E  g  botz  vnnd  darmede  quitierdt."  Daraus  geht 
hervor,  dass  doch  ein  paar  von  den  Riepster  Hexen  mit  einer 
Geldbusse  davongekommen  sein  mussen.  Es  wird  deshalb  die 
Angabe,  dass  noch  weitere  5  Hexen  verbrannt  seien,  wohl  auf 
den  zweiten  Process  des  Februars  1543  zu  beziehen  sein.  Ftlr 
die  Hinrichtungen  erhielt  der  Scharfrichter,  laut  dem  Rech- 
nungsbuch der  Grafin  Anna  Bl.  73  a  (Ausgaben  sub  1543:  Dem 
Scharprichter  pro  puniendis  facinerosis  et  Incantatricibus)  40 
Embder  Gulden  in  Gold. 

Weniger  l&sst  sich  iiber  den  zweiten  Process  aussagen. 
Er  spielt  in  dem  Theen  und  der  Woldengegend  am  Grossen 
Meere,  an  deren  jenseitigem  Ausgange  Riepe  liegt.  Das  Jahr 
ist  hochstwahrscheinlich  ebenfalls  1543,  doch  fehlt  in  dem  Er- 
haltenen  eine  ausdriickliche  Bezeugung,  Die  angegebenen  Ter- 
mine  schliessen  1543  nicht  aus,  lassen  vielmehr  ebenso  wie  die 
enge  locale  Beziehung  diesen  zweiten  Process  als  unmittelbaren 


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—     119    — 

Ausfluss  des  Riepster  Processes  erkennen.1)  Wir  erfahren  von 
4  Verh5ren,  die  sich  vom  14.  Febr.  bis  zum  23.  Febr.  erstrecken. 
Dem  vierten  praesidieren  dieselben  Manner  wie  im  vorigen  Process 
mit  Eggerik  Beninga  an  der  Spitze,  aber  ohne  Itze  von  Grimer- 
sum  und  denPastoren;  in  den  friiheren  VerhSren  wird  nur  der 
Drost  und  der  Schreiber  genannt.  Die  Hauptangeklagten,  deren 
Gest&ndnisse  wir  allein  besitzen,  sind  Gaelke  Galtetz  Onneken 
und  Hayke  Nonneken;  sie  nennen  aber  noch  5  andere,  von  denen 
Hisse  Haren  vielleicht  identisch  mit  einer  der  unten  in  der 
Anmerkung  erw&hnten  Uphuser  Hexen  ist.  Folterung  ist  nach 
den  ausdrticklichen  Angaben  des  Erhaltenen  nirgends  ange- 
wandt,  beide  Frauen  widerrufen  aber  nach  dem  2.  VerhSr  alles, 
um  bei  dem  n&chsten  wieder  umzufallen  und  die  Gnade  der 
Gr&fin  anzuflehen.  Ueber  den  Ausgang  des  Processes  erfahren 
wir  nichts  mehr;  ob  auch  am  Anfange  der  Acten  eine  LOcke 
zu  constatieren  ist,  bleibt  zweifelhaft.  Moglicherweise  hat 
Beninga  hier  bei  dem  Copieren  der  Originalacten  gekiirzt.  — 

Das  Bild,  das  uns  nun  die  Aussagen  der  Hexen  von  ihrem 
unheimlichen  Treiben  entwerfen,  ist  in  beiden  Processen  im 
Ganzen  das  gleiche,  wie  das  ja  bei  dem  gemeinsamen  Milieu 
gar  nicht  anders  zu  erwarten  ist.  Ich  kann  mich  also  im 
Folgenden  wohl  auf  beide  Processe  zugleich  beziehen,  indem 
ich  daneben  das  jedem  Eigentttmliche  besonders  hervorhebe. 

Wie  ich  schon  oben  als  gemeinsames  Charakteristicum 
der  Hexenprocesse  dieser  Periode  ausgefuhrt  habe,  so  tritt  auch 
hier  der  Verkehr  mit  dem  Teufel,  insbesondere  der  Hexensab- 
bath,  durchaus  in  den  Vordergrund  des  Interesses.  Die  Scha- 
digung  der  Menschen,  des  Viehes  und  der  Aecker  wird  nur 
kurz  beriihrt,  im  zweiten  Process  erscheint  das  Bezaubern  und 
Toten  von  Tieren  iiberhaupt  nur  als  ein  Mittel,  um  dadurch  die 
ndtigen  Requisiten  fiir  das  Hexenfest  zu  beschaffen.  Wohl  lockt 
die  Aussicht,  das  Zaubern  zu  lernen,  noch  manche  Unerfahrene 
in  den  Bund,  aber  die  meisten  werden  doch  duroh  das  Ver- 


*)  Im  Verlaufe  des  ersten  Processes  werden  an  zwei  Stellen  noch 
weitere  Frauen  der  Hexerei  beschuldigt,  ohne  dass  wir  nachher  etwas  da- 
Ton  hSrten.  Junge  Diude  nennt  eine  gewisse  Meinste,  die  frfiher  in  Riepe 
wohnte,  spater  aber  ins  Greetmer  Amt  verzogen  ist,  und  Wibbeke  Galtetz 
giebt  gar  ein  ganzes  Consortium  von  Hexen  aus  Uphusen  an,  deren  Spur 
indessen,  soweit  wir  sehen,  nicht  weiter  verfolgt  wird. 


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—    120    — 

langen,  an  den  Ausschweifungen  des  Kesselritts  teilnehmen  zu 
dtirfen,  verfiihrt,  sie  sollen  eitel  Lust  und  Freude  davon  haben, 
wie  es  einmal  heisst.  Solchen  Vorspiegelungen,  die  sich  in  un- 
abl&ssigen  Bemflhungen  und  listigen  Nachstellungen  immer 
wieder  an  das  Opfer  heranmachten,  konnten  die  Wenigsten 
widerstehen.  Andere  werden  von  Junge  Diude  oder  den  beiden 
Ocken  aber  auch  mit  Gewalt  zum  Kesseltanz  mitgeschleppt: 
Hayke  Agen  und  Moder  Hylmers  sind  beim  Kindelbier  durcb 
eine  Schale  Biers,  in  die  Junge  Diude  ein  Zaubermiltel  gethan 
hatte,  gewonnen,  Geele  Jelscen  und  Wibbeke  Galtetz  direct 
aus  ihrem  Bette  herausgeholt  und  zum  Tanzplatz  geschleppt 
worden,  „als  mit  enem  wintflage"  heisst  es  bei  Wibbeke. 

Alle,  die  sich  der  schwarzen  Kunst  ergeben  wollen,  mttssen 
zun&chst  Gott  abschwSren  und  sich  dem  Teufel  ergeben.  Erst 
dann  dtirfen  sie  als  Novizen  mit  auf  den  grossen  Hexensabbath, 
den  Kesseltanz.  Sobald  der  Teufel  oder,  wie  es  im  ersten 
Process  heisst,  ihre  Scholmestersche  Ocke  Frederick  Dayen  mit 
einer  Pfeife  das  bestimmte  Zeichen  giebt,  stehen  ihnen  schwarze 
Katzen  oder  ein  schwarzes  Pferd  mit  einem  ungeheuer  langen 
Bucken  zur  Verfiigung,  um  sie  nach  dem  abgeredeten  Versamm- 
lungsplatze  zu  bringen.  Die  Pfeife,  mit  der  das  Signal  gegeben 
wird,  ist  „so  swart,  dat  se  glinstert";  ihr  Ton  dringt  iiberall 
hin,  die  weit  entfernte  Bauwe  in  den  Wolden  hort  sie  so  gut 
wie  die  Frauen  in  Riepe  selbst.  Aber  nur,  wenn  eine  Genossin 
des  unheimlichen  Bundes  sie  blast,  hat  die  Pfeife  diese  Kraft. 
Vers&umt  eine  Hexe  es,  dem  Signal  Folge  zu  leisten,  so  wartet 
ihrer  eine  schwere  Strafe,  sie  hat  ihr  Liebstes  an  Menschen  oder 
Vieh  zu  opfern;  Gaelke  Galtets  im  2.Processe  bekennt  ausfiihr- 
lich  liber  diesen  Punkt.  Zu  sechs  Malen  im  Jahre  kommen 
die  Hexen  zum  Kesselritt  zusammen,  genannt  werden  haupt- 
s&chlich  Christnacht,  Michaelisnacht  und  Mainacht;  dazu  kom- 
men Pfingstnacht,  Johannisnacht  und  Vastelabend.  Zu  der 
n&chsten  Fastnacht  hatten  sie  sich  bereits  wieder  verabredet, 
als  der  Process  dazwischen  fuhr.  Der  Ort  ihrer  Zusammen- 
kiinfte  wechselt,  ist  aber  immer  in  der  Nahe  ihrer  Wohnsitze 
gelegen.  Die  Riepster  Toverschen  versammeln  sich,  soweit  wir 
davon  erfahren,  zweimal  in  Riepe  selbst,  einmal  aber  „in  den 
velde  van  Bancstede  dael  vp  die  acker".  Die  aus  Theene 
Ziehen  auf  den  Egelsser  Warf  (bei  der  jetzigen  Bauerschafb 


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—     121     — 

Ekels)  „by  den  Theen  upa.  Kurz  gestreift  wird  auch  eine  Ver- 
sammlung  der  Uphuser  Hexen  „by  Reindseel  van  Uphusena, 
einem  einsamen  Warf  in  der  N&he  von  Uphusen. 

In  der  Mitte  der  mancherlei  Ceremonien  und  Gebr&uche 
des  Hexenfestes  steht  der  Kesseltanz;  er  bildet  gleichsam  den 
gottesdienstlichen  Teil  des  Festes.  Eine  genauere  Beschrei- 
bung  davon  haben  wir  im  ersten  Process,  wo  sich  in  der  Christ- 
nacht  1542  die  Schar  der  Teufelsgenossinnen  auf  Frederick 
Dayen  Warf  zu  Riepe  in  der  Kiiche  versammelt.  Zunachst 
mftssen  die  Neulinge  sich  einer  sch&ndlichen  Procedur  unter- 
ziehen,  ihnen  werden  die  Schamteile  geschoren.  Nur  die  junge 
Froutet  bleibt  davor  verschont,  weil  sie  noch  zu  jung  ist. 
Sp&ter  mOssen  sie  es  jedes  Jahr  einmal  wiederholen.  Dann 
wird  der  geheimnisvolle  Kessel  zugerichtet,  der  dem  Feste  den 
Namen  giebt.  Seinen  wesentlichsten  Inhalt  bilden  die  geraubten 
Genitalien  eines  Stiers  oder  eines  Hengstes,  im  Notfall  geniigt 
auch  das  Herz  einer  Kuh.  Im  2.  Processe  erfahren  wir  eine 
ganze  Anzahl  von  Schaden,  die  die  Hexen  nur,  um  diese  uner- 
l&sslichen  Dinge  zu  erhalten,  bei  ihren  Nachbarn  angerichtet 
haben.  Was  sonst  noch  in  den  Kessel  kommt,  wird  nicht 
naher  bezeichnet,  aber  es  heisst  einmal:  „dat  yn  den  Ketel  ge- 
saden  wert,  was  kort  als  kaff  —  vnd  geen  flescka,  und  die- 
selbe  Person  sagt  etwas  weiter:  „se  gripen  dat  mit  der  hant 
van  den  acker  up,  dat  se  in  den  ketel  (don),  vnd  wat  se  nicht 
up  eten,  dat  warpen  se  weder  up  den  ackera.  Das  Gebr&u, 
das  in  dem  Kessel  aus  diesen  teuflischen  Ingredienzien  zu- 
sammengebraut  wird,  dient  dann  zu  allerlei  Zaubereien,  zur 
Anreizung  der  Wollust,  beim  Abschiede  schmiert  der  Teufel 
damit  den  Hexen  die  Fiisse,  so  kommen  sie  nach  Hause, 
ehe  der  erste  Hahn  kraht.  Legen  sie  von  der  Materie 
aus  dem  Kessel  etwas  den  Rindern  zwischen  die  Horner, 
so  siechen  die  Tiere  dahin  und  konnen  nicht  gedeihen  u.  &.  m. 

Ist  das  Gebr&u  im  Kessel  fertig  gekocht,  so  wird  der 
Kessel  von  den  Hexen  dreimal  oder  auch  ftinfmal  umtanzt; 
die  ftlteren  Hexenmeisterinnen  haben  den  Vortanz,  die  Neulinge 
treten  bescheiden  zurttck.  Inzwischen  erscheint  nun  auch  ihr 
Gebieter,  der  Teufel,  den  sie  Reinke  nennen,  mit  einigen  seiner 
Unterteufel.  Jetzt  beginnt  das  Schmausen  und  Trinken  und 
dazu  die  wtisteste  Orgie.    Der  Teufel  wird  beschrieben  als  ein 


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—     122    — 

feiner  Jiingling,  er  singt  ihnen  mit  heiserer  Stimme  ein  Vorlied 
zum  Tanze.  Es  wird  besonders  hervorgehoben,  dass  sein  „dyncka 
(=  membrum  virile)  grosser  sei  als  das  eines  Menschen,  der 
Same,  der  von  ihm  geht,  ist  kalt.  Dazu  hat  er  Pferdefusse 
und  vierkantige  Hande.  Im  Riepster  Process  ist  an  die  Seite 
dieses  Buhlteufels  die  ekelhafte  Gestalt  des  alten  Junge  Diude 
getreten;  die  unflatigsten  Einzelheiten  erzahlt  das  Gestandnis 
der  Bauwe,  selbst  Beninga  schreibt  hier  plStzlich  Lateinisch. 
Am  Schlusse  des  Banketts  fahren  alle  Hexen  auf  Katzen 
zum  Schornstein  hinaus  auf  die  Aecker,  tanzen  und  tollen  dort 
umher  und  bezaubern  die  Aecker  ihrer  Feinde,  bis  sie  sich 
endlich  trennen. 

Wer  die  Unholdinnen  bei  ihrem  Tanz  sehen  will,  der  setze 
sein  ganzes  Vertrauen  auf  Gott  und  krumme  dann  den  Daumen 
der  rechten  Hand,  so  wird  er  sie  alle  sehen.  Gegen  ihren  Zauber 
sich  zu  schtitzen,  ist  es  gut,  ein  Messer  bei  dem  Bette  hangen 
zu  haben,  noch  besser  aber,  sich  von  ganzem  Herzen  auf  Jesus 
Christus  zu  verlassen. 

Der  Stil  der  Bekenntnisse  ist  ja  oft  kraus  genug,  aber 
gerade  dadurch  ein  getreueres  Abbild  der  Wirklichkeit,  als  wenn 
Beninga  ihn  gestutzt  und  abgeschliffen  h&tte.  Das  ist  auch 
sonst  nicht  seine  Sache,  ihm  war  es  nur  urn  das  Material  zu 
thun,  das  er  sich  hier  aus  den  Originalen  schopfen  und  aus 
der  eigenen  Erinnerung  noch  vermehren  konnte.  Daher  die 
vielen  Randnotizen  und  Zusatze  im  Contexte,  die  kleinere  Zfige 
nachtragen,  aber  nirgends  etwa  den  Stil  verbessern  sollen.  Ich 
habe  die  Bekenntnisse  genau  so  wie  die  Handschrift  sie  bietet 
zum  Abdruck  gebracht,  nur  die  Eigennamen  uberall  gross  ge- 
schrieben.  Durch  Hinzuftigung  einer  einfachen  Interpunction 
habe  ich  das  Verstandnis  zu  erleichtern  gesucht;  dass  auch 
mir  manche  Stellen  der  Bekenntnisse  unklar  geblieben  sind, 
muss  ich  hier  vorweg  bemerken. 

(Bl.  162a)  Bekenteniffe  der  touerfchen  to  Aurick 
vorbrant,1) 

(Bl.  163ft)  Anno  etc.  1543  den  29  January  is  den 
amptluden    to    Awrick    yn    erfarunnge    gekamen,    woe    ene 

l)  Bl.  162  der  Hs.  entMlt  nur  diesen  Titel,  wie  das  Folgende  von 
Beningas  eigener  Hand. 


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—     123    — 

Junge  maget  yn  den  Ripen  geclaget  heft,  dat  ene  Junge  fruwe 
vanxj  eder  xij  Jaren1)  Froutet  geheten  vnderftunden2)  fe  yn 
bofer  gefelfchup  to  vorforen  vnnd  leren  ore  touerye  to  gebruken, 
vorgyft  to  maken,  dar  fe  Mynfchen  vnnd  beefte  muchte  medo 
wmme  bringen  vnnd  myt  qwynender  fuke  vordaruen  laten  an 
line  vnnd  goede.  Jn  fulcher  geftalt  hadde  fe  or  allwege  myt 
lift  nae  gegaen  vnnd  kunde  orer  nicht  werden  entflagen,  er  fe 
fulches  meldede. 

Sulches  wyder  to  erfaren  hebben  de  Amptlude  dat  mege- 
deken  vnd  de  Junge  frawe  Froutet  dorch  de  deneren  to  Aurick 
laten  halen.  dar  fulueft  heft  dat  Megedeken  de  fruwen  vor- 
claget  vorberorter  maten,  de  fulches  vor  erft  gelochenet  vnnd 
dennoch  wt  bedruwynge  alles  bekant  foe  vorgefcreuen. 

Als  nu  de  Junge  fruwe  fcarper  darwmme  gefraget,  wat  or- 
fake  fe  dar  hen  bewagen  heft,  dat  fe  de  maget  fo  hebbe  nae 
gegaen,  dar  up  heft  fe  geantwort,  Dat  Ocke  Frerick  Dayen  wyff 
yn  den  Ripen  oer  dar  to  hadde  gedwungen.  fe  hadde  or  ock 
de  boefe  kunft  als  fe  vngeferlich  van  xj  eder  xij  Jaren  was 
gelert,  hadde  fe  dar  to  myt  druwen  genodiget,  „oft  fe  wulde  my 
wmme  bringen  myt  vorgyft". 

Dar  nae  is  dat  Junge  wyff  Froutet  wyder  gefraget,  woe 
fe  duffen  handell  driuen,  dar  fe  dat  toueren  van  gelert  vnnd 
woe  dat  to  gegaen  vnnd  wat  lude  dar  by  plegen  kamen,  up 
wat  ftede  vnnd  tyt. 

Dyt  heft  fe  up  fryen  voeten  beliet,  wat  fe  dar 
bedreuen,  wat  perfonen  dar  geweft,  welche  tyt 
vnnd  ftede  fampt  anderen  wmftende  als  hyr  nae 
uolget. 

To  den  Erften  wurt  er8)  vorgeftelt,  vnd  de  dar  Erfte  by 
gebracht  werden,  dat  fe  Got  moeten  vorfaken  vnnd  vp  one 
nicht  dencken  de  wyle  fe  de  kunft  bruken,  vnd  muften  fyck 
den  duuel  den  fe  Reynke  nomden   auergeuen,   de  hadde  one 


*)  Diese  Altersangabe  kann  nicht  stimmen,  da  es  gleich  darauf 
heisst,  Froutet  sei  11  oder  12  Jahre  alt  gewesen,  als  sie  zum  ersten 
Male  in  die  Zauberei  eingeweiht  worden  sei ;  seitdem  muss  aber  eine 
langere  Zeit  vergangen  sein.  Offenbar  gehoren  die  Worte  „van  xj  eder 
xij  J.**  in  die  ?orige  Reihe  hinter  „Junge  maget". 

V  n  ganz  verldscht,  aber  noch  deutlich  erkennbar. 

■)  D.  i.  Froutet. 


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—     124    — 

alien  to  gefecht1),  he  wulde  fe  rick  maken.  (Bl.  163 b)  Vor  erft 
heft  fe  gemeldet  vnnd  vortelt,  wat  fchande  vnd  grufame  dynge 
fe  gewarket  hebben. 

Jn  der  Chriftnacht  negest  vorgangen  fyn  de  touerfchen 
up  Frederick  Dayen  warf  tofamen  gekamen  vnd  yn  fyne  koeken 
tofamen  geweft,2)  Dar  fulueft  eynen  ketel  myt  fich  gebracht, 
up  de  delen  gefett,  dar  wurpen  fe  Mentulam  taurij  in,  den  fe 
Poppe  Harmens  fteer  affgefneden,  myt  ander  materij.  dat  rorden 
fe  wmme  vnnd  dantzeden  dre  mael  dar  wmme  her.  Als  dat 
gedaen  was,  nemen  fe  wt  den  ketell  etwas  vnnd  fmerden  Junge 
Dyuden  Admiffarium  fuum  fyn  gebortlit  dar  mede.  dar  nae  ple- 
gede  he  fchentliche  bofe  luft  vnnd  vnkufkheyt  myt  fe,  vnnd 
dar  nae  de  duuell  fulueft  myt  fe  alle  gelick.  wanner  fe  dan  myt 
dem  Junge  Dyuden  vnnd  dem  duuell  fulches  hadden  gefchaffet, 
foe  hadden  fe  dar  nae  to  Dyfcke  gefeten  vnnd  van  den  bullen 
fchacht  wmme  gefneden  vnd  gedeelt8). 

Dar  nae  fynnen  fe  up  katten  torn  fchorfteyn  wtgefaren  up 
de  Acker,  eyn  deel  dar  her  gedantzet  vnnd  hebben  touerie  up 
den  felde  gebruket,  De  ackeren  vnfruchtbar  gemaket,  de  materij 
ruggewartz  auer  gewurpen,  de  fe  dar  to  hadden  bereyt,  Vnnd 
wunderlick  gefpenft  bedreuen  vnnd  alfo  van  den  anderen 
geflagen4). 

5)Vnnd  als  Junge  Dyude  fynen  wyllen  myt  Froutet  wulde 
fchaffen,  hadde  fe  gefcreyt  vnd  weygerde  em.  Doe  hadde  Ocke 


*)  Handschr.:  gefcht. 

*)  Am  Rande  hat  Beninga  hinzugeftigt,  sp&ter  aber  wieder  durch- 
strichen:  de  pipe  dar  fe  mede  tof amende  gefloitet  werden  is  by  1V»  fpanne 
lanck  vnd  is  fo  fwart  dat  fe  glinftert. 

*)  Wieder  durchstrichener  Zusatz  am  Rande:  want  fe  ock  enen 
bullen  krygen,  den  tehen  fe  fo  lange  an  fyn  Mentulam  dat  em  wat  vnt- 
geyt.  dat  nemen  fe  up  vnnd  wart  tae,  foe  warpen  fe  dat  ouer  eyn  hue, 
den  fe  betoueren  wyllen,  foe  qwynen  de  mynfen  vnd  beefte,  fo  lange  dat  fe 
ftaruen. 

4)  Randzusatz :  fe  nemen  ock  Materie  wt  den  ketell  vnnd  leden  dat 
den  beeften  tufchen  de  home,  fo  qwyn(d)en  de  beefte  vnd  kunden  nicht 
dyen  wat  dat  was  wufte  fe  nicht. 

5)  Die  zweite  H&lfte  von  Froutets  Aussage,  von  hier  an  bis  zum 
Ende  des  dritten  Absatzes  (by  den  and.  byscheden)  ist  in  der  Us.  durch- 
strichen.  Obwohl  diese  Abs&tze  mehrere  Zuge  der  ersten  H&lfte  einfach 
wiederholen,  bringen  sie  im  Ganzen  doch  wertvolle  Erg&nzungen  and 
vieles  Neue. 


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—    125    — 

Fredericks  or  dar  to  gedwungen,  oft1)  fe  wulde  oer  doeden  oft© 
er  myt  touerie  wmme  bringen. 

De  Junge  fruwe  Froutet  beliede  vnd  clagede  ock,  dat 
Jonge  Dyude  vnnd2)  Ocke  Frericks  oeren  grotevader  vnnd 
ore  grotemoder  doet  getouert  hadden  •),  de  fe  dar  nae  upge- 
tagen  vnnd  alle  boefheit  gelert  hadden,  vnd  darum4)  dat  fe 
Ocke5)  up  eren  hert  wanen  wulde5),  als  dar  nae  gefcheen  is. 

(Bl.  164 •)  De  Erste  yn  ore7)  orden  angenamen  werden,  de 
laten  fyck  de  pudenda  fcheren;  ouerft  fe  was  noch  to  Junck  geweft. 
Ock  wanner  fe  toueren  wyllen,  fo  flaen  fe  de  har  wt  den  nacken 
ouer  dat  angefycht.  Se  beliede  ock,  dat  fe  vnfen  heren  Jefum 
Chriftum  muften  vorfaken  vnd  fyck  den  duuel  ouergeuen,  de 
wnlde  fe  rick  maken8).  Poppe  Harmens  fteer  hadden  fe  wt 
gefneden  fyn  genitalia9),  Dar  hadde  Ette  Poppen  wyff  fulueft 
mede  geweft;  vnnd  doe  dat  was  gefcheen,  hadde  fe  anderen 
luden  ouer  fulchen  fchaden  geclagt.  dat  heft  Ette  ock  fulueft 
alfo  beliet10).  up  duffen  vaftelauent  hadden  fe  fyck  weder  by 
den  anderen  byfcheden.  — 

Hyrnae  volgende  parfonen  eder  Criminis  focie 
et  confcye,  vnnd  wat  eyn  Jder  bekent  heft,  beyde 
eyn  deel  frywyllich  vnnd  eyn  deell  gepiniget. 

Vp  fulche  u)  anzuginge  vnd  praefumption  hebben  de  ampt- 
lude  van  beuelfwegen  vnnd  ordenynge  des  rechten  wyder  to 


')  Uebergeschrieben:  eder. 

*)  „Junge  dyude  vnnd"  sind  in  der  Hs  nachtraglich  fur  „ock  dat" 
eingesetzt. 

•)  Nachtraglich  in  .hadden"  verbessert. 

*)  ,orfake"  fibergeschrieben. 

•)  .Ocke"  spater  hinzugefligt. 

•)  Die  Hs.  hatte  zuerst:  to  wanen  quam;  das  „quamB  ist  dann  in 
, wulde*  corrigiert,  so  muss  jetzt  auch  das  „to"  fallen.  Der  Sinn  ist: 
Ocke  hat  die  Grosseltern  der  Froutet  getCtet,  um  sich  selbst  auf  deren 
Hofe  einzunisten  und  das  junge  Ding  zu  verfuhren. 

*)  In  der  Hs.  ist  aus  „yn"  nachtraglich  ein  ,oreu  gemacht  worden. 

•)  Zusatz  am  Rande :  De  duuel  hadde  ock  vaken  ynden  dantz  yn 
einna  Jungelinges  gestalt  by  fe  geweft,  myt  fe  gegeten  vnd  gedrunken, 
als  fe  menden. 

•)  Die  folgenden  Zeilen  sind  noch  einmal  jede  fur  sich  durchstrichen ! 
*•)  Am  Rande  hinzugeffigt:  vor  myn  g(nedige)  ft^ruwen)  vnd  er 
g(naden)  wm  vorgiffeniffe  gebeden. 

»)  Handschr.:  fulfche. 


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—    128     — 

vnderfoeken,  vnnd  de  befechten  perfonen,  foe  Froutet  dar  ge1 
meldet,  angrypen  laten  vnd  fe  dar  wyder  wmme  laten  fragen. 

Ton  Erften: 

Junge  Dyudo  van  lxxx  Jaren  vngeuerllch  yn  den  Ripen 
waenachtych  is  Erfte  goetlich  vormaent  de  warheyt  to  be* 
kennen.  ouerft  he  wulde  nicht  toftaen,  derhaluen  he  pinlich 
gefraget,  vnnd  nae  der  marter  weder  fry  gelaten,  vnnd  bekende 
dat  alfo  waer  to  fyn,  Dat  he  myt  oer  vnd  myt  den  anderen 
fruwen  als  gemeldet  fulche  boefheit  vullenbracht  hadde,  als 
Froutet  hyr  beuoren  heft  bekant.  Vnnd  dat  he  fulches  funder 
pine  nycht  hadde  gefecht  vnd  beliet,  dat  wer  wm  des  wyllen 
gelaten,  dat  he  fo  vele  fruwen,  de  darmede  befchuldyget 
(Bl.  164 b)  vnd  angrepen  weren,  nicht  wmme  bringen  wulde. 
men  fulde  one  doch  fo  wterlich  nicht  fragen,  men  kunde  wol 
gedenken,  dat  fe1)  nicht  goedes  gedaen  hadden.  De  beyden 
Ocken,  Noemlik  Frederick  Dayen  wyff  vnd  Ippe  Waelken  wyff, 
dat  weren  de  fchoelmefterinnen,  de  de  anderen  lerden  vnnd  al 
dat  fpill  dreuen;  vnnd  de  Froutet  gemeldet  hadde,  De  weren 
alle  fchuldych  der  fuluige  miffedaet.  Junge  Dyude  heft  bekent 
dat  Ocke2)  Frericks  Froutetz  grotevader  vnd  grotemoder  allene 
doet  getouert  heft  vnd  fyck  dar  van  entfchuldyget.  Dar  up  is 
Junge  Dyude  vorordelt  torn  ffur  vnnd  meldede  noch  ene  frwwef- 
perfone  Meynfte  geheten,  de  yn  den  Ripen  plach  to  waenen 
vnd  nu  ynt  ampt  to  Gredt.  Actum  des  donderdages  vor 
Efto  michy.  8)des  nachtes  to  voren  als  he  ftaruen  fulde, 
fynnen  de  katten  wm  de  ouerborch  up  den  yse  gelopen,  de 
hunde  vnd  wynde  myt  fe  Jaget. 

Amke  Heynen  wyff  heft  ock  des  fuluen  dages  beliet 
vnnd  bekent,  dat  fe  yn  der  Chriftnacht  vnnd  vorhen  up 
Michelis  nacht  mede  yn  der  bofen  felfchup  geweft  is,  nomlich 
yn  der  Chriftnacht  up  Ocke  Fredericks  warff  vnnd  yn  fyne 
koeken.  dar  fulueft  fe  alle  fchande  vnnd  boefheit  heft  helpen 
vulbryngen,  als  hyr  vor  van  Froutet  vortelt  angetekent  is; 
Vnnd  dat  J.  Dyude  ock  fynen  wyllen  myt  fe  gefchaffet  hadde, 
vnd  dar  nae  tor  fuluen  tyt  de  duuell  des  geliken. 

')  Fur  „feu  ist  „he  myt  den  anderen"  eingesetzt. 
2)  Die  Ha  hat  hier  und  an  mehreren  anderen  Stellen  deutlich  die 
Form  Ocko. 

a)  Der  Schluss  des  Absatzes  etwas  spater  hinzugefQgt. 


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—    127     — 

^Ette  Poppo  Harmens  wyff  heft  ock  up  den  fuluen 
dach  dat  alles  yn  geliker  maete  beftaen  myt  vullenkamener 
daet,  ok  dat  fe  (eren  egen)2)  fteer  alfo  mede  hadde  verduruen 
als  vorgefcreuen. 

(Bl.  166*)  Ocke  Ippe  Waelken  is  ock  up  den  fuluen 
dach  der  daet  mede  befchuldyget  Vnnd  van  den  anderen  foe 
hyr  nae  uolget  als  eyn  principael  auertuget  is.  vnnd  als  fe  heft 
gefehen  dat  Junge  Dyude  hen  wt  wurt  gefort  torn  doede,  ys 
fe  to  den  venfter  bauen  wten  torn  geuallen  vnnd  fyck  foe 
fulueft  wmmegebracht. 

Ocke  Frederick  Dayen  wyff8)  is  ock  wm  der  boefen 
gruwelyke  daet  wyllen  to  Aurick  gehaelt  vnd  wart  angeholden, 
foe  lange  fe  vorloft  is  van  den  kynde  etc.4) 

(Bl.  165b)  Moeder  Hilmers  hefft  na  der  pynen  dat  fulue 
gelyker  maten  bekant  vnd  is  van  den  anderen  alle  eynerley 
myffdaeth  alff  voerfchreuen  fculdich  auertuegeth. 

Bauwe  Bylfeldes  heft  ock  na  den  pinigende  oher 
fculdich  gegeuen,  den  gruwelyken  fcande  alff  de  anderen  myt 
Jonge  Diuden  vnd  den  duuel  gefcaff  haet  alf  vorfcreuen. 

Grete  Sunneken  hefft  oic  na  den  pinigende  oher  boef- 
heyt  belyt,  wo  dat  fie  met  Junge  Diuden  vnd  den  duuel  onkuif- 
heit  bedreuen  alff  die  anderen  jnder  gruwelyker  fcanden. 

Bauwe  Jn  den  wolde  is  Cryftnacht  daer  nicht  manck 
geweft,  auerft  vp  Mychaelis  had  fie  alles  mede  gedaen  all  de- 
nials (!)  Jm  velde  voer  thouery  gebruyckten6).  vnd  alff  fie  ge- 
fraget,  wie  fie  jn  der  nacht  fo  konden  to  famen  komen,  fede 
fie,  wanneer  Ocke  Frederycs  floytede  myt  der  pypen,  dat  kondc 
fie  horen  in  den  wolde,  fo  weren6)  die  katten  bereyt,  Daer  vp 
reden7)  fie  to  der  plaetz,  daer  fie  fyck  befteeden  hadn.  — 


*)  Der  Rest  der  Seite  durchgestrichen. 

•)  Das  Eingeklammerte  nur  zu  mutmassen. 

*)  Das  Folgende  etwas  spater  hinzugefugt. 

*)  Rest  von  Bl.  166*  leer,  mit  Bl.  165«>  beginnt  die  zweite  Hand. 

")  Zusatz  am  Rande :  Bawe  rogata  quonam  modo  Diudo  ille  ad- 
musarius  falacitate  fua  fatiffacere  pofset  fenis  omnibus,  respondet  vnam- 
quamque  dumtaxat  vnico  ictu  ilium  folere  fubagitare  veluti  pafser. 

•)  Die  folgenden  Worte  sind,  z.  T.  von  Beninga  selbst,  verbessert 
in:  was  de  duuel  yn  den  katten  gestaltcn  dar  bereyt. 

T  „reden"  in  „red"  verb. 


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—    128    — 

[Hier  hat  Beninga  selbst  2l/t  Zeilen  tind  davor  und  dahinter 
je  eine  langere  Randbemerkung  eingeschaltet : 

^Bawe  fecht  ock,  dat  fe  eren  handel  vor  mydnacht  driuen, 
vnd  Eer  de  hane  kreyet  fo  is  eyn  yder  yn  fyn  egen  Hus,  woe  ver 
fe  ock  vanden  anderen  wanen.  —  2)fe  fede  ok,  dat  yn  den 
ketel  gefaden  wert,  was  kort  als  kaff  van')  ander  dynge  Dat  fe 
touerden  vnd  geen  flefck  was  dat  fe  eten.  —  4)fe  gripen  dat 
myt  der  hant  van  den  acker  up,  dat  fe  yn  den  ketel  (don)6),  vnd 
wat  fe  nicht  up  eten,  dat  warpen  fe  weder  up  den  Acker,  dyt  hort 
by  Bawen.6)  Se  fecht  ock,  7)(d)e  duuel  begript  en  dat  harte, 
foe  lange  als  he  dar  is  foe  konen  fe  nicht  fcreyen  eder  tranen 
laten.  de  ock  yn  er  vorbunt  (ni)cht  is,  wan  de  rede  myt  (d)e 
pipe  floytet,  foe  kamen  (f)e  nicht. 

wan  ock  ener  gerne  feehen  wulde,  wan  fe  yn  dem  dantz 
fynnen,  de  fchal  fyn  gantz  vertruwent  fetten  yn  den  heren  vnd 
krummen  den  dumen  yn  de  rechter  hant  vafte  to  geholden,  de 
fchal  fe  alle  fehen,  de  yn  den  dantz  fynnen.] 

Wybbeke  Galtetz  befteyt  des  gelyken  vnd  gyfft  fick 
fculdich  der  myffdaeth  alff  die  anderen  alle,  die  fie  auertuegen8). 

Ewke  Wbbe  Poppen  na  der  marter  vnd  pynigende 
hefft  oic  bekent  in  gelyker  maten  vnd  gyfft  fie  fculdich  alff 
die  anderen. 

Duffe  vpgemelten  fynt  malcanderen  onder  ogen  geftelt 
vnd  hebn  fie  onder  eyn  ander  auertneget,  eyn  yder  voer  fyn 
angefychte  vnd  hebn  dat  alle  to  geftaen.  actum  Donredages 
vnd  frydages  na  Efto  michi.  In  der  pynen  hebn  fie  duffe 
navolgende  oec  gemelt  vnd  fynt  gehaelt  vnd  pynlick  gevraget: 
Gele  Jelfcen,  Bauwe  Aepke  Tyan  ftieffmoeder,  Hebe 
Tyan,  Hayke  Agen. 

(Bl.  166 a)  Hier  vp  hefft  myn  gnedige  vrouwe  Den  raeden 
daer    van   to    erkennen   gegeuen   vnd   oher    confultacion   vnd 


*)  Erate  Randbemerkung. 

*)  Zwischen  den  Zeilen  des  Contextes. 

»)  „va"  verschrieben  fur  ,vn"  (=  vnd)? 

4)  Zweite  Randbemerkung;  ihr  Anfang  apater  durchatrichen. 

*)  Fehlt  in  der  Handschr. 

•)  Kein  Absatz! 

7)  Von  hier  an  am  ausseren  Rand  etwas  verloren. 

8)  dar  wulde  fe  up  ftaruen,  fiigt  Beninga  hinzu. 


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—    129    — 

guede  meyninge  begeert,  vm  ordentlich  myt  den  pynliken   ge- 
rychten  om  te  gaen. 

Daer  vp  oher  goet  bedunckent  was,  dat  men  fie  alle  wol 
examineren  folde,  meer  dinge  van  fie  to  erfaren  vnd  meer  an 
anderen  oerden  to  melden. 

Daer  vp  fynnen  fie  alle  den  13.  Februarij  des  dyng(f)e- 
daechs  na  Jnvocauit  weder  om  thorn  derden  vnd  iiij.  mael  twie 
mael  Jnden  enen  dage  fie  voergenomen,  onn  alle  gelegentheit, 
omftende  der  daeth  gevraget,  eyn  yder  funderlich  vp  fryen  voeten 
int  gemeyn,  vnd  oeck  in  Jegenwoerdicheit  oher  echte  menner 
voer  den  Erentvheften  Eggerick  Benynga  raedt,  Ytfe  van  Gry- 
raerfum,  Eylert  Deetloffs  Drofte,  Hermen  Lent  vnd  Hermen  Prycker 
huyffcryuer  vnd  heer  Albert  Paftoer  to  Auryck  vnd  fyn  Cappellaen. 
AmkeHeynen  heff  vp  fryen  voeten1)  voer  die  benoempte 
perfonen  bekant,  dat  fie  fulke  gruwelyke  fcande  vnd  boefheit 
alff  voerfchreuen  alfo  mede  gewerckt  hebbe  vnd  van  Ocke2) 
Frederycks  daer  by  gebracht  weer.  Vnd  heft  oerhn  echten  man 
Heynen  oher  gueder  gegeuen  vnd  ohen  om  vergyffnys 8)  gebeden 
fdyt  is  ock  up  den  fuluen  dach  van  er  yn  tegenwordicheit 
ores  Echten  man  Heynen   bekent].4) 

Grete  Sunneken  hefft  gelyker  maten  vrymoedich  to- 
geftaen  vnd  daer  na  in  Jegenwoerdicheit  oers  echten  mans,  dat 
fie  in  die  boefen  gefelfcap  mede  geweft  vnd  die  boeffheit  alff 
voer  hen  ontdeckt  is,  tot  ij  mael  dat  mede  gedaen  hadde 
vnd  van  Ocke  Frederychs  daer  to  gevord,  bidnde  oeren  man, 
dat  he  dat  befte  by  den  kynder  wolde  doen. 

(Bl.  166b)  Wybbeke  Galtetz  hefft  oic  ffrywillich  vp 
vryen  voeten  togeftaen  vnd  dair  na  oic  vp  den  fuluen  dach  in 
iegenwoerdicheit  ohers  echten  mans  Galtet,  dat  fulcke  voer- 
bemelte  gruwelyke  fcande  ij  mael  inden  Rypen  mede  gedaen 
hadde  vnd  fie  heff  ohern  man  Galtet  gebeden,  dat  he  oer  myt 
gelde  wolde  wt  loffen,  dat  fie  eer  truwe  mochte  geneten,  fo  fe 
ohene  bewyfet.  heff  hie  oer  geantwort:  konde  he  fe  myt  enen 
wytten  lofen,  he  wolde  nicht.    Se  bekend  oic,  dat  Jonge  Diude 


*)  Beninga  f&gt  am  Rande  hinzu:  den  fcharprichter  eder  geue-pyne 
vor  Eren  ogen  gefbelt,  dar  Te  fyck  vor  ffruchten  dorfte. 
*)  Handschrift:  Ocko. 
•)  Handschr. :  vergyffmys. 
*)  Zusatz  Beningas  im  Contexte. 

Jtkrbttck  d«r  Q«ullich.  f.  b.  K.  a.  yaterl.  Altertttmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  9 


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—   tao  — 

in  Rypen  vnd  Ocke1)  Fredrichs  oer  in  der  felfcap  had  gefoert. 
fe  bekand  oic,  dat  fie  voer  hen  oic  eyn  mael  vp  Meynacht  by 
Reyndfeel  van  Vphuefen  Jn  dat  ketelrith  geweft  weer,  dat4) 
fie  to  Vphufen  woende,  daer  fulueft  fie  gemelte  vier  perfonen 
Tette  Aylken,  Elfke  Hermens,  Jde  Menneken,  Hyffe  Haren  tho 
Vphufen. 

Hayke  A  gen  Jn  de  hammeryck  hefft  ok  vp  fryen  voeten3) 
togeftaen  vnd  jn  Crutz  gefallen,  vmb  genade  gebeden  vnd  be- 
kant,  dat  fie  ij  mael  daer  mede  is  geweft,  vnd  Junge  Diude 
had  fie  verfoert  myt  eyn  Scael  byers,  daer  he  wat  in  geworpen 
had,  fie  vullenkamen  fculdich  der  myffedaeth  als  die  anderen. 
[Se  bekende  ock,  dat  fe  up  ene  katte  gereden  hadde  by  dat 
ketelridt.]4) 

Mo  der  Hylmers  hefft  togeftaen  vnd  jn  bywefend  oers 
mannes  Hylmer,  dat  fie  in  Emke  Diuden  kyndelbyer  van  Junge 
Diuden  myt  eyn  Drunck  dair  by  gebracht  fey,  vnd  der  foluigen 
daeth  fculdich.  fie  hedde  alle  mede  gedaen  alff  die  anderen 
vnd  meende  voert  eerft,  dat  es  fcymp  waer  geweft. 

Hebe  Aeptet  Thyan  hefft  oic  vnbedwungen  frywyllych5) 
belyet  vnd  daer  nach  in  funderheyt  voer  oheren  echten  man,  dat 
fie  ij  mael  daer  mede  geweft  is,  alle  die  gruwelike  fcande 
mede  gedaen  als  die  anderen  vnd  van  Junge  Diuden  bedragen; 
vnd  den  man  oher  kynder  beuolen.  (Bl.  167 a)  Daer  vp  die  man 
geantwort,  dat  eyn  kynt  weer  by  oher  Sufter,  die  wolde  dat 
nicht  verlaten.  fo  ouerft  die  fturuen,  wolde  he  oher  Jngebrachte 
guet  oeren  eruen  laten  volgen.  [als  fe  mede  yn  dat  ketelrit  ge- 
weft fulde  hebben,  doe  was  fe  man  achte  dage  yn  den  kraem 
geweft.]4) 

Bauwe  Aeptet  Thyan  ftyeffmoeder  hefft  wt  fryen 
willen  vngedwungen  vnd  ongebonden  belyt,  dat  fie  van  Jonge 
Diuden  verfuert  Ty  vnd  ij  mael  daer  mede  gewefen  vp  wynachten 
vnd  Mychaelem  alff  voerfchreuen,  eyner  daeth  mede  fculdich  vnd 
hefft  gnade  begeert,  iij  Styge  g(ulden)  bodent  voer  dat  leuendt 


*)  Handschrift:  Ocko. 
*)  Lies:  daer. 

8)  Beninga  ffigt  am  Rande  hinzu:  vnd  ore  doe  geue-pine  vor  ogen 
geftelt,  dar  fe  fyck  doer  ffruchten  dorfte. 
4)  Zusatz  Beningas  iin  Contexte. 
s)  „frya  von  B.  ubergeschrieben. 


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—     131     — 

vnd  dat  men  oer  olde  knocken  nicht  wolde  verbernen.  vnd  wat 
fculde  fie  had  by  den  lueden,  hefft  fie  onhe  quyt  gefculden. 
Dit  hefft  fie  an  den  fuluen  dage  voer  Aeptet  oheren  ftiefffone 
togefthaen. 

Alff  defe  bekentnyffe  alfo  van  fie  gedaen  is,  hefft  men 
den  Paftoern  by  fie  gefcycet  van  fulchen  dingen,  fie  tho  ver- 
nhemen  vnd  vnderrychten,  der  fie  vermarckt  dat  de  doetftraffe 
ouer  fie  fcolde  gaen,  hebn  duffe  weder  gelochent  vnd  gefecht, 
dat  fie  van  fruchte  wegen  der  pynen  fulchs  bekent  hedden, 
alff  Ewke  Vbben,  Bauwe  Bylvelfce,  Moder  Hylmers,  Hayke  Agen, 
Bauwe  Aepke  Tyan  ftyeffmoeder,  Gryete  Sonneken,  Amke  Heynen. 

(Bl.  167b)  Am  Frydage  na  Jnvocauit  hefft  men  duffe 
nagefcreuen  thorn  vyfften  mael  vp  vryen  voeten  wederom  voer 
den  gedachte  gerychts  perfoen  Jn  Jegenwoerdicheit  der  beyder 
Borgemeyfteren  to  Auryck  to  examynacion  voergenomen,  vnge- 
bunden  vnd  fie  gevraget,  offt  fie  beharden  wolden  Jn  ohere 
confeffion  eder  belynge.1)  hefft  men  gefraget,  wat  fie  daer  tho 
verorfakende,  myt  voelen  vermaning,  dat  fo  ftarcke  bewifing 
antzeiging  vnd  getuechniffe  der  ander  tegen  fie  weren,  dat  fie 
fich  nicht  vnfculdigen  konden.  So  hebben  voergeuen  voir  eerft: 

Amke  Heynen  bekende,  dat  Wybke  vnd  Hebe  Aeptets 
die  gene  weren,  die  fie  vnd  die  anderen  geraden  hadden  weder 
to  roepen.  Ouerft  fie  geue  fie  nu  fculdich  der  angetagen  myffe- 
daeth  vnd  wolde  die  ftraffe  des  doetdes,  wan  fie  van  ftonden 
an  oer  vorordelt  folde  werden,  dair  vp  ontfangen,  dat  die 
anderen  alle  fo  voer  hen  angetekent  fculdich  weren  der  fuluige 
myffedaeth,  van  namen  to  namen  alff  voer  gefchreuen. 

Gryete  Sonneken,  wo  wol  fie  thom  eerften  mael  ver- 
faken  wolde,  dan  cort  dair  na  hefft  fie  gemeldet  vnd  bekent, 
dat  Hayke  Agen  fulcks  oher  geraden  hadde,  vnd  bleue  nu  by 
die  eerfte  bekenttenyffe  vnwederroeplick,  dat  fie  vnd  die  anderen 
alle  fculdich  fynd;  vnd  bekende  vorder,  dat  Ewke  Vbben  vp 
mychaelis  nacht  vnd  vp  Cryft  nacht  daer  mede  gewefen  vnd  ge- 
daen alff  fie  vnd  die  anderen. 

Hayke  Agen  verfakede  oeck,  ouerft  fie  is  van  Gryete 
Sonneken  vnd  die  anderen  alle  auertueget  in  oher  Jegen- 
woerdicheyt,  dat  fe  fich   des   faterdages   na  Jnvocauit  fulueft 


*)  Dahinter  „geweken*  wieder  getilgt. 

9* 


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-     132     - 

fculdich  gaff  vnd  bekende  oec,  dat  Ewke  fo  fculdich  melde 
were  alff  Tie  vnd  die  anderen  alle  fampt,  behaluen  Bauwe 
Billeveld,  die  en  had  fie  nicht  fyen. 

(Bl.  168*)  Bauwe  Aeptet  Thyan  ftieffmoeder  had 
oec  wederroepen,  ouerft  fie  bekende,  dat  fie  van  crancheits 
wegen  fulchs  gedaen  hadde.  fie  wold  oher  voryge1)  bekentnyffe 
voer  wairachtich  hoi  den,  vnd  die  anderen  alle  fo  fie  voer  hen 
angetekent  fo  fculdich  weren  alff  fie. 

Moeder  Hylmers,  woe  wol  fie  oio  van  Hayke  Agen  to 
wederroepen  geraden  wort,  fo  wold  fie  dan  noch  ftantafftich 
blyuen  in  oher  voryge  bekenttenyffe,  dat  fie  vnd  Ewke  Vbben 
fampt  die  anderen  voer  benoempden  alle  gedaen  hebn  die  falue 
boeffheyt. 

Bauwe  Jn  den  wolde  blyff  beftendich  wat  fie  gefecht 
hefft,  vnd  fo  veel  meer  togeftaen,  dat  voer  4  Jaren  Junge  Diude 
vnd  Ocke2)  Jppe  Waelken  eer  dair  by  gebracht,  vnd  drie  mael 
had  fie  dair  mede  gehandelt,  eerft  vp  Mey  nacht,  vp  Mychaelis 
nacht  vnd  Vaftelauont,  Jn  den  velde  weren  fie  to  hope  geweft 
van  Bancftede  dael  vp  die  acker,  want  die  pype  angynck  van 
eer  Scoelmefterfce  Ocke2)  Fredrichs.  Vnd  fie  befculdichde  Ewke 
gelyck  fie  fulueft  vnd  die  anderen  alle  fo  angetekent  weren. 

Hebe  Aeptet  Tyan  befteyt  vullenkamlych  alff  fie  voer- 
hen  gedaen,  dat  fe  vnd  die  anderen  alle  fculdich  weren,  vnd 
Ewke  Vbben  is  vp  Mychaelis  nacht  vnd  Cryft  nacht  daer  mede 
geweft  vnd  myt  Junge  Diuden  vnd  den  Duuel  gehandelt  alf  fie. 

Geele  Jelfken  hefft  oic  am  Sonauende  na  Jnvoca(uit) 
togeftaen  vnd  bekende,  dat  fie  twie  mael  daer  mede  geweft 
weer,  vnd  fie  weer  van  Junge  Diuden  vnd  Ocke2)  Fredricks 
daer  by  gebracht  vnd  verfoert,  die  fie  van  oheren  bedde  ge- 
haelt  hadde  vnd  oer  to  der  dantzplaetz  gevoert,  dair  Jonge 
Diude  vnd  de  duuel  myt  fe  alle  boefheit  vnd  die  gruwelycke 
fcande  gewerckt  hebn. 

(Bl.  168b)  Wybbeke  Galtetz  blyff  beftandich  by  oheren 
vorygen  woerden  vnd  bekende  noch  meer,  dat  fie  van  Ocke2) 
Fredricks  wt  erem  egen  hufe  gehaelt  vnd  hen  gefoert  was  alfl 
myt  enen  wyntflage  to  der  Stede  vnd  keteldantz  vp  Frederick 


>)  „o«  aua  „a". 

*)  Handschrift:  Ocko. 


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—     133     — 

Dayen  werff  Jn  Cryftnacht,  eyn  mael  vp  Mychaelis  nacht  vnd 
voer  hen  eyn  mael  to  Vphufen,  allT  fie  noch  to  Vphufen  waende, 
vp  Mey  nacht  by  Reynfeel  alff  voerfchreuen ;  vnd  befculdicht 
Ewken  vnd  Bauwe  Bylevelds  gelyc  fie  fulueft  vnd  die  anderen 
alle  fo  angetekent  fynt,  Dat  fie  die  gruwelycke  fcande  myt  Jonge 
Diude  vnd  den  duuel  gedreuen  hebben. 

^Des  fondages  reminiffere  fynnen  de  menner  alle 
meftelich  fampt  etlich  ere  fruntfehup  wederumme  to  Aurick 
boefcheden  vor  de  vorordente  richteren  vnnd  de  beyden  borge- 
mefteren  vnd  ij  frame  borger  to  Auricke.  dar  em  noch  eyn 
mael  alle  de  bekenteniffe  erer  fruwen  vorgelefen,  dar  mede  fe 
fehen  muchten,  dat  myn  g(nedige)  ff(ruwe)  nicht  anders  doen 
wurde  als  recht  wert  dat  ock  dar  nae  fyck  nicht  dorften  be- 
clagen,  als  fe  rede  eyn  geruchte  gemaket  hadden. 

2)Am  Maendage  na  Reminifcere  fynd  ix  van  defen 
voerfcreuen  perfonen  maleficis  voer  dat  gerychte  gefordert  vnd 
fynd  van  wegen  keyferliker  Maiestat,  des  hilligen  Rycks  Ord- 
ning  vnd  van  wegen  der  E.  wolgeboerne  vnfe  gnedige  frouw 
to  Oeftfr(eesland)  wedue,  defer  tydt  vnfe  oirdentliche  Ouerychey t, 
vmb  oherer  begangen  myffedaeth,  der  fie  fculdich  erkant,  ver- 
ordelt  worden  thorn  vuer,  dat  alfo  dorch  Scarprychter  nach 
gewaenheit  defe  Grauefcap  vullenfoert  is  woerden. 

ZweUer  Process.3) 

(Bl.  169a)  Des  midwekens  nae  Jnvocauit  heft  Gaelke 
Galtetz  Onneken  wyff  yn  den  Teheen  mit  fryen  wyllen 
bekent,  dat  fe  eyn  mael  up  karftesnacht4)  up  Egelffer  warff 
tegen  den  Theen  up  yn  der  touerf(chen)  gefelfchup  mede  ge- 
weft  is  vnnd  vm  den  ketell  mede  gedanfet,  vnnd  clagede  dat 
Hayke  Nonneken  vnnd  Hyffe  Haren  or  dar  by  gebracht  hadden. 
fe  bekende  ock,  als  de  beyden  wyue  or  dar  by  gebracht  hadden, 
ftelden  fe  or  vor,  dat  fe  erfte  got  mufte  vorfaken  vnd  fyck  den 
duuel  ouergeuen.  Als  dat  gefcheen  was,  hadde  de  duuel  vorder 
•dore  yn  eyn  geftalt  enes  perdes  fwart  van  varwen,  dar  fe  alle 


')  Dieaer  Absatz  von  Beningas  Hand. 
*)  Hand  2. 

*)  Von  Beningas  Hand,  aber  etwas  fluchtiger  geschrieben. 
*)  Am  Rande  hinzugefugt:  fe  weren  achte  dage  to  voren  by  er,  oft 
fe  mede  an  den  keteldantz  wulde. 


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—     134     — 

dre  up  gefeten  vnnd  doer  de  lucht  to  der  plaetz  dar  de  anderen 
gekamen,   gelik   de   anderen   gedaen.    vnnd   Hayke  Nonneken, 
Beetke  Ynen  vnd  Hyffe  Haren  hadden  den  vordans;  dar  negeft 
is  Gaelke  geuolget  vnnd  Rewende,  doch  de  wer  man  eyn  mael 
dar  mede  geweft;  vnnd  hadden  foe  vyffmael  wm  den  ketel  ge- 
danfet.    ock  heft  fe  bekent,  dat  fe  alle  de  dar  erfte  ankamen 
moten    fyk   befcheren   laten  als  vorgefcreuen,  vnnd  dar  nae 
alle  Jaer  eyn  maell.    vnnd  ore  bykumft  fynnen  up  mey  nacht, 
pinxter  nach,  funte  Johane  nacht,  mychelis  nacht  vnd  karftes 
nacht,  want1)  fe  ere  touerien  driuen.    Se  bekende  ock,  dat  fe 
fulfachte  by  den  ketel  yn  den  dantz  geweft,  dan  de  iiij  wulde 
fe  nycht  nomen.    vnd  hadden  by  der  tauelen  gefeten,  gegeten 
vnd  gedrunken,  dan  mydler  tyt  myt  den  duuelen  gehandelt  als 
myt  eren  menneren;  de  fyck  yn  enes  fynen  Jungelinges  geftalt 
hadde   laten   fehen.  fyn  dynck  we(r)2)   om3)  groter   als  einns 
mynfchen;  dat  van  em  geyt  is  kolt;  he  heft  perde  vote,  fyne 
hende  fyn(d)  verkant.    fe  bekende  ock,   dat   fe  Beetke  Ynen 
b(e)fcharen  hadde4).    de  duuel  hadde  em   eyn  vorleet  yn  den 
dantz  gefungen  myt  heefk(er)  ftemme. 

(Bl.  169b)  Hayke  Nonneken  yn  den  Tehen  heft  ock 
up  den  fuluen  dach  vngebunden  vngedwungen  beliet  vnnd  to- 
geftaen,  Dat  fe  de  touerie  x  Jaer  heft  gebruket  yn  aller  mate 
als  Gaelke  vorhen  bekent  heft,  vnnd  fede  de  duuel  de  er  ouerfte 
wer,  de  leet  fyck  nomen  Reynke.  Als  ock  Gaelke  yn  er  tegen- 
wordycheit  vorfaken  wulde,  dat  fe  man  eyn  mael  dar  mede 
geweft  wer,  doe  fede  Hayke  vnnd  ftraffede  fe  vnd  fede:  heftu 
dar  nycht  mer  mede  geweft  els  eyn  maell? 

Des  faterdages  vor  reminiffere5)  heft  Gaelke 
noch  torn  anderen  mael  vor  den  droften  vnd  fcriuer  bekent, 
dat  fe  vnd  Hayke  Noneken  dat  wt  fruchten  hadden  beliet,  alles 
wederropen. 

Den  21.  dach  Februarij,  is  geweft  des  mydwekens  nae 
reminiffere,  heft  Gaelke  Galtet  Onneken   torn  darden   mael 


*)  Aus  B dar"  corr. 

*)  Diese  und  die  nachstfolgcnden  Reihen  haben  am  Rande   etwas 
verloren. 

8)  Hinter  Bom"  hat  die  Handschrift  noch  ein  „em"  oder  „ein*. 
*)  Am  Rande  hinzugesetzt:  vnd  Riwende  hadde  oer  befcharen. 
•)  Handschrift:  remiffeniffere. 


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—     135     — 

up  fryen  voeten  vngepiniget  beliet  vnd  togeftaen  dorch  goedige 
vorraanunge  dorch  den  droften  vnnd  fcryuer,  vnnd  er  gefraget, 
oft  fe  ock  de  voryge  belyinge  wulde  toftaen  als  fe  bekennet 
hadde.  dar  up  fe  heft  geantwort,  fe  wulde  gerne  belien,  dat 
Hayke  Nonneken  vnd  Hyffe  Haren  or  dar  erfte  hadden  by  ge- 
bracht.  Se  bekende  ock,  dat  fe  eyn  perdes  fchacht  yn  den 
ketel  gehat;  dat  pert  horde  yn  Emfige  lant,  weren  dar 
geweft  torff  to  halen  up  karftes  auent;  Vnnd  Rewent  Hycken 
vnnd  Howe  Wylleuen  vnd  Hyffe  Haren,  Dyure  Aylften  (we)ren l) 
dar  mede  geweft,  als  fe  dat  pert  den  fchacht  afffneden,  vnd  is 
doet  liggen  bleuen.  Se  bekende  noch,  dat  Hayke  Nonneken, 
Hyffe  Haren  vnd  fe  to  hope  up  eyn  fwart  pert  hadden  gefeten, 
doe  fe  er  dar  erfte  anbracht  hadden,  vnnd  Hyffe  vor,  Hayke 
dar  nae,  vnd  fe  achter  upt  pert.  Gaelke  vnd  Hayke  Nonneken 
beden  ock,  dat  fe  vor  vnfe  genedige  fruwe  vor  er  g(enaden)  eyn 
mael  up  ere  kne  wm  genaden  muchten  bydden. 

(Bl.  170a)  Den  23.  Februarij,  is  geweft  des  frydages  nae 
rerainiffere,  heft  Gaelke  Galtetz  Onneken  noch  torn  verden 
maell  frywillich  vngebunden  ane  pynliche  frage  beliet  vnd  to- 
geftaen vor  den  Eerentueften  Achtbaren  wolgelerten  Eggerick 
Beenyngha  Ac,  Eylart  Deetleff  drofte,  Harmen  Le(nt)2),  Har- 
mannij  Pricker  huffcryuer,  dat  fe  3  Jaer  de  touerie  gebruket 
vnnd  van  Hayke  vnd  Hyffe  Haren  erfte  dar  an  gefoert  myt 
fchonen  worden,  dat  fe  luft  vnd  froude  dar  van  hebben 
fchulde.  Doe  maels  hadde  fe  eyn  fwart  wagenpert  to  Hynte 
up  Omke  Ripperdes  ftall  wt  gefneden  fyn  mentulam  eqwij  vnd 
dat  harte  wt  den  liue  dorch  den  hals  genamen,  dat  fe  wt  heten 
des  duue(ls)  hadde  myt  den  (dyu)ell3)  aff  gefneden.  dat  nemen 
fe  mede  vnd  brachten  dat  yn  den  ketell,  dar  fe  den  dantz 
hebben4)  fchulden  up  den  Egelfer  warf  by  den  Tehen  up,  vnd 
Gaelke  hadde  wt  beuell  des  duuels  da  fulueft  geheten,  nae 
dem  fe  de  ftarkefte  was.  dat  hadden  fe  gefaden  vnd  ge- 
bra(den)5),  darwmb  gedantzet  vnnd  dar  van  gegeten.  der  duuel 


')  Das  Eingeklammerte  ausgelassen,  die  vorhergehende  Silbe  „ften8 
wieder  durchgestrichen 

*)  Dorch  einen  Klecks  unleserlich  gemacht. 

*)  Das  Eingeklammerte  unsicher. 

*)  Aus  „hadden8  verb 

ftj  Durch  einen  Klecks  verwischt. 


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—     136    — 

weren  iiij,  van  de  achten  de  fe  nycht  kennen  wulde,  de  deden 
nae  dem  dantz  alle  eren  wyllen  vnd  vor  den  bancket  yn  un- 
kufheyt  myt  fe  geplegen.  vnd  fe  bekende  ock,  wan  de  duuel 
ropt,  foe  moten  fe  alle  to  f amende  fyn,  vnd  we  dan  nicht  kumpt, 
de  moet  fyn  befte  eder  fyn  leuefte  vorlefen,  yd  fye  eyn  mynfche 
eder  eyn  beeft,  als  wyder  vorftendiget  fall  werden.  Se  bekende 
ock,  dat  fe  des  Jares  vj  mael  to  famende  qwemen,  up  pynxter 
nacht  was  gefordert,  fchulde  fe  mede  geweft  fyn;  doe  muchte 
fe  van  eren  Jungen  kynde  nicht  wt,  darwmme  wart  er  de  pene 
van  den  duuell  upgelecht  vnd  den  koer  gege(uen),  oft  fe  oren 
beddynck  eder  ere  befte  koe  tor  ftraff  vorlefen  wulde.  foe  hadde 
fe  fulueft  mede  ore  befte  koe  wmmebracht  vnd  dat  harte  dar 
wt  genamen.  Se  bekende  noch,  dat  fe  noch  dar  nae  twe  ma(el) 
eyne  koe  vnd  eyn  pert  fyck  fulueft  foe  wmmegebracht  hadde 
vnd  tor  ftraff  mufte  geuen. 

(Bl.  170 b)  up  funte  Johannes  nacht  als  fe  to  famende  to 
ketel  ryden  wulden,  doe  hadden  fe  Dyure  Tengen  yn  den  Theen 
ene  koe  gedoedet  vnnd  dat  harte  dar  wt  genamen,  yn  den 
ketel  gefaden,  daruan  mydler  tyt  myt  den  duuelen  foe  vor  ge- 
rort  gebruket.  Vnd  dar  nae  noch  up  eyn  ander  mael  ene  koe 
Rike  Hylmers  gedoedet,  als  vor  gefecht  in  dyuerfis  temporibus. 

up  Mychaelis  nacht  hadden  fe  Ryke  Bawen  yn  den  Teen  enen 
fteer  afftouert  wm  de  harten  wyllen,  daer  mede  fe  bancketeren 
wulden  als  vor. 

Vp  Chrift  nacht  leftmal  leden  hadden  fe  Swyger  Hycken 
yn  den  Theen  eyn  pert  yn  den  flote  ftortet,  den  fchacht  aff- 
gefneden,  er  koken  dar  mede  geftelt,  er  touerye  dar  dan  mede 
gedreuen.  Want  fe  foe  vj  mael  ym  Jaer  to  famende  kamen,  foe 
moeten  fe  alle  mael  an  den  befte  vnnd  perden  fchaden  doen. 
wanner  fe1)  van  de  duuelen  aff  fcheden,  vnd  eyn  yder  weder2) 
nae  fyn  hus  tut,  foe  fmert  de  duuel  em  de  voete. 

Gaelke  fede  ock,  De  fyck  up  den  heren  Chrifto  vor- 
truwede,  den  kunden  fe  nycht  befchedygen;  wan  men  ock  eyn 
meft  by  dem  bedde  hangen  hadde,  des  geliken.  — 

Von  Bl.  171  ist  die  &ussere  H&lfte  der  LSnge  nach  ab- 
gerissen  und   verloren,   es    sind    nur    folgende   Zeilenanfange 


*)  Hinter  „se"  ist  „to  deB  getilgt. 
*)  „weder"  steht  doppelt. 


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—     137     — 

erhalten  geblieben.  Bl.  171a:  Hayke  Nonneken|  torn  verden 
maej  vngepyniget  bekent  vnde  t|  Gaelke  wanner  Jomantj  lynge 
blift  de  wort  fyck|  gaen  laten  an  dat  leu|  he  heft  Darwmme 
ha|  van  x  Jaren  vor  der  fa|  bracht  fe  hadden  ene  vatej  ge- 
namen  vnd  yn  ene|  hadden  one  alfo  yn|  to  karckhaue  gedragen| 
dar  ynt  hus  upft|  hadde  de  Junge  h|  he  ftarff.  —  Der  Rest  der 
Seite  und  das  ganze  Bl.  171 b  ist  leer  geblieben. 


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Kleinere  Mitteilungen. 

I. 
Beitrftge  zur  Geschichte  der  Armenpflege  und  des  Gasthauses  in  Norden. 

Vom  Archivdirektor  Dr.  P.  Wagner  in  Wiesbaden. 


Der  Armen  zu  warten,  ist  ein  Gebot  der  Menschenliebe, 
(lessen  Beobachtung  alle  hoher  stehenden  Religionen  ihren 
Gl&ubigen  zur  Pflicht  gemacht  haben.  Namentlich  die  christ- 
lichen  Kirchen  leisteten  friiher  und  leisten  noch  heute  Grosses 
und  Ruhmwurdiges  auf  diesem  Gebiete.  In  der  Armenpflege 
liegt  aber  neben  dem  religiosen  zugleich  auch  ein  soziales 
Moment,  und  darum  haben  sich  auch  die  weltlichen  Gewalten, 
seien  es  politische,  wie  Staaten  und  Gemeinden,  oder  wirt- 
schaftliche,  wie  Grundherrschaften,  Ziinfte  usw.,  mit  ihr  befasst, 
zumal  unter  dem  Einfluss  und  dem  Druck  religioser  Anschau- 
ungen.  Die  Art,  wio  das  Armenwesen  in  cinem  Zeitalter  oder 
einer  offentlichen  Gemeinschaft  gehandhabt  wurde,  und  der 
Umfang,  in  dem  es  geschah,  wild  immer  in  gewisser  Hinsicht 
als  Gradmesser  fiir  die  Kultur  angesehen  werden  konnen,  und 
die  Kenntnis  dieser  Dinge  ist  sicher  ein  nicht  uninteressantes 
Stuck  in  der  Entwicklung  jedes  Zeitalters  oder  Gemeinwesens. 

Es  ist  nicht  mein  Vorhaben,  die  Geschichte  der  Armen- 
pflege in  Ostfriesland  zu  schildern.  Nur  einige  Bausteine 
mochte  ich  dazu  liefern  durch  die  Mitteilung  der  unten  ab- 
gedruckten  Briefe,  die  das  Armenwesen  der  Stadt  Norden  be- 
treffen  und  einen  lehrreichen  Einblick  darein  gewahren,  die  aber 
auch  sonst  noch  einige  fur  die  Kenntnis  Norder  Zustande  im 
16.  Jahrhundert  interessante  Nachrichten  enthalten. 

Norden  war  eino  der  altesten  und  nachst  Emden  die  wich- 
tigste  Stadt  Ostfrieslands.  Leider  hat  sie  bisher  noch  keinen  Ge- 
schichtschreiber  gefunden,  der  ihr  Entstehen  und  Wachsen,  ihre 
Verfassung  und  ihre  Institute  im  Zusammenhang  geschildert 


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—     139     — 

hatte.  Sie  tritt  darum  neben  Emden  vielleicht  mehr,  als  sie  es 
verdient,  in  den  Hintergrund,  obwohl  niemand  leugnen  kann,  dass 
in  ihr  ein  eigenartiges,  selbst&ndiges  Leben  vorhanden  gewesen 
ist.  Man  braucht  zum  Beweise  dafiir  nur  an  die  Tatsache  zu 
erinnern,  dass  sich  die  Norder  Biirgerschaft  aus  eigener  Kraft 
eine  Pfarrkirche  erbauen  konnte,  die  Andreaskirche,  die  nach 
den  erhaltenen  Beschreibungen  die  ansehnlichste  von  ganz 
Ostfriesland  gewesen  ist.1)  Und  erw&gt  man  die  Stellung, 
die  Norden  in  den  kirchlichen  Streitigkeiten  am  Ende  des 
16.  Jahrhunderts  eingenommen  hat,  in  denen  es  als  Haupt- 
sitz  des  strengen  Luthertums  gegenliber  dem  reformierten  Ost- 
friesland erscheint,  so  wird  man,  mag  man  liber  diese  Kampfe 
denken,  wie  man  will,  nicht  verkennen  dtirfen,  dass  die  Stadt 
eine  charakteristische  Rolle  darin  ebenso  gespielt  hat,  wie  in 
den  standischen  Streitigkeiten  der  folgenden  Zeit. 

Wtirde  man  von  der  Einwohnerschaft  der  Stadt,  ihren 
sozialen  und  Skonomischen  Verhaltnissen  wahrend  der  ver- 
gangenen  Jahrhunderte  nahere  Kenntnis  haben,  so  wurde  sich 
daraus  wohl  ihr  Eigenleben  und  ihre  Geschichte  genauer  er- 
klaren  lassen,  da  diese  mit  jenen  in  Wechselwirkung  stehen. 
Aus  einer  solchen  Kenntnis  wurden  sich  auch  erst  die  richtigen 
Gesichtspunkte  fur  die  Beurteilung  des  Armenwesens  der  Stadt 
ergeben. 

Einige  Bemerkungen  uber  lotzteres  mogen  den  unten  folgen- 
den Briefen  vorausgeschickt  werden.  Es  kann  sich  dabei  jedoch 
nur  um  das  offentliche,  organisierte  Armenwesen  handeln,  nicht 
urn  die  private  oder  von  einzelnen  Korporationen,  wie  den 
Klostern,  ausgeiibte  Armenpflege.  Leider  fliessen  uber  jenes 
fur  die  altere  Zeit  unsere  Quellen  nur  sehr  sparlich. 

Man  hat  behaupten  wollen,  dass  bereits  im  Jahre  1278 
ein  Gasthaus  in  Norden  bestanden  hat.2)  Allein  das  in  einer 
Urkunde  dieses  Jahres  erwahnte  convivium  s.  Petri,  auf  das 
man  sich  hierfiir  sttttzte,  ist,  wie  man  aus  Friedlaenders  Er- 
klarung  zu  dieser  Stelle  im  Ostfriesischen  Urkundenbuche,  1680 
(II,  S.48),  h&tte  ersehen  konnen,  nur  eine  Bruderschaft  gewesen, 
kein  Gasthaus.    Aus  so  friiher  Zeit  sind  Nachrichten  uber  Gast- 


>)  Emmius,  Rerum  Frisic.  hist.  S.  179. 

*)  Mithoff,  Kunstdenkmaler  und  Altertiimer  im  Hannoverschen,  VII, 
160,  dem  Houtrouw,  Ostfriesland  II,  237,  seine  Angaben  entnommen  hat. 


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—     140    — 

hauser  in  Ostfriesland  tiberhaupt  nicht  vorhanden.  Erst  in  Ur- 
kunden  vom  Ende  des  15.  Jahrhunderts  wird  das  Gasthaus  in 
Emden  genannt1),  das  im  Jahre  1514  als  das  „alte"  bezeichnet 
wird2).  Sein  Ursprung  wird  jedoch  schwerlich  ttber  das  15.  Jahr- 
hundert  zurftckreichen.  Dass  auch  Norden  damals  schon  ein 
solches  besessen  hat,  soil  nicht  geleugnet  werden,  aber  Zeug- 
nisse  sind  dafftr  nicht  vorhanden.  Den  Armen  von  Norden 
vermachte  Graf  Ulrich  in  seinem  leider  nicht  erhaltenen  letzten 
Willen  ein  Legat,  das  seine  Gemahlin  Theda  in  ihrem  Testament 
vom  Jahre  1494  best&tigte,  indem  sie  bestimmte,  dass  ihnen 
aus  den  Manslagter  Heuern  alljahrlich  vier  Stiegen  Am- 
heimscher  Gulden  zu  ihrer  Kleidung  gegeben  wftrden.*)  Ob 
man  dabei  an  Gasthausarme  oder  die  sogenannten  „haus- 
sitzenden"  Armen  zu  denken  hat,  ist  nicht  zu  ersehen;  es 
konnen  beide  darunter  verstanden  werden.  Das  Legat  setzt 
bereits  eine  gewisse  Organisation  des  stadtischen  Armenwesens 
schon  am  die  Mitte  des  15.  Jahrhunderts  voraus.  Bestimmungen, 
wie  die  von  Ulrich  und  Theda  getroffenen,  sind  nicht  zu  denken 
ohne  das  Bestehen  einer  bestimmten  Behorde,  etwa  eines  Kol- 
legiums  in  der  Art  der  im  16.  Jahrhundert  vorhandenen  Armen- 
vorsteher,  dem  die  Empfangnahme  der  Gelder,  die  Beschaffung 
und  Verteilung  der  Kleider,  die  Auswahl  der  Armen  obgelegen 
haben  wird.  Ulrich  und  seine  Gemahlin  werden  aber  vermut- 
lich  nicht  die  einzigen  gewesen  sein,  die  den  Armen  Zuwendungen 
machten.  Wohlhabende  Einwohner  dttrften  gleichfalls  Gelder  zu 
diesem  Zweck  geschenkt  haben.  Gewiss  sind  auch  Almosen 
eingesammelt  worden.  Nach  Analogie  der  spateren  Verhaltnisse 
ist  anzunehmen,  dass  ein  Armenfonds  vorhanden  war,  der  ver- 
waltet  werden  musste.  Alles  dies  wird  Sache  jener  Behorde 
gewesen  sein.  Gern  erftihre  man  etwas  Naheres  fiber  ihren 
Charakter,  ob  sie,  wie  anzunehmen,  kirchlichen,  oder  ob  sie 
weltlichen  Ursprungs  gewesen  ist ;  doch  keine  Nachricht  ist 
dariiber  aus  der  Zeit  vor  der  Reformation  vorhanden.  Erst 
mit  deren  Einfuhrung  treten  die  Verhaltnisse  sch&rfer  hervor. 
Die  Kirche  der  Reformation  wurde  sehr  wesentlich  ge- 
stiitzt  und  getragen  von  der  weltlichen  Gewalt,  ohne  die  sie 

J)  Ostfriesisches  Urkundenbuch  1142  (II,  S.  217). 
*)  Harkenrohte  Ausgabe  des  Beninga,  S.  802,  Anm 
»)  O.U.B.  1395  (U,  S.  412). 


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—     141     — 

kaum  zu  denken  ist.  Der  Staat  verhalf  ihr  erst  zu  selb- 
st&ndigem  Leben,  er  schuf  ihr  eine  Verfassung,  gab  ihr  Ord- 
nungen  trad  lieh  ihr  Macht  zur  Durchfuhrung  ihrer  Gesetze. 
Wie  das  in  den  protestantischen  L&ndern  uberhaupt  der  Fall 
war,  so  auch  in  Ostfriesland.  Die  neue  Kirche  war  auch  hier 
in  ihren  ersten  Anfangen  aus  volkstihnlichen  Stromungen  hervor- 
gegangen,  die  jedoch  nur  den  Zusammenbruch  der  alten  Zu- 
st&nde  herbeizuflihren  vermochten.  Als  es  sich  darum  handelte, 
aus  den  Triimmern  Neabildungen  zu  schaffen,  war  dies  nur  da- 
durch  moglich,  dass  die  Bewegung  von  der  weltlichen  Gewalt 
in  die  Hand  genommen  wurde,  die  ihrerseits  gern  dazu  bereit 
war,  weil  sie  selbst  dadurch  eine  erwtlnschte  St&rkung  ihrer 
Macht  erfuhr. 

So  ist  es  nicht  auff&llig,  dass  auch  das  urspriinglich  wohl 
rein  kirchliche  Armenwesen  unter  staatliche  Aufsicht  kam,  ge- 
wiss  nicht  zu  seinem  Schaden.  Weiss  man  doch,  dass  die 
Grafen  bald  nach  Einfiihrung  der  Reformation  unausgesetzt  auf 
die  Untersttitzung  und  Pflege  der  Armen  in  ihren  Kirchen-  und 
Polizeiordnungen  hingedr&ngt  haben.  Damit  aber  erfuhr  das 
Armenwesen  nicht  etwa  bloss  in  den  einzelnen  st&dtischen 
Gemeinden,  sondern  im  ganzen  Lande,  auch  in  den  Dor  fern, 
Forderung.  Es  sollten  liberal!,  d.  h.  in  alien  Kirchspielen,  von 
Amts  wegen  zu  diesem  Zweck  Organisationen  geschaffen  werden, 
die,  wie  alle  menschlichen  Einrichtungen,  gewiss  sehr  ver- 
schiedenartig  gewirkt  haben  mogen,  deren  Anordnung  aber  be- 
weist,  wie  ernst  die  unter  dem  Einfluss  der  neuen  reformato- 
rischen  Lehre  stehende  Obrigkeit  ihre  Pflichten  genommen  hat. 
Graf  Enno  bestimmte  1629  in  einer  Ordnung,  die  zwar  keine 
Gflltigkeit  erlangt  hat,  aber  doch  den  Geist  bezeichnet,  in  dem 
er  seine  Regierung  fOhrte:  fremde  Bettler  sollten  in  den  Kirch- 
spielen nicht  geduldet  werden,  es  sei  denn,  dass  sie  l&ngere 
Zeit  darin  Aufenthalt  gehabt  h&tten  oder  alt  und  krank  seien. 
Zum  Unterhalt  der  einheimischen  Bettler  sollte  an  die  Pastoren 
von  jedem  Haus  Almosen  (husdelinge)  gegeben  werden.  Jedes 
Kirchspiel  sollte  zwei  redliche  Manner  w&hlen,  die  darauf  s&hen, 
dass  Bettler  innerhalb  ihrer  H&user,  nicht  vor  den  Thiiren, 
noch  auf  den  Strassen,  ihren  Lebensunterhalt  erhielten.1) 


*)  Meiners,  OostYrieschlandts  kerkelyke  Geschiedenisse,  I  575. 


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—     142    - 

Aehnlich  verordnete  derselbe  Graf  Enno  1535,  dass  in 
alien  DOrfern  gottesfurchtige  Manner  angestellt  wiirden,  die 
Arinen  zu  pflegen,  sowie  Almosen  zu  sammeln  und  auszuteilen.1) 
Seine  Gemahlin  Anna  ermahnte  in  der  sogenannten  Polizei* 
Ordnung  von  1545  die  Pastoren  und  Kirchendiener,  dat  ji  ene 
flietige  upsicht  hebben  up  ju  hussiltende  armen,  die  in  juwer  stadt, 
fleck  oder  dorp  gebohren  und  wohnhaflig  sinnen,  die  sick  des  brodes 
schamen  tho  bidden,  und  die  dorch  oltheit  und  hranchheit  mit  ihren 
leden  nichis  verdeenen  konneti,  dat  diesiilvige  mit  nothdurftiger  Met  dung, 
och  vor  hunger  und  dorst  moegen  versorget  werden;  dar  men  dat  mit 
die  upgemelte  broecke  nicht  kan  uhlrickten,  [sal  man]  die  gtmeene 
darom  versoecken,  van  den  predigstohl  vacken  vermahnen  na  gemeene 
christlicke  ordnunge,  so  idt  in  alien  landen  geholden  werdt.2) 
Zweierlei  ergibt  sich  aus  diesen  Verordnungen :  erstens,  dass 
die  Armenpflege  eine  ttber  das  ganze  Land  hin  organisierte 
Einrichtung  sein,  und  zweitens,  dass  ihre  Organisation  sich  an 
die  Kirche  anlehnen  sollte;  die  Kirchspiele  bilden  die  Armen- 
verbande,  Pastor  und  Kirchendiener  oder  zwei  gew&hlte, 
gottesfiirchtige  Mftnner  sollen  Armenpfleger  sein.  Wer  ge- 
wftnne  hieraus  nicht  eine  giinstige  Vorstellung  sowohl  von  dem 
Erwachen  und  dem  Aufschwung  des  religiosen  Lebens  in  Ost- 
friesland,  wie  auch  von  der  Kultur  des  Landes,  in  dem  so  ein- 
dringlich  den  Menschen  die  Barmherzigkeit  gegen  die  Armen 
zur  Pflicht  gemacht  wurde!  Die  Verordnungen  stimmen  in- 
sofern  gut  zu  allem,  was  wir  sonst  iiber  die  Kultur  Ostfries- 
lands  in  jener  Zeit  wissen,  z.  B.  zu  der  Tatsache,  dass  auch 
das  Schuhvesen  eine  derartige  Forderung  erfuhr,  dass  um  die 
Mitte  des  16.  Jahrhunderts  in  sehr  vielen,  vielleicht  den  meisten 
Landgemeinden  bereits  Schulen  vorhanden  waren.8) 

Freilich  sind  es  zwei  verschiedene  Dinge,  Verordnungen 
zu  erlassen  und  sie  durchzufuhren.  Inwieweit  Graf  Enno  und 
Grafin  Anna  die  ihrigen  in  alien  Stticken  zur  Ausfuhrung  ge- 
bracht  haben,  muss  hier,  wo  es  sich  nur  um  die  Gestaltung 
des  Armenwesens  in  Norden  handelt,  ununtersucht  bleiben.    In 


*)  Meiners,  a  a.  0.  S.  155. 

*)  Polizei-Ordnung  der  Gr&fin  Anna  von  1545  (Druck  von  1710),  S.  25. 

8)  8.  Bartels,   Abriss  einer  Geschichte  des  Schulwesens  in  Ostfries- 

land,  S.  5. 


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—     143     — 

Beztlg  attf  letzteres  ist  es  nur  der  erste  der  Unten  abgedruckten 
Briefe,  der  uns  einen  Einblick  in  die  Verhftltnisse  um  die 
Mitte  des  16.  Jahrhunderts  gestattet. 

Wir  sind  iiber  die  Einwohnerzahl  Nordens  um  jene  Zeit 
nicht  genau  unterrichtet;  sie  kann  aber  unmoglich  gar  gross 
gewesen  sein  und  wird  einige  Tausende  kaum  tiberschritten 
haben.  Die  Skonomischen  Zustande  waren  keine  gl&nzenden, 
die  Armut  iiberwog  den  Reichtum.2)  Haupterwerbszweigo 
scheinen  neben  etwas  Landwirtschaft  und  Schiftfahrt  nur  das 
Handwerk  und  der  Handel  gebildet  zu  haben.  Irgend  ein  gllick- 
licher  Umstand,  der  der  Stadt  Nutzen  bringen  und  zu  ihrem 
Aufschwung  beitragen  konnte,  war  nicht  vorhanden.8)  Trotz- 
dem  war  Norden  damals  ein  auch  iiber  die  Grenzen  Ostfries- 
lands  hinaus  bekannter  Ort;4)  denn  gar  mancher  von  denen, 
die  um  ihres  Glaubens  willen  aus  den  benachbarten  Landern, 
den  Niederlanden  und  England,  fliehen  musste,  wandte  sich 
hierher  und  fand  da  Schutz  und  Sicherheit.  Hier  wirkte  z.  B. 
seit  1554  als  Pastor  der  bekannte  Micronius  aus  Flandern,  einst 
Prediger  der  niederlSndischen  Gemeinde  in  London,  bis  das  Regi- 
ment Marias  der  Katholischen  ihn  zwang,  England  zu  verlassen, 
um  sich  eine  neue  Heimat  erst  in  Danemark,  dann  in  Ostfries- 
land  zu  suchen.6)  Unter  den  Fliichtlingen  war  aber  begreiflicher- 
weise  auch  viel  armes  Volk,  das  dann,  wie  wir  grade  von 
Norden  hSren,  der   einheimischen  Armenpflege  zur  Last  fiel.6) 

So  war  denn  um  die  Mitte  des  16.  Jahrhunderts,  im  be- 
sonderen  wahrend  des  Jahres  1555,  viel  Not  in  der  Stadt  vor- 
handen und  der  Armenverwaltung  eine  grosse  Aufgabe  gestellt. 
Diese  lag  in  der  Hand  von  vier  Armenpflegern,  diaconi  pauperum, 
die  von  der  Gemeinde  gewfthlt  wurden  und  ihr  Amt  als  Ehren- 
amt  verwalteten.  Sie  hatten  die  zu  unterstutzenden  Armen  aus- 
zuw&hlen,  die  Art  und  H6he  der  Untersttitzungen  zu  bemessen, 

')  .  .  .  den  foel  mer  armoedcsz  cdsz  ryckedoenisz  .  .  .  S   Beilage  I. 

*)  .  .  .  aenghe8en  dot  ydt  aernte  stedelyn  Nordenn  joe  ncn  mnderlych 
foerfael  edder  ander  foetiuen  en  hefft  .  .  .    Ebenda 

*)  .  .  .  tcanthe  unsae  stedelyn  Norden  ynz  wael  soe  hoechberoemeneth  bnethen 
juutr  gnaden  laendesz,  doer  god  loeff  wide  daenck  joe  foell  gudesz  van  gesecht 
verth  .  .  .    Ebenda. 

*)  J.  H.  Gerretsen,  Micronius,  zijn  leven,  zijn  geschriften,  zijn  geestes- 
richting.  Nijmegen,  1895. 

»)  S  Beilage  I. 


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—    144    - 

die  Interessen  der  Armen  nach  aussen  zu  vertreten,  das  Armen* 
vermdgen  zu  verwalten  und  dartiber  Bach  zu  ftihren.  Neben 
ihnen  gab  es  noch  der  armen  amptluyde,  die  Besoldung  erhielten. 
Ich  vermute,  dass  es  Aufseher  im  Armenhause  waren  oder 
Leute,  die  die  Armenvorsteher  untersttttzten,  das  Austragen 
der  Untersttltzungen,  das  Anschaffen  der  zu  verteilenden 
Naturalien  besorgten. 

Die  Armenverwaltung  besass  ein  nicht  ganz  unbetracht- 
liches  VermOgen,  das  in  Grundbesitz,  L&ndereien  und  Warf- 
stellen  angelegt  oder  auf  Zins  ausgeliehen  war.  In  den  Kirchen 
wurde  sonnt&glich  kollektiert.  Wohlhabende  Btirger  spendeten 
Alraosen  an  Geld,  wie  an  Naturalien.  Unter  den  Efnnahmen 
spielten  noch  die  aus  dem  Legat  des  Grafen  Ulrich  herrtihren- 
den  Heuern  eine  Rolle,  die  allj&hrlich  der  Rentmeister  von 
Greetsiel  auszahlte.  A  Is  Gasthaus  hatte  man  das  alte  Torfhaus 
des  Klosters  Mariental  eingerichtet,  wo  durchschnittlich  20 
kranke  oder  verarmte  Leute  untergebracht  waren,  die  hier 
ausser  Wohnung  nattirlich  auch  Kost  und   Kleidung  erhielten. 

Neben  den  Gasthausarmen  waren  in  der  Stadt  wahrend 
des  Winters  noch  ungefahr  80  Hausarme  vorhanden,  eine  nicht 
unbetrachtliche  Menge,  wenn  man  die  nicht  sehr  bedeutende 
Einwohnerzahl  berticksichtigt.  Jeder  von  ihnen  erhielt  an 
jedem  Feiertage  in  der  Woche  ein  Pfund  Butter  und  ein  ftinf- 
pftindiges  Brot.  In  den  Sommermonaten  sank  ihre  Zahl  auf 
etwa  30,  die  dann  an  Almosen  ungefahr  ebensoviel  erhielten, 
wie  im  Winter.  An  jeden  Hausarmen  wurde  im  Sommer  etwa 
2 — 3  Fuder  Torf  und  ein  gewisses  Mass  Laken  zur  Kleidung 
verteilt.  Arme  Kranke  und  W5chnerinnen  erhielten  Geldunter- 
stiitzungen,  ebenso  arme  Kinder,  die  etwas  Ordentliches 
lernen  sollten. 

Um  die  Armenpflege  in  diesem  Umfange  ausiiben  zil 
konnen,  waren  jithrlich  folgende  Ausgaben  notwendig:  200  Emder 
Gulden  fiir  die  wSchentlichen  Spenden  an  die  Hausarmen,  4  Last 
Roggen  fttr  die  Gasthausarmen,  9  Fass  Butter,  26  Tonnen 
Gerste,  5  fette  KClhe,  10  Emder  Gulden  zu  Fischen,  8  fette 
Schweine,  10  L&mmer,  30  Gulden  zu  Feuerung,  30  E.  Gulden 
zu  Tuch,  16  E.  Gulden  zu  Fuhrgeld,  30  E.  Gulden  zur  Besoldung 
der  Armenaufseher  (to  der  armen  amptluyde  mede  to  voersoelden), 
20  E.  Gulden  an  sonstigen  Unkosten  und  50  E.  Gulden  zu  Laken. 


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-    145    — 

Den  Ausgaben  standen  die  Einnahmen  gegeniiber,  die  in 
regelmassige  und  unregelmassige  zerfielen.  Die  st&ndigen  waren 
folgende:  61 E.  G.  u.  51/2  Schap  Rente  aus  verpachteten  Landereien, 
30V2  E.  G.  aus  verpachteten  Warfstellen,  49  E.  G.  weniger  1/2 
Schap  Geldrente  von  ausgeliehenen  Kapitalien,  ferner  an  Oster- 
rente  (Paessckenrente)  80  E.  G.  weniger  8V2  Schap,  an  Teelrente 
durchschnittlich  25  E.  G.,  an  Ertragen  aus  den  sonntaglichen 
Sammlungen  in  den  Kirchen  durchschnittlich  66  E.  G.  Die  Ge- 
samtsumme  aller  dieser  Einnahmen  betrug  31lV2  E.  G.  Will 
man  nun  den  Tauschwert  des  E.  Guldens  in  damaliger  Zeit 
mit  20  Rm.  berechnen,  was  nicht  zu  hoch  sein  dfirfte,  so 
wurden  die  standigen  Einnahmen  der  Armenkasse  etwa  6220 
Mark  betragen.  Allerdings  gingen  sie  keineswegs  regelmassig 
ein.  Die  Armenvorsteher  hatten  im  Jahre  1555  zu  klagen,  dass 
von  den  Zahlungspflichtigen  mancher  zu  arm  sei,  urn  zahlen 
zu  konnen,  mancher  verlaufe,  mancher  nicht  zahlen  wolle.  Ihr 
Wunsch  war  deshalb,  von  ihrer  Landesherrschaft  ein  Mandat 
zu  erhalten,  das  sie  ermachtigte,  die  Summen  beizutreiben. 
Sie  hielten  das  umsomehr  Mr  nfttig,  als  sie  zu  der  Ueber- 
zeugung  gekommen  waren,  die  regelmassigen  Einnahmen  der 
Armenverwaltung  mtissten,  wenn  alien  Anforderungen  genflgt 
werden  sollte,  um  250  E.  G.  erhfiht  werden.  Die  unregel- 
massigen  waren  nicht  mit  Sicherheit  anzugeben,  sie  waren 
naturgemass  erheblichen  Schwankungen  unterworfen. 

Grosse  Sorge  bereitete  den  Armenvorstehern  damals  das 
Gasthausgeb&ude,  wie  erwahnt,  das  alte  Torfhaus  der  Monche 
von  Mariental,  ein  zwar  grosser,  aber  unbequemer,  elender  Bau, 
der  bei  Regenwetter  keinen  trockenen  Aufenthalt  gestattete  und 
den  Einsassen  taglich  tiber  den  Kopfen  einzustiirzen  drohte. 
Eine  grttndliche  Aufbesserung  des  baufalligen  Geb^udes  wtirde 
aber  flber  400  E.  Gulden  gekostet  und  die  Armenmittel  auf 
2  Jahre  in  Anspruch  genommen  haben.  Unter  diesen  Um- 
standen  kamen  die  Armenvorsteher  auf  den  Gedanken,  das  in 
der  Nahe  der  Torfscheune  stehende  Klosterbrauhaus  als  Gast- 
haus  einzurichten.  Der  damals  schon  verstorbene  Abt,  der 
letzte  des  Klosters,  G.  Snell,  hatte  es  noch  gebraucht,  jetzt 
aber  stand  es  leer.  Die  Vorsteher  wandten  sich  daher  an  einen 
der  noch  vorhandenen  M5nche,  Pater  Vincenz,  und  wiinschten 
es  von  ihm  vorl&ufig  zu  mieten.    Der  Pater  lehnte  den  Plan 

Jahrbach  iw  Qesellsch.  f .  b.  K.  a.  rater] .  AltertUmer  zu  Emd«n,  Bd.  XV.  10 


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—    146    - 

nicht  gradezu  ab,  wollte  aber  erst  mit  dem  Abt  von  Kloster 
Thedinga  Riicksprache  nehmen.  Schliesslich  mochten  die  Monche 
das  Haus  doch  nicht  hergeben,  und  es  wurde  aus  dem  Miet- 
vertrage  nichts.  Nunmehr  wandten  sich  die  Armenvorsteher 
an  die  Regentin  des  Landes,  die  Gr&fin  Anna,  und  baten,  den 
Armen  ein  Haus  anzuweisen  oder  sonst  eine  Zuwendung  aus 
dem  Klostergute  zur  Unterhaltung  des  Gasthauses  zu  machen. 
Ihr  Verlangen  ist  iiberaus  charakteristisch.  Offenbar  beschaftigte 
die  Verwendung  des  Besitzes  der  Monche,  deren  Tage  ja  ge- 
zahlt  waren,  die  Gemtiter  in  Norden  lebhaft,  seit  die  Gr&fin  das 
Klostergut  hatte  verzeichnen  lassen.  Ein  Gedanke,  der  ja  allent- 
halben  nahe  lag,  tauchte  auch  in  den  Norder  Kreisen  auft 
dass,  wie  dieses  Gut  durch  Almosen  und  Bettel  zusammen- 
gebracht  und  fiir  Arme  bestimmt  war,  es  auch  jetzt  nur  fiir 
Arme  verwandt  werden  dtirfte.  Sehr  bezeichnend  driicken  sich 
in  dieser  Beziehung  die  Armenvorsteher  aus:  wanthe  toy  hebben 
foersstaen,  dot  ydt  joe  alle  in  gadesz  eeren  yse  ghegeven  aver  ytlycke 
jaeren,  aettenth,  waeth  de  cloessteren  hebben,  woewael  nth  eyn  myss- 
brueck,  insunderheyt  de  predygeroerde,  de  doech  van  anfanghe  hebben 
gebeddelt  to  daeth  oeffertorium,  welcher  voer  den  armen  soelde  syn, 
unde  sze  daeruth  en  bedeleroerde  oeffte  cloessler  hebben  gemaecketh; 
soe  weren  wael  de  armen  nae  gaedese  bevel  eere  rechte  arven  (ho 
dot  oeffertorium.  Man  h6rt  aus  den  Worten  deutlich  die  erregte 
Stimmung  der  Anhanger  der  neuen  Lehre  gegen  das  MSnchtum 
heraus;  aber  sie  klingen  doch  auch  wie  eine  Missbilligung  des 
Volkes  fiber  die  Konfiskation  des  Klostergutes  durch  die  welt- 
liche  Gewalt  der  Grafen  und  sind  insofern  merkwiirdig  genug. 
Die  Vorsteher  beantragten  bei  der  Grafin  die  Absendung 
eines  Kommissars  zur  Untersuchung  ihrer  Wiinsche  und 
Klagen  und  zur  Berichterstattung.  Ihr  Schreiben1)  ist  ein 
iiberaus  interessantes  Schriftstiick,  lebendig  und  beweglich  im 
Ausdruck,  durchsetzt  von  geistlichen  Gedanken  und  Anschau- 
ungen,  ein  Merkmal,  wie  die  Lehren  der  neuen  Kirche  solche 
Gedanken  auch  in  den  Biirgerkreisen  volkstiimlich  gemacht 
hatten,  fiir  das  Empfinden  und  Denken  dieser  Kreise  ausser- 
ordentlich  bezeichnend,  wenn  anders  man  nicht  annehmen 
muss,  dass  der  Brief  unter  Mitwirkung  der  damaligen  glaubens- 


l)  Beilage  I. 


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-    HI    — 

eifrigen  Geistlichen,  vor  allem  des  Micronius,  geschrieben  ist. 
In  ihrem  Sinne  und  nach  ihren  Lehren  werden  sie  ohne  Zweifel 
geschrieben  sein. 

Es  ist  nicht  bekannt,  welche  Aufnahme  das  Gesuch  der 
Armenvorsteher  bei  der  Gr&fin  gefunden  hat.  Einige  Ver- 
mutungen  dariiber  gestatten '  uns  nur  die  Zustande  24  Jahre 
spater,  fiber  die  wir,  wenn  auch  nur  oberflachlich,  durch 
einige  Briefe  aus  dem  Jahre  1579  unterrichtet  werden.1)  Diese 
Schriftstftcke  haben  freilich  das  Armenwesen  der  Stadt  nicht 
zum  Hauptinhalte,  sie  gehoren  eigentlich  in  einen  ganz  anderen 
Zusammenhang,  namlich  in  die  konfessionellen  Streitigkeiten 
zwischen  Lutheranern  und  Reformierten  in  Norden  im  letzten 
Viertel  des  16.  Jahrhunderts.  Da  aber  in  einer  Episode  dieses 
Streites  das  Gasthaus  eine  gewisse  Rolle  spielt,  so  enthalten 
die  jene  Episode  betreffenden  Aktenstiicke  auch  Mitteilungen 
iiber  dieses  und  das  Armenwesen  iiberhaupt. 

Bekanntlich  brachen  konfessionelle  Zwistigkeiten  in  Norden 
schon  in  den  fiinfziger  Jahren  aus.  Damals  gelang  es  noch, 
sie  zu  ersticken,  aber  zwei  Jahrzehnte  spater  hub  der  Hader 
von  neuem  an,  heftiger  und  erbitterter,  denn  zuvor.2)  Es  kam 
zu  einer  Trennung  der  Gemeinde.  Die  Reformierten  vermochten 
ihren  Gottesdienst  nicht  oflfentlich  in  der  Stadt  abzuhalten,  son- 
dern  besuchten  die  Kirche  in  Liitetsburg,  wo  Uniko  Manninga 
sie  mit  Freuden  aufnahm.  Der  Zwiespalt  wurde  dadurch  noch 
starker,  dass  auch  die  damaligen  Landesherren  konfessionell 
getrennt  und  unter  sich  uneins  waren.  Jede  der  Parteien  fand 
bei  einem  derselben  Unterstiitzung,  die  Lutheraner  bei  Graf 
Edzard  II.,  die  Reformierten  bei  Graf  Johann.  Die  Verhaltnisse 
wurden  im  ganzen  Lande  unertr&glich ;  kein  Mensch  wusste, 
woran  er  war,  da  die  Befehle  und  Anordnungen  des  einen 
Landesherrn  durch  den  andern  wieder  aufgehoben  wurden.  In 
den  Norder  Vorg&ngen  tritt  uns  die  heillose  Verworrenheit  der 
ZustSnde  anschaulich  entgegen. 

Mitte  Oktobor  1579  erschien  namlich  der  Sekretar  des 
Grafen  Johann,  Hilliger,  in  Norden  und  installierte  im  Namen 
seines  Herrn  den  reformierten  Prediger  von  Liitetsburg,  Heinrich, 


')  Beilage  n,  HI,  IV. 

')  Wiarda,  Ostfriesische  Geschichte  III,  133. 


10* 


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—    148    — 

mit  seiner  Familie  und  Bedienung  im  Gasthause.  Das  Be- 
ratungs-  und  Verhandlungszimmer  der  Armenvorsteher  musste 
ihm  als  Wohnung  eingerichtet  werden;  er  lebte  auf  Kosten  der 
Armen  und  schaltete  mit  den  Materialien  des  Gasthauses  nach 
seinem  Belieben,  anfangs  ohne  Wissen,  dann  gegen  den  Willen 
der  Vorsteher,  so  dass  die  Armen  sich  dariiber  klagend  an 
letztere  wandten.  Die  Absicht  des  Grafen  Johann  war  klar: 
es  sollte  ein  reformierter  Gottesdienst  in  Norden  eingerichtet, 
dem  reformierten  Bekenntnis  dadurch  Raum  zur  Entfaltung  ge- 
boten  und  das  Gasthaus  fiir  diesen  Zweck  benutzt  werden. 
In  dem  iiberwiegend  lutherischen  Norden  erregte  dieses  Vor- 
haben  begreiflicherweise  die  grSsste  Unruhe  und  Erbitterung. 
Es  ist  hier  nicht  der  Ort  darauf  naher  einzugehen ;  die  Verh&lt- 
nisse  k5nnen  nur  erwahnt  werden,  insoweit  dabei  das  Gast- 
haus in  Frage  kam.  Da  dasselbe  unmittelbar  bei  der  An- 
gelegenheit  beteiligt  war,  so  wandten  sich  die  Armenvorsteher 
wenige  Tage  nach  dem  erwahnt  en  Ereignis  an  den  Grafen  Johann 
mit  der  Bitte,  die  Armen  mit  jenem  „widerwartigena  Prediger 
zu  verschonen.  Dieser  aber  liess  ihr  Schreiben  unbeantwortet. 
Da  sich  jedoch  inzwischen  gezeigt  hatte,  dass  das  von  dem 
Prediger  benutzte  Zimmer  im  Gasthause  fiir  ihn  und  seine 
Familie  zu  klein  war,  so  befahl  der  Graf  kurzer  Hand  den 
Vorstehern  am  29.  Oktober,  ohne  im  geringsten  auf  ihre  Vor- 
stellungen  Rucksicht  zu  nehmen,  dass  die  unterste  Boene  des 
alten  Klostergeb&udes  zur  Wohnung  fiir  den  Prediger  her- 
gerichtet  wiirde.  Die  Vorsteher  waren  dazu  entfernt  nicht  ge- 
neigt,  ersuchten  vielmehr  den  Grafen  urn  Zuriicknahme  seines 
Befehls  (31.  Oktober). 

Mittlerweile  war  der  Vorfall  von  der  Norder  Gemeinde 
dem  Grafen  Edzard  II.  gemeldet  worden,  und  dieser  hatte  die 
sofortige  Entfernung  des  Predigers  aus  dem  Gasthause  an- 
geordnet  (9.  November).  Doch  weigerte  sich  letzterer  zu 
gehorchen,  worauf  ein  neuer  Befehl  des  Grafen  erging 
(29.  November).  Aber  auch  jetzt  noch  blieb  der  Prediger 
bei  seiner  Weigerung,  indem  er  sich  darauf  berief,  dass 
er  im  Dienste  des  Grafen  Johann  st£nde.  Erst  am  15. 
Dezember  wurde  er  gewaltsam  aus  dem  Gasthause  entfernt 
und  letzteres  den  Armenvorstehern  wiedereinger&umt.  *)    Dies 

>)  Wiarda  HI,  164. 


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—     149    — 

die  ausseren  Vorgange,   in   die  die  unten  abgedruckten  Briefe 
hineingehSren. 

Ftir  die  Verhaltnisse  des   Norder  Armenwesens   ergeben 
sich  aus  diesen  Schriftstticken  die  folgenden  Tatsachen. 

Die  Mittcl  waren  auch  nach  24  Jabren  sehr  beschrankt. 

Man  klagte,  dass  sie  in  Folge  der  Trennung  der  Gemeinde  noch 

beschrankter  als  frtlher  waren,  weil  die  sonntaglichen  Kollekten 

wegen  des  Fernbleibens   der  Reformierten  durftiger  ausfielen. 

Da  die  jahrlichen  Einnahmen  sich  jetzt  auf  350  Gulden  beliefen, 

so  waren  sie  zwar  in  Wirklichkeit  etwas  hOher  als  frtiher,  aber 

die  Anforderungen  an  die  Armenverwaltung   waren  gestiegen; 

die  Vorsteher  klagen,  dass  die  an  die  Armen  zu  leistende  Htilfe 

sich  t&glich  mehre.  Insofern  war  allerdings  eine  Verschlechterung 

der  Verhaltnisse  eingetreten.    Verbessert  hatte    sich  indessen 

seit  1555  der  Zustand  der  Gebaulichkeiten  des  Gasthauses.   1579 

befand  sich  dasselbe  nicht  mehr  in  der  alten  Torfscheune,  son- 

dern  in  einem  stehen  gebliebenen  Teile  des  Klostergebaudes, 

wo  in  der  untersten  Boene  (Stockwerk)  die  Zellen  der  Monche, 

wie  es  scheint,   zu   Schlafstellen   ftir   die   Armen  hergerichtet 

worden  waren.1)    Die  Vorsteher  hatten  aber  ausser  den  ver- 

armten  Einwohnern  auch  arme  Schiller  der  seit  1567  neu  be- 

grttndeten  Lateinschule  aufgenommen  und  gew&hrten  ihnen  in 

jenen  Zellen  ebenfalls  Schlafstellen  und  Unterhalt.2)    Sie  selbst 

hatten  sich  ein  Gemach  eingerichtet,  in  dem  sie  ihre  Sitzungen 

abhielten,  sowie  ihre  Rechnungen,  Register,  Siegel  und  Urkunden 

aufbewahrten. 

Von  Interesse  ist  noch  die  Tatsache,  dass  eine  Zeit  lang 
ein  frtiherer  Prediger  Aufnahme  und  Unterhalt  im  Armenhause 
gefunden  hatte,  der  daftir  den  Armen  eine  Predigt  halten 
musste  nach  seinem  VermSgen,  ein  Umstand,  der  es  den  Armen- 


*)  Ein  anderer  Teil  war  1556  abgebrochen  und  zum  Bau  eines 
Zwingers  der  Burg  in  Aurich  verwandt  worden.    Wiarda  n,  354. 

*)  Graf  Johann  hatte  1575  angeordnet,  dass  armen  Schulern  Woh- 
nang  in  dem  zur  Schule  geschenkten  Kloster,  d.  h.  dem  Dominikaner- 
kloster,  gegeben  wurde.  Daraus  scheint  nichts  geworden  zu  sein;  wol 
aber  zeigen  die  oben  abgedruckten  Briefe  vom  17.  und  31.  Oktober  1579, 
dass  arme  Schuler  ins  Gasthaus  aufgenommen  worden  waren.  Vergl. 
Babucke,  Geschichte  des  Kgl.  Progymnasiums  in  Norden,  S.  176—177, 
dem  ubrigens  die  letzte  Nachricht  entgangen  ist. 


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—     150    — 

vorstehern  noch  besonders  uberflilssig  erscheinen  liess,  den  vom 
Grafen  Johann  im  Gasthause  eingesetzten  Praedikanten  daselbst 
zu  belassen. 

So  viel  von  dem  Armenwesen  der  Stadt  Norden  auf  Grund 
der  unten  folgenden  Briefe;  seine  weitere  Entwickelung  wiirde 
uber  den  Rahmen  hinausgehen,  den  sich  diese  Mitteilungen 
gesteckt  haben. 

Beilagen. 

I. 

Die  Armenvorsteher  zu  Norden  an  Anna,  Grcifin  von  Ostfriesland, 

1555,  Januar  10. 

Der  edelen  unde  woelgeboerenn  frouwe  frouwe  Anna 
vann  Oeldenboerch  unde  Delmenhoersst  graevynne 
tho  Oesstfresslanth,  weduwe,  unsse  aendechtyghe 
gnedige  frouwe. 

Edele  unde  woelgheborenn  gnedige  frouwe,  naechdem  de 
aelmechtyge  ewyger  god  in  alien  laenden  syne  lythmaethen 
Christi  hefft  unssz  naeghelaeten,  unde  wy  joe  stedesz  de  sulven 
lythmaethen  Christi  synth  schuldich  to  underhoelden  nae  den 
bevel  unssesz  hoechsstenn  gadesz,  soe  de  hylge  schryfft  daer 
van  ryckelych  tugeth:  waeth  gy  ene  vann  myne  mynssten 
doenn,  jae  daet  doe  gy  my  sulvesst  etc.,  unde  waer  nu  sulcke 
upsycht  unde  oerdenynghe  der  lethmaethen  Christi  synth  in 
der  gheme[wte]  unde  werden  myth  gaedesz  hulpe  flytygen 
underhoeldenn,  daer  wyl  de  aelmechtyghe  ewyghe  god  stedesz 
wedder  umme  syne  goetlycke  szegenn  unde  gnaede  aver  sulcke 
laende  unde  luyde  laethen  ersschynen,  welcker  oeck  hyr  in 
juwer  gnaden  graevesscup  tho  Oesstfresslaennth,  god  loeff  unde 
daenck,  woel  tho  gheyth. 

Aenghesen  dath  soe  voele  ghebreckesz  stedesz  by  den 
armenn  Christi  bevoendenn  werth,  szoe  geve  wy  foersstendereim 
der  armen  Christi  to  Norden  juwer  gnaden  demoeddychlycken 
to  erkennen  der  armen1)  to  Norden  er  noeth  saeckenn  unde 


')  d.  a.  vom  Schreibcr  ausgelassm  und  in  dem   ZwUchenraum  zwischen 
dieaem  und  dem  vorhergehenden  Absatze  eingefUgt. 


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—     151     — 

begerrenn  alle  szaemtlyckenn  voer  ersst,  juwer  gnaden  woelde 
unssen  clenen  dennsst  der  armen  unsz  nycht  to  unguede  aeff 
nemenn. 

Aemm  ersstenn  wylle  wy  juwer  gnaden  nycht  bergenn,  woe 
daeth  wy  hyr  to  Norden  in  juwer  gnaden  laennde  unsse  armenn 
foersstaenn  unde  underhoelden.  Wy  gheven  daeth  hele  jaer 
doer  aelle  frygdage  ungheferlych  80  husszarmen  eyn  yderen  en 
punt  boetteren  unde  en  broeth  van  5  punndenn  desz  wynthersz ; 
oversst  desz  soemmersz  gheve  wy  hen  to  30  oeffte  mer  hussz- 
armen eyn  yder  oeck  soe  foele,  underwylen  mer,  underwylen 
rayn,  daernae  dat  koernn  unde  de  hotter  dar  ysz.  Daerto 
underhoelde  wy  oeck  unsse  gaesthuss  myth  ytlycke  kraenckenn 
armen  boergersz  alsz  ummthrennth  20,  underwylen  myn  oeffte 
mer,  daernae  alsz  ydt  god  foegeth,  myth  koesst  unde  cleye(!). 
Daerbeneven  soe  gheve  wy  ytlycke  hussarmen  desz  soemmersz 
2  foer  toerffesz,  ytlycke  en  foer,  szummae  hen  to  30  foeren  to, 
aene  waeth  sze  in  unssen  gaessthusze  bedarven.  Daerbeneven 
soe  gheve  wy  oeck  ytlycke  laeckenn  myth  juwer  gnaden  hulpe 
alsz  ungeferlich  8  laecken;  hyrmede  werden  de  hussarmen  be- 
cledet.  Daerbeneven  soe  geve  wy  oeck  ytlycke  husshoelfe,1)  waer 
husszarmen  vorsstorven  synth.  Daerbenevenn  soe  geve  wy 
oeck  ytlycke  kraenckenn,  alsz  arme  kraemfrouwen  unde  arme 
kynderkensz  to  baethe  er  aempthe  to  lerren  unde  ander 
kraencke  luyde,  den  en  hyr  en  stuecke  gheldesz,  den  ander 
daer  en  stuecke  geldesz.  inth  husz  ghesenth  nae  ghelegenheyt 
der  armoeth,  daernae  dat  unsz  foele  werth  ghegeven.  Summae 
in  allesz  werth  unsz  foele  ghegevenn,  soe  koenne  wy  oeck 
ryckelych  wedder  gheven. 

Oeck  soe  wylle  wy  juwer  gnaden  nycht  bergen,  waeth 
renthe  edder  upkumpsst  wy  hyr  to  Norden  hebben  to  unsse 
mene  armen,  daer  myth  wy  unsse  armen  wael  soelden  under- 
hoelden (soe  ydt  wael  moegghelyck  wer),  de  doech  cleyn  ysz 
tyegen  sulcke  groethe  unkoessten,  alsz  de  armen  hebben,  unde 
szoe  jaemmerlycke  foele  armen,  alsz  wy  hyr  hebben,  unde 
daegehelyckesz  mer  to  faellenn,  unde  woelden  oeck  gernne  van 
der  armen  guder  ghetroessteth  syn. 


l)  So  die  Handschrift;  vielleicM  sind  Rhusshoeltea  (Sarge)  gemeint 


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—     152     — 

Aem  erssten  soe  hebbe  wy  van  lannthrenthe  61  Emder 
gulden  unde  bl/2  schap,  wyss  unde  unwysse. 

Daernae  szo  hebbe  wy  van  warffrenthe  3072  Emder  gulden, 
ghewyss  unde  unwysse. 

Daernae  szo  hebbe  wy  vann  de  gheltrenthe  49  Emder 
gulden  myn  en  halv  schap,  wyss  und  unwyss. 

Daernae  de  Paessckenrenthe  ysz  toszaemen  80  Emder 
gulden  myn  8V2  schap,  wyss  un  unwysse.  Daernae  de  thel- 
rennthe  ysz  toszaemenn  25  Emder  gulden,  faecken  myn  und 
selden  mer. 

Daernae  dat  soendaeghesz  ghelt  in  der  kaercken  ghe- 
saemmelt,  ysz  toszaemenn  66  Emder  gulden,  wyss  unde  un- 
wysse, daernae  dat  hyr  foele  foelckesz  toer  kaercken  kumpth. 

Desse  voerghescreven  renthe  der  armen  beloepth  jaerlixesz 
300  Emder  gulden  unde  11V2  gulden,  to  10  schap  den  gulden; 
unde  desse  gemelten  gulden  werden  unssz  noch  neth  aelle  be- 
taelt,  waenthe  de  ene  ysz  eyn  arm  ghesselle,  unde  de  ander 
ysz  voerloeppen  oeffte  foerfaeren,  unde  de  daerde  ysz  eyn 
husszaerme  unde1)  kaen  nycht  geven,  unde  de  ferde  kaen  wael 
betaelen  unde  wyl  neth.  Hyrto  wer  wael  ser  van  noeden,  dat 
unsse  armen  hadden  eyn  staerck  maendaeth  van  juwer  gnaden, 
daermede  de  voersstenderenn2)  de  armen  guder  moechten  voer- 
maenenn,  wanthe  se  unssen  flyth  weynnych  achten,  aelsszoe 
dat  wy  noch  nouwe  2x/2  hundert  gulden  ghewysse  renthe  aver- 
kaemen  koennen.  Dewyle  nu  juwer  gnaden  eyn  underychtynghe 
der  armen  ghegevenn  werth  van  der  armenn  upkumphft  van 
renthe  unde  van  allesz  (woe  foergheroerth  ysz),  soe  wylle  wy 
juwer  gnaden  oeck  nych  bergen,  waertho  wy  desse  armen  renthe 
bruecken  und  beleggen  nae  unssen  bessten  vormoegen. 

Thoem  erssten  soe  moethe  wy  jaerlixesz  hebben  to  unsser 
kaessten  200  Emder  gulden  ungheferlych,  daervan  de  hussarmenn 
uth  der  kaessten  alle  frygdaege  werden  spende  geven  dat  hele 
jaer  dor,  god  loeff  unde  daenck  (welcker  eyn  groeth  goedlyck 
werck  ysz);  unde  wer  wael  groeth  vann  noeden,  dat  men  de 
spende  voermerde  myth  gadesz  hulpe  unde  gude  luyde  raeth; 


l)  u.  doppdt  gescliriebtn. 
*)  d.  v.  doppeU  gewhrkben. 


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—    153     — 

oeck  waeth  jaemmersz  unde  wenensz  unde  clagensz  wy  moethen 
horen *),  waenner  wy  desse  spende  uthdelen,  dat  ysz  erbarmme- 
lyck  tho  horenn,  wanthe  de  armoeth  ysz  soe  groeth,  unde  wy 
koennen  se  alle  neth  geven. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  ungheferlich  4  laesst  roeggen 
to  unsse  mene  armenn. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  9  faeth  boetteren  to  unsse 
mene  armen. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  26  tunnen  gaerssten  to  der 
armen  moeltkorenn. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  to  unssen  gaessthusse  5  fetthe 
koenn  und  10  gulden  to  fyssck. 

Wy    moethen    alle   jaer   hebben    8    fetthe    swyne    unde 
10  laemmere. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  to  der   armen  furynnge  30 
Emder  gulden. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  to  der  armen  lynth  tuech 
30  Emder  gulden. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben   16  Emder  gulden  tho  der 
armen  foergelt. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  30  Emder  gulden  to  der 
armen  aemmpthluyde  mede  to  voersoelden. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  20  Emder  gulden  voer  ander 
unkoessten. 

Wy  moethen  alle  jaer  hebben  50  Emder  gulden  to  laecken. 
Hyrto  hebbe  wy2)  van  unssen  gnedigen  hern  szaelyger  grave 
Edzaerth  hoechmylder  dechtnysse  30  gulden,  aed  8  schap  den 
gulden,  welcker  ghemelten  gulden  syn  gnade  den  armen  Christi 
to  Norden  ghegeven  hefft  to  ewyghenn  daegen  nae  syn  gnaden 
bevel  (woe  ick  recht  foersstaen  hebbe);  unde  desse  30  gulden 
hefft  unssz  de  renthemesster  alle  jaer  ryckelych  behaendeth, 
daen  dyt  jaer  synth  sze  unsz  nycht  ghegeven;  he  secht  oversst, 
dat  juwer  gnaden  wyl  de  hure  sulven  boerenn  van  de  Greth. 
Van  der  hure  plaech  he  unssz  de  pennynge  [to]  geven.    Unde 


')  tibergcBckrieben. 
*)  Hbergeschrieben. 


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—     164    — 

waeth  oversst  \vy  mer  geven,  alsz  der  armen  renthe  beloefth,  dat 
kurampht  her  van  dat  unghewyssz,  alsz  waenner  ener  rycker 
sterveth,  de  gyfft  den  armen  en  sumraae  geldesz,  de  ander 
beesste,  de  darde  husse  unde  oeck  aender  tylbaer  gueth.  Dyt 
sulve  ysz  eyn  foerfael,  waeruth  wy  mer  geven,  alsz  de  armen 
renth  strecken. 

Desse  pryncipael  noeth  stuecken  der  armen  moethen  wy 
alle  jaer  to  unssen  menenn  armenn  hebben,  unde  noch  foele 
mer  unkoessten,  welcker  juwer  gnaden  nycht  alle  dennth  to 
voorhaelenn;  daenn  unsse  protecoel  sael  wael  ryckelych  voer- 
melden,  woe  desse  armen  guder  ghebruecketh  werdenn,  unde 
waeth  se1)  jaerlyxesz  voerteren,  waer  tho  wy  faecken  moethen 
voerleggen  uth  unssen  buydel  myth  ein  60  oefft  70  gulden, 
daernae  dat  eyn  yder  voermaeck.  Hyrto  moethe  wy  faeckenn 
foele  laessterwoerde  hoeren,  unde  van  foelen  schelden  unde 
smaelen  aver  unssz  her  gheyth,  waer  wy  de  armen  guder  soellen 
foerdengen  nae  unssen  bevel.  Myth  waeth  groethe  moyge  unnde 
laesst  wy  de  armen  denen,  ysz  god  bekaenth. 

Oeck  szo  koenne  wy  juwer  gnaden  nycht  berggen,  waeth 
en  grothe  laesst  unde  averloeppennth  dat  wy  hyr  to  Norden 
hebben  van  de  armen,  insunderheyt  de  fremmde  armen,  de 
van  buethen  her  indryngen.  Wy  geven  em  nycht  gernne,  aversst 
wanner  sze  hyr  eyn  tyth  laenck  by  unssz  gewesst  hebben,  soe 
maecken  se  ander  gude  borgeren  uth,  foer  sze  to  bydden,  unde 
synnen  eynnsz  delsz  in  kraenncheyt  gevaellen,  eynsz  delsz  in 
ander  swaere  ghebrecke:  jae,  leven  foersstenderen,  gy  moethen 
den  unde  den  to  hulpe  kamen,  dat  he  uth  syner  smerthe 
kumpth.  Ysz  he  eyn  fremmdelynnck,  wy  moethen  ghedencken, 
dat  wy  aeltomaele  froemdely[n]ge  synth  gewessen  (alsz  oeck 
waersz  ysz),  daen  wy  geven  em  en  mael  edder  5  mael.  Oversst 
wanner  se  de  spende  hebben  gheproeveth,  szoe  wyllen  se  neth 
wedder  wech,  sunder  daer  by  blyven  unde  lyggenn  unsse  armen 
in  den  voerfaenck ;  wy  wyssen  sze  faecken  wedder  aeff,  welcker 
unssz  swaerlyck  ysz. 

In  desse  voergerorthen  oerdenynnghe  der  armen  Christi 
to  Norden,  soe  juwer  gnaden  inth  korssthe  worth  foergedragen, 


')  8.  iibergeschricben. 


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—     155    — 

waerin  juwer  gnaden  maech  erkennen,  waerto  unde  myth 
waeth  wysse  de  armen  guder  werden  uthghedelt,  desz  wy  daen 
joe  voerhaepen  aen,  juwer  gnaden  werth  eyn  woelgevaellent 
daer  aen  hebben,  naechdem  de  almechtyge  ewyge  god  hefft 
ghegevenn  sulck  eyn  cleyne  rennthe  to  szo  foele  armodesz  hyr 
to  Norden  in  juwer  gnaden  gravesscup  to  Oesstfresslanth,  in 
soe  eyn  aerm  stedelyn  oeffte  flecke,  daermyth  sulcke  eyn  loeff- 
lycke  ordynanncie  der  armen  werth  ghehoeldenn,  aengheesen  dat 
ydt  aerme  stedelyn  Nordenn  joe  nen  sunderlych  foerfael  edder 
ander  foertuen  en  hefft,  daen  foele  mer  armoedesz  alsz  rycke- 
doemsz;  wanthe  unsse  stedelyn  Norden  ysz  wael  soe  hoech- 
beroemmeth  buethen  juwer  gnaden  laendesz,  daer  god  loeff 
unde  daenck  joe  foele  gudesz  van  gesecht  werth,  daeruth  daen 
foele  foersoeckesz  warth  unde  alsszoe  foele  armoedesz  inede 
bryngheth. 

Wyder  geve  wy  foersstenderen  der  armenn  Christi  to 
Norden  juwer  gnaden  demoeddychlyckenn  tho  erkennen  eyne 
noethwendyge  saecke,  daer  den  armen  insunderheyt  groeth  aen 
ghelegenn  ysz,  soe  men  bewyssen  kan1),  angaende  van  der 
armen  gaessthussz,  welcker  hussz  ytsundesz  ser  boufellych  ysz, 
wanthe  de  armen  koennen  daer  neth  lenger  droegge  under 
lyggenn,  unde  unssz  alle  daege  aver  en  hoep  moechthe  faellen, 
unde  den  armen  groethen  marcklycken  schaeden  moechte  to 
kaemen,  jae  daer  god  moethe  foer  wessen,  oeck  ytlycke  armen 
moechten  under  to  dode  faellenn;  desz  wy  sorge  draegen,  unde 
wy  wethen  nenenn  troesth,  daermyt  wy  muechten  sulck  eyn 
buwenth  sturen,  waenthe  juwer  gnaden  ysz  felychte  wael- 
bewusst,  waeth  eyn  groeth,  wyth,  unbequemmlyck  huss  dat 
ydt  ysz,  wanthe  ydt  hefft  waendaegesz  der  moencke  torffhuss 
ghewesst;  de  armen  hebben  daer  wael  eynnen  gudesz(!)  plaesz 
van  hove  edder  tuyrne,2)  daen  dat  groethe  swaere  huss  daerby 
ysz  unssz  nycht  moeggelyck  to  bouwen.  Hyrto  were  wy  wael 
chrysstylyck  begeren  van  juwer  gnaden,  gy  woelden  unssz  doech 
juwer  gnaden  groethgunstygen  raeth  voerlenen,  darmyth  wy 
szoedaenen  huss  moechten  redden  unde  hoeldenn,  waenthe  ydt 
ser  noedych  ysz.     Schoelle    wy   soedaene   huss   bouwen,   soe 


*)  tibergeschrieben. 

*)  So  das  Original;  ob  tdne  (Garten)? 


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—     166    — 

moethe  wy  de  kaesste  2  jaer  oeffte  3  tosluethen  unde  den  huss- 
armen  nycht  geven,  unde  daerto  schoelle  wy  200  gulden  up  der 
armen  schaede  nemen,  desz  wy  nycht  doen  wyllen,  ydt  sy  juwer 
gnaden  hoechgesste  beveloerszaecke,  dat  men  sporen  maech, 
waeth  ydt  wulde  koessten  al  awer  400  Emder  gulden.     Oeck 
soe  hebben  see  daer   eyn  bruwhuss  aen   staen,   welcker   de 
s[alige]  aebbeth  plaech  to  bruecken,  und  nu  toer  thyt  wuesste 
lycht,  und  nemaenth  bruecketh;   wanthe  se  hebben  nen  foelck 
darmede  to  bessethen.    Wy  hebben  den  paeter  Vyncennth  daer- 
urame  begroeth  und  hebbent  van  em  tor  hure  begert;  daen  he 
woelde  syck  darup  beraeden  myth  den  erwerdyghen  aebbeth  van 
Tenynge1);   de  raeth  waesz,   sze  woelden  ydt  nycht  myssten. 
Dewyle  nu  de  armen  foele  synth  unde  weynnych  renthe  hebbenn, 
szoe  koenne  wy  daer  neth  foele  vann  tymmeren.    Soe  were  wy 
wael  demoeddychlycken  van  juwer  gnaden  begeren  van  wegen 
unsse  armen,  juwer   gnaden    woelde   doech    den    armen    eyn 
hussz    edder    eyn    ander   gave  uth  den   cloesteren  towyssen, 
daermyth    dat    gaesthussz  jaerlixesz    underhoeldenn    moechte 
werden.     Wanthe  wy  hebben  foersstaen,   dat  ydt  joe  alle   in 
gadesz  eeren  ysz  ghegeven  aver  ytlycke  jaeren  aellenth,  waeth 
de  cloessteren  hebben,  woewael  uth  eyn  myssbrueck,  insunder- 
heyt  de  predygeroerde,   de  doech  van  anfanghe  hebben   ghe- 
beddelt  to  daeth  oeffertorium,   welcker  voer  den  armen  soelde 
syn,  unde  sze  daeruth  en  bedeleroerde  oeffte  cloesster  hebbenn 
gemaecketh.    Soe  weren  wael  de  armen  nae  gadesz  bevel  eere 
rechte  arven  tho  dat  oeffertorium.   Summae  in  aellesz,  wy  be- 
geren, juwer  gnaden  woelde  doech  ersstesz  dagesz  eyn  fulmacht 
stellenn,  de  aelhyr  to  Norden  queme  unde  besege  myth   unsz 
de  gheleggenheyt  van  denn  husse  unde  allesz,  woe  jaemmer- 
lycken  woennynge  unsse  armen  hebben,  alsz  men  sen  maech, 
unde   fulmaecht    maech  juwer    gnaden    alszdaen    eyn    under- 
rychtynghe  geven   van   allesz,   dat   den  armen    noedych    ysz. 
Desse  voerghescreven  artyculenn  der  armenn  Christi  to  Norden 
begere  wy  foersstender  umme  Crysstus  wyllen.    Juwer  gnaden 
woelde  ydt  unssz  joe  nycht  voer  ungudt  aeffnemen,  wanthe  ydt 
synth  alle  gadesz   szaecken  unde  nycht  unsse.     Unde  wyllen 
hyrmede  juwer  gnaden  und  juwer  gnaden  kynder  saempth  unssen 


')  Thedinga. 


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,—     157     — 

jungen  gnedigen  hern  den  aelmechtygen  ewygen  god  bevaelen 
hebben  to  ewygen  tyden,  de  juwer  gnaden  unde  juwer  gnaden 
kynnderen  wyl  in  lueckszaelygen  reymennthe  unde  in  laenck- 
wylyger  ghesuntheyt  wyl  sparenen  to  der  ewygen  szaelicheyth, 
amen.    Datum  Norden  den  10.  January  anno  1555. 


Juwer  gnaden  w.  g. 
diaeconi  pauperi  (!) 

Original,  Papier,  ohne  Siegel,  im  St.-A.  Aurich. 


Luyr  Poellynck 

Ulben  Haellen 

Johan  Eylars 

Hylwerth  Kremer 


■I. 

Die  Armenvorsteher  in  Norden   an   den   Grafen  Johann  von  Ost- 
friesland.     1579,  Oktober  17. 

Wolgeborner  grafe,  gnediger  herr,  wy  undergeschreven 
e.  g.  undertanen,  vorstendere  der  armen  Christi  zu  Norden, 
konnen  obligenden  amptes  halven,  umme  unse  gewissen  zu 
fryen,  nicht  lenger  ummegeben,  e.  g.  der  armen  not  und  andren- 
gende  beschwerunge  klechlichen  zu  vermelden.  Anfenklichen 
dewyle  e.  g.  gnediglich  woll  bewust,  dasz  wir  zu  vortbouwunge 
der  lateinischen  scholen  etliche  arme  scholer  im  gasthuse  under- 
holden,  de  hantreckunge  unde  zulage  durch  de  (leider  gades) 
getrennede  gemeinte  zu  Norden  dachliches  ja  mehr  vorringert, 
der  armen  nothdruftige  hu[l]pe  sich  averst  dachlichs  vormehret, 
also  dat  wy  kume  platz  genoch  hebben,  deselbigen  zu  beher- 
bergen,  geschwige  den  nottruftichlich  zu  underhalten.  Js  uns 
baven  zuvorsicht  der  Lutzborger  predicant  mit  wieb  und  kinder 
sampt  sein  gantz  husgesinde  vor  weinig  dagen  durch  e.  g. 
secretarium  Hilliger  ut  der  armen  guter  zu  underhalten  in- 
gefuret,  de  unse  kamer  und  gemach,  dar  wy  der  armen  rech- 
nunge,  register,  segel  und  brieve  in  verwarunge,  ock  unse  bi- 
samenkump8t  wegen  der  armen  haben,   ingenommen;   ock  be- 


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—     168     - 

reit  im   anfange   sich   undernimpt,    der    armen    guiter,    holtz 
und   andere    dinge    sines    gefallens    ane   unse    furwissend  zu 
merchlichen  schaden  und  nachteil  der  armen  zu  vertimmeren, 
auch  baven  der  armen  disch  mit  wasser  und  ander  vuilnissen 
also  zu  regieren,  dasz  de  arme  ire  spiese  und  trank  ane  seine 
vorletzunge  nicht  mugen  zu  sich  nehmen  und  geniessen,  welches 
de  betrubten  armen  uns  mit   wenenden  augen  geklaget,  und 
wir  solches  e.  g.  henferner  zu  vermelden  nicht  lenger  vorbergen 
mochten.    Dewile  nu,  gn.  herr,  de  armen  dieses  prediger  dienst 
nicht   bedarven,   sunder  van   den  ordentlichen  predicanten  der 
kaspelkarcken  Norden  genuchsam  werden  bedenet,  ock  ehr  vor- 
mogent  nicht  is,   denselbigen   zu  underhalten   mit   sinem  ge- 
sinde  und  also  zu  herschen  lassen  aver  der  armen   guiter,  wo 
he  sich  undernimpt,   angesehen   der  armen  jarliche   inkament 
men  alleine  am  de  31/2  hundert  gulden  ungefehrlich  streckent, 
ehr  ock  ein  junger  man  und   ergens  eine  ander  kaspelkerke 
in  dieser  grafschaft,   dar  men  predigers  bedarf  heft,  woll  kan 
bedienen,  und   also   sinen  koste  gewinnen,   dat  he   desselvige 
mit  merklichen  vorderf  und  schaden  der  armen  nicht   bedarft 
to  socken.    Und  obwohl  hiebevorn  ein  alder  vorlameder  armer 
mann,  de  ehrtides  ein  prediger  gewesen,  ein  jar  oder  2  de  al- 
mussen  im  gasthuse  genaten  und  na  sinem  vermogen   sum- 
tides  den  armen  ein  predige  gedaen,  darus  mag  ja  nicht  folgen, 
dasz  de  armen  solten  verbunden  sein,  einen  unnotigen  predi- 
canten mit  wieb,  kindt  und  husgesind  zu  underhalten.     Bitten 
derwegen  gantz  undertenichlichen,  e.  g.  wollen  de  armen  Christi 
mit  diesem  widerwertigen  prediger  und  sinen  gesinde   gnedig- 
lichen  vorsohonen  und  zu  verbreidunge  der  lateinischen  scholen, 
ock  underhaltunge  derselvigen  armen   scholers   de   armen   mit 
salige  suster  Swanen  nachlassenschaft  und   den  gebrauch  der 
hofstede    gnediglichen    erfrouwen.     Darvor   werden   e.    g.    ein 
himmelsche  belonunge  bekamen,  und  de  armen  werden  sulches 
in    gemein    mit  irem  gebet  zu  dem   hogsten   got  umb    e.  g. 
dachliches  vorschulden.    E.  g.  gnedige  negunge  und  grafliche 
gemote   jegen    den    armen    hiruff   undertenichlich    erwartend. 
Anno  1579  den  17.  Octobris 

E.    g.    gehorsame    underthanen 

furstender    der    armen    Christi 

zu  Norden. 


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—    159    — 

Abschrift  in  Joachim  Christ.  Jhering's  Auserlesener  Extract 
und  auszng  aus  dem  in  der  Noorder  Pastorey  zu  Norden  vor- 
handenen  und  von  M.  Franc.  Henr.  Hoyero  aufgerichten  Parochial 
und  Kirchen-Archiv  .  .  .  8.  107 — 110.  St.  Archiv  Aurich,  Mscr. 
A.  93. 


III. 
Graf  Johann  an  die  Armenvorsteher  z*  Norden.     1579,  Oktober  29. 

Lieben  getreuwe,  dweil  wir  vorstehen,  dasz  in  dem  alten 
kloester  das  underste  gemach  gar  zu  klein  und  ungelegen  zu 
der  predige,  als  befehlen  wir  euch  gnediglich,  dasz  ir  die 
underste  boene  darzu  bequem  lasset  zurichten.  Daran  ge- 
schicht  unser  meinung.     Behrum  am  29.  Octobris   anno    1579 

Adresse :  Unseren  lieben  getreuwen  semptlichen  vorstehren 
der  armen  zu  Norden. 

Abschrift  von  J.  C.  Jhering  in  Auserlesener  Extract  usw.  S.  111. 


IV. 

Die  Armenvorsteher  in  Norden  an  Graf  Johann  von  Ostfricsland. 

1579,  Oktober  31. 

Wolgeborner  gnediger  herr,  wy,  e.  g.  undertenige  under- 
tanen  und  vorstender  der  armen  to  Norden.  hebben  den 
17.  October  e.  g.  .  .  supplication  wegen  der  armen  Christi  in 
alle  underdenicheit  .  .  .  e.  g.  schriver  togestellet,  darinnen 
der  armen  .  .  .  angetogen,  wo  die  armen  mit  den  Lutz- 
borgischen  predicanten  beschwert,  wy  ut  unse  platze,  der  wy 
unse  bieinkumpsten,  gespreck  wegen  der  armen,  ire  breven 
und  seegel  und  registeren  notwendigen  holden  und  hebben 
musten,  utgedrungen  werden  na  ferneren  der  supplicationis 
inholt.  Hebben  nicht  alleine  gein  antwort  von  e.  g.  bekommen, 
sondern  is  noch  den  30.  Octobris  ein  bevelschrift  von  e.  g. 
behandet,  dat  wy  den  understen  boene  im  gasthuse  to  ein 
predighues  bequeme   solten  verfertigen  laten;   waerup   wy  in 


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—     160    — 

alle  undertenicheit  e.  g.  unvermeldet  nicht  mogen  laten,  dat 
dusse  angemeldte  boene  voll  cellen  oder  kameren,  daerin  die 
armen  scholaren  und  sunst  etliche  arme  luide  ehre  slaepstede 
hebben,  also  dat  dieselbige  kameren  nicht  allein  mit  merklichen 
schaden  der  armen  solten  weggebrocken  werden,  sundern  es 
moesten  oeck  die  armen  schoeler  (deren  eine  temelichen  an- 
zal  dar  ist)  irer  underholtung  und  slaepstede  darsulvest  im 
gasthuse  gantz  und  gar  berovet  sein,  welches  den  armen  gantz 
beschwaerlichen,  erbarmlichen  .  .  .  derwegen  ungetwivelder 
hopenunge  sin,  dat .  .  .  welck  e.  g.  mit  gravelichen  ripen  .  .  . 
ehnen,  den  armen  christenen,  to  ere  woenunge  .  .  .  genedig 
verordent,  in  genen  anderen  ge  .  .  .  laten,  sunder  der  armen 
liideken  und  ...  ere  arme  ruweplatzen  .  .  .  unverstoret  laten. 
Ock,  g.  herr,  konnen  wy  e.  g.  undertenichlichen  nicht  bergen, 
wo  dat  e.  g.  frundliche  lieve  broeder  grav  .  .  .  dagen  unsz 
erenstlichen  bevolen,  soe  enige  .  .  .  g.  disfals  utgebracht, 
dat  wy  uns  nichtes  schulden  .  .  .  noch  dem  folge  leisten  .  .  . 
gn.  her  mit  bedroflichen  gemoete  erwegen,  dat  balde  beide 
unse  gnedigen  herren  mit  ungenade  jegen  uns  muchten  be- 
wagen  werden.  Soe  willen  wie  doch  to  e.  g.  als  einen  hoch- 
verstendigen  herren  uns  aller  gnaden  versehen,  nicht  twivelnde, 
e.  g.  werden  to  gemoete  voeren,  dat  uns  armen  undertanen 
unmogelichen  verscheidenen  bevelichschriften  gehorsam  to 
leisten,  daer  hiide  van  e.  g.  herr  broeder  dit,  morgen  van  e.  g. 
ein  anderes  manderendt  und  bevolen.  E.  g.  wollen  oeck  in 
genaden  erwegen,  dat  nicht  unbilligers,  noch  ungotlichers 
konne  sin,  dan  den  denaren,  de  mit  schaden  hoerer  guederen 
mit  grote  moyselicheit  den  armen  Christi  bedeenen,  mit  so- 
danigen  mandaten  beschweren,  welk  se  mit  guder  conscien- 
tien  unde  ane  merklichen  nadeel  der  armen  Christi  nicht 
konnen  gehorsamlichen  verrichten.  Bidden  derwegen  aver- 
mals,  e.  g.  wollen  den  armen  luiden  und  schoeleren  hoere 
schlaepstedekens  unverandert  gnediglich  laten  holden  und  unser 
unschuld  in  gnaden  annehmen.  Solches  werden  de  armen  mit 
hoere  gebet  .  .  .  e.  g.  voerschulden  .  .  .  1579  den  laesten 
Octobris. 

E.  g.  underdenige  gehorsame  underdanen 

de   voerstendere    der    armen    Christi    to 

Norden. 


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—     101     - 

Abschrift  von  J.  C.  Jhering  in  Auserlesener  Extract  usto. 
S.  111—114,  mit  folgender  BemerJcung:  Diese  supplication  war 
wegen  Alter  gerissen,  daher  einige  Liicken  sich  hierinnen  befinden. 


II. 
Mitleilungen  Ober  das  Schiffswesen  Ostfrieslands  im  XVI.  Jahrhundert. 

Von  P.  van  Rensen,  Sekret&r  der  Handelskammer  in  Emden. 


»Wir  wissen  zur  Zeit  weniger  von  der  Schiflfahrt  unserer 
Ahnen,  als  es  sich  zierat."  Dieses  Wort,  das  Gustav  Freytag 
in  seinen  Bildern  aus  der  deutschen  Vergangenheit  mit  Be- 
ziehung  auf  die  Hansa  ausgesprochen,  hat,  wie  ich  glaube,  auch 
seine  Berechtigung,  wenn  von  der  Schiffahrt  der  Bewohner  des 
ostfriesischen  Kiistenlandes  in  alter  Zeit  die  Rede  ist, 

Unsere  Kunde  von  den  Fahrzeugen,  die  im  Mittelalter  die 
hiesigen  Gew&sser  befuhren,  entstammt  in  der  Hauptsache  den 
Nachrichten  iiber  kriegerische  Unternehmungen  der  Hansast&dte 
gegen  die  zahlreichen  Seer&uber,  die  vor  der  friesischen  Ktiste 
ihr  Unwesen  trieben,  sowie  gegen  die  befestigten  Hafenpl&tze 
der  ostfriesischen  H&uptlinge,  die  den  Seeraubern  vielfach  Zu- 
flucht  boten  und  sie  nicht  selten  in  den  Fehden  mit  ihren 
Nebenbuhlern  verwendeten.  So  weit  bei  diesen  Kriegsziigen 
ostfriesische  Schiffe  in  Betracht  kommen,  wird  man  wohl  nur 
an  Fahrzeuge  zu  denken  haben,  die  ftir  gew5hnlich  dem  fried- 
lichen  Handelsverkehr  dienten  und  bloss  zeitweilig  mit  dem 
ftir  Kriegszwecke  erforderlichen  Angriffs-  und  Verteidigungs- 
material  ausgertistet  worden  waren.  Zur  Unterhaltung  einer 
standigen  Kriegsflotte  war  in  Ostfriesland  doch  wohl  Niemand 
im  Stande. 

Die  sog.  Emder  Kontrakten-Protokolle  (seit  1852  im  Auricher 
Archive),  aus  denen  ich  die  nachfolgenden  Mitteilungen  fiber 
das  Schiffswesen  Ostfrieslands  im  XVI.  Jahrhundert  geschdpft 
habe,  geben  ttber  kriegerische  Unternehmungen,  wie  tiberhaupt 
tiber  grosse  geschichtliche   Ereignisse   keinen  Aufschluss.    Siie 

Jahrtmch  d«r  Goselltch.  f.  b.  K.  u.  raterl.  Altertflmer  zu  Ertden.  Bd.  XV.  H 


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—    162    — 

bestehen  hauptsachlich  aus  Kauf-  und  EhevertrSgen,  sowie  letzt- 
willigen  Verfiigungen  und  ahnlichen  das  Privatleben  betreffen- 
den  Urkunden.  Die  in  ihnen  erw&hnten  Fahrzeuge  sind  zweifel- 
los  in  erster  Stelle  fiir  den  friedlichen  Handelsverkehr  benutzt 
worden,  obgleich  auch  sie  ihrer  n&chsten  Bestimmung,  wie  die 
Zeitverh&ltnisse  nun  einmal  lagen,  haufig  genug  untreu  ge- 
worden  sein  mflgen.  In  den  Urkunden  ist  dartiber  nichts  ge- 
sagt  worden.  Ich  muss  dieses  hervorheben,  urn  von  vornherein 
anzudeuten,  dass  von  meinen  Mitteilungen  lebensfrische  Bilder 
aus  dem  Schiffahrtsbetriebe  und  dem  Schifferleben  damaliger 
Zeit  nicht  erwartet  werden  dtirfen.  Auch  ist  aus  den  Kontrakten- 
protokollen  eine  n&here  Beschreibung  der  einzelnen  Schiffsarten 
nicht  zu  eutnehmen;  und  ich  werde  meinerseits  eine  solche 
nicht  zu  geben  versuchen.  Es  soil  bloss  hie  und  da  dasjenige 
eingeflochten  werden,  was  ich  dartiber  sonst  in  der  mir  zu- 
gangig  gewesenen  Litteratur  gefunden  habe.  Ich  habe  meine 
oft  recht  dtirftigen  Notizen  bloss  aus  dem  Grunde  so  ausftihr- 
lich  gehalten,  weil  sie  einen  Blick  tun  lassen  in  die  damaligen 
Verh&ltnisse,  die  vor  allem  auch,  was  die  Knappheit  der  baren 
Geldmittel  betrifft,  in  der  Regel  recht  bescheidene  waren. 

Unter  den  Schiffen,  die  uns  bei  den  vorerw&hnten  hansi- 
schen  Kriegsztigen  zu  Anfang  des  XV.  Jahrhunderts  genannt 
werden,  nehmen  sog.  Koggen  eine  hervorragende  Stelle  ein. 
Wir  h6ren,  dass  die  hansische  Expedition  gegen  die  auf  dem 
Emsstrome  hausenden  Seerauber  vom  Jahre  1400  elf  Koggen 
und  einige  Begleitschiffe  mit  insgesamt  950  Gewappneten  urn- 
fasste.  Im  Jahre  1408  mussten  die  Hamburger  wieder  mit 
zwei  Koggen  und  drei  kleinen  Schiffen,  die  300  Gewappnete 
an  Bord  hatten,  auf  der  Ems  erscheinen,  und  ihnen  sind  mit 
drei  Schiffen  noch  weitere  150  Mann  nachgesandt  worden. 
Zur  Ersttirmung  der  den  Seeraubern  als  Zufluchtst&tte  dienen- 
den  Burg  Faldern  musste  Hamburg  den  Belagerern  noch  weitere 
200  Mann  zu  Htilfe  schicken.  Auch  unter  der  Flotte,  mit  der 
es  Hamburg  im  Jahre  1433  gelang,  die  Stadt  Emden  zum 
Mittelpunkt  seiner  Herrschaft  in  Friesland  zu  machen,  befanden 
sich  mehrere  Koggen,  von  denen  jede  neben  einer  Schiffs- 
besatzung  von  28  Mann  etwa  100  Schwerbewaffnete  an  Bord 
gehabt  haben  soil.  Kleine  Fahrzeuge  kSnnen  das  nicht  ge- 
wesen  sein. 


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—     163    — 

In  den  durch  mich  eingesehenen  Kontraktenprotokoilen 
habe  ich  nur  ein  einziges  Mai  Koggen  erw&hnt  gefunden  und 
zwar  beim  Jahre  1559  (p.  237),  wo  ein  Foppo  Rewertz  dem 
Emder  Biirger  Gerrith  van  Norden  ein  „Koggenschip  umtrenth 
12  Lasten  groeth  wesende",  fur  284  Gulden  corr.  verkauft. 
Ich  muss  es  dahin  gestellt  sein  lassen,  ob  man  ein  Jahrhundert 
friiher  auch  bereits  Koggen  von  so  geringer  Grosse  hatte,  so- 
wie  ob  die  hier  erw&hnte  Kogge  mit  den  zu  den  Kriegsztigen 
benutzten  von  gleicher  Bauart  war.  Die  von  mir  nach- 
geschlagenen  Schriftsteller  sind  dartiber  einverstanden,  dass 
„Koggena  breite,  rundliche  Fahrzeuge  waren,  die  trotz  des 
mangelnden  Kiels  eine  gute  Seettichtigkeit  besassen.  Man  darf 
somit  bei  dem  durch  Gerrith  van  Norden  angekauften  Koggenschiff 
wohl  eine  gewisse  Ahnlichkeit  mit  den  noch  jetzt  von  Scheve- 
ningen  zur  Hochseefischerei  benutzten  Bomschuiten  voraus- 
setzen,  die  mit  vollen  Segeln  auf  den  flachen  Strand  steuern,  um 
ihren  Fang  zu  landen.  Derartige  Fahrzeuge  waren  ttbrigens  auch 
als  Transportschiffe  fiir  die  Beforderung  von  Landungstruppen 
an  unserer  flachen  Kiiste  sehr  wohl  zu  verwenden. 

Foppo  Rewertz  bekam  den  Kaufpreis  seiner  Kogge  nicht 
bar  ausbezahlt;  es  wurde  vereinbart,  dass  die  Kaufsumme 
bis  zum  Jahre  1564  durch  sechs  j&hrlich  um  Michaelis  f&llige 
Terminzahlungen  abgetragen  werden  sollte.  Von  Zinsen  ist 
nicht  die  Rede;  es  werden  aber  ftinfBtirgen  gestellt,  die  s&mt- 
lich  die  unbezahlten  „penninghe  als  eigen  schulth  tho  betaelen 
angenomen  hebben";  und  der  K&ufer  stellt  das  Schiff  und  seine 
sonstige  Habe  zum  Unterpfande. 

Foppo  selber  erfreute  sich  anscheinend  eines  grSsseren 
Kredits.  Zehn  Tage  sp&ter  (p.  245)  kaufte  er  von  dem  Emder 
Biirger  Gerth  Backer  zwei  Schiffsparten,  n&mlich  V20 in  ^Hermann 
Mesmakera  und  V*  in  „Iseren  Hindrich"  und  konnte  sich  aus- 
bedingen,  den  Kaufpreis  von  350  Gulden  mit  j&hrlich  25  Gulden, 
also  innerhalb  der  langen  Frist  von  14  Jahren,  abzutragen,  ohne 
weitere  Sicherheit  als  die  der  gekauften  Schiffsanteile  und 
seiner  sonstigen  Habe  anzubieten.  Auch  hier  ist  von  einer 
Zinsvergiitung  nicht  die  Rede.  Welcher  Art  die  Schiffe  waren, 
von  denen  hier  Anteile  verkauft  wurden,  sowie  ob  die  namentliche 
Bezeichnung  der  Fahrzeuge  auf  diese  selbst  oder  auf  deren  Eigen- 
tiimer  oder  Ffthrer  zu  beziehen  ist,  muss  ich  unentschieden  lassen. 

11* 


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—     164    — 

An  die  Stelle  der  Koggen  traten  in  der  zweiten  H&lfte 
des  XV.  Jahrhunderts,  wie  wir  aus  den  Nachrichten  tiber  die 
hansischen  Expeditionen  wissen,  sog.  Kraffelen,  cravele  oder 
caravel e.  Heyse  (FremdwSrterbuch)  leitet  das  spanische  Wort 
Karavela  oder  Carabela,  als  Verkleinerung  von  caraba,  welches 
ein  grosses  Fahrzeug  bezeichne,  von  dem  mittellateinischen 
Worte  carabus  =  Meerkrebs  ab  und  lslsst  es  in  Spanien  und 
Portugal  als  Bezeichnung  eines  schnellsegelnden  Schiffes  tiblich 
sein.  In  Frankreich  bezeichne  man  damit  kleine  zum  Herings- 
fange  dienende  Schiffe  und  in  der  Ttirkei  kleine  Kriegsschiffe. 
Nach  R6ding  (Wflrterbuch  der  Marine,  Hamburg  1793)  ist 
Karavella  ein  portugiesisches  Fahrzeug,  welches  lateinische 
Segel  fiihrt  und  100—140  Tonnen  laden  kann.  Vasco  de  Gama 
soil  sich  ihrer  zuerst  in  Indien  bedient  haben.  Die  franzSsischen 
Karavellen  sind  nach  ihm  Fischerfahrzeuge  von  12—15  Tonnen. 
Auch  die  Fahrzeuge,  die  Columbus  zu  seinen  Entdeckungs- 
reisen  benutzte,  werden  Karavellen  genannt.  Die  vorhandenen 
Abbildungen  dieser  Fahrzeuge  zeigen  vorne  und  hinten  hohe 
Autbauten  bei  geringem  Freibord  in  der  Mitte;  nach  den 
Leistungen  der  ktihnen  Entdecker  mflssen  sie  aber  doch  ziem- 
lich  seetflchtig  gewesen  sein,  jedenfalls  waren  es  verhiltnis- 
m&ssig  gute  Segler,  da  in  des  Columbus  Tagebuch  Fahr- 
geschwindigkeiten  von  15  italienischen  Meilen  oder  etwa  11 
Knoten  angegeben  werden.1)  Ich  komme  auf  die  Bauart  der 
Karavellen  spftter  noch  zuriick. 

Fahrzeuge  dieses  Namens  werden  in  den  Emder  Kontrakten- 
protokollen  der  Jahre  1557,  1558  und  1559  auffallend  oft  er- 
w&hnt.  Ich  muss  aber  zuvor  noch  auf  einen  Umstand  aus 
frtiherer  Zeit  zuriickgreifen.  Beim  Jahre  1537  (p.  766)  erscheint 
als  Besitzer  eines  Hauses  an  der  Nordseite  der  Schulstrasse 
zu  Emden  ein  „Clawes  van  Ossenbrtigge  mitten  Kravelea,  der 
in  den  beiden  Jahren  1548  (p.  7)  und  1551  (p.  289)  einfach 
„Clawes  myt  dat  Kravhell"  heisst.  Beim  Jahre  1539  (p.  945 
u.  p.  1141)  finden  wir  einen  „Johan  mitten  Kravele"  als  Mit- 
vormund  der  Kinder  von  sal.  „Clawes  mitten  Kravelea.  Dass 
die  Entstehung  dieses  Namens   urspriinglich  mit  dem   Besitz 


*)  vergl.  hierzu:  Allgemeine  Maschinenlehre  von   Dr.  Moritz  Riihl- 
mann,  Leipzig  1896,  V.  Band:  Ruder-,  Segel-  und  Dampfschiffe,  S.  206. 


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eines  Kravelschiffes  in  Verbindung  gebracht  werden  muss,  ist 
wohl  zweifellos.  In  dem  Testamente  des  Johan  mit  dat  Kar- 
viele  vom  Jahre  1559  (p.  292)  findet  sich  dafiir  insoferne  eine 
Bestatigung,  als  dessen  VermSgen  nicht  bloss  „Hues,  Hoff, 
Landt,  Sandt"  usw.,  sondern  auch  „Schepea  umfasste.  Zu 
einer  Zeit  aber,  wo  der  Besitz  eines  solchen  Fahrzeuges  in  der 
Stadt  Emden  als  ausreichendes  Unterscheidungsmerkmal  ftir 
die  Tr&ger  der  so  sehr  h&ufigen  Personennamen  Johan  und 
Clawes  gelten  konnte,  waren  die  Kravel-  oder,  wie  sie  meistens 
genannt  werden,  Karvielschiffe  daselbst  schwerlich  in  grosser 
Anzahl  vertreten.  Sp&ter  ward  der  Name  ein  st&ndiger  Erader 
Familienname,  der  sich  bis  zum  Jahre  1637  durch  mich  nach- 
weisen  l&sst.  In  diesem  Jahre  ward  n&mlich  Eltgen  mit  dat 
Carveel,  Tochter  des  zeitigen  Ratsherrn  Jacob  mit  dat  Carveel, 
unter  die  lidmaeten  der  evangelisch  -  reformierten  Gemeinde 
aufgenommen. 

Auffallend  ist  immerhin,  dass  im  Jahre  1557  (p.  16)  erst- 
malig  in  einem  Kaufvertrage  von  einem  Karvielschip  die  Rede 
ist.  Remmer  van  Esens  hat  dem  Johan  van  Hasselte  ein 
solches  verkauft,  und  auf  den  Kaufpreis  hat  Gerd  van  Geldern 
als  Btirge  177*  Ridergulden  bezahlt.  Weiteres  tiber  Gr6sse 
und  Kaufpreis  ist  nicht  angegeben. 

1557  (p.  117)  wird  der  Preis  eines  6  Jahre  alten  Karviel- 
schiffes  von  „16Lasten  up  5  Voeth  Waters"  zu  330  Gulden  brab., 
p.  137  derjenige  eines  solchen  von  12  Last  und  5  Fuss  Tief- 
gang  „mit  all  sein  thobehorige  Reetschup"  ebenfalls  zu  330 
Emder  Gulden  zu  10  sch.,  und  endlich  wird  (p.  145)  fur  ein 
Carfelschip  von  zirka  15  Lasten  der  Preis  zu  200  Karolsgulden 
angegeben.  Diese  drei  Notizen,  die  wohl  zu  einigen  Fragen 
Anlass  geben  kSnnen,  verdanke  ich  den  Aufzeichnungen  des 
sel.  Rektors  de  Vries,  der  sich  weitere  Einzelheiten  nicht 
notiert  hatte. 

1558  (p.  30)  verkauft  Jacob  Pieters  dem  Emder  Btirger 
Peter  Wandscheer  ein  „Karvelschip  van  16  Lasten  groot"  ftir 
360  Gulden  zu  20  Stbr.  brab.  Die  H&lfte  des  Kaufpreises  ist 
bar  bezahlt,  die  andere  H&lfte  soil  in  zwei  Terminen  bezahlt 
werden;  das  Schiff  bleibt  dafiir  verpf&ndet. 

1558  (p.  75)  verkaufen  Gerdt  Smit  in  „de  S16tela  und 
Gerdt  Smit  „by  dat  Karkhoffa   dem  Johan  Pricker  ein  halbes 


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—    166    — 

Karvelschip  fiir  205  Gulden  zu  10  sch.  Ihr  Bruder  bezw. 
Schwager  Abel  Smit  hat  den  Schiffsanteil  ehemals  unter  ihrer 
Bilrgschaft  gekauft,  aber  nicht  bezahlt;  sie  sind  fiir  den  Kauf- 
preis  in  Anspruch  genommen  und  darauf  durch  Erkenntnis  von 
Biirgermeister  und  Rat  in  den  Besitz  des  Kaufobjektes  ein- 
gesetzt  worden.  Verkaufer  haben  „dat  vorgenante  Part  Schepes 
up  alle  Havinghe  unnd  Strome  vry  verdich  tho  leveren  be- 
laveth",  also  gegen  Ansprilche  dritterGewS.hr  zu  leisten.  Otto 
Smit,  der  Eigentttmer  der  anderen  Halfte  des  Schiffes,  iibertrug 
solche  dem  Frerich  von  Aurich  far  185  Gulden  zu  10  schap. 
Weshalb  diese  letzte  Uebertragung  „uth  bevel  consulis  Med- 
manni",  d.  i.  des  Bilrgermeisters,  geschah,  ist  nicht  ersichtJich. 
Der  Kaufpreis,  der  in  beiden  Fallen  erst  nach  drei  bezw.  vier 
Jahren  zu  zahlen  war,  betrug  fiir  das  ganze  Schiff  also  410 
bezw.  370  Gulden. 

1558  (p.  96)  verkaufte  Otto  Kannegeter  dem  Mense  Hayncks 
van  Werdenn  uth  Esenner  Gebede  ein  halbes  Karvellschip  zu 
15  Lasten  Grosse  fiir  150  Gulden  zu  10  sch.  Der  Verkaufer 
besitzt  das  Schiff  gemeinsam  mit  Johann  van  Esens  und  hat 
es  selbst  eine  Zeitlang  gefuhrt.  Es  scheint,  dass  diese  Art 
Fahrzeuge  meistens  im  Besitze  zweier  Personen  war  und 
von  beiden  Partnern  gemeinsam  befahren  wurde. 

1558  (p.  137)  verkauft  Sybranth  Deddens  van  Oesterzehe 
dem  Thies  Jacobsen,  zu  Lewerden  wohnhaf t,  sein  halbes  Karveel- 
schiff,  ungefahr  12  Lasten  gross,  fiir  228  Karollsgulden  zu  20 
stbr.  brab.  Bedingung  ist,  dass  der  Verkaufer,  falls  er  nicht 
selber  mitfahren  wolle,  „in  seine  stede  ein  ervarenn  Knecht 
substitueren  moeghea.  Der  Kaufvertrag  war  also  zugleich  ein 
Dienstvertrag ;  denn  wenn  der  Verkaufer  verpflichtet  war,  event, 
fiir  sich  einen  Ersatzmann  zu  stellen,  so  ist  anzunehmen,  dass 
er  fiir  seine  Arbeiten  an  Bord  nicht  besonders  bezahlt  wurde. 
Der  Verkaufer  musste  ferner  dafiir  garantieren,  dass  das  Schiff 
nicht  wegen  Anspriiche  Dritter  irgendwo  angehalten  werde. 
Es  heisst  namlich:  „Sall  ock  Sybranth  up  alle  strome  und 
Havenn  nha  Schepesrecht  dath  vorgemelte  Schip  gueth- 
warenth  wesena. 

1558  (p.  151) :  Daniel  Sywertz  verkauft  dem  Hans  van 
Emeke  ein  halbes  Karveelschip  „ungeverlich  by  25  Lasten 
groeth,  „die  Rode  Lewea  gehetena,  fiir  310  Gulden  zu  10  schap. 


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Der  Kftufer  zahlt  50  Gulden  bar  und  hat  den  Rest  bis  Michae- 
lis  1560  in  drei  Terminen  zu  zahlen.  Von  den  gestellten 
Biirgen  zahlt  Hermann  Arendes  am  31.  Dezember  1560  von 
den  noch  unbezahlten  100  Gulden  den  halben  Betrag,  und 
Daniel  bescheinigt  den  Empfang,  zugleich  Hermann  „van 
seine  borchtucht  qwyterende".  Die  Saumigkeit  des  Schuldners 
ist  vielleicht  auf  seine  Unsoliditat  zurtickzufiihren.  Er  ist 
namlich  wahrscheinlich  identisch  mit  dem  Hans  van  Emeke 
up  Valdern,  gegen  den  nach  dem  Emder  Kirchenratsprotokolle 
vom  17.  Januar  1558  wegen  Misshandlung  seiner  Ehefrau  die 
Kirchenzucht  ausgeiibt  wurde. 

1558  (p.  165)  kauft  derselbe  Daniel  Sywertz  von  Johan 
Timmermann  buten  die  Valderporte,  also  wohl  einem  Schiffs- 
baumeister,  fiir  die  Summe  von  380  Gulden  ein  anderes  „Karveel- 
schip  van  20  Lasten  ungeverlichtf.  Er  zahlt  200  Gulden  bar  und 
verspricht,  indem  er  das  Schiff  und  „vorth  sein  allinghe  guedere 
tho  ein  express  Hypoteek"  bestellt,  die  iibrigen  180  Gulden  um 
Michaelis  1559  „deger  unnd  woll  sunder  enige  wedderrede  fry 
schadeloss  geldt"  zu  bezahlen.  Wohl  infolge  des  Ausbleibens  der 
Abschlagszahlung,  die  Daniel  um  diese  Zeit  von  dem  K&ufer  seines 
Anteils  im  Schiff e  „de  Rode  Lewea  zu  beanspruchen  hatte,  ist 
er  dazu  nicht  im  Stande.  Wir  erfahren  n&mlich,  dass  Hans  von 
Emick  erst  am  29.  Januar  1560  den  noch  ausstehenden  Rest 
des  Kaufpreises  zu  100  Gulden  fur  Daniels  Rechnung  einzahlt. 

1558  (p.  169)  verkauft  Garleff  Mailer  tho  Lier  (d.  i.  Leer) 
dem  Emder  Burger  Meus  Kindt  ein  Karveelschiff  von  10  Lasten 
fiir  245  Gulden  zu  10  sch.  K&ufer  zahlt  60  Gulden  bar  und 
stellt  fiir  den  Rest  des  Kaufpreises  7  Biirgen,  von  denen  5  fiir 
je  27  Gulden  und  2  fiir  je  25  Gulden  haften.  Die  Vermogens- 
verh&ltnisse  des  K&ufers  scheinen  nicht  besonders  gut  gewesen 
zu  sein.  Von  friiher  her  (1558  p.  64)  schuldete  er  dem  Hinrich 
Herkes  „van  geschepede  penninghe,  ock  van  vordeenth  Loena 
15  Daler.  Letzterer  hatte  wohl  bei  dem  Meus  gefahren  und 
ihm  zum  Ankauf  seines  Schiffes  Geld  geliehen.  Auch  scheinen 
bei  den  Zahlungen  fiir  das  neuerdings  angeschaffte  Karvielschiff 
die  Biirgen  mit  in  Anspruch  genommen  zu  sein.  Wir  erfahren 
1560  (p.  821),  dass  zwei  derselben  36  Gulden,  die  sie  von  einem 
Dritten  eingezogen  hatten,  an  Garrelt  Moller  auf  die  riick- 
st&ndige  Summe  entrichteten.    Meus  wird  in  dieser  letzteren 


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—     168    — 

Urkunde  als  „unse  gewesene  Borger"  bezeichnet,  hatte  also  in- 
zwischen  seinen  Wohnsitz  von  Emden  verlegt. 

1559  (p.  229)  verkauft  Johann  Lambertz  van  Leiden,  jetzt 
zu  Emden  wohnhaft,  dem  Emder  Bflrger  Fye  van  Awrich  fur 
250  Gulden  zu  10  sch.  ein  halbes  Karvelschiff  „groet  wesende  un- 
geverlich  6  brow  Biers".  Unter  brow  (auch  bruw,  bruwede,  bruwel, 
bruwelse)  =  Brau  ist  die  Menge  Bier  zu  verstehen,  die  auf  ein- 
mal  gebraut  wird.  Schiller  und  Liibben  fiihren  in  ihrem  WSrter- 
buche  eine  braunschweigische  Urkunde  an,  nach  der  zu  einem 
bruwelse  Bier  nicht  raehr  als  4  Scheffel  Malz  genommen 
werden  durften.  Ferner  erwahnen  sie  aus  einer  Hamburger 
Chronik  zwei  sog.  Bojer,  „die  jder  mit  5  bruwel  berstt  beladen 
waren.  Der  im  Jahre  1725  erschienene  Arithmetische  Ged&cht- 
niss-Spiegel  des  Auricher  Kantors  Jost  Ihnen  giebt  1  braute 
Hamburger  Bier  zu  30  Tonnen  an.  Rechnet  man  die  Last  Bier 
zu  12  Tonnen,  so  ware  das  in  unserer  Urkunde  erw&hnte  Schiff 
15  Last  gross  gewesen. 

Ein  1559  (p.  255)  von  dem  Emder  Bflrger  Johann  Dirkz 
an  seinen  Mitbilrger  Hermann  Stuteneter  verkauftes  Karviel- 
schiff  von  etwa  14  Lasten  Gr5sse  brachte  470  Gulden  zu 
10  sch.  auf. 

1559  (p.  259)  verkauft  der  Emder  Bttrger  Johann  v. 
Esens  dem  Jiirgen  van  Aurich  die  Halfte  eines  Karviel- 
schiftes,  dessen  Grosse  nicht  angegeben  ist,  ftir  den  Preis  von 
158  Gulden.  Vielleicht  war  es  dasselbe  Schiff,  dass  Johann 
nach  der  fniher  erw&hnten  Urkunde  (1558  p.  96)  gemeinsam 
mit  Otto  Kannegeter  besessen  hatte.  Letzterer  verkaufte  seine 
HSLlfte  fur  150  Gulden.  Johan  v.  Esens  kauft  nach  der  Urkunde 
vom  Jahre  1559  (p.  259)  gleichzeitig  von  seinem  Mitbiirger  Wibbe 
Jacobzen  ein  KarvielschifT  von  14  Lasten  fur  237  Gulden  zu 
10  sch.  Er  iiberweist  dem  Verk&ufer  die  durch  drei  „rechte 
warborge"  sicher  gestellten,  ihm  selber  bis  Ostern  1561  durch 
Jiirgen  v.  Aurich  in  drei  Terminen  zahlbaren  158  Gulden.  Die 
ferneren  79  Gulden  soil  er  dem  Wibbe  an  den  beiden  n&chst- 
folgenden  Michaelistagen  je  zur  Halfte  entrichten. 

1559  (p.  264)  verkauft  der  Emder  Burger  Willem  van  Utert 
dem  Allert  van  Jever  ein  KarvielschifT  von  15—16  Lasten  fiir 
565  Gulden.  Der  K&ufer  beurkundet,  dass  er  das  Schiff  „mit 
seine  Uthrtistinge   als  idt  Sewarth  gevarena   empfangen  habe 


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—    169    — 

und  den  Kaufpreis  in  vier  bis  rVastelavenda  1662  sich  er- 
strcckenden  Terminen  bezahlen  wolle  Seine  Frau  Wibbeko 
stellt  daftir  eine  von  ihrem  Vater  geerbte  Kammer  „up  die 
Butfenne"  zum  Unterpfande. 

1559  (p  269)  kauft  der  Emder  Burger  Herman  Backer  von 
dem  uns  schon  oben  als  Verkaufer  einer  Kogge  bekannt  ge- 
wordenen  Foppo  Rewertz  ein  Karviell  von  16  Lasten  GrSsse 
fur  450  Guld.  corr.  zu  10  sch.  Kaufer  zahlt  ein  Drittel  des 
Kaufpreises  bar  und  verpflichtet  sich,  unter  Btirgschaft  des 
Junge  Johan  van  Amsterdam,  die  beiden  anderen  Drittel  Licht- 
mess  1560  und  1561  zu  zahlen.  Ihm  stellt  aber  der  Verkaufer 
seinerseits  wieder  einen  Bttrgen  in  der  Person  des  Berenth 
Habben,  der  daftir  haften  will,  dass  das  Schiff  „up  alle  Havene 
unnd  Strome  na  Schepes  (ausgelassen :  Recht)  vry  verdich  vor 
Jdermannichliche  Anspraketf  geliefert  werde.  Mit  dieser  Bttrg- 
schaft  muss  wohl  einiges  Risiko  verbunden  gewesen  sein,  denn 
es  (ibernehmen  Cornells  Gerritz  und  Tonnis  Huegen  die  Rtick- 
biirgschaft,  indem  sie  erkl&ren.  nals  getrouwe  waerborgea  ftir 
alien  Schaden  aufkommen  zu  wollen,  den  Berenth  Habben  oder 
seine  Erben  aus  der  Burgschaft  fur  Foppe  erleiden  mSchten. 

Die  Lieferung  eines  verkauften  Schiffes  ging  nicht  immer 
glatt  von  statten.  1559  (p.  275)  wird  der  Emder  Btirger  Johann 
van  den  Grave  von  Thomas  Kock  Engelsmann  und  cons,  be- 
vollm&chtigt,  „kegen  und  wedder  Herman  Hoykena,  der  ihnen 
ein  Schiff  verkauft,  aber  nicht  geliefert  hatte,  „mit  Recht  oder 
Frtintschup"  vorzugehen.  Auf  der  anderen  Seite  hatte  der  Ver- 
kaufer eines  nicht  sogleich  bar  bezahlten  Schiffes  neben  den 
finanziellen  Verhaltnissen  des  K&ufers  auch  noch  andere  ins 
Auge  zu  fassen.  Als  1559  (p.  273)  Johan  van  Diepholt  von 
seinem  seitherigen  Partner,  dem  Herman  van  Ruill  (oder  van 
Ruele,  wie  er  1561  genannt  wird),  die  zweite  H&lfte  des  ihm 
bereits  zur  H&lfte  gehSrigen  Karvielschiffes  ftir  140  Gulden  zu 
10  sch.  kaufte,  musste  er  ftir  den  im  Januar  der  beiden  folgen- 
den  Jahre  je  zur  H&lfte  zahlbaren  Kaufpreis  neben  dem  Schiffe 
unter  Zustimmung  seiner  Ehefrau  auch  sein  Haus  und  Gut 
verpf&nden.  Der  Verkaufer  hat  sich  die  grossere  Sicherheit 
wohl  aus  gutem  Grande  geben  lassen.  Hans  van  Diepholt 
konnte  namlich  ftir  einen  an  Symon  Sygers  thom  Delfzyl  be- 
gangenen  Totschlag  verantwortlich  gemacht  werden.    Vielleicht 


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hat  van  Ruele,  der  Verkaufer,  es  auch  veranlasst,  dass  dariiber 
eine  Stihne  zu  Stande  kam.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre  1560 
(p.  589)  wird  auf  Erfordern  des  Hans  van  Deffholt  durch  den 
Btirgermeister  M.  Petrus  Medman  und  Johannes  Witte  ein- 
bezeugt,  dass  Hans  sich  wegen  des  an  dem  Erschlagenen  be- 
gangenen  „Ungeluka  mit  dessen  Kindern  versohnt  und  den 
Vormiindern  derselben  das  Stthnegeld  bezahlt  habe.  Diese 
haben  vor  dem  genannten  Btirgermeister  „aller  Ansprake  vor- 
latunge  gedaen"  und  Hans  des  Unfalls  halber  far  ewige  Zeiten 
freigegeben.  Im  Jahre  1561  quittiert  van  Ruele  far  den  ganzen 
Kaufpreis. 

1559  (p.  366)  verkauft  Sywert  Albertz,  Burger  zu  Amster- 
dam, dem  Emder  Bflrger  Dirck  Wantscheer  ein  neues  Karviel- 
schip  „mit  sein  thobehoff,  15  oft  16  Last  Roggen  groeth  seiende" 
fur  514  Gulden  zu  20  stbr.  brab.    Der  Kaufpreis  soil  Pfingsten 

1560  und  1561  jedesmal  mit  257  solcher  Gulden  „binnen  Amster- 
dam ane  Sywertz  Schaden",  also  franko,  bezahlt  werden.  Der 
K&ufer  stellt  far  die  eine  H&lfte  den  Emder  Burger  Johan 
Roleffs,  der  selbst  Schuldner  sein  will,  zum  Btirgen,  als  „rechte 
waerborge" ;  ftir  die  andere  Halfte  verbiirgen  sich  Dirck  Gerdes 
und  Mette  Pannebackers.  Diese  beiden  haben  ein  Schiff  von 
Dirk  Wantscheer  gekauft  und  sollen  die  riickst&ndigen 
Termine  dagegen  „affslaen  moegenn".  Es  ist  wohl  dieses 
letztere  Schiff  gewesen,  welches  Dirk  Wantscheer  und  seine 
damalige  Frau  Anna  im  Jahre  1558  (p.  52)  dem  Johan  van 
Lingen  ofte  Duerkoep  ftir  ein  von  diesem  empfangenes  Darlehn 
von  400  Gulden  zu  10  sch.  mit  noch  5  Grasen  Landes  in 
Valder  Hammrich  verpfandet  haben.  Dirk  Wantscheer  war 
nicht  etwa  Tuchwirker,  wie  sein  Name  besagt,  sondern  Schiffer. 
Als  er  sich  in  zweiter  Ehe  mit  Swaneke,  der  Tochter  des  Johan 
Northmoer  verheiratete,  ward  in  dem  1560  (p.  651)  eingetragenen 
Ehevertrage  das  eingebrachte  VermSgen  des  Mannes  auf  350 
Gulden  bar  und  100  Gulden,  „de  he  in  ein  Schip,  dat  he  sulvest 
voereth,  betaleth"  angegeben.  Dass  er  bis  dahin  auf  das  an- 
gekaufte  Schiff  nicht  mehr  als  100  Gulden  angezahlt  hatte,  hing 
wohl  damit  zusammen,  dass  er  den  Ankauf  eines  Hauses 
plante.    Wir  erfahren  n&mlich  aus  einer  Urkunde  vom  Jahre 

1561  (p.  143),  dass  er  von  Mamme  von  Esens  ein  Haus  in  der 
Dykstrate  far  1000  Gulden  zu  10  sch.  gekauft  hat.    Auch  hier 


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—     171    — 

wird  bloss  eine  Anzahlung  von  200  Gulden  gemacht,  und  fttr 
den  Rest  werden  acht  j&hrliche  Abschlagszahlungen  von  je 
100  Gulden  vereinbart. 

1559  (p.  525)  verkauft  der  Emder  Biirger  Hillebranth  Jeger 
seinem  Mitbftrger  Jiirgen  Wechter  ein  neues  Karvielschiff  mit 
seinem  Zubehflr,  so  wie  Hillebranth  es  selbst  ausgeriistet  hat. 
Der  Kaufpreis  betr&gt  355  Emder  Gulden  zu  10  sch.  nebst 
einem  dem  Verk&ufer  schon  iibertragenen  Schiffsanteil,  n&mlich 
„ein  Vierdeparth  Schepes  in  einem  „Boyera,  den  Clawes 
Tamesen  itzund  foreth".  Boyer  habe  ich  sonst  in  den  Kon- 
trakten-Protokollen  nicht  erw&hnt  gefunden,  obgleich  diese 
Fahrzeuge  sich  als  Tonnenboyer  noch  bis  zur  Neuzeit  erhalten 
haben.  Fiir  die  Tonnenlegung  scheinen  sie  nach  den  Mittei- 
lungen  des  Vereins  fur  Hamb.  Geschichte  Jahrgang  1885  p.  117 
schon  im  15.  Jahrhundert  benutzt  worden  zu  sein.  A/,Nach  der 
ebendaselbst  gegebenen  Beschreibung  sind  es  kleine  einmastige 
Fahrzeuge  gewesen,  die  urspriinglich  bloss  ftir  die  Kilstenfahrt 
bestimmt  waren.  Deswegen  ist  es  auch  in  Hamburger  Chroniken 
als  ein  unerhortes  Wagnis  bezeichnet  worden,  dass  im  Jahre 
1525  ein  Hermann  Evers  auf  einem  Boyer  mit  einem  Smak- 
segel  nach  England  und  weiter  gefahren  sei.  Bojer  wurden 
iibrigens  auch  mit  Kuttertakelung,  d.  h.  mit  einem  Grossmast 
und  einem  kleinen  Besahnmast,  ausgestattet1)  und  im  Seekriege 
verwandt.  Wir  erfahren,  dass  im  Jahre  1535  ein  Tonnenbojer 
mit  zwei  Ewern  ausgesandt  wurde,  um  Seer&uber  einzufangen. 
Im  Jahre  1547  sandte  Hamburg  (wie  oben  p.  118)  zum  Entsatz 
der  vom  Herzoge  Erich  von  Braunschweig  belagerten  Stadt 
Bremen  sieben  Bojer  auf  die  Weser,  wie  denn  auch  schon  an  dem 
im  Jahre  1525  auf  der  Osterems  stattgefundenen  Seegefechte 
mit  den  Freibeutern2)  auf  Hamburgischer  Seite  zwei  Smack- 
bojer  beteiligt  waren. 

Auch  noch  in  spaterer  Zeit  wurden,  wie  wir  aus  anderen 
Quellen  wissen,  Bojer  als  Kriegsfahrzeuge  auf  der  Ems  benutzt. 
In  der  Geusenzeit  liess  Graf  Edzard  zu  gleicher  Zeit  drei  grosse 
Boyer  zu  je  70  Lasten  in  Emden  und  vier  andere  in  Norden 
und  Greetsiel  ausriisten,   auf  den   drei  grOsseren  Fahrzeugen 


*)  vgl.  Wislicenus,  Deutechlands  Seemacht,  S.  47  ft 
*)  Klaus  Kniphof,  vgl.  Wiarda  m.  321. 


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sollen  sich  200  Mann  befunden  haben  3)  Gegen  den  Freibeuter 
Douwe  Glins  wurden  im  Jahre  1570,  von  Greetsiel  aus,  2  Bojer 
und  vier  kleine  Schiffe,  die  zusammen  100  Mann  Besatzung 
hatten,  ausgesandt.  Ich  will  hier  noch  erw&hnen,  dass  der  in 
den  Baltischen  Studien  (45.  Jahrg,  S.  310)  erw&hnte  Ritter 
Lupoid  von  Wedel,  der  im  Jahre  1578  in  Begleitung  eines  Arztes 
Bernhardus  Paludanus  aus  Friesland,  vielleicht  eines  Verwandten 
des  im  Jahre  1561  (p.  60)  in  Etnden  ans&ssigen  Johann  Palu- 
danus, eine  Reise  nach  dem  Heiligen  Grabe  unternahm,  im 
Jahre  1584  nauf  einem  Schiffgen,  so  zu  Amsterdam  daheim 
und  ein  „boggerta  genannt  wurde",  von  Hamburg  nach  Amster- 
dam fuhr. 

Auch  Karvielschiffe  sind  in  der  Geusenzeit  auf  der  Ems 
vielfach  als  Kriegsschiffe  benutzt  worden.  Sie  scheinen  aber 
tiber  das  eigentliche  Flussgebiet  nicht  weit  hinausgegangen 
zu  sein. 

Ich  komme  auf  die  Bauart  dieser  Schiffe  zuriick.  In 
einem  Vertrage  vom  Jahre  1559  (p.  265)  verpflichtet  sich  der 
Emder  Biirger  Johan  Stipel,  seinem  Mitbtirger  Wibbe  Jacobsen 
fur  die  Summe  von  390  Gulden  zu  10  sch.  ein  „Holl  Schepes 
Karveelswark  vry  verdich  tho  leveren".  Diese  Urkunde  ist  in 
mehrfacher  Beziehung  interessant.  Zu  beachten  ist  zunachst, 
dass  ein  „scheepshola  Gegenstand  des  Lieferungsvertrages  ist; 
scheepshol  ist  aber  sowohl  nach  holl&ndischer  als  nach  hiesiger 
Ausdrucksweise  der  blosse  Rumpf  eines  Schiffes  ohne  Takelage. 
Es  ergiebt  sich  hieraus  die  interessante  Tatsache,  dass  der  in 
den  sechziger  Jahren  des  XIX.  Jahrhunderts  in  Emden,  wie 
tiberhaupt  an  der  Ems  noch  herrschende  Brauch,  mit  dem 
Schiffsbaumeister  bloss  iiber  die  Lieferung  des  kahlen  Schiffs- 
rumpfes  ohne  Eisenbefestigung  usw.  zu  kontrahieren,  bereits  im 
Jahre  1559  in  Emden  bestand.  Ferner  ist  der  Ausdruck  „Karveels- 
warka  zu  beachten.  Ich  mSchte  denselben  dahin  verstanden 
wissen,  dass  der  Rumpf  nach  Art  der  Karvielschiffe  gebaut 
werden  soil.  Wenn  ich  nun  den  heutigen  Sprachgebrauch  in 
Betracht  ziehe,  wonach  der  karveelartige  Bau  eines  Schiffes 
darin  besteht,  dass  die  Planken  der  Aussenhaut  scharfkantig 
aneinandergelegt    und    die    Nahte    durch    Kalfatern    gedichtet 


»)  vgl.  Jahrbuch  XI,  S.  310  ff. 


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—     173    — 

werden,  so  glaube  ich  annehmen  zu  dlirfen,  dass  diese  Bauart 
zuerst  bei  den  Karvielschiffen  zur  Anwendung  gelangte  und  von 
ihnen  ihre  Bezeichnung  bekommen  hat.  Sie  ist  in  der  Folgezeit 
bei  den  holzernen  Schiffen  derartig  zur  festen  Regel  geworden, 
dass  eine  entsprechende  Vorschrift  aus  den  Baukontrakten  jetzt 
ganz  geschwunden  ist.  Ob  damit  auch  der  sp&tere  Nicht- 
gebrauch  des  Gattungsnamens  „Karvielschiffea  in  Verbindung 
gebracht  werden  muss,  lasse  ich  dahin  gestellt  sein.  Vor- 
stehende  Ausftihrungen  wurden  der  Begrundung  entbehren, 
wenn  Johann  Stipel,  der  die  Lieferung  eines  karvielartig  ge- 
bauten  Schiffsrumpfes  ubernahm,  nicht  Schiffsbaumeister  ge- 
wesen  ware.  Dafiir  ist  aber  aus  den  Kontraktenprotokollen 
der  Beweis  zu  erbringen.  In  seinem  Ehevertrage  vom  Jahre 
1559  (p.  351)  giebt  ein  aus  Edam  gebiirtiger  Johan  Claesen 
an,  dass  er  mit  Johan  Stipel  zusammen  Schiffsbauholz  aus  dem 
„Busch  by  Meppen  gekoft,  darann  hie  vor  sein  parth  800  Gulden 
tho  10  sch.  sein  huesgerath  darmit  ingerekent,  angelecht"  habe. 
Ferner  erklaren  in  einer  Urkunde  vom  Jahre  1560  (p.  714)  sechs 
Personen  ftlr  sich  und  ihre  Mitreeder  in  Johan  Bouwens  Schiff, 
dass  Johan  Stipel  ihnen  dieses  Fahrzeug,  ein  Karvielschiff,  far 
516  Gulden  „tho  dankea,  also  zu  ihrer  Zufriedenheit  geliefert 
habe.  Wie  dieser  Ausdruck  auf  einen  von  Stipel  ausgefuhrten 
Neubau  schliessen  l&sst,  so  steht  auch  nichts  im  Wege,  ihn 
auf  die  Lieferung  des  blossen  Rumpfes  zu  beziehen.  weil  der 
Preis  von  516  Gulden  fiir  ein  Schiff,  das  einer  Reederei  von 
mehr  als  sechs  Teilhabern  gehoren  sollte,  doch  sonst  zu  gering 
erscheinen  wilrde.  Die  Urkunde  wirft  auch  einiges  Licht  auf 
das  damalige  Rechtsverh&ltnis  der  Mitreeder  eines  Schiffes 
unter  sich  und  zu  einem  Dritten.  Sie  gew&hrt  n&mlich  dem 
Baumeister  Johann  Stipel  die  Berechtigung,  nach  seinem  Be- 
lieben  zwei  der  Reeder  fttr  den  ganzen  Baupreis  zur  Verfallzeit 
in  Anspruch  zu  nehmen,  „de  vor  denne  andere  alien  sich  des- 
falls  obligieren,  und  erne  desuluige  (d.  i.  die  Schuldsumme) 
tho  verschaffen  angenomen.  Doch  dat  de  andern  Mitverwandten 
densuluigen  von  alien  Schaden  tho  releveren  beloven".  Eine 
Mehrheit  von  Mitgliedern  hat  also  unter  Eingehung  von  Solidar- 
haft  den  Vertrag  vollziehen  mtissen;  und  ich  mochte  daraus 
folgern,  dass  sich  das  Institut  der  Korrespondontreeder  in  da- 
maliger  Zeit  noch  nicht  so   herausgebildet   hatte,   wie   wir    es 


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—    174    — 

heute  kennen.  Leider  ist  in  den  beiden  vorerwahnten  Lieferungs* 
vertr&gen  die  GrGsse  der  Schiffe  nicht  angegeben.  Zu  der  Zeit, 
als  der  Bau  holzerner  Schiffe  hier  noch  in  voller  Bltite  stand, 
berechnete  man  den  Kostenpreis  eines  seefertig  ausgertisteten 
neuen  Schiffes,  indem  man  zu  dem  Baupreise  des  Rumpfes,  den 
der  Schiffsbaumeister  zu  empfangen  hatte,  noch  eben  so  viel 
hinzuz&hlte.  Wendet  man  diese  Praxis,  auf  die  ich  spater 
noch  zurtickkomme,  auf  die  hier  vorliegenden  Daten  an,  so  er- 
geben  sich  als  Baupreis  filr  das  fertige  Schiff  im  ersten  Falle 
780  und  im  zweiten  Falle  1032  Gulden.  Nach  Massgabe  des 
in  der  bereits  erwahnten  Urkunde  1559  p.  366  fur  ein  neues 
ganz  fertiges  Karvielschiff  von  15  bis  16  Roggenlasten  an- 
gegebenen  Preises  von  514  Gulden  wtirde  die  Gr6sse  der  beiden 
oben  erwahnten  Schiffe  sich  auf  etwa  24  bezw.  32  Lasten 
stellen.  Von  einem  grSsseren  Karvielschiffe  ist  in  den  Kontrakten- 
Protokollen  bloss  1558  p.  156/57  die  Rede,  wo  Sywert  Brogel- 
man  in  Emden  und  seine  Reeder  ein  solches  von  76  Last 
Roggen  GrSsse,  4  Jahre  alt,  filr  1525  Gulden  zu  20  stbr.  brab. 
an  Godeke  Tylber  in  Bremen  verkauften.  —  Ich  kann  diese  Aus- 
ftthrungen  iiber  Karvielschiffe  nicht  schliessen,  ohne  daran  zu 
erinnern,  dass  auch  ein  mit  der  Abbildung  eines  dahinsegelnden 
Einmasters  und  der  Inschrift  „Dit  is  int  kreveel  anno  1590a 
versehener  Sandstein  am  Giebel  eines  Packhauses  in  Emden 
(Comp.  1  N.52  =  Pelzerstrasse  N.  56)  die  Kunde  von  den  Karviel- 
schiffen  auf  unsere  Tage  gebracht  hat.  Es  ist  wohl  moglich, 
dass  dieses  Geb&ude  seine  Bezeichnung  einem  Nachkommen 
des  oben  erw&hnten  „Johann  mit  dat  Kalviella  verdankt,  der 
nach  der  Urkunde  aus  dem  Jahre  1561  p.  25  in  der  Flaken- 
strate,  also  in  dem  unteren  Ende  der  Pelzerstrasse,  ein  Haus 
besessen  hat.  Vielleicht  war  es  Berendt  int  Kraveel,  der  unter 
den  im  Jahre  1589  gew&hlten  Vierzigern  der  Stadt  Emden  ge- 
nannt  wird.  Sollte  ist  auch  der  plattdeutsche  Ausdruck,  „dat 
is  een  krawelle  gasta,  womit  man  einen  anspruchsvollen, 
rucksichtslosen  Menschen  bezeichnet,1)  mit  den  Karvielschiffen 
in  Verbindung  zu  bringen  sein? 

Dem    kraveelartigen    Bau    der    Schiffe    steht    die    heute 
fast  nur  noch   bei   Bdten   angewandte   Klinkerbauart    gegen- 


*)  Einen  „Krawallmacher"? 


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tiber.  Diese  besteht  darin,  dass  die  Bretter  der  Aussen- 
haut  nicht  scharfkantig  nebeneinander,  sondern  schindel- 
massig  aufeinander  gelegt  und  durch  Klinkbolzen  befestigt 
werden.  Es  ist  anzunehmen,  dass  diese  Bauart  gewissen  Fahr- 
zeugen  den  Namen  gegeben  hat.  In  einer  Urkunde  vom  Jahre 
1557  p.  30  ist  von  einem  Schiffe  die  Rede,  „ein  Klinckardt 
wesende"  3  bis  4  Jahre  alt,  von  100  Last  „Danziger  maethe". 
Bei  einem  Schiffe  dieser  Grosse  wird  man  sich  das  Ueber- 
einanderliegen  der  Planken  wohl  in  der  Weise  zu  denken  haben, 
dass  die  einzelnen  Bohlen  je  mit  ihrer  halben  Starke  oder 
schr&g  auf  einander  gelegt  waren.  Ausser  dem  hier  erwahnten 
Falle  habe  ich  Klinkerschiffe  in  den  Kontrakten-Protokollen  der 
fraglichen  Zeit  nicht  gefunden.  Man  begegnet  ihnen  jedoch 
h&ufig  in  anderen  Geschichtsquellen,  in  denen  von  Seekriegs- 
ziigen  und  von  der  Schiffahrt  im  Allgemeinen  die  Rede  ist. 
Aus  dem  Vorhandensein  einer  Schuitemakerstrasse,  die 
zu  Anfang  des  XVII.  Jahrhunderts  auch  „Schuitemakersgang  bi 
de  lienbaan"  genannt  worden  zu  sein  scheint,  sowie  aus  der 
hauflg  vorkommenden  Personenbezeichnung  „  Schuitemaker a 
lasst  sich  ableiten,  dass  der  Bau  der  unter  dem  Namen 
„Schutena  vorkommenden  Fahrzeuge  in  Emden  heimisch  ge- 
wesen  ist.  Eine  bei  Friedlaender  unter  N.  691  abgedruckte 
Urkunde  vom  Jahre  1455  berichtet  von  einem  Clawes  Schuite- 
maker, dessen  Haus  durch  einen  in  Brand  geratenen  Topf  mit 
Teer,  den  Johan  Starke,  Hermanns  Sohn,  beim  Teeren  seines 
Schiffes  gebraucht  hatte,  Schaden  erlitt.  Letzterer  wird  durch 
Erkenntnis  der  Domdeler  vom  Schadenersatz  befreit,  weil  er 
den  Teertopf  an  den  von  Clawes  selbst  bestimmten  Ort  ge- 
stellt  hatte.  Das  Schiff  muss  daher  auf  einer  dem  Clawes  ge- 
h5renden  Schiffswerft  gesessen  haben,  als  sich  der  Unfall  zu- 
trug.  Auch  in  den  Kontrakten-Protokollen  des  XVI.  Jahr- 
hunderts kommt  der  Personenname  Schuitemaker  h&ufig  vor. 
Ich  Gbergehe  zwei  Urkunden  aus  friiherer  Zeit,  in  denen  von 
verkauften  Schuten  die  Rede  ist,  die  aber  in  ihrem  Zusammen- 
hange  nicht  zu  entziffern  sind.  1548  (p.  9)  verkauft  der  Emder 
Bflrger  Luetke  van  Meppen  dem  Wylm,  Johan  Wilms  Sohne  zu 
Meppen,  een  darde  Part  Schepes  in  een  Schute  mit  Zubehor, 
wie  sie  jetzt  ist  und  „thor  Sehe  vaerta,  far  120  E.  Gulden. 
Das  macht  far  das  ganze  Schiflf  360  E.  Gulden  zu  10  sch.    In 


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tier  Urkunde  wird  bemerkt,  dass  Luetke  das  Schiff  von  Hinderk 
Mtiller  zu  Haren  angekauft  habe.  Auch  fiber  diesen  Kauf  liegt 
1548  (p.  9)  der  Vertrag  vor.  Darin  wird  als  Kaufobjekt  „een 
Holt  Schepes,  ghelyk  idt  van  den  Stapel  gekomen  ystf,  und  als 
Kaufpreis  170  Ridergulden  zu  11  sch.  angegeben.  Aus  dem 
Unterschiede  zwischen  dem  Baupreise  von  170  Ridergulden  oder 
187  Emd.  Gulden  zu  10  sch.  und  dem  obigen  Kaufpreise  von 
360  E.  Gulden  mochte  ich  feststellen,  dass  bei  ersterem  nur 
an  den  Preis  des  kahlen  Rumpfes  („holla  miisste  es  dann 
richtiger  heissen)  zu  denken  ist,  und  dass  die  Kosten  der 
weiteren  Ausriistung  des  Sehiffes  bis  in  See  173  Gulden  be- 
tragen  haben.  Das  ware  beinahe  ebenso  viel,  wie  der  Schiff s- 
baumeister  filr  den  Rumpf  erhielt.  Dass  von  dem  Preise  des 
fertigen  Sehiffes  ein  Gewisses  fUr  die  an  Bord  befindliche  La- 
dung  gerechnet  werden  miisste,  erhellt  aus  der  Urkunde  nicht  ; 
es  diirfte  daher  die  Annahme  gerechtfertigt  sein,  dass  der  vor- 
hin  fiir  Emden  um  1659  nachgewiesene  Brauch  der  Anbestollung 
des  kahlen  Schiffsrumpfes  in  Haren  bereits  im  Jahre  1548  be- 
stand,  sowie  dass  das  Verhaltnis  zwischen  dem  Baupreise  des 
Rumpfes  beim  Schiffsbaumeister  und  den  Kosten  des  seefertig 
ausgeriisteten  Sehiffes  schon  damals  ein  ahnliches  war,  wie 
bei  den  in  neuerer  Zeit  gebauten  holzernen  Segelschiffen,  nam- 
lich  wie  1  :  2.  Mir  liegen  die  speziellen  Daten  vor,  wonach 
ein  irn  Jahre  1861  in  Emden  eisenfest  gebauter  hfllzerner 
Schooner  von  81  Roggenlasten  Ladef&higkeit  fertig  in  See 
Rth.  10863  gekostet  hat,  von  welcher  Summe  die  Schiffswerft 
ftir  die  Lieferung  des  kahlen  Schiffsrumpfes  ohne  Eisen- 
befestigung  und  ohne  Tischlerarbeit  Rth.  6136  empfing.  Inter- 
essant  ist  an  der  Urkunde  des  Jahres  1548  auch  noch,  dass 
als  Bauort  der  hier  fraglichen  Schute  Haren  an  der  Ems  an- 
zusehen  ist,  also  der  Ort,  der  noch  heute  den  bekannten  Harener 
PUnten  ihren  Namen  verleiht.  Es  ist  nicht  unwahrscheinlich, 
dass  die  in  Haren  gebauten  Schuten  des  XVI.  Jahrhunderts  ganz 
rlhnliche  Fahrzeuge  gewesen  sind,  wie  die  heutigen  Piinten,  zu- 
mal  diese  nur  ein  grosses  Raasegel  ftihren  und  die  alten 
Schuten  auch  unter  der  blossen  Bezeichnung  „Raesegella  er- 
w&hnt  werden.  Beim  Jahre  1559  (p.  277)  ist  von  einem  solchen 
die  Rede.  Hans  Vos  „van  Rensborch  in  dem  Lande  tho  Holsten" 
verkauft  dem  Herman  Ruiter  als  Schiffer,  sowie  Wolter  Hilling, 


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Dirck  Gerdes  und  Koerth  van  Meppel  „mit  oire  Consorten  eine 
Schute  oflfte  Rae  Segell  van  drie  Jaren,  welch  60  Last  Roggen 
sail  voeren  k6nnena,  fur  412  Gulden  zu  10  sch.  Von  dem  Kauf- 
preise  werden  212  Gulden  bar  bezahlt;  der  Rest  soil  mit  je 
100  Gulden  in  den  Jahren  1560  und  1561  up  Lichtmess  „dem 
Brenger  der  Certen  vry  schadeloss  gelth"  gezahlt  werden.  Die 
genannten  drei  Reeder  verbttrgen  sich  fOr  die  Zahlung,  wahrend 
Hans  Holste  und  Albert  Plagge  sich  wiederum  dafQr  haftbar 
stellen,  dass  Hans  Vos  seinen  Verpfiichtungen  beztiglich  der 
Lieferung  und  freien  Fahrt  des  Schiffes  nachkomme.  Es  ist 
hier  von  einer  holsteinischen  Schute  die  Rede ;  auch  von  anderen 
Gegenden  werden  Schuten  nach  hier  geliefert.  Nach  einer  Ur- 
kunde  von  1558  (p.  102)  machen  2  Leute  aus  Osteel  mit  Hein- 
rich  Teissen,  Biirger  zu  Monkedam,  einen  Vertrag  ftber  die 
Lieferung  einer  Schute  von  14  bis  15  Lasten  Grdsse.  Er 
empf&ngt  dafflr  ein  ungef&hr  6  Lasten  grosses  Schiff  und  eine 
Geldsumme  von  106  E.  Gulden,  wovon  l/5  bar  und  die  iibrigen 
4/3  in  zwei  Jahren  in  Harlingen  zu  zahlen  sind.  Dabei  ver- 
sprechen  sie  sich  gegenseitig,  „oirhe  Schep  die  eine  den  anderen 
nha  Schepes  Recht  up  alle  Stroeme  guet  warendt  tho  wesena. 

Es  scheint,  dass  die  Schuten  in  der  Bauart  soweit  von 
einander  abweichen,  dass  sie  nach  dem  Orte  ihrer  Erbauung 
verschieden  bezeichnet  werden  konnten.  1558  (p.  114)  bekennet 
Eltke  Ockens  up  den  Ulse  wohnhaft,  dass  ihm  Thye  Harmens 
zu  Groningen  eine  Groninger  Schuite  geliefert  hat,  und 
dass  er  diesem  dafttr  75  Ridergulden,  zu  je  30  Groninger  Sttibern 
gerechnet,  schuldet.  1661  (p.  67)  giebt  Dirck  van  Stickhausen 
in  seinem  Ehevertrage  ein  Schiff,  „eine  Zegelther  Schuthe 
genometh,  ungeverlich  40  Gulden  tho  10  sch.  werth  syndetf  als 
sein  Eigentum  an. 

1559  (p.  321)  wird  ein  Kaufvertrag  geschlossen,  der  zwar  am 
14.  Juni  1561  mit  den  Worten:  „noneret,  derwegen  wthgedaen 
orkunde  Johans  handt:  yck  Johan.",  wieder  annulliert  worden 
ist,  hier  aber  trotzdem  nicht  tlbergangen  werden  darf.  Es  ver- 
kauft  darin  Joban  van  Reen  dem  Engelke  van  Esens  ,,itzundt 
up  Falleren  wonachtig,  ein  Stflcke  Schepes  van  sdven 
Borde,  umbtrent  negen  Lasten  groeth  wesenth",  ftir  160 
Gulden  zu  10  sch.,  die  in  fttnf  j&hrlichen  Terminen  bezahlt 
werden  sollen.    Ich  glaube,  dass  es  sich  hier  urn   eine  Schute 

Jahrbuck  d«r  Qewilgch.  f.  b.  K.  u.  ratwl.  AltertUmer  jtu  Emd«n,  Bd.  XV.  12 


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gehandelt  hat,  weil  man  die  Grosse  dieser  Fahrzeuge  nach  der 
Anzahl  der  Borde,  d.  h.  der  Bretterg&nge,  welche  die  Aussen- 
haut  bildeten,  zu  bemessen  pflegte.  Nach  einem  Rechnungs- 
buche  der  Grossen  Kirche  zu  Emden  wurden  im  Jahre  1676 
fttr  Sand,  welcher  vom  sog.  Paap  in  der  Ems  geholt  wurde, 
und  zwar  fur  die  Ladung  einer  viffbordet  Schute  2  Gulden 
bezahlt.  Gleichzeitig  kostete  ein  Schipvoll  Lierer  von  der  Ober- 
ems  geholter  Sand  4V4  Gulden.  Ich  will  noch  eine  andere  Notiz 
fiber  die  Bezeichnung  von  Schuten  hier  anfugen.  Im  Jahre  1590 
wurde  in  der  Stadt  Emden  eine  sogen.  Rulle,  d.  h.  ein  Statut  oder 
Verordnung  far  „alle  Vehrschepen  nnd  Steigerschuten"  nach 
Delfzyl,  Leer,  Weener,  Jemgum,  Ditzum  und  Bunde  erlassen, 
womit  erwiesen  sein  dtirfte,  dass  die  Schuten,  welche  wir 
noch  in  der  Neuzeit  als  sogen.  Treckschuiten  im  Verkehr 
zwischen  den  St&dten  Emden  und  Aurich  gekannt  haben,  schon 
im  XVI.  Jahrhundert  zur  regelmassigen  Beforderung  von  Per- 
sonen  gedient  haben. 

Obgleich  sich  unter  den  im  Jahre  1637  neu  aufgenommenen 
Gliedern  der  evang.-ref.  Gemeinde  zu  Emden  die  Ehefrau  eines 
Johan  Gerdes  Ewerenmaker  befindet,  habe  ich  doch  in  den 
von  mir  durchgesehenen  Kontraktenprotokollen  aus  der  Zeit 
bis  1663  Nachrichten  tiber  Ewer-Fahrzeuge  nicht  entdeckt. 
Das  Vorkommen  eines  Emder  Burgers  Albert  raytten  Jachever, 
der  nach  den  Urkunden  1513  (p.  139)  und  1630  (p.  146)  ein 
Haus  an  der  Westseite  der  Dykstrate  besass,  deutet  aber 
darauf  hin,  dass  diese  Fahrzeuge  in  Emden  nicht  unbekannt 
waren. 

In  seinem  1663  (p.  632)  niedergeschriebenen  Ehevertrage 
bekundet  Tdnnis  van  Canum,  dass  er  weiter  kein  VermOgen  in 
die  Ehe  mitbringe  „dan  eine  Snicke,  darmede  he  seine  Kost 
vordenet".  Diese  flachbodigen  mit  Schwertern  und  einem  oder 
zwei  Masten  versehenen  Fahrzeuge  werden  schon  in  der 
K&mmereirechnung  der  Stadt  Hamburg  fiir  das  Jahr  1360  er- 
w&hnt.  Wir  finden  sie  im  XVI.  Jahrhundert  auf  der  Eras  als 
Begleitschiffe  der  gegen  die  Seerauber  ausgertisteten  grosseren 
Fahrzeuge;  in  der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  dienen  sie  als 
F&hrschiffe  im  Verkehr  zwischen  Fahnsterbrttgge,  Riepe,  Marien- 
have  usw.  und  der  Stadt  Emden,  und  wir  kennen  sie  noch 
heutzutage  als  Fischerfahrzeuge. 


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Ich  komme  damit  auf  eine  andere  Art  Fahrzeuge,  die  uns 
an  die  frtther  zum  Heringsfange  benutzten  sogen.  Bui  sen  er- 
innern.  Als  im  Jahre  1558  (p.  65)  der  Emder  Bttrger  Clawes 
Schomaker,  in  Verbindung  mit  seinem  letzten  Willen,  den 
Stand  seines  VermOgens,  wie  er  sich  aus  Zuwachs  und  Ver- 
lust  gebildet,  aufmachte,  ftihrte  er  an,  dass  er  in  „ein  Slap- 
buisse,  welcke  Mathesius  gevordt",  44  Gulden  zu  10  sch. 
verloren  habe. 

1559  (p.  398)  verkaufte  Popke  Edsen  van  Uphusen  dem 
Andreas  Pawels  „y4  Part  Schepes  in  de  Jemger  Buise",  wie 
er  solche  mit  Zubehor  jtingst  kauflich  an  sich  gebracht 
hatte,  filr  100  E.  G.  und  1560  (p.  658)  dem  Albert  van  Jennelt 
„ein  Vierdeparth  Schepes  in  de  Buese,  als  Popke  van  de  van 
Jemgum"  gekauft,  fttr  1333/4  Gulden.  Popke  hatte  zur  Zeit  des 
Verkaufs  den  von  ihm  selbst  ausgelobten  Kaufpreis  noch  nicht 
bezahltt  denn  Albert  wird  von  ihm  beauftragt,  die  beiden 
vereiubarten  Terminzahlungen  zur  Zeit  der  Falligkeit  an  den 
„Prinzipal",  d.  i.  an  Popke's  Vorbesitzer,  filr  ihn  abzuftihren. 
Es  ist  wohl  zweifellos,  dass  hier  in  beiden  Fallen  eine  Part  in 
demselben  Schiffe  verkauft  worden  ist;  unklar  aber  bleibt  es, 
weshalb  der  Preis  das  zweite  Mai  so  viel  hoher  war,  als  etwa 
ein  halbes  Jahr  fruher.  Schiller  und  Ltibben  beziehen  den  Aus- 
druck  „busea  oder  „butzea  ausschliesslich  auf  kleine  Fahrzeuge 
zum  Heringsfang  und  zitieren  dabei  eine  Stelle  aus  einer  Ltibischen 
Chronik,  wonach  die  Hollander  „do  in  der  z§  weren  up  den 
Herynk  vank,  wol  mit  300  busen,  5  vredeschepen  darbi4'.  Wir 
dtirfen  bei  der  in  unserenKontraktenprotokollen  erwahnten  Buese 
wohl  um  so  eher  an  ein  Fischerfahrzeug  denken,  als  Beninga 
uns  erz&hlt,  dass  im  Jahre  1553  „de  van  Embden  etlicke 
Herinckbusen  um  den  Hering  tho  fangen  thogerichtet".  Loesing 
weiss  uns  in  seiner  Geschichte  der  Stadt  Emden  (p.  113)  filr  das 
Jahr  1555  sogar  den  Preis  der  mit  Emder  Schiffen  gefangenen 
Heringe~anzugeben;  allerdings  in  der  auffallenden  Weise,  dass 
die  zuerst  angebrachten  Heringe  die  Last  zu  125  Arendgulden 
(d.  i.  den  Gulden  zu  3  sch.  gerechnet  =  37 1/2  Gulden)  verkauft 
wurden,  w&hrend  im  Herbste,  als  die  letzte  Buise  ankam,  die 
Last  72  Ridergulden  (d.  i.  den  Gulden  zu  11  sch.  gerechnet  = 
79V5  Gulden)  gekostet  haben  soil.  Buerens  Jahrbtichlein  auf 
das  Jahr  1837  (p.  87  ff.)  giebt  den  Preis   einer  Last  Heringe 


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fUr  das  Jahr  1556  rait  150  Emder  Gulden  an.  Aus  den  Kon- 
traktenprotokollen  des  Jahres  1557  (p.  18)  ist  urkundlich  zu 
entnehmen,  dass  im  December  dieses  Jahres 

die  Last  vullen  stiveren  Heringk  zu  78  Gulden  corr. 

die  Last  Visch  (Laberdan)  zu  70        B  „ 

und  die  Last  Mackrellen  zu  40        .„  „ 

notiert  wurden. 

Beim  Jahre  1558  (p.  134)  finden  wir  noch  eine  andere 
Art  Fahrzeuge  erw&hnt.  Galtet  Oeiken  zu  Groteholm  bevoll- 
m&chtigt  den  Emder  Bflrger  Ede  van  Esens  zur  Ftthrung  seiner 
Angelegenheiten  „wegen  ein  Stiicke  Schepes,  ein  Hochboeth 
geheten",  gegen  Remmer  van  Jever,  der  jetzt  Emder  Btirger  ist. 
Er  soil  gegen  diesen  im  Wege  Rechtens  oder  „fruntlicher  Wysea 
vorgehen  k5nnen.  Galtet  hat  dem  Remmer  „ermalsa  ein 
solches  Fahrzeug  „vorhueretha  und  dieser  hat  es  „thor  Zee- 
varth  verloren".  N&here  Angaben,  die  auf  die  Art  dieses 
Schiffes  schliessen  lassen  kflnnten,  fehlen.  Ich  vermute,  dass 
der  Ausdruck  ein  hochbordiges  Fahrzeug  bezeichnen  soil,  wie 
sie  aufgekommen  sind,  als  die  Ruderer  von  der  Segelkraft  als 
Fortbewegungsmittel  mehr  und  mehr  verdr&ngt  wurden.  In 
der  ersten  H&lfte  des  XVI.  Jahrhunderts  ist  wiederholt  von 
hochbordigen  Kriegsschiffen  die  Rede.  Im  Uebrigen  ist  in  den 
durch  mich  eingesehenen  Kontraktenprotokollen  bloss  im  AU- 
gemeinen  von  Schiffen  und  Schiffsparten  die  Rede.  Die  Unter- 
scheidungen,  wie  sie  nach  der  verschiedenen  Art  der  Betakelung 
und  des  Baues  der  Schiffe  uns  gelaufig  geworden  sind,  gehftren 
einer  sp&teren  Zeit  an. 

Ich  will  schliessen,  indem  ich  noch  der  Reederei  eines 
Schiffes  gedenke,  worttber  uns  eine  Urkunde  vom  15.  M&rz  1561 
(p.  64)  interessante  Auskunft  giebt.  Das  Schiff  ist  namlich 
eines  von  den  wenigen,  deren  Namen  uns  in  den  Kontrakten- 
protokollen aufbewahrt  sind.  Es  heisst  „dat  Meerwyff a  und  wird 
geftthrt  von  dem  Schiffer  Clawes  Horen,  einem  Schwiegersohne 
des  Eppe  van  Oterdum  (van  Gelder).  Clawes  hatte  mit  seiner 
Frau  Wyke  van  Gelder  BVe4  V9^  Grundes  unde  warves,  in 
denBoenesstf  ausserhalb  des  Faldernthors  belegen  „unvordeletha, 
als  Heiratsgut  tiberkommen  und  iibertragt  nun  mit  Zustimmung 
seiner  Frau  alle  Gerechtigkeit  und  alles  Eigentum  dieses  Grund- 
stticks  an  die  gn&dige  Frau  Grafin  Anna  zu  Ostfriesland  Witwe. 


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—      181      -L- 

Er  empf&ngt  dafflr  —  und  das  ist,  was  uns  hier  interessiert  — 
von  der  Gr&fin  5/16  Anteile  in  dem  von  ihm  gefuhrten  Schiffe. 
Wir  lernen  also  hier  die  Gr&fin  Anna  als  Mitreederin  eines 
Emder  Schiffes  kennen.  Den  Wert  dieses  Schiffes  kflnnen  wir 
daraus  ableiten,  dass  fiir  1662  (p.  216)  zwei  Urkunden  vorliegen, 
in  denen  zwei  gleiche  Grundstftcke  up  den  Bonness  durch 
Johan  Ticheler  tho  Coldeborch  fur  den  Preis  von  je  400  Embd.  G. 
zu  11  sch.  angekaufb  wurden.  Der  Wert  des  ganzen  Schiffes 
stellt  sich  hiernach  auf  1280  Gulden  zu  11  sch.  oder  1408  G.  zu 
10  sch.  Aus  dem  Beispiele  der  Gr&fin  Anna  dtirfen  wir  schliessen, 
dass  das  Interesse  fttr  Reederei  und  Schiffahrt  in  damaliger  Zeit 
alle  Kreise  der  Bevftlkerung  durchdrang.  Dieses  Interesse  hat 
sich  Jahrhunderte  hindurch  in  der  Stadt  Emden  lebendig  er- 
halten,  in  unserem  Zeitalter  des  Dampfes  ist  es  aber  bis  auf 
das  tiefste  Niveau  herabgesunken.  Der  durch  den  Kanal  von 
Dortmund  nach  den  Emsh&fen  herangezogene  Schiffahrtsverkehr 
wird  hoffentlich  die  Grundlage  sein,  auf  der  es  sich  abermals 
zu  neuem  Leben  entwickelt. 


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Verzeichnis  der  Mitglieder  1903. 


I.  Ehrenmitglieder. 

Bartels,  Dr.  theol.,  reform.  General-Superintendent  in  Aurich. 

Berghuys,  Kaufmann  in  's  Gravenhage. 

fFriedlaender,  Dr.,  Kgl.  Geh.  Staatsarchivar  u.  Geh.  Archivrat  in  Berlin. 

fKlopp,  Dr.,  Hofrat  in  Wien-Penzing. 

fKusthardt,  G.,  Bildhauer  in  Hannover. 

Merkens,  Franz,  Rentner  in  Koln. 

Rassau,  Oskar,  Bildhauer  in  Dresden. 

Rose,  Amtssekret&r  a.  D.  in  Lintel  b.  Norden. 

Stare ke,  £.,  Fabrikbesitzer  in  Melle. 

II.  Korrespondierende  Mitglieder. 

t  Babucke,  Dr.  phil.,  Direktor  d.  Altstadt.  Gymnasiums  in  Konigsberg  i.  Pr. 

Blok,  Dr.  phil.,  Professor  an  der  Universitat  Leiden. 

Borchling,  Dr.  phil.,  Privatdozent  in  Gottingen. 

Boschen,  Bildhauer  in  Oldenburg. 

Fabricius,  Dr.  juris,  Senatsprasident  am  Oberlandesgericht  in  Breslau. 

Grevel,  Rentner  in  Dusseldorf. 

Holtmanns,  Rektoratsschullehrer  a.  D.  in  Cronenberg  bei  Elberfeld. 

Klinkenborg,  Dr. phil.,  Hilfsarbeiter  am  Kgl.  Geh.  Staatsarchlv  zu  Berlin. 

Liebe,  Dr.  phil.,  Kgl.  Staatsarchivar  in  Magdeburg. 

Nanninga  Uitterdijk,  Archivar  der  Stadt  Kampen. 

Pannenborg,  Dr.  phil.,  Professor  in  Gottingen. 

Peters,  Reichsbaumeister  in  Haag. 

Rose,  Burgermeister  in  Barth. 

Sello,  Dr.  jur.,  Grossh.  Archivrat  in  Oldenburg. 

Siebs,  Dr.  phil.,  ord.  Professor  an  der  Universitat  Breslau. 

Sundermann,  Lehrer  in  Norden. 

Wagner,  Dr.  phil.,  Archivdirektor  in  Wiesbaden. 

Winkler,  Jon.,  Arzt  in  Haarlem. 

III.  Wlrkliche  Mitglieder. 

a.  Einheimische. 

Bauermann,  H.,  Kaufmann. 

Bertram,  Fr.,  Rentner. 

Brons,  A.,  Niederlandischer  Vize-Konsul,  Senator  a.  D. 

Brons,  B.,  Niederlandischer  Konsul,  Senator  a.  D, 

Brons,  Bernhard  J.  S.t  Kaufmann. 


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—    183    — 

Br ons,  P.,  Schwedischer  Vize-Konsul. 

Br  on  8,  Herm.,  Kaufmann. 

Br  oris,  Y.,  Kaufmann. 

Bunnemann,  Fr.,  Kaufmann. 

Butenberg,  0.,  Partikulier. 

Dekker,  Oberlehrer. 

van  Doornum,  C,  Kaufmann. 

v.  Frese,  Landrat. 

Fiirbringer,  Oberburgermeister. 

Qeelvink,  H.,  Kaufmann. 

Qeelvink,  P.,  Kaufmann. 

Qeelvink,  Dr.  med. 

Gi Hermann,  L.,  Bankvorsteher. 

Graepel,  Senator  a.  D. 

Hay n el,  Buchhandler. 

Haenisch,  Pastor. 

Herrmann,  Apothekenbesitzer. 

van  Heuvel,  beeidigter  ostfr.  Auktionator. 

Hflpken,  Dr.,  Oberlehrer. 

Kappelhoff,  A.,  Senator. 

Kappelhoff,  H.,  Kaufmann. 

Klug,  Landschaftsrat. 

Kool,  Dr.,  Direktor  der  Fischereigesellschaft  „Neptun\ 

Koppel,  Bankier. 

Laarmann,  Lotsen-Kommandeur. 

Lindemann,  Russischer  Vize-Konsul. 

Loosing,  J.,  Kaufmann. 

Lohmeyer,  Dr.  med.,  Sanitatsrat. 

Mahlmannn,  Dr.,  Apothekenbesitzer. 

Medenwald,  Pastor. 

Metger,  C.  H.,  Kommerzienrat,  Senator. 

Metger,  R.,  Rechtsanwalt. 

Mustert,  J.,  Kaufmann. 

Pape,  Kommerzienrat 

Penning,  T.  Dreesmann,  Senator. 

Philippstein,  W.,  Kaufmann. 

v.  Rensen,  P.,  Sekretar  d.  Handelskammer  f.  Ostfriesland  u.  Papenburg. 

Richard,  Amtsrichter. 

Ritter,  Dr.,  Professor  am  Gymnasium. 

R  u  y  1 ,  Fischereidirektor. 

Schnedermann,  Kommerzienrat. 

Schnedermann,  M.,  jr. 

Schulze,  Regierungs-  und  Baurat. 

Schussler,  Dr.,  Professor,  Gymnasial- Direktor. 

Schwalbe,  Buchhandler. 

Schwitzky,  Weinhandler. 

Smidt,  Joachim,  Kaufmann. 


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—     184     — 

Stracke,  G.,  Weinhandler. 

Tergast.  Dr.  med.,  Medizinalrat. 

Thiele,  C,  Kaufmann. 

Thiele,  Fr.,  Kaufmann. 

Thomsen,  Amtsgerichtsrat. 

Tillmann,  Dr.  med. 

Trflger,  N.,  Photograph. 

Valk,  K.,  Belgischer  Konsul. 

ter  Vehn,  A.,  Kaufmann. 

Zorn,  Dr.,  Buchdruckereibesitzer  und  Redakteur. 

b.  Ausw&rtige. 

KOnigliche  Bibliothek  in  Berlin. 

Ausschuss  des  Kreises  Wittmund. 

Alber8,  Dr.  med,  Hooksiel. 

Bakker,  W.,  Apothekenbesitzer  auf  Borkutn, 

Bayer,  Landrat  in  Norden. 

Becker,  Biirgermeister  in  Esens. 

Becker,  D.,  Kaufmann  in  Esens. 

de  Boer,  Pastor  in  Siegelsum. 

BCning,  0.,  Kaufmann  in  Bremen. 

Brons,  Th.,  Gutsbesitzer  in  Groothusen. 

Brugmann,  P.,  Holzhftndler  in  Dortmund. 

Bruns,  Kaufmann  und  Konsul  in  Papenburg. 

Conring,  Dr.,  Amtsgerichtsrat  in  Aurich. 

Dammeyer,  Rentmeister  in  Petkum. 

Dieckhaus,  L.,  Fabrikbesitzer  und  Senator  in  Papenburg. 

Dirks  en,  C,  Lehrer  in  Meiderich,  Reg.-Bez.  Dusseldorf. 

Ditzen,  Superintendent  in  Blumenthal. 

Doornbosch,  P.  H.  Meekhoff,  Baflo,  Pro  v.  Groningen. 

Doornkaat  Koolman,  Gutsbesitzer  in  Gross-Midlum. 

Drost,  Pastor  in  Marburg. 

Dunkmann,  A.,  Buchdruckereibesitzer  in  Aurich. 

y.  Brucken  Fock,  Dr.  juris,  Middelburg  in  Holland. 

v.  Brucken  Fock,  H.  J.,  Kgl.  niederl.  Premierleutnant  a.  D.  in  Middelburg. 

Frerichs,  Pastor  in  Nortmoor. 

v.  Frese,  V.,  Landschaftsrat  zu  Hinta. 

Georgs,  Gutsbesitzer,  Landschaftsrat  zu  Damhusen. 

Goedel,  Marine-Oberpfarrer,  Konsistorialrat,  Wilhelmahaven. 

Grasshoff,  Steuerrat  a.  D.  in  Nauen. 

Haase,  J.,  Lehrer  in  Wirdumer  Neuland. 

Habben,  C,  Apothekenbesitzer  in  Muhlhauaen  i.  Th. 

Heeren,  N.,  Gutsbesitzer  in  Canum. 

ter  Hell,  beeidigter  ostfr.  Auktionator  in  Norden. 

Hesse,  Superintendent  in  Larrelt. 

Hessler,  Kgl.  Wasserbauinspektor  in  Husum. 


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—     185     - 

Heuer,  J.,  cand.  min.  in  Schkeuditz  bei  Halle  a.  S. 

H6fker,  Pastor  in  Wybelsum. 

Hofmeister,  Telegraphen-Direktor  a.  D.  in  Hameln. 

Hoogestraat,  Betrieba-Inspektor  derKonigl.  Munitionsfabrik  in  Spandau. 

Houtrouw,  Pastor  in  Neermoor. 

van  Hove,  Gutsbesitzer  in  Larrelt. 

van  Hove,  Apothekenbesitzer  in  NeustadtgSdens. 

Huhnstock,  Holzhandler  in  Papenhurg. 

van  Hiilst,  Gutsbesitzer  in  Lintel  bei  Norden. 

John,  W.,  Kaufmann  in  Papenburg. 

Juzi,  Senator  a.  D.,  Direktor  der  Geestemunder  Bank. 

Kappelhoff,  H.,  Kaufmann  in  Hamburg. 

Kieviet,  T.,  Gemeinde-  und  Ortsvorsteher  in  Borkum. 

E.  Furst  Knyphausen  auf  Liitzburg,  Durchlaucht. 

Klinkenborg,  Amtsgerichtsrat  in  Norden. 

Klumker,  Dr.,  Sekretar  des  Instituts  fiir  Gemeinwohl  in  Frankfurt  a.  M. 

Kohl,  D.,  Dr.,  Oberlehrer  in  Oldenburg. 

Kohlschiitter,  Hiitten-Direktor  in  Norden. 

Kok,  Dr.  med.,  Badearzt  in  Borkum. 

Landmann,  Hiitten-Direktor  in  Norden. 

f  Lantzius-Beninga,  Oberforster  a.  D.  in  Aurich. 

Lantzius-Beninga,  S.,  Gutsbesitzer  auf  Gut  Stikelkamp. 

Liipkes,  Pastor  in  Marienhafe. 

Meyer,  U.,  Pastor  in  Pilsum. 

Meyer,  Lehrer  in  Visquard. 

Meyer,  Josef  L.,  Schiffswerftbesitzer  in  Papenburg. 

Meyer,  R.  D.,  Senator  in  Norden. 

Pleines,  Professor  zu  Sch5nberg  in  Mecklenburg-Strelitz. 

Pleines,  Pastor  in  Canum. 

Pleines.  Dr.,  Oberlehrer  in  Otterndorf. 

Potior,  Dr.  0.  Baron,  Wien. 

Reichensperger,  Landgerichtsprasident  in  Aurich. 

Remmers,  Konsistorialrat  in  Harburg  a.  d.  Elbe. 

Rigts,  Pastor  in  Woltzeten. 

Rulffes,  beeidigter  ostfr.  Auktionator  in  Pewsum. 

Rykena,  Weinhandler  in  Norden. 

Saathoff,  Kandidat  des  Predigtamtes  in  Stickhausen. 

Sasse,  beeidigter  ostfr.  Auktionator  in  Hage. 

Schaer,  Pastor  in  Rysum. 

Schelten-Peterssen,  Geh.  Baurat  a.  D.,  Schloss  Nordeck  bei  Hage. 

Schweckendieck,    C,  Wirklicher  Geh.  Ober-Regierungsrat  in  Berlin. 

Schweckendieck,  E.t  Hiitten-Direktor  in  Dortmund. 

Schwerdtfeger,  Forstmeister  in  Friedeburg. 

Schwiening,  Landschaftsrat,  Burgermeister  in  Aurich. 

Soltau,  Buchdruckereibesitzer  in  Norden. 

Sluyter,  Pastor  in  Borkum. 

Sundermann,  H.,  Schriftleiter  d.  Dtsch.  Landwirtschaftsgesellsch.  i. Berlin. 


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—    186    — 

Suur,  Direktor  des  Realgymnasiums  zu  Iaerlohn. 
Tarn  men,  Dr,  Oberlehrer  in  Aurich. 
Ulferts,  beeid.  ostfr.  Auktionator  in  Esens. 
Ulferts,  Dj.,  Gutsbesitzer  in  Upgant. 
Victor,  Landgerichtsrat  in  Hildesheim. 
Victor,  Bleske,  Pastor  in  Hinte. 
Victor,  Pastor  in  Greeteiel. 
Vocke,  Biirgermeister  in  Eschwege. 
Wachter,  Dr.,  Archivrat  in  Aurich. 
Wo  If  68,  Dr.,  Rechtsanwalt  in  Dortmund. 
Wychgram,  N.,  Oekonomierat  in  Wybelsum. 


i 


Jahrbuch 


der 

Gesellsehaft  ftir  bildende  Kunst 

und 

vaterlandisehe  Alterttlmer 

zu 

Emden. 


FOnfzehnter  Band.  —  Zweites  Heft. 

(S.  187—576.) 
Mit  einer  Tafel  Abbildungen. 


Emden  1005. 
Ei  gen  turn  der  Gesellsehaft. 


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Inhatt 

des  funfzehnten  Bandes. 
Heft  I. 

Seite 
Die  Quellen  der  „Rerum  Frisicarum  Historia"  des  Ubbo  Emmius.  I. 

Von  Dr.  H.  R  e  i  m  e  r  8  in  Aurich 1 

Bin  Hausbuch  Eggerik  Beningas  (Schluss).    Von  Dr.  C.  Borch- 

1  i  n  g,  Privatdozent  in  GSttingen 104 

Kleinere  Mitteilungen: 

I.  Beitrage  zur  Geschichte  der  Armenpflege  und  des 
Gasthauses  in  Norden.     Vom   Archivdirektor 

Dr.  Wagner  in  Wiesbaden 138 

II.  Mitteilungen  fiber  das  Schiffswesen  Ostfrieslands 
im  XVI.  Jahrhundert.  Von  P.  van  R  ens  en, 
Sekretar  der  Handelskammer  fur  Ostfriesland 
und  Papenburg,  in  Emden 161 

Heft  II. 

Geistliches  und  Weltliches  in  mittelniederdeutscher  Sprache  nach 
der  Emder  Handschrift  No  64.  n.  Vom  Geh.  Regierungs- 
rat  Prof.  Dr.  A.  Reifferscheid  in  Greifswald     ...      187 

Kleine  Beitrage  zur  Geschichte  der  Ulrichsschule  zu  Aurich.    Vom 

Gymnasialdirektor  Prof.  Dr.  H.  v.  Kleist  in  Aurich    .     .      272 

Die  Quellen  der  „Rerum  Frisicarum  Historia"  des  Ubbo  Emmius.  II. 

Von  Dr.  H.  Reimers  in  Aurich 333 

Kleinere  Mitteilungen: 

I.  Nachtr&ge  und  Berichtigungen  zum  Ostfriesischen 
Urkundenbuche.  A.  Zur  Geschichte  des  Vor- 
werks  Miinkewarf  in  der  ehemaligen  Herr- 
lichkeit  Dornum  im  XV.  Jahrhundert  (1467/8). 
B.  Urkunden  des  Cistersiensernonnenklosters 
Liliental  im  Kreise  Osterholz  bei  Bremen,  be- 
treffend  den  St.  Peterszehnten  in  Norden 
(1240-1328).  Vom  Archivrat  Dr.  Wachter 
in  Aurich 379 


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n.  Ulrich  von  Ostfriesland  ale  Kammerherr  Karls  V. 

(1523).  Von  Dr.  H.  Reimers  in  Riepe  ...      388 

HI.  Zur  Geschichte  der  Hauptlinge  von  Werdum  und 
der  taufgesinnten  Martyrerinnen  Maria  v. 
Beckum  und  Ursula  v.  Werdum  (1638—1552). 
Von  Dr.  F.  Ritter  in  Emden 390 

IV.  Edzard  II.    und   sein  Bruder  Johann  am  schwe- 

dischen  Hofe   (1560).    Von  Dr.  H.  Reimers.      411 

V.  Hollandisches  Wiegenlied  aus  Emden  auf  die 
letzte  Prinzessin  von  Ostfriesland  (1740—1742). 
Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Deiter  in  Hannover.      417 

VL  Ein  Versuch,  die  Rechtsgultigkeit  der  Branden- 
burgischen  Anwartschaft  auf  das  Furatentum 
Ostfriesland   anzufechten  (1740-1741).     Vom 

Archivrat  Dr.  Wachter 420 

VII,  Bericht  des  Kanzlers  Homfeld  wegen  der  Behand- 
lung  der  ostfriesischen  Affaire  auf  dem  Kon- 
gress  zu  Soissons  (1745).  Von  demselben  .  .  425 
Vin.  Eriass  des  kflniglichen  Kabinetts-Ministeriums  zu 
Hannover  an  den  Regierungsrat  von  Gruben 
in  Aurich  betr.  das  Verhalten  der  Beamten 
in  Ostfriesland  den  Eingeborenen  gegenuber 
(1818).    Mitgeteilt  von  demselben     ....      427 

IX.  Der  Ortsname  Manslagt  und  die  Grenze  zwischen 
Emsgau  und  Federgau.  Von  Pastor  F  r  e  r  i  c  h  s 
in  Nortmoor 429 

X.  Die  Grenze  zwischen  den  Bistumern  Mtinster  und 

Bremen  in  Ostfriesland.    Von  demselben  .     .      441 

XI.  Die  Grenze  zwischen  den  Bistumern  Munster  und 

Osnabrftck  in  Ostfriesland.    Von  demselben    .      453 
XII.  Boekzetel  und  Broekzetel.   Von  demselben      .     .      464 
XUI.  Noch  einmal  die  Glocken  von  Nortmoor.  Von  dem- 
selben      466 

XIV.  Die  Emder  Rustkammer  im  18.  und  19.  Jahr- 
hundert.  Vom  OberburgermeisterFurbringer 
in  Emden 467 

XV.  Zu  den  Handschriften  des  alten  Ostfriesischen 
Landrechts.  Vom  Privatdozenten  Dr.  Borch- 

iing  in  G6ttingen  481 

XVI.  Ostfriesische  Handschriften  und  Akten  in  Neuwied 

und  Bonn.    Von  demselben 490 

XVH.  Die  Ausgrabung  des  Rabbelsberges  bei  Sud-Dunum. 
Vom  Archivrat  Dr.  Wachter.  (Hierzu  die 
Tafel  am  Schlusse  des  Jahrbuches)  ....      493 


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XVIU.  Nachtrfcgliches  zu  S.  203  und  220  des  Jahrbuches 

Bd.  XIV  (Dr.Hayo  Hompen,  Otto  v.  Diepholt,  Jon. 

van  Lingen).     Vom  Handelskammer-Sekret&r 

P.  van  Ren 8  en. 

XIX.  Nachtrag  zu  Nr.  HI  S.  390  ff.  (Maria  und  Ursula 

v.  Beckum) 504 

XX.  Zur  Geschichte  der  Emder  Josep-Handschrift.  Vom 

Privatdozenten  Dr.  Borchling  in  GSttingen      520 
XXI.  Berichtigung  zu  S.  312  (Kleine  Beitrage  zur  Ge- 
schichte der  Ulrichschule  zu  Aurich).    Vom 
Gymnasialdirektor  Prof.  Dr.  H.  v.  Kleist  in 

Aurich 526 

Bericht  uber  die  Gesellschaft 526 

Zuwachs  der  Sammlungen 535 

Rechenschaftsbericht 567 

Verzeichnis  der  Mitglieder  und  der  Vereine  usw 570 


Drack  von  Anton  Gerhard,  Emden. 


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Geistliehes  und  Weltliehes 

in  mittelniederdeutscher  Spraehe  naeh  der  Emder 

Handsehrift  No.  (139)  64. 


Schluss.1) 
Das  geistliche  Gegenstiick  zu  den  Lehren,  die  das  Gemein- 
wohl  betreffen,  ist  von  milder,  wahrer  Frommigkeit  durchweht. 
Es  zeigt  eine  solche  Vertiefung,  dass  es  die  Bekanntmachung 
wohl  verdient.  Es  unterscheidet  sich  von  der  vorhergehenden 
weltlichen  Prosa  vor  allem  durch  den  Mangel  jedes  gelehrten 
Beiwerkes:  es  fehlen  alle  Zitate.  Es  hat  eine  allgemeine  Ten- 
denz,  es  richtet  sich  nicht  ausschliesslich  an  Geistliche,  sondern 
an  alle,  die  andern  zu  befehlen  haben,  und  berticksichtigt  neben- 
bei  auch  Priester  und  geistliche  Leute.  Auch  hier  spricht  sich 
deutlich  die  voile  Achtung  vor  dem  gemeinen  Wohl  aus,  aber 
ohne  jede  Bezugnahme  auf  die  Pflichten  und  das  Leben  des 
niedern  Volkes.  Der  Verfasser  denkt  nur  an  Gebildete,  denn 
or  giebt  den  Rat,  nie  mussig  zu  sein,  sondern  die  Zeit,  in  der 
man  keine  anderen  Pflichten  zu  erfullen  habe,  mit  Beten, 
Lesen,  Schreiben,  Reden  und  Horen  von  heiligen  Dingen 
und  frommen  Betrachtungen  hinzubringen. 

f.  151*  De  ere  der  hemmelsohen  ovinghe.2) 

To  deme  ersten  hebbe  lef  god  vnd  dynen  negesten  sotliken, 
wisliken  vnd  kreftliken.  Proue  vnd  bekenne  dy  suluen  in  alien 
dynghen.    Hebbe  vrede  in  dynem  herten  vnd   myt  dy  suluen 

l)  vergl.  Jahrbuch  XIV  (1902)  S.  1-38. 

*)  tJber  diesem  rot  geschriebenen  Titel  stehen  mit  schwarzer  Tinte 
von  der  Hand  des  Schreih-ers  dieselben  Worte,  am  aussersten  Rande,  so  dass 
einzelne  Buchstaben  beim  Beschneiden  zur  Halfte  fortgeschnitten  worden. 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Alterttlmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  13 


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—    188    — 

vnd  ok  myt  anderen  luden,  wor  du  konst,  vnd  slit  aller  lude 
sede  Leue  endrachtichliken.  Wenne  du  wat  plichtich  byst 
vnd  gheuen  scholt,  dat  gif  vnd  do  dat  io  vroliken  vnd  lefliken. 
Iegenwardige  dingh  schicke  vnd  do  klokliken.  Tokommende 
dingh  betrachte  vorsichliken.  Du  schalt  louen  alle  lude  achter 
orem  ruyge  vnd  eren  de  iegenwardig  synt.  Wes  dy  suluen 
karch  vnd  dynem  negesten  milde,  to  gode  innich.  Wes  nicht 
homodich,  wan  id  dy  wol  geyt,  nicht  vnduldich,  wan  id  dy 
ouel  gheyt.  Wes  metlik  in  alle  deme,  des  dyn  licham  behouet, 
innich  in  dynem  herten,  sachtmodigen  geystes,  kusch  in  dynem 
lichamme,  lutter  in  den  danken.  Metighe  dynen  tome,  sture 
dyner  tunghen.  Wes  sachtmodiges  vnd  othmodiges  herten, 
wes  milde  den  armen,  duldich  in  lidende,  Wes  nicht  idel  in 
dynen  worden,  in  clederen,  in  f.  151b  handelinghe,  in  gesichte 
vnd  in  alle  dynem  donde.  Wes  sedech  vnd  giff  gude  bilde. 
Wes  ernst  vnd  nicht  bitter.  Vnderwilen  wes  vrolik;  sunder 
nummer  schaltu  wesen  lichtuerdich,  De  enrcholt  nicht  vor- 
sumen  de  weysen.  Ok  scholtu  vnder  tyden  wat  by  dy  hen 
laten  ghan  vnd  to  velen  dinghen  beren,  eftu  des  nicht  beter 
enwetest  edder  prouest.  Ok  schaltu  vnder  tyden  wes  vorgeten, 
sunder  yo  myt  bescheydenheyt.  Du  scholt  wesen  rowich,  sunder 
nummer  leddich,  du  en  begast  yo  wat  gudes.  Du  scholt  node 
butene  wesen,  sunder  gerne  inne.  Inwendich  rowelik  in  guden 
danken,  vthwendigh  schemelik  vor  den  luden.  Bekenne  dyn 
eghene  ghebreke  vnd  iamercheyt.  Vorsma  dy  suluen  vnd  alle 
wertlike  ere  vnd  wollust  vnd  vorsma  nicht  dynen  euenen 
mynschen.  Wes  bequeme  in  dynen  worden,  sote  in  antworde, 
bescheden  in  anwisinghe.  Du  scholt  dy  moyen  vnd  wenen,  dat 
du  wo  ghesundiget  hefst  vnd  bis  ghetreden  van  deme  ewigen 
gude  vnd  bist  in  dessen  jammerdale  vnd  elende  vnd  weyst 
nicht,  eftu  werdich  syst  godes  tomes  edder  syner  gnade  vnd 
noch  verne  bist  van  deme  ewigen  rike.  Du  scholt  hungeren 
f.  152a  vnde  dorsten  na  diner  vnd  dynes  negesten  rech- 
uerdicheyt,  dogeden  vnd  salicheyt,  tytlikes  gudes  vorsmainge 
vnd  na  begheringhe  des  ewigen  gudes.  Wes  barmhertich  in 
medelidinge  myt  otmodicheyt.  Wes  yo  stedes  eynes  reynen 
herten,  vlitich  in  guden  werken,  rechtuerdich  in  guder  andacht, 
afgescheyden  van  quaden  danken  vnd  werken,  stede  an  hilghen 
vnd  beschowelliken  danken.   Wes  vredesam  vnd  nicht  hetesch. 


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—    189    — 

Make  nene  twedracht  mank  den  luden,  wes  vnderdanich  dynen 
ouersten  vnd  eren  boden.  Briktstu  an  weme,  du  scholt  gherne 
beteren  vnd  vrede  soken.  Brikt  an  dy  we,  deme  scholtu  gerne 
vorgheuen.  Vnd  de  vnder  enander  entwey  dregen,  de  scholtu 
gerne  to  vrede  vnd  to  endracht  bringen,  wor  du  konst.  Du 
scholt  hebben  den  geyst  der  sterke  wedder  to  stande  den  sunden 
vnd  den  bosen  vnd  den  vnrechtuerdigen,  dat  se  so  vele  arges 
nicht  endon,  alse  se1)  wolden,  vnd  wulborde  nicht  in  ere 
sunde.  Bescherme  de  warheyt  vnd  de  rechtuerdicheit,  wor  du 
mochst.  Ok  schaltu  vor  de  rechtuerdicheyt  steruen,  eft  des 
not  were.  Sustu  wat  gudes  vnd  gude  sede,  de  merke  und  lere. 
152b  Sustu  wat  arges,  dat  vorsma  vnd  vie.  Bose  lude  lyt 
vnd  slyt.  Gude  lude  de  ere  vnd  volge.  Kum  io  nicht  myt 
ydelcheyt  tho  den  luden  vnd  wes  mank  en  nicht  lichtuerdich 
myt  worden  edder  werken.  Entfange  und  lere  dar  ok2)  nene 
ydelcheyt  noch  lichtuerdicheyt,  de  du  myt  dy  enwech  nemest. 
Wes  mank  dynen  geliken  ere  ghelik,  mank  den  heren  en  knecht, 
mank  den  klenen  vnd  den  lutteken  de  aldermynste.  Holdet  dy 
de  lude  vor  wat,  holde  dy  suluen  yo  vor  nicht.  Holden  dy  de 
lude  vor  den  hogesten,  du  scholt  dy  suluen  holden  vor  den 
sydesten.  Du  enscholt  nicht  soken  wandelinghe  der  sede. 
Scholtu  ander  lude  vorstan,  so  wes  sote  an  dynen  worden  vnd 
doch  io  ernst  in  straffinge.  Wes  leflik  in  gebere,  milde  in  deme 
herten,  lutter  in  dem  danken.  Se,  wo  du  to  der  vorsten  dinge 
komen  bist,  vnd  wo  du  suluen  leuest,  vnd  wo  du  ander  lude 
regerest,  vnd  betrachte  in  alleme  donde  den  ende.  Wes  eyn 
spegel  den  leuendighen,  eyn  trost  den  doden,  eyn  hulpe  den 
arm  en,  eyn  medelider  den  bedroueden.  Bystu  eyn  prester, 
betrachte  vnd  richte  dyn  eghene  leuent,  wes  eyn  gud 
bilde  den  luden,  bedenke,  wes  dener  du  bist.  Se,  wat 
du  offerst  vnd  vor  weme  du  offerst,  wente  du  offerst  f.  153 a 
gode  vadere  synen  eynborne  sone  vor  de  salicheyt  der 
leuendighen  vnd  der  doden.  Bystu  eyn  geystlik  mynsche, 
beware  dyne  kuscheyt,  holt  dynen  horsam,  vorlad  dynen 
eghenen  willen,  vorsma  tytlik  gud,  soke  nicht  dyne  tytliken 
vrunt,  sunder  hebbe  lef  vnd  ere   dyne   geystliken  vrunt.     Holt 


l)  Die  Handschrift  hat  nur  Balse  wolden". 

l)  Die  Handschrift  hat  „lere  dat  ok".    Da  nichts  zu  fehlen  scheint, 
war  wohl,  wie  oben  geschehen  ist,  zu  bessern. 

13* 


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—     190    — 

vrede  myt  den,  dar  du  mede  vmme  geyst.  Vorvolget  dy  we, 
deme  wik.  Offere  dy  suluen,  alle  dyne  danken  vnd  alle  dyne 
werke  in  otmodicheit  vnd  innygher  andacht  deme  allemechtigen 
gode,  in  steder  bewaringe  des  ewigen  leuendes.  Bydde  vlit- 
liken  vor  alle  leuendigen  vnd  doden.  Vorsume  nene  gude 
werke.  Wes  nicht  sunderik  vnd  van  eghenem  willen.  Wat  to 
der  menen  nud  horet  vnd  to  deme  menen  gude  drapet,  dar  wes 
vlitich  to  vnd  truwe  ane,  vnd  do  alle  dingh  myt  beschedenheyt  in 
deme  vruchten  godes  vnd  diner  ouersten.  Hebbe  neyn  vnrowich 
herte,  wes  nicht  murraftich  vnd  vordretlik,  so  mochstu  hebben 
vrede  Volghe  nicht  dynem  egene  willen,  noch  dynem  egenen  synne, 
f.  153b  sunder  leue  io  na  rade  guder  lude  vnde  dyner  ouersten. 
Hebbe  lef  in  gode  alle  lude,  beyde  gud  vnd  boze.  Leue  also, 
dat  du  alien  luden  behaghest  in  gode,  vnd  nement  van  dy  er- 
gheringe  entfangen  konne  edder  moge,  so  hefstu  vrede  vnd  dult 
an  dy  suluen,  vnd  leuest  ok  vredesam  myt  anderen  luden,  vnd 
werst  eyn  kynt  des  leuendighen  gades.  Du  scholt  wesen  war- 
aftich  in  dynen  worden,  truwe  in  dynen  werken,  vorsichtig  in 
alien  gude,  erbar  in  alien  seden.  Bistu  mank  luden,  wes  yo 
ersam  in  dynem  herten,  vnd  wes  so  in  der  sammelinge,  dat  du 
nicht  getoghen  werdest  in  den  danken,  vnd  dat  hemmelsche  gud 
nicht  entrede  vte  dynen  begheringen.  Bistu  wor  butene,  wes 
nicht  lichtuerdich  vnd  snelle  dy  yo  to  hus,  wante  de  werlt 
vnd  der  wertliken  lude  handelinghe  tud  den  guden  mynschen 
van  den  dogheden  vnd  bevlecket  ene  myt  sunden.  Wor  du 
bist,  wes  yo  schemelik  in  dyme  sichte,  temelik  in  dyme 
gelate,  vorsichtich  vnd  kort  in  dynen  worden,  cluk  in 
dade,  endich  in  werue,  tuchtich  in  denste.  Du  scholt  ok 
wesen  stark  in  deme  louen,  vulherdich  in  hopene,  vullenkomen 
in  der  leue.  Wan  du  byst  ledich  van  vtwendighen  f.  154* 
werken,  so  schaltu  nummer  ledich  wesen,  du  scholt  beden, 
lesen,  scriuen  edder  van  hilghen  dinghen  spreken  edder  horen 
vnd  myt  jnnyghen  danken  vnd  hemmelschen  danken  dy  be- 
kummeren.  In  dynem  gande,  in  dynem  stande,  in  clederen,  in 
seden,  in  worden  vnd  in  alle  deme,  dat  du  deyst  hemelken  vnd 
openbar,  schal  wesen  vnd  schinen  sedicheyt,  othmodicheyt, 
bescheydenheit,  mildicheit,  gude  vnd  erbaricheit.  Vnd  yo  schal 
in  dynem  munde  de  vurighe  e  godes  wesen,  dat  is  de  recht- 
uerdicheit  myt  der  warheyt,  der  du  nicht  swygen   scholt,   vnd 


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—     191     — 

alle  vnredelicheyt  scholtu  straffen,  vppe  dat  nement  in  dyner 
ieghenwardicheit  dore  spreken  edder  don,  dat  vntamelik  sy. 
Seldene  schaltu  straffen,  sunder  bequemeliken  schaltu  anwisen 
dat  beste  anderen  luden.  Du  scholt  nemende  vorsmaden  vnd 
ok  nemede  vornichten  dor  synes  gebrekes  edder  sunde  willen. 
Du  scholt  alle  arch  myt  deme  besten  vorwinnen.  Du  schalt 
alle  tyd  wesen  en  strenge  richter  alle  dyner  wort  vnd  werke, 
vnd  en  ernst  vorvolger  dynes  sulues.  De  vnwilligen  schaltu  to 
gode  reytzen,  den  vndanknamen  gud  don.  De  dy  vorsman,  de 
schaltu  eren,  de  bedroueden  schaltu  trosten,  den  kranken  vnd 
den  armen  to  hulpe  komen.  Dynen  licham  schaltu  allewege 
temmen1)  f.  154 b  vnde  metighen  vnde  hoden  dy  vor  syner  be- 
dreginge,  vnd  volge  nicht  syner  begeringe.  Du2)  scholt  vlen  vnwar- 
heit  vnd  logene  vnd  vnnutte  wort,  vnd  hebbe  van  nemende  bosen 
wan.  Hebbe  roke  dyner  wort,  vnd  denke  nemenedes  ouele  achter 
synem  rugge.  Se,  weme  du  dynes  heymelken  rades  erloues 
vnde  als  weme  nicht  openbarest,  vnd  dynen  guden  vrunt 
schaltu  nicht  lichtliken  vortornen.  Vlyte  dy  dar  na,  dat  du 
alien  luden  gerne  wiliest  vromen  vnd  nemende  schaden.  Wroge 
dy  suluen  vnd  entschuldige  ander  lude  vnd  vorgif  den,  de  gegen 
dy  don.  Alle  tyt  begynne  vnd  do  wat  gudes,  vnd  hebbe  eynen 
vortgank  darane,  vnd  begher  eyn  wllenkomenheyt,  vnd  vie  in 
alle  dynen  werken  ydele  ere  vnd  dat  lof  der  lude,  wultu  Ion 
hebben  van  gade.  Wes  nicht  alto  sorchuoldich,  eft  du  an 
dinen  guden  werken  nicht  werst  gelouet,  vnd  eft  se  anderen 
luden  missahaget(I),  darvmme  schaltu  nicht  aflaten,  sunder  blif 
io  vulherdich  in  guden  werken  vnd  in  godes  loue  vnd  in  syner 
leue,  vnd  do  alle  ding  myt  beschedenheit  vnd  in  gantzer  othmo- 
dicheit  vnd  in  duldicheit  mit  stedicheit,  so  gift  dy  god  de 
ewigen  salicheit.8) 


')  Versehentlich  ist  dieses  Wort  auf  der  Riickseite  des  Blattes  noch 
einmal  wiederholt. 

*)  Die  Hs.  hat  „De*. 

»)  Hier  schliessen  diese  geistlichen  Lebensregeln.  In  der  Hand- 
schrift  folgt  eine  langere  Ermahnung,  die  sich  aber  an  Mehrere  richtet, 
die  „myne  alderleuesten1'  angeredet  werden.  Zum  Ueberflass  beginnt  diese 
Ermahnung  mit  emem  grosseren  Anfangsbuchetaben  als  etwas  Besonderes. 
Sie  lautet; 


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—    192     — 

Endlich  stehen  wir  vor  den  wertvollen  Kern  des  Ganzen, 
vor  dem  ersten  Teile  der  zweiten  Handschrift,  der  Josepes 
Gedicht  enth&lt. 

Nach  Babucke  ist  „das  Ganze  von  zwei  Handen  geschrieben 
die  zweite  beginnt  mit  v.  3494.  Die  erste  Hand  schreibt  mit 
blasserer  Tinte  und  ist  von  einem  andern  Schreiber  an  vielen 
Stellen  korrigiert.  .  .  Von  v.  3494  beginnt  die  zweite  Hand 
mit  dunkelschwarzer  Tinte,  fast  ohne  eine  einzige  Korrektur, 
und  geht  bis  zu  Ende  .  .  .  Der  erste  Schreiber  schrieb  (das  Ori- 
ginal) aus  Fliichtigkeit  und  Unkenntnis  fehlerhaft  ab.  Dies  ist 
vielleicht  der  Grand  gewesen,  warum  man  die  Arbeit  einem 
sorgf&ltigeren  Schreiber  anvertraute". 


Myne  alderleueste,  betrachtet  vnd  bedenket  alle  tyt  de  groten 
barmherticheit  godes,  dat  he  vns  heft  geschapen  na  synen 
gotliken  belde  vnd  heft  vns  gelonet  vnd  wil  vns  geuen  f.  155*  dat 
ewige  leuent,  myt  erne  thowesende  in  der  ewigen  vmbegripelken 
vroude,  isset  dat  wy  hir  synen  willen  don.  Merket  ok,  wo  drogen- 
aftich  vnd  yammerlik  der  werlde  achte  is,  vnde  wo  krank  de 
licham  is  to  guden  werken,  vnd  wo  berede  he  is  to  deme  argen 
vnd  to  sunden,  wo  kort  unse  leuent,  dat  wi  hebben,  is,  vnd  vnwis 
vnse  ende  hir  is,  vnde  wo  bitter  de  dot  is,  vnd  wo  greslik  dat 
strenge  richte  godes  is.  Denket  ok  myne  alderleuesten,  wo  wyt 
vnd  bret  de  wech  to  der  helle  is,  vnd  wo  vele  lude  den  gan,  alse 
dat  ewangelium  secht.  Betrachtet  ok  de  mannichuoldicheit  iuwer 
sunde  vnde  de  vorsumnisse  vele  guder  werke,  vnd  dat  gy  de  saligen 
tyt  der  gnade  so  yammerliken  vorsumet  vnd  vorspildet  hebben. 
Denket  ok  der  vnsprekelken  bitteren  pyne,  de  de  sunder  ane  ende 
schollen  myt  duuelen  liden,  de  so  mennichuolt  vnd  grod  is,  dat  id 
neyn  herte  vuldenken  kan,  vnd  denet  yo  vlitichliken  deme  ;alwel- 
digen  vnd  barmhertigen  gode,  so  moge  gy  de  pyne  vormyden  vnd 
de  ewigen  ere  vnd  vroude  myt  gode  vnd  synen  vtverwelden  be- 
sitten.  Amen. 

Da  hierroit  die  Seite  noch  nicht  gefullt  war,  benutzte  ein  Spaterer 
den  freien  Raum  zu  folgender  Eintragung,  die  als  unberechtigter  Zusatz, 
aber  nicht  als  Schluss  der  Lebensregeln  anzusehen  ist: 
Zunachst  in  roter  Schrift: 

Wultu  gan  to  der  scholen  der  hemmelschen  ouinge  etc.,  dann  der 
eigentliche  Zusatz: 

Wultu  gan  to  der  scole  der  hemmelschen  ouinge,  so  schaltu  leuen 
na  desser  vorscreuen  wise  vnd  lere,  vnd  scholt  de  alle  tyd  ouerdenken, 
vnd  dy  dar  mede  ouen,  vppe  dat  du  mogest  in  sekerheit  dynes  herten 
leuen  alle  tyd,  dyt  vorlene  vns  de  almechtige,  ewige  god.    Amen. 


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—     193     — 

Mit  diesen  Behauptungen  haben  wir  uns  zun&chst  aus- 
einanderzusetzen. 

In  der  Tat  beginnt  mit  v.  3494  ein  anderer  Schreiber,  der 
aber  doch  nicht  der  zweite  ist.  Ohne  Faksimile  ist  es  freilich 
schwer,  die  verschiedenen  Schreiber  deutlich  zu  unter- 
scheiden,  aber  man  kann  doch  auch  in  dieser  Beziehung  liber 
Babucke  hinaus  kommen,  nur  nicht  auf  Grund  der  gr5sseren  oder 
geringeren  Schwarze  der  Tinte,  der  grosseren  oder  geringeren 
Sorgfaltigkeit  der  Schreiber,  sondern  mit  Hiilfe  graphischer 
Eigentumlichkeiten,  die  grftssere  Sicherheit  versprechen.  Nur 
eine  sei  hier  angefiihrt.  Gleich  beim  ersten  Blick  fallt  im  An- 
fang  der  Gedichtes  auf,  dass  das  auslautende  n  meistens  wie 
ein  ij  geschrieben  ist,  d.  h.  so  dass  der  zweite  Strich  weit  unter 
die  Zeile  reicht.  Entsprechend  ist  es  beim  m,  das  am  Schlusse 
eines  Wortes  steht.  Diese  Zeichen  verschwinden  dann  auf 
weiten  Strecken  und  zwar  so,  dass  entweder  w  oder  «  erscheint, 
das  heisst,  dass  entweder  der  zweite  Strich  des  n  ganz  dem  ersten 
gleicht,  ohne  jede  Biegung  nach  Rechts,  oder  dass  der  zweite 
Strich  sich  durch  diese  Biegung  nach  Rechts,  wie  etwa  bei  dem 
f%  der  sogenannten  deutschen  Schreibschrift,  charakterisiert. 
Das  Vorkommen  dieser  verschiedenen  Zeichen  fur  denselben 
Konsonanten  und  entsprechend  dem  verschiedenen  Schreib- 
gebrauch  eine  Verschiedenheit  der  Schreiber  lasst  sich  aus  den 
folgenden  Zahlenangaben  erkennen,  bei  denen  der  Vereinfachung 
wegen  von  den  verschiedenen  Formen  des  m  ganz  abgesehen. 
Die  Zahlen  unter  den  Gestalten  des  n  geben  an,  wie  oftmal 
auf  der  genannten  Seite  das  betreffende  Zeichen  im  Auslaut 
erscheint. 


V 

n 

n 

f. 

1» 

36 

4 

— 

f. 

lb 

44 

2 

2 

f. 

2» 

16 

5 

9 

f. 

2b 

44 

— 

— 

f. 

3» 

28 

4 

— 

f. 

3b 

25 

2 

3 

f. 

12  • 

34 

17 

3 

f. 

12  b 

13 

29 

— 

f. 

13  • 

5 

37 

— 

f. 

13  b 

2 

37 

— 

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—    194    — 


V 

t» 

» 

f.  45  » 

— 

28 

13 

f.  45 b 

1 

31 

21 

f.  47 » 

— 

24 

38 

f.  61" 

— 

17 

9 

f.  64" 

11 

17 

4 

f.  71 a 

— 

18 

5 

f.  71 b 

— 

17 

5 

f.  73" 

— 

29 

5 

f.  85" 

3 

22 

6 

f.  97  • 

— 

25 

6 

f.  109" 

— 

18 

4 

f.  122" 

1 

29 

1 

f.  133* 

3 

50 

— 

Vor  Babuckes  zweiter  Hand,  die  auf  f.  63 b  einsetzen  soil, 
waren  also  mindestens  schon  drei  verschiedene  Schreiber  t&tig. 

Viel  wichtiger  ist  die  Frage  nach  der  Sorgfalt  der 
Schreiber  und  nach  den  Korrekturen  in  der  Hand- 
schrift.  Man  kann  Babucke  zugeben,  dass  in  dem  Teile  von 
f.  1  bis  f.  63  viel  mehr  Korrekturen  vorkommen  als  in  dem 
sp&teren,  ohne  damit  auch  zuzugeben,  dass  der  spaterer  Teil 
fehlerloser  sei;  vielmehr  sind  die  zahllosen  Fehler  dieses 
Teiles  nur  nicht  verbessert  worden.  In  dem  fruheren  Teile 
haben  sehr  oft  die  Schreiber  ihre  Versehen  gleich  selbst 
verbessert.  Mehrere  Male  spricht  die  verschiedene  Tinte 
dafur,  dass  das  Auslassungszeichen  von  einem  andern  her- 
rtihrt  als  der  war,  der  das  Ausgelassene  nachgetragen  hat. 
Ersteres  ist  mit  heller,  letzteres  mit  dunkler  Tinte  ge- 
schrieben.  An  vielen  Stellen  rtihren  die  Korrekturen  deut- 
lich  von  spateren  Handen  her,  die  ganz  willkurlich,  hoch- 
stens  nach  Massgabe  des  folgenden  Reimausganges  geandert 
haben,  so  dass  die  Anderungen  in  den  meisten  Fallen  Schlimm- 
besserungen  sind.  Sie  haben  unzweifelhaft  nicht  nach  einer 
anderen  Handschrift  die  Versehen  der  Schreiber  verbessert. 
Andererseits  sind  durch  das  ganze  Gedicht  sehr  viele  und 
zwar  recht  grobe  Verderbnisse  von  den  Korrektoren,  die  tiber- 
haupt  nicht  planm&ssig  gearbeitet  haben,  gar  nicht  bemerkt 
worden.  So  haben  sie,  ebensowenig  wie  Babucke,  erkannt, 
dass  sehr  oft  ganze  Reimzeilen,  ja  sogar  ganze  Reimpaare  aus- 


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—     195    — 

gelassen  worden.  Die  meist  sinnlos  entstellten  lateinischen 
Zitate  sind  fast  imraer  unangetastet  geblieben.  Die  alten 
Benutzer  der  Handschrift  verstanden  offenbar  ebensowenig 
Latein  wie  die  Schreiber  und  Korrektoren. 

Da  sich  Belege  ftir  alle  diese  Behauptungen  bei  den  Proben 
aus  dem  Gedichte  ganz  von  selbst  einstellen,  fuhre  ich  hier 
keine  Einzelheiten  an,  sondern  gleich  eine  l&ngere  Stelle,  die 
besonderen  Aufschluss  tiber  dieUeberlieferung  des  Josepe- 
schen  Werkes  giebt. 

Um  Raum  ftir  Wichtigeres  zu  gewinnen,  gebe  ich  sofort 
den  berichtigten  Text  und  verweise  die  Angaben  tiber  Ver- 
derbnisse  und  Verschreibungen  der  Handschrift  in  die  An- 
merkungen.  Um  des  Metrums  allein  willen  nehme  ich  keincr- 
lei  Veranderung  vor. 

Ich  beginne  mit  der  Stelle  von  der  Unvollkommen- 
heit  des  Menschen. 

f.  4b  Des  mynschen  bedrif  is  mennigherleye,  (201) *) 
Eyn  islik  kumpt  myt  synem  dele  to  reye, 
0  quam  varia  sunt  hominum  studia  et  diuersa  exercitia, 
et  occupatio  magis  labor  et  dolor  et  spiritus  afflictus.2) 
Dat  vordenst  volghet  den  daden. 
We8)  hyr  konne  alzo  don  vnd  alzo  raden, 
Dat  he  worde  rekent  vnd  screuen  alzo, 
Dat  de  boze  syner  nummer  worde  vro, 
De  mynsche  hadde  hyr  wol  ghewezen.4) 
Lofflik  is  gode  denen,  zinghen  vnd  lezen, 
Dar  mach  me  mede  vordriuen  quade  danken, 
Den  nouwe  kan  mannych  wol  entwanken.5) 
Alzo  dar  van  vele  screuen  steyt: 
Under  deme  hemmel  is  nement  ane  arbeyt. 


l)  Links  stehen  die  Verszahlen,  die  Babucke  in  der  Handschrift 
beigeschrieben. 

*)  Hs.:  Bafflixu8". 

f)  ,We*  von  derselben  Hand  hinzugefflgt. 

*)  Hs.:  „ghezen". 

*)  „entwenken"  verbessert  eine  spatere  Hand  durch  iiberge- 
schriebenes  ,a". 


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—    196    — 

f.  5 a  Non  est  quidquam  sine  labore  sub  sole  et  sine   defectu 
sub  luna,  sine  uanitate1)  sub  tempore. 
Under  den2)  manen  is  neen  dink  vullenkamen.8) 
Der  werld  droch  het  mennyghen  namen 

*) 


Beyde  lif  vnd  de  vulwerden  zele  syn. 
Des  mochstu  louen,  leue  sone  myn, 
Dat  alle  mynschen  synt  in  groter  last, 
Dat  dede  en  jamergrepe,  en  enych6)  tast 
Na  deme  bedrouenden6)  appels  twyghe. 
Dannede  quam  de  vrede7)  tho  wyghe 
Vnd  de  borde  wart  vpgelecht, 
De  en  islik  hir  noch  drecht 
Vnd  steyt  an  dem8)  mynschen  in  der  bort9) 


l)  Hs.:  „nauitate".  f.  3*  ist  ebenso  unverbessert  geblieben  „vanitas 
uanitatum  et  omnia  natiuitas". 

*)  „den"  fiigt  dieselbe  Hand  uber  der  Zeile  hinzu. 

8)  Hs.:  „wullenkomen".  So  hat  die  Hs.  sehr  oft  ,w"  im  Lautwert  von 
„v",  ohne  dass  einer  der  Korrektoren  daran  Anstoss  genommen  hatte. 
Manchmal  zeigt  sich  freilich  vor  Bv"  eine  Rasur,  es  war  zuerst  ein  „w" 
gewesen.  An  einer  Stelle  hat  eine  spatere  Hand  verbessert,  aber  uber- 
trieben  zaghaft  der  Verbesserung  ein  „uela  voraufgeschickt,  f.  16b  stand: 

„Io  mer  bedrif,  io  grawer  har 

Io  schoner  wif,  io  groter  war." 
Dazn  findet  sich  am  Rande:  „uel  var"  von  spaterer  Hand. 

*)  Hier  fehlt  mindestens  ein  Reimpaar,  in  dem  auch  das  Verbum 
stand,  von  dem  die  Accusative  „lif  vnd  de  vulwerden  zele"  ab- 
hangig  sind. 

5)  Hs.:  „ynnich". 

6)  Hs.:  „bedrouedenu. 

*)  „ vrede"  der  ersten  Hand  von  einer  sp&teren  durch  svn"  uber  der 
Zeile  verandert,  aber  nicht  verbessert,  sondern  verderbt. 

•)  „dem"  von  einer  spateren  Hand  uber  der  Zeile  nachgetragen. 

9)  Eine  noch  spatere  Hand  setzte  unter  Bder  bort"  Punkte  und 
fugte  Beynem  swaren  bende"  hinzu,  jedenfalls  ohne  Kenntnis  derVorlage, 
nur  bestrebt  den  durch  Nachlassigkeit  des  ersten  Schreibers  verderbten 
Reimausgang  nach  dem  Reimwort  der  folgenden  Zeile  zu  bessern.  Es  war 
nur  eine  Schlimmbesserung,  in  Wirklichkeit  fehlten  zwei  Reimzeilen,  die 
zweite  des  vorhergehenden  Reimpaares  und  die  erste  des  folgenden. 


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—     197    — 

Vnd  waret  wente  an  synen  ende, 
Alzo  is  bescreuen  in  den  olden  boken.1) 
Iugum  graue  super  filios  Adam  a  die  exitus  de  ventre2) 
matris  eorutn,  vsque  in  diem  sepulture  omnium  nostrorum. 
We  sik  wyl  vppe  deser  erden  cloken 
Vnd  sine  sele  wol  beraden  vnd  bestellen, 
De  mot  syk  van  anbeghyn  Snellen 
Vnd  mot  de  borden  matighen  to  tyden, 
Wyl  he  nicht  de  beswarynghe  der  zele  lyden. 
De  erffsunde  kan  de  dope  afdwan, 
Wygwater  vnd  vmme  den  kerkhof  ghan. 
De  anderen  sunde,  de  dar  vntstan, 
Vnd  werden  myt8)  berade  dan, 
Dat  is  de  borde,  we  de  langhe  dricht, 
Behut,  bedecket  vnd  vorswycht, 
De  wert  io  lenger  io  mer  vorswaret. 
f.  5 b  Wan  sik  de  sunde  lenghet  vnd  paret, 
De  drudde  sunde  kumpt  dar  to, 
De  verde,  vefte,  de  soste  deit  alzo. 
Kump  denne  de  souende  sunde  ok  in  den  tal, 
Zo  besteit  deme  bedregher  gherne  de  val, 
Wil  he  de  borden  nicht  vorlichten, 
Syne  bote  vntfan,  de  sunde  bichten. 
Ok,  leue  sone,  vntfa  myne  lere, 
Bekummere  dy  nicht  alto  vele  vnd  sere 
Myt  des  hemmels  hoghe,  der  werlde  breyde, 
Des  meres  dupe,  des  waters  leyde, 
Myt  godes  wesende  eft  syne  anbeghinne. 
Brynk  nicht  to  myt  danken4)  dyne  synne. 
Dar  en  is  nen  dynk  so  kleyn5)  edder  licht, 
Dat  to  grunde  konne  werden  vtericht. 
We  kan  eynes  ymmeken  nature  vt  drucken, 


*)  Im  alten  Testament,  n&mlich  Ecclesiasticus  40, 1,  wo  nach  „sepul- 
turae"  „matrem  omnium"  stent. 

*)  In  der  Handschrift  fehlt,  wohl  nur  durch  Schuld  des  Abschreibers, 
„exitus  de  ventre". 

8)  „werdem  myt". 

*)  Hs.:  ,aller  danken". 

5)  ,kleyn"  von  anderer  Hand  uber  der  Zeile  nachgetragen. 


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—     198    — 

Dat  kan  dat  honnych  vt  der  heyde  rucken, 
Vnd  kan  dat  to  hope  bringhen. 
Myt  also  danen  vnd  anderen  dinghen 
Bekummere  dy,  kynt,  nycht  alto  ho : l) 
Vele  danken  maket  dat  houet  vnvro.2) 
Non  est  quicquam  tarn  vile,  tarn  futile*),  quod  ad  plenum 
intelligere  et  ad  profunditatem.4) 
Vele  dink  synt,  de  me  nycht  vtgrunden  kan, 
Des  is  myn  tuch  de  wyse  man.5) 
Cuncte  res  difficiles*)   homo   non  potest  eas   explicate 
ratione  etc. 

Nym  eyn  exempel  van  dem  propheten 
Esdras,7)  des  mach  me  dar  to  neten. 
De  was  bekummert  myt  der  hilghen  drevaldicheyt, 
f.  6a  Alzo  noch  mennych  dore  vp  erde  deyt. 
God  sande  erne  synen  hilghen  enghel  zo, 
De  sede  esdras,  de  here  but  dy  alzo, 
Dat  du  eme  meten  scholt  des  windes  eyne  elen 
Vnd  en  punt  de  lochghen,8)  de  dat  vur  kan  telen, 
Ok  rop  wedder  den  dach,  de  ghisteren  was. 
Esdras  sede,  neyn  mynsche  kan  don  das,9) 

l)  H8.:  ,hoch",  vorhergehendes  „8erea  durcbstrichen. 

*)  Hs. :  „alto  vnvro",  „alto"  aus  der  vorhergehenden  Zeile  wiederholt. 

»)  Hs. :  ,fatile\ 

*)  Das  Zitat  war  wohl  von  Anfang  an  unvollstandig.  Babucke  las  : 
„quis  est  quicunque  tarn  vile  tarn  facile  potest  ad  plenum  intelligere  et 
ad  profunditatem". 

*;  Ecclesiastes  1,  8:  „cunctae  res  difficiles,  non  potest  eas  homo 
explicare  sermone". 

9)  Hs.:  difficilis.  7)  Hs.:  BEsdras8,  spater  „Eldras\ 

8)  „ch"  von  spaterer  Hand  iiber  der  Zeile  nachgetragen. 

9)  Auffallend  sind  die  hochdeutschen  Formen  „zo*  und  Bdas".  Das 
Ganze  ist  wohl  einer  hochdeutschen  Quelle  entlehnt.  Ich  kann  die  Ge- 
schichte  nur  in  folgender  Gestalt  aus  der  Hs.  E.  5,  36  der  Nikolaikirchen- 
bibliothek  in  Greifswald,  f.  122  nachweisen: 

„Nota  tre8  questiones  esdre  scribe  propositas. 
Prima  fuit.  Pondera  in  statera  pondus  ignis.  Secunda:  Mensura  flatum 
uenti.  Tercia.  Reuoca  diem,  que  preteriit.  Primo  pondera  in  statera  pon- 
dus ignis,  id  est  amorem  Christi  pone  in  statera  et  pondera,  vtrum  eum 
plus  dilexisti,  vtrum  magis  uel  minus.  Si  magis,  tunc  bene  ponderasti, 
si  minus,  remoue  istum  amorem,  quern  tu  habes  respectu  mundi,  et 
conuerte  te  ad  amorem  dei,  qui  est  diligendus  super  omnia". 


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—    199    — 

De  gie  was  vnd  noch  schal  werden, 

Vnmoghelik  synt  de  dynk  vp  erden. 

De  enghele1)  sede,  dunket  yt2)  dy3)  nich  moghelik  syn, 

Dusse  dink,  de  by  dy  synt,  so  vornym  de  rede  myn, 

So  is  vorlaren  to  male  dyn  arbeyt, 

Wente  nicht  to  grundende  is  de  gotheit. 

0  kint,  yo  mer  kunst  is,  yo4)  mer  danken. 

De  kunst  wil  vnter  wylen  wanken 

Ouer  maten,  wente  se  is  vorheuen, 

Vnd  bringhet  mod  wyde  vnd  maket  sneuen5) 

De  ghenne,  de  se  to  markede  brynghet 


Wan  sik  de  meyster  von  kunst  giudet6), 
Alle  wisheit  sik  so  vorwydet, 
Alle  vorborghene  schedelike  sake 
Roghen  de  meystere  in  hate  vaken, 
Had,  nyd,  tome  vnd  afghunste 
Telen  sik  van  der  meyster  kunste. 
Eyn  wyl  dem  anderen  nich  vntwyken, 
Homod  kumpt7)  dar  to  ghesliken. 
In  der  vorborghene  vorheuenicheit 

De  hilge  kerke vnde  gheyt8) 

Vnd  de  rechte  warheit  werd  bedecket 
f.  6b  Vnde  de  leygen  van  dem  meyster0)  ghecket. 


l)  In  der  Hs.:  nach  „De"  und  „enghelea  Spur  einer  Rasur,  der 
Schreiber  hatte  8Den  enghelen"  geschrieben. 

f)  »7^  von  <*er  ©raten  Hand  nachgetragen. 

8)  „dy*  aus  „mi"  vom  Schreiber  verbessert. 

*)  *Y°*  von  derselben  Hand  iiber  der  Zeile  nachgetragen. 

•)  Hs.:  „snauen*,  daneben  von  anderer  Hand  die  Schlimmbesserung 
,sweuen*. 

•)  Hs.:  „gindet".  Ohne  Zweifel  iet  , giudet*  zu  lesen  und  Ausfall 
der  vorhergehenden  Reimzeile  anzunehmen.  Auffallend  ist  hier  wiederum 
die  hochdeutsche  Form,  die  ebenfalls  wieder  auf  Entlehnung  hindeutet. 

7)  wkumpt"  verbessert  von  derselben  Hand  aus  „kupa. 

8)  In  der  Hs.  „vnde  gheyt"  von  anderer  Hand  unterpunktiert,  die 
daneben  ?vaken  an  bulghen  gheit"  schreibt,  offenbar  eine  ganz  will- 
kUrliche  Anderung.  Ich  halte  „unde  gheit*  ffir  richtig,  nehme  aber  die 
Auslassung  eines  bezeichnenderen  Verbums,  das  vorhergegangen,  an. 

•)  Hs.:  8wedder  ghecket". 


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—    200    - 

Vmme  gud  is  nycht  alzo  grote  ghiricheyt, 
Alzo  de  ghenne  heet,  de  na  kunsten1)  steyt. 
Io  swarer  val,  io  hogher  grad, 
Io  ghirigher  man,  io  hogher  stad. 
Deficiunt  scrutantes  scrutinio,  quin  homo  accedat  ad  cor 
alt  urn,  et  exaltabitur  deus.2) 
Io  mer  kunst,  io  mer  arbeyt, 
De  hemmel  den  otmodighen  apen  steyt, 
Io  groter  vnd  vaster  louen,  io  ringher  kunst, 
Dat  wracht8)  des  hilghen  geistes  gunst. 
Quo  quis  ad  prudenciam  vilior,   eo  preciosior,  quantum 
ad*)  fidem  ambitiosior*) 
De  grote  kunst  heet  mennyghen  boghet, 
Der  vromen8)  stumpen  is  vele  vorhoghet, 
Sunte  peter,  andreas  vnd  ere  kumpane, 
De  weren  ane  kunst  van  gudem  wane. 
Hillich,7)  salich  se  alto  male  synt. 
Des  helpe  vns  cristus  ihesus,  marien  kynt, 
Dat  wy  hillich,  salich  werden  alle. 
De  grote  kunst  brynghet  menghen  to  valle. 
Quimagis  intelligit,  dubitat,  qui  plus  sapit,  plus  decipitur*) 
Dat  mach  me  merken  an  den  van  praghe. 
De  twedrach  entsteyt  van  mennigher  vrage, 
Der  mankt  den  meysteren  vele  schach, 
Den  dudeschen  bestunt  de  slach, 
Dar  wunnen  de  bemen  den  seghe, 
f.  7 a  De  meste  hupe  wynnet  alle  weghe, 
Do  se  beghunden  de  wapen  to  roghen, 
Do  mosten  de9)  cristinen  de  conclusien  doghen. 


l)  ,kunsten*  verbessert  von  der  ersten  Hand  aus  skunstem8. 
')  Ps.  63,  7:    „defecerunt   scrutantes   scrutinio.    accedet  homo  ad 
cor  altum:  et  exaltabitur  deus". 

•)  „wracht*  verbessert  durch  dieselbe  Hand  aus  „vracht". 
*)  „ada  fQgt  die  erste  Hand  hinzu. 
8)  Hs.:  wambi08iu88. 

6)  vor  „vromen*c  eine  Rasur,  „vu  wohl  aus  „w"  verbessert. 

7)  ,.Hillichu  durch  die  erste  Hand  aus  „Hilkichu  verbessert. 
§)  Hs.:  „decipit". 

•)  „deu  von  anderer  Hand  hinzugeffigt. 


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—    201     — 

Se  beghunden  sik  mennychliken  to  teren, 
Myt  den  vusten  vnd  wapene  concluderen. 
We  den  doren  straffet  vmme  myssedaet, 
Sleghe,  toren  he  wedder  vntfaet. 

Der  geringe  Wert  der  Korrekturen  in  der  Hs.  lasst  sich  auch 
an  mehreren  Stellen  der  folgenden  Geschichte  deutlich  erkennen : 
von  den  zahlreichen  Fehlern  des  Schreibers  ist  ein  einziger, 
leicht  erkennbarer,  richtig,  ein  anderer  ebenso  entschieden 
falsch  verbessert,  die  meisten  sind  gar  nicht  erkannt  worden. 

f.  llaWe  godes  lident  in  sinen  lesten  vorghit,  (563) 

Syn  ewyghe  rike  he  nicht  besyt. 

Merke,  sone  vnd  here  my, 

En  ander  exemplum1)  dar  ok  by. 

En  groper  an  dem  drecke  lach, 

Eyn  morder  in  dem  holte  den  jamer  sach, 

De  em2)  vormanede  des  gropers  armot. 

De  morder  dor3)  god  wolde  eme  helpen  vt 

Vnd  lep  to  dem  groper,  dar  he  lach. 

De  groper  ghaf  den  morder  enen  slach, 

He  sloch  ene  dot  myt  ener  runghen, 

De  groper  hadde  var,  dat  he  ene4)  dwunge. 

Dar  was  en  klusener,  de  er  morde, 
f.  llb  De  klusener  und  de  groper  horden, 

Dat  de  hilghen  enghele6)  de  sele  entfenghen, 

Vnd  wolden  de  to  dem  hemmel  bringhen. 

Do  de  klusener  des  wart  enwar, 

He  hadde  dar  wanet  dertich  jar 


l)  von  anderer  Hand  dafur  „Miraculum",  was  unzweifelhaft  falsch  ist. 

f)  Hs.:  „Deme  em". 

8)  von  anderer  Hand  aus  „der"  verbessert. 

*)  In  der  Hs.  folgt  auf  „ene"  „wolden",  eine  andere  Hand  durch- 
streicht  „wolden11  und  schreibt  daf&r  „doden  wolde'4,  ohne  auf  den  Reim 
zu  achten,  vielleicht  durch  „horden"  veranlasst.  Dann  hat  die  Hs.  „Dar 
was  en  klusener  vnd  de  groper  horden".  Es  fehlt  eine  n&here  Bestim- 
mung  zu  „klusener"  und  mindestens  das  Reimwort  zu  „horden".  Ich 
nehme  also  ein  Abirren  von  ein  em  ersten  auf  ein  zweites  „klusener"  und 
die  Auslassung  des  dazwischen  stehenden  an,  das  ich  oben  wieder  ein- 
gesetzt  habe. 

B)  Nach  „engheleu  eine  Rasur. 


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—    202    — 

Vnd  den  morder  ok  langhe  bekant, 

He  stech  vp  enen  hoghen  bom  altohant 

Und  wolde  en  morder  weder  werden. 

In  dem  slape  vil  he  up  de  erden 

Vnd  brak  sik  den  hals  entwey,1) 

Des  wart  syn  arme  sele  fey. 

De  nemen  de  duuel  altohant 

Vnd  brachten  se  in  der  helle  brant.2) 

Syne  gude  werke  weren  vorgheten. 

Dat  deit  vns  de  wyse  man  to  weten: 

Qui  in  uno  offendU,  multa  bona  perdit*). 
Selbst  die  Versehen,   die  wahrend   des  Abschreibens  vom 
Schreiber  bemerkt  wurden,  sind  von  ihm  nicht  vollstandig  be- 
richtigt  worden.    f.  8b  hatte   der  Schreiber   dieses   Teiles    ge- 
schrieben : 

„De  prince  almerbe  gunde  vreden  und  daghen"  (422) 
die  folgende  Zeile  „De  twisken  dauite  vnd  saule  hadden  stana 
Hess  ihn  erkennen,  dass  er  die  beiden  ersten  Worte  gegen  die 
Vorlage  zugefiigt,  die  beiden  folgenden  verlesen  und  das  Objekt 
ausgelassen  hatte.  Er  strich  daher  die  ganze  Zeile  durch  und 
schrieb  darauf: 

„Abner  beghunde  alle  vnwillen  to" 
ohne  zu   bedenken,    dass   er    „vreden   und   daghen"    auch   ge- 
strichen  hatte.    Die  drei  Worte   fugte  erst  eine  sp&tere  Hand 
hinzu. 

Anders  ist  es  bei  einer  andern  Stelle  f.  12  b.  Dort  heisst  es: 

„Ad  colocenses  dar  van  screuen  steyt:  (640) 

Turpis  sermo  non  procedit  de  ore  vestro*) 

Snode  vnd  schentlike  rede  ensprik  nicht, 

Des  mynschen  redelicheit  in  den  worden  licht, 

Eyn  mach  sik  er  vorspreken,  wen  vorwerken. 

Dat  mach  men  in  den  boken  merken." 
An  „procedita  nahm  der  Korrektor  keinen  Anstoss,  die  funfte 
Zeile  hielt  er  fur  unvollstandig  und  fugte  gegen  den  Sinn  nach 


*)  Nach  „en"  in  „entwey"  eine  Rasur. 
•)  Hs.:  ngrunt4-. 

8)  Ecclesiastes  9,  18:  „qui  in  uno  peccaverit,  multa  bona  perdet". 
*)  C0I08S.  3,  8:   „nunc  autem  deponite  et  vos  omnia:   iram,   indig- 
nationem,  malitiam,  blasphemiam,  turpem  sermonem  de  ore  vestro". 


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—    203    — 

„vorsprekenB  „kantt  ein,  obgleich  „macha  das,  was  er  vermisste, 
ausdrflckte.  Er  hatte  „eyna  mit  „macha,  das  er  wohl  als 
Substantiv  auffasste,  verbunden,  beachtete  also  nicht  den  Ge- 
brauch  des  selbstandigen  »eyna,  das  sich  auch  f.  44 b  „de  eyn 
schal  eren  vnd  anropen  to  alien  stun  den u  findet,  vgl.  am 
Schlusse  „van  den  dobeleren". 

Aus  all  diesem  ergiebt  sich,  dass  die  Ueberlieferung  des 
Gedichtes  in  der  einzigen  Handschrift,  die  es  uns  erhalten  hat, 
eine  verhaitnismassig  schlechte  ist.  Das  ist  wohl  kaum  die 
alleinige  Schuld  der  Schreiber  nnserer  Handschrift,  die  Vorlage 
mochte  schon  vieles  der  Art  enthalten  haben. 

Ober  diese  Vorlage  lasst  sich  nur  weniges  mit  Sicherheit 
ermitteln.  Aber  dieses  Wenige  ist  nicht  ohne  Interesse.  Wir 
milssen  dafiir  die  Disposition  des  Gedichtes  in  unserer  Hand- 
schrift naher  betrachten. 

Einleitung  v.  1—356 

I.  Superbia,  allgemeines  357—? 

(schloss  auf  einem  der  ausgerissenen  Blatter) 

1.  Tochter  ?    (begann  auf  einem  dieser  Blatter)  —1964 

2.  „        Contemptio  1965—2018 

3.  „        Presumptio  2019—2558 

II.  Avaritia,  allgemeines  2559—3509 

1.  Tochter  Fallacia  3510—3620 

2.  „  Rapina  3621—3682 

3.  „  Periurium  3683—3803 

4.  „  Usura  3804—3996 

5.  „  Tristitia  3997—4096 

6.  „  Symonia  4097—4438 

III.  Luxuria,  allgemeines  4439—4956 
[I.  Superbia,  3.  Tochter,  Ende  der  Presumptio  4957—4998 

4.  „        Iactantia  4999—5108 

5.  „        Pertinacia  5109—5182 

6.  „        Novarum  rerum  inventio  5183—5782] 

1.  Tochter  Cecitas  mentis  5783—5886 

2.  „        Inconstantia  5887—5930 

3.  „        Heresis  5931—5958 

4.  ,        Amaritudo  5959—6074 

JArbneh  d«r  OtitllMh.  f.  b.  E.  u.  rmtwL  Altort&ratr  ra  Emdtn,  Bd.  XT.  14 


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—    204     — 

IV.  Invidia,  allgemeines  6075—6440 

1.  Tochter  Odium  6441—6518 

2.  „        Afflictio  in  prosperis  alieni  6519—6565 

3.  „         Discordia  6566-6652 

4.  „        Simulata  equitas  6653—6752 

V.  Gula,  allgemeines  6753-7139 

1.  Tochter  Immundicia  7140—7205 

2.  ,,        Inepta  letitia  7206—7258 

3.  „        Multiloquium  7259—7290 

4.  „        Ebitudo  7291—7303 

VI.  Ira,  allgemeines  7304-7494 

1.  Tochter  Contumelia  7495—7525 

2.  „         Blasfemia  7526—7562 

3.  „        .Clamor  7563—7579 

4.  „        Tenacitas  7580-7602 

VII.  Accidia,  allgemeines  7603—7898 

Tochter  Desperatio  7899—7936 

Schluss  7937—7958 
Diese  Verwirrung,  dass  nach  Vers  2558  die  Verse  2559 
bis  4956  kamen,  Avaritia  ganz  und  das  Allgemeine  von  der 
Luxuria  enthaltend,  und  dann  erst  der  zweite  Teil  der  Superbia 
v.  4957 — 5782,  erkl&rt  Babucke  damit,  dass  einige  lose  Blatter 
des  Originals  an  die  unrechte  Stelle  gekommen,  was  der  Ab- 
schreibende,  der  ganz  mechanisch  abgeschrieben,  nicht  bemerkt 
habe.  Um  einige  lose  Blatter  kann  es  sich  hier  nicht  gehandelt 
haben.  Die  Verse  4957—5782  ftillten  drei  Sexternionen,  2659 
bis  4956  neun  Sexternionen,  5783—6074  einen  Sexternio.  Die 
Verwirrung  entstand  dadurch,  dass  in  der  Vorlage,  die  nicht 
das  Original  gewesen  zu  sein  braucht,  die  Lagen  keine  Be- 
zeichnungen  hatten,  so  dass  die  drei  Sexternionen,  mit  den 
Versen  4957 — 5782,  die  urspriinglich  vor  den  neun  Sexternionen 
mit  den  Versen  2559—4956  standen,  vor  den  Sexternio  mit  den 
Versen  5783—6074  geraten  waren,  und  die  Lagen  vielleichf 
auch  in  dieser  Reihenfolge  eingebunden  worden.  Das  wichtigste 
Ergebnis  ist,  dass,  wie  die  Abschrift,  so  auch  die  Vorlage  aus 
Sexternionen  bestand. 

Die  oben  gegebene  Disposition  mit  den  Verszahlen  ftir  die 
einzelnen  Abschnitte  legt  noch   eine   andere   Erwagung  nahe. 


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—    205     — 

Auf  die  Superbia  kommen  3048  Verse 
„      „     Avaritia         ,.     fiir  das  Allg.  951,  fiir  das  Besondere  929, 

im  Ganzen  1880  Verse 
„      „     Luxuria        „      fiir  das  Allg.  518,  fiir  das  Besondere  292, 

im  Ganzen  810  Verse 
„      „     Invidia         „      fiir  das  Allg.  366,  fiir  das  Besondere  312, 

im  Ganzen  678  Verse 
„      „     Gula  „      fiir  das  Allg.  377,  fiir  das  Besondere  174, 

im  Ganzen  551  Verse 
„      „     Ira  „      fur  das  Allg.  191,  fiir  das  Besondere  108, 

im  Ganzen  299  Verse 
„      „     Accidia        „      fiir  das  Allg.  296,  fiir  das  Besondere  38, 

im  Ganzen  334  Verse. 

Was  folgt  daraus?  1st  der  Dichter  miide  geworden  und 
hat  sich  deshalb  immer  kiirzer  gefasst?  Oder  hat  der  Ab- 
schreiber  je  langer  je  weniger  aus  den  einzelnen  Abschnitten 
mitgeteilt?  Ich  wage  keine  Entscheidung,  bemerke  aber,  dass 
das  Gedicht  thatsachlich  immer  diirftiger  wird.  An  dem  Stoffe 
liegt  dies  nicht.  W&hrend  die  Emder  Hs.  bei  der  Superbia 
und  Avaritia  je  6,  bei  der  Luxuria,  Invidia,  Gula  und 
Ira  je  4  Tochter  und  bei  der  Accidia  nur  1  Tochter  hat, 
kennt  der  Antidotarius  des  Nicol.  Salicetus,  auf  den  Babucke 
hingewiesen,  bei  der  Superbia  7  Tochter:  Ambitio,  Presump- 
tio,  Ingratitudo,  Curiositas,  Adulatio,  Derisio,  Iudicium  teme- 
rarium,  bei  der  Avaritia  ebenfalls7:  Obduratio  vel  Inhumani- 
tas,  Violentia  vel  Rapacitas,  Inquietudo  i.  e.  Nimius  appetitus 
lucri,  Fallacia,  Periurium,  Fraus,  Proditio,  bei  der  Luxuria  8: 
Cecitas  mentis,  Precipitatio,  Inconsideratio,  Inconstantia,  Amor 
sui,  Odium  dei,  Amor  presentis  vite,  Horror  future  beatitudinis, 
bei  der  Invidia  5:  Odium,  Exultatio  in  adversis,  Tristitia  in 
prosperis  proximi,  Susurratio,  Detractio,  bei  der  Gula  6: 
Scurrilitas,  Inepta  leticia,  Hebetudo  mentis,  Multiloquium, 
Iramunditia,  Ebrietas,  bei  der  Ira  9:  Indignatio,  Murmuratio, 
Tumor  mentis,  Clamor,  Contumelia,  Maledictio,  Blasphemia, 
Rixa,  Seditio,  bei  der  Accedia  6:  Malicia,  Rancor,  Pusillani- 
mitas,  Desperatio,  Torpor,  Evagatio  mentis. 

Damit  ist  die  Geschichte  der  Oberlieferung,  wie  sie  sich 
aus  der  Emder  Hs.  feststellen  lslsst,  noch  lange  nicht  erledigt. 

14* 


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—    206    — 

Die  Emder  Hs.  hat  mehrfach  Stellen  im  Texte,  die  sich  als 
ursprtingliche  Bandbemerkungen  erkennen  lassen.  Das  ist, 
wie  sp&ter  gezeigt  werden  soil,  bei  vielen  lateinischen  Zitaten 
der  Fall.  Es  finden  sich  aber  auch  deutsche  Randbemerkungen 
im  Texte  der  Emder  Hs.    So  z.  B.  in  der  folgenden  Stelle  f.  105  a  : 

Vnstedicheyt  so  het  dat  kint.  (6890) 

0  wat  me  der  vele  vint, 

De  van  mangen  danken  zyn. 

Vnstede  sint  de  vrowen,  kint  myn, 

De  vrowen  wyllen  stede  zin, 

Wat  men  des  vint,  des  wert  wol  schyn. 

Die  Hs.  hat  nach  dem  ffinften  Verse  die  Worte  „so  willen 
ok  de  man*.  Wenn  keine  Lticke  darnach  anzunehmen  ist, 
was  nicht  wahrscheinlich,  so  sind  diese  Worte  von  einem 
Manne  der  Vorlage  der  Emder  Hs.  beigeschrieben.  Vor  dem 
funften  Verse  mflchte  ich  allerdings  eine  Lticke  annehmen. 
Ursprtinglich  folgte  wohl  eine  n&here  Ausffihrung  der  Unst&te 
der  Frauen. 

Der  Text  der  Emder  Hs.  ist  an  vielen  Stellen,  wie  sp&ter 
gezeigt  werden  soil,  so  verkttrzt  und  verstttmmelt,  dass 
man  nur  an  Absichtlichkeit  denken  kann:  man  nahm  Anstoss 
an  dem  Freimut  Josepes  und  strich  die  anstdssigen  Stellen. 
Gelegentlich  anderte  man  auch  die  Worte  des  Dichters,  ohne 
Rficksicht  auf  den  Zusaramenhang,  so  z.  B.  f.  105  *  ,  vgl.  unten. 
Alle  diese  Anderungen  kflnnen  nicht  von  den  Schreibern 
der  Emder  Hs.  herrfihren,  die  dazu  nicht  bef&higt  gewesen 
w&ren,  sondern  nur  aus  Qedankenlosigkeit  von  ihrer  Vorlage 
abwichen.  Diese  Vorlage  enthielt  schon  den  ver&nderten  und 
verkfirzten  Text. 

Sehen  wir  nun,  was  sich  fiber  den  Dichter  demWerke 
entnehmen  l&sst.  Bekanntlich  nennt  er  sich  am  Schlusse  mit 
den  Worten: 

Biddet  vor  den  Josepe  den  heren,  (7953) 

Dat  he  eme  syne  gnade  wille  to  keren 

Vnd  geven  eme  Ion  vor  syn  arbeyt, 

Dat  eme  syn  rike  nicht  werde  vorseyt 

Vnde  den,  de  dyt  lezen  horen  tosamen, 

In  Jhesus  Christus  unses  heren  namen. 


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—    207    — 

W&hrend  er  hier  von  Mehreren,  die  das  Gedicht  zusammen 
vorlesen  h6ren,  redet,  wendet  er  sich  in  dem  Gedichte  selbst 
immer  an  einen  Einzelnen  z.  B. : 

f.  1 b  0  kynt,  denke  alle  tyd  vnd  betrachte  (38) 
Vnd  hebbe  vppe  der  wysen  lere  achte. 
Bedenk  dat  anbeghin  vnd  den  ende  dyn, 
Wultu  eyn  godes  mynsche  wesen  vnd  zyn: 
Wat  is  eyn  mynsche  wen  aske  vnd  drek! 
Myt  deme  duldighen  manne  sprek: 
Memento,   quaeso,   quod  sicut    lutum    feceris   me  et  in 
puluerem  reduces  me,1) 

0  leue  here,  denke,  wo  du  hest  gemaket  my, 
Rechte   alzo   drek.     hore,  leue  here,  ik  danke  dy, 
Vnd  werde  ghewandelt  in  vnreyne  stubbe, 
Wan  my  vntfaet  des  dodes  krubbe, 
Wente,  leue  here,  du  secht  to  my  openbare, 
Denke,  mynsche,  du  bist  assche  vnd  werst  ware 
In  de  erden  vnd  in  asschen  wandelt  drade. 
0  leue  kint,  bydde  to  gode  gnade 

2) 

f.  2  *  Dat  du  nicht  komest  in  dat  varlike  loch, 

Dar  me  synghet:  o  we,  dat  gy  mynsche  wart. 

So  findet  sich  die  Anrede8)  „o  kint",  „kinta,  f.  2\  5\  6*, 
8\  13  \  40*,  „o  leue  kint{|  f.  1\  2*  (zweimal),  15  \  „min 
leue  kint"  f.  45 b,  „o  mynschen  kint*  f.  3*,  „o  mynsche44  f.  2b 
(zweimal).  Deutlicher  ist  die  Anrede  „sone44  f.  3b,  10 b,  14 b, 
16*.  47 \  „sone  min44  f.  40*,  ,,o  leue  sonea  f.  3\  5b,  12b, 
41*,  46*,  „sone  min  vnd  leue  kintu  f.  7*,  „o  leue  sone  vnd 
min  leue  kint44  f  8*.  Vollen  Aufschluss  erhalten  wir  erst 
durch  die  Form  f.  11*  „merke  sone  vnd  here  my'4,  mit  der  wir 
die  Anrede  an  den  Dichter  f.  7*  „Vader  leue  vnd  meyster  myn44 
zusammenbringen  mflssen:  der  Dichter  ist  ein  Geistlicher,  der 
Lehrer  eines  Jttngeren,  beide  stehen  in  geistlicher  Verwandt- 
schaft,  der  Jttngere  hat  aber  ein  Recht  „here  myn44  angeredet 


l)  Job  10,  9. 

*)  Hier  fehlt  eine  Reimzeile. 

*)  Ich  berQcktichtige  hierbei  nur  die  ersten  ftofzig  Blatter. 


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—     208    — 

zu  werden,  ist  also  wohl  ein  Vomehmer.  So  nennt  auch  in 
der  Erz&hlung  von  dem  Hofmann  und  dem  Abte  der  Abt  seine 
Monche  „meine  Herren",  vgl.  f.  80b: 

We  sik  na  godes  denste  rycht,  (4421) 

Also  hyr  myne  heren  don  alle, 

Den  kan  de  bose  nicht  bryngen  to  valle. 

Es  handelt  sich  dort  also  urn  ein  Kloster,  in  dem  Adlige 
Aufnahme  fanden.  So  ist  es  auch  zu  verstehen,  wenn  ,,den 
leyen"  ,,die  heren"  gegentibergestellt  werden,  z.  B.  f.  46* : 

De  tid  vordriuen  in  vrolicheyt  (2508) 
Ane  sunde,  dat  spyl  wol  henne  gheyt, 
Sunder  ede  vnd  sunder  torn, 
Dar  nen  ghelt  wert  ouer  vorlorn, 
Dat  spil  kan  nemant  vorkeren 
Noch  den  leygen  efte  den  heren. 

Wir  lemen  an  dieser  Stelle  zugleich,  dass  Josepe  kein 
Eiferer  ist,  er  gestattet  frohe  Spiele,  bei  denen  es  sich  nicht 
urn  Geld  handelt,  bei  denen  man  weder  schwort  noch  in  Zorn 
gerat,  Laien  und  Geistlichen. 

Vor  den  tiichtigen  Gelehrten  hat  er  alle  Achtung,  zu  ihnen 
soil  man  sich  halten,  wenn  man  selig  werden  will,  vgl.  f.  41  *  fg.: 

Wltu,  leue  sone,  salich  werden, 
So  holt  di  to  den  vromen  lerden,  (2270) 
f.  41b  Consilium  semper  a  sapiente  perquire,1) 
Also  lerde  de  olde  tobias  syn  leue  kint. 
De  suluen  lere  me  bescreuen  vint 
In  regimine  principum  deme  boke. 
Also  lerde  Allexandrum  aristotiles  de  cloke: 
Insuper  decet  regem  sapientes  sullimare?)  doctos  honore, 
cum  eris  confusus*)  honesto  interrogare,  discrete  respondere. 
Dat4)  he  scholde  to  alien  tyden  gherne  eren 


»)  Tobias  4,  19.    In  der  Hs.  fehlt  diese  Zeile. 

•)  Hs. :  „decet  tea,  „sapienter  sublunare",  so  auch  f.  28  b  in  der  Stelle 
aus  Luc.  11,  43 :  „vae  vobis,  qui  diligitis  prunas  chatedras  et  salutaciones 
in  foro  et  plateas". 

8)  Hs.:  „cu  eris  conferretus". 

4)  Hs.:  „dc",  Abkurzung  fur  „daz"  in  hochdeutschen  Hss. 


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—    209    — 

De  kloken  vnd  sik  to  gym  keren, 

Vraghen  se,  wan  em  des1)  luste, 

Vmme  sake,  de  he  nicht  enwuste, 

Vnd  gym  wedder  gotlike  antwerde  gheuen, 

So  mochte  he  langhe  in  vreden  leuen. 

Wolde  he  auer  na  den  vele  horen, 

De  hide  vnd  lande  wolden  vorstoren 

Vnd  vp  nenen  vrede  vnd  salicheit  dachten, 

Vnd  ere  gud2)  alle  tid  ouel  to  brachten, 

Dar  auer  mochte  he  lif  vnd  land  vorlezen 

3) 

Er  warnt  vor  unfruchtbarer  Gelehrsamkeit,  vor  unntitzen 
Tifteleien,  die  nur  den  Kopf  beschweren  und  Unfrieden  er- 
zeugen,  obgleich  er  gut  weiss,  dass  zu  seiner  Zeit  sich  mancher 
Narr  mit  Fragen  beschaftigt,  auf  die  er  nie  eine  befriedigende 
Antwort  finden  kann,  vgl.  oben  S.  198. 

Seiner  naturlichen  einfachen  Art  entsprechen  die  Bilder, 
die  mit  Vorliebe  dem  Alltagsleben  und  der  Natur  entlehnt 
sind,  so  f.  76 b: 

Symonia  is  twarn  en  snode  brud  (4198) 
Vnd  is  der  sele  eyn  gans  bitter  krud. 

oder  f.  106 a 

Vnkuscheyt  is  eyn  bitter  crud  (5965) 
Vnd  brynget  menghen  to  den  dore  vth. 

Von  der  Vsura  heisst  es  f.  69 b : 

De  verde  dochter  het  bose  nucke,  (3804) 
Der  moder  art  eyn  bose  stucke, 
Weme  de  dochter  kumpt  vnder  de  deken, 
Deme  es  en  nacht  wol  enweken. 

Von  der  Unkeuschheit  f.  103 ft: 

Vele  kinder  heft  de  vnkuscheyt,  (5783) 
Dar  mennich  mede  to  bedde  geyt. 


')  Hs. :  „das". 

*)  Nach  „gud"  in  der  Hs  eine  Rasur.    Im  folgenden  Verse   „hetf 
fiber  der  Zeile  nachgetragen. 

*)  Hier  fehlt  mindestens  die  Reimzeile. 


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—    210    — 

Einen  Menschen,  von  dem  man  nicht  weiss,  ob  er  gut 
oder  schlecht  ist,  vergleicht  er  einem  faulen  Ei,  das,  bevor 
es  aufgeschlagen,  zwischen  den  guten  Eiern  liegt.  Er  scheut 
sich  dabei  nicht,  die  Behauptung  aufzustellen,  dass  Mancher, 
den  man  nach  seinem  Tode  fiir  einen  Heiligen  gehalten,  tief 
in  der  H811e  liege,  vgl.  f.  39  • : 

De  ene  het  gud,  de  ander  quad,  (2150) 

Mennygh  het  vrome  ane  de  daet. 

Inmanifesti1)  sunt  fUii  dei  et  filii  didboli, 

Godes  vrant  syn  vnbekent. 

Me  holt  mennyghen  hillich,  de  wol  brent 

In  der  depen  helle  grunt, 

Des  duuels  vrunt  syn  ok  nicht  kunt. 

Eyn  mynsch  is  rechte  also  en  vul  eyg, 

Er  dat  wert  broken  entweyg, 

Mankt  den  guden  dat  henne  gheit. 

Eyn  jslik  mynsche  ok  so  deyt: 

Wan  de  mynsche  steruet,  dat  eyg  tobrikt, 

So  vint  me  wat  dar  ynne  stykt. 

Noch  drastischer  stellt  er  dem  Schlechten,  der  seiner 
Umgebung  sittlichen  Schaden  bringt,  eine  Kuh  gegenttber,  die 
im  Schmutz  gelegen  und  dann  mit  ihrem  Schwanze  alle  Ktthe, 
die  mit  ihr  gehen,  beschmutzt. 

f.41aWan  en  koe  in  deme  drecke  lycht2),  (2260) 
Dar  na  den  saghel  wedder  vprycht, 
De  anderen  to  male  se  besleyt, 
Wo  mannych  dat  denne  by  er  gheyt. 
Eyn  islik  ampt  wyl  selschop  han, 
De  homodighe  wyl  allene  ghan, 
De  vordomeden  in  der  helle  pyn, 
Den  dunket  selschop  vroude  syn. 
Oaudium  est  impiis  societatem  habere  in  tormentis*) 


')  1.  Joh.  3,  10:  „In  hoc  manifesti  sunt11.     „Inmanifesti"  ist  nicht 
vom  Schreiber  versehen,  das  folgende  zeigt,  dass  Josepe  selbst  so  ge* 
•chrieben,  wenn  er  tiberhaupt  die  lateinischen  Zitate  beigefflgt  hat 
•)  H8.:  „lycht",  von  der  zweiten  Hand  aua  „lechtu  verbessert 
»)  Am  Rande  rechts  von  derselben  Hand  nAugu8tinusu. 


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—    211     — 

Mag  es  regnen  oder  schneien,  der  Pflug  des  Wucherers 
bleibt  in  Th&tigkeit ;  seine  Schiller  mtissen,  wahrend  er  bequem 
beim  Ofen  auf  seinem  Stuhle  sitzt,  im  Schlamm,  Schmutz  und 
Regen,  far  ihn  arbeiten,  vgl.  f.  70 b  fg.: 

Sone,  du  scholt  vortan  weten  vnd  merken,  (3877) 
Wat  vsura,  de  dochter  bedryue, 
Se  helpet  deme  manne  van  dem  wyue. 
Wor  se  lange  wanet  vnder  deme  dake, 
Dar  is  de  wert  myt  vngemake, 
Wan  de  wokener  dar  in  kompt  gande. 
Rede  pennynge,  efte  gude  twevolde  pande, 
Dar  moet  syk  de  wert  na  richten, 
f.  71'Wyl  he  sik  myt  de  dochter  vorplichten. 
0  du  wokener,  du  varlike  man, 
Deue,  rouer,  morder  latent  darvan, 
Wente  de  dre  stat  to  male  grot  euenture, 
Sunder  du  syttest  in  den  drogen  by  deme  wure, 
Vnd  hest  diner  kunst  nene1)  word. 
Dat  regene,  dat  snyge,  din  ploch  geit  vort. 
Du  sist  by  der  glud  vppe  dynen  stole, 
Dyne  scholer  waden  in  deme  pole, 
In  deme  drecke,  in  dem  reghen, 
De  dy  ere  nerynge  moten  to  dregen. 
Du  slapest,  du  wakest,  dy  wasset  io  to. 
Mannich  lopet  baruod  al  ane  scho, 
De  mod  dy  bergen  vnd  voden, 
Wo  kanstu  dat  tegen  god  vorguden! 
Also  warliker  van  dy  screuen  steyt 
Qui  pecuniam  non  dedit  ad  vsuram.2) 
In  dem  boke  der  salicheyt, 
Dat  nen  wokener  to  gode  komen  kan: 
Vsurarius  non   habitet  in  loco  dei,  sed  in  tabernaculo 
magne  nriserie. 


l)  Vor  „nene"  ein  Buchstabe  ausradiert. 

")  Am  Rande  von  derselben  Hand :  „ps"  =  psalterium.  vgl.  Ps.  14, 15. 
Es  ist  nur  der  Anfang  der  Stelle,  es  iehlt  das  Wichtigste :  „non  movebitur 
in  aeteraum".  Hier  ist  unzweifelhaft  ein  Zitat  vom  Rande,  das  nicht  von 
Josepe  war,  in  den  Text  gedrungen,   das  Zitat  Josepes  kommt  ep&ter. 


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—    212    — 

Josepes  Vertrautheit  mit  den  Verh&ltnissen  auf  dem  Lande 
ersehen  wir  auch  aus  seinen  Ausserungen  uber  die  Verpflich- 
tungen  des  Schuldners  dem  Wucherer  gegeniiber.  Er  lasst  bei 
dieser  Gelegenheit  den  Juden  voile  Gerechtigkeit  widerfahren: 
w&hrend  der  Jude  selbst  seinen  Feind  billig  behandelt,  nimmt 
der  Christ  sogar  von  den  nachsten  Angehdrigen  dreifache 
Zinsen,  f.  71 b : 

De  yode  nympt  van  synen  vygende  (3931) 

Meghelike  gaue  vnd  gude  pande, 

De  cristene  yode  dat  node  dede, 

Dat  he  synen  angeboren  vrunt  vorlede, 

He  mod  eme  treuolden  woker  geuen: 

o 

Vor  achte  schillynge  enen  schepel  roghen  to  dem  jare 
Vnd  syn  gelt  wedder  ane  anxst  vnd  vare. 
Vor2)  eyne  mark  mot  he  eme  plogen, 
Dre  mark  efte  vere  kan  nement  vornogen, 
f .  72*  He  mot  eme  segen,  plogen  vnd  meygen. 
Dat  how  vppe  den  wysken  laten  weygen. 
Vor  teyg  mark  worde  he  syn  meyger 

i) 

Dat  is  eyn  wyse  hir  in  deme  lande, 

God  geue  alien  wokeneren  schande. 

Inferno    deterior    usuraritis,    qui    quodcunque*)    iniuste 

possidet,  statim  dimittit,  usurarius  non. 

De  stolrouer  is  arger  wan  de  helle, 

Wol  dat  he  is  des  duuels  geselle. 

Wat  de  duuel  myt  vnrechte  besyt, 

Wedder  to  geuende  he  dat  lit, 

De  wokenere  nemende  nicht  wedder  gift, 

Dat  geld  eme  also  pek  to  den  handen  klift. 

Von  den  Geistlichen,  die  des  Matthaeus  Lehre  ^gratis  date, 
gratis  accepistisa  nicht  befolgen,  sagt  er  f.  75 b: 

Mattheum  den  saligen,  lerden  man,  (4147) 
Den  latet  se  achter  de  dore  stan. 


*)  An  beiden  Stellen  fehlt  mindestens  die  Reimzeile. 
*)  Von  deraelben  Hand  verbessert  aus  „Der". 
8)  Hs.:  Bquicunque". 


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—    213    — 

Monche,  die  sich  durch  die  Gesprache  mit  Weltlichen  be- 
irren  lassen,  vergleicht  er  dem  Finken  im  Kafig,  den  der  Ge- 
sang  des  freien  Finken  alles  Gute,  das  er  in  seiner  Gefangen- 
schaft  geniesst,  vergessen  lasst.  vgl.  f.  77 b : 

Eyn  vinke,  de  in  eyneme  bure  sith,  (4247) 
In  deme  drogen,  ane  arbeyt  vnd  sorge  ith, 
Wan  he  enen  wilden  vinken  hort, 
He  cleyet,  he  bith,  he  were  gerne  vort, 
Vnd  stunde  syn  euenture  wat  he  ete, 
Vp  dat  he  nicht  lenger1)  besloten  sete. 

Ein  Meisterstuck  realistischer  Kleinmalerei  ist  Josepes 
Schilderung  der  Saufer,  die  unverkiirzt  mitgeteilt  werden  muss. 

f.l26*Gula  ok  wol  dochter  het,2)  (7140) 

De  ene  mager,  de  ander  vet, 

Inmundicia  is  de  dochter  genant 

Vnd  is  vor  zabben  wol  bekant: 

Vnrenlich  de  drunken  lude  zint. 

De  kroger  de  warheyt  wol  bevint, 

Wan  se  dor  den  stol  leken 

Vnd  aver  de  tungen  ene  elen  spreken. 

Deme  drenker  stinket  munt  vnd  clet, 
f.l26bDen  drank  maket  eme  nement  let. 

To  alien  snoden  ampten  wol  is  rat, 

To  deme  drinkent  yo  nen  stat, 

Auent,  morgen,  spade8)  vnd  vro, 

To  der  kannen  he  lopet  yo. 

Eyn  rouer  mach  werden  rike, 

Eyn  dobeler  deyt  des  gelike, 

Eyn  dochter  der  moder  entronnet, 

Afflaten  ze  alle  wol  konnet, 

De  drenker  jummer  drynke4)  mot 

Vnd  vorbringe  sele,  liff  vnd  gud. 

He  denket  nicht  vppe  wiff  efte  kint, 


1)  Hs.:  „leng". 

2)  Am  Rande  von  deraelben  Hand  „prima  filia  guleu. 
8)  Hs.:  „8prade". 

4)  In  der  Hs. :  „dryncket",  „tu  von  einer  zweiten  Hand. 


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—    214    — 

Wor  he  zine  kumpane  vint, 
Dar  kumpt  he  by  in  dat  lach, 
Erne  schelet  nicht  eyn  half  dach. 
He  vraget  nicht  na  gode, 
Efte  dat  he  holde  sine  bode, 
He  hort  nicht  gerne  godes  reden, 
Wllen  drinken!  dat  is  zin  beden. 
Wan  me  eme  secht  van  der  zele  vnd  helle 
So  secht  he,  drink  my  to,  myn  leue  gezelle! 
Lat  vns  hir  dussen  drank  nu  delen, 
We  se  wynt,  de  mach  ze  zelen. 
He  horet  gerne  den  soten  sangk: 
Drink  vth  vnd  wes  nicht  langk! 
We1)  secht  kumpan,  dy  wert  en  wl,2) 
So  richtet  he  vp  hals  vnd  krul 
Und  secht:  du  bist  bestan, 
In  wil  nicht  ens  van  dy  nu  gan. 
Ik  wyl  dy  don  lik  vnd  recht, 
f.l27ftEn  beerman  to  deme  anderen  secht. 

Quid  turpius  ebrioso,  cut  fetor  in  ore,   dolor  in  corde, 

tremor  in  corpore? 

De  vulle  man  is  ane  schame, 

Dat  vulle  wiff  is  ane  rame. 

Se  weten  nicht  van  eren  zinnen, 

Wat  se  don,  efte  wat  se  beginnen. 

De  redelicheyt  is  gym  entgan, 

Se  willen  kyuen,  ropen  und  slan. 

En  swynekerl  mot  yo  slapen, 

En  perdekerl  myt  vusten  drapen, 

En  hundekerl  wil  biten  vnd  schelden, 

En  ezelkerl  wil  by  vrouwen  elden, 

Alzo  het  de  drinker  tidvordryfF, 

Dat  sy  man  efte  wyff. 

Wan  de  vulle  man  van  deme  lage  geyt, 

Und  by  den  wanden  vallet  edder  steyt, 

Dor  lecht  he  alzo  vake  in  dem  stalle, 

Eft  wor  he  kumpt  erst  to  valle, 

l)  Hs.:  ,Me«. 
»)  „wlu  =  „vul". 


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—    215    — 

So  spyset  he  katten  vnd  hunde 
Myt  den  lenden  vnd  myt  den  munde. 
So  blifft  he  liggende  in1)  dem  woze, 
Vor  sineme  munde  wasset  en  roze, 
Des  is  wol  ener  guden  elen  langk. 
Des  anderen  dages  is  syn  houet  krank. 
Is  dat  me  de  vullen  vp  eyn  bedde  lecht, 
Dat  kan  he  buken  vppe  recht. 
Ebryus  in  corde  nunquam  iacet  sine  sorde. 
De  ander  dochter  is  bereyt, 

2) 

Unredelike*)  vroude  is  se  heten. 

Wan  de  stumper  er  ber  vorgheten, 

Dat  se  moten  betale  dure, 

Vnd  schimpen  myt  dem  vure, 

De  ene  den  anderen  beghut, 

Ouer  de  brende  he  ene  wedder  tut. 

Met  stolen  vnd  myt  benken 

Kan  de  ene  dem  anderen  schenken. 

Vnredelik  is  alle  ere  bedryff. 

Van  schimpelworden  wort  de  kyff. 

Se  ropen  vnd  singen  alzo  de  stere. 

De  sangk  kumpt  van  gudeme  bere. 

Des  drynken  ze  auer  grote  toghe 

Vnd  vrouwen  hunde  vnd  soghe. 

Se  vrouwen  syk  vnd  weten  nicht  wes, 

Ok  werpen  se  sinke,  dus,  es. 

Houeske  wrowen  (!)  hebben  se  gerne, 

Vordoruen  wert  des  mannige  derne. 

De  vulle  mynsche  syk  blotet  vake, 

De  sterke  drank  is  des  en  zake. 

Nachdem  dann  von  Noe  und  seinen  SShnen  die  Rede  ge- 
wesen  und  berichtet  worden,  dass  Noe  seinen  Sohn  Cham  ver- 
flucht,  folgt  die  humoristische,  aber  recht  sarkastische  Bemerkung: 


')  In  der  Hs.  „iu  von  derselben  Hand  aus  „t"  verbessert. 

*)  Die  fehlende  Reimzeile  lautete  vielleicht  wie  oben  S.  209  „mit 
menneghen  se  to  bedde  geit". 

•)  In  der  He.  beginnt  dieser  Vera  mit  „Inepta  leticia",  was  wohl 
Tom  Rande  in  die  Zeile  geraten. 


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-    216    — 

Dat  was  in  der  olden  ee  en  sede  .  .,  (7242) 

Dat  de  wedder1)  de  benedictien  geuen  und  neraen 

Vnd  den  kinderen  ok  bequemen. 

Alzo  is  van  esau  vnd  jacobe  screuen, 

Wo  gym  wart  de  benediginge  geuen 

Van  erne,  de  ere  vader  beyde  was, 

Isaac,  sone,  loue  my  das.2) 

Dann  kommt  der  Schluss  iiber  die  Trinker: 

De  vullen  lude  willen  krolen,  (7250) 

Lude  ropen  vnd  eyseliken  vnd  lude  tzolen. 

Se  weten  nicht,  wat  ze  bedryuen, 

Efte  wor  se  de  nacht  auer  blyuen. 

Kamen  se  nicht  vppe  dat  bedde  efte  in  de  dore, 

So  ligghen  se  vp  dem  messe  dar  vore. 

Vnredelik  is  des  vullen  daet 

Vnd  de  vroude,  de  he  haed: 

Nil  bene  discernit  hie,  quern  potacio  sternit. 

Noch  an  zwei  Stellen  beklagt  Josepe  die  Folgen 
der  Trunksucht:  die  jungen  Leute  vertrinken  Sinn  und 
Verstand,  die  Vollen  und  die  Halben  sind  eine  wahre  Land- 
plage,  vgl.  f.  82 a  : 

propter  detestationem  incontinencie  mundus  perijt*)  (4508) 

Dat  crut  vnd  vruchte  worden  ane  macht, 

Dar  wart  vlisk,   vlisketent  van   gode   erst  bedacht, 

l)  ,, wedder*  =  ,veddera,  ^veder11,  flVater*,  nicht  =  „wiedera. 
%)  Vgl.  oben  die  Anmerkung  9  auf  S.  198. 

8)  Vorauf  geht  f.  81*>  unter  Berufung  auf  die  Glosse  (zu  der  Bibel ) 
eine  merkwurdige  Ansicht,  die  ich  hier  ohne  weitere  Besprechung  folgen 
lasse.    Ich  bemerke  nur,  dass  keine  Ubersetzung  des  Lateiniachen  folgt: 

Druttich  elen  was  de  arke  hoch,  (4472) 

Also  sede  de  gonne,  den  de  wyn  bedroch. 

De  arke  was  gebuwet  alto  sere  vast, 

Na  bequemicheyt  dede  id  noe  sunder  hast 

De  arke  nummer  mer  kan  vorghan, 

Me  kan  se  nicht  tohowen  edder  toslan. 

Van  den  leuen  vrouwen  de  glose  secht  also  : 

Non  potuit  frangi  aliqua  vi,  vel  arte,  nisi  addito  men- 

struo  mulierum. 
Vgl.  iiber  das  Menstrualblut  als  Zaubermittel   Ploss,   „Das  Weib  in  der 
Natur-  und  Vfllkerkunde"  I*,  351  fg. 


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—    217    — 

Dat  do  noch  vore  ny  was  gheschen. 

Ok  na  deme  watere  wyn  wart  erst  gesen: 

Esus  carnis  prirnitus  datus  est  post  diluuium. 

Vore  leveden  de  lude  also  ander  rynder 

Myt  spise  vnd  dranke,  nu  konnet  alle  kynder 

Drynken  wullen  vnd  haluen,  wan  se  komen 

Erst  to  eren  jaren,  dar  vmme  wert  en  genomen 

Redelicheyt,  synne  vnd  de  jungen  jare. 

De  olden,  de  des  nicht  plagen,  de  leueden  ane  vare, 

Eyn  islik  na  syner  lust,  auer  lange  daghe. 

De  wllen  vnd  de  haluen  synt  der  lude  plage. 

Also  de  lude  storuen  in  der  watervlut, 

Also  konnen  se  vorderuen  in  deme  bere  gud. 

Josepe  wirft  den  Rich  tern  seiner  Zeit  vor,  dass  sie  satt 
vom  guten  Bier  oder  Wein  in  schwierigen  Fallen  die  Ent- 
scheidung  treffen  und  mit  trunkenen  Zungen  den  Leuten  und 
sich  Pein  bereiten,  f.  40 b : 

Dat  eyn  mynsche  nu  nycht  werliken  weth,  (2236) 
Mogheliken  he  gode  dat  rychte  leth, 
Dat  gheit  nemende  ouel,  id  ghink  em  leuer  bat. 
Ik^mene  dat  rychte,  wan  de  lude  sint  sat 
Van  deme  guden  beren  efte  wyne, 
Vnnuchter1)  tunghen  don  der  lude  pyne, 
Vnd  sik  suluen  don  des  ghelyke. 
Strenghe  richtet  de  here  van  hemmelryke. 
Satis  periculosum  est  de  suspicione  quemquam  iudicarc.2) 
f.  41  *  Eyn  deff .  de  velen  luden  wat  stelet, 
Vnd  blift  de  vndaet  vorhelet, 
Dar  mede  me  wol  mannighen  wewracht, 
De  dar  ny  hadde  vp  ghedacht 
Vnd  ok  wul  node  hadde  dan, 
De  schuldighe  mach  wol  in  den  hupen  ghan 
Vnd  vp  den  vnschuldighen  mede  schelden. 
We  kan  der  lude  herte  melden! 


!)  In  der  Hs    beginnt  dieser  Vers,   offenbar  verderbt:   „Vnd  nicht 
der  tunghen". 

')  Am  Rande  links  von  derselben  Hand  nGregorius". 


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—    218    — 

Dar  vmme  mach  eyn  jslik  vp  syne  sunde  trachten 

Vnd  enen  anderen  also  nicht  vorachten. 

Nullum  indices  suspicionis  arbitrio, 

IUud  quod  nescis  diuino  committe  iudicio.1) 

Auch  sonst  spricht  Josepe  sich  scharf  gegen  die  S  c  h  a  d  e  n 
des  Gerichtswesens  seiner  Zeit  aus.  Die  Verbrechen  der 
Machtigen  werden  an  den  Armen  gebftsst.  Straflos  kOnnen  jene 
viel  stehlen,  w&hrend  diese  ftir  einen  geringfiigigen  Diebatahl 
in  Fesseln  vor  Gericht  gezogen  werden,  f.  40  b : 

Wan  eyn  rike  sik  suluen  vorwracht,  (2228) 

Dar  mede  werden  de  armen  bedacht, 

Dat  de  rike  weldighe  wul  ouel  deit, 

Wrake  vnd  ruchte  ouer  de  armen  gheit. 

De  ryken  deue  leth  man  ghan, 

De  armen  bunden  vor  gherichte  stan. 

Me  leth  dat  to,  dat  de  ryke  langhe  vele  stelet, 

De  arme  enes  cleynen  vnd2)  wert  ghequelet. 

Alle  Tage  kann  man  sehen,  dass  man  vor  Gericht  auf 
die  Klage  der  Armen  wenig  achtet,  nur  wer  Geld  geben  kann, 
findet  Gehflr,  wer  das  meiste  Geld  in  der  Tasche  hat,  gewinnt 
seine  Prozesse,  vgl.  f.  48 b : 

Dat  gud  is  lef  knechten  vnd  heren  (2683) 
Vnd  kan  dat  recht  wol  vmme  keren: 
Acceperunt  munera  et  peruerterunt  iudicia*) 
f.49aDat  is  in  der  olden  ee  gheschen, 
Vnd  dat  mach  me  alle  daghe  seen, 
Dar  der  armen  sake  is  nowe  hord, 
Vnd  de,  de  geuen  mach,  de  kumpt  vord. 
We  den  gennen,  de  also  rychten 
Vnd  syk  mit  der  gaue  vorplichten, 


*)  Am  Rande  rechte  von  dereelben  Hand  „Augustinus".  Diese  Worte 
des  Augustin  passten  besser  oben,  wo  die  Worte  Gregors  nur  den  ereten 
Teil  des  Gedankens  treffen.  Jedenfalls  stehen  sie  nicht  an  der  richtigen 
Stelle.  Ein  neuer  Anlass,  die  UrsprOnglichkeit  der  lateinischen  Zwischen- 
satze  zu  bezweifeln. 

*)  Diese  Stelle  ist  verderbt,  ich  weiss  aber  keine  Besserung. 

»)  Vgl.  1.  Reg.  8,  3,  wo  aber  judicium"  steht. 


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—    219    — 

Na  bede  efte  na  vrunden  raden. 

Vnrechte  rychten  kan  wol  den  schaden 

Vnd  bryngen  de  rychten  in  schande  vnd  in  last. 

Dorch  gaue  wert  recht  vnvast. 

Ve    vobis,   qui  corrupti  estis  prece   aut  precii1)  amove 

aut  odioyl)  qui  non  iura,  sed  munera,  non  iusticiam,  sed 

pecuniam,  non  quod  ius  dictat,   sed   quod  mens   cupiat, 

qui  non  indigenti,  sed  habenti1)  casus  iudicatis. 

We  den  gonnen,  de  des  rechtes  breue 

Vorkeren  dorch  gaue,  hat  efte  leue, 

Vnd  de  de  keren  vnd  wenden  dat  recht 

To  den,  de  de  mest  in  der  tasken  drecht. 

De  grote  gaue  wol  kan  maken 

Recht  vnrecht  in  alien  saken. 

Paues,  meyster  vnd  ander  vorsten, 

De  na  gelde  vnd  gude  dorsten, 

Selden  se  horen  der  armen  sake. 

Dar  vmme  vake  godes  wrake    4 

Mede  auer  de  vnschuldigen  geyt. 

Deshal  b  richtet  er  die  strenge  Mahnung  an  die  Richter, 
ohne  Unterschied  der  Person  zu  richten,  die  M&chtigen  nicht 
zum  Sitzen  zu  nStigen,  dagegen  die  Armen  draussen  im  Regen 
stehen  zu  lassen,  f.  50 a : 

0  gy  rychter  richtet  recht  (2774) 

Heren,  vrowen,  maghet  vnd  knecht, 

Dat  gyk  dat  ruchte  nicht  volge  na, 

Dar  islik  vmme  to  straffene  sta, 

Latet  de  ryken  sytten  ghan 

Vnd  de  armen  in  deme  regene  stan. 

Wylle  gy  den  rechten  weg  wanderen, 

So  rychtet  den  enen  also  den  anderen. 

Rychtet  den  armen,  horet  syne  sake, 

Waret  gy  vor  godes  wrake. 

Den  Fttrsprechen,  Anw&lten  und  Juristen  wirft  er  vor, 
dass  sie  die  Zunge,  das  edelste  Glied  des  Menschen,  verkaufen, 
um  das  Recht  zu  kriimmen.  Gott  werde  sie  beim  letzten  Ge- 
richt  zur  Verantwortung  Ziehen,  vgl.  f.  14 a  : 

')  H8.  „precio"  —  „odeo"  —  „habente". 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Alterttlmer  zu  Em  den,  Bd.  XV.  15 


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—     220    — 

Gy  vorspraken,  pladerer  vnd  juristen,  (725) 
Gy  sint  nowe  recht  cristen: 
Gy  vorkopen  dat  eddelste  let  van  dem  live, 
(Dat  vneddelste  vorkopet  de  wyue,) 
Dar  gy  mede  scholden  lauen  vnd  eren 
Jhesum  cristum,  vnsen  leuen  heren, 
Dar  mede  spreke  gy  recht  van  krum 
Vnd  maket  de  rechtuerdighen  slichten  stum, 
De  dat  recht  nicht  wol  vornemen. 
Gy  moten  gyk  des  vor  gode  schemen. 
Alle  de  myt  der  tunghen  kyuen 
Vnd  den  luden  schade  to  driuen 
Van  vorkopen  wynt  vnd  wort, 
De  beghan  rof  vnde  mort. 
Wat  wyllen  se  vor  dem  rychter  spreken, 
De  alle  vnrecht  wyl  swarliken  wreken, 
Dar  alle  sunder  scryget:  o  we,  o  wach! 
Vnd  bidden  vmme  den  donreslach,1) 
Vnd  dat  de  blixeme  se  wille  vorswynden, 
Vorbernen  vnde  alle  vorblinden, 
Vppe  dat  se  nicht  droften  to  rechte  ghan 
Vnd  to  schanden  vor  alle  der  werlt  stan. 
f.  14b  Mallent  fulgore  incendi  in  iudicio  impii. 

Von  vornherein  kSnnte  man  geneigt  sein  anzunehmen, 
dass  Josepe  auch  auf  die  Frauen  schlecht  zu  sprechen  sei  und 
ihnen  alles  bose  nachrede,  wie  es  z.  B.  f.  64*  geschieht: 

De  gyricheyt  tochter  hefft  sosse.2)  (3510) 

De  synt  truwe  also  de  roden  vosse. 

De  erste  is  fallacia  genant 

Vnd  is  alien  landen  bekant. 

Also  de  moder  is,  also  is  dat  kynt, 

Valscheyt3)  me  by  den  gyrigen  vynt. 

De  dochter  is  den  vrowen  recht, 

Den  is  bedregynghe  tolecht. 

Spynnen,  wenen  vnde  bedreghen, 


l)  In  der  Hs.  von  derselben  Hand  verbessert  aus  „donredachu. 
*)  Am  Rande  von  derselben  Hand  „Prima  filia  auaricie". 
•)  „su  aus  „1"  von  derselben  Hand  verbessert. 


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—    221     — 

Dat  is  den  wyuen  gheuen  eghen: 
Fallere,  flere,  nere  statuid  deus  in  muliere. 
De  rede  synt  war  vnd  vngeloghen, 
De  vrowen  hebben  menghen  bedroghen 
Adam,    sampsonem,    lod,    david   et   sdlomonem 
Femina  decepit,  quis  modo1)  tutus  erit. 

Aber  diese  Vorwiirfe  sind,  wie  die  lateinischen  Verse  be- 
zeugen,  althergebrachte  ohne  jede  individuelle  Farbung,  ja  auch 
ohne  die  Ausfuhrlichkeit,  die  wir  tiberall  da  bei  Josepe  finden, 
wo  er  ganz  bei  der  Sache  ist.  Selbst  an  der  Stelle,  wo  er 
auch  nach  alten  Vorgang  vor  zu  grosser  Vertraulichkeit  gegen- 
iiber  dem  Freunde  und  der  Frau  warnt,  darf  man  nicht  an- 
nehmen,  dass  sich  seine  Warnung  gegen  die  Frauen  tiberhaupt 
richtet,  er  mahnt  nur  zur  Vorsicht  gegenuber  „den  snoden 
wiventf,  den  feilen  Dimen,  vgl.  f.  104 b: 

Noli  credere  amico,  noli  confidere  in  came,   que   (5870) 

dormit  in  sinu  tuo,  custodi  claustra  oris  tui.2) 

0  kint,  loue  nicht  to  alien  stunden 

Noch  deme  wyue,  npch  den  vrunden; 

Wltu  hebben  raak  vnd  vrede, 

So  slut  dyner  tungen  stede, 

Openbare  den  snoden  wyuen  nicht, 

Dar  dy  ere  vnd  lif  ane  licht. 

Vnder  tyden  wol  kumpt  eyn  stunt, 

Konde  se  spreken  dy  in  der  helle  grunt, 

Nicht  beter,  nicht  arger  were  eyn  wyff, 

Se  vorbrynget  vnd  reddet  sele  vnd  lyff : 

Conatus  carnalis  inclinat*)  animum  ad  corrupcionem 

et  inducii  corporis  ruinam. 

In  regimine  principum  me  dat  vint: 

Ware  dy  vor  snoden  wyuen,  leue  kint, 

De  vnkuscheyt  vorblindet  sere 

Den  volger  vnd  bringet  to  were: 

Mens  excecatnr,  que  luxurie  famulatur. 

l)  Der  Schreiber  hatte  mit  „nou  angefangen,  das  er  dann  durchstrich. 

*)  Micheas  7,  5:  „Nolite  credere  amico,  et  nolite  confidere  in  duce : 
ab  ea,  quae  dormit  in  sinu  tuo,  custodi  claustra  oris  tui11.  Die  Hs.  hat 
tincino  tuo". 

•)  Hs  :  8inclinant*. 

15* 


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—    222     — 

Aus  demselben  Grande  k5nnen  hier  nicht  in  Betracht 
kommen  Verse  mit  weit  verbreiteten  Gedanken,  z.  B.: 

f.  45a  Dobelspel  vnd  vrowen  leue  (2469) 
Maket  manghen  man  to  deue, 

f.  83b  De  twe  vorbrynghen  herte  vnd  zynne  (4589) 
Vullicheyt  vnd  vrowen  mynne. 
Vinum  et  mulier  apostate  faciunt  sapientem. 

Josepe  richtet  seinen  Tadel  nur  gegen  diejenigen  Frauen, 
die  ihn  wirklich  verdienen,  z.  B.  gegen  die  Putzsiichtigen, 
Babucke  S.  32  fgg.,  und  gegen  die,  welche  ihre  Manner  be- 
stehlen,  f.  79 a: 

Eyn  deff  in  eynem  closter  bewracht,  (4353) 

Eyn  scholer  het  der  maget  macht, 
f.  79b  Eyn  vrowe,  de  to  des  mannes  tasken  geyt, 

Desse  dre  konnet  maken  arbeyt, 

sowie  gegen  diejenigen,   die  ihre  Kinder  nicht  stillen,  f.  107 a  : 
Eyn  jewelik  dar  vodet  sin  kint,  (6017) 
Wat  der  in  der  werld  sint, 
Sunder  de  visk  vnd  mennich  wyff. 

Leider  bricht  der  Gedanke  damit  ab,  es  fehlt  jedenfalls  mehr 
als  die  blosse  Reimzeile.  Auch  das  darauf  folgende  muss 
versttimmelt  sein,  wahrscheinlich  infolge  absichtlicher  Aus- 
lassungen.  Der  Gedankengang  lasst  sich  erraten.  Der  Stifter 
der  heiligen  Ehe  ist  Gott  selber.  Ihre  Wtirde  lasst  sich  aus 
der  Bibel  nachweisen.  Jesus  Christus  ehrte  durch  seine  Gegen- 
wart  die  Hochzeit  zu  Cana,  Maria  und  Joseph  lebten  in  der 
Ehe.  Alle  MGnchsorden  sind  nur  von  Menschen  gegrttndet,  sie 
stehen  bei  weitem  nicht  auf  der  Stufe  des  Ordens  der  Eheleute. 
Das  Konkubinat  hat  nicht  diese  Bedeutung.  Wer  die  heilige 
Ehe,  das  liebe  Sakraraent,  recht  kennt  in  Rechtfertigkeit  und 
wahrer  Liebe,  der  darf  selig  heissen.  Wem  Gott  die  Gnade 
gegeben,  dass  er  der  heiligen  Ehe  anhing  und  sich  ihrer  wtirdig 
gemacht,  der  hat  nicht  vergebens  gelebt.  Man  wird  zugeben, 
dass  diese  Gedankenreihe  nicht  alien  Ordensleuten  gefallen 
mochte.  Auf  ihr  Missfallen  fiihre  ich  die  schlechte  tiberlieferung 
in  den  folgenden  Versen  zuriick,  die  durch  absichtliche  Aus- 
lassungen  teilweise  unverst&ndlich  gemacht  sind.    Ich  bezeichne 


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—    223     — 

nur  diejenigen  Lticken,  die  durch  fehlende  Reimzeilen  deutlich 
erkennbar  sind.     f.  107  a  : 

Dat  hilge  echte  is  geschapen  (6020) 
Den  leygen,  ritteren  vnd  knapen, 
Dat  se  mogen  lefliken  spelen, 
De  werlde  meren,  kindere  telen, 
Dar  vmme  is  dat  hilge  echte  vunden 
Van  deme  heren  to  twen  stunden. 
Vmme  kinder  telen  dat  is  geschen, 
Dit  mach  me  in  den  boken  sen: 
Quia  dicitur  premium  nupciarum,  propter   quod  nupcie 
celebrantur  et  carnalis  cogiiatus  excusatur. 
Eyn  bewysinge  is  des  dat,  leue  kint, 
Dat  sine  elderen  in  der  echte  zint, 
De  bykindere  dat  nicht  tugen  kont, 
Wor  de  krans  van  rosen1)  is  vorront, 
f.l07bWol  dat  se  to  malen  wol  digen, 
De  kinder  kamen  sunder  vrygen 
Vnd  werden  alzo  drade  boren, 
Also  roret  is  to  voren.2) 
Alle  orde  de  me  hir  nu  vint 
Van  hilgen  luden  maket  sint: 
Sunte  bernardus  makede  den  grawen  orden, 
Benedictus  den  swarten  vnd  is  gheworden 


l)  Vgl.  in  der  Geschichte  Amons  und  Thamars  f.  84*  : 

Is  dat  syk  dat  mach  themen,  (4618) 

Du  mocht  my  to  der  ee  wol  nemen. 

Tamar  hadde  gerne  van  eme  wesen, 

Amon  begunde  tosamende  lesen 

Ane  dank  ere  juncvrowelike  cleyt. 

Dat  was  tamar  to  male  leyt, 

Se  konde  eme  myt  nichte  vntkomen, 

De  rosenkrans  was  er  benomen. 

Se  bat,  dat  se  mochte  syn  maget  blyuen 

Vnd  er  vngelucke  so  vordryuen. 

Amon  was  eyn  modink  in  der  hut, 

Myt  wait  dref  he  thamar  vth. 
')  Eine  solche  Stelle  findet  sich  in   der  erhaltenen   Fassung   des 
Gedichtes  nicht. 


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—     224     — 

Dominicus1)  makede  de  predekere, 
Sunte  franciscus  makede  de  bedelere 
Dat  hilge  echte,  dat  leue  sacrament, 
Salich  is  de  gonne,  den  dat  is  bekent 
In  rechtverdicheit  vnd  in  rechter  leue. 
Weme  god  de  gnade  geue, 
Dat  he  dat  hilge  echte  anhenghe 
Vnd  de  cronen  des  echtes  entfenge, 
De  hadde  hir  wol  gewesen. 

Ein  Erganzung  findet  diese  Auseinandersetzung  durch  die 
Ausserungen  iiber  die  Ehe  und  iiber  den  jungfr&ulichen  Stand 
f.  102  *,  die  Babucke  a.  a.  0.  35  vollig  missverstanden,  zum  Teil 
in  ihr  Gegenteil  verkehrt  hat.  Nicht  von  der  Unkeuschheit 
der  Geistlichen  ist  die  Rede,  sondern  von  der  hoffartigen  Jung- 
fr&ulichkeit,  die  sich  hoher  bewertet  als  den  Ehestand.  Sie 
scheinen  auch  nicht  mehr  vollstandig  erhalten,  sondern  durch 
absichtliche  Kurzungen  verstummelt  zu  sein.  Eingeleitet  werden 
sie  durch  Ansichten  iiber  die  Praedestination,  die  nichts  weniger 
als  kirchlich  sind,  die  aber  ausmiinden  in  eine  Erklarung,  die 
wenig  zu  dera  Vorhergehenden  passt. 

f.lOlb0  quam  incomprehensibilia  sunt  indicia  et  investigabiles  (5690) 
vie  tuey  domine.2) 

Godes  werkynge  nement  wol  kan 
To  grunde  weten,  vrowe  efte  man. 
Eyn  del  is  der  lude  vterkoren, 
Eyn  del  to  vngelucke  boren. 
De  vterkaren  al  wat  se  dut, 
Arch  wert  gym  ghewandelt  al  in  gud. 
In  des  heren  gnade  se  synt 
Hir  vnd  dar,  wor  me  se  vint, 

predestinacio  est  preparatio  grade  in  presenti  et  in  future 
Al  wat  se  don,  dat  is  wolgedan. 
Nummer  kan  id  gym  ouel  gan. 


*)  Hs. :  „Diminicu8a.    Vorher  fehlt  mindestens  ein  Reimpaar. 
*)  Hs. :  „0  quam  incomprehensibilia  et  investigabiles  sunt  iudicia  et 
vie  tue  domine11.    R5m.  11,  33. 


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—     225     — 

Se  sint  in  saliger  tid  geboren, 
Hir  vnd  dar  to  deme  hemmel  koren: 
Et  quicquid  faciunt,  perire  non  possunt,  quia  omnia  eis1) 
cooperantur  et  in  melius  conuertuntur.2) 
Dusse  dink  to  male  merlik  synt 
An  den,  de  vterkoren  sint: 
Jacob  de  was  der  vterkoren  io  en, 
Esahu  de  was  der  nu  nen: 
Jacob  dilexi,  hesau  odio3)  habui*) 
De  sulue  Jacob  hadde  twe  wif  vnd  amyen  twe 
Der  werlde  to  male  brukede  he, 
Twe  vnd  souentich  kynder  was  he  vader 
Vnd  noch  dryer  to  male  to  gader. 
Dat  en  wert  em  nu  vorkeret, 
Efte  van  nemende  do  beweret. 
De  here  let  dat  sulue  tho. 
Dar  vmme  mochten  se  leuen  alzo, 
f.l02aSe  wosten6)  wol,  se  weren  dar  to  karen, 
Dat  de  here  wolde  werden  van  gym  baren. 
Dar  vmme  vrygeden  se  vt  eren  slechte  nicht. 
Dat  is  de  zake,  dat  sy  nu  bericht, 
Esau  de  nam  van  buten  en  wyff, 
Dar  vmme  hatede  ene  dat  erlike  wyff, 
Rebecca,  de  moder,  vnd  vader  syn. 
Dusse  sake  merke,  leue  sone  myn, 
Dat  echteleuent  do  bauen  alle  stede  gink. 
Nu  is  de  juncvrowelike  stad  bauen. 
Dat  mach  me  nu  bauen  alle  lauen, 
Is  dat  se  nicht  in  deme  vnderbliuen, 
Also  de  juncvrowen  moten  alle  tid  kyuen: 
Castitas  continua  pugna,  rara*)  victoria. 


l)  Hs.:  „eiu8"  verbessert  von  derselben  Hand. 

')  Hs.:  „convertantur";  vgl.  Rom.  8,  28:  „8cimus  autem,  quoniam 
diligentibus  deum  omnia  cooperantur  in  bonum,  iis,  qui  secundum  pro- 
positum  vocati  sunt  sancti". 

•)  Hs.:  „odie".    Vor  Bhesau*  eine  Rasur. 

4)  Malachias  1,  3. 

6)  Hs.:  8mo8ten*. 

•)  Hs.:  „raro". 


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—     226     — 

De  kuscheyt  heft  steden  kyff, 
Dat  sy  man  effte  wyff ; 
Selden  dat  de  kuscheyt  wynnet. 
We  syk  auer  rechte  besynnet, 
Vnd  steyt  der  begheringe  wedder 


De  danken  gan  vp  vnd  nedder. 

Houerdich  juncvrowelike  stad 

De  myndert  der  kuscheyt  eren  grad 

Vnd  is  des  duuels  notstal: 

Superba1)  virginitas  est  nisi  prostibulum  dyaboli, 

Bose  danken  is  der  sele  val. 

Einige  Schwierigkeiten  macht  es,  mit  diesen  Anschau- 
ungen  eine  Stelle  f.  105 a  in  Einklang  zu  bringen,  die  ihnen 
direkt  zu  widersprechen  scheint,  in  Wirklichkeit  sie  noch  deut- 
licher  hervortreten  l&sst.  Es  ist  von  der  Unstate  die  Rede. 
Wie  die  Kaufleute  sind  auch  die  Verliebten  in  steter  Sorge 
die  Liebe  ist  nie  ohne  Gefahr,  der  eine  bangt  urn  den  andern. 
Die  Liebe,  die  sich  offen  hervorwagen  darf,  die  unwandelbar 
ist,  steht  immer  in  Ansehen  und  ist  ungefahrdet.  Unter  Be- 
rufung  auf  eine  Stelle  in  den  Sprichwortern,  die  die  eheliche 
Liebe  feiert,  heisst  es  darauf  vollig  nnvermittelt:  unser  Herr 
Christus  pflegt  die  rechte  (hSfische)  Liebe.  Nach  der  Bibel- 
stelle  kommt,  durch  eine  Anrede  an  den  Zuhorer  eingeleitet 
und  verscharft  die  Bemerkung,  dass  Chorherren,  Prediger  und 
Priester,  wenn  ihr  Gebet  erhflrt  werden  soil,  sich  nicht  damit 
beschaftigen  dtirfen.  Jetzt  erst  wird  die  Liebe  zu  Gott  mit 
der  weltlichen  Liebe  verglichen.  Der  Dichter  kommt  dabei 
auf  seine  erste  Ausserung  zurtick.  Die  Worte  »unse  here 
Christus"  rtihren  nicht  vom  Dichter  her,  sondern  von  einem 
allzufrommen  Leser,  der  in  dieser  Weise  die  ihm  allzufrei 
diinkende  Meinung  Josepes  berichtigen  zu  miissen  glaubte. 
Vielleicht  hiess  es  urspriinglich: 

Me  dan  de  levet  hovesche  leve. 


l)  He.:  „Superbia". 


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—     227     — 

Vnstede  is  alle  copman1)  (5901) 
Und  de  gonnen,  de  mit  amor  vmme  gan. 
Var  vnd  anxt  is  gym  alle  by, 
Vnd  sorge  werden  se  nummer  vry. 
De  kopman  sorget  vor  syn  gut, 
Deme  anderen  steyt  danke  vnd  mud, 
Wor  de  leue  henne  wonet  twar. 
De  leue  is  nummer  mer  ane  var, 
De  ene  vor  den  anderen  sorged. 
Wor  leue  is  al  vnvorborged, 
Dar  nen  wandel  mede  geyt, 
De  leue  myt  eren  lange  steyt. 
De  leue  de  de  is  vast  vnd  stede, 
De  heft  lust  vnd  guden  vrede, 
Vnse  here  christus  leuet  houesche  leue, 
Also  is  gescreuen  in  salomones  breue, 
Ok  schal  vroude  dar  wesen  by. 
f.l06bS#  vena  tua  benedicta,  et  letare  cum  muliere  adolescen- 
cie  tue.2) 

0  leue  sone,  des  nu  loue  my, 
We  nu  schal  singen,  predeken  vnd  lesen, 
De  mach  dusser  dinghe  anich  wesen, 
Schal  sin  beth  to  gode  komen. 
De  leue  to  gode  de  mach  vromen, 
De  wertlike  leue  is  alzo  de  wint, 
De  me  vp  enen  wesende  nicht  lange  vint. 
So  is  de  hir,  so  is  de  dar, 
He  brynget  mengen  in  Hues  var, 
So  is  he  warm,  so  is  he  kolt, 
Vele  danken  maket  de  lude  olt. 
jE&8)  leuior  vends,  quern  agit  distractio4)  mentis. 

Dasselbe  freimiitige  Urteil  finden  wir  in  alien  Teilen  des 
Gedichtes.  Nach  f.  38 b  sieht  Gott  der  Herr  nicht  auf  das 
Kleid,  sondern  auf  das  Herz,  das  darunter  schl&gt.    Ein  frommes 


*)  Hs.:  ,copmam". 
*)  Proverbia  5,  18. 
»)  Hs.:  „Sum\ 
4)  Hs.:  tdi8tracus". 


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—     228     — 

Herz  findet  man  oft  unter  einem  goldgeschmtlckten,  feinen 
Kleide,  w&hrend  die  unscheinbare  graue  Kutte  eines  Cister- 
ciensers  oft  ein  boshaftes  Herz  deckt: 

De  cledinghe  is  des  mynschen  ere,  (2129) 
De  bur  enen  sak,  syden  de  here, 
Eyn  jewelik  na  sinem  state. 

Non  licet  regem  induere  sacco,  nee  rusticam  vestire  serico.1) 
De  hogheste  doghet  to  alien  dinghen  mate, 
De  here  richtet  nicht  allene  dat  cleyt, 
Mer  dat  herte,  dat  dar  ynne  sleyt.2) 
Eyn  jnnych  herte  me  vint  vaken 
In  eneme  ghuldene  stucke,  in  guden  saken, 
An  eyneme  grawen  rocke  en  herte  vorbolghen, 
f.  39aWan  eme  de  wait  mochte  volghen, 
He  scholde  sik  an  homode  ouen. 
An  der  cledinghe  kan  me  ouel  prouen 
Des  mynschen  danken  efte  syn  herte, 
Den  anderen  richten  brynghet  smerte, 
Dat  an  ruchte  vnd  an  ere  gheyt. 
Eyn  gud  ruchte  is  dat  alderbeste  cleyt, 
Dat  me  dreghen  kan  vp  erden, 
Nen  beter  cleyt  nummer  kan  werden. 
Eyn  gud  ruchto  is  beter  wen  golt, 
Wan  eyn  mynsche  de  werkynghe  mede  holt. 

Schon  hieraus  ergiebt  sich,  dass  Josepe  sich  auch  den 
Geistlichen  gegeniiber  die  voile  Unbefangenheit  des  Urteils 
gewahrt  hat.  Das  lasst  sich  noch  genauer  nachweisen. 
Babuckes  Beispiel  zeigt,  dass  die  Gefahr  nahe  liegt,  Josepes 
Ausserungen  vSllig  misszuverstehen.  Man  muss  nicht  bios  seine 
Urteile  iiber  Ordensleute  und  tiber  Weltgeistliche  sorgfaltig  aus- 
einanderhalten,  sondern  auch  bei  den  Ordensleuten  scharf  auf 
alle  Einzelheiten  achten,  um  zu  erkennen,  welche  Orden  Josepe 
im  Auge  gehabt.  Nach  Babucke  S.  5  bezeichnet  er  ganz  all- 
gemein  das  Leben  in  den  Klftstern  als  voller  Missbrauche  und 
die  Mftnche  als  zum  grossen  Teil  rohe,  zuchtlose  und  faule 
Gesellen.    Das  ist  durchaus  nicht  der  Fall. 


')  Am  Rande  links  ein  Stern  eingekratzt,  um   auf  diese  Stelle  auf- 
merksam  zu  machen.  ■)  Hs.:  „steyt\ 


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—     229    — 

In  Wirklichkeit  richtet  Josepe  seinen  Tadel  gegen  ganz 
bestirnmte  Orden.  Er  hebt  hervor,  dass  die  Schaden,  die  sich 
in  den  K15stern  zeigen,  von  jeher  bestanden,  dass  es  stets 
neben  Monchen  wie  Petrus  solche  wie  Jeze,  Judas  und  Ananias 
gegeben  habe.  Wer  sich  urn  des  guten  Lebens  willen  einen 
Platz  in  einem  Kloster  oder  Stifte  erkaufe,  begehe  Simonie,  wenn 
er  das  Geld  auch  nicht  dem  Abt  in  die  Hand  gebe,  sondern 
es  als  Opfer  auf  den  Altar  lege.  So  komme  mancher  ins 
Kloster,  der  sich  hSchstens  dazu  eigne,  dieSchweine  zu  htiten. 
Das  lateinische  Zitat  urteilt  viel  scharfer  als  die  darauf  fol- 
genden  deutschen  Verse,  ohne  dass  hier  an  eine  absichtliche 
oder  zufallige  Ausslassung  gedacht  werden  muss.  Man  hat  den 
Eindruck,  als  sollten  nur  die  des  Lateinischen  Kundigen^die 
ganze  Wahrheit  verstehen.  Es  ist  sicher  nicht  Reimzwang, 
wenn  den  Monchen  vorgevvorfen  wird,  sie  lebten  wie  weltliche 
Kanoniker.  Kinder  durfen  nicht  eingekleidet  werden,  die, 
wenn  sie  zu  Verstand  kommen,  lieber  wie  Knechte  hinter  dem 
Pfluge  gehen  wtirden.  Was  hat  die  Verwandtschaft  von  einem 
M5nche  zu  erhoffen!  Die  Kutte  ist  das  gierigste  Kleid.  Der 
ftberfluss  beim  Nichtstun  erzeugt  Hass  und  Feindschaft  in  den 
Klostern,  wie  auch  ein  untatiges  Pferd,  das  zuviel  Futter  be- 
kommt,  um  sich  beisst  und  schlagt. 

Es  handelt  sich  hier  offenbar  nur  um  die  reichen  Kloster 
und  Stifter,  die  den  jungeren  Sohnen  der  Adligen  offenstanden, 
und  deren  Insassen,  ohne  sich  an  Ordensregeln  zu  binden,  wie 
weltliche  Kanoniker  lebten. 

Horen  wir  nun  Josepe  selbst,  f .  76 b : 

Me  vint  symoniam  in  alien  orden,  (4200) 
Vnd  dat  is  nu  nicht  erst  geworden, 
Dar  hebben  de  poeten  van  bescreuen: 
In  templo  dornini  sunt  semper  quatuor  isli, 
Cum  jesi  judas,  cum  petro  fur  ananias. 
By  jeze  nimpt  me  symoniam  vp,  (?) 
Myt  iuda  stan  de  valschen  broder  an, 
Myt  petro  de  rechtuerdigen  gat  stan, 
Myt  anania  de  deue  betekent  synt, 
Dusse  vere  me  in  alien  klosteren  vint. 
De  gonnen,  de  syk  an  eyn  kloster^  geuen, 


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-     230     - 

Dar  vmme  dat  se  mogen  wol  leuen 
Vnt  eten  vnd  drinkent  alle  tyd  sat, 
f.  77aGheuen  se  vor  de  prouen  wat, 
So  is  symonia  myt  ene1)  ane  var, 
De  dat  gift,  de  nympt  beyde  par. 
Hore,  wo  dar  van  is  bescreuen: 
Ab  intrantibus  nil  debet  exigL2) 
Wyllen  se  nicht  in  de  hant  geuen, 
So  wert  dat  vp  dat  altar  lecht. 
Dat  schal  offer  syn,  de  abbet  secht. 
Wor  vmme  offerden  se  nicht  er  also, 
Er  se  den  monnik  makeden  yo? 
Mannich  mot  de  kappen  dregen, 
He  mochte  leuer  den  swynen  plegen. 
Cappam  accipiunt,  non  vt  voluntati2)  diuine 
obediant,  sed  vt  sine  labore  commessationes 
Et  ebrietates  exerceant  et  sine  cura  delicate  viuant. 
Dat  en  sint  nicht  rechte  monnike, 
De  dar  leuen  in  den  vollen  also  ander  kanonyke. 
Cappa  non  facit  monachum,  sed  obediencia  et  vita 
Regulares,  et  qui  secundum  regulam  debite  viuunt. 
Kynder  werden  in  kappen  geuen, 
De  vele  leuer  de  ploch  dreuen, 
Wan  se  tho  syk  suluen  kamen. 
Wat  kan  den  vrunden  de  kappe  vraraen, 
De  de  nement  vullen  efte4)  saden  kan! 

5) 

De  kappe  is  dat  girigeste  clet 
Vnd  mer  vul  hat,  wan  ik  jenich  wet. 
Wat  is,  dat  nu  telet  afgunst  vnd  had 
Mank  luden,  de  besloten  ghat, 
Nycht  wen  der  spise  ouervlud. 
f.  77b  Dar  van  wasset  herte  vnd  mud. 


l)  H8.:  ,eme', 

*)  Am  Rande  rechts:  „Raymundus\ 
•»  Hs.:  „voluntate",  im  folgenden  „obediunt",  viuunt". 
«)  Hs.:  vor  ,efte«  „ef". 

5)  Vielleicht  sind  auch  hier  absichtlich  die  Reimzeile  und  weitere 
Verse  ausgelassen. 


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—    231    -- 

Eyn  perd  dat  in  dem  selen  tuth, 

Vnd  seldene  gude  haueren  suth, 

In  groter  bequemicheit  dat  pert  vorgeyt. 

Dat  vulle  pert  ane  arbeyt,  dat  bit  vmme  vnd  sleit. 

Nach  der  oben  S.  213  angefiihrten  Stelle  f&hrt  Josepe 
fort  f.  77 b :  Kutte  und  Herz  leben  in  Zwietracht  zum  Schaden 
der  Seele.  Auch  die  alten  Leute,  die  ins  Kloster  gehen,  urn 
dort  bequem  zu  wohnen  und  zu  leben,  begehen  Simonie.  Dann 
bespricht  er  die  Klosterleute,  die  sich  dem  Judas  vergleichen, 
Laienbriider  und  Laienschwestern,  sowie  M5nche  und  Nonnen 
zusammenfassend. 

Wan  twidracht  heft  cappe  vnd  herte,  (4254) 
Dat  bringet  der  armen  sele  smerte: 
Habitus  corporis  sine    corde   periculum  videtur   anime. 
De  olden  de1)  syk  in  de  clostere  geuen, 
Vmme  dat  se  mogen  ane  sorge  leuen, 
Vnd  hebben  wonynge  vnd  wys  brot, 
Vnd  cledinge  vnd  wes  gym  is  noet, 
Ik  loue,  dat  se  symoniam  sterken. 
Dat  mach  me  in  den  boken  merken: 
Non  enim  deus,  qui  seruiunt  ewangelio,  ordinat  querere2) 
delicias,  sed  tantum  denote   viuere2)   et  querere  eternas 
diuicias  etc2) 

By  iuda  sint  de  valschen  brodere  vpgenomen, 
De  nicht  van  doget  in  de  cappen  kamen, 
Leygen,  prester,  vrowen,  we  se  synt, 
f.  78a  Eyn  islik  synen  del  wol  vynt. 

Judas  hadde  syk  to  den  heren  geuen, 
He  hadde  beter8)  van  eme  bleuen, 
Do  he  sik  nicht  wolde  bekeren 
Vnd  don  na  deme  worde  des  heren 
Und  na  den  teken  vnd  wunderwerken. 
De  valschen  broder  mach  me  merken, 


*)  In  der  Hs.:  vor  „dea  durchstrichenes  wf4. 

*)  Hs.:  „querera",  im  folgenden  „devote  viuere1*  fiir  „deu  mit 
dariiberatehendem  „teu  und  „vuleu  der  Hs.,  am  Schlusse  hat  die  Hs.  die 
Abk&rzungen  „du  „hea,  mit  denen  ich  nichts  anzufangen  weiss. 

•j  Hs.:  „bet". 


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—    232     — 

De  de  abbet  vnd  pryor  schal  dwyngen, 
Dat  se  lesen,  arbeyden  vnd  syngen, 
Vnd  dat  se  to  kapittel  ghan, 
Beden,  vasten,  correction  entfan. 
De1)  me  in  ouertredinge  vnhorsam  vint, 
Merke,  eft  dar  nicht  welke  mede  synt. 
Hadden  se  des  macht  vnd  konden  vorraden 
Den  abbet,    vnd   mochten  se  den  den  pryor  braden, 
Ik  vrage,  wer  dat  nicht  schege. 
Ok  eyn  de  de  lange  ynne  leghe 
Dorch  vnhorsam  edder  ander  ouele  daet, 
Also  ere  penitencie  to  gaet, 
Myt  al  den  de  syk  ouel  theret, 
Judas  sin  myt  gym  regeret. 
De  ouerste  des  closters  is  in  nod, 
De  gym  besorget'spise  vnd  brod: 
In  periculo  magno  versatur,  qui  in  religione  sublimatur.2) 
Wo  kan  en  man  van  alien  vordenen  dank, 
Dar  sovoge  kragen  synt  mank?8) 
We  velen  denet,  de  denet  nemen4) 
Qui  communitati  seruit,  netnini  seruit. 
Auer  vele  lude  denet  wol  enen.6) 
De  stat  nicht  lange  in  vrede  steyt, 
Wor  radet  de  gantze  menheyt. 
f.  78b  Vele  lude  radet  mer  wan  en, 

Turba  multa  melius  iudicat  quam  vnus  tantum*) 

Wan  dat  se  enen  korden  then. 

To  lange  endracht  nowe  besteyt, 

Wor  wait  ouer  den  ouersten  geyt, 

De  de  schal  en  stichte  vorstan, 

Vnd  alle  dink  schal  rechte  dore  gan. 

Vele  lude,  de  vnvorvaren  synt, 

Cleynen  rad  me  dar  by  vynt. 


>)  Hs.:  „den". 

*)  Am  Rande  rechte:  ,,gregoriu8". 

»)  Hs.:  .,manktu. 

*)  „nemen"  in  der  Hs.  verbessert  aus  „nement". 

5)  Hs.:  „enem". 

•)  Am  Rande  rechte:  „philosophusu. 


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—     233     — 

Wan  de  vngenanten  scholden  raden, 

So  sint  de  vorsochten  sere  vorladen, 

Selden  dat  deme  bleke  ere  schut, 

Vbi  multitudo,  ibi  confusio,  ubi  confusio,  ibi  nulla 

certitudo,  scilicet  in1)  iudicando  et  regendo, 

Also  me  dat  in  alien  enden  suth, 

In  steden,  in  closteren,  in  alien  enden, 

Wor  syk  de  lude  henne  wenden. 

Wor  her  omnis  rate  reth  vnde  geyt, 

In  eren  dat  stichte  nicht  langhe  steyt. 

Ausdriicklich  erklart  Josepe,  er  hoffe,  dass  die  Zahl  der 
ttichtigen,  treuen  M5nche,  die  nach  Petrus  sich  richten,  die 
aller  tibrigen  tibertreffe.  Die  Stelle  ist  wieder  verktirzt,  viel- 
leicht  fehlt  mehr  als  die  eine  Reimzeile. 

By  sunte  peter  synt  genant  (4315) 

De  vromen,  truwen  broder  bekant, 

De  dem  ouersten  vnderdanich  synt. 

Dat  me,  also  ik  hope,  mest  vnde  mer  vint, 

Wan  alle  de  anderen  alto  male 


Hore,  vrunt,  sunte  anthonius  rede, 
Wo  he  to  synen  kumpane  sede: 
Wy  sint  alle  van  gode  schapen  vnd  worden, 
Van  deme  heren  koren  in  den  orden, 
Vnd  sint  monnike  vnd  prestere  heten. 
Wylle  wy  nu  des  namen  neten, 
f.  79a  So  mote  wy  vnderdanich  syn  den  heren 
Vnd  vns  van  der  werlde  keren: 
Filii  mei,  vocauit  nos  in  ordinem  monachorum2) 
Dotninus    et  sacerdotiutn,   we8)   videatur   falsum   nomen 
id  in  nobis,  fiat  in  orando  el  obediendo  etc. 
De  vramen  broder  volget  anthonius  lere, 
De  wyl  hoghen  christus,  vnse  here, 
Vor  al  den,  de  nu  vp  erden  sint, 
Also  me  darvan  bescreuen  vynt: 


')  „in"  habe  ich  hinzugefugt. 
*)  Am  Rande  rechts:  „Antoniusu. 
»)  Hs.:  „videatur  neu  .  .  ,,fit". 


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—    234    — 

Ponatn  eutn  excelsum  pre  omnibus  regibus  terre.1) 

Vnse  leue  here  syne  dener  nicht  vorleth, 

De  sines  namen  vnd  lidendes  nicht  vorgeth. 

Unvollst&ndige  ftberlieferung  muss  man  wieder  annehmen 
bei  den  Bemerkungen  Josepes  fiber  die  falschen,  un- 
getreuen  M5nche,  die  Diebe  in  den  KlQstern,  die  sich 
nach  dem  Ananias  richten.  Es  sind,  was  aus  den  erhaltenen 
Worten  des  Dichters  nicht  mehr  hervorgeht,  diejenigen  MSnche, 
die  ihre  selbst&ndige  Stellung  im  Kloster  benutzen,  urn  aus 
den  Mitteln  des  Klosters  ihre  Verwandten  zu  unterstiitzen.2) 

By  ananyan  den  vntruwen  merk,  (4337) 

Valsk  vnd  vntruwe  was  sin  werk. 

Deue  me  in  den  klosteren  vynt. 

Wol  dat  se  begeuene  monneke  synt, 

Noch  droueget  se  de  gyricheyt, 

Dat  se  komen  in  grot  herteleyt. 

My  wundert,  wor  vmme  de  leuen  heren, 

De  de  sitten  vnd  sint  in  groten  eren 

Vnd  hebben  nenerleye  brak 

Vnd  maken  syk  vnd  den  heren  vngemak, 

8) 


Ok  weten  se  ere  bote  vnde  plage, 
Dat  se  seten  lif,  sele  vnd  de  ere  to  wage, 
Vnd  weten  wol  ere  bote  vnd  scrift: 
Quia  paratus  expectat  te  interitus*) 


')  Am  Rande  rechts:  „psalterium",  vgl.  Psal.  88,  28:  „et  ego 
primogenitum  ponam  ilium  excelsum  prae  regibus  terrae". 

*)  Vgl.  in  den  Predigten  uber  das  Vaterunser  Hs.  E.  65,  IV  der  St. 
Nikolaikirchenbibliothek  zu  Greifswald  (siehe  meine  Mitteilungen  aus  den 
H8S.  dieser  Bibliothek,  Greifswald  1902,  S.  16)  f.  123*  :  „quartum  in  quo 
consistit  vana  supersticio  i.  e.  falsa  religio,  est  habitus  religionis,  quando 
accipitur  non  causa  serviendi  deo,  sed  causa  habendi  securitatem  de 
victu  cotidiano,  sicut  in  multis  filiis  nobilium,  qui  monachantur  et  canoni- 
zantur,  ut  victum  habeant  et  hereditatem  fratrum  suorum  non  diminu- 
ant,  et  si  ad  dignitates  ordinis  pertingant,  de  rebus  pauperum  parentes 
suos  repleant". 

*)  Hier  ist  eine  Lucke  anzunehmen,  die  mehr  als  ein  Reimpaar 
umfasst. 

*j  Am  Rande  rechts:  „andreas". 


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—    235    — 

.......       .*) 

Eyn  def  mot  hebben  twygerleye  var, 

Hyr  vor  dat  lif,  vor  de  sele  dar. 

Darauf  folgen  die  oben  S.  222  mitgeteilten  Verse.  t)er 
Abschnitt  schliesst  dann  f.  79 b  mit  einer  allgemeinen  Bemerkung, 
die  den  Gedanken  S.  230  wieder  aufnimmt. 

Stelen,  haten  vnd  grote  afgunst  (4357) 

Is  der  valsken  monnyke  kunst 

Vnd  aller  begeuener  lude 

fere  omnis  religiosus  videtur  esse  odiosus. 

Wan  de  hat  vnd  afgunst  dede, 

So  hadden  de  begeuenen  to  male  guden  vrede. 

Die  Geschichte  von  dem  Hofmann,  der  in  ein  Kloster  strenger 
Observanz  treten  will,  bildet  den  Schluss  der  ganzen  Auseinander- 
setzung  fiber  die  Monche :  sie  soil  zeigen,  dass  es  auch  ganz  un- 
tadelige  KISster  giebt,  wo  alle  vom  Abt  bis  zum  letzten  MQnch 
der  strengen  Ordensregel  folgen.  Es  ist  unzweifelhaft  ein  adeliges 
Kloster,  aber  eines,  das  reformiert  worden,  vgl.  S.  208. 
f .  79b  De  bose  geyst  vorvolget  se  alle  (4363) 

Vnd  brynget  se,  wor  he  kan,  to  valle. 

Dar  van  eyn  mirakel1)  steyt. 

Eyn  haueman  sochte  salicheyt, 

In  en  kloster  dat  he  quam, 

Enen  strengen  orden  dar  he  annam. 

Wor  de  monnike  stunden  efte  gyngen, 

De  kappen  gym  wul  duuele  hyngen. 

Deme  hauemanne  wart  ser  banghe, 

He  mende,  dar  nicht  bliuen  langhe. 

Io  he  hilger  was  de  man, 

Io  mer  bosen  hengen  em  an. 

Deme  abbete  dede  de  haueman  clage 

Vnd  sede,  ik  hebbe  rouet  myne  dage, 

Mer  duuele  ik  ny  werlde  sach, 

Ik  wyl  vnd  mot  vp  eyn  ander  lach. 

')  Es  fehlt  eine  Reimzeile 

*)  Am  Rande  links  „iraculum",  vom  „m"  ist  der  dritte  Strich  er- 
halten,  das  ubrige  beim  Beschneiden  fortgefallen. 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Altertamer  za  Emden,  BU.  XV.  16 


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—    236    — 

De  abbet  sede,  o  leue  man, 

Lat  desse  dyng  twe  dage  vore  gan. 

Do  de  twe  dage  vmme  quemen, 

Twe  heren  den  haueman  to  syk  nemen, 

Se  voren  hen  to  ener  stad, 

De  haueman  vppe  deme  wagene  ?at. 
f.  80*  Do  se  vor  dat  dor  dar1)  quemen, 

De  abbet  dede  deme  manne  enen  remen, 

Vnd  sede,  wat  du  sust,  dat  knutte  dar  jn, 

Dar  mede  kumpt  dy  dat  in  den  syn. 

En  duuel  vp  den  dore  sat, 

De  haueman  wol  sach  dat, 

Dat  knuttede  he  an  sinen  remen. 

Do  se  by  den  market  in  de  stat  quemen, 

Dar  was  eyn  stolt  dans  wol  na  kore, 

Eyn  wanschopen  duuel  de  sprank  vore. 

De  bose  schickede  dar  den  dans, 

Achter,  mydder,  vore,  algans, 

He  was  achter,  vore,  hir  vnd  dare 

Vnd  he  nam  des  volkes  gude  ware. 

Vateme,  dusynge,  guldene  smyde, 

Suluerne  stucke,  enge  vnde  wyde, 

Mannichualt  was  de  cledynge  dar, 

Eyn  jslik  nam  des  synes  enwar, 

Dar  he  wyllen  vnd  leue  to  droch. 

Do  se  des  dantzes  hadden  noch, 

De  abbet  in  de  herberge  vor, 

De  haueman  knuttede  in  synen  snor 

Al  dat  wunder,  dat  he  dar  sach. 

Des  morgens  betalede  de  abbet  dat  lach. 

Do  se  wedder  to  hus  quemen 

Vnd  myt  worden  syk  vndernemen, 

Do  sede  de  haueman,  wat  he  hadde  sen. 

De  abbet  sede,  alle  heyl  mote  dy  schen. 
f.  80b  De  duuel,  de  vp  den  dore  sat, 

De  regeret  de2)  gantzen  stat 

Vnd  alle,  de  in  dat  dor  dar  komen, 

*)  H8.:  „dat  dar41.  *)  Nach  „de"  eine  Rasur.    In  der  folgenden 

Zeile  fehlt  in  der  He.  .dar". 


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—    23?    — 

By  deme  dantze  hestu  ene  vornomen> 

De  dans  is  des  duuels  vromen.1) 

Al  dat  volk  was  vnderdan 

Dem  bosen  alien  sunder  wan. 

De  deme  bosen  denet,  den  deyt  he  nicht, 

We  sik  na  godes  denste  rycht, 

Also  hyr  myne  heren  don  alle, 

Den  kan  de  bose  nicht  bryngen  to  valle. 

Dar  vmme  gym  also  vele  totuth, 

Dat  me  nowe  ere  kappen  edder  schepeler  sut, 

Dat  se  menen,  se  wyllen  se  to  valle  bryngen, 

Vnd  wyllen  gym  vorstoren  lesen  vnd  syngen. 

Do  de  haueman  de  dyng  horde, 

Do  sede  he,  my  haget  wol  de  orde. 

Hyr  ynne  wyl  ik  in  godes  namen  steruen 

Vnd  wyl  myner  sele  gnade  weruen. 

Dat  my  myn  here  wyl  tovoghen, 

Dar  ane  schal  my  to  malen  wol  nogen. 

Alle  myne  sunde  synt  my  leyt: 

Ik  laue  gode  vnd  gy  vnderdanicheyt.2) 

Ungew5hnlich  scharf  findet  Babucke  die  Ausserungen 
Josepes  gegen  die  Kloster  bei  Besprechung  der  „Usuraa.  Zwei 
Stellen  kommen  hier  in  Betracht,  die  zweite  sch&rfer  als  die 
erste,  was  Babucke  gar  nicht  bemerkt  hat.  Ich  lasse  Josepe 
das  Wort,  f.  69 b: 

Vsura8)  is  de  dochter  gen  ant,  (3808) 

Mankt  leygen  vnd  papen  is  se  bekant. 

De  gestliken  vnd  werliken  orden 

Synt  gekomen,  telet  vnd  worden 

Von  der  dochter,4)  na  myneme  wane. 

Wan  wokenere  vnd  gyrige  kumpane 

*)  Diesen  Vers  halte  ich  fur  einen  Zusatz  des  frdmmelnden  Be- 
arbeiters,  vgl.  S.  226. 

*)  Zum  Schluss  erinnert  der  Dichter  noch  daran,  dass  er  im  letzten 
Abschnitt  von  Simonia  gesprochen: 

Nu  de  symonya,  de  dochter  secht, 
De  godes  gud  vorkoft  vnd  vorkopen  plecht: 
Vendere  non  timeo,  quae  sunt  grata  deo. 
*)  Vorher  geht  die  S.  209  angefuhrte  Stelle. 
*)  Vor  „dochter"  ein  ,,rlt  ausgestrichen. 

16* 


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—    238    - 

Den  klosteren  vnd  den  kerken  geuen, 
Wan  se  hir  nicht  kont  lenger1)  leuen, 
So  komen  se  in  des  stichtes  bok. 
Mennich  arm  sent  gym  na  synen  vlok, 
Den  se  hebben  hir  betogen, 
Afgewokert  vnd  bedragen. 
De  girigen  riken  grot  arbeyt  doet 
To  sammelnde  dat  tidlike  gud, 
Des  he  ane  synen  dank  entberen  mod. 

2) 

Aldus  driuen  de  ryken  herteleyt, 
.  Vnd  de  arme  ane  sorge  to  bedde  geyt. 
Diues*)  diuicias  non  congregal  absque  labore, 
Non*)  tenet  absque  meiu,  non  deserit  absque  dolore. 
Wan  den  kumpt  der  sorge5)  dach, 
Dat  de  rike  karge  nicht  mer  enmach 
f.  70*  Vnd  mod  denne  ane  synen  dank  steruen, 
So  erst  schal  me  erne  vrede  weruen: 
De  monnike  efte  de  leuen  bagynen, 
Dat  ene  de  duuel  nicht  enpynen, 
Se  schollen  vor  erne  bidden  den  heren, 
Dat  he  syne  gnade  wyl  to  em  keren. 
Syne  schult  wyl  he  enen  anderen  bevalen, 
Suluen  enwolde  he  nu  betalen. 
Merke  de  lere  darvan  bescreuen: 
Fac  bonum,  dutn  vivis,  post  mortem  viuere  sy  vis?) 
Wy  schollen  don  gud  de  wyle  wy  leuen, 
Den  heren  vnd  de  lude  betalen. 
Mannich  vorsumet  dat  erne  is  beualen. 

Die  andere  Stelle  findet  sich  f.  72 b.  Wahrend  im  alten 
Testament  kein  Priester  von  einem  Wucherer  ein  Opfer  nahm, 
sondern  ihn  aus  den  Tempel  wies,  ist  die  Auffassung  in  der 
neuen  Ehe  eine  ganz  andere: 


0  In  der  Hs.:  „lenku. 

')  £8  fehlt  mindestens  die  Reimzeile. 

*)  Am  Rande  links  von  derselben  Hand  npoetice". 

4)  In  der  Hs.:  „non"  noch  in  der  vorhergehenden  Zeile. 

5)  Vor  „sorge"  Spur  einer  Rasur. 
e)  Am  Rande  rechts  „metrice". 


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—    239    — 

Nu  buwen  se  kerken  vnd  cluse,  (3967) 
Wyuen  vnd  kinderen  grote  huse: 
De  nyge  ee  vorsmad  nicht, 
Den  wat  gloyendes  in  dem  wure  licht. 

Die  Priester  der  neuen  Ehe  nehmen,  was  sie  kriegen 
kSnnen,  nur  was  im  Feuer  gliiht,  lassen  sie  liegen.  So  konnen 
die  Wucherer  jetzt  Witwen-  und  Waisenhauser,  Kirchen  und 
Kapellen  bauen,  ja  sie  werden  eingetragen  in  die  Totenbticher 
der  Kloster  und  Stifter.  Der  Grimm  Josepes  richtet  sich  also 
wieder  gegen  die  Stifter  und  Klftster,  die  auf  tlbermassigen 
Reichtum  ausgehen,   sowie  gegen  die  Weltgeistlichkeit. 

Die  Stellungnahme  Josepes  gegen  die  letztere,  womit 
wir  uns  jetzt  zu  beschaftigen  haben,  wird  uns  auch  lehren,  in 
welchem  Orden  wir  ihn  selbst  suchen  miissen.  Betrachten  wir 
zunachst  sein  Verhalten  gegen   die  Weltgeistlichen  tiberhaupt. 

Ganz  allgemein  gehalten  sind  die  Vorwtirfe,  die  Babucke 
als  heftigen  Tadel  der  Ausschweifungen  und  tiblen  Sitten  der 
Geistlichen  bezeichnet.  Wirklich  harmlos  sind  die  Bemerkungen 
bei  der  Luxuria  f.  102 b  : 

De  prestere,  de  bose  bilde  geuen,  (5770) 

Vnredelike  myt  den  leygen  leuen 

Vnd  don  wat  se  suluen  vorbeden, 

Der  lude  zele  se  vorleden 

Vnd  ere  eghen  se  suluen  vordomen, 

De  ouel  don  vnd  sik  des  vorromen  .  .  . 

De  prestere  ere  zunde  vake  bichten, 

Wan  se  hebben  de  zunde  erst  getan, 

To  hant  se  to  der  bicht  gan, 

Dar  vmme  kan  me  se  nicht  richten 

Den  leygen  lich  vnd  ander  wichten. 

Und  erst  recht  f.  81 a ,  wo  „leygen  und  papen"  nur  formelhaft 
flir  Jedermann  steht. 

Luxuria,  vnkusheyt  is  de  sunde  nant  (4444) 
Vnd  is  leygen  vnd  papen  bekant, 
De  gantze  werld  is  dar  mede  bestrowet, 
De  duuel  is  der  der1)  sunde  vrouwet. 


*)  Hs.:  „is  der  sunde".    Der  Teufel  freut  sich  dieser  Sunde. 


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—     240     — 

Starker  sind  diejenigen  fiber  die  Teilnahme  der  Geist- 
lichen  am  Wiirfelspiel,  bei  dem  sie  das,  was  in  der  Kirche  als 
Opfer  gegeben,  vergeudeten,  f.  44 a,  vgl.  nachher  „van  den 
dobeleren".  Vielleicht  handelt  es  sich  hier  nur  urn  „lant- 
papen",  wie  der  „pastora  im  Buschmann  „mit  sinen  geburen 
to  krughe  ginga,  vgl.  dieses  Jahrb.  XIV,  13. 

Vornehmen  Geistlichen  wird  vorgeworfen,  dass 
sie  wie  weltliche  Herren  sich  kleideten  und  zwar  wie  Ritter 
auftraten,  mit  dem  Schwerte  in  der  Hand.  Die  schlimmste 
Schuld  haben  ihre  Vorgesetzte,  die  sie  durch  Bestechungen  von 
dem  Einschreiten  dagegen  abhalten,  f.  75 b : 

Noch  sind  vnlimplike  mere,  (4158) 
Dat  de  gestliken  nu  achten  sere 
f.  76aLeygen  werf,  cledinge  vnd  stat, 

Vnd  myt  den  leygen  dregen  ere  gewaet. 
Myt  den  ritteren  vnd  myt  den  knapen 
Holden  se  tho,  vnd  godes  wapen 
Dat  wert  van  gym  vndertreden, 

j) 

An  beyden  syden  se  gans  vordullen. 

De  platte  is  gym  allene  bevolen, 

Nu  wyllen  se  vechten  vnd  slan  mit  den  swerden. 

Anders  sunte  peter  de  here  lerde: 

Styk  dyn  swert  in  dyne  schede,  he  sede. 

Dar  gaf  de  here  to  vorstande  mede, 

Dat  de  prester  scholden  holden  vrede 

x) 

Nemo  militans  deo  inplicat  se  negociis  secular  (bus1): 

predica,  obsecra,  increpa*)  etc. 

Also  secht  paulus  ad  thimotheum, 

Dat  de  lerden  mogen  gan  ad  chorum 

Vnd  denen  deme  almechtigen  gode,4) 

Vnd  leren  den  leygen  vnses  heren  bode. 


*)  Es  fehlt  die  Reimzeile. 

*)  Paulus  ad  Timotheum  n,  2,  4,  in  der  Hs.  Bseclaribus"  in  der 
folgenden  Zeile. 

8)  Ebenda  II,  4,  2:  „praedica  verbum,  insta  opportune,  importune, 
argue,  obsecra,  increpa  in  omni  patientia  et  doctrina". 

*)  Vor  „gode"  durchstrichenes  „d". 


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—     241     — 

We  nu  dusseme  anders  deyt 
Eft  eme  dar  auer  vnwylle  besteyt, 
Dat  he  wert  gegrepen  vnd  geslagen, 
Qui  amat  periculum,  peribit  in  illo,1) 
Weme  wyl  efte  mach  he  dat  clagen! 
Nu  wyllen  de  lerden  ouen  hauewerk. 
Rechte  twyuelere  darby  merk, 
Se  hebben  platten  vnd  rydders  gewade, 
To  beyde  komen  se  alto  spade. 
Se  ouen  syk  nicht  in  presters  ampt, 
f.  76b  Efte  an  rydderscop,  also  tosampt 
Verderuen  se  an  beyden  delen. 

Clerici2)  in  habitu  militum  vagan(z)  et  neutrum  proficiunt, 
quia  non  vt  miliies  pugnant,  nee  vt  clerici  ewangelisant. 
Runde  wnden  wilt  node  helen 

*) 

De  lange  helen  ere  vnde  bat. 

De  gonnen,  de  also  dane  sake  scholen  richten, 

Ik  vruchte,  dat  se  sere  plichten 

Myt  der  dochter  vnd  myt  der  moder: 

Symon  magus  was  ere  broder. 

De  wat  hebben,  den  wert  gegeuen, 

Gaue  vrarae  gaue  maket  euen: 

Symonia  is  twarn  en  snode  brut 

Vnd  is  der  sele  eyn  gans  bitter  krud. 

Gegen  die  ho he re  Geistlichkeit  richtet  sich  auch 
der  Vorwurf  der  Gier  nach  zeitlichem  Gut,  weil  sie  Kanonikate 
an  Kinder  verkaufe :  in  den  Stadten  fande  man  viele  Wiegen- 
priester,  w&hrend  die  Verweser  der  Stellen  in  Armut  ihr  Dasein 
fristeten.  Wenn  die  Wiegenpriester  reich  und  alt  genug  ge- 
worden,  werden  sie  verheiratet,  denn  nur  Geldgier  hatte  ihnen 
die  Kanonikate  verschafft,  f .  48 a  : 


')  Am  Rande  rechte  „Jeremias8.  In  Wirklichkeit  Ecclesiasticus 
3,  27  „qui  amat  periculum,  in  illo  peribit". 

'j  Am  Rande  links  „gregoriu8". 

8)  Hs.:  ,vagunt". 

4)  Wieviel  fehlt,  l^lsst  sich  nicht  einmal  vermuten.  Sicher  fehlt  die 
Reimzeile. 


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—    242    — 

Van  des  tidliken  godes  leflicheyt  (2630) 

In  den  olden  boken  bescreuen  steyt: 

Omnes1)  munera  diligunt2)  et  rede  non  agunt*) 

Ik  enwet  nen  warliker  dyng, 

We  ouer  mate  lef  het  den  penning 

Vnd  dar  vp  lecht  to  malen  sinen  syn, 

Dat  is  der  armen  sele  vnghewin. 

Wor  is  de  ghiricheit  af  ghekomen? 

Van  den  lerden,  hebbe  ik  vornomen, 

Simon  maghus  vnd  balaam, 

Ere  grote  ghiricheyt  en  ouel  bequam. 

Symon  is  eyn  anbeghyn  vnd  vader, 

Na  eme  volghet  de  ghestlike  acht4)  alle  gader, 

Dat  se  de  lene  verkopen  vnd  vormedden. 

Wor  sik  eyn  jslik  kan  mede  redden, 

Dat  sy  moghelik,  gotlik  efte  nicht, 

Symon  se  alle  vruchten,  de  wycht, 

Gar  cleyne.    Wat  me  dar  bitter  vint: 

To  kanonike  me  maket  mannich  kint, 

Dat  nummer  wert  efte  dyget. 

6) 

Weghenridder  sint  in  bemerlande, 
Weghenprester  in  dem  wyndelbande 
In  den  steden  me  nu  vele  vint: 
Symon  maghus  het  mannich  kynt. 
f.  48b  De  kinder  hebben  de  len,  de  prester  hebben  den  namen. 
Des  moten  syk  de  lener  schamen, 
De  sodane  handelinghe  driuen. 
Wor  schollen  arme  prestres  bliuen, 
Den  de  almissen  synt  bedacht! 
Vnwylle  god  van  hemmel  wracht 


*)  H8.:  ,omni8",  darauf  eine  Abkiirzung,  die  nur  ale  Verschreibung 
fur  das  folgende  Wort,  das  dann  kommt,  angesehen  werden  kann. 

*)  Vgl.  Jesaias  I,  23 :  „principes  tui  infideles,  socii  furum :  omnes 
diligunt  munera:  pupillo  non  iudicant  et  causa  viduae  non  ingreditur 
ad  illos*. 

*)  Dem  Sinne  nach  fiir  die  Bibelworte. 

*)  Hs.:  „ach". 

*)  Es  fehlt  mindestens  die  Reimzeile. 


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—    243    — 

Myt  den  junghen  vnd  myt  den  olden, 

De1)  godes  denst  also  vnderholden. 

Also  me  dat  vake  vnd  vele  sued, 

Dat  gym  ouergheyt  vnd  schud 

Godes  vrake,  dat  is  bekand, 

De  dat  ghestlike  gud  hebben  vmmehand. 

Gode  louen  de  kinder  de  vrowen, 

Dat  kont  de  ryken  wiue  bruwen, 

Dar  mede  brenghen  se  de  lenware2) 

Vnd  bruken  der  wol  twyntich  jare 

Efte  druttich  jar,  mer  efte  myn. 

Wen  se  ryke  efte  olde  noch8)  syn, 

So  maket  de  moder  myt  gude  kyf 

Vnd  ghift  dem  vortruweden  sone  en  wyf, 

Den  se  heft  gode  louet  vnd  secht, 

Den4)  sone,  welk  selden  digen  plecht: 

Alsodane  werke  telet  ghiricheyt, 

Dat  nement  dem  anderen  lik  deyt. 

Ghiricheyt  is  aller  sunde  en  anbeghyn, 

Radix  omnium  malorum  cupiditas,6) 

Vnd  eyn  wortel  vnd  bringhet  yn 

Groten  jamer  vnd  sware  plaghe 

Den  junghen  vnd  olden  alle  daghe. 

Mit  bewunderungswiirdigem  Geschick  verfahrt  Josepe  bei 
der  Avaricia.  Die  Gier  nach  zeitlichem  Gute,  die  Leib  und 
Seele  schadigt,  bringt  grossen  Kummer  jedem,  der  von  ihr  be- 
fallen. Die  Gier  der  Geistlichen  bringt  der  ganzen  Welt 
Schaden.  Das  b5se  Beispiel  von  denjenigen,  die  die  Laien  be- 
lehren  sollen,  da  sie  berufen  sind,  den  Gotteshausern  vor- 
zustehen,  ja  die  heilige  Kirche  selbst  zu  leiten,  wirkt  hftchst  ver- 
derblich  auf  alle  Schichten  der  Geistlichkeit  bis  zu  den  letzten 
Dorfpastoren.  Ganz  besonders  geldgierig  sind  die  hQchsten 
WiirdentrSLger  der  Kirche,  nicht  bios  diePatriarchen  und  die 


l)  Hs.  Bdes". 
*)  Hs.:  „len  wader*. 
*)  Hs.:  ,oldenoch". 
*)  Hs  :  „Der". 

•)  Paulus  ad  Timotheum  I,  6,  10:   ,radix  enim  omnium   malorum 
est  cupiditas". 


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—    244    — 

Kardin&le,  sondern  auch  der  Papst  selbst.  Gleich  am 
Anfange  seines  Gedichtes  f.  2b  hatte  Josepe  das  Wort  des 
weisen  und  demiitigen  Mannes,  Hiob,  der  sich  der  Asche  und 
dem  Staube  vergleicht:  „dat  he  sy  der  asschen  vnd  dem  drecke 
liktf,  auf  Papst,  Kaiser  und  alle  Machthaber  angewendet  „also 
is  pawes,  keyser  und  alle  mann  rika.  So  scheut  Josepe  sich 
nicht,  dem  Papste  die  Slrgste  Geldgier  vorzuwerfen.  In  Rom 
erreichen  nur  die  Reichen  ihr  Ziel,  denn  die  grossen  Pfrttnden 
und  Kanonikate  sind  nur  fttr  Geld  feil.  Selbst  Unrecht  wird 
in  Rom  durch  Geld  zum  Recht. 

f.  46b  De  ander  dotlike  sunde  is  ghenant  auaricia.  (2560) 

Auaricia  est  immoderatus  amor  habendi?)   auaricia   est 

insaciabilis    rerum    cupiditas,    auaricia    est    inquietudo, 

appetitus  lucri  temporalis.2) 

De  ghiricheit  na  dem  tidliken  gude 

Is  vnrowelik  in  des  mynschen  mode 
f.  47a  Vnde  is  eyn  vnsatzerae  leuent  des  herten 

Vnde  bringhet  sele  vnd  lif  in  smerten. 

De  ghiricheit  weme  de  is  rechte  by, 

De  is  nummer  sorghe  vry. 

Ghyricheit  is  des  herten  plaghe 

Vnde  gheit  bouen  alle  wedaghe. 

Der  ghestliken  achte  ghiricheyt 

Der  gansen  werlde  we  deyt. 

De  ghonnen,  de  nu  scholden  leren 

De  leygen,  dat  sint  de  nu  mest  vorkeren 

De  werlde  vnde  de  slichten  lude. 

Wan  vele  dinghes  nicht  enschude 

Van  den  lerden  vnd  van  den  wysen, 

So  mochten  sik  de  leygen  prysen, 

Na  guden  werken  vnd  ok  daden. 

Vele  selen  werden  vorraden. 

Dat  maket  mannich  bose  exempel 

Van  den  ghonnen,  de  godes  tempel 

Vnde  de  hilghen  kerken  scholden  regeren, 


!)  Hs.:  „habende\ 

*)  Hs.:  .temporalium". 


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—    245    — 


x) 


Wan  de  syk  vnuogeliken2)  theren 
Vor  den  leygen  in  den  kroghen 
Vnde8)  me  se  nicht  kan  vornoghen, 
Dat  ere  ghiricheyt  is  auer  mate  grod: 
En  snode  herde  is  der  schapen  doed. 
Paues,  patrierchen  vnd  de  cardinalen, 
Ghirich  na  gude  synt  se  to  malen, 
Na  gude  steyt  erer  aller  syn. 
Eyn  islik  denket  vppe  synen  wyn. 
Dat  harde  gholt  vor  rynghe  word, 
Der  armen  ropent  is  cleyne  hord. 
f.  47b  Nym,  gryp,  taste  snelle  tho, 
Des  pawes  rede  luden  also: 
Accipe,  sume,  rape,  sunt  verba  placencia  pape. 
We  to  rome  ducaten  nicht  gheuen  kan, 
De  mot  bliuen  der  lude  gumpelman.4) 
Dar  ghift  men  cleyne  vmme  gode 
Vnd  vraghet  nicht  na  godes  bode. 
Gheuet,  vrunde,  so  wert  gy  gheuen, 
Ghaue  vmme  ghaue  dat  maket  euen. 
De  kran  to  rome,  de  synghet  also: 
Qui  tnichi  dat,  Mi  do, 
Des  werden  de  armen  selden  vro. 
De  nicht  kont  geuen  gholt  vnd  ducaten, 
De  mogben  sik  wol  alleen  laten. 
Vornyra,  sone,  vnde  merke  euen: 
We  my  ghift,  dem  wyl  ik  gheuen. 
De  armen  is  to  rome  seldene  dygen, 
De  grote  prouen  vnd  canonyen, 

')  Da  die,  welche  die  h.  Kirche  regieren  sollen,  sich  unmoglich  in 
den  Dorfwirtsh&usern  in  ihrer  Geldgier  zeigen  konnten,  fehlt  wol  eine 
grSssere  Stelle.  Zu  den  , kroghen"  gehdren  nur  die  „lantpapen",  die 
Dorfpastoren. 

*)  H8.:  ,vnuogelken". 

8)  Hs.:  ,Vnde  de". 

4)  Vor  .gumpelman"  in  der  Hs.  eine  Rasur. 


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—    246    — 

Dar  to  konnet  se  ouel  komen 

x) 

En  leen  wert  wol  teygnen  vntheten, 

Wor  de  hof  des  wille  nicht  neten. 

We  to  rome  kumpt  beschoren, 

Al  is  he  klok  vnde  wol  gheboren, 

Is  he  vp  der  syden  licht, 

Vnd  het  he  ok  in  der  taschen  nicht, 

He  wert  nicht  sere  dar  ghetouet 

Vnd  wert  also  eyn  dore  ouet. 

Hore  vord  das  cranes  sang: 

Qui  nichil  dat,  nichil  sibi  reddo. 

2) 

Wan  he  hort  des  gholdes  clang 
f.  48a  Vnde  des  ludes  groten  soticheyt, 

De  bouen  alle  basunen  nu  gheyt, 

Fiat,  de  pawes  to  hant  scryft 

De  klang  des  gholdes  vele  bedrift 

To  rome  in  manghen  hoghen  saken, 

He  kan  wol  vnrecht  to  rechte  maken3)  .... 
f.  49*  De  grote  gaue  wol  kan  maken  (2701) 

Recht  vnrecht  in  alien  saken. 

Paues,  meyster  vnd  ander  vorsten, 

De  na  gelde  vnd  gude  dorsten, 

Selden  se  horen  der  armen  sake. 

Dar  vmme  vake  godes  wrake 

Mede  auer  de  vnschuldigen  geyt, 

Alse  van  konynge  dauite  screuen  steyt: 

He  sede,  ik  hebbe  de  sunde  dan, 

Io  here,  lat  de  vnschuldigen  ghan. 

Versteckter  sind  die  Vorwtirfe  bei   der  Simonia,   obgleich 
das    bisher    getadelte    Verfahren     der     hochsten     kirchlichen 


*)  Es  fehlt  mindestens  die  Reimzeile. 

*)  Der  Gesang,  auf  den  besonders  aufmerksam  gemacht  wird,  fehlt. 
Das  Lateinische  zwischen  den  beiden  Reimzeilen  geniigt  allein  sicherlich 
nicht.    Ob  die  LGcke  vorher  oder  nachher  anzusetzen,  ist  freilich  ungewiss. 

8)  Hierauf  folgt  die  S.  242  angefGhrte  Stelle,  darauf  die  auf  S.  218 
mitgeteilte. 


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—    247     — 

Wtirdentrager  schon  Simonie  war.  Scheinbar  ist  jetzt  nur  von 
den  Pralaten,  oder  nach  der  Emder  Hs.  sogar  nur  von  den 
Tonsurierten,  d.  h.  den  Geistlichen  iiberhaupt  die  Rede,  die 
sich  lange  in  Welschland  aufgehalten.  Sie  wissen,  wie  man 
durch  Kauf  in  den  Besitz  der  Kanonikate,  der  guten  Kirchen 
und  der  geistlichen  Lehensgliter  gelangt.  Nicht  umsonst  wird 
auf  das  Verhalten  S.  Peters  hingewiesen,  an  das  die  Herren 
mit  den  kurzen  Gewissen  nicht  denken.  Ebenso  wenig  ist  es 
zufallig,  dass  diese  ganze  Gedankenreihe  mit  einem  lateinischen 
Verse  schliesst,  der  viel  deutlicher  mit  der  Wahrheit  heraus- 
tritt,  als  es  die  vorhergehenden  deutschen  getan. 

f .  74b  De  leste1)  dochter  hir  na  is  de  soste,  (4097) 

De  brynghet  mengen  vppe  koste, 

Und  is  den  prelaten2)  wol  bekant, 

De  de  wesen  hebbet  lange  in  wallant. 

Simonia  is  de  dochter  dofft, 

De  kanonien  de  werden  verkoft 

Vnd  de  guden  kerken  vnde  lene. 

Dat  is  nu  twaren  gantze  mene, 

Vnde  de  gestliken  dat  konnet  driuen, 
f.  75*  De  nicht  wyl  vnder  twysken  kyuen. 

Eyn  recht  sake  is  des  de  gyricheyt, 

De  gestliken  achte  dar  vppe  steyt: 

Sacrilegia  committit,  symoniace  vendit  et  emit3) 

Symon  magus  gestlike  wait  wolde  kopen, 

Ane  he  enwolde  nicht  entfan  cresem  vnd  dopen. 

Do  he  sach  de  wald  der  apostele  grot, 

Golt  vnd  suluer  he  en  do  both,4)  . 

Dat  se  em  wolden  de  macht  geuen, 

Dat  he  de  doden  konde  laten  leuen, 

Dat  he  de  doden  konde  vplaten, 

(Syn  gaue  konde  eme  nicht  baten,) 

Ok  dat  he  konde  van  den  sunden  losen 

Vnd  van  den  luden  vordryuen  de  bosen: 


*)  Hs.:  „808te8.        8)  Hs.:  „ platen",  aber  mit  einer  Rasur  fiber  „p« 
also  eine  fromme  Schlimmbesserung. 

8)  Am  Rande  rechts  ist  als  Subjekt  „Auaricia"  genannt. 
*)  Am  Rande  rechts:  „Actuum". 


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—    248    — 

Date   michi   per    manus    impositionem    dandi    gratiam 
spiritus  sancti. 

Date  michi,  inquam,    tantum,   mortuos  potestatem  resus- 
citandi  et  graciam  spiritus  sancti  demonia  fugandi.1) 
Sunte  peter  eme  en  antworde  sede. 
Wan  noch  eyn  jslik  also  dede, 
Wan  de  koplude  sodane  gud  veylen 
Vnd  wylt  de  gaue  godes  also  deylen, 
Vnd  de  ene  myt  dem  anderen  dure, 
Eft  he  sy  also  driste,  kone  vnd  thure, 
Dat  he  eme  dor  laten  sine  kanonien, 
Wan  he  den  kopman  also  sunte  peter  konde  wygen, 
Vnd  sede  dem  anlager  sunte  peters  word: 
Pecunia  tua  sit  tibi  in  perdicionem,2) 
To  dinen  pennigen  sla  dy  de  mort, 
f.  75b  Wan  he  em  anrichtede  sunde  peters  worde, 
Efte  also  eliseus  synen  knechte  sede, 
Also  hir  vore  is  bescreuen, 
De  gestliken  almissen  wol  vnvorkoft  bleuen. 
Nen  sodane  anwort  nement  secht. 
De  gyrige  syne  oghen  by  syn  houet  lecht, 
Wan  he  van  den  pennigen  hort, 
He  denket,  de  wedde  geyt  al  vord. 
De  ene  weddet  vmme  hundert  ducaten, 
Eft  he  eme  de  kanonien  dore  laten. 
De  myt  den  korten  conscientien 
Denken  vp  de  terynge  vnd  penscien, 
De  laten  de  wedde  to  ghan 
Vnd  menen  suluen,  dat  sy  wolgedan. 
De  anderen  legghen  dat  vppe  boteryge, 
To  geuen  se  gelt  eft  gaue,  dat  is  kumpenyge. 
Matheum  den  saligen  lerden  man, 
Gratis  date,  gratis  accepts  tisy 
Den  latet  se  achter  der  dore  stan: 


l)  Actus  apostolorum  8,  19:  „Date  et  mihi  hanc  potestatem,  et 
cuicunque  imposuero  manus,  accipiat  spiritum  sanctum8.  Ha.  an  der 
zweiten  Stelle:  „spiritu  sancti". 

*)  Actus  ap.  8,  20:  „Pecunia  tua  tecum  sit  in  perditionem".  Am 
Rande  rechts  von  spaterer  Hand:  „Sanctus  petrus". 


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—    249    — 

Is  dy  geuen,  so  gyf  vort  an, 

De  wyle  dy  god  der  gnade  gan, 

Geuet  vrunde,  so  wert  iw  gegheuen. 

Van  den  gestliken  dynghen  is  bescreuen: 

Spiritualia  non  debent  emi  neque  vendi. 

We  nu  de  gestliken  ere  vorkoft, 

Syne  sele  he  dar  mede  vorbrocht: 

Ad  baratrum  tendit,  qui  spiritualia  vendit. 

Diese  Polemik  gegen  die  vornehmen  und  reichen  Stifter 
und  KlOster,  gegen  die  kirchlichen  Wtirdentrager  bis  hinauf 
zum  Hochsten,  dabei  die  Vorliebe  ftir  strenges  Klosterleben, 
weisen  uns  auf  einen  M8nch,  der  einem  strengen  oder  refor- 
mierten  Orden  angehort  haben  muss.  Bringen  wir  damit  die 
S.  209  fgg.  nachgewiesene  eigenartige  Bildersprache  Josepes, 
seine  Vertrautheit  mit  den  Verhaltnissen  auf  dem  Lande  in 
Verbindung,  so  ergiebt  sich  als  grosse  Wahrscheinlichkeit,  dass 
er  einCistercienser  war.  Dem  entspricht  es,  dass  er  nach 
mittelalterlicher  Denkungsart,  bei  der  Aufzahlung  der  Manner, 
die  Orden  gestiftet,  den  Stifter  des  eigenen  Ordens  an  erster 
Stelle  nennt,  vgl.  S.  223.  x)  Seine  freimtitige  Bemerkung,  dass 
FrGmmigkeit  oft  im  goldgeschmtickten  Rocke  eines  Vornehmen 
zu  linden  sei,  wahrend  die  graue  Kutte  eines  Cisterciensers 
oft  ein  zornerftilltes  Herz  decke,  vgl.  S.  228,  gewinnt  jetzt 
noch  tiefere  Bedeutung. 

Nirgendwo  findet  sich  dagegen  bei  Josepe  eine  Stelle, 
die  ihn  uns  als  Angehftrigen  eines  Bettlerordens  verriete.  Er 
hat  sein  Mitgefiihl  ftir  die  Armen,  die  tiberall  benachteiligt 
werden,  oft  genug  zum  Ausdruck  gebracht,  soS.  218  fg.,  245  fg. 
Aber  tiberall  so,  dass  man  dort  ebenso  wie  in  der  folgenden 
Stelle,  nur  das  nattirliche  Mitgefiihl  des  erfahrenen  vornehmen 
Mannes  mit  den  Unterdrtickten  tiberhaupt  erkennt.2)    Nirgendwo 


l)  Es  ist  wohl  nicht  zufallig,  dass  nur  Bernardus  und  Franciscus 
das  Beiwort  „sunteu  erhalten,  Benedictus  und  Dominicus  dagegen  nicht. 
Der  Schreiber  dieses  Teiles  der  Emder  Hs.  kennt  nicht  einmal  den  Namen 
des  Letzteren,  vgl.  S.  224,  Anmerkung  1. 

*)  Dass  Josepe  vornehmer  Herkunft  war,  tritt  uns  tiberall  in  seiner 
Dichtung  entgegen.  Die  meisten  seiner  Urteile  zeigen  den  Standpunkt 
des  Vornehmen,  vgl.  z.  B  S.226  fg.,228.  Das  lasst  sich  bis  ins  Kleinste  auch 
in  seinem  Sprachgebrauch  nachweisen.  So  druckt  er  z.  B.  den  Begriff 
,  Jedermann"  f.  107*  durch  aritteren  vnd  knapen"  aus,  vgl.  S.  223. 


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-    250    — 

verr&t  er  ein  besonderes  Verstandnis  far  die  Not  der  Bauern, 
der  Leibeigenen,  deren  Unfreiheit  ihm  selbstverst&ndlich  er- 
schienen  sein  mag.  Ganz  anders  trat  uns  der  Verfasser  des 
Buschmann  entgegen,  vgl.  dieses  Jahrbuch  XIV,  16  fg. 

So  ist  auch  der  folgende  Abschnitt  ganz  allgemein  ge- 
halten,  er  wendet  sich  gegen  die  Oberhebung,  Gewaltt&tigkeit 
und  Eidbriichigkeit  der  Ftirsten,  ihre  Finanzkttnste  und  dergl. 
Am  Schlusse  tadelt  er  die  Ehrgeizigen,  die  sich  immer  vor- 
dr&ngen,  in  ihrem  Alter  aber  so  scbwach  sind,  dass  ihnen  auf 
ihren  Polsterbetten  ein  Kind  Hiilfe  gewSLhren  kann. 

f.  27*  Sunte  lucas,  de  lerer  vnd  godes  vrunt,  (1481) 

Deyt  uns  in  synen  ewangelio  kunt: 

De  synem  nabuer  eyne  borden  vplecht, 

Also  swar,  dat  se  ene  vorwecht, 

Vnde  helpet  de  eme  nicht  dreghen  mede, 

De  begheyt  der  valschen  yoden  sede, 
f.  27b  De  cristo  den  balken1)  vpleden 

Vnd  eme  nene  hulpe  myt  dracht  deden, 

Sunder  en  ringhe,  krank,  olt  man, 

De  moste  de  borden  myt  cristo  dran. 

Myt  dwanghe  moste  he,  myt  gude  dreghen. 

2) 

De  vorsten  myt  erer  vpsate, 
De  weldighen,  de  des  hebben  mate, 
In  steden,  to  lande,  wor  se  synt, 
De  nyge  vunde  vnde  mate  vynt, 
Dar  de  armen  mede  in  last  komen. 
Dem  lantmanne  wert  syn  gud  nomen, 
Efte  he  mot  gheuen  vnrechte  schad, 
Swar  schot  de  borgher  in  de3)  stad. 
De  armen  simpellen  lantpapen4) 


l)-In  der  Hs.  nur  der  untere  Teil  des  „b8  und  .en*  erhalten. 

*)  Es  fehlt  die  Reimzeile,  die  wohl  mit  „moghen  bedreghen"  schloss, 
dem  Verbum  zu  dem  Nominativ  ,de  voraten". 

•)  In  der  Hs.  von  sp&terer  Hand  „der",  so  auch  in  der  vorher- 
gehenden  Zeile  „vnrechtenu. 

*)  Da  diese  Zeile  mit  der  in  der  Hs.  folgenden  das  Gegenteil  von 
dem  aussagt,  was  man  hier  erwartet,  fehlen  mindestens  zwei  Zeilen. 


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—    251    — 


Konnet  de  prelaten  to  mate1)  maken, 
Ok  de  bischop  vnd  syne  toyegher. 
Manny ch  am t man,  mannich  arm  dregher, 
Den  werd  de  borde  vpgelecht. 
Weder  de2)  bordenbinder  mede  dregeth, 
Efte  de  borden  myt  den  vingheren  roret. 
De8)  houetman,  de  to  hope  voret 
Vnd  de  soppen  maket  heft  vnd  begud, 
Dar  he  mannighen  suluen  to  tud, 
De  moten  de  soppen  vp  supen  vnd  eten, 
Suluen  id  he  nicht  enen  beten. 
VeA)  vobis,  qui  oneratis  vicinos5)   oneribus,   que  portare 
nequeunt,  ipsi  uno  digito  non  tangitis  sarcinas  ipsas*) 
De  seckel7)  moghen  de  vorsten  voren, 
Myt  der  zekelen  se  de  borgher  vmmeroren, 
f.  28*  Konnet  se  af howen  der  vorsten  sate. 
Dar  vmme  is  tzise  vnde  de  nyge  mate, 
De  mannych  man  auer  mate  nu  ghift, 
Eyn  vntid  de  anderen  vordrift, 
(Nycht  is  id  schande,8)  sunde  efte  wunder: 

l)  „mate"  =  „mate-,  Bto  mate  maken",  nicht,  wie  Lubben  wollte, 
„fiig8am  machen",  sondern  sarkastisch  „zu  Genossen  machena. 

■)  H8.:  „we  de",  die  zweite  Hand  macht  durch  ubergesetzten  Strich 
,we"  zu  „wena,  was  gerade  das  Gegenteil  von  dem  herausbringt,  das 
hier  stehen  muss.  Babucke  nimmt  an  „wen"  keinen  Anstoss.  » weder  — 
efte8  =  „  weder  —  noch".  Der  die  Bfirde  bindet,  hilft  weder  tragen,  noch 
zeigt  die  geringste  Geneigtheit  dazu. 

•)  Der  Obere,  der  die  Suppe  gekocht  hat  und  sie  verteilt  (eingiesst) 
und  viele  zwingt  sie  aufzuessen,  isst  selbst  nicht   das  Geringste  davon. 

4)  Lucas  11,  46:  „et  vobis  legisperitis  vae,  quia  oneratis  homines 
oneribuB,  quae  portare  non  possunt,  et  ipsi  uno  digito  vestro  non  tangitis 
sarcinas".    Gehflrt  zu  den  Versen  „  weder  —  roret*. 

5)  H8.:  sviceno8a.  •)  Babucke  liest  ohne  Grund  ^ipsorum". 

')  H8.:  B8ekelen*.  Der  Schreiber  veratand  das  Wortspiel  nicht: 
„Die  Seckel  (Geldbeutel)  nehmen  die  Fursten  fur  sich  in  Anspruch,  mit 
der  Sichel  (mit  Gewalt)  halten  sie  die  Burger  in  Aufregung,  sie  ver- 
stehen  es,  damit  die  alten  Vertrage  und  Satzungen  zu  zerhauen. 

®)  H8.:  ,8chade*.  In  der  Parenthese  wird  ironisch  die  Anschauung 
der  Fursten  ausgedriickt:  solches  Verfahren  ist  weder  Schande  noch 
Sunde,  noch  uberhaupt  auffallend,  sondern  ganz  naturlich:  das  Fett 
schwimmt  ja  immer  oben. 

Jahrbnch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vatorl.  Altortiimor  za  Emden,  Bd.  XV.  17 


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—    252    — 

Dat  vette  bouen,  dat  water  vnder,) 

De1)  nygen  pennynghe  dat  olde  golt: 

Vele  asschen  bernet  de  wolt. 

De  steder  vnd  breraer  sware 

Weren  des  raenen  volkes  ware, 

De  walen  schicken  eren  wyn.2) 

De  nyge  grave3)  was  eyn  zyn 

Vor  den  beraen,  dem  snoden  dede, 

Wan  god  wyl,  so  wert  he  rede. 

De  beraen  kont  vnd  wyllen  den  louen  krenken. 

Me  scholde  se  in  den  grauen  senken, 

De  sodane  wait  driuen 

Vnd  myt  den  kranken  kyuen, 

De  syk  nicht  kont  efte  doren  weren: 

De  groten  vische  de  lutken  vorteren. 

De  bouen  sitten,  den  wert  we, 

To  male,  wan  nicht  konnet  se 

Eren  wyllen  vnd  vpsat  wllenbrynghen 

Vnd  de,  de  vor  gym  stan,  to  sate  dwyngen. 

Wat  is  varliker  wen  sodane  rad, 

De  den  ghemenen  so  na  gad. 

De  gonnen,  de  de  armen  vorheren4) 

Dat  me  se  vp  deme  markede  grute, 


*)  Die  neuen  Pfennige  vertreiben  das  alte  Gold,  d.  h.  das  alte 
bessere  Geld,  wie  viele  Asche  den  ganzen  Wald  zerstdrt.  In  dem  folgen- 
den  Reimpaar  verbietet  das  Praeteritum,  die  neuen  Pfennige  mit  den 
Stader  und  Bremer  vollgiiltigen  Munzen  zu  identifizieren.  In  Wirklich- 
keit  bedeuten  diese  auch  keine  Schadigung  (vare)  des  gemeinen  Volkes. 
Die  Fursten  behaupteten  das  bloss  urn  ihrer  Finanzkunste  willen,  hatten 
selbst  aber  auch  keinen  Vorteil   davon,   vgl.  die  folgende  Anmerkung. 

*)  Die  fremden  Wechsler  ordnen  ihren  Gewinn. 

8)  Unbegreiflicherwei8e  halt  Babucke  den  „Grabena  fur  einen 
wGrafen8  und  versucht  daraufhin  eine  Datierung  der  Dichtung.  Dass  von 
einem  Graben  die  Rede  ist,  zeigt  „redea  und  „in  den  grauen  senken".  Wenn 
Josepe  scheinbar  unvermittelt  von  den  Bohmen,  den  Hussiten,  spricht, 
so  hat  das  wohl  darin  seinen  Grund,  dass  er  seine  Meinung  auf  dem  Ge- 
biete  des  Glaubens  den  Hussiten  gegenuber  offen  aussprechen  darf, 
wahrend  er  sich  den  Landesfiirsten  gegenuber  vorsichtiger  aussern  muss. 

4)  Es  fehlt  mindestens  die  Reimzeile.  Wahrscheinlich  ausserdem 
mehrere  Reimpaare,  die  zu  freimutig  waren. 


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—    253     — 

Vnd  synt  vp  der  erden  sote, 

De  wyle  se  by  den  benken  synt. 

Wan  me  se  vp  den  pusten  dort  hene  vynt, 

We  erer  vele  bedorf  de  helpe  van1)  den  kint. 

Ve2)  vobis,  qui  diligitis  primas  cathedras*)  et  salutationes 

in  foro  et  plateis.4) 

Eine  kurze  Besprechung  verlangen  noch  die  „Reim- 
spriiche",  die  nach  Josepes  Gedicht  vor  den  ,.Bone  doctrine 
pro  coramuni  bono"  stehen,  f.  140b  bis  f.  141b.  Sie  entstammen 
aller  Wahrscheinlichkeit  nach  der  Vorlage,  wo  sie  auch  auf 
das  Gedicht  „von  den  sieben  Todsiinden"  folgten.  Die  Hs. 
raarkiert  zwanzig  Abschnitte,  die  aus  je  zwei  Reimpaaren  be- 
stehen,  abgesehen  von  No.  4,  die  vier  Reimpaare,  und  No.  17, 
die  zwei  Bibelstellen  enthalt.  Nach  Inhalt  und  Form  stehen 
sie  in  gewisser  Beziehung  zu  dem  vorhergehenden  Gedichte.  — 
In  alien  treten  uns  Gedanken  entgegen,  die  uns  auch  in  dem 
Gedichte  begegnet  waren.  No.  1  findet  sich  die  blosse  Anrede, 
No.  5, 6, 15,  16  die  Anrede  mit  „sone",  das  in  No.  16  sogar  zweimal 
steht.  Mit  verallgemeinerndem  ,,we"  beginnen  No.  2,  3,  4,  (12), 
14, 18, 19,  mit  ebenso  wirkendem  „he"  No.  9,  10,  11.  In  mehreren 
ist  die  Form  so  ungeschickt,  dass  das  Gemeinte  gar  nicht  zum 
vollen  Ausdruck  gelangt,  so  bei  No.  12  und  16,  wo  Ltibben 
durch  beigesetztes  „d.  h.?*4  andeutet,  dass  er  sie  nicht  ver- 
standen.  Bei  No.  16  erh&lt  die  dunkle  letzte  Zeile  ihre  Er- 
klarung  durch  die  f olgende  Stelle  aus  dem  Briefe  an  dieColosser, 
bei  No.  12  variiert  die  vierte  die  dritte,  beide  gehen  auf  den 
Zustand  der  Seele  nach  dem  Tode,  ,,de  clepper",  wie  wohl  statt 
„der  clepper"  zu  lesen,  soil  ^stridor  (dentium)",  Zahneknirschen, 
ausdriicken. 
f.  140b     1.  Bistu  wys  vnd  heft  cleyne  gud, 

Dyn  daed  dorich  wezen  mod, 

Hestu  gud  vnd  bist  dorich  mede, 

Du  kumst  wol  in  der  wysen  stede.5) 


')  Hs.:  „wa". 

*)  Luc.  11,  43:  „vae  vobis  Pharisaeis,  quia  diligitis  primas  cathedras 
in  synagogis  et  salutationes  in  foro".  Diese  Worte  geh6ren  zu  dem 
ersten  Verse  nach  der  Lucke. 

*)  Hs.:  „pruna8  chatedras". 

*)  Hs.:  wplatea8*.  *)  Vgl.  S.  246. 

17* 


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—    264    — 

2.  We  heft  gud  vnd  kan  geuen, 
De  mak  myt  den  ryken  leuen, 
Wan  eneme  gelt  vnd  gud  entgeyt, 
So  is  de  vruntschop  kunterffeyt. 

3.  We  de  heft  gud,  de  is  willekome, 
He  sy  vnechte  efte  vrome. 

De  vrome  arme  heft  kranken  grud, 
Ane  touent  gheit  he  wedder  vth.1) 


4.  We  kan  vrundschop  ane  dank 
Holden,  wente  de  ryken  ane  dwank 
Wilt  van  deme  armen  wezen, 

Wo  kan  de  kranke  des  starken  nezen! 
Vrunt  vorsman  is  nicht  gud. 
We  rynge  vrunde  drucket  vnder  de  voet, 
De  tyd  mach  kamen,  dat  he  ze  bederuet, 
Syner  vrunt,  er  he  noch  steruet.2) 

5.  Van  truwen  vrunden,  sone,  wat  holt. 
Eyn  truwe  vrunt  is  beter  wan  golt. 
Golt  vnd  gud  mach  me  vorteren, 

Enes  truwen  vrundes  kan  nement  enberen.8) 


*)  Vgl.  S.  246. 

*)  Vgl.  bei  Josepe  f.  17  *>,  mit  der  Notis  auf  dem  Rande  links :  „Poeta" 

Homod  vnd  darby  hoghen  stat  (936) 

Syne  arme  vrunt  vnd  kunpane  voremaet. 

Comitc8  contempnit  antiques  et  miseros  non  cernit  amicos 

et  notos  hesternos. 
»)  Vgl.  ebenda  f.  65*: 

We  nu  enen  truwen  vrunt  vunde,  (3566) 

Weme  god  der  gnade  hyr  ghunde, 

Deme  he  syn  herte  mochte  ane  nod  apenbaren, 

Mit  deme  scholde  he  syk  ewich  paren. 

Eyn  gud  vrunt  is  also  eyn  schylt, 

Dar  mannich  schot  wert  vppe  vorspilt. 

Also  de  schilt  bedecket  synen  heren, 

Also  kan  en  gud  vrunt  vnwyllen  keren: 

Amicus  fidelis  protedio  fortis. 

Eyn  gud  vrunt  geyt  vor  alle  gold. 


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—    255     — 

6.  Twisken  vrunden,  sone,  plenge  nicht, 
Vrunde  orlich  is  rynge  bericht. 
Wan  ome  vnd  vrunde  zik  vorgan, 
So  mod  de  plenger  de  borden  dran. 


7.  Het  de  ryke  gar  vele  stolen, 
Syn  vndat  blift  wol  vorholen, 

f.  141a        Stelet  en  armman  cleyne  durch  nod, 
De  wert  gerichtet  an  den  dot.1) 

8.  Myt  armen  deuen  sterket  me  dat  recht, 
De  ryken  me  in  der  tasken  drecht, 

De  armen  me  henget  an  bome  vnd  stene, 
De  ryken  in  der  tasschen  by  dem  bene.2) 


Gold,  suluer,  gud  mach  en  dragen, 

Auer  syne  nod  kan  he  erne  nicht  klagen, 

Qui  inutnit  Mum,  inuenit  thesaurum. 

We  nu  enen  truwen  vrunt  vint, 

Der  cleyne  nu  in  der  werlde  zynt, 

De  vrunt  tred  bauen  alle  schad. 

De  wyse  man  in  synen  boke  secht  dat. 

Amico  fideli  nulla  est  comparacio 

Eyn  gud  vrunt  achter  rugghe, 

Dat  is  ene  vaste  stalne  brugghe. 

Dar  nicht  mankt  is  kunterfeyt, 

Wor  vaste  vruntschop  to  samende  steyt, 

Dar  nement  kan  twisken  kamen, 

So  hebbe  ik  beters  nicht  vornbmen. 

Non   est  auri  neque  argenti  contra   bonitaUm   fidei 

Uliu8  digna  ponder acio. 

Nur  bei  der  letzten  lateinischen  Stelle  stent  am  Rande  rechts:  nprover- 
biorum".  Alle  vier  stehen  Ecclesiasticus  6, 14  fg. :  „amicus  fidelis  protectio 
fortis :  qui  autem  invenit  ilium,  invenit  thesaurum.  amico  fideli  nulla  est 
comparatio  et  non  est  digna  ponderacio  auri  et  argenti  contra  bonitatem 
fidei  illius". 

!)  Vgl.  oben  S.  218. 

«)  Vgl.  S.  219. 


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—    256    — 

9.  He  is  wys  vnd  wol  gheleret, 

De  alle  dingk  to  deme  besten  keret, 
Vnd  nicht-  arch  myt  arghe  geldet, 
Vorborgene  herte  nicht  enmeldet. 

10.  He  is  en  dore  vnd  ouel  leret, 
De  arge  daet  to  gude  keret, 
De  eme  wol  to  straffende  staet, 
Dat  ruchte  lyff  vnd  zele  anghaet. 


11.  Eyn  gud  ruchte  is  beter  wan  golt,1) 
Ere  lif  vnd  zele  to  samende  holt, 
En  gud  ruchte  dar  by  de  daet, 

He  is  zaJich,  de  ze  beyde  haet. 

12.  To  snodeme  ruchte  steyt  wol  raet, 
We  unschuldigh  is  der  daet, 

Dat  ruchte  kan  de  pyne  korten, 
Der  leuen  zele  de  clepper  storten. 

13.  Salich  wert  de,  de  myt  dult 
Drecht  vnrecht  ruchte  ane  schult. 
Vor  den  smaheyt  vnde  hon 

Wyl  eme  god  geuen  dat  ewige  Ion. 


14.  We  syne  vinger  in  alle  hole  stykt, 
Allent  dat  he  hort,  zued  vnd  beprykt, 
Vnd  sine  vote  van  dem  pale  strecket, 
Dat  were  nen  wnder,  he  werde  gecket. 

15.  Wltu  leuen,  sone,  nu  ane  schult, 
Swich,  merke,  hore  vnd  hebbe  dult, 
Vele  word  vnwerdighet  den  man: 

f.  141b        Ane  logene  vele  word  seldene  stan. 


')  Vgl.  S.  228. 


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—     257     — 

16.  Wltu,  sone,  dy  na  dogeden  keren, 
Sone,  dene  myt  truwen  dinen  heren, 
To  allentyden,  so  deystu  recht, 
Nycht  den  oghen  truwe  knecht. 

17. *)  Serui?)  subditi  esiote  dominis  in  otnni  titnore, 
non  tantum  bonis  et  modestis,  sed  discolis. 
Non*)  ad  oculum  seruientes,   sed  quodcunque 
facitis,  ex  anim  ooperamini. 


18.  We  nu  god  holt  vor  oghen 
Vnd  swigen  kan  vnd  doghen 
Vnd  wil  en  jslik  dat  zin  is  geuen, 
De  mach  lange  in  eren  leuen. 

19.  We4)  nu  wil  borgen 
Vnd  nicht  sorgen, 
De  wil  seldene 

To  danke  gelden. 

20.  Drulle  gaste  bryngen  nicht  den  soten  schall 
Vnd  spreken:  god  grote  ju  heren  aueral, 
Wan  se  kamen,  we  wyl  gym  weren, 

De  node  gelden  vnd  gerne  theren. 


Die  Mehrzahl  der  Spriiche  ist  ausgezeichnet  durch  die 
Kraft  und  Eigenart  des  Gedankens  und  des  Ausdruckes,  sie 
sind  sicher  nicht  von  dem  Stumper,  der  einfache  Gedanken 
nicht  in  Worte  zu  kleiden  vermochte.  Aber  selbst  die  besten 
zeigen  nichts  von  der  Weise  Josepes.     Die  schlechten  riihren 


»)  Am  Rande  links:  .apostolus*. 

■)  I.  Petr.  2, 18 :  „servi  subditi  estote  in  omni  timore  dominis,  non 
tantum  bonis  et  modestis,  sed  etiam  dyscolis". 

•)  Paulus  ad  Col.  3,22  fg.:  „(servi  obedite  per  omnia  dominis  carnali- 
bus)  non  ad  oculum  servientes,  (quasi  hominibus  placentes,  sed  in  simplici- 
tate  cordis,  timentes  deum).  quodcunque  facitis,  ex  animo  operamini 
(sicut  domino,  non  hominibus). 

*)  In  der  Hs.  in  zwei  Zeilen. 


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—     258    — 

vielleicht  von  demjenigen  her,  der  es  sich  zur  Aufgabe  ge- 
macht,  die  Gedanken  Josepes  mSglichst  von  allem  Eigenen 
und  Freien  zu  reinigen  und  so  kirchlicher  zu  machen. 

Derselbe  suchte  durch  Beifiigung  lateinischer  Zitate  am 
Rande  der  Hs.  den  Wert  der  Dichtung  Josepes  zu  erhShen,  da 
Josepe  selbst  an  passender  Stelle  lateinische  Zitate,  nicht  bloss 
gereimte  lateinische  Verse  eingeflochten. 

Die  sp&teren  lateinischen  Zitate  waren  schon  in  der  Vor- 
lage  der  Emder  Hs.  in  den  Text  eingedrungen,  wohin  sie  ebenso- 
wenig  gehftrten,  wie  die  Bibelstellen  in  No.  17  unter  die  Reim- 
sprttche.     Vgl.  z.  B.  S.  211,  215,  218,  241,  248. 

Einige  Belege  daftir  m5gen  hier  folgen.  f.  14b  heisst  es 
von  Moses: 

Vnd  sede,  komet1)  gy  vnloueghen  vnd  besed,  (754) 

6y  dot  dem  heren  vnd  my  vordret! 

Moghe  wy  nu  hir  water  nicht  slan 

Vte  deme  stene  vnd  laten  ghan? 

He  sloch  ens  vp  den  suluen  sten  myt  der  rode. 

Dat  water  wolde  dar  vth  node. 

To2)  dem  anderen  male  sloch  he  in  godes  namen, 

Do  konde  dat  water  lopes  ramen 

Vnd  lep  auer  mate  also  rechte  sere, 

Eft  dat  en  reuere  were. 

Venite*)  vos  rebeUes,   nunquam  non  poterimus  proicere 

aquas  de  hac  pctra.     exodo  IIIL 

Das  lateinische  Zitat  musste  vor  ,,He  sloch"  stehen.  Es 
ist  also  an  ganz  unpassender  Stelle  eingefugt.  Dass  die  Stelle 
nicht  Exodo  HII,  sondern  dem  vierten  Buch  Moses,  Numeri 
20,  10  entnommen,  ist  vielleicht  nur  durch  Schuld  der  Ab- 
schreiber  verkannt  worden,  die  auch  den  Wortlaut  entstellt 
haben,  so  dass  man  nach  diesem  Versehen  nicht  liber  den  Ur- 
heber  dieses  lateinischen  Zitates  urteilen  darf.  Bedenklicher 
ist,  dass  zu  Anfang  „et  increduli"  fortbleibt. 


*)  „ta  von  einer  zweiten  Hand  hinzugefflgt. 
*)  Hs.:  .Do-. 

*)  „Audite  rebelles  et  increduli:   num  de  petra  hac  vobis  aquam 
poterimus  eiicere?" 


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—     259     — 

Manchmal  lasst  sich  fiir  das  fehlerhafte  Zitat  nicht  der 
Schreiber  verantwortlich  machen,  z.  B.  f.  17b ,  wo  am  Rande 
Isaias  als  Urheber  eines  Ausspruches  genannt,  der  sich 
Ecclesiasticus  10,  7  findet.  Die  Stelle  selbst  ist  freilich  durch 
die  Abschreiber  griindlich  verderbt: 

Der  homodighen  stol  vnd  der  heren  (938) 

Kan  god  de  here  wol  vorkeren 

Van  deme  berge  in  den  grunt; 

Homod  krenket  in  aller  stunt. 

Sedes  ducum  superborum  destruet. 
Statt  des  von  mir  eingesetzten  „superborumu  schrieben  sie  die 
Abkiirzung  missverstehend  „scribarum".    Vgl.  noch  oben  S.  241 
Anm.  1,  S.  255  und  auf  dieser  Seite  Anm.  1. 

Wie  es  gekommen,  dass  die  lateinischen  Zitate  nach- 
traglich  beigeschrieben  worden,  lasst  sich  leicht  erkennen. 
Josepe  selbst  schien  eine  solche  Hinzufugung  zu  verlangen, 
vgl.  die  Stellen  S.  195,  197,  198,  202,  207,  208,  211,  223  u.  o., 
ferner  noch  die  folgende,  wo  dreimal  dieselbe  Erscheinung  sich 
wiederholt:  die  freibearbeitete  Bibelstelle  schliesst  mit  einer 
Bemerkung  fiber  die  Stelle.  an  der  sie  sich  findet,  diese  Be- 
merkung  ist  aber  so  gehalten,  dass  man  sie  auch  auf  etwas, 
was  folgt,  beziehen  kann. 

f.49bDe  olden  hebben  ok  golt  vnd  gaue  nomen  (2726) 
Vor  recht,  vor  lere,  dar  van  is  dat  vppe  komen, 
De  ouersten  konden  rychten  na  der  gaue, 
De  prester  lerden  vnd  stunden  aue, 
Wan  men  gym  nycht  gaf  in  aller  stunt, 
De  propheten  godes  wyllen  de  don  kunt 
Vnde  nemen  ok  vntyden  gyft. 
Michea,1)  de  propheta,  dar  van  scryft. 
Principes  in  tnuneribus  iudicabant,  sacerdotes  in  mercede 


l)  H8.:   „Matheu8a  trotz  des  folgenden  „de   propheta".     Fiinfzehn 
Verse  vorher  steht  mit  Recht: 

Also  sunte  Mateus  apenbar  sede, 

De  mate,  dar  du  mede  heft  ghemeten, 

De  is  vor  gode  rechte  vnvorgeten, 

Dar  metet  me  dy  denne  wedder  mede. 
Vgl.  Matth.  7,  2:  „in  qua  mensura  mensi  fueritis,  remetietur  vobis".    Das 
Lateinische  fehlt  in  der  Ha. 


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—     260    — 

docebant,  prophete  in  pecunia  diuinabant.1) 
We  den  gonnen,  de  ere  hande  nicht  enthen 
Van  der  gaue,  de  wylt  se  myt  den  ogen  seen, 
Wan  se  de  werlde  moten  vorlaten, 
Cleyne  kan  de  naruwe  baten. 
De  leue  prophete,  de  godes  man, 
f.  50*  De  secht  dar  to  malen  swarliken  van. 

Nunquam2)  excucient  manum  a  munere,  antequam  cxcludant 

cupiditatem  a  pectore. 

God  vnse  here  raoysy8)  na  der  ee, 

Du  scholt  rychter  sytten,  sede  he, 

Vnd  meyster,  de  dat  volk  leren 

Vnd  syk  nicht  to  den  ryken  keren, 

Eft  de  gym  gaue  konnet  geuen, 

Lere  vnd  rechte  schal  wesen  euen 

Dem  armen  also  deme  ryken. 

Alle4)  mate  schaltu  recten  vnd  lyken. 

Dar  to  make  euen  alle  wycht, 

Dat  de  ene  den  andern  bedrege  nicht. 

Rechte  rychter  scholtu  maken, 

De  de  weten  konnet  van  alien  saken. 

Nement  schal  rychten  na  gaue  edder  gunst, 

De  meyster  mogen  bruken  erer  kunst, 

Also  steyt  in  den  olden  boken  screuen. 

In5)   lege    indices    et    magistros    constttue,    ut    iudicent 


l)  Micha  3, 11:  „principes  eius  (Jerusalem)  in  muneribus  iudicabant, 
et  sacerdotes  eius  in  mercede  docebant,  et  prophetae  eius  in  pecunia 
divinabant". 

')  Am  Rande  rechts:  „Ysaiasu  33,  15:  ,.qui  ambulat  in  iustitiis  et 
loquitur  veritatem,  qui  proicit  avaritiam  ex  calumnia,  et  excutit  manus 
suas  ab  omni  munere,  qui  obturat  aures  suae,  ne  audiat  sanguinem  et 
claudit  oculos  suos,  ne  videat  malum:  iste  in  excelsis  habitabitu. 

•)  Hierher  gehort  „Deuteronomiou,  was  die  Hs.  neben  „excludantu 
links  auf  dem  Rande  hat. 

*)  Am  Rande  links  nochmals  „Deuteronomiou. 

a)  Am  Rande  links  zum  drittenmale  „Deuteronomiou  16,  19  fg.: 
„iudice8  et  magistros  constitues  in  omnibus  portis  tuis :  ut  iudicent  popu- 
lum  iusto  iudicio,  nee  in  alteram  partem  declinent.  non  accipies  personam 
nee  munera:  quia  munera  excaecant  oculos  sapientum,  et  mutant  verba 
ustorum  ". 


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—     261     — 

populum  iusto  iudicio  nee  in  alteram  partem  declincnt,1) 
nam  munera  excecant  oculos2)  sapientium  et  mutant 
verba  iustorum. 

Gelegentlich  haben  die  lateinischen  Worte  nicht  die  ge- 
ringste  Beziehung  zu  den  zunachststehenden  deutschen,  z.  B. 
f.  17*  En  arich  minsche,  de  sik  boghet  (908) 

Na  snoden  werken,  wol  wert  ghehoghet 

Dorch  sine  snoden  bosen  daet 

Want  en  bedrucht  syne  snode  art, 

So  valt  he  wedder  vnghespart. 

Vidi  impium  exaltatum  et  elevatum  supra  cedros  Libani. 

transiui,  et  ecce  non  crat.     quaesiui,  et  non  est  inuentus.*) 

Ganz  dasselbe  zeigt  sich  auch  in  der  Schlussrede  von  der 
Superbia  f.  46 b.  Sie  endigt  mit  Luc.  6,38  „date  et  dabitur 
vobisa,  das  den  Gedanken  des  vorhergehenden  lateinischen 
Verses  leicht  variiert.  Das  Folgende  ist  ganz  im  Sinne  des 
Oberarbeiters,  der  hier  wieder  hinzufiigte,  was  Josepe  gar  nicht 
beruhrt.  Das  Zitat  „qui  d&t  sua  bona"  verandert  sogar  nicht 
unwesentlich  die  Worte,  die  deutsch  vorhergehen,  so  dass  man 
hier  dieselbe  Hand  des  spateren  „Besserersa  erkennen  kann. 
Ubrigens  spricht  auch  die  Haufung  der  Zitate  gegen  ihre  Ur- 
spriinglichkeit. 

Nu  hebbe  wy  secht  van  deme  homode,  (2541) 

De  nemende  wert  de  lenghe  to  gude, 

Dar  schaltu  dy,  leue  sone,  vor  waren, 

Dyn  ghelt,  dyn  gud  schaltu  sparen, 

Dat  du  dat  nicht  ouel  tobringhest 

Vnd  den  iamersank  myt  den  arraen  synghest. 

Wat  me  den  vnwerdighen  ghift, 

Gaue  vnd  Ion  vorloren  blift: 

Quicquid  datur  indignis,  totum  deperditur  illud*) 


')  Hs.:  „declinant". 

*)  H8.:  ,,oculuo8u. 

•)  Vgl  Psalm  36,  36:  „vidi  impium  superexaltatum  et  elevatum 
sicut  cedros  Libani.  et  transivi  et  ecce  non  erat:  et  quaesivi  eum,  et 
non  est  inventus  locus  eius". 

*)  „Illudu  gegen  die  Hs.,  um  den  Vers  vollstandig  zu  machen,  zugefiigt. 


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—     262     — 

Sone,  lat  ghan  de  armen  vnd  blinden,1) 

Vnd  ghif  dinen  armen  vrinden,2) 

Des  heftu  lof  grod  vnd  ok  ere, 

Grod  Ion  gift  dy  god,  vnse  here. 

Qui   dat   sua   bona   tempore  necessitatis  indigentibus, 

taliter  virtuose  operatur. 

Qui  non  dat  quod  amat,  non  accipit  ipse  quod  optat, 

We  sik  dat  he  lef  het  to  geuende  wert, 

Dem  wart  nicht  wedder  gheuen,  dat  he  beghert. 

Date  et  dabitur  vobis;  date  temporalia,  accipite  eternalia. 

Als  Schluss  lasse  ich  den  Abschnitt  fiber  die  Spieler 
folgen,  der  reich  ist  an  realistischen  Seitenblicken  und  von  be- 
sonderer  kulturhistorischer  Bedeutung: 

Van  den  dobeleren.8) 

f.  41b  Vor  dem  kumpanen  schal  me  sik  waren,  (2290) 

De  de  ouel  wylt  vnd  nicht  ensparen 

Enes  anderen  vnd  ere  eghene  gud, 

Ok  nemende  lik  efte  recht  doet. 

Quader  selschop4)  vyl  cleyne  kan  neten, 

We  langhe  vrome  wyl  wesen  vnde  heten. 

De  erste  schade,  de  mynste  vnd  de  beste. 
f.  42a  Quade  selschop  maket  grote  vnreste, 

Leghen,  dreghen,  sweren,  vnnutte  rede 

Maket  vordret  vnd  telet  vnvrede. 

De  warheit  is  alles  loues  eyn  anbeghyn 

Vnd  bringhet  louen,  ere  vnd  gude  wyn. 

De  warheit  bederf  nicht  sweren, 

Noch  de  sele  eft  dat  lif  vorteren. 

Veritas  est  radix  laudabilium   et  materia  omnium  donorum. 

Noch  eyner  leyge  is  jummer  hate, 

We  syn  gud  vorbringhet  ouer  mate 

Myt  vnnutten  vnd  quaden  pertygen, 


l)  Im  Sinne  Josepes  wohl  =  die  sich  fttr  Arme  und  Blinde  unrecht- 
massiger  Weise  ausgeben. 
f)  Hs. :  „vrunden". 

*)  Die  tJberachrift  nach  der  Randbemerkung  f.  42  * . 
*)  Hs.:  „  selschop  me". 


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—    263     - 

Dat  se  des  nummermer  wol  dygen, 
De  schal  nement  sere  beclaghen, 
Efte  gym  de1)  armod  helpen  draghen. 
De  ere  gud  jammerliken  vorbrynghen, 
Dar  sesse  vnd  vefteyn2)  vele  klinghen, 
Dat  volk  is  nicht  van  gode. 
De  dobeler  helt  nicht  godes  bode, 
Wan  he  wynt,  so  wil  he  sere  teeren, 
Wan  he  vorlust,  so  kan  he  sweren. 
De  duuel  het  dat  spyl  ghedicht, 
Dat  enis  van  godes  werkynghe  nicht. 
Do  de  duuel  dat  vornam, 
Dat  de  mynsche  in  syne  stede  quam, 
Dar  he  was  in  homode  van  ghekomen, 
Vnd  de  wait  des  hemmels  was  em  benomen, 
Mannygher  leye  kunst  he  do  bedachte, 
Dar3)  he  de  lude  raede  to  valle  brachte. 
f.  42b  De  ghestliken  vromen  weren  em  enteghen, 
De  konde  he  nerghen  mede  bedreghen. 
He  dachte:  de  hilghe  werde  dreualdicheit 
Vppe  dren  personen  vaste  steyt. 
Na  den  personen  vnd  anderen  saken 
Beghunde  he  dre  worpel  to  maken. 
We  der  bruket  vnd  sik  mede  vorplicht, 
De  denket  vppe  de  dre  in  dem  hemmel  nicht, 
Vnd  vppe  de  gnade  vnses  leuen  heren. 
De  worpel  kan  de  lude  van  em  keren, 
Se  vorsweren  syn  vlesk  vnd  syn  blod, 
Dat  dunket  deme  duuel  wesen  gud, 
Dar  to  mannich  snode  vnd  bose  word 
Wert  auer  des  duuels  spele  hord. 
Also  vele  bokstaue  also  me  in  dem   alphabete  vint, 
Also  vele  oghen4)  vppe  deme  worpel  synt, 
Also  de  bokstaue  werden  eret, 
Van  den  lerden,  also  de  worpel  keret. 


l)  „den"  von  anderer  Hand  aus  „de"  verbessert. 
*)  Nach  ,  vefteyn"  eine  Rasur. 
*)  9Dar"  von  der  ersten  Hand  aus  „Data  verbessert. 
4)  „ oghen"  auf  Rasur. 


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—    264    -- 

De  phibel  is  dat  erste  kinderbok, 
De  duuel  het  myt  synen  scholeren  spok. 
De  worptafeln  vnde  worpelsten 
Wert  vor  des  duuels  altare  sen, 
God  de  here  wart  dar  ouer  bespot, 
Angheropen  werd  der  bosen  god. 
Hazert   est  idem   quod   astaroth  et  est  proprium   nomen 
demoniorum  cuiusdam  principis.1)  ( 
Wan  de  dopeler  hasert  anropt,2) 
f.  43a  So  esket  he  den  bosen  man  astrod, 

De  schal  eme  helpen  de  missen  singhen 

Vnd  de  worpel  vmme  brynghen, 

Dat  he  wynne  an  synem  namen. 

Ik  loue,  dat  hasert  des  speles  wil3)  ramen. 

Alea   et   tali  sunt   quasi    altaria    diaboli,    quia   cristum 

blasphemant  et  nomen  demonis  invocatur. 

Wo  mach  dem  jummer  mer  wesen, 

Dat  leygen  vnd  lerden  konnet  dat  bok  lesen 

Vnd  konnet  de  blade  vakener  vmmeslan, 

Er  se  in  de  kerken,  er  se  to  kore  ghan. 

Dyabolus  suos  libros  tradidit  discipulis  stm,  ut  pereant, 

cristus  libros  suos  prebuit,  vt  salui  fiant*) 

Dat  is  to  male  gar  vnghelik  spyl ; B) 

We  nu  hasarde6)  langhe  volghen  wyl, 

Dar  vmme  myt  vlite  merke, 

De  wert  eyn  stumper  vppe  den  werke. 

Grod  vorsumenisse  kumpt  dar  van 

*)  Diese  lateinischen  Worte  sind  blosse  Erklarung  des  folgenden,  sie 
riihren  auch  wohl  vom  Cberarbeiter  her.  Hierhin  gehorte  die  folgende 
lateinische  Erklarung  „alea  et  tali41,  aber  auch  im  folgenden  findet  sich 
das  Lateinische  stets  am  Schlusse  des  Abschnittes. 

*)  In  „anropt"  Rasur  zwischen  „p"  und  1ftu. 

3)  „wilu  iiber  der  Zeile  von  der  ersten  Hand  nachgetragen.  Das 
darunterstehende  Auslassungszeichen  ist  von  der  zweiten  Hand,  die  auch 
dem  folgenden  „rameu  der  ersten  Hand  ein  „nu  am  Schlusse  hinzufiigte. 

*;  Diese  lateinische  Bemerkung,  die  weder  mit  dem  vorhergehenden , 
noch  mit  dem  folgenden  Deutschen  zusammenhangt,  ist  wohl  von  dem 
frommelnden  Bearbeiter,  der  keine  Gelegenheit  zu  frommer  Belehrung 
vorbeigehen  lassen  will,  hinzugefugt. 

8)  Am  Rande  von  spaterer  Hand :  „Van  den  dobeleren11. 

6)  Hs.:  whastarde". 


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—    265    — 

Vnd  van  anderen  stucken,  de  dar  by  stan, 
Also  vns  de  poeten  konnet  bewysen, 
Nen  arm  man  kan  vor  den  dren  rysen. 
Diues  eram  dudum,  iam  fecerunt  me  tria  nudum, 
Alea,    vina,    Venus,    his   tribus1)   sum   f actus2)  egenus*) 
Ik  hadde  lange  wesen  ryke, 
Hadden  my  dre  laten  by  lyke: 
Dabelspil  vnd  de  tauernen 
Vnd  dat  hus  der  leuen  dernen. 
f.  43b  Des  worpels4)  oghen  de  sint  blint, 
Also  wert  vaken  des  speles  kynt. 
To  deme  ersten  en  oghe  he5)  maket  het, 
Mannyghen  he  darmede  vorreth.6) 
De  twe  bederuet  vnd  werpet  en, 
De  secht  ouel  vnd  vor  werpet  den  sten. 
We  myt  eneme  oghe  suet, 
De  kantze  erne  en  ander  vnttud.7) 
Al  wint  he  noch,  mod  he  vorlesen, 
De  enoghede  dobeler  mod  vorvresen. 
In   primo    loco    mum    oculum    dyabolus    schulpsit,    per 
cuius  incertitudinem9)  lusorem  a  congregatione  cristiana*) 
dealienare  proposuit. 
To  dem  anderen  tege  dat  ene,10) 


»)  Hs. :  „hiis  triau. 

*)  Hs.:  „fc8"  mit  einem   Kompendium  driiber.    Eine  spatere  Hand 
anderte  sinnlos  „c"  in  „r". 

8)  Babucke  liest  beide  Verse  so:  „Dives  eram  dudum,  jam  fecerant 
me  tam  nudum  Alea  vina  venus,  hiis  tam  sum  frater  egenus." 

*)  „  worpels"  von  der  ersten  Hand  aus  „worpers"  verbessert,  es  folgt 
eine  Rasur. 

'°)  Nach  „heu  eine  Rasur 

fl)  Der  erste  Schreiber  hatte  diese  vier  Verse   in  folgender  Reihen- 
folge  geschrieben: 

a    Des  worpels  oghen  de  sint  blint 
c    To  deme  ersten  en  oghe  he  maket  het 
b    Also  wert  vaken  des  speles  kynt 
d    Mannyghen  he  darmede  vor  reth, 
deutete  dann  aber  durch  die  vorgesetzten  Buchstaben  die  richtige  Folge  an 

7)  Hs.:  „vntud". 

8)  Hs. :  „incertitidinemu. 

•)  Hs.:  „cong'tione  alt.  ,0j  Hs.:  „eme". 


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—     266    — 

Twe  oghen  in  deme  suluen  stene 
Het  de  bose  dar  yn  ghehouwen. 
Dar  moghen  syne  lerer  schowen, 
De  haserde,  den  meister,  gheme  seen. 
Myt  den  twen  oghen  wyl  he  then 
Den  dobeler  van  der  leue  godes, 
Vnd  schal  vorgheten  sines  bodes 
Vnd  des  mynschen  leue,  als  men  vint, 
In  deme  spele  hatet  de  vader  dat  kint. 
In  secundo  loco  duos  oculos1)  ex  opposite  fixit,  cupiens 
lusorem  a  dilectione  dei  et  proximi2)  separate}) 
To  dem  drudden  male  dre  blinde  oghen 
Kan  he  in  den  worpel  voghen. 
f.  44a  Dar  mede  wyl  he  syne  scholer  brynghen 
Van  eren  vnd  van  al  eren  guden  dinghen, 
Vnd  van  der4)  werden  hilghen  drevaldicheyt, 
Ere  wesent  in  der  schonen  figuren  steyt, 
De  vater,  de  sone,  de  hilghe  geyst; 
Hasert  werd  dar  nomet  meist. 

In  tercio  loco  figuram  trium  oculorum  posuit,  per  quos 
a  cognitione  trium  per  sonar  um  lusorem  amouere  studuit.5) 
To  den  verden  male  in6)  ver  orden 
Makede  he,  also  sik  dat  wol  borde, 
Ver  oghen  in  des  duuels  dabelspele, 
Vp  jewelken  ende  der  oghen  en. 
Dar  mede  mende  he  vnd  wolde  wol  then 
De  ghonnen,  de  de  oghen  wol  kenden, 
Dat  se  syk  nicht  sere  scholden  wenden 
Na  den  ver  ewangelisten  vnd  erer  lere. 
Ik  vruchte,  dat  sik  eyn  dobeler  cleyne  kere 
Na  gode  vnd  na  der  ewangelisten  scryft, 
Mannich  godesdenst  van  gym  na  blift. 
De  ghonnen,  de  dat  spyl  scholden  straffen, 


*)  H8.:  „oculuo8u. 

')  Hs.:  „cupies  a  dilectione  et  proximi". 

*)  Hs.:  „8eperariu. 

4)  „der11  von  der  ersten  Hand  nachgetragen 

5)  Hs. :  „stiduit" 

•)  „in11  von  der  ersten  Hand  nachgetragen. 


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—    267     — 

Dat  synt  de  prester,  de  sik  laten  affen, 
De  godes  offer  dar  mede  tobrynget 
Leuer,  wan  se  lesen  efte  synghet.1) 
Se  vorgheten  der  ewangelisten  gunst 
Vnd  volghen  na  des  duuels  kunst. 
In  quarto  loco  quatuor  oculos  in  quatuor  angulos  impressit, 
f.  44b  vt  a  doctrina  quatuor  evangelistarum  operantem  retraheret. 
To  deme  veften  male  vort  an 
Makede  vyf  oghen  ghonne  bose  man 
In  den  worpel,  des  duuels  molensten. 
Dar  mede  wolde  he  gherne  syne  jungeren  ten 
Van  dem  lidende  vnses  heren  vnd  synen  vif  wunden, 
De  eyn  schal  eren  vnd  anropen  to  alien  stunden, 
Dar  by  scholde  de  sweren,  de  vorlore  syn  ghelt, 
Vnd  van  deme  dobelere  worde  syn2)  blot  vorquelt. 
Wellen  kan  des  duuels  spil  den  bouen  ere  blot, 
Dat  in  deme  lutken  tone  is,  dat  mot  bouen  vt, 
Godes  benediede  herte  vnd  alle  sine  wunden, 
Deme,  den  de  bouen  smerte  in  des  dobels  stunden. 
Astrot  myt  liste3)  kan  den  worpel  wenden, 
De  syner  molen  volghen,  in  dat  leste  gerne  schenden. 
In  quinto   loco   inpressit*)  oculos   quinque,   cum   quibus 
lusorem  a  passione  domini  et  a  quinque  wlneribus  cristi 
retrahere  gliscit.6) 

To  deme  sesten6)  male  vnd  to  dem  lesten, 
We  deme  duuel  louet,  de  dent  nicht  den  besten, 
In  suluen  sten  makede  he  der  oghen  sosse, 
Dar  mede  kan  he  locken  vt  der  kisten  de  roden  vosse. 
Myt  den  envndtwyntich  oghen 
Kan  de  sulue  astrot  alle  vnghelucke  roghen. 
Sos  vloghel,  also  de  enghel  cherubyn, 
Dar  schal  en  jslik  mynsche  mede  kledet  syn 


*)  Vgl.  im  Bu8chmann :  „Id  is  den  presteren  bose,  eft  se  ere  gebed 
nicht  endon  vor  dat  offer  myt  myssen,  vigilien  vnd  salmen".  Jahrb.XIV,  14. 

*)  Nach  „syn"  eine  Rasur. 

»)  Hs.:  „liae". 

*)  Hs.:  ,In  quinto  inpressita.  5)  Hs.:  „glissitu. 

•)  „8e8tenu  verbessert   von   erater  Hand    aus   „lesten",    vgl.  Vera 
4097  S.  247. 

Jahrbach  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Altertfimer  za  Eraden,  Bd.  XV.  18 


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—    268     — 

Vnd  de  sele  mede  to  hemmel  vleghen: 

Dar  makede  her1)  astrot  ses  oghen  en  teghen, 

Dar  mede  scholen  syne  scholer  der  ses  vloghele2)  vorgheten. 
f.45aWe  nu  is  dobelsek,  de  enmach3)  drinken  efte  eten, 

Dobelspyl  is  al  syn  begher, 

He  vorghet  godes  naghel,  cronen  vnd  sper. 

We  de  kump  in  des  worpels  dwenghe, 

Deme  wert  de  wyde  werld  to  enghe, 

Deme  wert  lang  de  korte  nacht, 

Na  nener  nerynghe  het  he  acht, 

He  sorghet  noch  vor  wyf  efte  kint. 

Wor  he  enen  kumpan  vynt, 

Wol  kan  he  eme  nicht  afwynnen  vele, 

He  biddet,  dat  he  myt  eme  spele. 

Ik  enwet  nu  nene  sunde  mer,  de  leuet, 

Mannych  vorstelt  syk  vnd  vordeuet, 

De  wol  bleue  vrome,  eyn  bedderue  man, 

Wan  he  de  worpele  lete  stan. 

Dat  spyl  leuet  vnd  tud  so  sere  to, 

Dat  de  spylseke  nowe  vyndet  sine  scho, 

Wan  he  selschop  kan  bekomen, 

Syn  vnd  wytte  wert  menghem  benomen. 

Dobelspel  vnd  vrowen  leue 

Maket  manghen  man  to  deue, 

De  wol  mochte  bliuen  eyn  vrome  man, 

Lete  he  dar  ghern  to  tyden  van, 

Er  dat  ruchte  worde  ouerlud 

Myt  deme  spele  vnd  myt  der  brud. 

Ik  enweit  nu  nene  varliker  daet, 

De  vornedder  alien  hoghen  staet, 

Den4)  vrowenleue  vnd  ouerich  dobelspyl. 

We  den  twen  langhe  volghen  wyl, 

Dat  drudde  is  ouermate  spyse  vnd  drank, 
f.  45b  De  dre  maken  den  budel  vnd  den  auer  krank 

Vnd  konnet  de  armen  sele  bedreghen, 


*)  Hs.:  nmakede  heu. 

f)  nach  „vlo"  eine  Rasur. 

*)  „en"  von  erster  Hand  hinzugefiigt 

*)  „Der"  aus  „De"  verbeaaert  von  anderer  Hand. 


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—    269    — 

Dat  se  nicht  kan  to  hemmel  vleghen, 
Dat  cherubyn  nycht  by  er  steyt, 
Wan  dat  rychte  ouer  de  sele  gheyt. 
Nen  mynsche  kan  to  hemmel  komen, 
Deme  der  werschop  cleyt  wert  benomen, 
De  sos  vloghel,  der  sele  cleyt, 
Also  hir  na  screuen  van  den  oghen  steyt: 
In  vltimo  loco  sex  oculos  posuit,  cum  quibus  ludentes  alts 
et  veste  nupciali,  cum  quo  gaudio  eterno  perfrui  possent, 
spoliare  intendit. 

Nu  mochstu  merken,  myn  leue  kynt, 
Wat  vroude  an  den  luden  synt, 
De  sik  to  dem  dopelspele  gheuen. 
Wer  se  dar  ich1)  ane  bleuen! 
Syk  dabelt  mannich  vp  de  krucke. 
Dobeler,  dyn  hopene,  dyn  lucke, 
Dyn  dot,  dyn  leuent,  dyn  wolwar,2) 
Des  nym  in  des  dobels  spele  war: 
Lude*)  taxiUis,  tamen  respice,  quid  sit  in  Hits, 
Res  tua,  spes  tua,  mors  tua  sistit  in  illis. 
Dat  spyl  scholen  de  prester  nicht  ouen, 
Dat  mach  en  jslik  suluen  prouen, 
De  de  scholen  in  der  kerken  denen 
Gode  vnd  volghet  den  dobelstenen 
Vnd  legghen  dar  an  eren  vlid, 
Dat  se  dat  ouen  alle  tid, 
De  ouerste  wait  dat  richten  wyl, 
Dobeln  is  nen  ghestlik  spyl: 
Ludere4)  cum  talis  non  est  res  spiritualis. 
f .  46*  Non  sunt  ludentes  presbiteri,  neque  studentes, 
Sunt  nugatores  dyaboli  fere  basores. 

Hierauf  folgen  die  S.  208  angeftihrten  Verse  iiber  das  er- 
laubte  Spiel,  dann  heisst  es  weiter: 


')  „ich"  =  ,icht". 

f)  „wolwaru  =  „wolvar". 

•)  H8.:  „ludere".    Am  Rande  links,  yon  der  ersten  Hand:  „poetice" 

*)  Am  Rande  links,  von  der  ersten  Hand:  „metrice". 

5)  .,warliku  =  „varlik". 

18* 


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—     270    — 

Worptafel  is  eyn  nydich  vnd  warlik6)  spyl, 
We  de  boden  bod  na  baden  volghen  wyl. 
Dar  vmme  dat  id  so  varliken  to  gheyt, 
Makede  de  vader  dem  sone  dat  spyl  leyt, 
Aleam  fuge,  de  vader  to  em  sede. 
We  noch  na  der  olden  lere  dede, 
Dat  queme  eme  to  bate  wol  vnd  vake, 
Na  dem  ghelde  schut  de  drake. 
We  dar  to  dren  scheruen  is  gheboren, 
De2)  na  worpt,  de  heft  vorloren, 
De  wert  nummer  twyger  pennynge  here, 
Van  alien  spelen  de  kopman  kere. 
Du  vorsumest  beyde  kop  vnd  tid 
Vnd  werst8)  diner  nerynghe  quid. 
Wan  de  dobeler  wynnet,  so  teret  he  sere, 
So  het  me  en  juncher  vnde  here 
Vnd  wert  gheheten  vrome  vnd  klok, 
Wan  he  vorlust,  so  is  he  en  ghok 
Vnd  heft  schaden  vnd  spot, 
Vorarmen  he  ane  dank  mod. 
Dat  heft  de  heydensche  meyster  bescreuen 
Vnd  heft  dat  alexandro  ghegeuen: 
f.  46b  Qui  vltra  modum  fudit    diuicias,   cito   venit   ad  amara 
litora  paupertatis. 

We  in  homod  syn  gud  vorbrochte, 
Dar  na  wedder  hulpe  sochte 

In  den  ghonnen,   dar  he  dat  hadde  mede  vorteret, 
Dat  eme  nicht  worde,  des4)  wer  he  werd. 

Von  einer  Datierung  des  Josepeschen  Gedichtes  sehe  ich 
hier  ab,  da  sie  sich  nur  auf  Grand  eines  genaueren  Eingehens 
auf  die  Polemiken  gegen  die  reichen,  nicht  reformierten  KlOster 
und  Stifter,  gegen  die  hohen  und  hflchsten  kirchlichen  Wfirden- 
trager,  die  Pralaten  und  den  Papst  geben  lftsst.  Ich  gedenke 
sie  in  grosserem  Zusammenhang  zu  behandeln. 


*)  „dar"  von  anderer  Hand  nach  „De"  hinzugefugt. 
9)  Zwischen  „vnd"  und  ,/weret"  eine  Rasur. 

8)  H8.:  „das"  von  zweiter  Hand  verbessert  aus  „dat".    Es  folgt  die 
S.  261  mitgeteilte  Stelle. 


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—     271     — 

Zum  Schlusse  korame  ich  auf  die  Geschichte  der  Emder 
Hs.  zuriick.  Der  in  diesem  Jahrbuch  XIV,  37  mitgeteilte  Zusatz 
zu  den  ^doctrine  bone  pro  communi  bono"  legt  die  Vermutung 
nahe,  dass  die  Hs.  fiir  ein  Nonnenkloster  geschrieben  worden, 
sich  also  wohl  auch  im  Besitz  eines  solchen  befunden  hat.  Die 
von  mir  mehrfach  nachgewiesene  tendenziose  Verkiirzung  und 
Ver&nderung  des  Josepeschen  Gedichtes  ist  kaum  mit  Riicksicht 
auf  Nonnen  als  Leserinnen  vorgenommen  worden,  aber  es  ist 
nicht  unmSglich,  dass  die  Emder  Hs.  von  Nonnen  geschrieben 
worden,  denen  dann  die  meisten  Verschreibungen  in  den  latei- 
nischen  Zitaten  Schuld  zu  geben  w&ren. 

Die  innere  Geschichte  der  Hs.  widerspricht  also  nicht  den 
scharfsinnigen  Untersuchungen,  die  Herr  Prof.  Dr.  Ritter  in 
diesem  Jahrbuch  XIV,  512 — 20  verSffentlicht  hat.  Er  weist 
aufs  Oberzeugendste  nach,  dass  die  Emder  Josepe-Hs.  aus  dem 
Lftneburgischen,  hQchst  wahrscheinlich  aus  einem  Liineburgischen 
Benediktinerinnenkloster,  in  den  Besitz  des  Landschaftsprasi- 
denten  und  preussischen  Geheimen  Rates  Mauritz  Wilhelm 
von  dem  Appelle  und  aus  dem  Appelleschen  Nachlass  in  den 
Besitz  der  Gesellschaft  fiir  bildende  Kunst  und  vaterlandische 
Altertiimer  zu  Emden  gelangt  ist.  Es  ist  sehr  wahrscheinlich, 
dass  reformierte  Benediktinerinnen  sich  aufs  lebhafteste  fiir 
die  freien  Anschauungen  Josepes,  eines  Vorlaufers  der  Be- 
strebungen  der  Bursfelder  Union,  interessiert  haben. 

Greifswald.  Al.  Reifferscheid. 


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Kleine  Beitrage 
zur  Gesehichte  der  Ulrichsschule  zu  Aurich. 


i. 

Schon  lange  vor  dem  Jahre  1646,  das  als  das  Griindungs- 
jahr  der  hSheren  Lehranstalt  zu  Aurich  angesehen  wird,  ja 
schon  vor  der  Mitte  des  sechzehnten  Jahrhunderts  hat  es 
hier  eine  lateinische  Schule  gegeben.  die  indes  nur  aus  einer 
Klasse  bestand,  und  an  der  auch  nur  „eine  Person  unter  den 
Namen  eines  Rektors  einzig  und  allein  das  Schulwerk  trieb 
und  Kinder  von  allerhand  Gattung"  —  namlich  von  sehr  ver- 
schiedenem  Lebens-  und  Klassenalter  —  ^informierete".1)  Der 
einzige  Lehrer  hatte  „den  Unter richt  der  Jugend  von  den 
ersten  Elementen  an  in  alien  Fortschritten  der  Kenntnisse  und 
fiir  alle  Stufen  des  jugendlichen  Alters  zu  besorgen".2) 

Im  Jahre  1646  verfugte  aber  Graf  Ulrich  II.  auf  Be- 
treiben  des  lutherischen  Superintendenten  Brandanus  Datrius 
die  Erweiterung  der  Schule  zu  einer  d  r  e  i  klassigen  Anstalt. 
Der  bisherige  Rektor,  Johann  Rabe,  wurde  als  Prediger  nach 
Engerhafe  versetzt.  Der  neuernannte  Rektor,  Martin  Ness  el, 
gebiirtig  aus  Mahren,  bislang  Konrektor  in  Minden,  ein  Mann, 
der  sich  durch  lateinische  Dichtungen  einen  gewissen  Ruf  ver- 
schafft  hatte,  trat  seinen  Dienst  Michaelis  1646  an,  w&hrend 
als  Konrektor  Johann  Schroder  und  als  Kantor  dessen 
Bruder  Sebastian  Schrflder  —  beide  iibrigens  ebenfalls 
aus  der  Fremde  hierher  berufen  —  bereits  seit  Ostern  ihres 
Amtes  walteten.  Der  Rektor  der  neuen  Schule  war  nach  dem 
allgemeinen  Brauche  jener  Zeit  ausschliesslicher  und  bleibender 
Lehrer  der  ersten,  und  ebenso  der  Konrektor  der  zweiten,  der 
Kantor  der  dritten  Klasse.     Nessel  wurde   1655  von  hier  als 


*)  Funck,  08tfriesi8che  Chronik,  Teil  6.  S.  102. 

*)  Pommer,  Nachricht  von  der  Ulrichsschule  in  Aurich,  Tapper  1821. 


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—    273     — 

Rektor  an  die  lutherische  Domschule  zu  Bremen  berufen,  ging 
aber  1667  von  dort  nach  Wien  und  trat  daselbst  zur  katbo- 
lischen  Kirche  tiber.  Johann  Schroder  wurde  1652  Pastor 
adjunctus  in  Pewsum;  sein  Bruder  verlor  1662  seinen  Dienst 
wegen  Unwtirdigkeit.  Die  Namen  der  Nachfolger  dieser  drei 
„Schulkollegena  bis  zum  Beginne  des  19ten  Jahrhunderts  sollen 
weiter  unten  angeftihrt  werden. 

Die  erweiterte  Anstalt  erhielt,  wenn  nicht  sofort  bei  ihrer 
Begrttndung,  so  doch  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  bald  nach 
derselben  eine  „schriftlichea  Schulordnung,1)  die  der  von 
Melanchthon  1528  verfassten  kursachsischen  nachgebildet 
war  und  im  wesentlichen  bis  1721  in  Kraft  geblieben  zu  sein 
scheint.  Der  Lehrplan  war  noch  ausserordentlich  einfach : 
Religionslehre  und  Latein  waren  die  beiden  einzigen  Lehrfacher 
der  II.,  die  erstere  mit  2,  das  andere  mit  28  Wochenstunden 
bedacht;  in  der  I.  waren  dem  Latein  6  Stunden  entzogen  und 
gleichmassig  auf  Griechisch,  Rhetorik  und  Logik  verteilt;  in 
der  III.  sollten  die  „lectiones  im  Lesen,  Auswendiglernen  und 
Schreiben  d  e  u  t  s  c  h  und  1  a  t  e  i  n  i  s  c  h  getrieben  werden" .  — 
1721  wurde  von  Johann  Wolrad  Billstein,  aus  Tonna  bei 
Gotha  gebiirtig,  1713 — 28  Rektor  und  Hofdiakonus  zu  Aurich, 
darauf  erster  Prediger  zu  Esens,  eine  neue  Schulordnung 
nach  Hallischem  Vorbilde  entworfen  und  zur  Einfuhrung 
gebracht.2)  Der  griechische  Unterricht  erfuhr  durch  sie  eine 
erhebliche  Vermehrung,  zu  den  bisherigen  Fachern  traten 
Hebr&isch,  Geschichte  und  Erdkunde  neu  hinzu.  1737  wurde 
diese  Schulordnung,  wie  es  scheint,  vornehmlich  durch  den 
Rektor  Georg  Emanuel  Schroder  (1729-60,  f  68  in  Aurich) 
tiberarbeitet ;  in  der  ihr  damals  gegebenen  Form  ist  sie  dann, 
freilich  nicht  ohne  auch  spatter  im  einzelnen  abgeandert  zu 
werden,  bis  1775  in  Geltung  gewesen. 

In  diesem  Jahre  wurde  fiir  die  Ulrichsschule,  die  ja  nun- 
mehr  bereits  seit  31  Jahren  eine  Koniglich  preussische  Lehr- 
anstalt  war,  eine  neue  Ordnung  erlassen: 


*)  Abgedruckt  bei  Pommer,  Nachricht  von  der  Ulrichsschule  in 
Aurich,  Tapper  1821,  S.  7  ff.  und  in  Heynachers  Festschrift,  Tapper 
1896,  S.  107  ff . 

*)  Abgedruckt  bei  MUcke,  Beilage  zum  Ilf elder  Jahresbericht  von 
1901,  S.  6  ff. 


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—     274    — 

„Wir,  Friedrich,  von  Gottes  Gnaden  Konig  von  Preussen, 
Marggraf  zu  Brandenburg,  des  heiligen  R8mischen  Reiches  Erz- 

kammerer  und  Kurfurst ,  Fiirst  zu  Ostfriesland,  Herr  zu 

Esens,  Stedesdorf  und  Wittmund 

Urkunden  und  bekennen  hiermit:  Nacbdem  unsere  latei- 
nische  Schule  zu  Aurich  zwar  schon  im  Jahre  1737  mit  einer 
schriftlichen  Schulordnung  versehen  worden,  dieselbe  aber  nach 
den  gegenw&rtigen  Umst&nden  einige  Veranderung,  Supplierung 
und  Verbesserung  erfordert :  so  haben  wir  gut  gefunden,  solche 
revidieren  und  zur  kiinftigen  Richtschnur  folgendermassen  er- 
neuern  zu  lassen."1) 

Nach  des  Rektors  Pommer  Angabe  in  seiner  1821  ver- 
offentlichten  „Nachricht  von  der  Ulrichsschule"  hatten  be- 
sonders  der  Generalsuperintendent  H  a  h  n  und  der  Konsistorial- 
rat  und  Stadtprediger  Smid,  der  hier  fruher  Konrektor  und 
Rektor  gewesen  war,  an  der  neuen  Schulordnung  Anteil  gehabt. 
Ungenau  ist  jedenfalls  seine  Bemerkung,  dass  „nach  ihr  die 
anderen  bei  den  tibrigen  Schulen  des  Landes  geltenden  minder 
oder  mehr  gebildet"  seien.  Die  Auricher  Schulordnung  von 
1775  ist  vielmehr  mit  der  schon  aus  dem  Jahre  1773  stammen- 
den  „erneuerten  Schulordnung  fur  die  lateinische  Schule  zu 
Norden"2)  fast  durchweg  gleichlautend.  Sie  fiigte  zu  den 
hier  bisher  gelehrten  Fachern  noch  die  Orthographia,  d.  h. 
deutschen  Sprachunterricht,  und  als  wahlfreie  F&cher  Franzo- 
sisch,  Mathematik  und  Physik  hinzu.  Unter  den  zu  behandeln- 
den  „Hauptteilena  der  „Historietf  erscheint  ausser  der  Chrono- 
logie,  Genealogie,  Geographie,  Heraldik  und  den  „ Antiqui- 
tatena  auch  die  Numismatik,  wozu  Pommer  die  ausser st 
treffende  Bemerkung  macht:  „Dass  Numismatik  von  denLehrern 
gefordert  wurde,  war  in  der  Tat  hart,  da  es  an  offentlichen, 
ihnen  zu  Gebote  stehenden  Munzsammlungen  hierselbst  fehlte, 
und  sie  ttbrigens  zufrieden  sein  mussten,  wenn  ihnen  die  im 
Lande  kursierenden  Mtinzsorten  nur  zu  Gesicht  kamen.a 

Eine  wichtige  Neuerung  fur  die  hftheren  Schulen  Ost- 
frieslands  brachte  das  Jahr  1789:  die  allgemeine  Einftihrung 
der  Reifepriifung  nach  einem  noch  vonZedlitz  stammenden, 

*)  Schulakten  des  hiesigen  Koniglichen  Archivs  216a. 
f)  Abgedruckt  bei  Babucke,   Geschichte   des  Progymnasiums    in 
Norden;  Emden,  Haynel  1877. 


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—     275     — 

aber  bereits  von  Wollner  am  23.  Dezember  1788  unter- 
zeichneten  Reskripte.1)  Es  waren  hiernach  vier  schriftliche 
Arbeiten  zu  liefern:  1)  die  Beantwortung  einer  grossen  Zahl 
vonFragen  aus  alien  Unterrichtsfachern  der  I.,  2)  ein  lateinisches 
Extemporale,  3)  die  tfbersetzung  einer  Horazischen  Ode,  4)  ein 
kurzer  deutscher  Aufsatz.  Die  mtindliche  Priifung  erstreckte 
sich  nicht  nur  auf  Latein,  Griechisch,  Geschichte,  Logik, 
sondern  auch  auf  die  wahlfreien  F&oher  Hebraisch  und  Franzo- 
sisch  und  mitunter  auch  auf  Mathematik  und  selbst  Englisch. 
Die  Einrichtung  bestand  bis  1806,  kam  in  der  dann  folgenden 
Zeit  der  hollandisch-franzosischen  Fremdherrschaft  in  Wegfall, 
wurde  aber  1822  auf  das  Drangen  des  Rektors  Pommer  — 
und  zwar  in  der  durch  jene  altere  preussische  Verordnung  vor- 
geschriebenen  Form,  nicht  etwa  nach  Vorschrift  des  beriihmten 
Edikts  vom  12.  Oktober  1812  —  hier  in  Aurich  wieder  ein- 
geftihrt.  Die  allgemeine  Anordnung  der  Reifepriifung  an  den 
hannoverschen  Schulen  erfolgte  erst  im  Jahre  1829. 

Eine  recht  triibe  Zeit  musste  die  Schule  w&hrend  der 
hollandischen  (1807 — 10),  eine  noch  triibere  wahrend  der  franzo- 
sischen  Herrschaft  (1810 — 13)  durchleben.2)  Im  Jahre  1805 
hatte  der  preussische  Kultusminister  von  Massow  die  Schulen 
Ostfrieslands  besucht  und  dem  Konsistonum  einen  vollig  aus- 
gearbeiteten  Plan  zu  ihrer  Neuordnung  und  Erweiterung  vor- 
gelegt.  Doch  ehe  dieser  Plan  verwirklicht  werden  konnte, 
brach  das  Unheil  iiber  den  preussischen  Staat  herein,  und  von 
einer  Schulreform  war  nun  ftir  lange  Zeit  nicht  mehr  die  Rede. 
Die  holl&ndische  Regierung  wollte  dem  Ostfriesen,  um  ihn  zu 
behobeln  und  zu  gl&tten  —  „beschaavena  sagte  die  be- 
treffende  Verfugung  —  die  hollandische  Sprache  statt  der 
deutschen  als  Bildungssprache  aufdr&ngen.  IJnter  Napoleons 
Herrschaft  sollten  die  ostfriesischen  Schulen  eine  hohe,  von  den 
Schtilern  aufzubringende  Abgabe,  die  sich  ftir  Aurich  auf  840 
Frank  bei  einer  Gesamtzahl  von  50—60  Schtilern  belief,  an  die 
Kaiserliche  Universitat  zu  Groningen  entrichten;  die  Lehrer  aber, 
„welche  ihr  ohnedies  armseliges  Gehalt  nicht  ausgezahlt  er- 
hielten",  mussten  ftir  die  Erlaubnis,  ihr  Amt  weiter  auszuiiben, 


l)  Mttcke  a.  a.  0.  S.  30  ff. 
>)  Pommer  a.  a.  0.  S.  31  ff. 


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—    276    — 

—  „den  Hunger  in  Prospekt  zu  haben",  meint  Pommer  —  sich 
1813  zu  einer  j&hrlicheu  Abgabe  von  100  Fr.  verstehen.  Noch 
niederschlagender  freilich  war  fur  sie  das  Bewusstsein,  dass  sie 
die  „blindeu  Werkzeuge  einer  wohlberechneten,  alles  Edle  im 
Menschen  ertfttenden  Geistestyrannei  abzugeben"  bestimmt 
seien.  Die  Erlflsung  kam  1813  mit  der  Erneuerung  der  preussi- 
schen  Herrschaft,  unter  der  nun  auch  die  Lehrer  ihre  ruck- 
standigen  und  laufenden  Gehalter  ausgezahlt  erhielten.  Die 
seit   Ende   dieses  Jahres   erledigte  Rektorstelle   wurde   freilich 

—  „aus  Mangel  an  Fonds"  —  nicht  alsbald,  sondern  erst  Ende 
1817,  also  unter  hannOverscher  Herrschaft.  wieder  besetzt,  und 
dieses  „Gouvernement  zeigte  sich  auch  sonst  bereitwillig,  den 
Zustand    der  Schule  im   Innern  und   Aussern   zu  verbessern". 

Was  Massow  einst  geplant  hatte,  sollte  jetzV/wenn.aucb 
nicht  sofort.  fiir  Aurich  zur  Ausfiihrung  kommen.  Es  war  das 
glanzende  Ergebnis  mehrjahriger  von  dem  Rektor  Cornelius 
Pommer  (1803-13;  1817—33)  angeregter  und  mit  zaher  Aus- 
dauer  unterhaltener  Verhandlungen,  dass  sich  1822  eine  v611ige 
Neugestaltung  der  Schule  „im  Innern  wie  im  Aussern"  vollzog. 
Mit  mindestens  ebenso  gutem  Rechte,  wie  man  1896  die 
250jahrige  Stiftungsfeier  der  Anstalt  begangen  hat,w  werden 
einst  1922  die  Uberlebenden  unter  uns  mit  der  dann  bliihenden 
Jugend  das  hundertj&hrige  Jubilaum  des  Gymnasiums  feiern 
k5nnen.  Die  neue  Schulordnung1)  bezeichnet  als  die  Haupt- 
bestimmung  der  Anstalt  eine  griindliche  und  vollstandige 
Vorbereitung  zu  den  akademischen  Studien  zu  geben.  Die 
Unterrichtsgegenst&nde  zerfallen  demgemass  in  Sprachen, 
Wissenschaften  und  Fertigkeiten.  Die  auf  der  Schule  gelehrten 
Sprachen  sind  Deutsch,  Latein,  Griechisch,  Hebraisch,  Franzo- 
sisch,  von  denen  die  beiden  letzteren  wahlfrei  sind.  „Die  eng- 
lische  Sprache  hat  noch  keinen  festgesetzten  Lehrer;  es  giebt 
hierselbst  aber  mehr  denn  eine  Gelegenheit,  sie  griindlich  zu 
erlernen".2)  An  Wissenschaften  werden  gelehrt  Religion,  Ge- 
schichte,  Geographie,  Antiquitaten  und  Mythologie,  Rechnen 
und    Mathematik,    Naturgeschichte,     Naturlehre,     Philosophie 

*)  Handschriftlich  bei  den  Akten  des  Gymnasiums,  auszugsweise 
mitgeteilt  von  Pommer,  „Kurze  Nachricht  von  der  gegenwartigen  Ein- 
richtung  des  Lycei  in  Aurich",  Tapper  1822. 

a)  Pommer  a.  a.  0.  S.  15. 


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—     277     — 

(empirische  Psychologie  und  Logik);  an  Fertigkeiten  Kalli- 
graphie  und  Zeichnen.  Die  Einffihrung  von  Gesangunterricht 
blieb  noch  vorbehalten.  Man  sieht,  die  Sammlung  ist  schon 
annahernd  vollst&ndig;  ganzlich  unerwahnt  bleibt  nur  der 
Turnunterricht.1)  So  hat  sich  denn  auch  die  wochentliche  Ge- 
samtstundenzahl  von  26  auf  30  und  dariiber  erhoht.  Im  iibrigen 
hat  das  Lateinische  nicht  unerheblich  an  Stundenzahl  ein- 
gebiisst,  das  Griechische  dagegen  gewaltig  an  Ausdehnung  ge- 
wonnen:  es  nimmt  sogar  schon  einen  etwas  grosseren,  als  den 
ihm  gegenw&rtig  zugestandenen  Raum  im  Lehrplane  ein.  Als 
Hauptfacher  gelten  Latein,  Griechisch,  Geschichte.2)  —  Sodann 
wird  die  Schule  zu  einer  fiinfklassigen  Anstalt  erweitert 
und  erhalt  den  stolzen  Naraen  Lyceum.  Es  wirken  an  ihr 
ausser  dem  Anstaltsleiter,  der  nunmehr  den  alten  ehrwiirdigen 
Rektortitel  mit  der  hochst  unklassischen  Bezeichnung  „Direktora 
vertauscht,  ein  Konrektor,  ein  Subkonrektor,  ein  erster  und 
zweiter  Kollaborator  und  ein  Zeichenlehrer,  also  im  ganzen 
nicht  mehr  drei,  sondern  sechs  Lehrer.  —  Das  alte  Klassen- 
lehrersystem  wird  grundsatzlich  aufgegeben:  „Die  Krafte  des 
Lehrers  werden,  soviel  nur  angeht,  zu  dem  benutzt,  worin  er 
sich  auszeichnet  und  wozu  er  die  mehrste  Lust  hat,  dass  also 
in  einer  Klasse  nicht  stets  ein  und  derselbe  lehrta.3)  Ja,  man 
nimmt  jetzt  auch  hier  eine  Einrichtung  auf,  die  schon  im 
18  Jahrhundert  nach  Hallischem  Vorbilde  auf  vielen  preussischen 
Schulen  Eingang  gefunden  hatte,4)  und  die  uns  heutzutage  Un- 
kundige  als  ihre  nagelneue  Erfindung  anpreisen  mochten:  ein 
und  derselbe  Sch tiler  kann  in  verschiedenen  Fachern  ver- 
schiedenen  Klassen  angeh5ren,  beispielsweise  also  im  Latei- 
nischen  in  der  Prima  und  im  Griechischen  noch  in  der  Sekunda 
sitzen.  Hieraus  aber  ergiebt  sich  denn  von  selbst  eine  Ver- 
&nderung  in  der  Stellung  des  Anstaltsleiters  zu  den  andern 
Schulkollegen :  er  ist  nicht  mehr  primus  inter  pares,  sondern 
der  n&chste  Dienstvorgesetzte.  —  tfbrigens  setzte  man  voraus, 
dass  „bei  gew5hnlichen  Kraften  und  nicht  zu  grosser  Vernach- 


*)  In  Hannover  allgemein  erst  seit  1848  eingefuhrt 
*)  Pommer  a.  a.  0.  S.  8.    Gegenw&rtig  bekanntlich  Deutsch,  Latein, 
Griechisch,  Mathematik. 

»)  Pommer  a.  a.  0.  S.  8. 

•)  VgL  Paulsen,  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts,  Bd  2,  S.  151 1 


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—     278     — 

lassigung"  ein  Schiller  in  jeder  Klasse  durchschnittlich  zwei 
Jahre  zubringe,  also  nach  einer  im  ganzen  zehnjahrigen 
Gymnasiallaufbahn  in  einem  Alter  von  19  Jahren,  „wo  er  in 
der  Regel  dazu  am  f&higsten"  sei,  zu  den  akademischen  Studien 
tibergehe.1)  Vor  den  halbj&hrlichen  Versetzungsterminen  hielt 
der  Direktor  in  alien  Klassen  eine  schriftliche  und  mtindliche 
Prtifung  ab,  und  die  Reifepriifung,  die  bis  1806  bestanden  hatte, 
wurde  „ftir  die  zur  Akademie  abgehenden  Schtilera,  wie  schon 
bemerkt,  wieder  eingeftihrt.2) 

Die  Besoldung  der  Schulkollegen  war  im  17ten  und  18ten 
Jahrhundert  recht  „armseliga  gewesen.  Als  „salarium  fixum" 
erhielt  bis  1785  der  Rektor  200,  der  Konrektor  100,  der  Kantor 
60  Thaler.  Dazu  kamen  dann  freilich  ausser  freier  Wohnung 
die  „Accidentiena,  n&mlich  die  von  den  Schtilern  unter  ver- 
schiedenen  Titeln  (Schulgeld,  Einschlaggeld,  Marktgeld  u.  a.) 
zu  entrichtenden  Gebtihren,  das  „ honorarium  arbitrium"  bei 
Leichenbegangnissen  und  Naturalgefalle  (Torf,  Getreide,  ein 
Schwein  u.  dergl.).  Mehrere  vor  1744  amtierende  Rektoren  be- 
zogen  iiberdies  als  Hofdiakonen  eine  Zulage  von  100  Thalern, 
der  Konrektor  an  Zinsen  von  Stiftungskapitalien  etwas  tiber  21, 
und  endlich  der  Kantor  als  Organist  der  Schlosskapelle  40  Thaler. 
Andererseits  musste  sich  Rektor,  wie  Konrektor,  falls  ein  „  rector 
emeritus"  vorhanden  war,  einen  Abzug  ge fallen  lassen,  der  fur 
den  ersteren  30,  ftir  den  zweiten  20  Thaler  betrug8)  Spater 
wurden  die  festen  Geh&lter  mehrfach  aufgebessert,  beliefen  sich 
aber  noch  1806  nur  auf  268,  180  und  120  Thaler.  Seit  1822 
erhielt  nun  der  Rektor  700,  der  Konrektor  500,  der  Subkonrektor 
450,  der  erste  Kollaborator  250,  der  zweite,  der  den  in  den 
Nachmittagsstunden  von  5 — 7  Uhr  zu  erteilenden  Unterricht  im 
Franzosischen,  in  der  Arithmetik  und  Kalligraphie  iibernehmen 
musste,  300  Thaler.  Eine  freie  Wohnung  aber  hatten  jetzt  nur 
der  Rektor  und  der  Konrektor.  —  Das  Schulgeld  betrug 
im  18ten  Jahrhundert  jahrlich  ftir  die  I.  nur  4,  ftir  die  II.  3  und 
ftir  die  III.  2  Thaler;  wer  aber  die  von  10 — 11  zu  erteilende 
Privatstunde  besuchen  wollte,  bezahlte  ftir  diese  eben  so  viel, 
also  im  ganzen  das  Doppelte.    1822   wird  nun  das   Schulgeld 


l)  Pommer  a.  a.  0.  S.  10. 
*)  Pommer  a.  a.  0.  S.  30. 
*)  Schulakten  des  Koniglichen  Archive  209, 


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—    279     - 

fttr  die  I.  auf  16,  die  II.  auf  12,  die  III.  auf  10,  die  IV.  und  V. 
auf  8  Thaler  angesetzt.  Es  geh6rt  auch  jetzt  noch  zu  den 
Einkiinften  der  Lehrer,  indem  ein  jeder  der  Ordinarien,  wie  wir 
sagen  wtlrden,  das  von  seiner  Klasse  aufzubringende  Schulgeld 
empf&ngt.  „W&hrend  der  Vakanz  einer  Klasse  durch  Absterben 
oder  sonstigen  Abgang  eines  Lehrers,  sowie  wahrend  einer 
langwierigen  Krankheit  eines  Lehrers"  haben  die  Kollegen 
seinen  Unterricht  zu  tibernehmen,  erhalten  aber  auch  fiir  die 
Zeit  der  Aushilfe  das  Schulgeld  der  betreffenden  Klasse.1) 

Ich  lasse  hier  ganz  kurz  die  Namen  der  Schulkollegen 
von  1646  an  folgen,  da  das  von  Pommer2)  aufgestellte  Ver- 
zeichnis  der  Berichtigung  und  Vervollst&ndigung  bedarf8): 

Rektoren:  1.  Nessel  1646—55.  2.  Eilhardi  —1665. 
3.  Taute  —1668.  4.  Ecksted  —1695.  5.  Betke  —1711. 
6.  Leutholf  —1713.  7.  Billstein  —1728.  8.  Bertram  —1729. 
9.  SchrSder  —1760.  10.  Meppen  —1761.  11.  Smid  —1767. 
12.  Christian  Jani  —1769.  13.  Hecht  —1803.  14.  Pommer 
—1813  und  1817—33. 

Konrektoren:  1.  Johann  SchrSder  1646 — 52.  2. Brawe 
—1655.  3.Coner-1665.  4. Taute—  1667(dannRektor).  5. Ecksted 
—  1668  (dann  Rektor).  6.  Meder  —1683.  —  Hierauf  blieb  das  Kon- 
rektorat  unbesetzt  bis  1689.  —  7. Thaw— 1698.  8.Schrader— 1706. 
9.  Lauffer  —1707.  10.  Schorf  —1712.  11.  Kettwig  —1719.  12. 
Schmid  —1726.  13.  SchrSder  —1730  (dann  Rektor).  14.  Holen 
—1731.  15.  Spiessmacher  — 1732.  16.  Hermann  Jani —1744.  17. 
Gerhard  Wideburg  -1750.  18.  Meppen  —1760  (dann  Rektor). 
19.  Smid  —1761  (dann  Rektor).  20.  Janssen  —1763.  21.  Christian 
Jani  — 1767  (dann  Rektor,  sp&ter  Generalsuperintendent  der 
Altmark  und  Priegnitz).  22.  Hagius  —1768.  23.  Hecht  —1769 
(dann  Rektor).  24.  Gottlieb  Kirchhoff  —1771  (spater  Super- 
intendent in  Norden).  25.  Ortgiese  1776.  26.  Karl  Fastenau 
—1783.    27.  Mttller  —1805.     28.  Liiddeke. 

Kantoren:  1.  Sebastian  Schroder  1646  —  62.  2.  Strumpf 
—1668.  3.  Molitz  —1678.  4.  Grumbrecht  —1697.  5.  Koch 
—1700.    6.  Bolen  —1702.  7.  Johann  Jani  —1727.  8.  Stegemann 


')  Hand8chriftliche  Schulordnung  §  42. 

*)  Nachricht  1821,  S.  93  ff. 

*)  Schulakten  des  KSniglichen  Archivs  266. 


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—  280    — 

-  1728.  9.  Christoph  Wideburg  -1744.  10.  Bohme  —1748. 
11.  Balduin  Georg  Fastenau  —1798.  12.  Johann  Georg  Faste- 
nau  -1821. 

Bei  weitem  am  h&ufigsten  haben  also  die  Konrektoren 
gewechselt;  dieses  Amt  wurde  eben  von  den  meisten  als  ein 
(Jbergang  zu  einem  Rektorate  oder  Pastorate  angesehen.  Von 
den  28  angefuhrten  Konrektoren  sind  10  nur  1  oder  2  Jahre 
in  diesem  Amte  verblieben,  15  sind  Pastoren,  9  sind  Rektoren 
und  zwar  7  in  Aurich,  2  an  andern  Orten  geworden.  Auch 
von  den  Kantoren  haben  2  (Molitz  und  Koch)  ein  Pastorat 
erlangt,  und  selbst  von  den  Rektoren  haben  5,  darunter  auch 
solche,  die  zugleich  Hofdiakoni  waren,  ihre  Stellung  sobald  wie 
moglich  mit  einem  rein  geistlichen  Amte  vertauscht.  In  An- 
betracht  der  k&rglichen  Besoldung  und  der  tiberm&ssigen  Arbeits- 
last  —  es  waren  mit  Einschluss  des  Privatunterrichts  30  Wochen- 
stunden  zu  geben  —  darf  uns  diese  Erscheinung  nicht  wunder 
nehmen.  Bewunderung  verdient  vielmehr  Cornelius  Pommer, 
der  nach  4  Jahren  seine  gute  Predigerstelle  zu  Westerakkum 
wiederaufgab,  um  aufs  neue  Rektor  in  Aurich  zu  werden. 
Er  steht  in  dieser  Beziehung  unter  alien  Schulm&nnern,  die 
Aurich  gehabt  hat,  v511ig  vereinzelt  da. 

Der  Schulerbestand  war  in  den  ersten  Jahrzehnten  des 
18ten  Jahrhunderts  hoher  als  spaterhin,  was  sich  wohl  aus  dem 
Wettbewerb  anderer  lateinischer  Schulen  erkl&rt.1)  Nach  den 
„catalogi  discipulorum   scholae   Auricanae"    hatte    die  Anstalt 

—  III.  33   —  zusammen   75  Schuler 

53  „ 

63  , 

45  „ 

47  „ 

47  „ 

48  „ 

47  , 

Ein  Fortschritt  ist  also  seit  der  Mitte  des  Jahrhunderts 
nicht  erkennbar.    Aber  infolge  der  Neueinrichtung  Ostern  1822 


1723  in  I. 

21 

— 

II. 

21 

— 

III. 

33 

1740  in  I. 

24 

— 

II. 

17 

— 

III. 

12 

1743  in  I. 

21 

— 

II. 

31 

— 

III. 

11 

1757  in  I. 

12 

— 

II. 

15 

— 

III. 

18 

1769  in  I. 

8 

— 

II. 

13 

— 

III. 

26 

1776  in  I. 

11 

— 

II. 

13 

— 

III. 

23 

1785  in  I. 

8 

— 

II. 

10 

— 

III. 

30 

1794  in  I. 

12 

— 

II. 

12 

— 

III. 

23 

*)  Dreiklassige  Schulen  solcher  Art  gab  es  noch  zu  Norden  und 
Emden,  zweiklassige  in  Leer  und  Esens  und  eine  einklassige  in  Wittmund. 


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—    281     — 

wurde  ein  Gesamtbestand  von  94  Schiilern  erreicht.  und  zwar 

hatte  die  V.  11,  die  IV.  25,  die  III.  22,  die  II.  23,  die  I.  13  Schiller. 

Die  alte  einklassige  Schule  war  nebst  der  Rektorwohnung 

in   dem  Hause  Kirchstrasse  35   gewesen.     Dieses  Haus  wurde 

1646  zu  zwei  Wohnungen,  fur  den  Konrektor  und  den  Kantor, 
eingerichtet;  es  ist  auch  noch  von  1822 — 1858  Wohnung  des 
Konrektors  geblieben.  Die  neue  dreiklassige  Schule  erhielt  ihren 
Sitz  zunachst  in  einem  auf  dem  Grundstiick  der  jetzigen  Ober- 
pastorei  befindlichen  Hause,   vertauschte   aber   schon  im  April 

1647  dieses  Haus  gegen  das  damalige  erste  Pfarrhaus.  Dieses 
wurde  nun  zur  lateinischen  Schule,  und  das  Schulhaus  wiederum 
zur  Oberpfarre.1)  Damit  gelangten  denn  Schule  und  Rektor- 
wohnung auf  dasjenige  Grundstiick,  auf  dem  sie  sich  noch 
heutzutage  befinden.2) 

Das  alte  Schulhaus,  welches  zugleich  die  Dienstwohnung 
des  Rektors  enthielt,  musste  nun  1820,  als  man  zur  Neu- 
einrichtung  der  Schule  schritt,  abgebrochen  und  durch  einen 
Neubau  ersetzt  werden.  Es  war  eben,  wie  Pommer  berichtet,3) 
„im  hSchsten  Grade  elend,  baufallig,  finster  und  ungesund"  und 
„legte  jedem  guten  Plan  unubersteigliche  Hindernisse  in  den 
Weg.a  Die  Dienstwohnung  des  Direktors  sollte  von  dem  neuen 
Schulgebaude  getrennt,  dagegen  die  Katechismus-  und  Stadt- 
schule,  ,jUm  von  Anfang  an  den  Unterricht  harmonisch  ein- 
zuleitena,  in  dieses  mit  aufgenommen  werden.  „Riss  und 
Bestecka  wurden  von  dem  Koniglichen  Bauinspektor  Remmers 
entworfen.  Nach  seinem  von  den  beteiligten  Behorden  ge- 
billigten  Plane  wurden  je  zwei  Stuben  auf  der  West-  und  Ost- 
seite  des  Erdgeschosses  fur  die  Katechismus-  und  Stadtschule 
bestimmt,  wahrend  die  mittleren  Raume  des  Erdgeschosses 
nebst  dem  Obergeschoss  zur  Verfiigung  des  ^Lyceums"  blieben. 
Der  Bau  begann  im  April  1820,  die  feierliche  Grundsteinlegung 
wurde  am  31.  Mai  vollzogen.  Die  einleitende  und  abschliessende 
Rede  hielt  hierbei  Pommer;  dazwischen  erfolgte  die  Legung  des 
„ersten  Steines"  durch  den  Justizkanzleidirektor  v.  Vangerow, 
der  diese  Handlung  mit  kurzen,  aber  gehaltvollen  Worten  be- 


l)  Das  jetzige  erste  Pfarrgebaude  ist  an  Stelle  dieses  alten  Hauses 
erst  1843/44  errichtet,  das  zweite  1858. 
*)  Heynacher  a.  a.  0.  S.  60  ff. 
»)  Nachricht  von  1821,  S.  40  ff. 


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—     282     — 

gleitete.  Ostern  1821  war  das .  Werk  so  weit  vorgeschritten, 
dass  die  drei  Klassen,  welche  bis  dahin  in  Privathalusern 
untergebracht  waren,  in  das  Schulhaus  einziehen  konnten.  Die 
feierliche  Einweihung  nebst  der  Einfuhrung  der  neuen  Lehrer 
und  der  Einrichtung  von  ftinf  Klassen  verzogerte  sich  bis  zum 
22.  April  1822.  „So  steht  denn,a  ruft  Pommer  aus,  „das  Gebaude 
als  ein  Denkmal  der  edlen  Liberalit&t  des  Gouvernements,  als 
eines  der  schonsten  Gebaude  der  Stadt  von  alien  Einsichtsvollen 
bewundert  da.a  Die  Kosten  hatten  sich  fiir  das  Schulgebaude 
auf  9131t  fiir  das  damals  noch  kleine  Direktorhaus  auf  2527 
Thaler  belaufen. 

Von  der  Weihefeier  hat  aber  Pommer  einen  Bericht  fur 
die  Auricher  Zeitung  verfasst,  den  ich  hier  folgen  lasse: 

Aurich,  23.  April.1)  Gestern  war  die  Weihe  des  hiesigen 
Lycei.  Um  neun  Uhr  erschienen  hierzu  die  Mitglieder  der 
Regierung,  der  Justizkanzlei,  des  Consistorii  und  andere  hohe 
Landeskollegien  und  Beamte,  imgleichen  die  Kirchen-  und 
Gemeinde-  und  Vorsteher  des  Armenwesens,  im  Saale  des  neuen 
Schulgeb&udes.  Am  Eingange  desselben  waren  sie  von  der 
sSLmtlichen  Schuljugend  der  niederen  Klassen,  die  auf  dem 
Kirchhof  aufgestellt  war,  empfangen  worden,  und  die  Madchen 
zeichneten  sich  vorzuglich  durch  ihren  gefalligen  Anzug  aus, 
indem  alle  weiss  gekleidet  und  mit  Blumen  und  Epheu  ge- 
schmuckt  waren.  Nach  Absingung  eines  passenden  Gesanges 
eroffnete  der  Herr  Kanzleidirektor  von  Vangerow  die  Feier 
mit  einer  Rede  an  die  sehr  zahlreiche  Versammlung  aus  alien 
St&nden.  Ihm  folgte  der  Herr  Generalsuperintendent  Mtiller, 
der  in  lateinischer  Sprache  redete,  dann  aber  nach  einer 
rtihrenden  Einleitung  in  deutscher  Sprache  die  neuen  Lehrer 
durch  den  ihnen  abgenommenen  Handschlag  und  ftberreichung 
ihrer  Diplome  in  ihrem  Amte  best&tigte.  Der  Herr  Schul- 
direktor  Pommer  machte  hierauf  die  Versammlung  mit  den 
Fortschritten  des  deutschen  Schulwesens  aus  den  SJtesten 
Zeiten  her  bekannt  und  schilderte  die  grossen  Vorteile,  welche 
gut  eingerichtete  Schulanstalten  auf  die  Bildung  der  Menschen 
haben,   bemerkte   auch   dabei,    dass    unter    alien   kultivierten 


l)  Auricher  Zeitung.    Mittwoch,  den  24.  April  1822,    Stuck  33. 


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—    283    — 

Landern  Europas  Deutschland  dasjenige  sei,  welches  sich  der 
meisten  und  besten  Jugend-Bildungsanstalten  erfreute.  Nach 
dem  Schlusse  dieser  Rede  erschien  der  Herr  Kant  or  Wi  e  ch- 
in ann  mit  mehreren  jungen  Madchen,  die  iij  seiner  und  der 
Musik  Begleitung  das  schone,  von  Witschel  verfertigte,  zu 
diesem  Feste  aber  etwas  veranderte  Lied  „Vater,  den  uns 
Jesus  offenbaret"  sangen  und  sich  den  ungeheucheltesten  Bei- 
fall  erwarben.  Die  drei  neuen2)  Lehrert  Herren  Subkonrektor 
Reiners8),  Kollaborator  Hicken4)  und  der  Lehrer  der  fran- 
zflsischen  Sprache,  Helling,  drtickten  teils  lateinisch,  teils 
in  franzosischer  (!)  Sprache  ihre  Empflndungen  iiber  den  Zweck 
des  Festes  und  die  Wichtigkeit  ihres  Amtes  aus.  Auch  die 
Primaner  Pfeifer  aus  Reepsholt  und  Reimers  aus  Aurich 
erwarben  sich,  ersterer  durch  eine  lateinische,  letzterer  durch 
eine  deutsche  Rede,  vielen  Beifall.  In  den  verschiedenen  Pausen 
wurden  passende  Ges&nge  gesungen,  und  zulezt  ertflnte  „Nun 

danket  alle  Gott!a Die  Kleinen  aus  den  beiden  niederen 

Schulen  versammelten  sich  nachmittags  zu  allerlei  Spielen, 
wobei  ihnen  zu  essen  und  zu  trinken  gegeben  wurde.  Dann 
gingen  sie  mit  ihren  Unterlehrern  singend  durch  die  Stadt  und 
erfiillten  durch  ihre  Munterkeit  aller  Herzen  mit  Freude.  Die 
Schiller  der  hoheren  Klassen  versammelten  sich  zu  einem  fest- 
lichen  Mahle  auf  dem  Piqueurhofe,  nach  welchem  sie  ihren 
Lehrern  und  alien  hohen  Behflrden  eine  Nachtmusik  brachten. 
Bis  spat  in  die  Nacht  war  das  Schulhaus  erleu'chtet,  der 
Kopf  des  Aristo teles  prangte  transparent  iiber  dem  einen, 
und  der  des  PI  a  ton  fiber  dem  andern  Eingange. 


Seit  ihrer  Begriindung  hatte  die  Anstalt  unter  dem  Kon- 
sistorium  gestanden;  ihr  „Ephorusa  war  der  Generalsuperint en- 
dent,  dem  ein  Konsistorialrat  als  zweiter  „Scholarcha  beigegeben 
war.  Dieses  Verh&ltnis  endete  mit  dem  Jahre  1830,  indem 
auch  die  hiesige  hOhere  Schule,  nunmehr  amtlich  „Gymnasiuma 


1)  Die  alten  Lehrer  waren  Pommer,  der  Konrektor  Luddecke 
und  der  Zeichenlehrer  TSpfer. 
*)  Klassenlehrer  der  III. 
»)  Klassenlehrer  der  IV. 
*)  Klassenlehrer  der  V. 

Jahrbach  der  Oetellsch.  f.  b.  K.  a.  raterL  Altert&mer  za  Emden,  Bd.  XV.  19 


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—     284    — 

genannt,  dem  Oberschulkollegium  zu  Hannover  unterstellt  wurde, 
dessen  hervorragendstes  Mitglied  bekanntlich  von  1830 — 1867 
der  im  preussischen  Staatsdienste  erzogene  Friedrich  Kohl- 
rausch  war.  Sfitdem  hat  die  Anstalt  an  der  allgemeinen 
Entwickelung  erst  des  hannSverschen  *),  dann  des  preussischen 
h5heren  Schulwesens  teilgenommen.  Ein  allgemeiner  Lehrplan 
fiir  die  Gymnasien  wurde  in  Hannover  nicht  aufgestellt,  da 
Kohlrausch  der  Ansicht  war,  dass  den  einzelnen  Anstalten 
Spielraum  gelassen  werden  miisse,  und  der  Behorde  Raum 
genug  zur  Einwirkung  durch  die  Reifepriifung  und  personlichen 
Einfluss  bleibe.  Immerhin  stellte  sich  im  Laufe  der  Zeit  eine 
weitgehende  Ubereinstimmung  nicht  nur  der  hannoverschen 
Gymnasien  unter  einander,  sondern  auch  dieser  mit  den  preus- 
sischen heraus.  —  Zur  Zeit  der  Einverleibung  Hannovers  in  den 
preussischen  Staat  hatte  das  hiesige  Gymnasium  den  ansehn- 
lichen  Gesamtbestand  von  166  Schiilern2),  der  sich  nunmehr 
bereits  auf  si e ben  Klassenstufen  verteilte :  eine  Vorbereitungs- 
klasse  ohne  Latein,  urspriinglich  Quinta  inferior,  spater  Sexta 
genannt,  war  seit  1844  angefiigt,  die  Quarta  seit  Ostern  1858 
in  eine  Gross-  und  Kleinquarta,  d.  h.  in  eine  obere  und  untere 
Abteilung  gesondert.  In  zwei  „Realklassena  erhielten  die  vom 
Griechischen  befreiten  Schiller  englischen  und  naturgeschicht- 
lichen  Unterricht.  Nun  wurde  hier  Ostern  1868  der  von 
Wiese  herriihrende  preussische  Lehrplan  von  1856  eingefiihrt: 
Die  ^Kleinquarta"  wurde  damit  zur  Quinta,  die  bisherige  Quinta 
zur  Sexta,  die  lateinlose  Sexta  zur  Vorschule;  die  „Realklassen" 
aber  verschwanden  leider  nach  dem  Schuljahr  1868/69.8)  Micha- 
elis  1882  wurde  sodann  die  Vorschule  aufgehoben,  Ostern  1883 
die  Tertia,  Ostern  1889  die  Sekunda  geteilt;  die  vollst&ndige 
Trennung  der  beiden  Tertien  hat  sich  allerdings  erst  Ostern 
1901  vollzogen.  —  Die  Schtilerzahl  stieg  bis  1875  auf  195, 
nahm  aber  in  den  folgenden  Jahren  ab,  weil  in  Ostfriesland 
3  neue  Vollgymnasien  erwuchsen,   erhob  sich  bis  1899  wieder 


l)  ttber  die  Geschichte  des  hannSverschen  Schulwesens  bietet  die 
beste  Belehrung  Geffers  im  3.  Bande  von  Schmids  Encyklopadie. 

*}  Gerade  so  viel  wie  Ostern  1902,  4  mehr  als  Michaelis  1902. 

*)  um  hoffentlich  in  nicht  zu  ferner  Zeit  in  dem  nach  den  neuesten 
Lehrplanen  neben  dem  Griechischen  gestatteten  Ersatzunterricht  wieder 
aufzuleben. 


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—    285     — 

auf  183  und  ist  jetzt1)  wieder  auf  162  zurilckgegangen.  —  In- 
zwischen  sind  auch  nicht  weiliger  als  drei  neue  Lehrpl&ne 
—  in  den  Jahren  1882,  1892  und  1901  —  zur  Einfiihrung 
gekommen. 

Nachdem  die  Stadt-  oder  Kantorschule  schon  1834  die 
beiden.  seit  1822  von  ihr  benutzten  Lehrzimmer  gegen  eine 
Abfindungssumme  von  1000  Thalern  an  das  Gymnasium  ab- 
getreten  hatte,  gelang  es  den  Bemiihungen  des  Direktors 
Rothert  im  Jahre  1861,  endlich  auch  die  Verlegung  der 
„Katechismusschulea,  die  eine  landesherrliche  Armenschule  war, 
durchzusetzen  und  somit  dem  Gymnasium  die  ausschliessliche 
Verfiigung  tiber  das  ganze  Geb&ude  zu  verschaffen.  —  Das  ein- 
stockige  Direktorhaus,  das  man  1820  errichtet  hatte,  wurde 
1845  durch  einen  zweistockigen  Anbau  vergrossert.  Die  Kosten 
betrugen  2430  Thaler.  Ein  Nebengebaude  fiir  den  Schulw&rter, 
das  seit  1900  freilich  nicht  mehr  als  Schulwarterhaus  dient, 
wurde  1864  fttr  430  Thaler  aufgeftthrt.  —  Der  Turnplatz  war 
1854  (Kontrakt  vom  2.  Juni)  angekauft  worden;  die  Verk&ufer 
waren  der  hiesige  Obergerichtsanwalt  Dettmers  und  dessen 
Mutter,  Frau  Justizkommissar  Dettmers,  geborene  Hedden. 
Die  Turnhalle  wurde  indes  erst  in  den  Jahren  1874 — 77  und 
zwar  fttr  9450  Thaler  20  Silbergroschen  (=  28352  Mk.)  erbaut 
und  Ostern  1877  dem  Betriebe  ttbergeben.  —  Die  Badeanstalt, 
schon  seit  lslngerer  Zeit,  wohl  schon  seit  1846  von  dem  Gym- 
nasium benutzt,  ging  im  August  1879  unentgeltlich  in  den 
Besitz  desselben  tiber.  Die  beiden  einzigen  noch  lebenden  Mit- 
glieder  der  seit  1845  bestehenden,  ursprtinglich  etwa  20  Mit- 
glieder  z&hlenden  „Kanalbadegesellschafta,  Obergerichtsrat  a.  D. 
Schnedermann  und  Heinrich  Tapper,  hatten  im  Juli  erkl&rt, 
dass  sie  ihre  Ansprttche  an  das  Gymnasium  abtraten,  dagegen 
aber  auch  sich  ihrer  kontraktlichen  Pflichten  enthoben  er- 
achteten.  Das  Badehauschen  wurde  1880  mit  einem  Kosten- 
aufwande  von  442  Mark  errichtet;  die  notige  ErhOhung  des 
Umfriedigungswalles  an  der  Nordseite  kostete  141  Mark. 


*)  d.  h.  Michaelis  1902. 

19* 


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—    286 


H. 


Wir  kehren  zu  der  Zeit  um  1775  zuriick,  zu  der  Zeit,  wo  die 
Grossv&ter  derert  die  heute  selber  das  Grossvateralter  erreicht 
haben,  die  Schulbank  driickten.  Kantor  war  hier  damals  Bal- 
duin  Georg  Fastenau  (frtiher  „5ffentlicher  Notar"),  Konrektor 
Heinrich  Matthias  Ortgiese  (1776  erster  Prediger  zu  Carolinen- 
siel),  Rektor  Peter  Christoph  Hecht  (1769—1803).  Wie  aber 
die  Schulkollegen  der  alten,  „gutena  Zeit,  ohne  besonders  tible 
Folgen  fiir  sich  befiirchten  zu  miissen,  selbst  in  preussischen 
Landen  ihres  Amtes  walten  durften,  das  lehrt  uns  folgendes 
von  dem  Konsistorialrat  Smid  entworfenes,  von  dem  Pr&sidenten 
v.  Derschau  unterzeichnetes   Rescriptum   des  Konsistoriums.1) 

Rescriptum 

an   den   Rectorem  Hecht  und   die  iibrigen  Schul-Collegen  der 
lateinischen  Schule  zu  Aurich 

die  in  derselben  uberhandnehmende  Unordnungen 
betreffend : 

P.  P. 

Wohlgelehrte  Hebe  getreue! 

Unser  Consistorium  hat  schon  lange  die  laute  und  emp- 
findliche  Klage  vernehmen  miissen,  dass  bey  der  lateinischen 
Schule  hier  in  Aurich  von  Zeit  zu  Zeit  solche  Unordnungen 
einreissen  und  iiberhand  nehmen,  die  einen  jeden,  dem  das 
mit  der  Erziehung  der  Jugend  verkniipfte  allgemeine  Besste 
am  Hertzen  liegt,  den  Verfall,  worin  gedachte  Schule  schon 
gerathen  zu  seyn  scheint,  immer  mehr  befiirchten  l&sst.  Es  hat 
auch  aus  dem,  was  es  horet  und  siehet,  Ursache  genug  zu 
vermufhen,  dass  diese  Klage  nicht  ohne  Grund  vom  Publico 
erhoben  werde.  Denn  iiberhaupt  hat  man  bemerkt,  dass  die 
Schul-Collegen  ohne  Unterschied  iiber  die  ihnen  vorgeschriebene 
Ordnung  in  den  mehresten  Stiicken  nicht  halten.  Sie  verstatten 
sich  selbst  und  ihren  Untergebenen  alle  Freyheit.    Statt  dass 


*)  Schulakten  des  Archivs  216a, 


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—     287     — 

sie  die  Schule  im  Sommer  um  7  und  im  Winter  um  8  Uhr 
anfangen  soil  ten,  kommen  sie  des  Sommers  sowohl  als  des 
Winters  selten  eher  als  gegen  9  Uhr,  und  so  auch  des  Nach- 
mittags  lange  nach  der  ihnen  vorgeschriebenen  Zeit  zusammen, 
unter  dem  nichts  bedeutenden  Vorwande,  dass  sich  die  Schiiler 
nicht  eher  versammelten,  die  gewiss  ihre  Zeit  wohl  wahrnehmen 
und  nicht  manquieren  wiirden,  wenn  ihre  Lehrer  mit  dem 
gehSrigen  Umsehen  dariiber  hielten.  Mit  der  Sing-Stunde  gehet 
es  insonderheit  sehr  unordentlich  zu.  Es  erscheint  in  derselben 
von  den  Schiilern  wer  da  will,  und  dann  horet  man  am  Ende 
der  gantzen  ersten  Schul-Stunde  des  Nachmittags,  die  dem  Muth- 
willen  der  Schiiler  Preiss  gegeben  wird,  ein  ordinaires  und  oft 
genug  bekanntes  Kirchenlied  absingen,  ohne  dass  den  Schiilern 
die  geringste  Anweisung  znr  Vocal-Musik  nach  Noten,  welche 
die  Schul-Ordnung  doch  ausdriicklich  fordert,  gegeben  werden 
sollte.  Aus  diesen  und  dergleichen  Datis  muss  man  den  un- 
angenehmen  Schluss  machen,  dass  es  mit  den  iibrigen  Stunden 
und  mit  der  gantzen  Verfassung  der  Schule  nicht  besser  aus- 
sehe,  und  dass  alles  so  langweilig,  so  trage  und  todt  dabey 
hergehe,  wie  es  zu  gehen  pfleget,  wenn  man  nicht  von  innen 
aus  durch  Gewissenhaftigkeit  und  Lust  zur  Arbeit  getrieben 
wird,  die  Pflichten  seines  Amtes  wahrzunehmen.  Wir  finden 
Uns  aus  diesem  Grunde,  und  weil  Unser  Consistorium  seine 
Nachsicht  nicht  l&nger  missbrauchen  lassen  darf,  genothigt, 
Euch,  denen  Praceptoribus  dieser  Schule,  insgemein,  und  einem 
jeden  insonderheit,  Unsern  Unwillen  iiber  die  von  Euch  wegen 
des  Verfalls  der  Schule  erregte  Klagen  hiermit  zu  erkennen  zu 
geben,  und  Euch  Euer  Betragen,  welches  so  sehr  wider  Pflicht 
und  Gewissen  streitet,  ernstlich  zu  verweisen,  dann  aber  auch 
zugleich  anzudeuten,  dass,  wenn  sich  nicht  ein  jeder  von  Euch 
an  seinem  Theil  von  nun  an  bestrebt,  diesen  Klagen  abzuhelfen 
und  zu  dem  Ende  kiinftig  mehr  Treue,  Fleiss  und  Eifer  in 
seinem  Amte  zu  beweisen,  Zucht  und  Ordnung  wieder  her- 
zustellen  und  iiberhaupt  fur  die  Aufnahme  der  Euch  anver- 
trauten  Schiiler  besstens  zu  sorgen,  Wir  solche  Maassregeln 
ergreifen  werden,  die  Euch  gewiss  sehr  unangenehm  und  emp- 
findlich  seyn  werden ;  weshalb  Wir  denn  auch  den  Scholarchen 
aufgetragen  haben,  die  scharfste  Aufsicht  dariiber  zu  halten. 
Aurich,  den  31,  Aug.  1774. 


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—    288    — 

Uns  muss  es  auffallen,  dass  gerade  hier  in  Aurich,  unter 
den  Augen  der  hohen  aufsichtfiihrenden  BehSrde,  solche  Miss- 
br&uche  auch  nur  vortibergehend  einmal  mSglich  wurden. 
Dennoch  dtirfte  die  Behauptung,  dass  „dergleichen  in  Aurich 
hergebracht  war",  kaum  zu  weit  gehen.  1759  mttssen  die  Schol- 
archen,  Generalsuperintendent  Lindhammer  und  Konsistorialrat 
Gossel,  von  dem  Pr&sidenten  Homfeld  ermahnt  werden,  den 
Missstanden  in  der  lateinischen  Schule  entgegenzuwirken2) : 
„Die  in  der  hiesigen  Schulordnung  ausdrticklich  verordnete 
Privatstunde  von  10 — 11  Uhr  wird  nun  schon  in  Jahr  und 
Tag  so  wenig  von  dem  Rectore  und  Conrectore  als  Cantore 
gehalten.  Zudem  wird  auch  von  geraumer  Zeit  her  fiber  den 
spaten  Anfang  der  Schularbeit,  in  specie  des  Nachmittags- 
unterrichts  geklaget,  und  fiberhaupt  soil  es  auch  an  recht 
fleissiger  Anwendung  der  gesetzten  Stunden  mehrmalen 
fehlen."  —  1705  war  es  Sr.  Hochfiirstlichen  Durchlaucht  (Georg 
Albrecht  1703—1734)  hinterbracht  worden,  dass  die  Kinder  in 
der  Schule  nicht  gebtihrendermassen  unterwiesen  wtirden,  dass 
beim  letzten  Examen  die  Schuler  der  ersten  Klasse  grobe 
Fehler  in  den  ex  tempore  dictis  exercitiis  gemacht  h&tten, 
dass  der  deutsche  Text  fur  die  lateinischen  Exercitien  nicht 
durchgesehen  worden  sei,  dass  zu  selten  schriftliche  Ar- 
beiten  aufgegeben  wurden.  Auch  hatte  man  tiber  Unptinkt- 
lichkeit  im  Beginn  und  Schluss  des  Unterrichts  sowie  tiber 
Mutwillen  der  Schiller  auf  dem  Schulwege  und  wahrend  des 
Gottesdienstes  Klage  gefiihrt.3)  —  Anderes  der  Art  aus  den 
Zeiten  vor  und  nach  1775  wird  noch  in  einem  anderen  Zu- 
sammenhange  zu  erwahnen  sein. 


III. 


In  den  alteren  Schulordnungen  wurde  nicht  nur  der  Lehr- 
plan  im  allgemeinen,  namlich  Gegenstand  und  Methode  des 
Unterrichts  und  die  den  einzelnen  Fachern  zu  widmende  Stunden- 
zahl,    sondern  auch  der  Stundenplan,    die  Verteilung    der 


1)  Schulakten  des  Archivs  216  a. 

2)  Schulakten  des  Archivs  219. 
»)  Miicke  a.  a.  0.  S.  4. 


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—    289    — 

Facher  auf  die  Wochentage  und  Tagesstunden,  genau  vor- 
geschrieben.  Eine  solche  fiir  eine  unbegrenzte  Reihe  von  Jahren 
gtiltige  Regelung  des  Unterrichtsbetriebes  war  naturlich  nur 
darum  mflglich,  weil  eben  in  jeder  Klasse  samtliche  Lehrstunden 
von  einem  und  demselben,  nur  in  ihr  besch&ftigten  Lehrer  zu 
erteilen  waren.  Demungeachtet  mussten  nun  die  »Schulkollegena 
alljahrlich  zur  Osterzeit  eine  lateinisch  geschriebene  Ubersicht 
der  an  jedem  Wochentage  und  in  jeder  Stunde  des  Tages  be- 
handelten  Lehrgegenstande  der  vorgesetzten  Behorde,  d.  h.  dem 
Konsistorium,  einreichen.  Die  am  20.  M&rz  des  Jahres  1775, 
also  unmittelbar  vor  Einfuhrung  des  „neuen  Lehrplanesa  ein- 
gereichte  Obersicht  soil  hier  zunachst  abgedruckt  werden.  Man 
wird  aus  ihr  wie  aus  einigen  weiter  unten  mitzuteilenden 
Urkunden  beilaufig  —  vielleicht  nicht  ohne  stillen  Neid  —  er- 
sehen,  dass  jene  alten  Theologi  ein  zwar  nicht  durchweg  „ein- 
wandfreies",  aber  doch  im  ganzen  recht  gewandtes  Latein  zu 
schreiben  verstanden. 

Descriptio 

lectionum  per  annum  praeterlapsum  MDCCLXXIIII  in   primo 

scholae  auricanae  ordine  pertractatarum. 

Lectiones  antemeridianae. 

A.  Diebus  Lunae  ac  Jovis 

a.  Religionis  christianae  doctrinas  duce  Lappenbergio 
bis  absolvimus. 

b.  Quatuor  Ciceronis  orationes  catilinarias  et  nonnullas 
alias  ad  studium  latinitatis  promovendum  perlegimus. 

c.  Ad  graecam  linguam  addiscendam  S.  Paulli  ad  Colos- 
senses  nee  non  ad  Romanos  scripta  epistola  perlecta 
est  et  grammatice  explicata. 

B.  Diebus  Martis  et  Veneris 

a.  In  theologicis  versati  sumus. 

b.  Historiam  tam  antiquam  et  in  primis  successorum 
Alexandri  Magni  quam  novam  Portugalliae,  His- 
paniae,    Galliae,  Britanniaeque  studuimus  addiscere. 

c.  Rhetoricis  opera  data  est. 


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—    290    — 

C.  Diebus  Mercurii  et  Saturni 

a.  in  Hebraeorum  lingua  nonnulli  discipuli  operam  col- 
locarunt;  ceteris  interea  Salustii  bellum  Jugurthinum 
nee  non  quasdam  Ciceronis  epistolas  in  vernaculam 
linguam  vertentibus. 

b.  Logices  praecepta  duce  Baumeistero  data  et  ex- 
plicata  sunt. 

c.  Exercitia  domi  elaborate  praelecta  ac  vitiis  purgata 
latinitati  accomodata  sunt. 

Lectiones  pomeridianae. 

A.  Diebus  Lunae  ac  Jovis 

a.  Versiones  e  vernacula  lingua  in  latinam  ex  tempore 
factae  ac  emendatae  sunt,  adiectis  recte  scribendi 
regulis. 

b.  Virgilii  duos  priores  Georgicorum  libros  explicuimus. 

B.  Diebus  Martis  et  Veneris 

a.  Geographica  mathematica,  physica  et  politica  Portu- 
galliae,  Hispaniae,  Galliae,  Britanniae,  Belgii,  Hel- 
vetiae  cet.  oblectati  sumus. 

b.  Nonnullas  Horatii  odas  ac  epistolas  cum  sensu  per- 
legimus. 

Conspectus  lectionum,  quibus  in  ordine  II  scholae,  quae  Auricae 

est,  Ulricanae,  a  festo  paschatis  MDCCLXXIIII  usque  ad  ferias 

vernales  MDCCLXXV  operam  dedit 

Conrector  Henricus  Matthias  Ortgiese. 

Ante  Meridiem. 

Precibus  et  lectione  sacri  codicis  quovis  die  peractis 

1.  Diebus  Lunae,  Martis,  Jovis  atque  Veneris  religionem 
Christianam  docere  discipulorumque  animis  insinuare 
consuevimus.  Novitiorum  causa  omnis  Theologiae 
imaginem  delineavimus,  primum  breviter;  deinde 
Lappenbergii  illius  compendium,  fusius  paulo,  explica- 
vimus,  usque  ad  Partis  II  caput  11  divinam  sacrae 
scripturae  indolem  ac  naturam  tradens. 


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—    291     — 

2.  Iisdem  diebus  Grammaticae  latinae  leges  explicatae 
sunt;  voces  etiam  latinas,  quas  domi  memoriae  man- 
dare  solebant,  pueri  recitarunt.  Porro  Justini  historias 
Philippicas  legerunt,  quarum  quidem  libros  VIII  absol- 
vimus. 

Denique  die  Jovis  et  Lunae  antiquitatum  Romanarum 
prima  docuimus  elementa. 

3.  Mercurii  atque  Saturni  diebus  linguae  Graecae  operam 
dedimus.  Paradigmatibus  declinationum  et  coniuga- 
tionum  non  solum,  sed  regulis  etiam  idiomatis  Graeci 
memoriae  traditis,  pericopas  Evangelicas  Epistolicasque 
discipuli  explicando  familiares  sibi  reddiderunt  fere 
omnes. 

Nee  defuimus  iis,  quorum  ad  discendam  Hebraeorum 
linguam  studia  ferebantur. 

4.  Iisdem  diebus  Biischingii  librum  latinum  perlegimus 
inde  ab  initio  usque  ad  particulae  1  sectionem  II. 

Post  meridiem. 

1.  Die  Lunae  et  Jovis  Phaedri  fabulas  tractavimus.  Quin- 
que  illos  fabularum  libros  absolvimus;  relictis  modo 
iis,  quarum  argumenti  difficultas  aut  spurcitia  maior 
esset  quam  utilitas  inde  exspectanda. 

2.  Martis  atque  Veneris  diebus  pueris  Geographiam  tradidi- 
mus.  Daniae,  Sueciae,  Russiae,  item  Hungariae,  Transil- 
vaniae  Graeciaeque  finibus  peragratis  etiam  Africam 
atque  Americam  percurrimus. 

3.  His  quoque  diebus  historiam  universalem,  praeteriti 
anni  spatio,  absolvimus  omnem. 

4.  Denique,  ut  latinam  sibi  linguam  ludendo  et  aliud 
quasi  agendo  familiarem  sibi  redderent  pueri,  quotidie 
in  vernaculum  sermonem  transtulerunt  domi  multa 
veterum  scriptorum  loca. 

Ex  idiomate  patrio  in  latinum  saepius,  me  quidem 
duce,  historiam  suavioris  argumenti  brevem  verterunt. 
Epistolis    etiari!    conscribendis    discipulos    exercuimus. 


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—     292     — 

Lectionum 

in 

Classe  III  ab  anno  LXXIIII  ad  LXXV  pertractatarum  conspectus. 

Antemerid : 

Preces  peractas  perlectumque  e  sacro  codice  caput 
quovis  die  lunae  Psalmi  cuiusdam  excepit  recitatio.  Per 
id  temporis,  quod  in  hoc  recitando  consumitur,  spatium, 
reliquis  diebust  Martis  scilicet,  Jovis  atque  Veneris,  in 
explicatione  Catechismi,  qui  Gesenii,  Mercurii  vero  et 
Saturni,  qui  Lutheri  prae  se  fert  nomen,  occupati  fuimus; 
hocce  utroque  die  et  historias  e  sacro  fonte  ab  Hiibnero 
collectas  pertractavimus. 

Copiam  vocabulorum  tarn  primitivorum  quam  deri- 
vatorum  ex  libro  Cellarii  memoriali  Superioribus  dedi 
comparandam :  cum  quorum  recitatione,  quae  quovis  die 
facta  est,  frequentiorem  declinationum  et  coniugationum 
usum  necnon  intermixtas  coniunxi  formulas. 

Voces  vero  primitivas  tantum,  eodem  Cellarii  libro 
adhibito,  Inferiores  semel  iterumque  ediscere  studuerunt. 

Pars  etymologica  Grammaticae  Langii  cum  regulis 
et  adnotationibus  ediscendis  Superioribus   est  illustrata. 

Inferiores  paradigmata  nominum  atque  verborum 
regularium  aeque  ac  irregularium,  adiunctis  quibusdam 
regulis    captui    convenientibus,    memoriae    mandaverunt. 

Mercurii  denique  die  Superioribus,  Saturni  Inferiori- 
bus  Exercitia  e  vernacula  latine  dedi  vertenda. 

Pomerid: 

Inferiores  latine  legendi  gratia  colloquia  Langii  sylla- 
batim  perlegerunt. 

Iidem  et  nomina  V  (quinque)  declinationum  e  copia 
vocabulorum  Grammatices  Lang. ;  Superiores  ea  cum  ver- 
bis varia  recitatione  aliquoties  edidicerunt. 

Regulas  Syntaxeos,  notas  et  exceptiones,  phrasibus 
et  exemplis  Superioribus  ut  inculcarem  studui. 

Dialogicum  Lang,  primum  expositum,  dein  facta  a 
me  explicatione  analytica,  ore  ac  litteris  tralatum  est  a 
Superioribus. 


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—    293    — 

In  Inferiorum  usum  Tirocinium  paradigmaticum, 
adiectis  regulis  Syntaxeos  generalibus,   pertractatum   ivi. 

Quod  superest,  lectio  Novi  Testamenti  graeci  per 
aliquantulum  temporis  facta  in  Superiorum  usum  bene 
successit. 


Ein  in  mancher  Beziehung  verandertes  Bild  bietet  die 
entsprechende  Eingabe  des  nachsten  Jahres,  die  ich  hierauf 
folgen  lasse. 

Conspectus 
lectionum  per  annum  MDCCLXXV  in  prima  classe  pertractatarum. 

Ante  meridiem. 

A.  Diebus  Lunae  et  Martis 

a.  Secundum  theses  Baumgartenianas  primam  fere  theo- 
logicae  revelatae  partem  absolvimus  (7 — 8). 

b.  Ad  linguam  latinam  addiscendam  quinque  ex  selectis 
Ciceronis  orationibus  diligenter  perlectae,  voces  et 
sententiae  accuratius  explicatae  et  ad  artis  oratoriae 
praecepta  examinatae  sunt  (8—9). 

e.  Regulis  prosodiae  traditis  Horatii  carminum  librum 
quartum  et  quintum  nee  non  epistolas  quasdam  perle- 
gentes  poetae  suavitatem  et  dulcedinem  percepimus 
(9-10). 

B.  Die  Mercurii: 

a.  Duas  partes  priores  appendicis  Rechenbergii  triparti- 
tae  ad  libros  symbolicos  percurrimus  (7 — 8). 

b.  In  styli  latini  cultioris  exercitatione  versati  sumus 
(8-9). 

c.  Duce  Baumeistero  logices  tradita  sunt  praecepta 
(9-10). 

C.  Diebus  Jovis  et  Veneris: 

a.  Linguae  graecae  addiscendae  opera  data  et  utraque 
Paulli  ad  Corinthios  scripta  epistola  explicata  est 
(7-8). 

b.  Lectionem  orationum  Ciceronis  selectarum  continua- 
vimus  (8 — 9). 


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—    294    — 

c.  Hebraeorum  linguam  nonnulli  addiscere  studuerunt, 
eumque  in  finem  triginta  Davidis  cantica  et  nonnul- 
los  prophetas  minores  perlegerunt,  reliquis  interim 
latina  quaedam  in  vernaculam  linguam  vertentibus 
(9-10). 
D.  Die  Saturni: 

a.  In  linguae  Graecae  studiis  perreximus  (7—8). 

b.  Exercitationes  ad  linguam  latinam  magis  excolendam 
institutae  ac  emendatae  sunt  (8—9). 

e.  Latina  in  patriam  linguam  conversa  et  Hebraea  lecta 
sunt  (9—10). 

Post  meridiem. 

A.  Diebus  Lunae  et  Martis: 

a.  Curtii  Rufi  libros  X  de  expeditione  Alexandri  magni 
absolvimus  (2  -  3). 

b.  Geographia  mathematica  et  historica  nee  non  politics 
terrarum  regi  nostro  subjectarum,  item  historia  princi- 
pum  branden.  delectati  sumus  (3 — 4). 

B.  Diebus  Jovis  et  Veneris: 

a.  Lectio  cursoria :  centum  selectissimarum  epistolarura 
Plini  iunioris  perlegimus  (2—3). 

b.  In  addiscendis  antiquitatibus  romanis  duce  Nieu- 
portio  operam  collocavimus  (3-4). 


Conspectus  lectionum, 

quas 

in  ordine  secundo 

scholae,  quae  Auricae  est,  latinae  inde  a  festo  Paschatis 

MDCCLXXV 

usque  ad  ferias  vernales 

MDCCLXXVI 

absolvit 

Conrector  Henricus  Matthias  Ortgiese. 

I.  Ante  meridiem: 
1.  Diebus   Lunae   et  Martis   Theologiam   absolvimus   fere 
omnem,  secundum  Freilinghausii  illius  fundamenta  Beli- 
gionis  Christianae  (7—8). 


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—    295     — 

2.  Iisdem  hebdomadis  diebus  ex  Freyeri  fasciculo  po^matum 
latinorum  carmina  quaedam  Virgilii,  Ovidii  aliorumque 
poetarum  Romanorum  pueri  legerunt.  Prosodiae  etiam 
latinae  leges  illis  inculcavimus  (8—9). 

3.  Die  Lunae,  Martis,  Jovis  et  Veneris  Ciceronis  epistolas 
selectas  percurrimus  omnes  (9—10). 

4.  Mercurii  die  Biischingii  liber  latinus  exercuit  pueros. 
Cuius  libri  earn  particulam  absolvimus,  quae  historiae 
naturalis  elementa  tradit.  Librorum  symbolicorum, 
porro  Lutheranae  ecclesiae  historiam  breviter  enarra- 
vimus  (7—8,  9—10). 

5.  Linguis  Graecae  et  Hebraeae  operam  dedimus  iis  hebdo- 
madis diebus,  quos  publice  deflnitos  habemus.  Gramma- 
tices  Hebraeae,  item  Graecae  leges  palmarias  atque 
formas  vocum  discipuli  familiares  sibi  reddidere. 

Pericopas  etiam  Evangelicas  Epistolicasque  lege- 
runt idiomate  Graeco  alii,  alii  Latino. 

II.  Post  meridiem. 

1.  Diebus  Lunae  et  Martis  Phaedri  fabularum  Aesopiarum 
libros  V  perlegimus. 

2.  Romani  imperii  historiam  inde  ab  Augusto  usque  ad 
nostra  tempora  tradidimus;  item  Geographiam  secun- 
dum Schazzii  brevem  orbis  terrarum  delineationem. 

3.  Jovis  atque  Veneris  die  Universum  illud  de  Deo  Homine. 
et  Mundo  tractavimus.  Epistolographiae  operam  quoque 
dedimus. 

4.  Caeterum,  ut  facultatem  latine  scribendi  sibi  pueri 
paullatim  compararent,  singulis  hebdomadibus  e  lingua 
vernacula  in  latinum  sermonem  et  vice  conversa  varia 
rerum  argumenta  transtulerunt. 


Conspectus  lectionum 
in  classe  III  per  annum  LXXV  pertractatarum. 

I.  Lectiones  theologicae  et  quae  cum  iis  cohaerent.  Doctri- 
nam  de  hominum  cum  Deo  coniunctione  ad  ductum  com- 
pendii  Freylinghausenii  minoris  et  Catechismi  illius  Beroli- 
nensis  discipulos  docuimus.    Praeter  ea  introductione  in 


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—    296    — 

sacrum    codicem    et    enucleandis    pericopis    evangelicis 
fuimus  occupati. 
II.  Lectiones  latinae. 

In  explicandis  C.  Nepotis  imperatorum  vitis,  quantum 
pro  discipulorum  viribus  fieri  potuit,  versati  pervenimus 
ad  Themistoclis  vitam.  Deinde  semel  atque  iterum,  quoad 
Etymologiam,  Syntaxin,  prosodiam,  praescripta  inculcare 
studuimus:  ad  quae  rite  adhibenda  et  ad  stilum  exer- 
citandum  e  germanico  in  latinum  sermonem  convertendi 
studium  non  intermisimus  (habita  simul  et  calli  -  et 
orthographiae  rati  one)  et  ut  non  deesset  vocabulorum 
copia,  Comenii,  Cellarii  et  Langii  usi  sumus  libris. 
Denique  tractavimus  Universum  de  Deo,  homine  et  mundo, 
et  ita  quidem,  ut  non  solum  ad  linguam,  sed  et  ad  res 
in  hoc  libro  perutili  contentas  respexerimus. 
III.  Lectiones  historicae  et  geographicae: 

Illas    duce    libello:     „Kurze    Erl&uterung    der    Biblischen 
Geschichte" ;  hasce  Schazzio  tractatavimus. 


Demnach  war  der  allgemeine  Lehrplan  bis  Ostern 
folgender : 


1775 


I. 

II. 

HI. 

Zu- 
sammen 

Religion 

4 

4 

4 

12 

Latein 

10 

12 

21 

43 

Griechisch 

2 

2 

1 

5 

Hebr&isch 

2 

2 

4 

Geschichte 

2 

2 

4 

Erdkunde 

2 

2 

4 

R6mi8che  Altertumer 

2 

2 

Logik 

2 

2 

Rhetorik 

2 

2 

Zusammen 

26 

26 

26 

78 

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—    297     — 

Der  veranderte  Lehrplan,   der  nach  Ostern  1775  in  Kraft 
treten  sollte,  war  dagegen  urspriinglich  folgender: 


I. 

II. 

ra. 

Zu- 
sammen 

Religion 

3 

4 

6 

13 

Latein 

12 

13 

14 

39 

Griechisch 

3 

2 

5 

Hebr&isch 

3 

3 

6 

Geschichte  und 

Erdkunde 

2 

2 

2 

6 

Romische  Altertiimer 

2 

2 

1  Philosophic 

1 

1 

Orthographie, 
Oratorie 

2 

2 

4 

|  Arithmetik 

2 

2 

Zusammen 

26 

26 

26 

78 

Die  26  Wochenstunden  setzten  sich  aus  18  (6X3)  Vor- 
mittags-  und  8  (4X2)  Nachmittagsstunden  zusammen.  Man 
erkennt  schon  aus  diesen  Ubersichten,  dass  auch  nach  der 
neuen  Schulordnung  dem  Lateinischen  seine  alle  anderen 
F&cher  iiberragende  Stellung  gewahrt  blieb.  Es  war  nicht 
ein,  sondern  das  Hauptfach,  dem  die  voile  H&lfte  der  ge- 
samten  Stundenzahl  gewidmet  wurde,  wahrend  es  sich  heut- 
zutage  an  Gymnasien  mit  68  von  259  Stunden,  also  etwa  mit 
dem  vierten  Teile  begntigen  muss,  und  sein  Anteil  von  1892 
bis  1901  sogar  noch  etwas  geringer  war  (62  von  252).  Dazu 
kommt,  dass  auch  die  urspriinglich  der  „Arithmetiku,  d.  h.  dem 
Rechnen  zugedachten  Stunden,  wie  aus  dem  „conspectus" 
hervorgeht,  tats&chlich  dem  Lateinischen  zugewandt,  und 
diejenigen  Schiller,  die  an  dem  hebr&ischen  Unterricht  nicht 
teilnahmen,  wahrend  der  dieser  Sprache  gewidmeten  Lehr- 
stunden  wiederum  mit  Obersetzungen  aus  dem  Lateinischen 
besch&ftigt  wurden.  Endlich  ist  nicht  zu  vergessen,  dass 
auch  die  in  andern  Unterrichtsf&chern  gebrauchten  Lehrblicher 


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—    298     — 

grossenteils,  wie  z.  B.  „Baumgartens  Theses  theologicae"  und 
„Baumeisters  Elementa  philosophiae",  lateinisch  verfasst  waren. 
Die  damalige  Schule  fiihrte  also  ihren  Titel  „lateinische  Schule" 
noch  mit  vollem  Rechte.  Auch  das  Griechische  erscheint  da- 
gegen  noch  durchaus  als  Nebenfach  und  zwar  in  ziemlich  karg- 
licher  Ausstattung.  —  Es  ist  tibrigens  bei  einem  Vergleiche  der 
damals  und  jetzt  auf  die  einzelnen  F&cher  fallenden  Gesamt- 
zahl  von  Stunden  zweierlei  wohl  zu  beachten,  zun&chst,  dass 
im  Winter  die  erste  Morgenstunde  (von  7—8)  an  alien  Tagen 
ausflel,  wodurch  dann  Verschiebungen  im  Stundenplan  ver- 
ursacht,  und  neben  anderen  auch  die  altsprachlichen  Lehr- 
stunden  vermindert  wurden,  andererseits  aber,  dass  die  Schuler 
in  jeder  der  3  Klassen  mehrere  Jahre  zuzubringen  pflegten. 
Nach  dem  ,,Catalogusu,  der  dem  Konsistorium  am  27.  Marz  1776 
eingereicht  wurde,  schwankte  das  Lebensalter  der  iuvenum, 
qui  per  annum  1775  primam  scholaeUlricanae  classem  frequenta- 
runt,  zwischen  15  und  19,  das  der  Sekundaner  zwischen  12 
und  16,  das  der  Tertianer  zwischen  9  und  14  Jahren,  und 
ahnliche  Zahlen  ergeben  hier  die  catalogi  des  ganzen  18ten 
Jahrhunderts.  Es  scheint  demnach,  dass  auch  damals  die 
Gesamtdauer  der  Schulzeit  ftir  diejenigen,  die  alle  Klassen 
durchliefen,  im  Durchschnitt  9  Jahre  betrug. 

Unter  den  lateinischen  Schulschriftstellern  vermisst  man 
noch  den  Tacitus;  die  griechische  Lektfire  beschr&nkte  sich 
1775/76  noch  auf  das  neue  Testament,  spater  ist  daneben  die 
auch  schon  in  der  neuen  Schulordnung  unter  den  griechischen 
Lehrbtichern  aufgefiihrte  Chrestomathia  Graeca  Gessneri  — 
enthaltend  Stiicke  aus  Herodot,  Thukydides,  Xenophon,  Theo- 
phrast,  Plutarch,  Lukian  und  anderen  —  benutzt  worden. 

Rhetorik  erscheint  in  dem  Plane  von  1775  nicht  mehr  als 
besonderes  Unterrichtsfach  der  I.,  wurde  aber  in  dieser  Klasse 
im  Anschluss  an  die  Lektiire  der  Reden  Ciceros  behandelt. 


IV. 

Auch  in  der  Obersicht  von  1776  vermisst  man  unter  den 
Lehrfachern  noch  Mathematik  (Geometrie),  Physik, 
Naturgeschichte  und  Franzosisch,  die  um  jene  Zeit 
doch   schon  vielfach    in    den    Gelehrtenschulen    Fuss    gefasst 


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—    299    — 

hatten  (vgl.  Paulsen,  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts,  II, 
150—151).  tfber  die  beiden  ersteren  F&cher  &ussert  sich  die  neue 
Schulordnung  folgendermassen:  ,,Da  die  meisten  Schtiler,  welche 
bei  dem  Studieren  bleiben,  sich  teils  auf  die  Jurisprudenz, 
teils  auf  die  Medizin  legen,  und  einige,  welche  nicht  auf 
Universit&ten  gehen,  entweder  dieOkonomie  oder  Kaufmann- 
schaft  oder  sonst  ein  Metier,  es  sei  die  Chirurgie  oder  Apotheker- 
kunst  und  dergleichen,  erw&hlen,  denen  ersteren  aber  sowohl 
als  den  letzteren  einige  Erkenntnis  von  der  Mathematik  und 
Physik  so  nStig  als  niitzlich  ist,  so  ist  zur  Verbesserung  und 
zum  Aufnehmen  der  hiesigen  lateinischen  Schule,  wenigstens 
vorerst,  Gelegenheit  gemachet  worden,  dass  fahige  und  lehr- 
begierige  Schiller  aus  I  und  II  des  Mittwochs  und  Sonnabends 
nachmittag  in  beiden  Wissenschaften  ganz  frei  und  unent- 
geltlich  eine  der  Absicht  und  ihren  Kr&ften  nach  eingerichtete 
Unterweisung  erlangen  kSnnen". 

So  war  es  geplant,  und  wie  entsprach  dem  Vornehmen 
die  Ausfiihrung?  Mathematischen  Unterricht  —  so  erzahlt 
Pommer  (Nachrichten  S.  22)  —  gab  der  Herr  „Ephorus", 
Generalsuperintendent  H&hn,  selbst  denjenigen,  die  sich  darum 
bei  ihm  meldeten;  nach  seinem  Tode  wurde  Mathematik  von 
dem  Rektor  Hecht  in  Privatstunden  (also  doch  wohl  nicht 
mehr  unentgeltlich)  gelehrt;  spaLter  hat  sie  der  jetzige  Rektor 
(n&mlich  Pommer  selber)  ein  ganzes  Jahr  offentlich  (d.  h.  doch 
wohl   wieder   unentgeltlich)  vorgetragen,   bedauert   aber  sehr, 

dass  er diese  Arbeit  hat  wieder  aufgeben  mttssen.  — 

Der  Unterricht  in  der  Physik  wurde  spater  mit  dem  in  der 
Philosophic  verbunden,  und  aus  der  Physik  nur  dasjenige  vor- 
getragen, was  sich  in  Kliigels  „Vemunftkenntnissen",  die  an  die 
Stelle  von  Baumeisters  „Elementa  cet."  getreten  waren,  daruber 
findet.  —  Naturgeschichte,  zunachst  noch  nach  Buschingii  liber 
latinus  behandelt,  ist  dem  Anschein  nach  sp&ter  als  besonderes 
Fach  in  den  Lehrplan  aufgenommen  worden;  sie  wurde  zu 
Pommers  Zeit  nach  dem  Lehrbuche  von  Raff  und  Funk 
getrieben. 

In  Bezug  auf  das  Franzosische  bemerkt  die  Schulordnung 
von  1776  nur  in  aller  Kiirze,  dass  es  privatim  erlernt  werde. 
Auf  Veranlassung  des  hiesigen  Magistrats  sollte  im  Winter  1783 
ein  Franzose  namens  Y  Aigle,   der  sich  seit  einiger  Zeit  als 

Jahrbnch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  AltertOmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  20 


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—    300     — 

Sprachmeister  in  Aurich  aufhielt,  mit  der  Erteilung  dieses 
Unterrichts  an  der  lateinischen  Schule  betraut  werden.  Gegen 
diese  Massnahme  erlaubten  sich  nun  der  Rektor  Hecht  und  der 
Kantor  Fastenau  —  der  Konrektor  Fastenau,  ein  Sohn  des 
Kantors,  war  in  demselben  Jahre  gestorben,  und  seine  Stelle 
noch  nicht  wieder  besetzt  —  die  folgende  „allerunterthanigste 
Vorstellunga : 

„Auf  den,  von  Ew.  K6nigs  Maje.  den  4ten  dieses  an  uns, 
auf  Veranlassung  und  Bitte  des  hiesigen  Magistrats,  ergangenen 
allerhSchsten  und  allergn&digsten  Befehl,  in  Hinsicht  des  hie- 
sigen franzosischen  Sprachmeisters  L  Aigle  zu  bestimmen, 
welche  von  den  3  Classen  der  hiesigen  lateinischen  Schule  zur 
Ertheilung  eines  offentlichen  Unterrichts  in  der  franzosischen 
Sprache  von  demselben  in  der  Stunde  von  11 — 12  die  be- 
quemste  sei,  berichten  wir  allerunterth&nigst,  dass,  so  ntitzlich 
iibrigens  auch  ein  solcher  offentlicher  Unterricht  in  dieser 
Sprache  seyn  wiirde,  doch  in  diesem  Falle,  in  Betracht  des 
L  Aigle,  keine  von  bemeldeten  Classen  dazu  bequem  und  ge- 
schickt  sey.  Denn  es  wiirde  erstlich  offenbar  zur  Entehrung 
einer  von  Ihro  Konigs  Maje.  allerhuldreichst  bestatigten  und 
bisher  bei  ihren  Rechten  geschtitzten  und  erhaltenen  Schule, 
wie  auch  zur  Beschimpfung  und  zum  Nachtheil  unseres  Amts 
und  Standes  gereichen,  wenn  ein  Mann  von  einer  so  nieder- 
tr&chtigen,  stadtkundigen  Lebensart  und  Auffiihrung,  und  der 
daher  nicht  die  mindeste  Achtung  bey  der  Jugend  hat,  sondern 
von  derselben  stets  verspottet  und  gehGhnet  wird,  in  einer  der 
Classen  der  hiesigen  lateinischen  Schule  Offentlich  lehren 
und  dadurch  gewissermassen  mit  uns  in  eine  Classe  gesetzt 
werden  sollte.  Die  Jugend  zweitens,  die  ohnedem  leichtsinnig 
und  muthwillig  ist,  wiirde  bey  fehlendem  Ansehen  besagten 
Sprachmeisters,  auf  der  offentl.  Schule  nichts  als  Muthwillen 
und  Unfug  treiben,  Tische  und  Banke  zum  Nachtheil  der  Schul- 
casse  verderben  und  durch  unbesonnenes  und  unverniinftiges 
Einheitzen  nicht  nur  das  Schulgeb&ude  und  der  darin  wohnen- 
den  Leben  und  Sachen,  wofiir  besagter  Sprachmeister  weder 
gut  sagen  kann,  noch  wird,  sondern  auch  die  ganze  Stadt  in 
Feuersgefahr  setzen,  besonders  da  des  Mitwochens  und  Sonn- 
abends  Nachmittags  keiner  von  uns  mehr  auf  die  Schule 
komt,  der  einer  solchen  etwaigen  Gefahr  noch  in  Zeiten  vor- 


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—    301     — 

beugen  konnte.  Oberdem  ist  endlich  der  Aufgang  zur  latei- 
nischen  Schule,  wie  bekannt,  so  steil  und  schlecht,  dass,  wer 
desselben  nicht  gewohnt  ist,  leicht  fallen  und  Schaden  nehmen 
kann;  und  daher  fiir  besagten  Sprachmeister,  der  sehr  oft  auf 
schwachen  Fiissen  steht  und  ungewisse  Tritte  thut,  ausserst 
gefahrlich. 

Unsere  allerunterth&nigste  Bitte  an  Ew.  Konigs  Maje.  gehet 
demnach  dahin,  Allerhochst  dieselben  wollen  in  Gnaden  ge- 
ruhen,  uns  und  unsere  Schule  mit  einem  solchen  Manne  zu 
verschonen,  und  den  Magistrat  hiesigen  Orts,  der  selbst  eine 
5ffentl.  Schule  hat,  wo  dieser  Unterricht  von  11 — 12  eben- 
m&ssig  kann  ertheilt  werden,  mit  seinem  Gesuch  Namens  des 
L'Aigle  in  hochsten  Gnaden  abzuweisen.  In  Erwartung  der 
allergnadigsten  Erhorung  unserer  Bitte  ersterben  wir  in  tiefster 
Unterth&nigkeit  Ew.  Konigs  Maje. 

allerunterthanigste  Knechte 

Peter  Christoph  Hecht. 
Bald.  Georg  Fastenau." 

Man  sieht  wohl,  dass  die  Herren  nicht  eben  grosse  Diplo- 
maten  waren.  Das  Konsistorium  war  der  Ansicht,  dass  „man 
ein  solches  gutes  Institut  durchaus  nicht  hindern  miisste,  und 
dass  man  ohne  Verantwortung  w&re,  falls  es  durch  den 
Sprachmeister  auf  eine  oder  andre  Art  verhindert  wiirdeu. 
Es  erklarte  darum  jene  Einwendungen  fiir  ungultig  und  be- 
stimmte,  dass  dem  Sprachmeister  T  Aigle,  dem  auch  das  land- 
schaftliche  Kollegium  eine  Besoldung  von  100  Thalern  bewilligt 
hatte,  die  Klasse  des  Konrektors  „wochentlich"  von  11 — 12  zu 
Offentlichen  Lektionen  einzuraumen  sei.  Der  weitere  Verlauf 
dieser  Angelegenheit  ist  aus  den  Akten  nicht  ersichtlich. 
Sp&ter  findet  sich  ein  franzosischer  Sprachmeister  Ligou  er- 
wahnt,  der  sich  1794  entfernte  und  auf  seine  Rtickkehr  ver- 
geblich  warten  liess ;  dann  folgen  deutsche  Lehrer  des  Franzo- 
sischen:  seit  1795  Berkenkamp,  der  aber  1798  iiber  die  ihm 
durch  einen  franzosischen  Emigranten,  namens  Grosfils,  be- 
reitete  Konkurrenz  Klage  ftihrt,  seit  1807  Kriiger. 

Wie  stand  es  schliesslich  mit  dem  Unterricht  in  „Fertig- 
keiten",  namlich  im  Schreiben,  Zeichnen  und  Singen?  Das 
Schreiben  ist  in  alterer  Zeit,    wie  es  scheint,   nicht  ganz   ver- 

20* 


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—    302    — 

nachl&ssigt  worden.  In  dem  Lehrplan  von  1721  heisst  es:  „Es 
pflegt  zwar  das  bekannte  Spriichwort  docti  male  pingunt  bei 
vielen  Eltern  und  Kindern  das  praejudicium  zu  erwecken,  dass 
die  Zeit  fast  verloren  sei,  welche  auf  das  Schreiben  verwendet 
wird.    Weil    aber   male   pingere  eben   keine  Eigenschaft,  viel 

weniger  ein   Kennzeichen  eines  gelehrten  Mannes   ist ", 

so  wird  Schreibunterricht  fQr  die  III.  anbefohlen,  und  „keiner 
soil  translocieret  werden,  der  nicht  ziemlichermassen  darin 
fortkomraen  kann44.  Auch  in  der  Schulordnung  von  1775  wird 
unter  den  Sachen,  so  traktiert  werden  mtissen,  die  Kalligraphie 
(zusammen  mit  Orthographie,  Oratorie  und  Poesie)  genannt, 
und  „in  den  ersten  Zeiten"  ist  sie  auch  nach  Pommers  Angabe 
(Nachr.  S.  23)  „5ffentlich  getrieben  worden44.  Sp&ter  aber 
„wurde  sie  nicht  mehr  zu  der  Zahl  der  fSrmlichen  Lehrgegen- 
st&nde  gerechnet,  sondern  wer  sich  darin  Unterricht  geben 
lassen  wollte,  suchte  ihn,  wie  auch  den  Unterricht  in  der  ge- 
meinen  Arithmetik  (d.  h.  im  Rechnen),  bei  den  Lehrern  der 
niederen  Schulen44. 

Ahnlich  aber  wie  dem  Schreiben  war  es  dem  Singen  oder 
„dem  Unterricht  in  der  Vokalmusik44  ergangen.  „Nach  alter 
Sitte  war  er  vordem  von  dem  Kantor  —  und  zwar  am  Mitt- 
woch  und  Sonnabend  nachmittag  —  erteilt  worden44,  hatte 
aber  zu  Pommers  Zeit  aus  Grtinden,  die  man  bei  ihm  (Nachr. 
S.  23)  nachlesen  kann,  „g&nzlich  aufgehSrt". 

Zeichnen  geh5rte  w&hrend  des  18ten  Jahrhunderts  noch 
nicht  zu  den  Lehrgegenst&nden  der  hoheren  Schule.  Privat- 
unterricht  im  Zeichnen  erteilte  in  Aurich  seit  1811  ein  gewisser 
T5pfer.  Diesem  wurde  im  Jahre  1819  nach  dem  Tode  des 
franz6sischen  Sprachlehrers  Krtlger  das  bisher  von  diesem  be- 
zogene  Gehalt  iiberwiesen,  und  damit  nahm  der  „6ffentliche4' 
Unterricht  im  Zeichnen  seinen  Anfang.  Nach  der  Neuordnung 
im  Jahre  1822  erscheint  Topfer  unter  den  Mitgliedern  des 
Kollegiums.  

V. 

Schon  die  Schulordnung  Billsteins  von  1721  enthalt  die 

Vorschrift,  dass  allj&hrlich  —  und  zwar  am  Montage  nach  dem 

Sonntage  Judica  —  ein  examen  sollemne,  eine  6ffentliche  Pril- 

fung,  abzuhalten  sei.    Die  neue  Schulordnung  von  1775  bemerkt 


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—     303      - 

in  dieser  Hinsicht :  „J&hrlich  wird  ein  ex.  soil.,  verbunden  mit 

einem  actu  oratorio,  gehalten,   und  zwar Dienstag  nach 

Laetare,  so  dass  vormittags  das  examen  mit  alien  dreien 
Klassen,  und  nachmittags  sogleich  der  actus  oratorius  an- 
gestellet  wird.  —  —  Die  Schulkollegen  haben  bei  guter  Zeit 
sich  mit  den  beiden  Scholarchen  zu  besprechen,  wie  diese 
Schultibungen  von  Zeit  zu  Zeit  sowohl  fiir  die  Schuljugend 
vorteilhaftiger  als  auch  fiir  die  respective  Auditores,  welche  zu- 
gegen  sein  wollen,  vergntiglicher  eingerichtet  werden  konnten". 
Die  Einladungsschriften  zu  diesen  actus  oratorii  haben 
sich  nun  fiir  einige  Jahre  erhalten.  Die  Einladung  zu  dem  am 
21.  Marz  1775  veranstalteten  Redeakt  hat  folgenden  Wortlaut  : 

Ad 

Actum  Oratorium 

Quem  in 

Schola  Ulricana 

Juvenes  Ordinis  Primi  Ornatissimi 

Ad  Diem  XXI  Martii  MDCCLXXV 

Ab  Hora  Prima  Pomeridiana 

Instituent 

Omnes  qui  humanitatis  amant  studia 

Fautores  et  Amicos 

Debita  Humanitate  ac  observantia  invitat 

Rector 

Petrus  Christophorus  Hecht. 

Auricae, 

Litteris  Tapperianis. 

I.  Ludolfus  Christianus  Antonius  Tiaden,  proba- 
tus  adolescens,  rem  publicam  romanam  post  punica  bella  quo- 
tidie  in  peius  ruentem  latina  oratione  describet. 

II.  Georgius  Albertus  Rodenbaek,1)  iuvenis  non  despe- 
randus,  christianam  religionem  veram  esse  atque  divinara,  ex 
divinationum  ac  miraculorum  fide  patria  efficiet  oratione. 


l)  Grossvater  des  Herrn  Pastors  Rodenbaek  hier,  seit  1786  Pastor 
in  Dunum  bei  Esens,  hernach  in  Asel  bei  Wittmund,  f  etwa  1810. 


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—     304     - 

III.  Arnoldus  Rudolphus  Kirchhoff,  ingenii  docilis 
probique  animi  iuvenis,  magnam  in  primis  ad  animi  morumque 
rationem  formandam  atque  emendandam  humanitatis  et  ele- 
gantiae  studia  vim  habere,  oratione  romana  proponet. 

IV.  Joannes  Carolus  Sassen,  iuvenis  non  mediocri 
ingenio  praeditus,  intemperantiae  vitium  vernacula  oratione 
depinget. 

V.  Joannes  Jacobus  Schoenebaum  et 

VI.  Rieke  Tiaden  Juhren,  optimae  spei  iuvenes,  de 
terrae  nostrae  figura  sphaerae  simili  patrio  sermone  inter  se 
disserent. 

VII.  Euke  Christianus  Fastenau,  adolescens  sagax 
promtusque,  latinam  de  C.  J.  Caesare  orationem  habebit. 

VIII.  Eberhardus  Enno  de  Pottere,1)  ingenio  ac  mori- 
bus  praestans  iuvenis,  de  honestae  voluptatis  natura  fontibusque 
germana  oratione  quaeret. 

IX.  Christianus  Theodoricus  Carolus  Langelaert 
iuvenis  non  ingenii  solum  acumine,  sed  morum  quoque  comitate 
insignis,  Jesu  Christi,  servatoris  nostri,  mortem  latina  oratione 
lugebit. 

X.  Godofredus  Antonius  de  Halera,  adolescens  singu- 
lari  ingenii  flumine  vitaeque  probitate  ac  modestia  praecellens, 
naturae  contemplationem  magna  adferre  coramoda,  patria 
demonstrare  oratione  suscipiet  scholamque  nostram  et  suo  et 
reliquorum  discedentium  nomine  valere  iubebit. 

Turn  demum. 

XI.  Gerhardus  Poppo  War  sing,  adolescens  laudabilis, 
de  diligentia  eiusque  praemiis  sua  propria  lingua  aget. 

Quibus  peractis  Rector  auditoribus  rite  aget  gratias,  nee 
non  e  schola  abituros  ad  virtutis  excitabit  studium  bonisque 
votis  prosequetur. 


*)  Vetter  von  Jacques  de  Pottere,  dem  Grossvater  des  veratorbenen 
Herrn  Kaufmanne  de  Pottere  hier,  und  Bruder  der  Gattin  des  Geschicht- 
schreibers  Wiarda  (Teelke  Susanna  de  Pottere),  f  unverheiratet  als 
Referendarius  1783. 


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—     305     — 

Tm  n&chsten  Jahre  hielt  man  es  fiir  zweckm&ssig,  die 
am  Vormittag  abzuhaltende  Priifung  durch  Einschaltung  von 
Vortr&gen  und  Gespr&chen  zu  beleben.  Es  traten  indes  zu 
diesem  Behuf  nur  Tertianer  und  Sekundaner  auf,  wahrend  der 
Nachmittag  ausschliesslich  den  rednerischen  Leistungen  der 
Primaner  vorbehalten  blieb.  Die  Neuerung  muss  sich  nicht 
sonderlich  bewahrt  haben,  da  man  schon  im  folgenden  Jahre, 
also  1777,  auf  die  Heranziehung  der  jtingeren  Schiller  zu 
solchen  Kunstproben  verzichtete  und  somit  zu  dem  alten  Ver- 
fahren  zuriickkehrte.  Die  Einladung  zu  Priifung  und  Redeakt, 
wie  sie  am  26.  M&rz  1776  veranstaltet  werden  sollten,  lautet 
f  olgendermassen : 

Ad 

examinis  et  actus  oratorii  Solemnia, 

quibus  dies  est  dictus  XXVI  Martii  MDCCLXXVI, 

omnes,  qui  litterarum  amant  studia, 

in 

scholam  Ulricanam  rite  invitat 

Rector 

Petrus  Christophorus  Hecht. 

Auricae,  typis  Tapperianis. 

Quo  maior  examini  anniversario  accederet  splendor,  cele- 
britas  et  iucunditas,  utile  visum  est,  nonnullos  tertiae  et 
secundae  classis  cives,  qui  propter  diligentiae  et  morum  laudes 
non  exiguam  spem  afferre  videntur,  inter  diversas  classium 
lectiones  ad  colloquendum  et  dicendum  producere. 

E  quibus  igitur  ex  ordine  tertio  ante  meridiem  primi 

Joannes  Georgius  Carolus  Wessels  et  Georgius 
Ludovicus  Anhausen  de  praecipuis  personis  in  sacris  litte- 
ris  obviis  colloquentur  germanice;  deinde 

Henricus  Frerichs  et  Theodoricus  Plagge,  tertii 
quoque  ordinis  cives,  de  lunae  defectione  sermonem  habebunt 
vernaculum.    Turn 

Her m annus  Joannes  Men  eke,  ex  secunda  classe,  de 
Cicerone  aget  germanice.    Porro  ex  eadem  classe 


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—    306    — 

Hermannus  Justus  Conring1)  et  Joannes  Ernestus 
Horst  et  Suffridus  Wiarda,2)  de  aeris  vi  et  gravitate  ger- 
manicum  inter  se  conferent  sermonem.    Iterum  ex  eadem  classe 

Joannes  Theodoricus  Kettler  et  Carolus  Enno 
Magott  cum  Friderico  Georgio  Braunio  de  astrognosia 
facient  colloquium  gerraanicum.     Denique 

Joannes  Ludovicus  Cohlmeyer,  secundo  quoque 
ordini  adscriptus,  vernacula  oratiuncula  superbiae  stultitiam 
deridebit.    Postremo  tertia  classis  sistet 

Georgium  Henricum  Colomb  et  Christianum 
Bernhardum  Conringium,3)  de  variis  feris  animalibus  dis- 
putantes. 


Post  meridiem  vero  ad  orationes  habendas  surgent 
lectissimi  primi  ordinis  iuvenes  tam  eximia  ingeniorum  indole 
quam  diligentiae  laude  conspicui,  inter  quos  prologi  locum 
obtinens 

Jonas  Salomons  ovidianum  illud:  didicisse  fideliter 
artes  emollit  mores  nee  sinit  esse  feros:  breviter  explicabit  et 
demonstrabit  germanice.    Deinde 

RieckeTiadenJuhren  in  verae  sapientiae  notionem 
inquiret  oratione  vernacula;  quern  turn  excipient 

Carolus  Antonius  Weber  et  Julius  Fridericus 
Conradus  Praetorius,  de  septem  Graeciae  sapientibus 
latine  collocuturi.    Post  quos 

Euke  Christianus  Fastenau  Plinii  iunioris  laudes 
celebrabit  oratione  vernacula.    Quem  porro  sequetur 


')  Gros8onkel  des  Herrn  Amtsgerichtsrats  Dr.  Conring  hier,  war 
sp&ter  Regierungsrat  in  Aurich,  vermahlt  seit  1790  mit  Augusta  Elisabeth 
von  Colomb,  wurde  geadelt  1796,  verzog  1803  nach  Berlin,  lebte  ab- 
wechselnd  dort  und  auf  seinem  bei  Berlin  gelegenen  Landgute  Beerbaum 
bis  zu  seinem  Tode  1809. 

*)  Jiingerer  Bruder  von  Tilemann  Dothias  Wiarda,  dem  Geschicht- 
schreiber.  Suffrid  studierte  1780—83  in  Halle,  wurde  1783  Auskultator, 
1785  Referendarius  hier,  1812  Notarius  in  Berum,  f  1830  zu  Hage. 

*)  Bruder  des  Hermann  Justus,  war  sp&ter  Btirgermeister  von  Aurich 
und  land8chaftlicher  Administrator  (Landschaftsrat),  f  1844. 


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—     307     — 

Gerhardus  Poppo  Warsing,  elegis  latinis  lugubres 
matris  bethleiniticae  querelas  fundens.     Turn 

Theodoricus  Hermannus  Tiaden  et  Hermannus  de 
Hal  em  de  calidis  nostrae  aetatis  potionibus  sermonem  institu- 
ent  vernaculum.     Denique 

Joannes  Jacobus  Schoenebaum  de  Alexandro  Magno 
latine  dicet.     Postremo 

Arnoldus  Rudolphus  Kirchhoff  suavitatem  iuvenis 
amabilis  describet  atque  et  suo  et  caeterorum  discedentium 
nomine  scholam  nostram  valere  iubebit. 


Quibus  tandem  omnibus  peractis  Rector,  epilogi  persona, 
academiae  candidatos  bonis  piisque  prosequetur  votis,  atque 
debitas,  ut  par  est,  gratias  aget  auditorum  benignitati. 


Kurze,  meist  etwas  tiberschwenglich  lobende  Charakte- 
ristiken  der  Schiiler  in  lateinischer  Sprache,  wie  sie  die  Ein- 
ladungsschrift  von  1775  bietet,  flnden  sich  auch  in  den  der 
vorgesetzten  Behorde  halbjahrlich  eingereichten  Schtilerlisten. 
Die  am  27.  M&rz  1776  ad  acta  genommene  Liste  lautete 
folgendermassen : 

Catalogus 

iuvenum,  qui  per  annum  MDCCLXXV  primam  scholae  ulricanae 

classem  frequentarunt. 


Nume- 
rus: 
1. 

2. 

3. 

4. 

6. 


Nomina: 


Aetas: 


Arnoldus  Rudolphus    18 
Kirchhoff 
Euke  Christianus 
Fastenau 
Rieke  Tiaden  Juhren    18 
Joannes  Jacobus 
Schoenebaum 
Gerhardus  Poppo 
Warsing 


18 
18 
19 

18 


Morum  ratio: 


anni 
scholastici: 
5  abit    diligens    et   mode- 
stus. 

5  abit       Placent  mores. 

3  abit    bonae  est  indolis. 

3  abit    probus  et  innocuus. 

2  abit    comis  et  facetosus. 


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308    — 


Nume 
rus: 

Nomina :              Aetas: 

anni 
scholastici 

Morum  ratio: 

6. 

Hermannus  de  Halem 

17 

et     diligentia      et 
moribus  probatus. 

7. 

Theodoricus     Ulricus 
Sttirenburg 

15 

gravis;  atplacidus 
tamen. 

8. 

Jonas  Salomons 

17 

haud  displicet. 

9. 

Carolus  Antonius 
Weber 

16 

ob  bonum  ingenium 
amandus. 

10. 

Fridericus    Conradus 
Julius  Praetorius 

15 

diligens. 

11. 

Theodoricus 
Hermannus  Tiaden 

17 

comis  et  liberaJis. 

Nomina  et  mores 

discipulorum 

classis  II. 

Nume 
rus: 

Nomina:              Aetas: 

anni 
scholastici 

Morum  ratio: 

1. 

Suffridus  Wiarda, 
Auricanus 

15 

4 

Puer  optimae  indo- 
lis  ac  spei. 

2. 

Joan.  Ludw.  Colmeier, 
Wenensis 

14 

3 

diligentissimus, 
optimus. 

3. 

Hermannus  Joan. 
Menke,  Auricanus 

14 

3 

diligentia  praeditus 

singulari. 
diligens  et  morum 

4. 

Joan.  Ernestus  Horst 

13 

2 

praecellens  sua- 
vitate. 

5. 

Joan.  Theodoricus 
Kettler 

15 

2 

obsequio    et    in- 
dustria   clarus. 

6. 

7. 

Carolus  Enno  Magott 

Fried.  GeorgiusBraun, 
Embdanus 

14 
13 

3 

V. 

scholam  rarius 
frequentans. 

diligens. 

8. 

Herm  Justus  Conring, 
Aurican. 

12 

IV. 

ingenii  felicissimi 
puer. 

9. 

Gerhard  Julius  Leiner 

16 

2 

scholam  raro 
frequentans. 

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309     — 


JNume 
rgs: 

Nomina: 

Aetas: 

,  a,nm.  .          Morum  ratio: 
scholastici: 

Morum  integritate 

10. 

Joan.  Gerh.  Zurmilhlen 

16 

1 

ac  diligentia  araa- 

bilis. 

11. 

Joan.  Theodor  Pfeiffer 

15 

1 

diligens  ac  modestus. 

12. 

Edo  Joan.  Blok, 
Dornumensis 

12 

1 

non  indiligens. 

13. 

Joan.  Laurentius 
Frerichs,  Auric. 

Discipi 

14 

1 
III  class 

ingenii  infelicis 

puer;  sed  diligens 

et  modestus. 

ulorum 

is 

Nume- 
rus: 

Nomina :           Aetas: 

anni 
scholastic!: 

Mores : 

Superiores. 

1.            Fastenau 

11 

5 

obsequiosus    et    dili- 
gens. 

2. 

Nordheim 

11 

37* 

gravis. 

3. 

Weber 

11 

3V, 

sedulus. 

4. 

Plagge 

11 

3 

moratus. 

5. 

Wolters 

11 

37. 

sedatus. 

6. 

Voigt 

11 

4 

moratus. 

7. 

Focke 

11 

4% 

moriger. 

Inferiores. 

8. 

Colomb 

10 

2 

optime  moratus  ac 
diligens. 

9. 

Lammers 

11 

2 

industrius. 

10. 

Wessels 

11 

2 

verecundus. 

11. 

Frerichs 

12 

2 

attentus. 

12. 

Anhausen 

10 

2 

diligens. 

13. 

Conring 

8 

17. 

probatus. 

14. 
16. 

F.  Schottler 
C.  Schottler 

12 
9 

1) 

modesti. 

16. 

Kappler 

11 

2 

saepius  (?)  scholam 
frequentans. 

17. 

Schmeding 

14 

1 

discendi  cupidus. 

18. 

Stiirenburg 

10 

1 

diligentia  clarus. 

19. 

Brawe 

9 

1 

moratus. 

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—    310    — 

N™T     Nomina    Aetas:  schorasiici:  »«■•• 

20.  H.  SchSttler          11           »/4  attentus. 

21.  Timann               8            1  probatus. 


haud  indiligens  et 
obsequiosus. 
23.  Krigsmann  14  1/A  navus. 


22.  Rikkers  14  l/4 


VI. 


Wenn  jede  Klasse  nur  einen  Lehrer  hatte,  der  in  ihr  den 
ganzen  Unterricht  gab,  so  bestand  die  Einheit  der  Schule  fast 
lediglich  darin,  dass  die  Schuler  nach  einander  die  Klassen  durch- 
liefen,  und  dass  der  rector  scholae  vor  seinen  Kollegen  und 
ihnen  gegemiber  gewisse  Rechte  und  Pflichten  hatte,  tiber  die 
das  cap.  I  der  neuen  Schulordnung  von  1775  folgendes  bestimmt: 

1.  Die  translocationes  in  altiorem  classem  soil  der  Rektor 
nach  gewissenhafter  Einsicht  der  profectuum  bei  denen  translo- 
candis  verrichten,  und  zwar  des  Jahres  2  mal  (Ostern  und 
Michaelis). 

2.  Alle  novitios  soil  der  Rector  examinieren,  in  die  Schul- 
matrikul  eintragen  und  in  die  gehorigen  Klassen  introduzieren. 

3.  Alle  Monate,  und  zwar  des  Sonnabends  in  der  letzten 
Stunde,  besucht  der  Rektor  die  beiden  andern  Klassen,  secun- 
dam  et  tertiam,  und  fraget  nach  den  Lektionen,  welche  in 
dieser  Woche  getrieben  worden  u.  s.  w. 

Wie  misslich  sich  aber  infolge  des  starren  Klassenlehrer- 
systems  und  der  knapp  bemessenen  Befugnisse  des  Leiters  die 
VerhSlltnisse  unter  den  Kollegen  gestalten  konnten,  dafilr  bieten 
die  Konsistorialakten  des  18ten  und  der  ersten  Jahrzehnte  des 
lQten  Jahrhunderts  einige  charakteristische  Beispiele. 


Am  6.  Februar  des  Jahres  1737  war  an  die  damaligen 
Scholarchen,  Generalsuperintendent  Lindhammer  und  Konsitorial- 
rat  und  Hofprediger  Bertram,  folgendes  Rescript  des  Fiirsten 
Karl  Edzard1)  ergangen: 


i)  1734—1744. 


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—    311     — 

„Unser  gn&digster  Befehl  ist  an  euch  hiermit,  dass  ihr  die 

—  euch  zugefertigte   Schulordnung  — publicieret 

und  bei  solcher  Gelegenheit  ex  speciali  hac  commissione  dem 
Conrektor  Jani1)  wegen  seines  mit  ziemlich  starker  Wahr- 
scheinlichkeit  verlautenden  &rgerlichen  Lebens  und  Wandels 
und  wegen  der  bei  der  Information  vorgehenden  Excessen  und 
Negligentz  eine  nachdriickliche  admonition  und  Warnung  gebeta. 

Die  „ nachdriickliche  Admonition  und  Warnunga  war  aber 
bei  der  am  21.  Februar  erfolgenden  Publikation  der  Schul- 
ordnung unterblieben.  Hierdurch  sah  sich  der  Rektor  Schroder2) 
veranlasst,  gleich  nach  Obergabe  der  Schulordnung  zu  „prote- 
stieren"  und  zwei  Tage  darauf  eine  Beschwerde  einzureichen, 
aus  der  im  folgenden  die  Hauptpunkte  mitgeteilt  werdeu: 

„1)  Erstlich  bei  dem  hohen  Leich-Beg&ngnis  des  weiland 
Fflrsten  und  Herrn,  Herrn  Georg  Albrecht,')  hflchstseligen  An- 
denkens,  hat  der  Conrector  Jani  um  desswillen,  dass  ich  die 
drey  Classen,  absentibus  reliquis  collegis,  auf  Anzeigung  des 
Herrn  Generalsuperintendenten  von  der  Schule  vor  dessen 
Thiir  (in  Einfalt  und  in  Gedanken,  dass  etwa  die  andern  H. 
Collegae  vor  Ihrer  Thtir  mit  beytreten  wollten)  geftihrt,  mich 
sehr  unb&ndig  angegriffen  und  mit  grossem  Ungestiim  vor  alien 
Schiilern  verweisslich  vorgehalten,  was  ich  an  seiner  Classe 
Zuftihrung  h&tte,  die  Classe  sey  seine  Classe,  die  Schiiler  seine 
Schiiler,  er  wollte  mich  das  anders  lehren  u.  s.  w.  Eben  hier- 
mit hat  er  mich  den  ganzen  Weg  recht  gemartert  und  ge- 
qu&let,  so  dass  ich  bei  einer  so  sollennen  Trauerhandlung 
nicht  des  gemeinen  Strassenfriedens  geniessen  konnen:  ohn- 
geachtet  ich  so  oft  gebeten,  er  mGchte  mich  doch  zufrieden 
lassen,  es  k6nne  ja  zu  anderer  Zeit  und  Ort  davon  gesprochen 
werden.  Ob  nun  gleich  dieses  schon  was  altes  und  langst 
gescheben,  so  ist  mir  doch  desfalls  so  gar  kein  geniige  gethan, 
dass  vielmehr  seither  das  prostituieren  bei  aller  Gelegenheit 
fortgesetzt  worden. 


l)  1732—1744.     Ausser  verschiedenen   theologischen  Schriften  hat 
er  eine  „oratio  de  caussis  contemti  muneris  scholastici"  verfasst. 
»)  1729-60,  f  1768. 
»>  170&-34. 


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—     312     — 

Denn 

2)  der  Conrektor  Jani  hat  sich  seine  Klasse  so  zugeeignet, 
als  wenn  sie  gar  keine  Connexion  mit  dem  Rectore  hatte, 
und  in  dieselbe  aufgenommen,  welche  er  gewollt,  ohne  desfalls 
ein  Wort  zu  sagen :  wie  denn  gegenwartig  noch  Schiiler  drinnen 
sitzen,  die  nicht  immatriculirt  sind,  hat  sich  also  die  Intro- 
duction eigenm&chtig  angemasset,  die  nicht  Ihm,  sondern  dem 
Rectori  zukSmmt.  Dass  er  auch  noch  in  dem  Gedanken  stehe, 
dass  er  nach  dem  Rectore  nichts  zu  fragen  habe,  hat  er 

3)  damit  bezeiget,  dass  er  expressis  verbis  gesaget:  Der 
Rector  habe  ihm  nichts  zu  sagen,  sey  nur  darvor,  dass  er  sein 
Amt  in  seiner  Classe  thue,  wie  er  in  seiner.  Dazu  kommt, 
dass  er  noch  in  diesem  Jahre,  ohne  mein  Vorwissen,  die  Schiiler 
in  seinem  Hause  informiret  und  dieselben  durch  einen  an  der 
Pforte  bestellten  Knaben  nach  seinem  Hause  verwiesen,  wie 
auch,  dass  er  denselben  einen  Nachmittag  ferias  gegeben.  Wie 
nun  dieses  alles  von  seiner  bisher  fortgesetzten  Unbilligkeit 
zeuget,  so  muss  ich  eben  solches  auch  aufs  kiinftige  besorgen, 
wie  aus  folgendem  erhellen  wird. 

Ich  gebe  aber  einem  jeden  christlichen  und  unparteiischen 
Richter  zu  bedenken,  ob  das  nicht  prostitutiones  des  Amtes 
seyn,  und  ob  ich  nicht  dringende  Ursache  gehabt,  mich  bei 
der  Ubergabe  der  Schulordnung,  zu  deren  Custode  ich  allein 
nach  den  Worten  des  Herrn  Generalsuperintendenten  gesetzet 
worden,  dessfalls  zu  melden". 


Diesem  Konrektor  Johann  Hermann  Jani  hat  die  ost- 
friesische  Regierung  eine  geradezu  unglaubliche  Nachsicht  be- 
wiesen.  Auf  eine  Untersuchung  wegen  Nachlassigkeit  im  Schul- 
amte  folgte  im  Oktober  1736  eine  Protokollaufnahme  in  puncto 
stupri,  und  hieran  schloss  sich  wieder  seit  Januar  1737  ein 
Verfahren  wegen  seiner  Verfehlungen  in  der  Schule.  Die  beiden 
letzten  Angelegenheiten  sollten  dann  —  glimpflich  genug  — 
durch  eine  Admonition  bei  Ubergabe  der  neuen  Schulordnung 
erledigt  werden,  aber  der  Generalsuperintendent  Lindhammer 
wusste  es  durchzusetzen,  dass  diese  Admonition  von  der  Ober- 
gabe  der  Schulordnung  getrennt  und  erst  eine  halbe  Stunde 
sp&ter    dem    Schuldigen    unter    vier    Augen    im    Hause    des 


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—    313    — 

Generalsuperintendenten  erteilt  wiirde.  Im  Juni  1737  wird 
dartiber  Klage  geftihrt,  dass  Jani  schon  wieder  einmal  —  unter 
Nichtachtung  der  neuen  Schulordnung  —  ohne  Erlaubnis  ver- 
reist  sei  und  mehrere  Tage  die  Schule  versaumt  habe;  auch 
im  M&rz  und  April  1738  zieht  er  es  vor,  sich  bei  Verwandten 
in  Esens  aufzuhalten,  und  der  Rektor  SchrSder  weigert  sich 
entschieden,  ihn  zu  vertreten.  Im  Juni  desselben  Jahres  hat 
er  wiederum  ein  Verhftr  in  puncto  stupri  und  wegen  gewisser 
damit  zusammenh&ngender  Dinge  zu  bestehen,  und  im  October 
muss  er  wegen  excessus  in  castigandis  liberis  verwarnt  werden. 
Endlich  —  scheint  es  —  ist  das  Mass  seiner  Verfehlungen,  zu 
denen  tibrigens  auch  haufige  Trunkenheit  gehSrt.  zum  Ober- 
laufen  voll  geworden:  im  April  1739  wird  gegen  ihn  eine 
Disziplinaruntersuchung  wegen  Hintansetzung  seiner  Amts- 
pflicht  und  anstflssigen  Lebens  und  Wandels  eingeleitet.  Die 
Vernehmungen  und  Verhandlungen  Ziehen  sich  bis  in  den  April 
des  n&chsten  Jahres  hin  und  nehmen  einen  Ausgang  wie  das 
Hornberger  Schiessen:  Die  „ finale  Resolution"  solle  vorerst  noch 
aufgehalten  werden,  und  inzwischen  m6chten  die  Scholarchen 
und  der  Rektor  —  ein  wachsames  Auge  auf  Jani  haben.  —  Im 
Juni  1741  ist  der  Herr  Konrektor  wieder  einmal  verreist!  — 
Als  er  vor  Ostern  1744  seit  mehreren  Wochen,  ohne  verreist 
zu  sein,  keinen  Unterricht  raehr  erteilt  hat,  werden  die 
Scholarchen,  n&mlich  Generalsuperintendent  Lindhammer  und 
Hofprediger  Gossel,  zu  einem  Berichte  aufgefordert.  Ihr  Gut- 
achten  geht  dahin,  dass  Jani  allerdings  an  einem  affectus 
hypochondriacus  leide  —  was  er  jedoch  aller  Wahrscheinlich- 
keit  nach  durch  tiberm&ssigen  Genuss  von  Wein  und  and  em 
hitzigen  Getr&nken  selber  verschuldet  habe  — ,  dass  er  aber 
durchaus  nicht  schlechthin  ausser  stande  sei,  den  Unterricht 
wiederaufzunehmen.  Er  wird  auf  den  8.  April  vor  das  Kon- 
sistorium  geladen,  reicht  aber  am  2.  April  seinerseits  eine  Be- 
schwerde  ein: 

„melde   untertb&nigst,   dass   ich   durch    die   in 

meiner  Abwesenheit  und  ohne  alles  mein  Wissen  geschehene 
Translocation  aus  meiner  mir  angewiesenen  Klasse  —  — 
ausser  stand  gesetzet  worden,  meine  Amtsverrichtung  anzu- 
treten,  weil  mir,  wie  Eure  Hochftirstliche  Durchlaucht  einsehen 
werden,  durch  solche  Translocation  diejenige  Ehre  und  Respect 


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—     314    — 

genommen  werden,  die  Eure  Hochfiirstliche  Durchlaucht  auf 
das  mir  anvertraute  Amt  selbst  geleget  haben". 

Auf  diesen  Punkt  der  Janischen  Eingabe  antwortet  dann 
der  Rektor  Schroder  in  einem  am  6.  April  eingereichten  Berichte 
folgendermassen : 

„Er  ist  zu  der  Zeit  entweder  in  statu  naturali 

oder  in  delirio  gewesen.  Ist  er  in  delirio  gewesen,  so  hat  man 
es  ihm  ja  nicht  zu  wissen  thun  konnen;  ist  er  in  statu  naturali 
gewesen,  so  hat  er  es  ja  vor  sich  wohl  wissen  kdnnen,  weil 
es  nach  der  Vorschrift  der  Schulordnung  geschehen.  Allein 
hie  datur  tertium :  er  hat  es  wol  nicht  wissen  wollen,  weil  er 
sich  eingebildet,  dass  er  bei  seiner  Abwesenheit  keine  Schiller 
verlieren  k6nnte,  darum  ist  es  ihm  nur  zu  thun  gewesen.  Und 
das  mag  die  Ursache  gewesen  sein,  warum  er  nicht  hat 
kommen  wollen." 

Am  8.  April  erscheint  Jani  vor  dem  Konsistorium,  um 
wieder  mit  einer  Vermahnung  und  einigen  Versprechungen 
seinerseits  davon  zu  kommen.  Da  er  aber  nach  wie  vor  der 
Schule  fernbleibt,  werden  endlich  am  24.  April  Verhandlungen 
inbetreff  einer  auf  Kosten  des  Konrektors  einzurichtenden 
„Interimsinformationa  eingeleitet.  Man  beabsichtigt  die  vices 
conrectoris  in  secunda  classe  zunachst  einem  Kandidaten 
Kanold  fttr  4— 41/,  Gulden  (=  4,50—6  Mk.)1)  wochentlich  zu 
(ibertragen.  Am  29.  Mai  wird  aber  statt  seiner  vielmehr  ein 
Kandidat  Lewin  Eberhard  Kettwich  als  Vertreter  in  Vorschlag 
gebracht.  Die  Akten  brechen  hier  ab.  Inzwischen  war  Karl 
Edzard,  der  letzte  Ftirst  aus  dem  Hause  Cirksena,  gestorben, 
und  Ostfriesland  am  24.  Mai  preussisch  geworden.  Damit  hatte 
denn  auch  fiir  den  beklagenswerten  Rektor  Schroder  die  Stunde 
der  Erl5sung  geschlagen:  der  Konrektor  Jani  wurde,  wie  Pommer 
schreibt,  „wegen  einer  Gemiitskrankheit  entlassen",  wie  es  in 
einem  1760  angefertigten  Lehrer-Verzeichnis2)  heisst,  „wegen 
Verrtickung  im  Haupte  dimittiert"  und  erhielt  ein  BjSlhrliches 
Gnadengeld"  von  50  Reichsthalern  (=  150  Mk.). 


l)  1  Gulden  ostfries.:  =  10  Schaf;  1  Schaf  =  ll1/.  Pfennig. 
*)  No.  266  der  Schulakten  des  hiesigen  Archivs. 
•)  1777—1783. 


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—    315    — 

Eine  Quelle  arger  Misshelligkeiten  war  namentlich  —  wie 
auch  schon  aus  den  obigen  Mitteilungen  hervorgeht  —  der  Um- 
stand,  dass  die  von  den  Schiilern  unter  verschiedenen  Titeln 
zu  zahlenden  Gebiihren  den  Lehrern  der  einzelnen  Klassen  zu- 
fielen,  w&hrend  fiber  die  Versetzung  in  die  nachst  hohere  Klasse 
allein  der  Rektor  zu  entscheiden  hatte.  Am  1.  April  1780  ging 
bei  dem  Konsistorium  eine  Beschwerde  des  Konrektors  Fastenau1) 
ein,  die  folgendermassen  anhebt: 

n Hatte  es  mit  dem  unwiirdigen  Verfahren  des  Rektors 
Hecht  beim  Versetzen  der  Schiiler  aus  einer  Klasse  in  die 
andere  nichts  weiter  auf  sich,  als  dass  mir  ein  Teil  meines 
Unterhaltes  entzogen  wurde,  gern  verschmerzte  ich  diesen 
Verlust  und  schwiege  noch  langer  — a 

aber  sein  Antrag,  das  ius  translocandi  einer  bei  der  Sache 
nicht  interessierten  Person  aufzutragen,  erfolgt  nattirlich  nur 
aus  uneigennutzigen  und  edeln  Griinden,  ist  namlich  durch  die 
Befurchtung  veranlasst,  dass  bei  langerem  Schweigen  der  ganz- 
liche  Verfall  der  Schule  eintreten,  und  die  Schiiler  einen  Schaden 
fiir  ihre  Lebenszeit  davontragen  konnten.  Der  Rektor  wolle 
nur  seine  Klasse  voll  haben,  wolle  Honorar  von  14  bis  15 
Schiilern  Ziehen;  darum  translociere  er,  wahrend  er  dem  Kon- 
rektor  oft  Schiiler  vom  Lande  iiberweise,  die  kaum  lateinisch 
lesen  konnten  und  eigentlich  auf  die  unterste  Bank  der  Tertia 
gehOrten,  die  Sekundaner  meist  schon  nach  2  Jahren,  wahrend 
er  die  Tertianer  4  bis  5  Jahre  und  dartiber  in  ihrer  Klasse  zu- 
bringen  lasse  u.  s.  w. 

Die  Antwort  Hechts  wurde  dem  Konsistorium  am  28.  April 
1780  vorgelegt.  Er  beschrankt  sich  natiirlich  nicht  auf  die  Ab- 
wehr,  sondern  geht  alsbald  zum  Angriff  iiber,  um  nun  seiner- 
seits  die  schwersten  Anklagen  gegen  Fastenau  zu  erheben. 
Dieser  werde  von  seinen  Schiilern  gehasst,  verabscheut,  ja  ver- 
flucht;  die  Schiiler  verloren  bei  ihm  alle  Lust  zu  lernen,  die 
Eltern  scheuten  sich  oft,  ihre  Sohne  aus  der  3ten  in  die  2te 
Klasse  iibergehen  zu  lassen  und  schickten  sie  lieber  anders- 
wohin.  Insbesondere  richte  sich  der  Konrektor  gar  nicht  nach 
der  F&higkeit  seiner  Schiiler,  lese  mit  ihnen  die  lateinischen 
auctores   ohne   geniigende   Sprach-   und   Sacherkl&rnng,    lasse 


>)  1777—1783. 
Jahrbnch  dm  GeselUch.  f.  b.  K.  a.  vaUrl.  AltertQmer  an  Em  den,  Bd.  XV.  21 


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—    316    - 

exercitia  domestica  nicht,  wie  vorgeschrieben,  wochent- 
lich,  sondern  nur  ausserst  selten  schreiben,  lese  oft  in 
den  Lehrstunden  fur  sich  ein  Buch  und  lasse  inzwischen 
die  Schiiler  Obersetzungen  machen,  die  eigentlich  Hausarbeit 
seien,  u.  s.  w. 

Von  dieser  Eingabe  Hechts  ging  dem  Konrektor  am  3.  Mai 
ein  ^Extract"  behufs  seiner  Verantwortung  zu,  w&hrend  gleich- 
zeitig  der  Rektor  aufgefordert  wurde,  die  exercitia  dokimastika 
(sive  exploratoria),  die  er  vor  der  Translokation  in  der  II.  habe 
schreiben  lassen,  der  BehSrde  einzureichen.  Nun  hatte  Hecht 
zu  seinem  Bedauern  diese  exercitia  nicht  aufbewahrt,  zumal 
er  ja  nicht  habe  erwarten  konnen,  von  Fastenau,  seinem  ehe- 
maligen  Schiiler  (auch  noch!),  in  dieser  Weise  angegriffen  zu 
werden.  Fastenaus  Verantwortung  aber  wurde  am  21.  Mai 
vorgelegt,  und  man  wird  es  nicht  gerade  mit  Oberraschung 
vernehmen,  dass  er  es  nun  ebenfalls  nicht  bei  der  Verteidigung 
bewenden  liess,  sondern  seinerseits  eine  Reihe  neuer  Be- 
schuldigungen  gBgen  den  Rektor  vorbrachte.  Ein  Erlass  des 
Konsistoriums  vom  21.  Juni,  unterzeichnet  von  Derschau, 
machte  dann  dem  widerwartigen  Handel  ein  Ende.  Auffallend 
und  unsern  Gepflogenheiten  wenig  entsprechend  erscheint  es 
doch,  dass  die  Behorde  nach  alien  diesen  Anklagen  und  Gegen- 
anklagen  auf  eine  Untersuchung  verzichtete  und  sich  mit  einer 
Verwarnung  an  die  beiden  Schulkollegen  begniigte.  Sehr  be- 
rochtigt  aber  kann  man  es  nur  finden,  dass  gleichzeitig  mit 
dieser  Verwarnung  eine  Vermahnung  an  den  Konsistorialrat 
Smid  als  scholarcham  und  inspectorem  specialem  dieser 
Schule  erging: 

„Da  wir  von  alien  Seiten  vernehmen,  dass  zwischen 
dem  Rektore  und  Konrektore  der  hiesigen  lateinischen  Schule 
eine  grosse  Uneinigkeit,  sowie  bei  der  Schule  iiberhaupt  viel 
Unordnung  herrsche,  und  die  neu  revidierte  Schulordnung 
wenig  beobachtet  werde,  daher  sie  auch  beiderseits  sich  nicht 
scheuen,  bei  unserm  Konsistorio  einander  offentlich  die  bitter* 
sten  Vorwtirfe  iiber  Nachlassigkeit,  unschickliche  Lehrart, 
Parteilichkeit  bei  Translocierung  der  Schiiler  zu  machen, 
dieses  aber  den  Verfall  der  Schule,  welche  alien  andern 
Schulen  des  Landes  zum  nachahmungswiirdigen  Muster  dienen 
sollte,  notwendig  nach  sich  Ziehen  muss: 


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—     317     — 

so  haben  wir  zwar  gedachte  Schulkollegen  zu  mehrerer 
Einigkeit  und  gewissenhafter  Beobachtung  ihrer  gemeinsamen 
Pflichten  unterm  heutigen  Dato  ernstlich  anmahnen  lassen. 
Nachdem  aber  dergleichen  Unordnungen  an  einer  Schule  un- 
moglich  tiberhand  nehmen  kSnnen,  wenn  der  zu  diesem  Ende 
bestellte  scholarcha  die  ihm  anvertraute  Aufsicht  mit  gehoriger 
Sorgfalt  wahrnimmt,  so  wollen  wir  Euch  als  inspectorem 
specialem  dieser  Schule,  hiermit  gnadigst  und  angelegentlichst 
erinnern,  iiber  die  Schulkollegen  und  deren  Information  genaue 
Aufsicht  zu  tragen,  zu  dem  Ende  die  Schule  fleissig  zu  be- 
suchen,  die  sich  findenden  Missbrauche  abzustellen,  die  et- 
waigen  Differentien  der  Schulkollegen  in  der  Giite  beizulegen 
und  tiberhaupt  dahin  zu  sehen,  dass  die  revidierte  Schul- 
ordnung   in   alien   Punkten   aufs   genaueste    befolget   werde." 

Der  Konrektor  Fastenau  starb  1783,  aber  auch  so  sollten 
sich  die  „ Differentien"  wegen  der  „Translocierungtf  leider  wieder- 
holen.  So  kam  es  1796  zwischen  Hecht  und  dem  Konrektor 
Miiller  und  1806  zwischen  Pommer  und  dem  Kantor  Fastenau 
wegen  dieses  Geschaftes  zu  Meinungsverschiedenheiten,  auf  die 
ich  hier  nicht  naher  eingehe. 


Wie  gering  die  Befugnisse  des  Rektors  von  den  Kollegen 
und  auch  von  dem  Publikum  veranschlagt  wurden,  zeigte  sich 
wiederum  bei  einem  argerlichen  Handel  zwischen  Pommer  und 
dem  Konrektor  Liiddecke: 

Am  26.  Juni  1811  war  es  dem  Rektor  Pommer  angezeigt 
worden,  dass  die  Sekundaner  Lucius  von  Schonemarck,  Sohn 
eines  hiesigen  Notarius,  und  Gerhard  Schweers,  Sohn  eines 
„Huissiersa,  beleidigende  Ausdriicke  gegen  den  Kantor  Fastenau 
an  eine  Ttir  auf  dem  Hofplatze  des  Rektors  geschrieben  h&tten. 
Darauf  trat  Pommer  in  der  letzten  Vormittagsstunde  in  die 
Klasse  des  Konrektors,  zog  die  beiden  Angeklagten,  ohne  erst 
eine  lange  Untersuchung  anzustellen  und  ohne  auf  ihre  Unschulds- 
beteuerungen  zu  achten,  nach  einander  iiber  den  Tisch  und  be- 
strafte  sie  „mit  heftigen  Stockschlagen".  Den  Stock  dazu  hatte 
er  sich  von  dem  Konrektor  ausgebeten,  und  dieser  hatte  ihm 
denselben  „mit  einer  zierlichen  Verbeugung"  iiberreicht.  —  Dieses 
unmittelbare  und  drastische  Eingreifen  des  Rektors  in  den  Be* 

21* 


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—    318    — 

reich  des  zweiten  Lehrers  hatte  nun  eine  doppelte  Folge,  eine 
Beschwerde  Liiddeckes,  zu  der  ihn  angeblich  die  allgemeine 
Stimme  des  Publikums  sowie  seine  eigene  Ehre  gleich  stark 
aufforderten,  und  eine  Beschwerde  der  beiden  Vater,  die  nicht 
nur  jede  Schuld  der  SShne  bestreiten,  sondern  es  auch  far 
selbstverstandlich  halt  en,  dass  selbst  im  Falle  einer  Verschaldung 
die  Bestrafung  nur  von  dem  „vorgesetztena  Lehrer,  also  dem 
Konrektor,  hatte  vollstreckt  werden  dtirfen.  —  Auf  die  blosse 
Kunde  von  diesen  Schritten  reichte  Pommer  schon  unter  dem 
28.  und  29.  Juni  endlose  Berichte  ein,  und  ebenso  Liiddecke 
am  9.  Juli  eine  Gegenvorstellung,  in  der  er  zum  Schluss  den 
Herrn  Generalsuperintendenten  Mftller  flehentlieh  darum  bittet, 
einem  Despotismus  Schranken  zu  setzen,  der  immer  ftirchter- 
licher  zu  werden  drohe,  und  bei  dessen  blosser  Vorstellung 
sich  schon  sein  ganzes  Geftthl  empOre.  —  Am  12.  Juli  wurde 
sodann  der  Generalsuperintendent  beauftragt,  dem  Rektor  zu 
bedeuten,  dass  er  doch  besser  getan  hatte,  den  Konrektor 
von  dem  Vergehen  der  beiden  Schtiler  zu  benachrichtigen  und 
diesem  dann  die  Bestrafung  zu  iiberlassen.  Eine  unmittelbare 
Bestrafung  durch  den  Rektor  sei  nur  am  Platze,  wenn  der 
Tater  in  flagranti  ertappt  werde,  oder  periculum  in  mora  an* 
zunehmen  sei.  Andernfalls  empfehle  es  sich,  die  strafbare 
Handlung  dem  betreffenden  Klassenlehrer  anzuzeigen,  der  dann 
freilich  dieser  Anzeige  auch  die  gebiihrende  Folge  zu  geben 
verpflichtet  sei.  —  Mit  diesem  Reskripte  war  indes  die  An- 
gelegenheit  noch  keineswegs  abgeschlossen.  Pommer  hatte  in 
seinen  Eingaben,  um  sein  Einschreiten  zu  erkl&ren,  liber  die 
ganze  Amtsfiihrung  Liiddeckes  in  hochst  ungiinstigem  Sinne 
berichtet.    Die  Hauptanklagepunkte  waren  folgende: 

1.  Wahrend  der  Lehrstunden  herrscht  bestandig  L&rm  und 
Gerausch  in  der  II.,  der  Lehrer  schwatzt  mit  den  Schtilern,  und 
diese  veriiben  ungestflrt  allerhand  Unarten,  graben  L6cher  in 
die  Mauer,  stossen  Steine  heraus  u.  dgl.  2.  Der  Konrektor 
pflegt  morgens  viel  zu  spat  in  der  Schule  sich  einzustellen.  In- 
zwischen  herrscht  in  seiner  Klasse  der  wtisteste  Unfug.  Auch 
haben  die  Iller  viel  von  den  rohen  Neckereien  der  Her  zu 
leiden.  Dariiber  hat  der  Kantor  dem  Konrektor  schon  „  bitter 
und  stissa  Vorstellungen  gemacht,  die  aber  immer  vergeblich 
geblieben  sind.    3.  Die  SchUler  kommen  durch weg  „zu  schlecht 


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—    319    — 

beschlagen"  aus  der  II.  in  die  I.,  in  der  dann  der  Rektor  mit  ihnen 
seine  Not  und  Plage  hat.  Der  Konrektor  verdirbt  viel  Zeit,  indem 
er  ein  compendium  geographiae  d  i  k  t  i  e  r  t  u.  a.  d.  A. 

Am  5.  August  begab  sich  nun  der  Generalsuperintendent 
um  9V2  Uhr  vormittags  selber  in  die  Schule.  Er  fand  die  lte 
und  3te  Klasse  in  T&tigkeit,  w&hrend  die  2te  uberhaupt  „nicht 
vorhandena  war.  Durch  die  hiemach  angestellte  Untersuchung 
wurden  die  Vorwtirfe  Pommers  lediglich  best&tigt.  Auf  die 
Frage,  warum  denn  die  II.  am  5ten  keinen  Unterricht  gehabt 
habe,  gab  L.  die  dummdreiste  Antwort,  es  seien  ja  Hundstage, 
und  tiber  den  Umfang  der  Ferien  habe  er  von  seinen  Kollegen 
keine  Vorschriften  anzunehmen.  —  Der  Handel  endete  fiir  ihn 
nach  unsern  Begriffen  viel  zu  glimpflich,  indem  man  ihn  mit 
einer  in  v&terlichem  Tone  gehaltenen  „Erinnerunga  davon 
kommen  Hess.1) 

Ein  andermal  weigerte  sich  Ltiddecke,  den  Schltissel  zu 
dem  Klassenzimmer  der  II.  dem  Rektor  auszuliefern.  Es  be- 
durfte  erst  einer  Verftigung  des  Konsistoriums.  um  ihn  zu  der 
Auslieferung  zu  bestimmen. 

Das  Verh&ltnis  blieb  auch  gespannt,  nachdem  Pommer 
1817  das  Rektorat  zum  zweiten  Male  tibemommen  hatte.  Er 
selber  berichtet  in  der  „vertraulichen  Geschichte  seiner  Direction 
fiir  seine  Nachfolger"2)  nach  allerlei  schnurrigen  Mitteilungen 
tlber  Ltiddeckes  Wunderlichkeit  und  Unfahigkeit,  seine  Schtiler 
im  Zaune  zu  halten,  hieriiber  etwa  folgendes: 

„Er  vermied  jede  Unterhaltung  mit  mir  tiber  Schulfragen, 
ja  sogar  meine  Gegenwart.  Ich  war  einmal  bereit,  mit  jeman- 
dem  im  Hause  des  Herrn  Ebermann  eine  Wette  einzugehen, 
dass  ich  Herrn  L.,  der  auch  da  war,  durch  eine  Unterredung 
iiber  die  Schule  aus  der  Stube  treiben  wolle.  Ich  fing  auch 
wirklich  eine  solche  Unterredung  an,  worauf  er  sich  aus  der 
Stube  schlich.  — -  Sah  er  mich  auf  einem  Spaziergange,  so  bog 
er  aus;  ging  ich  hinter  ihm,  so  lief  er  eilig  vorauf,  um  mich 
zu  meiden.  So  gelang  es  mir  einmal  durch  die  Miene,  die  ich 
annahm,  ihn  erreichen  zu  wollen,  ihn  von  Aurich  tiber  Colde- 
h6rn,  Sandhorst,  Wallinghausen  bis  ins  Osterthor  durch  ziem- 
lich  tiefen  Schnee  zu  treiben". 


')  Schulakten  des  Archivs  275. 

*)  Das  Manu8kript  befindet  sich  bei  den  Akten  des  Gymnasiums. 


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—     320     - 

Die  neue  Schulordnung  von  1822,  die  das  alte  Klassen- 
lehrersystem  beseitigte,  gewahrte  auch  dem  Leiter  der  Anstalt 
eine  grflssere  Machtvollkommenheit.  Es  liesse  sich  aber  leicht 
der  urkundliche  Nachweis  fiihren,  dass  sich  hier  trotzdem  die 
Misshelligkeiten  auch  in  den  folgenden  Jahrzehnten  fortsetzten 
oder  doch  periodisch  wiederholten. 

Die  letzten  Mitteilungen  kflnnten   leicht  das   Urteil  iiber 
Pommer  selber  bis  zu  einem  Grade  ungtinstig  beeinflussen,  dem 
ich  doch  vorbeugen  zu  sollen  glaube.     Pommer  war  ja  allem 
Anscheine  nach  eine  gallige  und  herrische  Natur,   aber  dabei 
nicht  ohne  Wohlwollen  und  vor  allem   umsichtig,   riihrig,  tat- 
kraftig,  von  unermiidlicher  Arbeitskraft  und  Arbeitslust.    Seinen 
Schriften,   gedruckten  und  ungedruckten,   fehlt  es   trotz  ihrer 
breiten  Redseligkeit  nicht  an  einem   gewissen   Reize,   weil  sie 
immer  wieder   scharfe  Beobachtung,   ausgebreitete  Erfahmng, 
griindliche  Sachkenntnis  und  ein  nicht  gewohnliches  Mass  prak- 
tischen  Verstandes  erkennen  lassen.     Nachdem  er  von  1803  bis 
1813   das   Rektoramt   an   der  hiesigen  Schule  bekleidet  hatte, 
iibernahm  er  die  Predigerstelle  zu  Westerackum,   mit   der  die 
fiir  jene  Zeit   ansehnliche  Einnahme   von   900  Thalern   nebst 
freier   Wohnung   und    der    Nutzniessung    eines    „sehr    guten" 
Gartens  verbunden  war.    Er  vertauschte  indes  diese  Stellung, 
die  ihm  gewiss  ein   behagliches  Leben  in  Ruhe  und  Frieden 
ermoglicht  hatte,   einer  ehrenvollen  Berufung  der   Hannover- 
schen  Regierung  folgend  schon  1817  wieder  mit  dem  hiesigen 
Rektorate,   obwohl   ihm  nur   ein   Gehalt  von  700  Thalern  ge- 
boten  wurde,  und  obwohl  er  die  Sorgen  und  Kampfe,  die  hier 
seiner    warteten,    mit    Bestimmtheit    voraussah.      Die    Schul- 
ordnung   von    1822,    durch   welche   die   alte   Lateinschule   zu 
einem    modernen   Gymnasium   umgeschaffen  wurde,    die  Auf- 
besserung  der  Lehrergehalter,  der  Neubau  und  noch  manches 
andere  ist  im  wesentlichen  sein  Werk.     „Es  giebt  keine  Seite 
der  Schule",  sagt  er  von   sich   selbst,    „fiir   die  ich  nicht  ge- 
arbeitet  habe",  und  sein  Interesse  und  Einfluss  hat  sich  nicht 
auf  diese  Schule  beschrankt. 

So  reichte  er  im  Jahre  1816  unter  dem  Titel  „Bemerkungen 
und  Vorschlage  die  Schulen  meines  Vaterlandes  betreffend"  der 
zust&ndigen  Behorde  eine  Denkschrift l)  ein,  in  der  er  sich  auch 

l)  Bei  den  Akten  des  Gymnasiums. 


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—    321     — 

fiber  den  Stand  des  Volksschulwesens  in  Ostfriesland  verbreitet. 
Hier  findet  sich  nun  bereits  die  Meinung  ausgesprochen,  dass 
den  vielfafch  herrschenden  Obelstanden  nur  durch  Errichtung 
eines  ,,Schulmeisterseminarsi4  in  Aurich  abgeholfen 
werden  kSnne.  An  diesem  Seminar  mtisse  Religion  und  Fertig- 
keit  im  Katechisieren,  Kalligraphie,  Rechnen,  Musik,  Deutsch, 
Hollandisch,  Naturkunde,  Qeographie  und  Geschichte  gelehrt 
werden.  Bekanntlich  hat  es  bis  zum  Jahre  1852  gedauert,  ehe 
dieser  „Vorschlagtf  Pommers  —  in  einer  den  veranderten  Zeit- 
verh&ltnissen  entsprechenden  Form  —  verwirklicht  wurde. 

Billstein,  Bertram,  Smid  mogen  als  Gelehrte  feiner  und 
bedeutender  gewesen  sein,  aber  Pommer  war  ohne  Frage  das 
•  bemerkenswerteste  organisatorische  und  administrative  Talent 
unter  alien  Rektoren  und  Direktoren  unserer  Anstalt.  Seine 
aufopferungsvolle  und  erfolgreiche  Wirksamkeit  verdiente  es 
wohl,  einmal  in  einem  besonderen  Aufsatze  eingehender  be- 
handelt  zu  werden. 


VII. 
An  beriihmten  Schulern  hat  es  auch  der  Auricher  Schule 
nicht  gefehlt.  Aus  dem  17ten  Jahrhundert  ware  zu  nennen 
Johann  Heinrich  Stamraler,  der  spatere  ostfriesische 
Kanzler,  aus  dem  18ten  vor  alien  Tilemann  Dothias  Wiarda, 
der  Geschichtsschreiber.  Im  19ten  Jahrhundert  sind  aus  unserer 
Schule  der  Jurist  J  her  in  g,  der  Mediziner  Frerichs,  der  Theo- 
loge  Ihmels  (zu  Erlangen),  der  Philosoph  Eucken  (zu  Jena) 
hervorgegangen.  Aus  den  Akten  iiber  die  Reifeprtifung  der 
beiden  erstgenannten  unter  diesen  4  soil  hier  einiges  mit- 
geteilt  werden. 

Reifeprtifung   zu   Aurich    Ostern  1836. 

Der  Anfang  der  Priifung  wurde  auf  den  22.  Februar  fest- 
gesetzt,  und  dieser  Termin  durch  zweimalige  Einrtickung  in 
das  Amtsblatt  bekannt  gemacht.  Mitglieder  der  Prufungs- 
kommission  waren: 

1)  der  Kanzleidirektor  Brandis   als   Koniglicher   Kommis- 
sarius, 

2)  der  Generalsuperintendent  Miiller, 

3)  der  Konsistorialrat  Ihmels, 


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—     322    — 

4)  der  Justizrat  von  der  Osten, 

5)  der  Gymnasialdirektor  Mtiller, 

6)  der  Rektor  Siedhoff, 

7)  der  Subkonrektor  Hfllscher, 

8)  der  Oberlehrer  Reuter, 

9)  Dr.  Hartmann  „als  Lehrer  der  Mathematik", 

10)  der  Kollaborator  Bienhoff  „als  Lehrer  der  franzSsischen 
Sprache"  (Protokollfiihrer). 

Zu  der   Prtifung  meldeten  sich  6  Abiturienten,   namlich: 

1.  Georg  Johann  Rose,  Sohn  eines  Kaufmanns  aus 
Wittmund  (3l/2  Jahre  in  I.); 

2.  Theodor    August   Steltzer,    Sohn    eines    Justizrats    zu ' 
Aurich  (3l/2  Jahre  in  I.); 

3.  Hermann  Justus  Conring,  Sohn  des  Amtmanns  Conring 
zu  Aurich  (3  Jahre  in  I.); *) 

4.  Johann  Friedrich  Riese,  Sohn  des  Pastors  zu  Holtrop 
(2  Jahre  in  I.); 

5.  Caspar  Rudolph  Jhering,  Sohn  des  verstorbe- 
nen  Justiz  -  Commissarius  Dr.  iuris  Jhering  zu  Aurich 
(2  Jahre  in  I.); 

6.  Hieronymus  Ibeling  Ditzen,  Sohn  eines  Kaufmanns  in 
Emden  (3V2  Jahre  in  I.). 

Der  jiingste  der  Angemeldeten  war  der  am  22.  August 
1818  geborene  Jhering. 

Diese  Abiturienten  hatten  am  Nachmittage  des  6.  Februar 
unter  Aufsicht  des  Direktors  ein  lateinisches  Gesuch  um  Zu- 
lassung  nebst  einem  curriculum  vitae  auszuarbeiten.  Diese 
Gesuche  wurden  unter  Beifugung  der  in  der  I.  erteilten  Zeug- 
nisse  zu  den  Akten  genommen. 

An  dem  ersten  Priifungstage,  dem  22.  Februar,  war  ein 
lateinischer  Aufsatz  anzufertigen.  Die  Arbeit  begann  um  7  Uhr 
morgens  und  endete  1  Uhr  mittags.  Das  Thema  lautete: 
imperium  Romanum  turn,  cum  Octavianus  eius  principem  se 
fecit,   civitatem   liberam  et  sui  iuris  diutius  esse  non  potuisse 


*)  Geboren  8.  Marz  1817  in  Aurich,  f  31.  Dezember  1900  in  Hildos- 
heim  als  Geheimer  Justizrat  und  Erster  Staateanwalt  a.  D. 


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—    323     — 

ostenditur.  Die  Aufsicht  ftthrte  w&hrend  der  ganzen 
Arbeitszeit  der  Kollaborator  Bienhoff.  Durchgesehen  und  be- 
urteilt  wurden  die  Arbeiten  von  dem  Direktor  Miiller. 

Am  23.  Februar  war  von  den  30  ersten  Versen  der 
Trachinierinnen  des  Sophokles  eine  deutsche  Obersetzung  nebst 
lateinischer  Inhaltsangabe  (argumentum)  und  lateinischer 
Erklarung  zu  liefern.  Die  Arbeitszeit  betrug  wiederum  6  Stunden, 
die  Aufsicht  fiihrte  vom  Anfang  bis  zum  Schluss  der  Sub- 
konrektor  H61scher.  Auch  diese  Arbeiten  sind  von  dem  Direktor 
durchgesehen  und  beurteilt. 

Der  24.  Februar  war,  wie  es  scheint,  ftir  die  Obersetzung 
in  das  FranzSsische  bestimmt.  Die  Schtiler  arbeiteten  von  8l/2 
bis  12Vi  Uhr  unter  der  ununterbrochenen  Aufsicht  des  Sub- 
konrektors  HSlscher. 

Darauf  folgte  am  25.  Februar  als  dritte  sechssttindige 
Arbeit  der  deutsche  Aufsatz,  der  unter  Aufsicht  des  Rektors 
Siedhoff  angefertigt  und  von  diesem  auch  beurteilt  wurde. 
Thema  war:  „Wodurch  kann  der  studierende  Jflngling  wahre 
Vaterlandsliebe  beweisen?  Eine  Rede  eines  abgehenden  Schiilers 
an  seine  mit  ihm  zugleich  die  Schule  verlassenden  Freunde44. 

Der  26.  Februar  war  der  „Litteratur",  Geschichte  und 
Geographic  gewidmet.  Die  Schtiler  hatten  eine  Reihe  von 
Fragen  schriftlich  zu  beantworten:  1)  Hauptgedichte  der 
deutschen  Litteratur  aus  den  sogenannten  Sagenkreisen 
(V2  Stunde).  2)  Der  Geist  der  alexandrinischen  Gelehrsamkeit. 
3)  Charakteristik  des  Tacitus  als  Geschichtsschreibers  mit 
Angabe  seiner  Werke  (2  und  3  von  Jhering  in  8/i  Stunden  be- 
arbeitet).  4)  Welches  sind  die  vorzflglichsten  Prosaiker  aus 
dem  Jahrhundert  Ludwigs  des  14ten  ?  In  welcher  Gattung 
haben  sie  sich  besonders  ausgezeichnet,  und  welches  sind  ihre 
Hauptschriften?  (von  Jhering  in  21  Minuten  gut  bearbeitet,  ein 
andrer  brauchte  1  Stunde).  5)  Perikles  und  sein  Zeitalter. 
6)  Der  Kampf  der  Patrizier  und  Plebejer  bis  zur  politischen 
Gleichheit  beider  St&nde.  7)  Die  Entstehung  des  dritten  Standes 
im  Mittelalter.  8)  Ludwig  der  14te  und  sein  Zeitalter.  9)  Fluss- 
gebiet  des  heutigen  Frankreichs  nebst  den  wichtigsten  Stadten 
an  den  Hauptfltissen.  10)  Der  Umfang  des  romischen  Reiches 
unter  Augustus.  —  Jhering  hatte  alle  diese  „litterarischen", 
historischen,  geographischen  Arbeiten  schon   10  Minuten  vor 


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12  Uhr  vollendet.  Er  erhielt  nun  von  dem  aufsichtftihrenden 
Oberlehrer  Reuter  noch  eine  besondere  Aufgabe:  „Gustav  Adolf1, 
die  er  in  20  Minuten,  also  bis  10  Minuten  nach  12  Uhr  er- 
ledigte.  Von  diesen  Ausarbeitungen  sind  die  zur  deutschen, 
griechischen  und  lateinischen  Litteratur  von  Siedhoff,  die  zur 
franz5sischen  von  Bienhoff,  die  zur  Geschichte  und  Geographie 
von  Reuter  durchgesehen. 

Am  27.  Februar  wurden  die  mathematischen  und  physika- 
lischen  Arbeiten  in  der  Zeit  von  7l/2  bis  172  Uhr  unter  der 
Aufsicht  des  Dr.  Hartmann  angefertigt. 

Die  Aufgaben  waren  folgende: 

1.  Zu  beweisen,  dass,  wenn  man  aus  2  Punkten  nach 
einem  Punkte  einer  gegebenen  geraden  Linie  2  gerade  Linien 
zieht,  die  Summe  dieser  Linien  dann  am  kleinsten  ist,  wenn 
die  beiden  gezogenen  Linien  mit  der  gegebenen  Linie  gleiche 
Winkel  einschliessen. 

2.  Zwei  Seiten  eines  dreieckigen  Sttick  Landes  sind  die 
eine  68,  die  zweite  54  Ruten  lang  und  schliessen  einen  Winkel 
von  62°  6'  ein.     Wie   viele   Quadratruten   enth&lt  das    Sttick? 

3.  Ein  gegebenes  Vieleck  in  ein  Dreieck  zu  verwandeln. 
5.  Welches  Verh&ltnis  findet  unter  den  Flachen  der  drei 

auf  die  Seiten  eines  rechtwinkligen  Dreiecks  gezeichneten  Halb- 
kreise  statt? 

5.  Zu  beweisen,  dass  die  drei  aus  den  Mittelpunkten  der 
Seiten  eines  Dreiecks  gefallten  Perpendikel  sich  in  demselben 
Punkte  schneiden. 

6.  Eine  Linie,  die  mit  zwei  in  einer  Ebene  gezogenen 
Linien  rechte  Winkel  einschliesst,  steht  senkrecht  auf  der 
Ebene  selbst. 

7.  Es  kauft  jemand  fiir  200  Thaler  Uhren,tombachene(sic!) 
das  Sttick  zu  5  Thl.,  silberne  zu  8  Thl.  Wie  viel  erh&lt  er 
von  jeder  Sorte? 

8.  Die  Summationsformel  fiir  eine  arithmetische  Reihe  an- 
zugeben,  sowohl  wenn  n  eine  gerade  als  eine  ungerade  Zahl  ist. 

9.  Die  Summe  zweier  Zahlen  heisst  a,  die  Summe  ihrer 
Kuben  b.    Wie  heissen  die  Zahlen? 

10.  Erklarung  der  Wirkungsart  einer  Leidener  Flasche. 

11.  Was  versteht  die  Physik  unter  der  magnetischen 
Kraft,  und  welche  Mittel   kennt  sie  zur  Erregung  derselben? 


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Dies  sind  die  von  Jhering  bearbeiteten  Aufgaben.  Es  scheint 
jedoch,  dass  eine  noch  grossere  Anzahl  geometrischer,  arith- 
metischer,  physikalischer  Aufgaben  gleich  anfangs  diktiert,  und 
den  Prtiflingen  die  Auswahl  aus  dieser  Fiille  sowie  auch  die 
Reihenfolge  der  Bearbeitung  anheimgestellt  wurde.  So  findet 
sich  bei  einem  andern  die  Aufgabe  verzeichnet: 

Die   Bevolkerung   eines   Landes   nimmt   jslhrlich   um    172 
Prozent  zu.    In  wieviel  Jahren  wird  sie  um  die  Halfte  grGsser 
geworden  sein? 
und  wieder  bei  einem  anderen: 

Zu  beweisen,  dass  die  Wurflinie  im  luftleeren  Raume  eine 
Parabel  ist. 

Am  Nachmittage  desselben  Tages  von  4 — 8  Uhr  (!)  musste 
einer  der  Pruflinge  (Riese)  noch  eine  hebr&ische  Arbeit  an- 
fertigen.  Er  hatte  von  Samuelis  I,  4,  1—10  eine  deutsche  Ober- 
setzung  und  einen  lateinischen  Kommentar  zu  liefern  und  ent- 
ledigte  sich  trotz  der  sechssttindigen  angestrengten  Vormittags- 
arbeit  dieser  neuen  schweren  und  langwierigen  Aufgabe  mit 
solchem  Erfolge,  dass  der  Subkonrektor  Holscher  dieser  Arbeit 
das  Pradikat  „ausgezeichneta  zuerkennen  konnte.  —  Man  kann 
sich  angesichts  solcher  Leistungen  des  niederschlagenden  Ein- 
drucks  nicht  erwehren,  dass  die  damaligen  Menschen,  junge  und 
alte,  tiber  weit  mehr  Nervenkraft  als  wir  heutigen  verfiigten. 

Ganz  denselben  Eindruck  empfangt  man  aber,  wenn  man 
das  Protokoll  der  mundlichen  Prtifung  —  rich  tiger:  des  z  weit  en 
Teiles  der  Prtifung  —  durchliest.  Eine  Befreiung  von  dieser 
Prtifung  oder  von  Teilen  derselben  gab  es  nicht. 

Am  18.  Marz  um  9  Uhr  morgens  versammelten  sich  die 
Mitglieder  der  Kommission  und  die  Abiturienten.  Das  Gesch&ft 
begann  mit  einer  vom  Direktor  Mtiller  abgehaltenen  Priifung 
in  der  Religionslehre,  die  von  9,10  bis  10,10  wahrte,  sodass  auf 
jeden  der  6  Priiflinge  etwa  10  Minuten  kamen.  Darauf  wurde 
bis  10,30  nach  dem  Diktate  des  Rektors  Siedhoff  ein  latei- 
nisches  Extemporale  geschrieben,  und  hierauf  bis  11,30 Horaz, 
Epod.  2  (Beatus  ille  qui  procul  negotiis)  tibersetzt.  An  die 
tJbersetzung  schlossen  sich  Fragen  und  Antworten  in  latei- 
nischer  Sprache  tiber  Inhalt  des  Gelesenen,  Metrum,  dichte- 
rischen  Sprachgebrauch,  „h6here  Grammatika  und  Alterttimer. 
Nunmehr  wurden  die  Abiturienten  auf  kurze  Zeit  entlassen,  und 


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die  Urteile  fiber  die  bewiesenen  Religionskenntnisse  und  ttber 
die  Leistungen  in  der  Horazlekttire  festgestellt.  Um  11,45  folgte 
die  Priifung  in  der  lateinischen  Prosalektiire,  die  bis  12,55 
dauerte.  Vorgelegt  wurde  Cicero,  Tusc,  5,  c.  1  u.  2.  Die  an  die 
Obersetzung  sich  anschliessenden  Fragen  und  Antworten  ge- 
schahen  auch  hier  in  lateinischer  Sprache  und  bezogen 
sich  auf  den  Sinn  der  einzelnen  Paragraphen,  den  die  Schuler 
in  andern  Ausdriicken  wiederzugeben  hatten,  sowie  auf 
Geschichte  und  hfthere  Grammatik. 

Darauf  trat  eine  Mittagspause  ein,  nach  der  die  Prtifuiig 
um  3  Uhr  ihren  Fortgang  nahm.  Man  ging  zum  Griechischen 
fiber,  liess  eine  Stelle  aus  dem  9ten  Buche  der  Ilias  (v.  225, 
sqq.)  und  hierauf  einige  Kapitel  (1—4)  aus  dem  2ten  Buche  des 
Herodot  tibersetzen.  Fragen  und  Antworten  zur  Formlehre 
und  Syntax  erfolgten  in  deutscher  Sprache.  Um  5  Uhr  10 
wurde  eine  viertelstundige  Pause  gewahrt,  die  zur  Feststellung 
des  Ergebnisses  benutzt  wurde.  Es  folgte  dann  um  5,25  franzo- 
sische  Poesie,  um  5,55  franz6sische  Prosa.  Die  nach  der  ttber- 
setzung  an  die  Schtiler  gerichteten  Fragen  galten  der  sprach- 
lichen  und  sachlichen  Erkl&rung,  wurden  franzSsisch  gestellt 
und  mussten  franzosisch  beantwortet  werden.  Das  Gleiche 
gilt  fur  eine  sich  anschliessende  Priifung  in  der  franz5sischen 
Litteratur.  Um  6,30  wurden  endlich  die  Abiturienten  fur  diesen 
Tag  entlassen. 

Die  Fortsetzung  begann  fur  sie  am  19.  Marz  um  9  Uhr 
morgens.  Zunachst  wurde  Riese  im  Hebraischen  gepriift,  dann 
samtliche  Abiturienten  in  deutscher  Grammatik  und  Stilistik, 
deutscher  Litteratur,  griechischer  und  romischer  Litte- 
ratur, hierauf  nach  einer  kurzen  Pause  in  der  Mathematik 
(10,45—12,5)  und  in  der  alten  Geschichte  (12,10—1,5).  Die 
Priifung  begann  von  neuem  um  3  Uhr  nachmittags  und  er- 
streckte  sich  nun  auf  Mythologie  und  Altertiimer,  mittlere  und 
neuere  Geschichte  und  Geographic  Damit  hatte  sie  wirklich 
ihr  Ende  erreicht;  der  Zeitpunkt  des  Schlusses  wird  im  Proto- 
koll  nicht  angegeben. 

Die  Kommission  aber  hatte  noch  ein  wichtiges  Geschaft 
zu  erledigen.  Es  wurden  nun  n&mlich  die  schrift lichen 
Arbeiten,  die  allerdings  bereits  bei  alien  Mitgliedern  der 
Kommission  umgelaufen  waren,  und  die  sonst  erforderlichen 


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Papiere  (wohl  namentlich  die  bisherigen  Schulzeugnisse)  vor- 
gelegt,  die  Beschaffenheit  derselben  mit  den  Ergebnissen  der 
mtindlichen  Priifung  zusammengehalten,  und  danacb  sowie 
nach  den  Zeugnissen  der  Lehrer  „von  dem  ganzen  wissen- 
schaftlichen  Standpunkte"  der  Gepriiften  die  Urteile  tiber  den 
Grad  der  Reife  eines  jeden  Abiturienten  in  den  einzelnen 
F&chern  festgestellt  und  in  Zahlen  zum  Ausdruck  gebracht. 
Jedem  dieser  Urteile  ist  in  den  Protokollen  eine  ausftihrliche 
Begrtindung  beigegeben.  Alsdann  schritt  man  dazu,  auf  Grund 
dieser  die  einzelnen  Facher  betreffenden  Urteile  jedem  Abi- 
turienten einen  bestimmten  Grad  der  Reife  im  allgemeinen  zu- 
zuerkennen.  Alle  sechs  erhielten  nur  den  zweiten  Grad,  einer 
allerdings  (Riese)  „mit  Auszeichnung".  In  den  Maturitats- 
zeugnissen,  die  biernach  abgefasst  wurden,  sind  die  Pradikate 
in  den  einzelnen  Fachern  weniger  ausfiihrlich  begrtindet  als  in 
dem  iiber  die  Verhandlung  nach  der  mtindlichen  Priifung  auf- 
genoramenen  Protokoll.  Die  Zeugnisse  zirkulierten  im  Entwurfe 
bei  samtlichen  Mitgliedern  der  Kommission,  und  der  Kanzlei- 
direktor  Brandis  fand  an  der  Fassung  einiges  auszusetzen.  Es  er- 
schien  ihm  insbesondere  „hart  ftir  die  Abiturienten,  wenn  in 
den  den  beschlossenen  Pradikaten  beigeftigten  n&heren  Charakte- 
risierungen  das  Gute  zum  Teil  wieder  aufgehoben  werde,  was 
ihnen  in  den  Pradikaten  gegeben  seia.  Der  Generalsuperinten- 
dent  Mtiller  war  der  Ansicht,  dass  „die  Bedenklichkeiten  des 
Herrn  Kanzleidirektors  durch  einige  Weglassungen  in  der  Rein- 
schrift  leicht  gehoben  werden  kftnnten",  und  die  andern  Mit- 
glieder  der  Kommission  pflichteten  ihm  s&mtlich  bei.  Nach  Aus- 
fertigung  der  Reinschriften  aber  wurde  das  gesamte  Material  — 
Antr&ge  und  Schulzeugnisse  der  Prtif  linge,  schriftliche  Arbeiten, 
Protokoll  tiber  die  mtindliche  Priifung,  Reifezeugnisse  in  Ab- 
schrift  und  eine  Ubersicht  tiber  die  Verh^ltnisse  der  Gepriiften 
—  dem  Oberschulkollegium  in  Hannover  eingesandt,  von  wo 
es  dann  mit  einem  „Reskripta  (das  sich  nicht  mehr  bei  den 
Akten  der  Anstalt  befindet)  im  Januar  1837  hierher  zurtick- 
gelangte. 

Man  ersieht  aus  diesem  knappen  Berichte  mit  voller  Deut- 
lichkeit  die  wahrlich  nicht  geringen  Anforderungen  und  Zu- 
mutungen,  die  durch  die  Hann5versche  Verordnimg  vom  11. 
September  1829  und  durch  die  „Instruktiona  vom  30.  November 


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1829  ftir  die  Reifepriifung  vorgeschrieben  waren.  Diese  Be* 
stimmungen  haben  freilich  im  Laufe  der  Zeit  wiederholte  Ab- 
anderungen  erfahren.  So  wurde  die  Priifung  durch  eine  neue 
Instruktion  vom  22.  Mai  1839  wesentlich  vereinfacht  und  er- 
leichtert.  Von  1846 — 1849  war  die  Priifung  im  Griechischen 
nur  ftir  Theologen  und  Philologen  (nicht  auch  fQr  Juristen) 
verbindlich. 

Ich  mache  zum  Schluss  aus  diesen  Akten  noch  einige  inir 
ftir  Jhering  charakteristisch  erscheinende  Mitteilungen.  Seine 
lateinische  mit  einem  curriculum  vitae  verbundene  Meldung 
lautet  folgendermassen  : 

Viri  amplissimi  summeque  colendi! 

Exoptans  proficisci  in  academiam  Vos,  quorum  est 
diiudicare,  num  quis  idoneus  sit,  qui  scholam  relinquat,  oro 
rogoque,  ut  eadem  humanitate  et  dementia,  quam  in  omnes 
semper  discipulos  praebuistis,  etiam  me  velitis  afficere.  Op- 
time  enim  mihi  conscius  sum,  nisi  accedente  ad  meam  litte- 
rarum  scientiam  vestra  lenitate,  voti  illius  me  compotem  non 
esse  futurum. 

Natus  autem  sum  Auricae  anno  MDCCCXVHI  XI  ante 
Calendas  Septembres.  Mortuo  post  nonnullos  annos  patre,  qui 
causarum  actor  et  doctor  iuris  erat,  puer  novem  annorum  in 
hoc  gymnasium  receptus  et  post  sex  annos  et  dimidium,  quo 
quidem  tempore  Helling,  Holscher,  Bienhoff,  Ude,  Reiners, 
Liidecke,  Hartmann,  Reuter,  Siedhoff  praeceptores  habui,  primo 
ordini  adscriptus  sum,  in  quo  duos  annos  nunc  exacturus  sum. 

Per  totum  vitae  tempus  domi  apud  matrem  fui,  exceptis 
tantum  uno  anno  et  tres1)  mensibus,  cum  Siedhoffii,  rectoris 
optime   de   me   meriti,    disciplinae   a   matre  traditus   essem.2) 

Grammaticis  usus  sum :  Broedero  et  Zumptio ;  Buttmannio 
et  Rostio;  Meidingero  et  Hirzelio. 

Legi  autem  in  scola(sicl):  Eutropium,  Nepotem,  Phaedrum, 
Caesaris  bellum  civile,  Virgilii  Georgica  et  quatuor  Aeneidis 
libros,  Horatii  epistolas  et  carmina,  Livii  tres  libros,  Ciceronis 
orationes,     Taciti    Germaniam    et    tres    libros    Annalium    — 

l)  Ei!  Ei! 

■)  Sollte  die  Frau  Mutter  wohl  erkannt  haben,  dass  der  Knabe 
Rudolf  einer  strengeren  und  wirksameren  ,disciplinaK  als  der  ihrigen 
bedurfte  ? 


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Odysseam  et  Iliadem  non  totam,  Xenophontis  Anabasim 
et  Cyropaediam,  Plutarchi  Alexandrum,  Platonis  Apologiam 
Socratis,  Sophoclis  Aiacem  et  Philoctetem,  Thucydidis  et 
Herodoti  primum  librum  non  totum. 

Domi  autem  legi:  Tusculanarum  primum  librum,  nonnulla 
ex  Ovidii  et  Tibulli  operibus,  quatuor  Odysseae  libros. 

In  iuris  scientia  studium  ponere  induxi  in  animum. 

C.  Rudolphus  Jhering. 

Die  dieser  Meldung  beigefiigten  Schulzeugnisse  aus  Jherings 
Primanerzeit  weisen  durchweg  einen  Tadel  im  Betragen  auf: 
J.  ist  zum  Plaudern  und  Vorsagen  geneigt  und  stort  dadurch 
namentlich  in  den  franzosischen  und  Geschichtsstunden.  Im 
Deutschen,  Lateinischen,  Griechischen  erhalt  er  schon  in  dem 
Zeugnisse  ftir  das  Winterhalbjahr  1834/35  eine  1,  in  der  Mathe- 
matik  eine  2  (=  gut),  obwohl  Fleiss  und  Aufmerksamkeit  nicht 
gerade  hervorragend  waren.  Die  Handschrift,  die  ja  nicht  eben 
schon,  aber  doch  bereits  fest  und  ausdrucksvoll  ist,  wird  immer 
nur  als  „mittelmassigu  (4)  bezeichnet.  Der  Schulbesuch  war 
zuweilen  „durch  Krankheit  unterbrochen",  und  trotz  des  kurzen 
Schulweges  finden  sich  auch  Verspatungen  verzeichnet. 

Das  nach  der  mundlichen  Prtifung  festgestellte  Urteil  tiber 
den  Grad  seiner  Reife  in  den  einzelnen  F&chern  hat  folgenden 
Wortlaut : 

1.  Im  Lateinischen 
bewies  derselbe  die  Fahigkeit,  die  vorgelegten  Stellen  aus  Horaz 
und  Cicero  selbststandig  zu  verstehen,  den  Ideengang  zu  be- 
stimmen,  auch  bei  der  Erklarung  die  notigen  Kenntnisse  von 
der  hohern  Grammatik,  sowie  die  erforderlichen  Notizen  tiber 
geschichtliche,  geographische,  litterarische,  mythologische  Gegen- 
stande  beizubringen.  Er  sprach  mit  Gewandtheit  und 
Fertigkeit,  skandirte  richtig  und  las  prosodisch  richtig. 
Sein  freier  Aufsatz  zeigt,  bei  Mangeln  in  der  Ausftihrung, 
Fertigkeit  in  Wendungen  und  in  Periodenbau  und  einen 
schon  merklich  ausgebildeten  Sinn  ftir  echte  Latini- 
t&t,  auch  grammatische  Sicherheit. 

Seine  Gesamtleistungen  erhalten  das  Pradikat  erster 
Klasse,  sehr  gut. 


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2.  Im  Griechischen: 

zeigte  er  geniigende  Bekanntscbaft  mit  der  Formenlehre  und 
der  Syntax;  ferner  die  F&higkeit,  den  Homer  und  Herodot 
mit  Leichtigkeit  zu  verstehen.  Seine  schriftliche 
ttbersetzung  und  Commentar  zum  Sophokles  war 
unter  den  von  den  Abiturienten  gelieferten  der 
vollstandigste  und  beste,  und  mit  dem  ersten  Pradikat 
bezeichnet.    Allgemeine  Klasse:  die  zweite,  recht  gut. 

3.  Im  Deutschen: 

hatte  er  geniigende  Kenntnisse  von  der  Grammatik  und  dem 
Styl,  auch  von  den  Hauptepochen  der  deutschen  Litteratur; 
er  redete  zusammenhangend  und  ungezwungen;  sein 
schriftlicber  Aufsatz  war,  ungeacbtet  einiger  sprachlichen  und 
orthographischen  Mangel,  da  er  doch  Gewandtheit  und 
Mannigfaltigkeit  im  Ausdruck  beweist,  ftir  das  erste 
Pradikat  geeignet  befunden. 

Seinen  Gesamtleistungen  im  Deutschen  wurde  die  zweite 
Klasse  (gut)  bewilligt. 

4.  In  der  Geschichte: 

zeigte  er  genauere  Kenntnis  der  aiteren  Geschichte,  der  Alter- 
tiimer  und  der  mittleren  Geschichte,  geniigende  Bekanntschaft 
mit  der  neuen  Geschichte  und  Geographie,  sowie  mit  den 
Hauptsachen  der  Litteraturgeschichte ;  ferner  genauere  Kennt- 
nis der  vaterl&ndischen  Geschichte.  Seine  schriftlichen  Auf- 
satze  geniigten  im  Allgemeinen  dem  Pradikat  N.  2. 

Seine  Gesamtleistungen  wurden  ebenfalls  mit  dem  zweiten 
Pradikat,  gut,  bezeichnet. 

5.  In  der  Mathematik: 

bewies  Jhering  hinreichende  Kenntnisse  der  Arithmetik,  Algebra, 
Geometrie  und  Trigonometrie.  Seine  schriftlichen  Ar- 
beiten  zeichnen  sich,  so  unangenehm  auch  die  Un- 
ordnung  der  Gedanken  in  denselben  auff&llt,  durch 
eine  grosse  Beweglichkeit  der  Gedanken  und  ein 
gutes  VermSgen  zum  Combinieren  aus  und  sind  mit 
dem  zweiten  Pradikat  bezeichnet.  Allgemeines  Urteil:  zweites 
Pradikat,  gut. 


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6.  Im  Franzosischen: 

verstand  er  den  Dichter  hinlanglich,  den  Prosaiker  vollig  ge- 
niigend,  zeigte  einige  Fertigkeit  im  mundlichen  Ausdruck,  seine 
Aussprache  war  gut,  auch  seine  Bekanntschaft  mit  den  vor- 
ziiglichsten  Schriftstellern.  Seine  schriftliche  Obersetzung  war 
frei  von  grammatischen  Fehlern. 

Seine  Leistungen  erhielten  im  Allgemeinen  das   zweite 
Pradikat,  gut. 

7.  In  der  Physik: 

konnte  er  die  Hauptgesetze  der  Phanomene  der  Korperwelt  ge- 
ntigend  erklaren. 

Seine  Gesammtleistungen  hierin  wurden  mit  dem  zweiten 
Pradikat,  gut,  bezeichnet. 


Als  hier  2l/2  Jahre  spater  Friedrich  Theodor  Frerichs 
—  geboren  am  24.  Marz  1819,  Sohn  eines  Gastwirts  zu  Aurich  — 
sich  der  Reifeprufung  unterzog,  war  als  Koniglicher  Kommissar 
an  die  Stelle  des  Kanzleidirektors  Brandis  der  Justizrat  von 
der  Osten  getreten,  und  ausser  diesem  gehorte  nur  noch  ein 
Kommissionsmitglied,  der  Landsyndikus  Telting,  nicht  dem 
Lehrerkollegium  an. 

Aus  der  von  Frerichs  eingereichten  Lebensbeschreibung 
geht  hervor,  dass  er  Michaelis  1829  in  die  Quinta,  d.  h.  die 
letzte  Klasse,  des  hiesigen  Gymnasiums  aufgenommen  wurde 
und  in  dieser  Klasse  nur  lx/2  Jahre  —  nicht,  wie  die  Regel 
war,  2  Jahre  —  zugebracht  hat.  Mit  lx/2  Jahren  wird  er 
auch  aus  der  Sekunda  versetzt  und  besteht  nach  zweijahrigem 
Aufenthalt  in  der  Prima  die  Reifeprufung  mit  wahrhaft  glanzen- 
dem  Erfolge.  Immerhin  hatte  er  9  Jahre  gebraucht,  um  den  Weg 
von  der  Quinta  bis  zur  Universitatsreife  zuruckzulegen,  wahrend 
Jhering  in  81/2  Jahren  zu  diesem  Ziele  gelangt  war.  Frerichs 
schliesst  seine  etwas  iiberschwenglich  gehaltene  Meldung  mit 
den  Worten:  Jam  diu  statutum  habeo  cum  animo  ac  deli- 
beratum  in  arte  medica  cognoscenda  omnem  operam  et  tempus 
collocare  et  ob  earn  causam  Goettingam  proficiscar.  Die 
schriftliche  Prufung  begann  am  20.  August,  die  miindliche  fand 
am   20.  und  21.  September  statt.     Ein  Reifezeugnis,   wie   es 

Jahrbach  der  Gesellsch.  f.  b.  E.  u.  rated.  Altertftmer  za  Ecoden,  Bd.  XV.  22 


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Frerichs  zuteil  wurde,  ist  mir  in  meiner  doch  auch  schon  lang- 
jahrigen  Praxis  noch  nicht  vor  Augen  gekommen:  Betragen 
gegen  Mitschuler:  sehr  gut  (lb)  —  gegen  Vorgesetzte:  vorzug- 
lich  gut  (la).  Aufmerksamkeit  und  Fleiss:  vorziiglich.  Kennt- 
nisse  und  Leistungen  in  alien  F&chern  bis  auf  Physik  sehr 
gut  und  in  der  Physik  vorziiglich.  Allerdings  war  Frerichs 
zu  der  Zeit,  als  er  sich  dieses  Zeugnis  erwarb,  2  Jahre  alter 
als  der  Abiturient  Jhering  Ostern  1836. 


Ich  breche  hier  diese  Mitteilungen  ab,  indem  ich  mir  die 
Veroffentlichung  weiterer  kleiner  Beitrage  zur  Geschichte  der 
Anstalt  im  neunzehnten  Jahrhundert  fur  die  Zukunft 
vorbehalte. 

Herrn  Archivrat  Dr.  Wachter  spreche  ich  fur  die  freund- 
liche  Hilfe,  die  er  mir  bei  der  Benutzung  der  Urkunden  des 
hiesigen  Koniglichen  Staatsarchivs  geleistet  hat,  herzlichen 
Dank  aus. 

Aurich.  Dr.  H.  v.  Kleist. 


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Die  Quellen  der  „Rerom  Frisiearum  Historia" 
des  Ubbo  Emmius. 

Von  Dr.  Heinrich  Reimers  in  Aurich. 
(Fortsetzung.) *) 


VII.  Chroniken  aus  Groningen  und  den  Ommelanden. 

§  1.    Die  Chronik  von  Wittewierum. 
(Emo  und  Menco). 

Die  alteste  unter  den  einheiraischen  Chroniken,  welche 
Emmius  zu  Gebote  standen,  war  diejenige  des  Pramonstratenser- 
klosters  Floridus  Hortus  in  Wittewierum.  Begonnen  von  Emo, 
dem  ersten  Abte  dieses  Klosters,  enthalt  sie  die  gleichzeitigen 
Aufzeichnungen  desselben  von  1204  bis  zum  Jahre  1234.  Emos 
zweiter  Nachfolger  Menco  hat  das  Werk  dann  fur  die  Jahre 
1237 — 72  fortgesetzt,  und  diesem  reiht  sich  wiederum  ein  un- 
genannter  Fortsetzer  mit  Nachrichten  aus  den  Jahren  1276 — 96 
an.  Die  Chronik  bildet  mit  einem  grossen  Teile  der  von  ihr  be- 
richteten  Ereignisse  die  einzige  Quelle  fur  diese  sonst  mit  ge- 
schichtlichen  Nachrichten  SLusserst  diirftig  ausgestattete  Zeit. 
So  ist  denn  auch  Emo  fur  den  von  ihm  beschriebenen  Zeitraum 
fast  Emmius1  einzige  Quelle2).    Bei  guter  Ausnutzung  des  von 


l)  vgl.  Heft  1  (1903)  S.  1  ff. 

*)  Ueber  die  Glaubwiirdigkeit  Emos  vgl.  J.Gelhorn,  Die  Chronik  Emos 
und  Mencos  von  Floridus  hortus,  Gottingen  1873,  p.  78:  „Im  ganzen  sind 
Emos  Nachrichten,  sowohl  uber  Ereignisse,  die  sich  in  seiner  Nahe,  als 
uber  solche,  die  jenseits  der  Grenzen  seines  Gesichtskreises  sich  zutragen, 
wahrheitsgetreu,  ohne  Uebertreibung,  einfach,  genau",  etc.    Das  Urteil  uber 

22* 


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—    334    — 

Emo  gebotenen  Materials  ubernimmt  er  seine  Nachrichten  fiber- 
all  da,  wo  ihm  kein  Parallelbericht  zur  Vergleichung  vorlag, 
unmittelbar,  und  zwar  sot  dass  er  sie  dem  speziellen  Zweck 
seines  Werkes  entsprechend  bald  kiirzend,  bald  erweiternd, 
umgestaltet3).  Emmius4)  spricht  sich  tiber  sein  Verh&ltnis  zu 
Emo  aus  in  den  Worten:  „Emoy  primus  Werumani  coenobH 
antistes,  cui  plurimum  tribuo,  homo  illorum  temporum  aequdlis". 
Die  von  Emmius  tibernommenen  Nachrichten  lassen  sich  nach 
4  Gesichtspunkten  anordnen:  Ueberflutungen  und  sonstige  ele- 
mentare  Ereignisset  innere  Unruhen  in  Friesland,  Klosterereignisse 
und  andere  kirchliche  Nachrichten  und  endlich  die  Teilnahme 
der  Friesen  an  den  Kreuzztigen  jener  Zeit. 

Wenn  Mohlmann5)  einmal  tiber  Emmius  bemerkt:  „auch 
zeigt  die  Vergleichung  mit  seinen  Quellen,  namentlich  auch  mit 
den  aus  Emo  und  Menco  tibernommenen  Nachrichten,  dass  ein 
poetischer  Anflug  ihn  nie  verlassta,  so  wird  er  dabei  besonders 
an  die  Darstellung  der  grossen  Wasserfluten  durch  Emmius  ge- 


die  Zuverlassigkeit  Mencos  fallt  bei  ihm  weniger  gunstig  aus.  Die  in 
dieser  Beziehung  besonders  wegen  seiner  kirchlichen  Parteinahme  gegen 
die  Hohenstaufen  von  Gelhorn  gegen  Menco  erhobenen  Vorwttrfe  wider- 
legt  Wybrands:  „De  abdij  Bloemhof  te  Wittewierum  in  de  13*©  eeuw' 
(Amsterdam  1883)  p.  191  ff.  Dieser  fasst  sein  Urteil  fiber  Menco  zusammen 
in  die  Worte:  „Hij  is  een  eerlijk  waarheidlievend  schrijver;  alleen  om- 
trent  de  buitenlandsche  gebeurtenissen  die  hij  mededeelt,  was  hij  niet  al- 
tijt  juist  ingelicht;  ook  ontbreekt  het  hem  aan  nauwkeurigheit,  voor- 
namelijk  in  de  chronologic a  etc. 

8)  Matthaeus  bemerkt  in  der  Dedikation  zur  Ausgabe  der  Chronik 
(Vet.  aev.  an.,  Bd.  II  7*®  Seite):  „Usus  magno  cum  fructu  eius  modi  monumen- 
tis  et  8peciatim  his  chronicis,  cum  historiam  olim  conderet,  dodissimus  Ulbo 
Emmius,  ut  non  semel  fatetur  ipse".  Wybrands  (De  Abdij  Bloemhof  etc 
p.  179)  charakterisiert  das  Verhaltnis  des  Emmius  zu  den  Chroniken  mit 
den  Worten:  .  .  .  „Ubbo  Emmius ,  uit  witns  historischen  arbeid  blijkt,  dot  hij 
onze  kronieken  met  ijver  heeft  bestudeert,  en  ivien  ook  nog  in  onzen  tijd  hulde 
toekomt  voor  de  voortrefflijke  wijze,  waarop  hij  ook  van  den  inhoud  onzer  kro- 
nieken voor  zijne  studien  partij  heeft  getrokkena.  .  .  —  Wie  sorgfaltig  Emmius 
die  Chronik  durchgearbeitet  hat,  beweist  u.  a.  der  auf  der  Groninger 
Universitatsbibliothek  aufbewahrte  Codex  (Manuscr.  No.  16),  wahrschein- 
lich  das  Wittewierumer  Original  selbst.  Dort  finden  sich  fast  auf  jeder  Seite 
als  Randbemerkungen  kurze  Inhaltsangaben  von  Emmius'  eigener  Hand. 

*)  Em.  hist.  p.  137;  ausserdem  noch  zitiert  p.  131,  132,  133,  141, 
sowie  p.  118  u.  129  als  „ annates". 

8)  Kritik  p.  127. 


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—    335     — 

dacht  haben.  Hier  zeigt  er  deutlich  das  Bestreben,  die  kurzen 
Angaben  des  Chronisten  in  lebendiger  Schilderung  auszugestalten, 
obgleich  er  sich  dabei  sachlich  durchaus  an  seine  Vorlage 
halt  und  sich  wohl  hiitet,  einen  fremden  Zug  in  die  Darstellung 
hineinzutragen.  Eine  Gegenttberstellung  mit  seiner  Quelle  fiir  die 
Berichte  iiber  die  Marcellusflut  von  1219  und  die  des  folgenden 
Jahres  mag  Emmius1  Verfahren  in  dieser  Sache  zeigen  und  zu- 
gleich  rechtfertigen: 

Emo  p.  488.1)  Emmius  p.  128. 

.  .  .  „die  inquam  Ianuarii  XVI,  cum  „Deinde  .  .  .  ad  diem  XVII.  Calend. 

aliquot  diebus  precedenttbus  spirasset  Februarii  (is  XVI.  Januarii  MarceUo 

affricus,  sed  non  immoderate,  die  prae-  sacer  est)  cum  aliquot  diebus  continuis 

fata  plus  solito  invaluit  a  mane  usque  velut  a    fundo    commovendo   Oceano 

ad  vesperam".  spirasset    Africus    eoque    ipso    quern 

dixi  die  non  multo  post  ortum  solis, 

levante  se  turn  super  horizontem  luna,  insurrexisset  vehementius"  etc. 

Etno  p.  495.  Emmius  p.  129. 

„Anno  conversionis  eius  XII .  .  .  facta  .  .  .  „ecce  ad  initium  anni  sequentis 

est  horrenda  maris  diruptio  et  multis  circiter  Epiphaniae  eluvies  aquarum 

metuenda  in  horrore  crepusculi.    Sed  alia  supervenit  non  minore  vi,  quam 

quamvis  in  multa  profunditate  estua-  prior,  sed  minore  hominum  et  animan- 

verity  non  tamen  equo  molimine  dele-  tium  strage.      Quippe  pecudes  adhuc 

vit  homines  ut  antea,  quia  terminos  rarae   in    omni    regione    et    homines 

maris   nondum    occupare    ausi    sunt  cautiores    malo  priore,    ut   dioci,   ad 

ut  olimu.  editiora  se  suaque  transtulcrant" . 

In  fthnlicher  Weise  sucht  Emmius  auch  die  oft  recht 
knappen  Angaben  Emos  uber  die  inneren  Streitigkeiten  jener 
Zeit  in  Friesland  auszugestalten,  oder  soweit  dies  auf  Grund 
der  Andeutungen  Emos  moglich  ist,  verstandlich  zu  machen. 
Emmius  beklagt  sich  uber  die  Ktirze,  mit  der  Emo  diese  Dinge 
behandelt,  bei  dem  durch  einen  gewissen  Rodbernuss  im  Jahre 
1214  hervorgerufenen  Wirren,  er  sagt:  „De  quo  mirum,  quam 
parce  ac  jejune  annates  loquantur,  non  causis,  non  progressu,  non 
exitu  memorato.  Qualia  fere  sunt,  quae  a  monachis  de  rebus  poli- 
ticis  annotantur* .  Er  giebt  dann  den  Bericht  des  Chronisten  in 
erweiterter  Form: 

Emo  p.  495.  Emmius  p.  118. 

„Hic  est  annus  Septimus  ab  incursu  „Tantum  recensent  [sc.  annales]  Rod- 

Orientalium  Frisonum  in  Fivelgoniam  bernum  quendam  potentem  hominem 


l)  ed.  Weiland,  Mon.  Germ.  SS,  XXHI. 


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—     336    — 

in   die  beati  Laurentii  contra  Hrod-  in  Fivelingiis  inimicitias  hostile*  exer- 

bernum  et  generum  suum  et  ceteros  cuisse  cum  iis,  qui  ad  orientem  sunt 

parentes,   quorum   domus   incineratae  Amaso  flumini,  nixumque  esse  propin- 

sunt  et  consulum  terre  ex  parte.     Con-  quorum  opibus  ac  gratia  et  in  parti- 

tremuit    tota    terra   propter    iuratos,  bus    habuisse    eius   agri    magistratus 

quo8  universitas   Frisonum   de   more  plerosque:  ea  de  causa  orientates  ma- 

vetustissimo  creaverat  apud  Vpstelles-  nu  facta   repente  in   Fivclingios  in- 

bome".  gruisse  aut  injurias  aut  contumaciam 

Rodberni  vindicaturos,  ipsoque  et  amicis  di/fugientibus,  domum  eius  et  generi  et 
cognatorum  incendio  dedisse:  inde  in  magistratuum  plerorumque  aedes  similiter  im- 
petum  fectise,  iisque  ignem  etiam  ivjecissef  attonito  et  se  non  movente  reliquo  po- 
pulo:  idque  factum  reverentia  judicum  juratorum  ad  Ubstallesbomum.  Quod  mihi 
suspicandi  occasionem  suggerit,  hanc  orientalium  manum  auspiciis  horum  judicum 
contumaciam  aliquant  Rodberni  non  parentis  judicato  ultum  venisse,  et  hoc  quoque 
in  magiatratibus  .  .  .  esse  pcrsecutam". 

Man  kann  die  Auffassung  von  Emmius  gewagt  oder  mit 
Mfthlmann  „poetischa  finden,  jedenfalls  aber  zeigt  dies  Beispiel, 
wie  er  den  zusammenhangslos  neben  einander  stehenden  Notizen 
des  Chronisten,  in  feinsinniger  Ausnutzung  der  gegebenen  Mo- 
mente,  eine  Gedankenverbindung  abzugewinnen  weiss,  die  den 
Vorzug  der  inneren  Wahrscheinlichkeit  unstreitig  besitzt.  Etwas 
mehr  referierend  verfahrt  Emmius  bei  den  anderen  auf  gleicher 
Linie  liegenden  Berichten,  obwohl  er  es  auch  da  an  Ausmalung 
im  einzelnen  nicht  fehlen  lasst.  Hierher  gehoren  etwa  die 
Streitigkeiten  zwischen  Fivelgo  und  Hunesgo  im  Jahre  1222 
welche  sich  an  den  Namen  des  Eppo  Rembada  ankniipfen 
(Emo  p.  496,  Emmius  p.  129),  die  Streitigkeiten  zwischen  Nor- 
dern  und  Brokmerlandern  in  demselben  Jahre  (Emo  p.  517, 
Emmius  p.  130),  die  Ermordung  von  drei  Priestern  im  Jahre 
1227  (Emo  p.  511,  Emmius  p.  135) x)  u.  a.  Wo  ihm  ausser 
Emo  noch  andere  Berichte  vorlagen,  benutzt  er  diese  womog- 
lich  zur  Erweiterung  seiner  Angaben  und  stellt  notigenfalls  die 
widersprechenden  Berichte  nebeneinander.  Es  ist  dies  der  Fall , 
wie  den  auf  die  Ermordung  des  Bischofs  Otto  von  Utrecht  in 
Friesland  folgenden  Ereignissen;   hier   besass  Emmius  (p.  137) 


*)  Hier  tragt  Emmius  einen  fremden  Gedanken  hinein,  wenn  er  von 
den  Ermordeten  sagt:  ^hominum  scilicet  in  cauponis  magis,  quam  in  templis 
frequentium" .  Dies  entspricht  wohl  der  Beschreibung,  die  Emo  sonst  ge- 
legentlich  von  den  Priestern  seiner  Zeit  giebt,  bei  den  Ermordeten  aber 
enthalt  er  sich  nicht  nur  derartiger  Bemerkungen,  sondern  er  sagt  von 
dem  Subdiakon  Hecco  sogar:  Juvenis  satis  probus*. 


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—     337     — 

ausser  £mo  p.  512  die  Berichte  von  Worp  von  Thabor  (III,  28), 

welcher  hier  der  Klosterchronik  von  Mariengaard  folgt,1)  Beka 

(p.  141  ed.  Matthaeus)  und  dem  „Anonymus  de  rebus  Ultrajectinis" 

(cap.  22  ff.),  ahnlich  steht  es  bei  dem  Streite  der  Uthuser  und 

Ernerenser  (Em.  hist.  p.  139  ff.)  im  Jahre  1231,  wo  ihm  ausser 

Emo  p.  513  gleichfalls  noch  Groninger  Quellen  vorgelegen  haben. 

Dem  Charakter  seiner  Chronik  entsprechend  ist  Emo  bei 

den  Ereignissen,  welche  sein  Kloster  oder  auch  sonst  geistliche 

Dinge  betreffen,   weit  ausfuhrlicher,   so  dass  Emmius  sich  hier 

mehr  genotigt  sieht,   zu  kurzen,   da   die  langatmigen  Berichte 

des  Abtes  sich  einer  allgemein  gehaltenen  friesischen  Geschichte 

so  nicht  eingliedern  lassen.     Die  Stiftung  des  Klosters  Floridus 

hortus,  uber  welche  Emo  p.  465  ff.  eingehend  berichtet,  bemerkt 

Emmius  nur  ganz  kurz  auf  p.  114;   ebenso   kann   er  auf  die 

Streitigkeiten  Emos  mit  dem  Probst  von  Schiltwolde  und  dem 

Bischof  von  Munster,  welche  bei  Emo  einen  betrachtlichen  Teil 

des  ganzen  Werkes  einnehmen2),  nicht  im  Einzelnen  eingehen, 

wennschon   er   den  Verlauf  des  Streites,   als   einen  nicht  un- 

interessanten  Beitrag  zur  kirchlichen  wie  politischen  Geschichte 

jener  Zeit,  in  seinen  Hauptzugen  darstellt.    Die  zweimalige  An- 

wesenheit  des  Bischofs  von  Munster  in  Friesland3)  giebt  er  da- 

gegen  ohne  wesentliche  Kurzungen  wieder4),   wahrend   er   auf 

die   weiteren  Schicksale   des  Bischofs,  eines   geborenen  Grafen 

Isenburg,   und   die   damit   zusammenhangende  Ermordung  des 

Erzbischofs  Engelbert  von  Koln5)  nur  kurz  hinweist. 

Fur  die  vierte  Art  der  von  Emo  tiberlieferten  Nachrichten 
endlich,  fur  das,  was  er  uber  die  Teilnahme  der  Friesen  an  den 
Kreuzziigen  berichtet,  entspricht  seine  Ausfuhrlichkeit  durch- 
aus  auch  dem  Zwecke  der  Emmius'schen  Darstellung.  So  liegt 
es  denn  auch  nahe,  dass  Emmius  hier  seiner  Vorlage  mit  der 
grSssten  Genauigkeit  folgt.  Abt  Emo  hat  zwei  Kreuzfahrten 
seiner  Landsleute  erlebt,  in  den  Jahren  1217  und  1227.  Beide 
Male  predigte  vorher  der  Kolnische  Geistliche  Oliver,  der  spatere 


*)  Worp.  Ill,  28  =  Gesta  abbatum  orti  Sancte  Marie  ed.  Wy brands, 
Leeuwarden  1879,  vita  Sibrandi  cap.  VII— XI,  p.  155—160. 
*)  Emo  p.  500—508,  Emmius  p.  133. 
a)  Emo  p.  495  und  608. 
*)  Emmius  hist.  p.  129  und  133. 
8)  Emo  p.  509-511. 


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—     338     — 

Bischof  von  Paderborn,  in  Friesland  das  Kreuz.  Fur  "die  Dar- 
stellung  des  ersten  Zuges  stand  Emo,  neben  seiner  eigenen  Kunde 
uber  die  Vorbereitungen  zur  Fahrt,  das  Itinerarium  eines  der 
friesischen  Kreuzfahrer  zur  Verfiigung,  welches  die  Hinreise 
bis  zur  Ankunft  vor  Accon  beschreibt.  Emo  hat  dasselbe  im 
Wortlaute  seiner  Chronik  eingefugt1).  Emmius  schliesst  sich 
hier  durchaus  an  diese  schatzenswerten  Nachrichten  an.  Nach- 
dem  er2)  im  Anschluss  an  Emo3)  von  Olivers  Kreuzpredigt  ge- 
sprochen  hat,  l&sst  er4),  einige  notwendige  Kiirzungen  ab- 
gerechnet,  eine  recht  genaue  Wiedergabe  des  Itinerariums  folgen. 
Fiir  den  weiteren  Verlauf  des  Zuges  fehlt  es  Emo  an  genauerer 
Nachricht,  hier  findet  Emmius  dann  einen  zuverl&ssigen  Fuhrer 
an  eben  jenem  Kreuzprediger  Oliver,  der  als  Teilnehmer  des 
Zuges  die  Belagerung  und  Eroberung  von  Damiette  beschrieben 
hat  und  hier  der  Thaten  der  Friesen  in  ehrenvoller  Weise  ge- 
denkt5).  Beim  zweiten  Zuge  beschranken  sich  die  Nachrichten, 
welche  unserm  Chronisten  zuganglich  sind,  auf  die  Vorberei- 
tungen, an  denen  er  selbst  th&tigen  Anteil  genommen  hat,  sowie 
auf  die  Abreise6).  Auch  Emmius  ist  hier  lediglich  auf  diese 
Nachrichten  angewiesen,  die  er  in  getreuer  Wiedergabe  fur 
seine  Darstellung  verwertet7). 

Noch  ein  drittes  Mai  muss  der  Abt  von  Floridus  hortus 
von  einer  Kreuzfahrt  berichten.  Hier  handelt  es  sich  um  eine 
traurige  Karikatur  jener  von  frommem  Eifer  getragenen  Ztige 
ins  heilige  Land.  Als  es  im  Jahre  1234  den  Ranken  eines 
herrschsiichtigen  Kirchenfursten  gelungen  war,  die  p&pstliche 
Approbation  zu  einem  Afterkreuzzug  wider  ein  freies  Volk,  das 


1)  Emo  p.  478-483. 

2)  Emmius  hist.  p.  118. 
8)  Emo  p.  473. 

*)  Emmius  hist.  p.  118-121. 

5)  Historia  Damiatina  (Eccardi  corpus  hist,  medii  aevi  II);  Em.  hist, 
p.  121— 127  berichtet  im  Anschluss  an  cap.  8, 11  u.  14.  Ueber  das  Verhaltnis 
von  Em.  hist,  zu  Olivers  hist.  Damiatina  vgl.  Matthias  v.  Wicht  in  der 
Vorrede  zum  Ostfr.  Predigerdenkmal  von  Reershemius  (I.  Aufl.,  Aurich  1765) 
p.  13— 28;  ebendort  sind  auch  p.  24— 29  in  den  Anmerkungen  zur  Illustrierung 
der  Benutzung  Olivers  durch  Emmius  einige  charakteristische  Stellen  aus 
beiden  wiedergegeben. 

fl)  Emo  p.  499—500  u.  511. 

7)  Em.  hist.  p.  132  u.  135. 


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sich  seiner  weltlichen  Herrschaft  widersetzte,  zu  gewinnen,  da 
wagte  man  es  auch,  den  Friesen  zum  Zuge  gegen  ihre  Stammes- 
briider  die  Stedinger  das  „Kreuza  zu  predigen.  Die  Sendlinge  des 
Bremer  Erzbischofs  fanden  in  Friesland  die  ihnen  gebiihrende 
Nichtachtung;  Emo  selbst  erz&hlt  offenbar  nicht  ohne  Genug- 
thuung  von  ihrer  Aufnahme  und  ihrem  Misserfolge x).  Emmius 
schliesst  sich  hier  seinen  Darlegungen  an2),  wahrend  er  fair  die 
Ausfiihrung  und  den  Erfolg  des  Zuges  neben  dem  verhaltnis- 
m&ssig  kurzen  Berichte  Emos  die  Darstellung  bei  Krantz  zu 
Grunde  legt8). 

Die  Grunds&tze  fiir  die  Benutzung  der  Fortsetzung  der 
Wittewierumer  Chronik  durch  Menco  sind  bei  Emmius  wesent- 
lich  dieselben  wie  bei  dem  ersten  Teile.  Emmius  hebt  von 
Menco  riihmend  hervor:  ncui  multa  in  annalibus  annotata  debe- 
wu5tf.4)  Dass  er  die  ausfuhrliche  Lebensbeschreibung  Emos5) 
ebenso  wie  die  inneren  Vorg&nge  im  Kloster6)  unbeachtet  lasst, 
entspricht  der  Benutzungsweise,  die  wir  schon  bei  dem  ersten 
Teile  kennen  lernten.  Wo  er  derartige  Nachrichten  uberhaupt 
bringt,  ktirzt  er  bedeutend,  so  bei  dem  Berichte  iiber  die  Ein- 
weihung  der  Kirche  zu  Wittewierum7);  ebenso  verfahrt  er  auch 
bei  der  Flut  von  1248 8).  Im  tibrigen  aber  iibernimmt  er 
die  meisten  der  auf  einheimische  Verhaltnisse  gehenden  Nach- 
richten Mencos  ohne  Ab&nderungen,  so  u.  a.  die  Kreuzpredigt 
in  Friesland  durch  Wilibrand  und  Albert  von  Riga  (Menco  p.  540, 
Em.  hist.  p.  148),  die  Anteilnahme  der  Friesen  an  der  Belage- 
rung  von  Aachen  1248  (Menco  p.  541 — 542,  Em.  hist.  p.  148—49), 


x)  Emo  p.  515,  516.  „Usi  sunt  auctoritate  ligandi  et  solvendi  quasi  gladio 
in  manu  furentis." 

«)  Em.  hist.  p.  145. 

»)  vgl.  p.  37. 

*)  Em.  hist.  p.  164;  ausserdem  wird  Menco  erwahnt  p.  152  und  170; 
p.  154  beklagt  sich  Emmius,  ohne  ihn  zu  nennen,  ahnlich  wie  p.  118,  fiber 
Emo  wegen  der  Knappheit  seiner  Angaben  iiber  innere  politische  An- 
gelegenheiten:  „In  quo  rursum  queri  libet  de  annalium,  quos  monachi  condide- 
runt,  brevitate  praepostera,  tarn  concise,  tarn  obscure  ista  ad  posterorum  memoriam 
pertinentia  commemorantium". 


8)  Menco  p. 

523- 

-534. 

•)  Menco  p. 

534  ff . 

7)  Menco  p. 

547, 

Em. 

hist. 

P. 

164. 

8)  Menco  p. 

542, 

Em. 

hist. 

P. 

160. 

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—    340     — 

Aufenthalt  und  Wirksamkeit  des  Kreuzpredigers  Gerhard  in 
Norden  1267  (Menco  p.  554,  Em.  hist.  p.  165),  die  Teuerung  des 
Jahres  1272  (Menco  p.  560,  Em.  hist.  p.  170  f.). 

Selbst  wenn  man  dem  scharfen  Urteile  Gelhorns1)  fiber 
den  Chronisten  beipflichten   will,   kommen   doch   die  dort  er- 
wahnten  Mangel  fur  uns  wenig  in  Betracht.     Einmal  handelt 
es  sich   bei   den  von  Emmius   ubernommenen  Nachrichten  in 
der  Regel  um  Augenzeugenberichte,  fur  die  auch  Gelhorn  im 
allgemeinen   die   Glaubwiirdigkeit   zugiebt.     Sodann   aber  hat 
Emmius  gerade  an  den  Stellen,  wo  Gelhorn  dem  Menco  Fehler 
nachweist,  durch  seine  Kiirzungen  der  Berichte  dieselben,  wenn 
auch  zum  Teil  unbewusst,  vermieden.     Bei  der  Abreise  Ludwigs 
des  Heiligen  nach  Palastina  1248  thut  Gelhorn  die  Unhaltbarkeit 
von  Mencos2)  Behauptung  dar,   dass  der  Kaiser   den   Zug  zu 
hintertreiben    gesucht   habe.     Emmius3),     der   hier   bedeutend 
kurzt,  ubergeht  unter  anderen   auch   diese  Bemerkung  seines 
Vorgangers.    Ferner  weist  Gelhorn4)  nach,  dass  Menco5)  bei  der 
Wahl  Wilhelms  von  Holland  zum   deutschen   Konige    die  Be- 
teiligung  der  Fiirsten  und  BischSfe  zu  Gunsten  desselben  als 
eine  zu  grosse  hinstellt.    Emmius6)  umgeht  diese  Schwierigkeit, 
indem  er  nur  bemerkt:   ^Huic  ...  a  principibus  Germaniae  im- 
perium  futt  delatum*   und  zugleich   den  Gedanken  an    eine  all- 
gemeine   Zustimmung  zu   dieser  Wahl   durch   die   Worte   ab- 
schwacht:    nSueciae  domus  gratia  nondum  in   animis  principum 
ei  populorum  iota  evanuerat".    Fur  den  Bericht  vom  Tode  des 
genannten  Fiirsten  dagegen  weicht  er  erheblich  von  Menco  ab, 
indem  er  gerade  die  ftir  jenen  charakteristischen  Ziige,  namlich 
dass  der  K6nig  ohne  Begleiter  ist  und  von  den  Friesen,  bevor 
er  erschlagen  wird,   erkannt  ist,   zu  Gunsten   des  Worpschen 
Berichtes  unbeachtet  lasst  bezw.  in  das  Gegenteil  verkehrt.    Im 
tibrigen  aber  ist  seine  Benutzung  der  Berichte  Mencos  ebenso 
umfassend  wie  sorgf&ltig. 


*)  Gelhorn  a.  a.  0.  p.  106. 

a)  Menco  p.  542. 

•)  Emmius  hist.  p.  149. 

*)  Gelhorn  a.  a.  0.  p.  96. 

5)  Menco  p.  641. 

•)  Em.  hist.  p.  148. 


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—    341    — 

-i 

§  2.   Sicke  Benninge  (Johann  van  Lemego). 

Sicke  Benninge  gehort  zu  den  Schriftstellern,  auf  welche 
sich  Emmius  in  seiner  Historia  am  haufigsteit  beruft.  Wir 
finden  ihn  gegen  40  mal  zitiert,  allerdings  fast  ausschliesslich 
fur  die  Zeit  vom  Eingreifen  Albrechts  von  Sachsen  in  die  frie- 
sischen  Verhaltnisse  bis  zum  Jahre  1525;  immerhin  Grund  ge- 
nug,  um  auch  die  Beschreibung  anderer  Zeitabschnitte  durch 
Sicke  Benninge  in  ihrem  Verhaltnis  zu  Emmius  zu  untersuchen. 
Der  Verfasser,  ein  Groninger  Burger,  Mitglied  der  Brauergilde 
und  spater  Ratsherr  seiner  Vaterstadt,  ward  geboren  um  1465 
und  starb  nach  15301).  Er  schrieb  eine  Chronik  von  Groningen 
und  den  Ommelanden,  in  der  er  zugleich  die  Verhaltnisse  in 
den  anderen  friesischen  Gebietsteilen  nach  Moglichkeit  beriick- 
sichtigt.  Das  Werk  zerfallt  in  drei  Teile:  voran  steht,  von 
Sicke  selbst  zusammengestellt,  ein  Ueberblick  liber  die  Ge- 
schichte  der  friesischen  Urzeit  bis  auf  die  Eroberung  Aachens 
unter  Wilhelm  von  Holland  1248.  Als  zweiter  Teil  folgt  die 
Groninger  Chronik  von  Johann  v.  Lemego,  dieselbe  reicht  bis 
zum  Jahre  1478.  Benninge  fand  sie  vor  und  reihte  sie  seinem 
Werke  mit  einigen  Abanderungen  ein.  Der  letzte  und  wich- 
tigste  Teil  endlich  umfasst  die  Zeit  von  1492—1527.  Hier 
schreibt  Sicke  Benninge  als  Augenzeuge  und  zum  Teil  als  Mit- 
handelnder  die  Geschichte  seiner  Zeit.  Das  Werk,  von  Sicke 
als  eine  zusammenhangende  Geschichtserzahlung  von  den  Tagen 
der  Einwanderung  der  Friesen  an  bis  auf  seine  Zeiten  gedacht, 
ist  als  Ganzes  niemals  gedruckt.  Ein  Teil  des  zweiten  Buches 
(Joh.  v.  Lemego)  und  der  Traktat  von  den  7  Seelanden  findet 
sich  abgedruckt  in  den  „Veteris  aevi  analecta"  von  A.  Matthaeus 
(II.  Aufl.  Haag  1738  Bd.  I.  p.  67—85).  Der  mangelhafte  Abdruck2) 
liess  eine  kritische  Ausgabe  der  beiden  ersten  Biicher  wiinschens- 
wert  erscheinen,  welche  in  den  „Werken  van  het  Historisch  Ge- 
nootschaptf  zu  Utrecht  im  Jahre  1887  erfolgt  ist3),  ed.  Feith  und 
Blok.  Vom  dritten  Buche  besitzen  wir  einen  Abdruck  in  den 
„Analecta  medii  aevi",  ed.  Brouerius  v.  Nidek,  Middelburg  1725. 


*)  Sicke  Benninge  ed.  Feith  und  Blok,  Inleiding  p.  XXII. 

*)  vgl.v.Richthofen,  Untersuchungen  uberFriesischeRechtsgesch.II. 
p.  4  ff. 

•)  Auf  diese  Ausgabe  beziehen  sich  die  Zitate  fiir  das  erste  und 
zweite  Buch. 


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—     342     — 

Es  liegt  kein  Grand  vor,  anzunehmen,  dass  Emmius  das 
erste  Buch  Sicke  Benninges  nicht  gekannt  habe1),  die  Be- 
nutzung  desselben  lasst  sicb  aber  nirgends  nachweisen,  und 
die  Art  der  in  jenem  Buche  enthaltenen  Nachrichten  macht 
die  Nichtbeachtung  vollauf  erkl&rlich.  Dass  Emmius  auf  die 
Herleitung  der  Friesen  von  Troja  und  auf  die  Geschichte  ihrer 
Einwanderung,  von  der  Sicke  Benninge  mancherlei  zu  berichten 
weiss,  nicht  eingeht,  versteht  sich  bei  seinem  gesunden  kriti- 
schen  Blick  von  selbst.  Was  Sicke  ttber  die  Missioniening 
Frieslands  oder  etwa  fiber  den  Einfall  der  Normannen  erzahlt, 
tragt  so  wenig  originale  Farbung,  dass  Emmius  diese  Nachrichten, 
soweit  sie  tiberhaupt  der  Wahrheit  entsprechen,  viel  besser  aus 
anderen  Quellen  schflpfen  konnte.  Auch  da,  wo  Sicke  Benninge 
eine  ziemlich  ausfuhrliche  Darlegung  giebt,  wie  etwa  bei  der 
Beschreibung  des  Kreuzzuges  der  Friesen  unter  Innozenz  III.2), 
lagen  Emmius  in  dem  von  Emo  iiberlieferten  Itinerarium3)  und 
in  der  „historia  Damiatina"  Olivers  Quellen  vor,  welche  sich  mit 
der  ungenauen  und  mit  fabelhaften  Ziigen  untermischten  Er- 
z&hlung  Benninges  nicht  vergleichen  lassen.  Am  deutlichsten 
aber  wird  es  an  einer  dem  Sicke  eigentiimlichen  Stelle,  dass 
Emmius  das  erste  Buch  unberiicksichtigt  gelassen  hat.  Es  ist 
die  Rede  vom  Zuge  Wilhelms  von  Holland  gegen  Aachen  12484) 
Emmius  stand  hier  ausser  dem  Berichte  Mencos5)  auch  derjenige 
Sicke  Benninges  zur  Verfiigung.  Aber  Sicke  setzt  hier  zu  dem 
Namen  des  vor  Aachen  gefallenen  friesischen  Fahnentragers 
hinzu  „uut  Vreesland  bij  Groningen".  Es  ist  anzunehmen,  dass 
Sicke  Benninge  diesen  Hinweis  hinzugefugt  hat,  um  seinem 
Werke  auch  in  dieser  Periode,  wo  von  Groningen  noch  wenig 
die  Rede  sein  kann,  den  Charakter  einer  Groninger  Chronik 
zu  wahren6).  So  kann  man  denn  Emmius  nur  zustimmen, 
wenn  er  diesen  Zusatz  mit  Stillschweigen  iibergeht. 


*)  Die  Thatsache,  dass  Emmius  von  Benninges  Enkel,  Hermann 
Wifering,  das  Original  der  Chronik  erhalten  hatte  (vgl.  die  Vorrede  zur 
3ten  Dekade),  spricht  fur  seine  Bekanntschaft  mit  alien  Teilen  des  Werkes 

*)  Sicke  Benninge  p.  22  ff. 

•)  Mon.  Germ.  XXIII,  S.  478  ff.,  vgl.  auch  §  1  dieses  Kapitels. 

*)  S.  Benninge  p.  29. 

5)  Mon.  Germ.  XXIII,  S.  Ml  f. 

•)  S.  Benninge  p.  29,  Anmerkung  1. 


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—    343    — 

Der  zweite  Teil  der  Sicke  Benningeschen  Chronik  hat 
Emmius  grflsstenteils  in  doppelter  Rezension  vorgelegen.  Die 
Chronik  Johann  van  Lemegos,  welche  den  wesentlichen  Teil 
dieser  Chronik  ausmacht,  ist  gegenw&rtig  nur  noch  in  ihrer 
von  Benninge  rezipierten  Form  bekannt.  Blok  spricht  sich 
hiertiber  in  seiner  Einleitung  zur  Utrechter  Ausgabe  wie  folgt 
aus1):  „Het  geschrift  van  den  eerzamen  van  Lemego,  zoo  als 
het  uit  zijne  eigene  handen  is  gekomen,  is  waarschijnlijk  niet 
meer  voorhanden.  De  mss.,  die  als  „kroniek  van  de  Lemmegea 
in  enkele  bibliotheken  afzonderlijk  voorkomen,  zijn  steeds  meer 
of  minder  volledige  reproduction  van  het  tweede  boek  van 
Benninge,  waarin  men  al  vroeg  iets  afzonderlijks  meende  te 
moeten  zien.  Zulke  afschriften  bestonden  reeds  in  den  tijd 
van  Emmius,  onder  wiens  papieren  extracten  daaruit  ge- 
vonden  worden".  Abgesehen  davon,  dass  es  sich  in  dem  fiir 
die  letzte  Thatsache  angefuhrten  speziellen  Falle  gar  nicht  um 
ein  Manuskript  von  Emmius  handelt2),  hat  Emmius  in  der 
That  die  Chronik  von  Johann  v.  Lemego  noch  in  der  ursprting- 
lichen  Fassung  vorgelegen,  wobei  ihm  naturlich  die  rezipierte 
Form  aus  Sicke  Benninge  auch  bekannt  war.  Unter  den 
Emmiushandschriften  der  Groninger  Universitatsbibliothek  findet 
sich  ein  Chronikauszug  mit  der  Ueberschrift:  ^Rerum  Groningen- 
sium  commentorii  breves,  memoriae  causa  excerpti  e  vetusto  ac  pene 
attrito  codice  manuscripto.  Anno  1589  Ubbo  Emmen".  Die  Nach- 
richten  beginnen  mit  dem  Bau  der  Groninger  Stadtmauer  1110 
und  endigen  mit  den  1525  wegen  der  Accise  in  Groningen 
ausgebrochenen  Unruhen.  Der  erste  Teil  dieses  Auszuges  zeigt 
in  der  Aufeinanderfolge  wie  in  der  Eigenart  der  Berichte 
Uebereinstimmung  mit  dem  zweiten  Buche  Sicke  Benninges 
bezw.   mit   Johann  van  Lemego.      Die    lateinischen    Ausziige 


*)  Sicke  Benninge,  Inleiding  p.  XVI  und  XVII. 

*)  Das  a.  a.  0.  p.  XVI,  Anm.  1,  erwahnte  Manuskript  befindet  sich 
seit  dem  1888  erfolgten  Tode  des  friiheren  Besitzers,  des  Notars  Koning 
zu  Wedde,  auf  dem  Rcichsarchiv  in  Groningen.  Der  Befund  der  Hand- 
schrift  ergiebt,  wie  mir  Herr  Reichsarchivar  Feith  in  Groningen  gutigst 
mitteilte,  dass  es  sich  hier  uberhaupt  nicht  um  ein  Manuskript  von 
Emmius  handelt.  Wahrscheinlich  um  ein  solches  von  dem  Groninger 
Historiker  Johann  Rengers  van  ten  Post  (vgl.  §  9).  Das  Vorhandensein 
derartiger  Handschriften  in  rezipierter  Form  zu  Emmius  Zeit  bleibt  damit 
bestehen,  wahrend  die  Abzweckung  auf  Emmius  naturlich  fortf&llt. 


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-    344    - 

lassen  natiirlich  eine  Feststellung  der  Identitat  bis  ins  Ein^ 
zelne  nicht  zu,  doch  bringt  Emmius  eine  ganze  Anzahl  wirk- 
licher  Zitate,  welche  uns  das  Verhaltnis  dieser  nRerum  Groningen- 
siutn  commentarii*  zu  Sicke  Benninge  auch  bis  auf  den  Wortlaut 
hin  kontrollieren  lassen,  so  z.  B.: 

Sicke  Benninge  p.  46.  Manuskript  des  Emmius. 

Elide  de  Ommelandesclien  Vresen  reden  und  die  Ommelandische  Friestn  reden 

in  ende  uut  der  stadt,  dat  deden  sij  uth  und  in  der  Stadt  woll  6  yar  lang 

wed  VI  jaer  lank.      Ende  slogen  otn  und  slogen  suck   under   mclkandtrtn 

onder  sick  doet  de  borgers  unde  de  vele  doet  und  ock   vele  unser  borgtn 

Vresen   ende   daer   uaert  geen  stadt-  und  anders  guede  luide  und  deer  trai 

recht  van  gedaen.  geen  meher  Stadtrecht   van,   und  dai 

bleff  also. 

Die  Uebereinstimmung  zwischen  beiden  Berichten  ist  un- 
verkennbar,  doch  tritt  eine  gewisse  Differenz  beider,  nicht  nur 
in  der  sprachlichen  Auspr&gung,  bereits  hier  hervor.  Der  Zu- 
satz:  „ und  datt  bleff  also" ,  fehlt  bei  Sicke  Benninge  ganz.  Die 
nachste  Verwandschaft  zeigen  die  Emmius'schen  Lesarten  mit 
dem  in  der  Benninge- Ausgabe  von  Feith  mit  „Ba  bezeichneten 
Codex,  einer  der  altesten  Handschriften  von  Sicke  Benninge1). 
So  hat  Emmius  in  seinen  Exzerpten  fiir  die  im  Jahre  1417  von 
den  Groningern  gelieferte  Schlacht  die  richtige  Ortsbezeichnung: 
„Oxwerdersijla  statt  „AwerdersijlU2),  eine  Lesart,  die  mit 
Emmius  die  Codices  B  und  W  gemein  haben3),  ebenso  hat  er 
filr  den  Sieg  der  Groninger  bei  Hindelopen  im  Jahre  1420  mit 
B  und  W4)  statt  „Pancraciia :  „Pontiania.  Am  meisten  aber  tritt 
die  Verwandtschaft  zwischen  dem  Emmius'schen  Texte  und 
Codex  B  hervor  bei  der  Erzahlung  von  der  Eroberung  der  Burg 
Junker  Heinrichs  von  Selwerd: 

Sicke  Benninge  p.  78.  Manuskript  des  Emmius. 

(Es  ist  vorher  berichtet,    wie   der  .  .  .  und  oeren  lichaam  sind  begrauen 

Kommandant  mit  seinen  Leuten  to  den  Jacopinen  in  de   ummegang 

enthauptet  wird.)    .   .   .   ende  hoer  daer     men     oer    gebeente     noch    w» 

licliamen    sijn    all    begraven    to    den  korte    tyden    gevunden    hefft    in    de 

Jacopinen    in    den    ommeganck,    dar  noerdtivester  sydt  des  utnmegangs  in 

men  hoer  gebeente  noch  heft  gevonden  de   HoYne   daer   mester  Berent   van 


1)  vgl.  Sicke  Benninge :  Inleiding  p.  XXXIV 

2)  S.  Benninge  p.  73. 

•)  S.  Benninge  p.  73,  Anm.  e. 
*)  S.  Benninge  p.  75,  Anm.  m. 


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in  corten   tijden,   in  der  nortwester-  Dtdmen   provincial    und    Prior   van 

zijde  des  ommeganges  vorss.   in  der  Jacopinen    tvulde    laten    maken    tin 

hoernen,  doer  meister  Bernt  Dtdman,  privatt  tho  sine  Canier. 

ten  prior  to  Jacopinen,  wolde  maken 
laten  etn  prijvaet  to  sijnen  kameren. 

Die  Hauptdifferenz  beider  Berichte  liegt  im  Namen  und 
Titel  des  erw&hnten  Priors,  und  gerade  hier  zeigt  B  wieder 
eine  merkwiirdige  Uebereinstimmung  mit  der  Emmius'schen 
Lesart.  Codex  B  hat  hier  gleichfalls  *)  sowohl  den  Namen 
in  der  Form  Berent  van  Dulmen2)  iiberliefert,  als  auch  den 
Titel  „provinziala  hinzugefugt.  Nach  alledem  konnte  man  an- 
nehmen,  dass  wir  es  in  der  von  Emmius  benutzten  Chronik 
mit  einer  Cod.  B  nahe  verwandten  Handschrift  der  Lemegoschen 
Chronik  in  Benninge'scher  Rezension  zu  thun  haben.  Nun  be- 
merkt  aber  Emmius  in  seinem  Manuskripte  zu  der  Nachricht 
von  dem  oben  erwahnten  Siege  der  Groninger  bei  Hindelopen 
1420,  den  sein  Text  auf  den  St.  Pontianustag  setzt:  nAlia  ex- 
emplaria,  ut  Sicconis  Beninga,  habent  die  S.  Pancratii,  id  est 
12  Maii*.  Dass  Emmius  sich  hier  auf  die  Originalhandschrift 
Benninges3)  im  Gegensatz  zu  etwaigen  Abschriften  bezogen 
habe,  ist  nicht  anzunehmen,  da  er  ja  dem  Originale  gegeniiber 
Varianten  nicht  zu  notieren  brauchte.  Es  steht  demnach  hier 
Sicke  Benninge  dem  Emmius'schen  Chroniktexte  selbst&ndig 
gegeniiber,  und  von  da  aus  ergiebt  sich  dann  unmittelbar  die 
Annahme,  dass  Emmius  in  seinen  vRer.  Gron.  commentarii 
breves"  den  ursprtinglichen  Text  Johann  v.  Lemegos  vor  sich 
gehabt  habe.  Eine  Anzahl  anderer  Beobachtungen  am  Emmius- 
schen  Texte  sind  durchaus  geeignet,  diese  Annahme  zu  stutzen. 
Eine  Differenz  von  dem  Sicke  Benninge'schen  Text,  welche  gleich- 
falls  nach  diesem  erg&nzt  wird,  weist  der  Bericht  liber  den 
Zug  des  Eppe  v.  Nittersum  gegen  die  AnhSLnger  Alberts  von  Baiern 
im  Jahre  1398  auf.  Ein  Kommandant  Alberts,  Peter  Reiners, 
halt  im  Namen  seines  Herrn  die  Burg  zu  Aldersum  (Oldersum) 
bei  ten  Post  besetzt,  und  diese  wird  dann  von  Eppe  und  seinen 
Leuten  erobert.    Emmius,   der  in  seiner  Chronik  eine  Angabe 


*)  S.  Benninge  p.  78,  Anm.  j. 

*)  Diese  Fassung  des  Namens  ist  auch  urkundlich  iiberliefert,  vgl. 
Sicke  Benninge,  Inleiding  p.  Vm. 

•)  Dieselbe  lag  ihm  nach  seiner  Vorrede  zur  Historia  von  1599  vor. 


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liber  die  Herkunft  von  Peter  Reiners  nicht  gefunden  hat,  setzt 
hinzu:  „Hunc  Petrum  Hollandum  fuisse  alia  Chronica  Gron.  perhi- 
bent".  Wahrscheinlich  zitiert  er  auch  hier  wieder  nach  Sicke 
Benninge1). 

Der  Text  der  ^Rer.  Gron.com.  brev.u  zeigt  aber  auch  origi- 
nate Nachrichten  iiber  die  Benninge'sche  Rezension  hinaus.  So 
wird  bei  Sicke  Benninge  iiber  die  Belagerung  von  Groningen 
durch  den  Utrechter  Bischof  Friedrich  von  Blankenheim  be- 
merkt,  dieselbe  habe  drei  Wochen  lang  gedauert2).  Nach  dem 
Berichte  tiber  das  Schicksal  der  beiden  vornehmen  Gefangenen 
Johann  ten  Hove  und  Folker  Marissinge  geht  Sicke  Benninge 
dann  auf  die  Belagerung  nicht  wieder  weiter  ein.  Emmius 
findet  hier  noch  die  Nachricht  angefiigt,  der  Bischof  habe  nach 
3  Wochen  die  Belagerung  aufgeben  mtissen  und  zwar:  vdie 
translations  St.  Marci*.  Den  besten  Beweis  aber  fiir  die  Selb- 
standigkeit  des  Emmius'schen  Textes  bietet  der  Umstand,  dass 
in  diesem  die  einzelnen  Erzahlungen  eigene  Ueberschriften  ge- 
habt  haben,  von  denen  Emmius  einzelne  in  seinen  Auszug 
heriibergenommen  hat,  so:  ^van  Cortinge  Huiss  und  Selwerder 
Huiss",  eine  Ueberschrift,  die  man  bei  Sicke  Benninge  (p.  76) 
vergeblich  sucht.  Zum  Teil  sind  diese  Ueberschriften  bei 
Benninge  in  den  Text  iibergegangen,  wahrend  sich  einige  von 
ihnen  im  Codex  B  ihre  Stellung  als  Ueberschriften  gewahrt 
haben3).  Es  leuchtet  aber  ein,  dass  wir  da,  wo  diese  Ueber- 
schriften in  grosserer  Anzahl  erhalten  sind,  eben  im  Manus- 
kripte  des  Emmius,  der  urspriinglichen  Chronik  Johann  van 
Lemegos  am  nftchsten  stehen. 

Somit  ergiebt  sich  uns  Folgendes:  Emmius  hat  Johann 
van  Lemego  und  Sicke  Benninge  neben  einander  benutzt.  Der 
verlorene  Text  Johann  van  Lemegos  ist  uns  zum  Teil  in  dem 
Auszuge  von  Emmius  erhalten,  und  zeigt  unter  den  bekannten 
Benningehandschriften  die  grosste  Aehnlichkeit  mit  Codex  B. 
Man  kann  vielleicht  bedauern,  dass  die  so  erhaltenen  Bruch- 
stucke  Johann  van  Lemegos  in  der  Feith'schen  Ausgabe  keine 
Berticksichtigung    gefunden    haben,    zumal    dem    Herausgeber 


l)  S.  Benninge  p.  52. 
*)  S.  Benninge  p.  57. 
8)  S.  Benninge  p.  78,  Anm.  1. 


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nicht  nur  die  Handschrift  des  Emmius  selbst,  sondern  auch 
ihre  Verwandtschaft  mit  dem  originalen  Johann  van  Lemego 
bekannt  gewesen  zu  sein  scheint1). 

Die  Erz&hlung  in  den  ^Rer.  Gron.  com."  nach  Johann  van 
Lemego  reicht  bis  zu  der  Beschreibung  des  Groninger  Stadt- 
wappens  und  dem  sich  daran  anschliessenden  Ausblick  auf 
das  Verh&ltnis  zwischen  Groningen  und  Utrecht2),  genau  so 
weit,  wie  das  in  den  »Veteris  aevi  analecta"  verSffentlichte 
Sttick  der  Sicke  Benninge'schen  Chronik3).  So  fehlen  nicht 
nur  die  erst  von  Benninge  hinzugefugten  Urkundenabschriften4), 
sondern  auch  die  Berichte  uber  die  darauf  folgenden  spateren 
Groninger  Ereignisse.  Die  Commentare,  aus  denen  Emmius 
exzerpiert  hat,  sind  zwar  noch  bis  zum  Jahre  1525  weiter- 
gefdhrt,  doch  entstammen  diese  Nachrichten  einer  anderen 
Quelle,  deren  Inhalt  wir  weiter  unten  zu  besprechen  haben 
werden. 

Emmius  hat  die  Chronik  des  Johann  v.  Lemego  bezw. 
das  zweite  Buch  Sicke  Benninges  nicht  ohne  eine  gewisse 
Zuriickhaltung  benutzt.  Bei  den  Nachrichten  der  alteren  Zeit 
zumal,  der  Lemego  ja  auch  recht  fern  stand,  haben  Emmius, 
wo  er  mit  den  in  unserer  Quelle  gegebenen  Berichten  zusammen- 
trifft,  sichtlich  auch  andere  Quellen  vorgelegen.  Gleich  die  erste 
Nachricht  von  der  Errichtung  einer  Groninger  Stadtmauer  im 
Jahre  11105)  giebt  Emmius6),  wennschon  er  hier  materiell  mit 
Lemego  ubereinstimmt,  in  einer  erweiterten  Form,  die  deutlich 
auf  andere  Quellen  schliessen  lasst.  In  seinen  Kollektaneen 
verweist  er  an  dieser  Stelle  auf  Martin  von  Ylst  (Ijlst).7)  Aehn- 
lich  steht  es  um  die  Nachricht  von  der  Besetzung  und  Er- 
oberung  der  Walpurgiskirche  in  Groningen  im  Jahre  1193. 
Wenngleich  hier8)  die  angegebenen  Namen,  wie  auch  der  Gang 
der  Ereignisse  mit  Lemego9)  ubereinstimmen,   so   sind  in  die 

*)  S.  Benninge,  Inleiding  p.  XVII  und  XVm* 

f)  S.  Benninge  p.  83. 

8)  Vet.  aev.  anal.,  Bd.  I.  p.  67—86. 

*)  S.  Benninge  p.  84—119. 

5)  S.  Benninge  p.  43. 

a)  Em.  hist.  p.  101. 

7)  Historia  factionum  sub  anarchia.,  verschollenes  Mpt. 

•)  Em.  hist.  p.  193. 

•)  S.  Benninge  p.  43. 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  a.  vaterL  Altertiimer  za  Em  den,  Bd.  XV.  23 


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Emmius'sche  Darstellung  doch  Ztige  verflochten,  wie  die  an- 
f&ngliche  Abwesenheit  und  sp&tere  Heimkehr  des  Utrechter 
Bischofs,  welche  die  Benutzung  einer  anderen  Quelle  zweifel- 
los  erscheinen  lassen.  Dass  dem  Emmius  ftir  diese  Nachrichten 
auch  ein  Bericht  aus  Occo  von  Scharrel  vorgelegen  hat,  erhellt 
aus  einer  handschriftlichen  Notiz1);  ausserdem  bemerkt  er  ge- 
legentlich  zu  diesen  Ereignissen:  nId  prolixius  in  Chron.  aliis*. 
Es  handelt  sich  hier  wahrscheinlich  urn  eine  der  von  Emmius 
benutzten  Groninger  Chroniken,  deren  Identit&t  sich  gegen- 
w&rtig  nicht  mehr  mit  Sicherheit  feststellen  l&sst.  Dasselbe 
ist  der  Fall  bei  dem  Berichte  des  Emmius  iiber  die  Be- 
lagerung  von  Utrecht  durch  Wilhelm  von  Holland  im  Jahre 
1345 2),  wo  nicht  Lemego8),  sondern  die  Utrechter  Chronik 
von  Beka4)  seine  Hauptquelle  gewesen  ist. 

Ein  direkter  Widerspruch  zwischen  Emmius  und  Lemego 
tritt  zu  Tage  bei  der  Schilderung  des  Krieges  der  Ommelander 
Friesen  gegen  Groningen,  der  im  Jahre  1338  seinen  Abschluss 
gefunden  hat:  Johann  v.  Lemego5)  berichtet  hier  ausfuhrlich 
von  der  Einnahme  Groningens  durch  die  Ommelander,  von  den 
6  festen  H&usern,  welche  sie  innerhalb  der  Stadt  zerstort  haben 
u.  s.  w.  Emmius §)  aber  weiss  auf  Grand  der  Vertragsurkunde 
zwischen  Groningen  und  den  Ommelanden  von  1338  von  einer 
solchen  Zerstorung  nichts.  Dagegen  berichtet  er  von  einer 
Einnahme  der  Stadt  durch  die  Ommelander  unter  Vorbehalt, 
doch  schliesst  er  sich  auch  hier  nicht  an  Lemego  bezw. 
Sicke  Benninge  an,  sondern  an  den  Bericht  einer  anderen  Gro- 
ninger Quelle,  die  er  in  seinen  Kollektaneen  zitiert.  Nach 
dieser  Lesart  wird  die  Stadt  eingenommen  und  es  werden 
66  Burger  hingerichtet;  von  den  erwahnten  Zerstorungen  ist 
auch  hier  nicht  die  Rede.    Diese  Nachricht  Lemegos  wird  viel- 


*)  In  der  Ausgabe  von  1597,  Fol.  27,  findet  sich  ein  solcher  nicht, 
doch  muss  er,  nach  Emmius  Notiz  zu  urteilen,  in  der  ihm  vorliegenden 
Hand8chrift  vor  der  ebendort  berichteten  Stiftung  des  Klosters  Ludinge- 
kerk  gestanden  haben. 

»)  Em.  hist.  p.  201. 

•)  S.  Benninge  p.  48. 

4)  ed.  Buchelius,  Utrecht  1643,  p.  118. 

8)  S.  Benninge  p.  45  f. 

•)  Em.  hist.  p.  198. 


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—    349    — 

mehr  auf  einer  Verwechselung  mit  den  in  der  Urkunde  an* 
gegebenen  Bedingungen  beruhen. 

Bei  einem  anderen  Versehen  Johann  v.  Lemegos  ist  Emmius 
ebenfalls  im  stande,  an  der  Hand  eines  urkundlichen  Beleges 
zu  korrigieren.  Lemego1)  berichtet  die  Namen  der  ostfriesischen 
H&uptlinge,  welche  1398  mit  Albert  von  Baiern  ein  Bundnis 
abschliessen  bezw.  sich  in  seinen  Schutz  begeben,  er  nennt 
hier:  „heer  Ocko  van  den  Brooke  ridder  ende  sijne  sone  Kene 
van  dem  Brooke  ende  sijn  bastertzoen  Wietselt".  Emmius 
aber  weiss  nicht  nur,  dass  um  jene  Zeit  der  Ritter  Ocko  ten  Brok 
bereits  gestorben  war,  sondern  er  ist2)  auch  an  der  Hand  der 
iiber  jenen  Vorgang  aufgenommenen  Urkunde,  die  er  gleich- 
falls  mitteilt,  in  der  Lage,  die  richtigen  Namen,  nslmlich  die- 
jenigen  des  Bastards  Widzeld  und  Folkmar  Allenas  an  die 
Stelle  der  angegebenen  zu  setzen.  Ein  anderes  Mai  zeigt 
Emmius  sein  kritisches  Urteil  bei  der  von  Lemego3)  berichteten 
Eroberung  Groningens  durch  die  Bewohner  von  Drente  im 
Jahre  1426.  Der  Herausgeber  Sicke  Benninges  hat  (p,122,Anm.l) 
die  Unglaubwiirdigkeit  dieser  Angabe  hinreichend  dargethan;  ob 
fiir  Emmius  diese  oder  andere  Grande  gegen  die  Uebernahme 
der  betreffenden  Nachricht  gesprochen  haben  mSgen,  ist  natiir- 
lich  nicht  festzustellen,  jedenfalls  macht  es  aber  seiner  Urteils- 
kraft  alle  Ehre,  dass  er  dieses  ganze  von  Lemego  berichtete 
Ereignis  in  seine  Historia  nicht  aufgenommen  hat. 

Wo  nicht  besondere  Bedenken  vorliegen,  gilt  bei  Emmius 
die  Lemego'sche  Chronik  fiir  die  Groninger  und  ommel&ndischen 
Ereignisse  des  15ten  Jahrhunderts  durchweg  als  gute  Quelle,  und 
die  wichtigen  Berichte  dieser  Art  bei  Lemego  sind  von  Emmius 
tiberaommen.  Die  Beschreibung  der  Belagerung  der  Onsta'schen 
Burg  durch  die  Groninger  im  Jahre  1400* )  weist  deutliche  Be- 
ziehungen  zu  unserer  Chronik  auf6),  so  bei  den  Angaben  iiber 
die  GrOssenverMltnisse  der  Burg,  iiber  ihre  5  Tiirme  etc.  Bei 
der  Darstellung  der  Belagerung  scheint  der  Bericht  zwar 
wesentlich  gekiirzt,   ebenso  fehlt  die  nahere  Angabe  Lemegos, 


*)  S.  Benninge  p.  60. 
»)  Em.  hist.  p.  231. 
»)  S.  Benninge  p.  122. 
4)  Em.  hist.  p.  239. 
*)  S.  Benninge  p.  55  f. 

23* 


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—    350    — 

dass  der  gefangene  Aepco  auf  der  Boteringepoort  zu  Groningen 
intemiert  gewesen  sei.  Immerhin  bleiben  aber  doch  die  Be- 
ziehungen  zu  Lemego  deutlich  genug,  zumal  im  Vergleich  zu 
dem  verhaltnism&ssig  farblosen  Berichte  bei  Worp  v.  Thabor1). 
Eine  Ungenauigkeit  l&sst  Emmius  sich  bei  dieser  Erz&hlung  in- 
sofern  zu  Schulden  kommen,  als  er  den  Fiihrer  der  Groninger, 
Albert  Wigbold,  als  ^consul  oppidanus*  bezeichnet.  Emmius  er- 
g&nzt  dies  aus  seinen  allgemeinen  Kenntnissen  der  Groninger 
Verh&ltnisse.  Nun  hat  aber  der  Genannte  nach  Emmius1  eigenem 
Groninger  Magistratskatalog  dieses  Amt  erst  1403  bekleidet,  die 
damalige  Fiihrerstellung  verdankte  er  also  seinem  sonstigen  Ein- 
flusse,  was  Lemego  ganz  richtig  ausdriickt:  „<fe  doer  meest  een 
regient  van  was*.  Trotzdem  hat  doch  Emmius  auch  diese  Be- 
merkung  seiner  Vorlage,  der  noch  die  Worte:  »ende  seer  man- 
lick  was*  hinzugefiigt  sind,  nicht  ungenutzt  gelassen.  Emmius 
sagt  vielmehr  iiber  Wigbold:  ^cuius  magna  erat  auctoritas,  ae 
peritiae  rei  militaris  opinio  apud  vulgum*.  Dieses  Beispiel  mag 
zugleich  zeigen,  wie  auch  oft  scheinbar  nebens&chliche  Be- 
merkungen  bei  Emmius  eines  quellenm&ssigen  Riickhaltes  nicht 
entbehren.  Emmius  schmiickt  diese  zwar  gelegentlich  etwas 
aus,  und  vor  alien  Dingen,  er  entwickelt  die  Begriffe  und  die 
gegebenen  Hinweise,  aber  durchaus  sinngem&ss  und  niemals 
ohne  Hinblick  auf  seine  Quellen. 

Dasselbe  Verh&ltnis  zeigt  sich  beim  Berichte  iiber  die  Er- 
oberung  ommelandischer  Burgen  durch  die  Groninger  im  Jahre 
1401.  Nach  Lemego2)  stehen  die  Burgen  der  beiden  Onstas  so: 
„Dat  ene  huues  dat  stond  aent  wester ende  der  kercken  ende  dot 
andere  stond  toe  der  oestersijt  van  der  kercken*,  Emmius8)  berichtet: 
^quae  domicilia  utrimque  iuxta  fanum  oppidi  sita*.  Beim  Sturm 
auf  die  Ripperda'sche  Burg  zu  Farmsum  wird  diese  von  500 
Seeraubern  verteidigt:  »ende  slogen  doer  doel  16  borgers  uut  der 
staedt  ende  voele  Vresen*.  Emmius  sagt:  ^repente  erumpentes 
non  multos  Groningensium,  plurimos  veto  rusticorum  occiderunt* . 
Gleichfalls  durch  Emmius  iibernomraen  sind  u.  a.  die  Namen  der 
Anhanger  von  Koppen  Jarges,  deren  Burgen  nach  seiner  Ver- 
treibung  zerstort  wurden:   Sicke  Benninge  p.  71,  72,  Em.  hist. 

*)  Worp.  v.  Thabor  IV.  p.  3. 
*)  S.  Benninge  p.  60. 
*)  Em.  hist.  p.  240. 


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p.  263;  die  1437  in  Groningen  erfolgte  Hinrichtung  eines  Falsch- 
mfinzers:  S.  Benninge  p.  126,  Em.  hist.  p.  341,  obschon  hier  die 
der  Freilassung  eines  Bruders  des  Gerichteten  hinzugeftigten 
Worte:  nqui  ob  aetatem  tninore  in  culpa  esse  videbatur"  darauf 
schliessen  lassen,  dass  dem  Emmius  nebenher  auch  noch  eine 
andere  Groninger  Quelle  fur  dieses  Ereignis  vorgelegen  hat. 
Weiter  tritt  Lemego  als  Quelle  hervor  bei  dem  1459  be- 
gonnenen  und  1460  vollendeten  Mauerbau  in  Groningen:  S. 
Benninge  p.  131,  Em.  hist.  p.  384;  vgl.  ferner  noch  S.  Benninge 
p.  141,  Em. hist.  p.  395,  Brauverbot  fiir  die  Omraelande;  S.  Benninge 
p.  144,  Em.  hist.  p.  396,  Einsturz  und  Wiederaufbau  des  St. 
Martinsturmes ;  S.  Benninge  p.  144/45 ;  Em.  hist.  p.  396,  Reform- 
versuch  des  Minoriten  Heinrich  Stuermann  etc. 

Danach  erhellt  zur  Geniige,  wie  Emmius  die  Lemego'sche 
bezw.  Benninge'sche  Chronik  als  Quelle  fur  Groninger  Ereignisse 
zu  sch&tzen  gewusst  hat.  Dass  er  dagegen  den  hier  gegebenen 
Berichten  fiber  auswartige  Ereignisse  in  der  Regel  nicht  folgt, 
ist  nur  natiirlich,  obwohl  er  auch  hier  die  Angaben  der  Chronik 
nicht  unbeachtet  l&sst.  So  erwahnt  er  bei  der  Belehnung  des 
Grafen  Ulrich  I.  von  Ostfriesland1),  fiir  die  selbstverstandlich 
im  iibrigen  die  Groninger  Chronik  seine  Quelle  nicht  sein  konnte, 
doch  die  hier  iiberlieferten  Angaben2),  Graf  Ulrich  habe  an 
Kosten  fiir  die  Gesandtschaft  und  die  Belehnung  18,000  Gulden 
zahlen  mtissen,  wenngleich  er,  was  wiederum  fiir  seine  Ge5- 
schichtsauffassung  charakteristisch  ist,  die  weitere  Notiz: 
ndaerumme  scattede  greve  Ulrich  al  sijn  umlanden"  weglasst.  Im 
Grossen  und  Ganzen  aber  ist  die  Benutzung  der  Chronik  durch 
Emmius  derart,  dass  er  die  Berichte  kiirzt,  um  den  wesent- 
lichen  Gang  der  Ereignisse  ans  Licht  zu  stellen,  wahrend  er 
die  in  jenen  Berichten  bemerkten  Einzelheiten  von  lokaler  Be- 
deutung  manchmal  fortlasst. 

Die  zusammenhangende  Geschichtsdarstellung  des  3ten 
Teiles  der  Chronik  von  Sicke  Benninge8)  beginnt  mit  dem  Jahre 
1492  und  reicht  bis  1527,  wahrend  in  den  besten  Handschriften 


')  Em.  hist.  p.  390. 
»)  S.  Benninge  p.  133. 

•)  ed.  Brou§rius  v.  Nidek  1728;  hierauf  sind  auch  die  folgenden 
Zitate  zu  beziehen. 


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die  Erzahlung  noch  urn  einige  Jahre  weitergeftthrt  ist1).  Die 
Benutzung  durch  Emmius  aber  l&sst  sich  nur  bis  zum  Jahre 
1525  nachweisen2).  Diesem  Buche,  in  dem  er  die  Geschichte 
seiner  eigenen  Zeit  darstellt,  hat  Sicke  Benninge  als  Einleitung 
eine  Anzahl  Notizen  vorangestellt,  welche  er  mtindlichen  Mit- 
teilungen  seines  Grossvaters  entnommen  hat.  Er  geht  hier 
von  Focke  Ukena  aus  und  giebt  von  dort  an  in  ein  paar 
Strichen  Ausblicke  auf  die  Groninger  Ereignisse  bis  zum  Be- 
ginne  seiner  Erzahlung.  Dass  Emmius  auch  diese  Einleitung 
nicht  unberttcksichtigt  gelassen  hat,  zeigt  seine  Bemerkung1), 
dass  der  Streit  der  Groninger  mit  Mtinster  bezw.  dem  H&uptling 
von  Westerwold  im  Jahre  1478  wegen  Bellingwolde  und  Blyham 
entstanden  sei4).  Emmius  setzt  dem  sogar  in  der  Historia  die 
Quellenangabe  hinzu:  n8icco  Benninga  in  suis  return  Groningen- 
siutn  Cotntnentariis" .  Fiir  die  ganze  Reihe  der  von  1492 — 1525 
berichteten  Ereignisse  gilt  bei  Emmius  Sicke  Benninge,  wo  es 
sich  um  Groninger  und  ommelandische  Dinge  handelt,  durchweg 
als  gute  Quelle5).  In  Zweifelsfallen  gilt  er  als  schwerwiegen- 
der  Zeuge,  und  eine  betrachtliche  Anzahl  seiner  Berichte  ist 
einfach  Zug  um  Zug  in  die  Historia  iibernommen,  so  z.  B.  Em. 
hist.  p.  783  die  Reise  der  Groninger  Abgeordneten  zur  Hochzeit 
des  Herzogs  von  Geldern  im  Jahre  1519 6);  Em.  hist.  p.  785  f. 
die  Ermordung  der  Gaickingas  nach  dem  Gastmahle  im  Kloster 
Aduard  1520 7)  u.  a.  Als  Beispiel,  wie  Emmius  in  derartigen 
Fallen  Sicke  Benninge  benutzt,  mag  uns  ein  Bericht  dienen, 
den  Sicke  iiber  die  Streifereien  der  im  Kloster  Aduard  lagernden 
Sachsen  gegen  Groningen  im  Jahre  1504  giebt.  Sicke  Benninge 
setzt  den  Bericht  zwar  f&lschlich  ins  Jahr  1505,  worin  ihn 
Emmius  korrigiert,    wie  er   dies   bei    der    oft   schwankenden 


*)  S.  Benninge  ed.  Feith.    Inleiding  p.  VL 

*)  Das  Exemplar  des  Emmius  scheint  auch  nur  bis  hierher  gereicht 
zu  haben,  da  er  hist.  p.  835  zum  Jahre  1525  bemerkt:  Hactenus  Sicco  qui 
cum  hac  narratione  terminat  commentaries  suos. 

»)  Em.  hist.  p.  417. 

*)  S.  Benninge  p.  12. 

*)  Auf  die  an  einigen  Stellen  fast  wortliche  Uebereinstimmung 
zwischen  Emmius  und  S.  Benninge  verweist  bereits  Zuidema,  Wilhelmus 
Frederici,  Groningen  1888,  z.  B.  p.  93,  Anm.  2;  p.  97,  Anm.  1  u.  6. 

•)  S.  Benninge  p.  319. 

7)  S.  Benninge  p.  321. 


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Chronologie  Benninges  auch  sonst  zu  thun  Gelegenheit  hat1), 
im  librigen  aber  giebt  er  als  Augenzeuge  oder  doch  jedenfalls 
Zeitgenosse  jener  Vorgange  ein  glaubwiirdiges  Bild: 

Sicke  Benninge  p.  67.  Em.  hist.  p.  622. 

.  .  .  en  8oo  quamen   se  uyt  Aduart  .  .  .  pridie  Pentecostes  (qui  dies  erat 

op  Finxter  avont,   mit  een  vaentken  VIII.  (Mend.  Maij)  pracdandi  causa 

omtrent    hondert    knecltien     omtrent  castris   egressi    ad    ipsa  pent   urbis 

vesper  tydt  daeges,  en  brande  doer  een  tnoenia  se  intuXerunt  media  luce,  ibique 

tichdtcarck    by    Donghorn,    en    der  aedificium  longum  coquendis  lateribus 

Gronningen  knechten,  en  voele  van  de  structum  ad  Hunesum  flumen,  ubi  id 

Borgeren  was  buiten  den  poorten,  op  in   unguium    se   flectere    incipit,   in- 

den    hoenwegh   en    wolden    em   niet  cenderunt  spectantibus,  sed  prohibere 

naer  so  dot  se   doer  geen  weer  voor  non  ausis  oppidanis:  sclopetis  tamen 

deeden,  men  daer  liepen  uyt  botteringe  certatum  in  eos  a  nonnullis  rib  altero 

poorte  an  den  oostersyde  van  de  diepe  fluminis  latere,   qui  Botterana  porta 

welcke  knechten,  en  Qronninger  schutten  excurrerant,    torpentibus  qui   majore 

onder  den  Dyck  op  des  diepes  wall,  numero  impediendis  injuriis   amnica 

tn  daer  wort  eenen  van  den  Sassischen  exierant  mUites  pariter  et  cives. 
geschooten  mit  eener  busse  doodt  van 

den  peerde,  en  dot  deede  en  smidt  de  wan  een  schutte  in  Gronningen,  en  soo  wordt 
daer  et  weder  dootgeschooten  was,  een  schutter  so  voornoemt  in  Gronningen  etc. 

Eramius  zeigt  hier  der  etwas  weitschweifigen  Erzahlung  Ben- 
ninges gegentiber  eine  grossere  Knappheit  und  Deutlichkeit. 
Durch  seine  Ortskenntnis  klart  er  in  Betreff  der  Lage  der 
Ziegelei  die  Situation  auf.  Den  Fortschritt  des  Historikers 
liber  den  Chronisten  illustriert  die  Weglassung  der  Einzelheiten 
tiber  den  Schmied  etc.  Wie  hoch  Emmius  den  Wert  Sicke  Ben- 
ninges schatzt,  mag  ein  Beispiel  zeigen.  wo  er  ihm  sogar  gegen 
Eggerik  Beninga  Recht  giebt,  und  zwar  in  einem  Falle,  wo 
Eggerik  selbst  Augenzeuge  war.  Es  handelt  sich  urn  die  Ueber- 
gabe  der  Stadt  Groningen  in  die  Gewalt  des  Herzogs  von 
Geldern  (1514),  und  zwar  um  die  Frage,  ob  Graf  Edzard  die 
Stadt  vorher  ihres  Treueides  gegen  ihn  entbunden  habe  oder 
nicht.  In  dieser  Frage  widersprechen  sich  Eggerik  und  Sicke 
direkt.  Eggerik  Beninga  behauptet,  der  Graf  habe  die  Stadt 
ihres  Eides  nicht  entlassen,  er  sagt  ausdnicklich2):  ^Deme  is 
Ait  upgemelte  van  de  vorlatinge  des  eedes  gelykformich  alles  erdichteta. 
Demgegeniiber  aber  behauptet  Sicke  Benninge3),  der  Graf  habe 


*)  so  z.  B.  Em.  hist.  p.  768. 
*)  Eg.  Beninga  p.  569. 
')  S.  Benninge  p,  259. 


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zur  Uebergabe  der  Stadt  an  den  Herzog  von  Geldern  seine  Zu- 
stimmung  erteilt.  Emmius  *)  schliesst  sich  hier  durchaus  der  Fas- 
sung  Sickes  an;  dass  Emmius  dieselbe,  wie  Wiarda2)  anzunehmen 
scheint,  an  Urkunden  aus  dem  Groninger  Archiv  geprtift  habe, 
ist  wahrscheinlich  genug  und  konnte  auf  die  Zuverlassigkeit 
Sickes  und  die  Sorgfalt  des  Emmius  helles  Licht  werfen.  Be- 
deutsam  ist  immerhin,  dass  uns  der  weitere  Verlauf  desselben 
Ereignisses  zeigt,  wie  Emmius  den  Sicke  Benninge,  wo  es  ihm 
moglich  ist,  an  der  Hand  von  Urkunden  kontrolliert  und 
notigenfalls  seine  Behauptungen  richtig  stellt.  Sicke  weiss  zu 
erzahlen,  die  Groninger  hatten  damals  nicht  allein  dem  Herzog 
von  Geldern,  sondern  auch  dem  Konige  von  Frankreich  den 
Eid  der  Treue  geleistet.  .  .  .  nen  hebben  den  Maerschalk  van 
wegen  der  Coninges  Majesteit  en  des  vursten  van  Geller  huldinge, 
plicht  en  Eedt  gedaen  op  soodaene  conditien  en  articulen  als  voor- 
geroert  sintu.  Emmius  bringt  die  Notiz,  dass  Sicke  Benninge 
und  ein  anderer  Groninger  Schriftsteller3)  diese  Nachricht 
hatten,  setzt  aber  hinzu:  ^Sed  ego  ex  tabulis  actisque  publicis 
deprehendo,  vim  earn  in  re  fuisse,  sed  invidiae  causa  verba  huius- 
modi  apud  vulgum  consulto  declinatau. 

Emmius  lasst  Sicke  Benninges  Nachrichten  iiber  Groninger 
Verhaltnisse  eine  durchaus  gerechte  Wertschatzung  zu  Teil 
werden.  Sicke  muss  uns  als  ein  verst&ndiger  Beobachter  seiner 
Zeit  gelten,  der,  wo  er  sich  kontrollieren  lasst,  in  wesentlichen 
Stticken  seine  Probe  besteht 4) ;  und  man  kann  Emmius  nui  zu- 
stimmen,  wenn  er  auch  solche  Berichte  Sickes  ubernimmt,  fur 
die  sich  eine  anderweitige  Kontrolle  nicht  mehr  beibringen 
lasst.  Was  dagegen  die  aussergroningischen  Ereignisse  an- 
belangt,  die  Sicke  zwar  als  Zeitgenosse  miterlebt  hat,  iiber  die 
er  aber  doch  nur  durch  Horensagen  unterrichtet  ist,  so  steht 
es  hier  weit  schlechter  mit  ihm.  Man  kann  nicht  gerade 
sagen,  dass  er  hier  durchweg  falsch  unterrichtet  ist,  er  hat 
gelegentlich  auch  hier  den  einen  oder  andern  bemerkenswerten 
Zug,  der  ihm  gerade  zu  Ohren  gekommen  war,  iiberliefert,   im 


l)  Em.  hist.  p.  724. 

')  Wiarda,  Ostfr.  Gesch.  II.  p.  266.    Anm.  n. 
•)  Vielleicht  ist  hier  Sybe  Jarichs  gemeint;  Anal,  medii  aevi  p.  459. 
4)  So  stimrot  er  in  der  besprochenen  Eidesangelegenheit  mit  Sybe 
Jarichs  uberein. 


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Ganzen  aber  entbehren  diese  Berichte  aus  zweiter  Hand  durch- 
aus  der  originalen  Farbung,  und  sind  oft  eher  geeignet,  die 
Tatsachen  zu  verwirren,  als  sie  aufzuklaren;  als  historische 
Quellen  aber  konnen  sie  unter  keinen  Umstanden  in  Betracht 
kommen.  Emmius  hat  dies  denn  auch  sehr  wohl  erkannt,  und 
so  viel  Bedeutung  er  dem  Augenzeugen  Sicke  Benninge  bei- 
misst,  so  wenig  lasst  er  sich  doch  zu  einer  Ueberschatzung 
der  von  ihm  aufgezeichneten  Geriichte  etc.  verleiten. 

Trotzdem  hat  er  sie  auf  der  andern  Seite  nicht  ganz  un- 

beachtet  gelassen  und  versteht  aus  ihnen  gelegentlich  Ziige, 

die  zur  Erklarung  und  Beleuchtung  der  jeweils  in  Betracht 

kommenden  Quellen  dienen  konnen,  zu  verwerten1).    Ein  Beleg 

hierfiir  ist  die  Behandlung  des  Sicke  Benninge'schen  Berichtes 

liber  die  Entsetzung  von  Stickhausen  im  Jahre  1515.     Es  liegt 

tiber   dieses   Ereignis    ein    ausfiihrlicher   Bericht   von   Eggerik 

Beninga  vor2).    Dieser  erzahlt,  wie  Graf  Edzard  die  Belagerung 

von  Stickhausen  beginnt,   weiss  seine  Heerfiihrer  zu  nennen 

und    von    einem    bereits    um   Ostern  stattfindenden  Gefechte 

zwischen  Edzards  Leuten  und  einer  aus   der  Festung  hervor- 

brechenden  Abteilung  zu  berichten  und  lasst  dann  erst   die 

Entsetzung  der  Festung  durch  die  Braunschweiger  folgen.    Sicke 

Benninge3)  berichtet  dagegen  einfach:  ^De  Brunswycschen  hadden 

noch  Stickhuisen  in,   daer  lach  de  Grave  vor  tnitter  macht,   omme 

dat  wedder  in  toe  krygen,  soo  quemen  de  Brunswyckschen  mit  grooter 

macht"  etc.     Auch  den  entscheidenden   Kampf  einer  Abteilung 

der  Leute  Edzards   mit   dem   Entsatzheer  stellt  der  Ostfriese 

Beninga    lebensvoller    und    anschaulicher    dar.      Sicke    sagt: 

.  .  .  ^want  des  Graven  volk  was  over  een  brugge  getogen  tegen  de 

Brunswycken  en  als  de  vianden  den  androngen  en  veUen  toe  em  in, 

so  deeden  se  als  de  buuren  plegen  to  doende  en  natnen  de  vlucht  en 

liepen  nae  de  brugge".    Eggerik  Beninga4) :   ^Graeve  Edzard  averst 

hadde  de  meeste  lueden  by  sick  to  Lengen,  meende  de  Fursten  schulden 

daer  her  in  kamen  hebben,  und  eer  he  by  de  anderen  vor  Stickhuesen 

kunde  kamen,  weren  de  anderen  in  de  flucht  gebracht,  gestagen,  und 

de  meestendeel  in  dat  deep,  daer  se  eene  lose  brugge  tegen  Deter  en 


!)  so  Em.  hist.  p.  706  und  718. 
*)  Eg.  Beninga  p.  684  ff. 
•)  S.  Benninge  p.  293. 
*)  Eg.  Beninga  p.  586. 


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overgeslagenhadden,vordrunkenil.  Emmius1)  schliesst  sichinder 
Darstellung  mit  Recht  durchaus  an  Eggerik  Beninga  an,  nicht 
nur  was  die  vorhergehenden  K&mpfe  anlangt,  sondern  auch  inBe- 
ziehung  auf  die  Schilderung  der  Schlacht.  So  sagt  er  uber  den 
Bruckentibergang  in  richtiger  Erfassung  der  durch  Eg.  Beninga 
angedeuteten  Situation:  ^Nam  pontem  non  valida  compage  in  usm 
militiae  huius  impositum  rivo,  dum  transire  pr operant  segue  mutuo 
urgent,  ut  in  magno  timore  ac  fuga  fit,  victum  pondere  laxant,  simul- 
que  cum  eo  in  subiectas  aquas,  tumente  turn  alveo  et  ripas  egresso, 
ruunt*.  Dabei  l&sst  Emmius  doch  auch  Sickes  Bericht  nicht 
ganz  unbenutzt,  er  verbindet  eine  von  Eggerik  Beninga  vor- 
her  tiber  die  bei  Detern  gelagerten  gr&flichen  Volker  gemachte 
Bemerkung:  ndaer  nicht  meer  dan  een  venelen  knechten  und  dot 
Ampt  van  den  Ohrt  vorhandena,  mit  den  Angaben  Sickes:  ,soo 
dot  de  Grave  grooten  schaeden  leet  an  syn  teste  buuren  en  mannen* 
und  sagt:  „in  his  cohors  militum  exterorum  fuit,  caeteri  indi- 
genae  e  praefectura  maxime  Orthana,  honestissimorum  ordinum  viria. 
Ausserdem  fiihrt  er  auch  zu  der  von  Eg.  Beninga  auf  600  ange- 
gebenen  Zahl  der  Gefallenen  an :  „  S.  Beninga  numerum  duplicate — 
Wie  ungenau  Sicke  Benninge  aber  im  Ganzen  liber  aus- 
w&rtige  Ereignisse  unterrichtet  ist,  beweist  unter  andern  sein 
Bericht  liber  den  Aufenthalt  des  Grafen  Edzard  und  seines  Sohnes 
Ulrich  am  Hofe  Kaiser  Maximilians  und  Karls  V.  im  Jahre  1517. 
Bei  Sicke  Benninge2)  findet  sich  daniber  folgendes:  ^men  he  hadde 
daer  gelaeten  syn  soone  en  welch  van  syn  goede  mans  toe  gysele 
omme  toe  holden  en  toe  vullen  trecken  dat  geene,  dat  he  voor  den 
Keyser  hadde  geloovet  en  angenoomen  toe  doende".  Emmius  dagegen 
hat  hier,  wie  er  ja  den  Vorgang  aus  besserer  Quelle  (iberhaupt 
weitlaufiger  berichtet,  die  richtige  Fassung;  er  sagt  hiertiber8) 
zuerst:  ^filius  TJlricus  contubemio  aulico  eius  honestissvnis  conditio- 
nibus  expetitus",  und  sodann  weiter:  vDcinde  reliquis  expedites,  fitio 
optimae  indolis  et  corporis  pulcherrimi,  annum  iam  agente  XVIII, 
cum  comitatu  perhonesto  apud  Carolum  relicto,  domum  contendit*. 
Der  Sachverhalt,  wie  ihn  Emmius  berichtet,  stimmt  genau  iiber- 
ein  mit  dem  betreffenden  Passus  der  von  Karl  V.  dem  Grafen 


l)  Em.  hist.  p.  757. 
s)  S.  Benninge  p.  313. 
•)  Em.  hist.  p.  766. 


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Edzard  in  dieser  Angelegenheit  ausgestellten  Urkunde1).  Von 
einer  Stellung  von  Geiseln  ist  ausserhalb  des  Sicke  Benninge- 
schen  Berichtes  nirgends  die  Rede. 

Hierdurch  aber  ist  Benninges  Glaubwiirdigkeit  fur  die  Gro- 
ninger  Ereignisse  in  keiner  Weise  erschttttert ;  ausser  der  weit- 
gehenden  Benutzung  der  Chronik  durch  Emmius  zeigen  auch 
eine  Anzahl  gelegentlicher  Aeusserungen  im  Text  der  Historia, 
wie  hoch  er  Sicke  Benninge  als  Quelle  geschatzt  hat.  Emmius 
nennt  ihn:  ^fidissimus  scriptor"  2),  „tnr  optimus  ac  patriae  amantissi- 
tnu$us).  Bei  einer  andern  Gelegenheit  bezeichnet  er  ihn  als 
nCum  primis  fidus  et  harum  return  gnarus  autor*).  Als  er  zum 
Jahre  1506  ein  Groninger  Ereignis  berichtet,  fiber  das  Sicke 
schweigt,  halt  er  es  sogar  fur  notig,  hinzuzusetzen :  ^quamquam 
non  memoret  hoc  Sicco  Beninga,  alioqui  diligens  scriptor*5). 


§  3.   Sybe  Jarichs. 

Unter  den  zahlreichen  Groninger  Chroniken,  die  Emmius 
zur  Verffigung  standen,  muss  sich  auch  die  „Corte  Chronycka 
von  Sybe  Jarichs6)  befunden  haben.  Mit  Namen  wird  dieser 
allerdings  weder  in  der  Historia  noch  in  den  Emmius'schen 
Kollektaneen  angeffihrt,  doch  lasst  sich  aus  letzeren  mit 
Sicherheit  nachweisen,  dass  die  Chronik  Emmius  bekannt 
gewesen  ist.  Es  sind  dort  einige  Notizen  vorhanden,  die 
Emmius  zwar  mit  verschieden  lautenden  Quellenangaben 
bringt  („Com.  Gron.a,  „Chron.  Gron.a  und  „Chron.  Gron.  vulga- 
tuma),  die  sich  aber  in  ihrer  Eigenart  zum  Teil  mit  Sicherheit 
auf  Sybe  Jarichs  zurfickffihren  lassen.  Die  Verschiedenheit 
der  Quellenbezeichnung  bei  Emmius  ist  zugleich  ein  Beweis 
dafiir,  dass  wir  von  diesen  Bezeichnungen  aus  eine  Uebersicht 
fiber  Art  und  Umfang  seiner  verschiedenen  Groninger  Quellen 
nicht  gewinnen  kSnnen;  dieselbe  muss  vielmehr  von  dem  In- 


*)  vgl.  dieselbe  bei  Brenneisen,  Ostfr.  Historie  und  Landesverfassung, 
Tom.  I.  lib.  IV.  p.  136. 
*)  Em.  hist.  p.  611. 
»)  p.  809. 
4)  p.  706. 
8)  p.  663. 
•)  ed,  Brouerius  v.  Nidek,  Analecta  medii  aevi  1725,  p.  436-470, 


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halte  und  der  Eigenart  der  Nachrichten  selbst  aus  orientiert 
werden.  Emmius  bemerkt  in  seinen  Kollektaneen  zu  der  Nach- 
richt  von  der  Schlacht  Focke  Ukenas  bei  Hindelopen  im  Jake 
1420  auf  Grand  der  „Com.  Gron"  :  ^cammissa  est  die  5.  Pancratii*. 
Wenngleich  er  diese  Datierung  in  der  Historia  nicht  mit  in 
Betracht  zieht1),  so  wird  ihm  doch  zu  dieser  Notiz  die  Da- 
tierung bei  Sybe  Jarichs  vorgelegen  haben,  dort  heisst  es2): 
^Int  jaer  1420  sloeghen  die  Qronningers  eene  slagh  tegen  die  van 
Herilopen  op  sinte  Pancraes  dag,  daer  bleven  veele  Vriesen  doot  ende 
gevangen".  Deutlicher  ist  die  Abh&ngigkeit  an  einer  anderen 
Stelle  der  Kollektaneen,  welche  gleichfalls  in  der  Historia  selbst 
eine  Verwendung  nicht  gefunden  hat.  Es  handelt  sich  hier  um 
einen  abweichenden  Bericht.  Nach  dem  iibereinstimmenden 
Zeugnis  von  Eg.  Beninga  und  Sicke  Benninge8),  dem  auch  Em- 
mius folgt4),  ist  Herzog  Albrecht  von  Sachsen  zu  Emden  auf  der 
alten  Mtinze  gestorben.  Einen  dieser  Auffassung  widersprechen- 
den  Bericht  liber  Albrechts  Ende  ftihrt  nun  Emmius  in  seinen 
Kollektaneen  an  unter  der  Quellenangabe  „Chron.  Gron.  vul- 
gatum",  derselbe  zeigt  in  seiner  abweichenden  Fassung  eine 
vollige  Uebereinstimmung  mit  Sybe  Jarichs: 

Chron.  Oron.  vulgatum.  Sybe  Jarichs  p.  452. 

^dicit   Albertum  in   aedibus  Egberti  .  . .  „ende  corts  daernae  word  Harto& 

Konings  sitis  ad  molam  extra  portam  Albert  geschoottn  in  Egbert  Coninck* 

Bott.  tormento  ictum,  die  inventionis  huys,  dot  daer  buyten    byder  mdlen 

S.   Stephani   triduo  post  eum  ictum  stondt,  ende  worde  cranck  in  Sdicert 

mortuum    fuisse,    sed   mortem    eius  gevoert    op    doge    inventionis    sancti 

studiose    occult  am.       Post    inducias  Stepliani   ende   die    Sasssen    schote* 

quadrunnes  ab  Epo.  TJltr.  concUiatas  griecx  vuyr  in  die  stadt,  dot  men  nut 

idem  Chr.  dicit.u  ut  doen  can7  dan  met  dreck  ende  ma, 

ende  dry  daghen  nae  dot  Hartoch 
Alhert  is  geschoten  is  hy  gestorben  ende  dot  was  heymelijck:  daer  nae  makede 
Bisschop  Baden  een  bestand  4  iaer  lanck  ende  groeven  des  Hertoghen  inghewcydt 
toe  Embden,  ende  dat  lichaem  voerden  zy  in  Sassen  in  eenen  loden  tumbc*. 
Kann  es  somit  als  erwiesen  angesehen  werden,  dass  Emmius 
die  „Corte  Chronyck"  von  Sybe  Jarichs  gekannt  habe,  so  ist 
eine  thatsachliche  Benutzung  derselben  in  der  Historia  wenig- 
stens  an  einem  Punkte  gleichfalls  mit  einiger  Sicherheit  nach- 


l)  vgl.  Em.  hist.  p.  280. 

*)  Sybe  Jarichs  p.  448. 

8)  Eg.  Beninga  p.  475,  S.  Benninge  p.  56. 

4)  Em.  hist.  p.  602. 


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zuweisen.  Es  ist  die  Rede  von  dem  Kriegszuge  der  Groninger 
in  die  Ommelande  am  18.  April  1514.  Man  hat  die  Miihle  zu 
Winsum  niedergebrannt  und  zieht  nun  gegen  die  Kirche  zu 
Siidwolde  heran;  hier  ist  der  Emmius'sche  Bericht  mit  seinen 
beiden  Quellen  fiir  dies  Ereignis,  mit  Eg.  Beninga  und  Sybe 
Jarichs  zu  vergleichen: 


Eg.  Beninga  p.  537. 
. . .  „und  vort  vor  de  ker- 
eke  tho  Suidwolde  getagen, 
desulve  stormenderhant 
geicunnen,  den  Hovet- 
mann  sulvest  doer  up 
doot  gestagen  und  40  ge- 
fangen,  welcke  se  mede 
in  de  Stadt  Qroningen  ge- 
fencklich  gevoert". 


Sybe  Jariclis  p.  455. 
.  .  .  nende  hebben  die  ker- 
cke  tot  Zuetwolde  ghe- 
wonnen  ende  die  hop- 
man  doot  gheslaghen 
self  derde  ende  38  ghe- 
vanghen.  Daer  is  die 
vorst  van  Sassen  wt 
Essen  gereyst  not  Aed- 
wert"  etc. 


Emmiu8  hist.  p.  701. 

„Tum  ex  itinere  impetu 

in     Suidwoldios    verso% 

qui  sunt  urbi  proximi, 

vaUum    circum    fanum 

institutum  ab  hoste,  sed 

adhuc  non  perfectum  in- 

vaserunt,  caesoque  prae- 

sidii  praefecto  cum  gre- 

gariis  duobus  vi  ceperunt. 

Reliquum  omne  praesidi- 

um  capitum  ad  XL  cum  tormentis  minoris  generis  captum.    Quibus  auditis,  qui 

Essence  erant  Saxones,   metu  perculsi  deserto  loco  in  castra  Adoardia  postridie 

se  contulere". 

Emmius  mag  hier  einige  Angaben,  so  die  liber  das  er- 
oberte  Geschiitz  etc.  aus  einer  dritten  Quelle  (ibernommen  haben, 
dabei  sind  aber  doch  deutlich  Beziehungen  zu  Sybe  Jarichs 
vorhanden.  Auf  ihn  geht  die  Nachricht  zuriick,  dass  ausser 
dem  Hauptmann,  von  dessen  Tode  auch  Eg.  Beninga  weiss,  noch 
zwei  von  seinen  Leuten  bei  der  Eroberung  der  Kirche  gefallen 
sind,  besonders  aber  weist  die  Verbindung  dieses  Ereignisses 
mit  dem  Abzuge  der  Sachsen  nach  Aduard  auf  Sybe  Jarichs 
hin;  Eg.  Beninga  weiss  davon  nichts,  bei  ihm  schliesst  das  be- 
treffende  Kapitel  mit  den  oben  angeftihrten  Worten  ab.  Dass 
Emmius  die  „Corte  Chronyck"  nicht  in  weitgehenderem  Masse 
ausgebeutet  hat,  kann  nur  gerechtfertigt  erscheinen.  Die  Nach- 
richten  iiber  die  aitesto  Zeit  mussten  von  vornherein  aus- 
scheiden;  soweit  sie  uterhaupt  einwandsfrei  sind,  haben  sie 
als  kurze  Ausziige  aus  anderweit  bekannten  Quellen  keine 
weitere  Bedeutung,  so  die  Notizen  iiber  die  Missionierung 
Frieslands  u.  a.  Daneben  ist  die  Darstellung  dieser  Zeit  auch 
mit  fabelhaften  Ziigen  untermischt,  wie  etwa  die  Entstehungs- 
geschichte  von  Hitzacker  l)  u.  a.     Die  Groninger  Nachrichten 


')  Sybe  Jarichs  (Anal.  med.  aev.)  p.  441. 


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sind  gr6sstenteils  von  Sicke  Benninge  abh&ngig,  so  diejenigen 
zu  den  Jahren  1110 x)  und  1143.  Fiir  die  sp&tere  Zeit  fehlt  es 
nicht  ganz  an  originalen  Ziigen,  wie  die  angefiihrten  Beispiele 
zeigen,  und  es  ist  wohl  anzunehmen,  dass  Emmius  erlautemde 
oder  genauere  Angaben  von  Sybe  Jarichs  nach  Art  des  zuletzt 
angefiihrten  Beispiels  auch  sonst  noch  einige  Male  verwertet 
hat.  Einen  entscheidenden  Einfluss  auf  den  Gang  der  Geschichts- 
darstellung  aber  hat  unsere  Chronik  an  keiner  Stelle  gehabt. 


§  4.   Tjalling  Aykema. 

Noch  eine  dritte  von  den  durch  Brouerius  v.  Nidek  in 
den  „Analecta  medii  aevia  veroffentlichten  Groninger  Chroniken 
hat  Emmius  benutzt;  es  ist  dies  Tjalling  Aykemas:  „Chronycke 
van  die  Ommelanden".  Dieselbe  giebt  eine  Beschreibung  des 
geldrischen  Krieges  in  den  Jahren  1533  ff.;  ein  Vergleich  mag 
darthun,  wie  Emmius  fiir  seine  Schilderungen  aus  demselben 
diese  Quelle  verwertet  hat: 


Tjalling  Aykema  p.  479/80. 
.  .  .  „  op  Banthalionis  dach,  als  nu 
Meynert  van  den  Ham  overste  daer 
tcesende  in  den  Dam  omtrent  mey 
heeft  ut  geschicket  zynen  verloren  hoop 
not  Oroninghen  ende  hebben  die  voor- 
stadt  gebrant  inder  nacht  inventionis 
sancte  Orucis,  afgaende  daer  die 
Qronningher8  sulckes  glieen  vermoeden 
hodden,  ende  hebben  daer  veel  arme 
luyden  ghemaecket,  doodt  ghedaghen 
ende  onnosel  kinderen  op  den  bedde 
verbrant,  oock  sint  daer  dertich  schuy- 
tent  halven  ende  helenf  verbrant,  dot 
de  luden  naeden  tyt  mosten  broot  bid- 
den ende  dat  vuyr  is  overgheslaghen 
in  die  peperstrate  ende  daer  vyf  huy- 
sen  verbrant  by  Wolter  Zieghers  huys. 
Doe  wort  oock  die  vorstat  buiten 
Ebbinghe  ende  Botteringhe  poorte  des 
daghes  daer  nae  van  sommige  die 
daer  toe  verordnet  toaren  verbrant". 


Emmius  hist.  p.  886187. 
„Vix  quatridui  vero  quiete  iUic  add 
levis  armaturae  manus  silentio  nodis 
ad  urbem  Oroningam  ab  eo  tnisu, 
tumultu  ad  moenia  excitato  suburbi** 
maximum  Steentillanam  et  Poland* 
portam  praecingens  diripuit,  direptoqv 
flammas  iniicitf  quibus  et  reliqua,  qyat 
auferri  aut  abigi  non  poterant,  d 
naves  non  parvo  numero  confiagrarwd, 
et  infantes  quoque  aliquot  in  terror* 
illo  repentino  periere.  Caesi  etiam  viri 
aliquot j  qui  sua  defendere  tentabant,  d 
infelix  plebs,  cui  praeter  domicilia,  su- 
pellectUem,  vestes,  navigia  nihil  erat, 
ad  mendicitatem  redacta.  Quinimo 
flammis  secundo  vento  in  ipsam  urbem 
tran8volantibu8f  aedes  aliquot  prop* 
moenia  correptae  terrorem  oppidams 
auxere.  Et  cum  iam  dies  MuxittA 
suburbium  alterum  Ebbinganam  tt 
Botteranam  portam  amplexum  in  & 
dem  urbis  latere,  igni  datum,  cak***' 
tasque  duplicata". 


l)  p.  442. 


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Ein  Vergleich  beider  Berichte  ergiebt,  dass  dem  Emmius 
fiir  diese  Schilderung   eine   andere  Quelle   als   Aykema  nipht 
vorgelegen  hat.    Die  Unterschiede,  welche  beide  Berichte  trotz- 
dem  aufweisen,  sind  aus  der  Art  und  Weise,  wie  unser  Historiker 
seine  Vorlagen  zu  verwerten  versteht,  leicht  zu  erklaren.    Sein 
Streben,   m6glichst  die  Hauptmomente  bei  der  Darstellung  in 
den  Vordergrund  treten  zu  lassen,   veranlasst  ihn,  nebensach- 
liche  Angaben,   wie  die  Zahl  der  verbrannten  Schiffe  und  die 
genaueren  Angaben  iiber  die  in  der  „Peperstrate"  verbrannten 
H£user  fortzulassen.      Die  letztere  Nachricht  bietet  ihm  aber 
zugleich  die  Handhabe,    gestiitzt  auf  seine  Kenntnis  der  ort- 
lichen  Verhaltnisse  in  Groningen,  die  Situation  an  einem  wesent- 
lichen  Punkte  aufzuklaren.    Nach  dem  Aykema'schen  Berichte 
erhellt   nicht    ohne  weiteres,    welche  Groninger  Vorstadt  von 
den  Feinden  in  Brand  gesteckt  ist.     Die  Groninger  jener  Tage 
wussten  allerdings,   dass  die  erw&hnte  „Peperstrate"  in  stid- 
Sstlicher  Richtung  von  der  zur  „Poelpoorte"  fiihrenden  „Poel- 
strate"  abbog  und  es  sich  somit  nur  um  die  Vorstadt  zwischen 
dieser  „Poelpoorte"  und  der  ostlich  davon  gelegenen  '„Steen- 
tilpoorte"  handeln   konne1).     Emmius  aber  benutzt  die  hier 
gegebenen  Andeutungen,  um  auf  Grand  derselben  die  Oertlich- 
keit  in  einer   auch  fiir  Fremde,  sowie  fiir  spatere  Leser  ver- 
st&ndlichen  Weise  festzulegen.     Ein  Vergleich  beider  Berichte 
im  Ganzen  aber  zeigt  auch  hier  wieder,  wie  Emmius  es  ver- 
steht, seine  Schilderungen   anschaulicher   und   durchsichtiger, 
geschlossener  und  harmonischer  zu  gestalten,  als  dieses  seinen 
Quellen,  so  nahe  sie  den  Ereignissen  selbst  auch  stehen  mogen, 
in  der  Regel  gelungen  ist. 


§  5.   Die  Groninger  Quellen  aus  dem  Besitz 
von  Hoernkens  und  Buttel. 

Von  diesen  beiden  Quellen  erhalten  wir  nur  durch  je  zwei 
Notizen  der  Kollektaneen  Kunde,  in  der  Historia  gedenkt  Emmius 
ihrer   nicht.     Es  ist   demnach  unmOglich,    sich  von  ihrer  Be- 


*)  Diese  topographischen  Verhaltnisse  ergeben  sich  aus  einem  unter 
Beriicksichtigung  frfiherer  Zustinde  verfertigten  Groninger  Stadtplan  des 
17ton  Jahrhunderts,  aus  dem  Verlag  von  Qebr.  Lotter  in  Augsburg. 


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—    362    — 

schaffenheit  und  von  ihrem  Umfange  auch  nur  ein  annahernd 
deutliches  Bild  zu  machen.  Die  eine  Nachricht  unter  der 
Quellenangabe  „L.  Hoernkens"  bezieht  sich  auf  eine  1492  er- 
folgte  Eroberung  von  Winschoten,  sodann  fuhrt  Emmius  zum 
Jahre  1506  den  Wortlaut  des  Eides  an,  welchen  die  Groninger 
den  Grafen  Edzard  und  Uko  von  Ostfriesland  in  diesem  Jahre 
geleistet  haben.  Darunter  steht:  ^Hoc  ex  codice  Ludolphi  Hoern- 
kens Gron.u.  Wer  jener  Ludolph  Hoernkens  gewesen  sein  mag, 
wird  sich  kaum  feststellen  lassen;  jedenfalls  entstammte  er 
einer  alten  und  bedeutenden  Groninger  Patrizierfamilie,  in 
deren  Besitz  sich  wichtige  Nachrichten  iiber  die  Geschichte 
Groningens  befinden  konnten.  Schon  im  Jahre  1301  wird  ein 
Groninger  Biirgermeister  Bernhard  Hornekingh  genannt,  welcher, 
zumal  nach  dem  spatter  ofters  wieder  vorkommenden  Vornamen 
zu  urteilen,  derselben  Familie  angehort  haben  wird.  Wir  finden 
z.  B.  im  Jahre  1482  einen  Biirgermeister  Berent  Horneken. 
Aus  der  Zeit  Edzards  des  Grossen  wird  uns  ein  Ludeken  Hor- 
neken genannt,  welcher  in  Groningen  von  1500—1506  mit 
einziger  Unterbrechung  des  Jahres  1502  das  Amt  eines  Burger- 
meisters  ftihrte.  Zu  Emmius  Zeit  bekleidete  aus  dieser  Familie 
Lodewich  Hoernkens  von  1608 — 1622  achtmal  das  Bdrger- 
meisteramt,  sowie  zwischen  1607  und  1620  siebenmal  das  Amt 
eines  Hovetmannes,  er  starb  im  Jahre  1623.  Der  Senator  Lam- 
bertus  Hoernkens  gehorte  im  Jahre  1614  zu  den  Kuratoren  der 
Groninger  Universitat,  hatte  also  auch  amtlich  Gelegenheit  zu 
Emmius  in  Beziehung  zu  treten1). 

*)  [Da  anzunehmen  ist,  dass  Ludolf  Hoernkens  zu  den  Groninger  Ver- 
bannten  gehorte,  die  Emmius  persdnlich  in  Ostfriesland  kennen  lernte,  so 
diirfte  er  sich  unter  dem  „Lutgen  Horenkens"  verbergen,  der  mit  zwei 
anderen  Mitgliedern  seiner  Familie,  Albert  und  Reyner  Horenkens, 
von  Emden  aus  auf  dem  Reichstage  zu  Speier  i.  J.  1570  die  Supplik  der 
166  Groninger  und  Ommelander  Fluchtlinge  gegen  Alba  uberreichen 
liess  (Harkenr.  Oorspr.  S.  368).  Am  10.  Januar  1570  war  er  mit  den 
ubrigen  von  Albas  Blutrat  in  contumaciam  als  Rebell  erklart,  an 
ewiger  Verbannung  und  zur  Einziehung  aller  Guter  verurteilt  worden 
(Brucherus,  Gesch.  v.  d.  opk.  d.  kerkhervorming  in  d.  pr.  Groningen,  Gron. 
1821,  S.  167  ff.).  Das  „Nobiliarium  Groninganum"  des  Wilh.  Coenders  van 
Helpen  (Nederlandsch  Familieblad  III,  1886,  S.  91)  meldet:  ,1569  sijn  de 
Jonkeren  Horenkens  geweest  in  ballingschap  na  Norden,  na  Lier  ende 
Embden8.  „LutgenB  ist  nur  die  Diminutivform  von  „  Ludolf",  und  der 
obengenannte  Groninger  Burgermeister  heisst  z.  B.  im  Nobiliarium  Gro* 


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Mit  grosserer  Sicherheit  ist  die  Persflnlichkeit  des  andern 
von  Emmius  als  Besitzer  oder  Verfasser  einer  Quellenschrift 
genannten  Groningers  festzustellen.  Emmius  ftihrt  eine  Gro- 
ninger  Nachricht  aus  dem  Jahre  1491  an  mit  der  Angabe :  „Jn 
registro  Henrici  Buttel" l).  Nun  findet  sich  unter  den  stadtischen 
Deputierten  der  Provinz  Groningen  fiir  die  Jahre  1598  und  99 
ein  Henricus  Butt  el,  und  es  liegt  nahe,  in  diesem  Zeitgenossen 
des  Emmius  den  von  ihm  erw&hnten  Gew&brsmann  zu  ver- 
muten,  wenngleich  es  immerhin  nicht  ausgeschlossen  ist,  dass 
dieser  mit  dem  cap.  X.  §  1  genannten  Emder  Buttelius  identisch 
ist.  Welcher  Art  allerdings  sein  von  Emmius  benutztes  Re- 
gister gewesen  sein  mag,  lasst  sich  auch  aus  der  andern  von 
ihm  stammenden  Nachricht,  derjenigen  vom  Einsturze  des 
St.  Martinsturmes  im  Jahre  1468 2),  schwerlich  ermessen.  So- 
viel  aber  wird  sich  jedenfalls  sagen  lassen,  dass  Emmius  hier 
nicht  unerhebliche  Aufzeichnungen  von  bedeutsamen  PersOn- 
lichkeiten  der  Stadt  zur  Verfugung  gestanden  haben  miissen. 
DerUmstand,  dass  uns  dieselben  nicht  erhalten  zu  sein  scheinen, 
kann  den  Wert  der  Emmius'schen  Angaben  fiber  die  Groninger 
Verhaltnisse  des  15ten  und  16ten  Jahrhunderts  nur  erhOhen. 


§  6.  Der  Groninger  Priester  Lemgovius. 

Einer  einzigen  Bemerkung  in  der  Historia  verdanken  wir 
die  Kunde  von  einer  Quelle  des  Emmius,  fiber  die  sich  sonst 
wohl  kaum  jemals  etwas  wird  nachweisen  lassen.  Emmius 
giebt  auf  p.  716  der  Historia  eine  Schilderung  der  Eroberung  von 
Appingadam  durch  die  Sachsen  im  Jahre  1514  im  Anschluss 
an  Eggerik  Beninga8)  und  ftigt  dann  hinzu:  »Nec  aliter  Lem- 
govius sacerdos  Groninganus,  qui  res  eius  beUi  exposuit*.  Es  ist 
danach  wohl  anzunehmen,   dass  es  sich  hier  um  eine  speziell 

ninganum  bald  „Luideken",  bald  „Luidolf".  Emmius1  Freund  ist  wohl 
identisch  mit  dem  1595  gestorbenen  Schwiegersohne  des  Burgermeisters 
von  Groningen  Reiner  Garmens  und  Schwager  des  Ostfriesischen  Edel- 
mannes  Ulrich  v.  Folkersheim  in  Twixlum,  Luitgen  Horenken,  vgl. 
Navorscher  1887  S.  201.     (Nachtragliche  Mitteilung  v.  Herrn  Dr.  Ritter.)] 

l)  „A.  1491  gingen  tho  Groningen  umme  Gades  willen  vehr  dusent 
arme  menschen.    In  r.  H.  B.B. 

s)  Em.  hist.  p.  396. 

8)  Eg.  Beninga  p.  556— 55a 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  a.  vaterl.  Altertamer  zu  Em  den,  Bd.  XV.  24 


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—    364    — 

die  s&chsische  Fehde  beschreibende  Chronik  gehandelt  hat. 
Eine  solche  aber  lag  Emmius  vor  in  der  von  ibm  als 
„Acta  belli  Saxonici"  bezeichneten  Quelle,  xiber  die  wir  durch 
einen  Auszug  von  Emmius  n&her  unterrichtet  sind1).  Identisch 
aber  k6nnen  diese  beiden  Quellen  nicht  sein,  da  im  Emmius- 
schen  Auszuge  der  „Acta  belli  Saxonicia  gerade  die  hier  aus 
Lemgovius  angezogene  Schilderung  der  Eroberung  von  Appinga- 
dam  fehlt,  wortiber  Emmius  in  seinem  Auszuge  bemerkt:  vHic 
in  mutilo  libro  pagellae  aliquot  deerant  cum  duorum  fere  mensnum 
rebus  gestis;  imprimis  historic*  captae  Dammonae".  Ueber  die  Per- 
sonlichkeit  des  Lemgovius  lasst  sich  nichts  feststellen,  man 
wird  aber  mit  Blok2)  annehmen  dtirfen,  dass  er  jene  Ereignisse 
als  Zeitgenosse  beschrieben  hat. 


§  7.    Die   Chronik   des   Franziskanerklosters 
in  Groningen. 

Unter  den  im  Jahre  1707  fur  das  Auricher  Archiv  er- 
worbenen  Papieren  aus  dem  Nachlasse  von  Emmius3)  befindet 
sich  ein  von  unbekannter  Hand  geschriebener  Auszug  aus  einer 
Klosterchronik  mit  derUeberschrift:  „Ex  cronico  conventus  nostrf1. 
Derselbe  umfasst  Nachrichten  von  der  Eroberung  Emdens  durch 
Keno  ten  Brok  i.  J.  14134)  bis  zur  Entsetzung  von  Appingadam 
durch  Edzard  den  Grossen  im  Jahre  1501 5).    Dass  es  sich  hier 


>)  vgl.  §  10. 

*)  Sicke  Benninge  ed.  Feith.    Inleiding  p.  XII. 

8)  vgl.  hieruber  Herquet,  Geschichte  des  Landesarchivs  von  Ost- 
friesland,  Norden  1879,  p.  11  ff. 

4)  Die  Chronik  hat  1411. 

*)  Der  gleiche  Chronikauszug  findet  sich  in  zwei  verschiedenen  Text- 
rezensionen  in  einer  Handschrift  des  Gabbema-Archivs  zu  Leeuwarden. 
Fonnell  wie  inhaltlich  weichen  beide  untereinander  wie  auch  von  dem 
aus  Emmius*  Nachlasse  stammenden  Exemplar  an  manchen  Stellen  ab. 
Die  den  einzelnen  Stucken  originalen  Nachrichten  lassen  darauf  schliessen, 
dass  es  sich  um  3  nach  derselben  Vorlage  unabhangig  von  einander  an- 
gefertigte  Auszuge  handelt.  Dabei  wird  diese  gemeinsame  Vorlage  viel- 
leicht  nicht  mehr  in  der  Groninger  Franziskanerchronik  selbst  zu  suchen 
sein,  da  alle  drei  nur  den  Zeitraum  von  1411—1501  behandeln,  auf  den 
sich  die  Klosterchronik  doch  kaum  beschrankt  haben  wird.  Von  den 
beiden  Leeuwarder  Stucken  tr^gt  das  eine  die  Ueberschrift  „Ex  cronico 
conventus  nostritf,  das  andere  „ex  cronico  coenobii  franciscanoruin*. 


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—    365    — 

urn  die  Chronik  des  Franziskanerklosters  zu  Groningen  handeln 

muss,  geht  daraus  hervor,  dass  beim   Berichte   der   Groninger 

Unruhen  von  1413,  nachdem  die  Ermordung  des  Allardus  Clant 

erz&hlt  ist,  bemerkt  wird :  ^filius  veto  eius  Wibrandus  et  Dutma- 

rus  filius  Johannis  Rengliers  in  conventum  nostrum   fugiant   atque 

ibi  liberantur  periculo  mortis".    Emmius   selbst   aber   sagt   iiber 

diese  Rettung  der  beiden  Groninger  Patrizierstfhne l) :  9Wihran- 

dus  Clantius  et  Dethmarus  Bengerus,  Joannis  in   curia  interempti 

filius,  cum  similem  ad  caedem  quaerercntur,  in  fanum  Franciscanum 

velut  in  asylum  cursim  fugientes,  vix  vitam  servaruntu.    In  dieser 

Erz&hlung  werden  wir  zugleich  die  Quelle  fur  den  Bericht  iiber 

die   Groninger  Unruhen   von   1413   bei   Sicke  Benninge  bezw. 

Johann  v.  Lemego  zu  sehen  haben.     Das  Franziskanerkloster 

stand  durch  die  Flucht  der  beiden  Genannten  mit   den  Ereig- 

nissen  in  der  engsten  Verbindung,   und   wenn   irgendwo,    so 

kann  man  hier  zuverlassige  Nachrichten  fiber  jene  Vorgange 

erwarten.    Ob  dabei  der  betreffende  Passus  der  Klosterchronik 

unmittelbar  nach  den  Geschehnissen  abgefasst  ist,   oder  aber, 

ob  er  sich  auf  andere  gleichzeitige  Aufzeichnungen  im  Kloster 

griindet,  muss  ungewiss  bleiben.    Die  nahen  Beziehungen  aber 

zwischen  dem  Berichte  Lemegos  und  demjenigen  der  Groninger 

Klosterchronik   lassen  mit  Sicherheit   darauf  schliessen,   dass 

wir  hier  einer  der  im  einzelnen  unbekannten2)  Groninger  Quellen 

Lemegos   gegenfiberstehen ;    ein    Vergleich   mag   dies   darthun: 


Chronik  des  Franziskanerklosters. 
„Anno  1413  seditionem  moverunt  He- 
korstii  in  curia  et  occiderunt  Jolian- 
nem  Renghers  affinetn  Reinoldi  Huginge 
et  Albertum  Kermes  et  Johannem  ab 
Beckum  in  ipsa  curia,  atque  in  forum 
redeuntes  invenerunt  Hinrikum  Clant 
et  eum  invadunt  atque  fugientem  in 
domum  quae  appellatur  Schoenegevel 
insequuntur  atque  ibi  trucidant  et  pro- 
gressi  sunt  in  aulam  Allardi  Clant 
ac   eum   accumbentem   mensae   inter- 


Sicke  Benninge  p.  62  f. 
,.Item  des  slogen  tie  doet  de  Heker- 
schen  pertijesluden  Johan  Rcngcrs, 
de  ten  zwager  Rcinolt  Hugen,  up  dat 
rec1tihuy8  ende  Albert  Barholt  Kernes 
zoen  ende  Johan  van  Beckunij  den  ww- 
pen  se  doet  boven  uut  den  rechthuse. 
[Es  folgen  dann  die  von  Sicke  Ben- 
ninge in  den  Lemegoschen  Text 
eingeftigten  Namen  der  MSrder.] 
Item  als  de  doetslagers  up  dat  mcrcket 
quemen  ende  voenden  se  daer  gaen  Hen- 


l)  Em.  hist.  p.  260. 

*)  Blok  (Sicke  Benninge  ed.  Feith,  Inleiding  p.  XV)  spricht  von  diesen 
nicht  n&her  nachzuweisenden  Quellen  ganz  allgemein  als:  .aanteekeningen 
zijner  oudere  tijdgenooten". 

24* 


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ficiunt.  filius  vero  eius  Wibrandus  et 
Dutmarus  fUius  Johannis  Rmghers 
in  conventum  nostrum  fugiunt  atque 
ibi  libcrantur  periculo  mortis.  Post 
hoc  factum  venit  Coppenius  Jarges  ct 
eius  complices  ad  administrationcm 
Beipubl.  atque  pepulerunt  in  exUium 
nobUcs  et  praestantes  viros  Btinoldum 
Huginge  cum  tola  prole,  item  Otto- 
nem  Clant,  Wibrandum  Clant,  Joh. 
Clant,  Brunium  Clinghe  et  affines 
suos,  Henricum  a  Bruggen,  Lodexoicum, 
Baroldum,  Johannem,  Bodolphum  fra- 
tres  et  Johannem  a  Metelen,  item  Har- 
mannum  ab  Hanssow  et  filios  suos, 
Johannem  et  Ottonem,  et  multos  alios 
praedictorum  cognatos  et  amicos;  item 
Onstmannos,  Hayonem  Ripperda,  Men- 
eonem  Houwerda,  Eltium  Gockingha  et 
alios  perplures,  qui  omnes  profecti  sunt 
ad  praedictum  dominum  Kenonem  in 
frisiam  orientalem  et  ibi  manserunt 
duos  annos,  usque  quo  groningam 
iterum  occuparunt.  Interea  Coppenius 
consilio  Oynelkonis  praepositi  in  Farm- 
sum  coUigit  multa  vasa  aurea  et  ar- 
gentea  ex  claustris  et  ecdesiis  in  agro 
et  monetam  ex  iis  fieri  fecit,  quae 
appeUatur  Coppensgulden.  Bostea  fit 
Keno  inimicus  Coppenii  atque  invadit 
Reiderlandiam  atque  comburit  Beider- 
zyl,  Oterdumerzyl  et  iterum  discessit, 
sed  Coppenius  cepit  consilium  et  po- 
suit  praesidium  in  praedicta  loca  ver- 
sus Eemsam. 


rick  Clant,  Otto  Clant,  de  jageden  « 
in  den  schonen  gevel,  doer  doegen 
se  hem  doet  .  .  Ende  gingen  doer 
voert  to  Alberts  Clants  huues,  ge- 
legen  to  tcesterzijt  van  den  marckeden 
na  Botteringestrate  an  de  zuederzijt 
Albert  Wicboldus  huus  ende  dogen 
Albert  Clant  doett  doer  he  sat  an  sijner 
taffelen  kter  maeltijt.  Ende  WibrtaA 
Clant,  zijn  soen,  de  liep  uut  ten  ARjn- 
rebroderen  in  de  kercke.  Ende  desgt- 
liken  deden  oick  DutmerJohanBengen 
ende  lepen  oick  tenbroderen  in  de  kercke. 
Ende  als  de  luden  dus  doet  gestagen 
wereny  do  quam  Coppen  Jarges,  de$ 
olden  Jarges  sone,  de  geboren  was  to 
Staveren,  in  dot  regiment  mijt  sijnen 
vrenden  ende  pertijesluden  in  der  stadt 
Oroningen  ende  in  de  Ommelanden  Irij 
Oroningen  gelegen.  Ende  Coppen  vorss. 
mil  sijnen  vrenden  en  pertijeslueden 
verdreven  uut  der  stadt  Groninge* 
Reynolt  Hugijngc  mijt  aUe  sijne  kin- 
deren  ende  daerto  Otto  Clant,  W&rtiaf 
Clant,  Johan  Clant,  Brum  Clijngen 
m\jt  sijne  swagers,  alse  Hinrick  ter 
Bruggen  ende  sijnen  broder,  als  Lod- 
wich  Bareldes,  Johan  ende  Rrtef 
Hornkens  ende  voert  Hermen  Transom 
ende  Otto  ende  Johan  sijne  kindcren, 
vele  Borgers  ende  vrenden  der  vorss. 
luden  oick  verdreven  uut  den  Omme- 
landen bij  Groningen  gelegen,  alse  de 
Onstemans  broders  ende  vrenden  ende 
pertijesluden  ende  alle  de  vorss.  togen 


over  de  Emse  to  joncker  kenen  ende  to 
sijnen  pertijesluden.  Ende  doer  bleven  sij  twe  jaer  lanck  hen  ter  tijt,  dot  Oroningen  ge- 
wonnen  wort,  datjuncker  kene  mijt  sijnen  vrenden  ende  pertijesluden  tnede  bijbrachtenu . 

Zudem  geht  noch  beiden  Berichteri  die  Erz&hlung  von  der  Er- 
oberung  Emdens  durch  Keno  ten  Brok  voraus,  die  von  beiden 
ziemlich  mit  denselben  Worten  wiedergegeben  wird.  Trotz  der 
nahen  Verwandtschaft  beider  Berichte  aber  weist  derjenige  der 
Klosterchronik  nicht  nur  eine  lebhaftere  Schilderung  auf,  son- 
dern  auch  einige  Angaben,  die  von  Lemego  nicht  dbernommen 
sind,   so   den   Namen  des  vertriebenen  Johann  v.  Metelen  und 


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diejenigen  von  Onsta,  Hayo  Ripperda  u.  a.  Emmius1)  scheint 
trier  bei  aller  Uebereinstimmung  der  Berichte  im  allgemeinen 
fur  die  Angabe  der  Namen  die  Franziskanerchronik  nicht  be- 
nutzt  zu  haben,  sondern  ausser  Lemego  wobl  noch  eine  andere 
Groninger  Quelle.  So  erw&hnt  er  den  der  Klosterchronik  eigen- 
tiimlichen  Joh.  v.  Metelen  nicht,  hat  dafttr  aber  andere  Namen 
von  Exulanten;  ebenso  lasst  er  die  von  der  Franziskanerchronik 
beigefiigten  Vornamen  der  Vertriebenen,  Ripperda,  Houwerda 
und  Gockinga,  fort. 

Auch    bei    den    anderen    Nachrichten    unseres    Chronik- 
fragmentes  lasst  sich,  soweit  dieselben  den  bekannten  Quellen 
gegentiber  selbstandig  sind,  eine  Benutzung  durch  Emmius  in 
der  Historia  nicht  nachweisen.     Die  grOsste  Uebereinstimmung, 
welche    sich    in    dieser   Hinsicht    zwischen   beiden   feststellen 
lasst,  besteht   in  der  Aufzahlung  der  Namen  ommel&ndischer 
Edelleute,  welche  es  mit  dem  Grafen  Edzard  hielten,  als  dieser 
Verbiindeter  Albrechts  von  Sachsen  war.     Diese  Namen  werden 
von  Emmius2)   sogar  in  derselben  Reihenfolge  aufgez&hlt,  wie 
dies  in  der  Klosterchronik  der  Fall  ist.    Die  einzige  Abweichung 
in  der  Emmius'schen  Lesart  besteht  darin,   dass   dieser  nach 
Johann   Rengers  ten  Post   noch   einen   Bruder   desselben   mit 
Namen  Ditmarus  einschiebt.    Ware  hier  wenigstens  die  Moglich- 
keit  einer  Abhangigkeit  vorhanden,   so  ist  diese  vOUig  ausge- 
schlossen  bei  der  letzten  Nachricht,  welche  uns  aus  der  Kloster- 
chronik erhalten  ist,  bei  derjenigen  von  der  Belagerung  und 
Entsetzung  Appingadams  im  Jahre  1501.     Zunachst  giebt  die 
Klosterchronik  die  Zahl  der  Gefallenen  bei  dem  zweiten,  von  den 
Groningern  nach  Pfingsten  unternommenen  Sturm  auf  Appinga- 
dam   auf  Seiten  der  Stiirmenden  auf  200  an.     Emmius3)  hat 
hier  iiberhaupt  keine  Zahlenangabe,  er  sagt:  ^Septies,  ait  Grimers- 
hetnius,  summo  conatu  oppugnantes  vallum  invasisse,  septies  cum  clade 
reiectos,  caesos,  ac  in  fossa  oppressos  multos}plures  vulneribus  confectos* . 
Da  Emmius  im  iibrigen  eine  ziemlich  ausflihrliche  Beschreibung 
der  Belagerung  und  Bestiirmung  der  Stadt  giebt,  so  wird  kaum 
anzunehmen  sein,  dass  er  diese  Zahl,   wenn  sie   ihm  bekannt 
gewesen  ware,  unbeachtet  gelassen  h&tte.     Ebenso  ist  bei  der 


>)  Em.  hist.  p.  260. 
3)  Em.  hist.  p.  579. 
•)  Em.  hist.  p.  610. 


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Emmius'schen  Zahlenangabe  fiir  das  Entsatzheer  Edzards  des 
Grossen1)  auf  1400+2500  Mann,  die  abweichende  Zahl  der 
Chronik  1400  +  3000  Mann  nicht  berQcksichtigt.  Das  Gleiche 
ist  der  Fall  bei  den  infolge  der  Entsetzung  der  Stadt  ge- 
fallenen  Groningern  (Emmius:  250  +  400*),  Franziskanerchronik : 
500  +  400).  Es  ist  somit  nach  dem  Befund  unsres  Fragmentes 
nicht  anzunehmen,  dass  es  dem  Emmius  bereits  bei  Abfassung 
der  Historia  vorgelegen  habe,  es  wird  vielmehr  erst  sp&ter  in 
seine  H&nde  gelangt  sein.  Das  Fragment  selbst  aber  ist  nicht 
so  sehr  durch  seine  abweichenden  Nachrichten  interessant,  als 
vielmehr  dadurch,  dass  wir  hier  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
eine  Quelle  Johann  van  Lemegos  und  somit  eine  indirekte  Quelle 
des  Emmius  vor  uns  haben. 


§  8.  Die  Fortsetzung  des  Joh.  v.  Lemego. 

Es  ist  bereits  bei  der  Besprechung  der  Lemegoschen 
Chronik  darauf  hingewiesen,  dass  dieselbe  in  den  von  Emmius 
exzerpierten  „Rer.  Gron.  Com.  breves",  in  denen  sie  mit  der 
Beschreibung  des  Groninger  Stadt wappens  abschliesst3),  eine 
selbstandige  Fortsetzung  gefunden  hat.  Am  Schluss  der  mit 
Lemego  tibereinstimmenden  Exzerpte  folgt  zun&chst  die  Be- 
merkung  von  Emmius:  nSequitur  hie  in  chronico  poema  Germani- 
cum  pulcherrimis  rithmis,  statim  post  annum  1400  ut  videtur  compo- 
situm  de  bellis  Guilhelmi  et  Alberti  Roll,  comitum  contra  Frisios, 
cuius  series  haec  fere  estu.  Nachdem  nun  der  Inhalt  dieses  Ge- 
dichtes  angegeben  ist,  folgt  ein  Vertrag,  den  der  Probst  von 
Loppersum  im  Jahre  1424  mit  den  Eingesessenen  seiner  Gegend 
abgeschlossen  hat.  Bei  Lemego  findet  sich  dieser  nicht,  er  ist 
Em.  hist.  p.  292  verwertet.  Hieran  schliessen  sich  unmittelbar 
einige  Nachrichten  aus  den  Jahren  1452  ff.  an,  welche  zum 
Teil  nur  durch  diese  Quelle  erhalten  zu  sein  scheinen.  In  das 
Jahr  1452  f&llt  die  Busspredigt  des  Groninger  Franziskaners 
Brugmannus.  Zum  folgenden  Jahre  werden  dann  erst  die 
Namen  der  Mitglieder  des  Groninger  Magistrates  und  Senats 
aufgez&hlt,    worauf   von   einer    durch    diesen   Magistrat    an- 


>)  p.  611. 
»)  p.  612. 
*)  Sicke  Benninge  p.  83. 


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gestrebten  Veranderung  berichtet  wird.  Man  wollte  der  Stadt- 
verwaltung  eine  Art  Monopol  erteilen  fClr  den  An-  und  Ver- 
kauf  aller  aus  den  Ommelanden  eingefiihrten  Produkte.  Da 
aber  das  Volk  von  dieser  Massregel  wirtschaftliche  Nachteile 
zu  gewartigen  hatte,  stellte  es  sicb  dem  Plane  entgegen  und 
wusste  denselben  unter  Mithiilfe  eines  Senators  zu  vereiteln. 
Emmius  schliesst  sich  fur  beide  Erzahlungen  durchaus  an  den 
Bericht  der  Kommentare  an1).  Trotzdem  will  er  ihnen,  weil 
sie  anderweit  nicht  kontrollierbar  sind,  eine  unbedingte  Glaub- 
wurdigkeit  nicht  zugemessen  sehen ;  vor  dem  Berichte  des  letzt- 
genannten  Ereignisses  bemerkt  er:  nquam  nisi  hie  recitavero,  ut 
est  in  vetusto  codice  historico  annotata,  sed  sine  fidei  meae  periculo, 
non  satis facere  officio  forte  videri  queamu. 

Eine  merkwiirdige  Parallele  zu  Lemego  und  Sicke  Benninge 
zeigt  sich  darin,  dass  fur  die  Jahre  1478—92  auch  hier  Nach- 
richten  ganzlich  fehlen.    Bei  alledem  aber  zeigen  die  Kommen- 
tare   auch    fQr    die    weiteren   Zeitabschnitte    Sicke    Benninge 
gegeniiber    trotz    einer    Anzahl    gemeinsam    berichteter    That- 
sachen  vollige   Selbstandigkeit,    wie   sie  bei   zwei   Chroniken, 
welche  dieselbe  Zeit  behandeln,  nur  immer  moglich   ist.     Der 
Bericht  iiber  den  Tod  Herzog  Albrechts  von  Sachsen  zeigt  eine 
beraerkenswerte    Aehnlichkeit   mit   der   Darstellung    bei    Sybe 
Jarichs,  ohne  doch  rait  dieser  genau  ubereinzustimmen.    Einen 
Teil   dieses  Berichtes   fiihrt  Emmius  in  seinen  Exzerpten  im 
Wortlaute  an:    nSo  is   nicht  lang  daernae  Hertoch  Albrecht  van 
Sassen  van  Selvertt  gevoerett  all  doct  nae  Emden  up  den  24.  Dag 
in  Aug.  und  aldaer  tho  Emden  upgedaen  und  gebalsamert,  datt  in- 
gewandt  tho  Emden  in  der  kerken  begraven,   datt  gebalsamede  lyff 
in  ein  ledern  vatt  gelecht   und  also   weg  gevoerett91.     Die  Worte 
bieten  uns  zugleich  ein  Beispiel  ftir  die  Sprache,   in  der   die 
Kommentare  abgefasst  sind. 

Dasjenige,  was  den  Berichten,  aus  dem  ersten  Jahrzehnte 
des  16ten  Jahrhunderts  zumal,  ihr  besonderes  Gepr&ge  giebt, 
sind  die  zahlreichen  eingestreuten  Urkunden  und  Verordnungen. 
Emmius  hat  einige  davon  in  der  Historia  benutzt,  so  z.  B.  die- 
jenigen  Edzards  des  Grossen  von  1509  und  1510,  welche  Groninger 
Rechts-  und  Steuerverh&ltnisse  betreffen2).    Bei  Anfuhrung  des 

~~~        l)  Em.  hist.  p.  374. 

*>  Em.  hist  p.  676  u.  676. 


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Erlasses  von  1509  nimmt  Emmius  auch  auf  unsere  Quelle  aus- 
driicklich  Bezug,  er  sagt:  ^Inveni  in  vetusto  codice,  situ  pene  exeso, 
res  gestas  in  urbe  agroque  pertnultas  complexo*.  Die  Nachrichten  und 
Urkunden  aus  den  letzten  Jahren  sind  nicht  mehr  in  chrono- 
logischer  Ordnung  gegeben,  sie  reichen  bis  in  das  Jahr  1511. 
AngefQgt  ist  dann  noch  ein  Ueberblick  tiber  die  Beziehungen 
Groningens  zu  den  Utrechter  BischSfen. 

Den  Abschluss  der  Kommentare  scheinen  neben  einem 
nCatalogus  principum  aut  procerum,  qui  aut  ipsi,  aut  per  legates 
suos  et  auxilia  Alberto  et  Qeorgio  Sax.  contra  Ghroninganos  miltia- 
runt*,  5  Gedichte  gebildet  zu  haben,  tiber  welche  Emmius  fol- 
gendes  bemerkt:  ^Sequuntur  in  chronico  5  cantiones  rithmis  Germani- 
cis  compositae,  non  insulsae,  sed  omnes  probrosae,  prima  in  Edzardum, 
altera  in  Albertum  Saxone,  reliquae  tresm  in  fUium  Alberti  Georgium*. 
Leider  hat  auch  hier  Emmius  wiederum  den  Wortlaut  der  Ge- 
dichte verschwiegen,  dagegen  giebt  er  von  alien  eine  lateinische 
Inhaltsangabe.  Diejenige  des  gegen  Edzard  gerichteten  Ge- 
dichtes  mftge  hier  folgen:  „/n  prima  exponitur,  quod  Edzardus 
tribus  principibus  bello  potitus  (Monast.  Epo.  qui  aperte  nomina- 
tor, Jeverano  et  Esensi  qui  non  exprimuntur)  usus  sit  fideli  ami- 
citia  Groningensium,  promiseritque  se  perpetuam  et  constantem  pacem 
cum  Mis  culturum:  acceperit  vero  ab  iUis  in  discrimine  suo  pulverem 
Lombard,  magna  mensura.  Deinde,  quod  Groningani,  incommoda 
Edzardi  videntes,  impetrato  ab  hostibus  eius  salvo  conducto,  legatos 
suos  Abbates,  antistites,  consules  miserint  ad  Monasteriensem  ac 
pacem  per  eos  Edzardo  conciliarint.  Deinde  cum  suspiciones  quae- 
dam  moverentur,  Groninganum  senatum  ad  Edzardum  misisse,  per- 
contatum,  quid  ab  ipso  exspectare  deberent,  eumque  respondisse,  per- 
petuam pacem  se  erga  eos  servaturum.  Non  multo  tamen  post  Ed- 
zardum oblitum  esse  beneficii  et  promissorum,  bello  non  indieto 
Dammonam  occupasse.  Dammonenses  vero  etiam  fidei  oblitos  a 
Groninganis  dominis  suis  ad  Edzardum  se  contulisse  magno  suo  maloa. 

Nach  alledem  stellt  sich  uns  die  Fortsetzung  der  Lemego- 
schen  Chronik  in  den  „Rer.  Gron.  Com.  breves"  dar  als  eine 
Zusammenstellung  von  geschichtlichen  Notizen,  Groninger  Ur- 
kunden und  zeitgenossischen  Gedichten  oder  Liedern  tiber 
historische  Ereignisse  und  Personlichkeiten.  Emmius  hat  denn 
auch  eine  Anzahl  Nachrichten  und  Urkunden  tiber  Groninger 
Verh&ltnisse  aus  der  Zeit  von  1424 — 1511    dieser  Quelle  ent- 


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nommen.  Die  Identitat  dieser  Chronik  l&sst  sich  gegenwartig 
nicht  mehr  feststellen,  wahrscheinlich  hatte  Emmius  in  seinem 
mehrfach  erwahnten  alten  Codex  das  Original  des  unbekannten 
Fortsetzers  Lemegos  vor  sich,  welches,  nach  Emmius'  Notizen 
zu  schliessen,  schon  damals  in  schlechtem  Zustande  war  und 
spater  untergegangen  sein  wird,  so  dass  diese  Chronik  nur 
noch  in  den  Exzerpten  von  Emmius  zum  Teil  sich  erhalten  hat. 


§  9.    Die  Chronik  des  Johann  Rengers  van  ten  Post. 

Johann  Rengers  van  ten  Post,  ein  Edelmann  aus  den 
Groninger  Ommelanden,  welcher  infolge  der  Wirren  in  seinem 
Vaterlande  1580  die  Heimat  verlassen  musste,  schrieb  in  der 
Verbannung  zu  Oldersum  in  Ostfriesland  und  zu  Bremen  eine 
Chronik  der  Ommelande1),  welche  zugleich  noeck  etliche  dingen 
vanden  Fresen  alien  int  gemein"  umfassen  sollte.  Sie  reicht  von 
den  altesten  Zeiten  bis  auf  die  Tage  des  Verfassers,  bis  zum 
Jahre  1586.  Das  Werk  enth&lt  fur  die  altere  Zeit  vorwiegend 
Ausziige  aus  anderweit  hinlanglich  bekannten  Schriftstellern, 
Eggerik  Beninga,  Sicke  Benninge,  Worp  v.  Thabor  u.  a.  Selb- 
st&ndige  Bedeutung  besitzen  nur  die  zugleich  auch  weit  aus- 
fflhrlicher  angelegten  Erz&hlungen  aus  der  Periode,  welche  der 
Verfasser  als  Zeitgenosse  mit  durchlebt  hat2). 

Emmius  war  bereits  als  Rektor  zu  Leer  mit  dem  in 
Oldersum  lebenden  Verbannten  befreundet;  die  damals  an- 
gekniipften  Beziehungen  wurden  nach  der  1594  erfolgten  Riick- 
kehr  von  Rengers  und  der  Berufung  des  Emmius  nach  Groningen 
nur  noch  enger3).  Es  ist  somit  anzunehmen,  dass  Rengers 
seinem  Freunde  schon  friihzeitig  sein  Werk  zur  Verfugung  ge- 
stellt  hat.  Einen  besonderen  Gewinn  konnte  dies  nun  freilich 
nach  der  Beschaffenheit  der  Chronik  fiir  die  mit  dem  Jahre 
1564  abschliessende  Historia  nicht  ausmachen.  Die  Erz&hlungen 
aus  sllterer  Zeit  lagen  Emmius  in  den  betreffenden  Quellen 
selbst  vor,  und   die  besten  Stucke  des  Rengers'schen  Werkes 


*)  Werken  van  den  Ommelander  edelman  Johan  Rengers  van   ten 
Post  ed.  Feith,  Groningen  1862,  Bd.I  u.  II. 
f)  a.  a.  0.  Vorrede  p.  1. 
»)  vgl.  Rengers  ed.  Feith,  Bd.  Ill,  p.  111-118. 


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—     372 


konnten  Air  ihn  nicht  mehr  in  Betracht  kommen.  Die  einzige 
Zeit,  wo  es  moglichenfalls  ftir  Emmius  von  Wert  sein  konnte, 
waren  die  Jahre  nach  1525,  wo  ihn  sein  bisheriger  Fiihrer  fur 
die  Groninger  Ereignisse  Sicke  Benninge  verl&sst.  Inwieweit 
hier  der  von  Emmius  gelegentlich  erw&hnte  „scriptor  eius  tem- 
poris  obscurus,  qui  appendicem  Sicconis  historiae  rudi  stilo 
attexuit"1),  einen  Ersatz  fiir  Sicke  Benninge  bieten  konnte, 
lasst  sich  nicht  angeben.  Da  wir  auch  sonst  iiber  seine  Gro- 
ninger Quellen  gerade  fiir  diese  Zeit  wenig  unterrichtet  sind, 
k8nnen  solche  leider  zu  einer  Feststellung  des  Verhaltnisses 
von  Emmius  zu  Rengers  nicht  vergleichsweise  herangezogen 
werden.  Moglich  ist  es,  dass  Emmius  fiir  die  genannte  Zeit 
mehrere  Nachrichten,  welche  die  Eggerik  Beninga'schen  Be- 
richte  erganzen,  aus  Rengers  entnimmt,  jedenfalls  aber  ?tragen 
diese  dann  in  der  Historia  zu  wenig  ausgesprochen  originales 
Geprage,  als  dass  sich  ihre  Herkunft  dadurch  allein  mit  Sicher- 
heit  feststellen  liesse. 

Nur  an  zwei  Stellen  der  Historia  lasst  sich  mit  Gewiss- 
heit  die  Beziehung  zu  Rengers  nachweissen,  da  die  betr.  Nach- 
richten sich  zugleich  unter  der  Bezeichnung  „ex  comment.  Jois. 
Rengeri  Postania  in  Emmius'  Kollektaneen  befinden.  Nach  Eg- 
gerik Benin ga2)  wird  es  nicht  recht  deutlich,  warum  der  Herzog 
von  Geldern  im  Jahre  1534,  nachdem  seine  siegreichen  Truppen 
Greetsiel,  die  Stammburg  des  graflichen  Hauses,  erobert  und 
sich  in  Ostfriesland  unbehindert  festgesetzt  hatten,  so  plotzlich 
zu  einem  fiir  Ostfriesland  verhaltnismassig  gtinstigen  Frieden 
geneigt  scheint.  Emmius  weiss  dafur  auf  Grund  einer  Nachricht 
von  Rengers  eine  zureichende  Erklarung  zu  geben: 


Rengers  I,  p.  234. 
%De  gelderschen  begindet  am  gelde  tho 
mangeln  vnd  schreeuen  de  ouersten  van 
dts  Fursten  wegen  an  der  stadt  grati- 
ningen  vm  gelt,  dan  kregen  ten  ant- 
wort  van  hoer,  dot  se  bedanckeden  den 
grauen  vor  een  goeden  naber,  vnde 
doer  dese  vnwiUicheit  van  verschott  van 
penningen  weren  de  van  gronningen 


Emmius  hist.  p.  879. 
„Ut  enim  a  Burgundis  metu  liberi  non 
erantj  ita  nervo  rei  gerendae,  pecunia, 
destitutbantur.  Et  Oroningani  agrari- 
ique  Ordines  subsidia  postutanti  aure- 
eorum  mUlia  XVI  in  singtdos  menses 
bello  contra  comiies  durante,  turn  quia 
suarum  virium  ea  non  esse,  turn  quia 
cum  comitibus  armorum   causam  se 


')  Em.  hist.  p.  841. 

*)  Eggerik  Beninga  p.  701  f. 


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de  oirsake.  dot  hoer  Furst  oestfries- 
lants  mester  niet  wider  worde.  Anno 
1534  nadem  de  gronningers  eren  fur- 
sten  geen  gelt  noch  volck  tcolden 
»endent  verdrogen  de  gelderschen  mit 
graeff  Enno  und  Johann  und  tnakeden 
vrede.  Dot  de  gelderschen  vander 
gronningers  eesscheden  was  16000  gl. 
smaents.  Wjrmit  worde  de  h.  van 
gelre  verbittert  und  boesz  vp  de  van 
gronningen,  dock  liet  sick  des  nicht 
mercken. 


non  habere  dicerentt  alienius  respon- 
derant:  imo  modis  omnibus  contende- 
bant)  ut  beUum  sibi  noxium  cum  vi- 
cinis  componeretur.  Quod  licet  in- 
dignissime  acciperet  princeps,  cui  Ion- 
gius  tendere  propositum  erat>  tamen 
id  dissimulabat  egregiet  et  quasi  su- 
orum  studio  moveretur,  se  quoque  a 
pace  non  abhorrere  significabat. 


In  ahnlicher  Weise  findet  sich  der  bei  Rengers  Bd.  I  p.  236  f. 
gegebene  Bericht  fiber  die  Unterwerfung  der  Groninger  unter 
das  burgundische  Haus  im  Jahre  1536  und  die  darauf  erfolgte 
Entsendung  des  burgundischen  Bevollmachtigten  Schenk  nach 
Groningen  in  der  Historia1)  verwertet.  Emmius1  Verhaltnis  zu 
den  ziemlich  zablreich  eingestreuten  Urkunden  ist  bereits  an 
einer  anderen  Stelle  erortert2). 

Eine  interessante  Parallele  findet  sich  bei  Emmius  und 
Rengers  in  Betreff  ihrer  AuflFassung  der  Succession  im  graflich 
ostfriesiscben  Hause.  Bereits  nach  dem  Tode  Ennos  I.  bemerkt 
Rengers8):  „  Und  graff  Edtzert  worde  to  een  regerender  her  gecorenu. 
Seine  Auffassung  von  einer  solchen  Wahl  tritt  aber  noch  deut- 
licher  hervor,  wenn  er  nach  dem  Tode  Edzards  des  Grossen 
berichtet4):  .  .  .  ni$  graff  Enno  thorn  Regiment  angenomen  van 
prelaten,  hoefflingen,  junckeren  und  stenden  des  lants*.  Wenn 
Emmius6)  liber  die  gleiche  Angelegenheit  sagt:  unanimi  consen- 
su Ennonem  ei  (sc.  Edzardo)  suffecerunt,  non  refragantibus  caeteris 
fralribus*,  so  ist  er  hier,  wo  eine  seiner  historischen  Grand 
anschauungen  zu  Tage  tritt6),  natlirlich  nichts  weniger  als  ab- 
h&ngig  von  Rengers.  Auf  jeden  Fall  aber  ist  es  bemerkens- 
wert,  wie  der  vor  Emmius  schreibende  Groninger  Chronist  diese 
Auffassung  der  ostfriesischen  Verhaltnisse  bereits  vertritt,  falls 


')  Em.  hist.  p.  887  f. 

»)  vgl.  p.  62. 

8)  Rengers  ed.  Feith,  Bd.  I,  p.  172. 

«)  a.  a.  0.  Bd.  It  p.  232. 

*)  Em.  hist.  p.  849. 

•)  vgL  p.  28. 


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er  nicht  etwa,  was  ja  auch  nicht  ausgeschlossen  ist,  von  seinem 
Freunde  Emraius  als  von  einem  besseren  Kenner  der  ostfriesi- 
schen  Verhaltnisse  diese  Auffassung  iibernommen  und  seinem 
Werke  eingefugt  hat. 


§  10.    Die  Acta  belli  Saxonici. 

Auf  die  besprochene  Fortsetzung  v.  Lemegos  folgt  in  dem- 
selben  Emmius'schen  Manuskripte  eine  zusammenh&ngende  Dar- 
stellung  der  Ereignisse  der  Jahre  1514—1525  unter  der  Ueber- 
schrift:  ^Acta  quaedam  belli  Saxonici,  potissimum  ad  Groningam 
anno  1514,  ut  in  Chronico  Groningano  vetusto  annotata  sunt*.  Es 
ist  nicht  anzunehmen,  dass  es  sich  dabei  um  eine  weitere  Fort- 
setzung Lemegos  handelt.  Schon  die  Beschaffenheit  des  Manu- 
skriptes  spricht  hiergegen:  Die  Erzahlung  ist  durch  eine  Reihe 
leerer  Blatter  vom  Vorhergehenden  getrennt  und  durch  die  neue 
Ueberschrift  deutlich  als  selbst&ndiger  Teil  gekennzeichnet.  Ob 
es  sich  hier  um  eine  in  sich  abgeschlossene  Geschichte  der 
sachsischen  Fehde  oder  um  einen  Abschnitt  aus  einer  grosseren 
Chronik  handelt,  ist  nicht  mit  Sicherheit  festzustellen ;  die  Er- 
wahnung  des  „Chronicon  Groninganum",  dem  die  Nachrichten 
entnommen  sind,  scheint  allerdings  fur  die  letztere  Moglichkeit 
zu  sprechen.  Das  Wahrscheinlichste  aber  wird  sein,  dass  der 
Abschnitt  zunachst  selbstandig  bearbeitet,  dann  aber  einer 
anderen  Chronik  angefugt  ist,  zumal  der  von  Emmius  gewahlte 
Titel  „Acta  quaedam  etc."  wenig  fiir  einen  aus  fortlaufender 
Erzahlung  herausgerissenen  Abschnitt  passen  wurde. 

Die  Nachrichten  beginnen  mit  der  Eroberung  Delfzijls 
durch  die  Sachsen  und  reichen  bis  zu  den  Streitigkeiten 
tiber  Abschaffung  oder  Beibehaltung  der  Accise  in  Groningen 
im  Jahre  1525.  Emmius  hat  von  denselben  an  keiner  Stelle 
etwas  iibernommen,  und  wir  wiirden  die  kleine  Schrift  bei  der 
Besprechung  seiner  Quellen  ganz  (ibergehen  konnen,  wenn  er 
nicht  an  ein  paar  Stellen  gegen  ihre  Angaben  ausdriicklich 
polemisierte.  Das  eine  Mai,  wo  unser  Verfasser  die  beider- 
seitigen  Verluste  in  dem  Gefechte  bei  Detern  am  21.  April  1516 
auf  die  unsinnige  Zahl  von  11000  Mann  schatzt;  w&hrend 
Sicke  Benninge  von   1200,  Eggerik  Beninga  nur  von  600  Ge- 


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fallenen  spricht,  sagt  Emmius1)  mit  offenbarem  Hinweise  auf  den 
Verfasser  der  „Actaa:  nautor  alius  Groninganus  numerum  hunc 
quoque  (sc.  Sicconis),  sed  vanitate  clara  tnultum  augetu.  Am  scharf- 
sten  aber  spricht  Emmius  seinen  Gegensatz  gegen  die  Auf- 
fassung  der  „Acta  belli  Saxonia  bei  der  Nachricht  aus,  welche 
hier,  ebenso  wie  dies  bei  Sicke  Benninge  der  Fall  ist2),  den 
Schluss  des  Ganzen  bildet,  bei  der  Besprechung  des  erwahnten 
Groninger  Accisestreites.  Der  Verfasser  stellt  sich  deutlich  auf 
die  Seite  der  Bevolkerung  gegen  den  Magistrat  und  zeiht  die 
beiden  Ratsglieder,  welche  ihre  Klagen  uber  das  Volk  vor  den 
Herzog  von  Geldern  bringen,  der  Unwahrhaftigkeit.  An  dieser 
Stelle  l&sst  sich  Emmius8),  welcher  sich  durchaus  der  gegen- 
teiligen  Auffassung  Sicke  Benninges  anschliesst,  auf  eine  aus- 
ftihrliche  Kritik  der  „Actaa  ein,  wie  er  eine  solche  sonst  in 
der  Historia  nicht  zu  geben  pflegt.  Nachdem  er  Sickes 
Auffassung  klargelegt  hat,  fahrt  er  fort:  9At  alius  scriptor 
dvojvvfiog  factionis  plebeiae,  itidem  Groninganus,  sed  haud  quaquam 
Sicconi  comparandus,  consarcinator  potius  eventuum,  quam  historio- 
graphy, plebeculae  ubique  blandiens  in  his  exponendis  hie  illic  a 
Siccone  dissentit.  Plebis  consilia  probat,  facta  excusat,  senatum  et 
optimates  carpit  ...  De  quo  scriptore  recte  mihi  posse  did  vide- 
tur  ittud:  Quisque  ut  habet  mores,  ita  iudicata. 

Es  ist  moglich,  dass  dem  Emmius  die  „Actaa  in  doppelter 
Ueberlieferung  vorgelegen  haben,  denn  beim  Bericht  tiber  den 
Aufenthalt  des  Grafen  Edzard  am  burgundischen  Hofe  bricht 
er  plotzlich  ab  mit  der  Bemerkung:  nreliqua  omissa  sunt  in 
Chronico,  sed  in  alio  exemplari  sic  habetur*.  Hierauf  wird  dann 
der  Bericht  in  einer  etwas  abweichenden  Lesart  noch  einmal 
wiederholt  und  tiber  jenen  Punkt  hinaus,  an  dem  das  erste 
Exemplar  versagt,  zu  Ende  gefuhrt. 


§  11.    Emmius  und  Cornelius  Kempius. 

Im  Jahre  1588  erschien  zu  Coin  eine  Schrift:  „J9e  Origine, 
Situ,  Qualitale  et  Quantitate  Frisiae  et  rebus  a  Frisiis  olim  praeclare 


l)  Em.  hist.  p.  757. 

*)  Wenigstens  in  dem  von  Emmius  benutzten  Exemplare,  vgl.  §  1. 

3)  Em.  hist.  p.  8a^. 


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gestisu.    Der  Verfasser  war  der  im  Jahre  vorher  zu  Groningen 
verstorbene  Rechtsgelehrte  Cornelius   Kempius1).      Das  Werk 
enth&lt  in  3  Btlchern  eine  Schilderung  von  Land   und  Leuten. 
eine    topographische    Beschreibung    nach    der    Einteilung  der 
7  Seelande   und   einen   geschichtlichen  Ueberblick   bis   auf  die 
Zeit  Ludwigs  des  Frommen.     Mflhlmann2)  ttberschatzt  offenbar 
die  Beziehungen  der  Historia  zu  diesem  Werke:    „dessen  mit 
dem  Beginn  seiner  Studien  zusammentreffendes  sehr  passendes 
Erscheinen  ihm  (sc.  Emmius)  eine  erwtinschte  Gelegenheit  zur 
Belehrung  darbot,  die  auch  selbstredend  nicht  unbenutzt  blieb, 
obwohl  nicht  einmal  die  leiseste  Andeutung  dartiber  sich  findet*. 
Der  geschichtliche  Teil  konnte,  auch  wo  er  wirklich  bistorische 
Nachrichten    bringt,    von   vornherein    fur    Emmius    keine  Be- 
deutung   haben,    da    ihm    ftir    diese   Zeit   altere   und   bessere 
Quellen   zur   Verftigung   standen,    als   die   Nachrichten   seines 
Zeitgenossen  Kempius.    Hier  kann  also  Mohlmanns  Urteil  iiber 
das  Verh&ltnis  beider  keine  Anwendung  finden;   selbst  wenn 
Emmius8)  wirklich,  wie  M5hlmann4)  ihm  vorwirft,  seine  Kunde 
iiber  die  Teilnahme   der  Friesen  am   Dombau  zu  Minister  ira 
Jahre  790  aus  Kempius  bezogen  hat6). 

Anders  dagegen  steht  es  mit  den  beiden  ersten  Biichern. 
Die  Beschreibung  von  Land  und  Leuten,  wie  sie  Kempius 
bietet,  mag  Emmius  eine  Anregung  zu  gleichem  Vorgehen  ge- 
geben  haben;  auch  ist  es  wahrscheinlich,  dass  er,  wie  dies 
von  ihm  auch  an  der  entsprechenden  Stelle  bei  Worp  von  Thabor 
zu  vermuten  ist6),  manche  Anregungen  oder  wohl  auch  Er- 
ganzungen  fur  seine  eigene  Schilderung  hierher  entnommen  hat. 
Engere  Beziehungen  aber  lassen  sich  nirgends  nachweissen,  ein 
einfacher  Vergleich  beider  Beschreibungen  muss  dies  unmittel- 
bar  deutlich  machen7).    Statt  einer  Einzeluntersuchung,  welche 


*)  vgl.  iiber  denselben:  S.  Petrus,  De  scriptoribus  Frisiae  XIV,  3. 

2)  MChlmanns  Kritik  p.  68. 

»)  Em.  hist.  p.  66. 

*)  Kritik  p.  125  f. 

6)  Kempius  HI,  p.  302. 

•)  vgl.  cap.  VHI,  §  2. 

0  vgl.  dazu  die  von  Wierichs,  Versuch  einiger  Anmerkungen  uber 
den  Staat  von  Friesland  mittler  Zeiten  (Oldenburg  1741)  p.  75,  zitierten 
Stellen. 


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doch  nur  zu  dem  genannten  negativen  Resultate  ffthren 
kftnnte,  mogen  hier  diejenigen  Stellen  aus  den  beiden  Landes- 
beschreibungen  folgen,  welche  MOhlmann  als  besonders  Jcha- 
rakteristisch  einander  gegentiberstellt,  seltsamerweise,  um  da- 
mit  seine  Behauptung  zu  erharten:  „die  Uebereinstimmung  ist 
tiberhaupt  sehr  gross,  zuweilen  weicht  selbst  der  Ausdruck 
nicht  wesentlich  abtfl).  Die  dabei  von  M5hlmann,  wohl  als 
noch  weniger  tibereinstimmend,  iiberschlagenen  Worte  sind  in 
Klammern  hinzugesetzt : 

Kempius  I  p.  3.  Emmius  hist.  p.  5. 

Est  autem  Frisia  terra  plana,  (popu-  Tota  regio  plana  et  aperta  est,  (sylvis 

losa,  et  cclonis  plena,)  sine  montibus  infrequem,  atque  in  universum  fere 

(armentis  et  gregibus  opukntaj  et  quae  humilis:)  limosa,  qua  littoribus  proxi- 

in  boreali  pHaga  Oceano  adiacet,  palu-  ma,  arenosa  aut  palustris,  introrsum 

strisque  existit.  vergens. 

Dass  Mohlmann  hier  gerade  eine  Stelle  ausgewahlt  hat,  an  der 

Kempius  seinen  Vorg&nger  Worp  von  Thabor  (I,  cap.  1)  wort- 

lich  ausschreibt,  ist  zugleich  eine  unbewusste  Ironie  auf  den 

von  ihm  auf  Kosten  anderer  so  hoch  bewerteten  Schriftsteller. 

Diesem  Beispiele  entsprechend  ist  auch  Emmius1  Stellung  zu 

der    speziellen   topograpischen   Beschreibung.     Die   Thatsache 

freilich,  dass  bereits  vor  Abfassung   der   Historia  eine  solche 

iiber   Worp  hinausgehende  Beschreibung  auf  Grund  der  Ein- 

teiJung   in   7  Seelande  vorlag,   kann   fur  Emmius  nicht  ohne 

Bedeutung  geblieben  sein.     So  mag  man  denn  wohl  sagen, 

dass  Emmius  in  der  topographischen  Beschreibung  dem   Vor- 

gehen  von  Kempius  folgt;  die  Anordnung,  wie  die  Ausftihrung 

im    einzelnen2),   hat   er   dabei   doch   durchaus   seiner   eigenen 

Forschung  vorbehalten.    MShlmann  selbst  giebt  dies  gelegent- 

lich,    wenn    auch    mit    anderer    Abzweckung,    an    einem    be- 

merkenswerten  Punkte  zu3),  namlich  bei  der  Ortsbeschreibung 

des    Upstalsboom.      Das    Verhaitnis    zwischen    Kempius   und 

Emmius  lasst  sich  kurz  dahin  bestimmen,  dass  Kempius  nach 

dem  Vorgange  Worps  eine  Behandlung  durchgefiihrt  hat,  welche 


>)  Kritik  p.  101,  Anm.  197. 

*)  vgl.  Wiarda  I,  p.  129  f.,   der  auf  die   Differenz  in   der  Landes- 
beschreibung  hinweist. 

»>  MShlmanns  Kritik  p.  120.  . 


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—    378    — 

sp&ter  fur  die  ersten  beiden  Bticher  der  Historia  massgebend 
geworden  ist.  In  diesem  Sinne  allein  gebtihrt  dem  Werke  von 
Cornelius  Kempius  ein  Platz  unter  den  Quellenschriften  der 
Rerum  Frisicarum  Historia. 

[Der  Schlus8  folgt  im  XVI.  Bande  des  Jahrbuches.] 


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Kleinere  Mitteilungen. 

I. 

Nachtr&ge  und  Berichtigungen  zum  Ostfriesischen 
Urkundenbuche. 

Von  Dr.  Wachter,  Kgl.  Archivrat  in  Aurich. 


Zur  Geschichte  des  Vorwerks  MOnkewarf  in  der  ehemaligen 
Herrliohkeit  Dornum  im  15.  Jahrhundert. 

Wie  aus  der  von  Friedlaender  im  Ostfriesischen  Urkunden- 
buche I  No.  649  mitgeteilten  Urkunde  vom  3.  Juli  1443  hervor- 
geht,  hatte  Abt  Dietrich  von  Rees  zu  Ihlo  widerrechtlich  das 
allodium  in  Monekewerven  in  Astragroda  in  parochia  Dornum 
situatum  an  die  H&uptlinge  Mauritz  Kankena  von  Dornum  und 
Hayko  von  Hinte  veraussert.  Dies  war  bis  jetzt  die  einzige 
urkundliche  Nachricht,  die  iiber  Mtinkewarf  vorlag.  Anlasslich 
einer  Nachforschung  in  den  Akten  des  ehemaligen  Hofgerichtes, 
deren  genaue  Durchsicht  wahrscheinlich  noch  weitere  bis  dahin 
unbekannte  urkundliche  Schriftsttlcke  wieder  an  das  Tageslicht 
fSrdern  wiirde,  wurden  zwei  Urkunden  aus  den  Jahren  1467  und 
1468,  die  sich  auf  das  genannte  Klostervorwerk  beziehen,  in 
beglaubigten  Abschriften  ermittelt.  Diese  hatte  der  Hofgerichts- 
sekret&r  von  Halem  im  Jahre  1733  fiir  einen  Prozess,  den  der 
damalige  Besitzer  der  Herrlichkeit  Dornum,  Freiherr  von  Wall- 
brun,  gegen  den  Landrichter  Wenckebach  zu  Berum  wegen 
Jurisdiktionstibergriffe  angestrengt  hatte,  nach  den  Originalen 
angefertigt  und  letztere  dem  Herrn  von  Wicht  wieder  zurtick- 
gegeben.  Die  Abschriften  sind  sorgf&ltig  angefertigt.  Zwei 
Aenderungen  Johannes  Kebner  des  closters  in  kelner  und 
Pelvessum  in  Pewessum  sind  von  mir  gemacht  worden. 

Jahrbuch  der  Gawllsch.  f.  b.  K,  a.  Tattrl.  Altertfcmer  za  Emden,  Bd.  XV.  25 


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—    380    — 

Etwas  iiber  30  Jahre  blieb  das  Vorwerk  dem  Kloster  ent- 
fremdet,  ftir  das  die  Familie  torn  Brok  imraer  eine  gewisse 
Vorliebe  gezeigt  hatte  (Suur,  Kloster  Ostfrieslands,  S.  41  u.  42). 
Ein  Jahr  nach  dem  Tode  des  Grafen  Ulrich  gaben  die  Besitzer 
der  Herrlichkeit  Dornum  das  Vorwerk  zuruck,  und  im  nachsten 
Jahre  1468  entsch&digte  Gr&fin  Theda  dieselben  durch  acht 
Stiege  Landes  zu  Oldeborg,  soe  alz  unse  leve  salighe  here  greve 
Ulrycke  dat  hevet  bewaret  unde  geschycket  in  synen  testamente. 
Die  Rtickgabe  ist  somit  auf  Wunsch  des  Grafen  Ulrich  erfolgt. 

Den  Abdruck  der  beiden  Urkunden  an  dieser  Stelle  recht- 
fertigen  der  Inhalt,  die  Aussteller  der  Urkunden  sowie  die  in 
ihnen  genannten  Personen.  Sprachlich  interessant  ist  auch 
die  friesische  Form  inna  Dornummer  Kerspele,  Friedlaender 
macht  im  Urkundenbuch  I  67,  Anm.  2  auf  das  haufige  Vor- 
kommen  friesischer  Worte  in  den  lateinischen  Urkunden  de3 
Klosters  Langen  aufmerksam. 

1. 

1467  Juli  6. 

Abt  und  Konvent  des  Klosters  Ihlo  beurkunden  die  Rtickgabe  des 

Vorwerhs   Munkewarf  an   das  Kloster   durch   die   Gebruder  Hero 

Mauritz  und  Eicko  von  Dornum. 

Wy  Gherardus  van  tolatinghe  gots  abt,  Didericus  prior, 
Johannes  kelner  des  cloesters  to  He  unde  gantzen  ghemeynen 
convents  broeder  daersulvest  bekennen  unde  tueghen  openbair 
voir  alien,  de  dessen  brief!  zehen  off  horen  lezen,  woe  dat  de 
ersamen  und  vromen  Hero  Maurizes  unde  Hicko,  ghebroder, 
hovetlinge  to  Doernum,  an  eyner  rechter  steden  vaster  ewigher 
vruntscap  hebben  to  guede  gheschulden  unde  overgheven  to 
gude,  schelden  und  overgheven  tegenwordich  in  krafft  desses 
brieves  uns,  unsen  cloester  unde  nakomelinghen  eyn  voirwerck. 
gheleghen  in  Doernumer  Kerspel  in  de  Oestergroeda,  gheheten 
Monnykewerve,  mid  achte  stighen  deymede  landes  dair  um- 
belangk  gheleghen,  dese  alzus  langhe  um  besunderlinghe  tosaghe 
unde  ansprake  zee  unde  ere  voirfaern  hebben  ghehat  up  unse 
cloester,  unde  soe  hebben  se  uns  degher  unde  all  van  der  up- 
gheboerder  jaerliker  hure  unde  renthen  degher  unde  all  wal 
vernoghet,  des  wy  en  ghedancken  unde  schelden  se   dair   van 


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—    381     — 

quyd  ende  voir  alle  ansprake  ende   tosaghe,    do   wy   upp   eere 

voirfaern,  en  unde  ere  rechte  erven  mochten  hebben,  to  ewighen 

tyden  beholden,  en  dat  de  meygers  offte  huerlueden  up   dome 

vorben.  voerwercke,  soe  langhe  alz  dat  jenighe  meygers  to  huer 

hebben,  scholen  dair  van  doen  sodanen  hovedenst  to  Doernum, 

alz  men  voir  datum  desses  brieves   daer   van   plach   to   done. 

Sunder  wer  et  sake,  dat  unse  convent  dat  sulvest  besatten  myd 

unsen  eyghenen  volke,   soe  schollen  unde  willen  wy  voir  den 

hovedenst  jairlix  en  meygen  laten  off  meygen  sesteyn  deymedo 

meetlandes  unde  nicht  meer,  unde  daermede  schal  unse  convent 

jairlix  van   alien  hovedenste  to  Doernum   off  jerghent   anders 

vrig  undeqwyt  wesen,  alle  argelyst  ende  gheverde  uthgesloeten. 

In  orkunde  ende  tuchnisse  der  wairheit  hebben  wy  Gherardus 

voirben.  unses  convents  unde  mynselves   inghesegel    myd   des 

convents  Adewerts  inghesegel  witliken  ghehangen.     Unde  vor- 

der  urnme   merer  vestenysse  witlicker  wairheit  desser  voirsc. 

artikulen  hebben  wy  ghebeden   den  erwerdighen  hern  Bernd, 

abt  to  Norden,  und  den  strenghen  duchtigen  unde  vromen  hern 

Syben  van  Doernum,  ritter  to  Ezense  unde  Witmunde  hovetling, 

desser  bovenscrevenen  puncten  deghedyngesheren  umbe  ere  in- 

ghesegele  mede  to  hanghen  an  dessen  brieff,  deme  wy  Bernar- 

dus  abt   unde  Sybo  ritter  voirben.  umbe  vruntlyker   bede   soe 

gherne  ghedaen  hebben.    Hyr  weren  oeck  mede  by,   an  unde 

over  de  erbaer  her  Albert  kerckher  to  Haghen  unde  de  ersamen 

Haye  tor  Papenborch  unde  Erne  to  Norden  amptman  als  tuges- 

lude.     Ghegeven  to  Berum  nae  Christi  gheboert  vierteynhundert 

daerna  in  deme  sevenundtsestygesten  jaire  des  mandaghes  nae 

Visitationis  Marie. 

2. 
1468  Juli  4. 

Grafin  Theda  von  Ostfriesland  ubergiebt  gemiiss  den  letztwilligen 
Bestimmungen  ihres  verstorbenen  Ehemannes  des  Orafen  Vlrich 
S  St  teg  en  Landes  zu  Oldeborg  fiir  das  zuriickgegebene  Vorwerk 
Munkeivarf  an  Keno  und  Ocko  zu  Nesse  und  Hero  Mauritz,  Hicko 

und  Tadeke  zu  Dornutn. 

Kundich  und  openbair  sy  alien  unde  enen  jtlyken  besun- 
deren,    de    dessen  breff  zehen  offte  horen  lesen,  dat  wy  Thede, 

25* 


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—    382     - 

grevinne    in  Oestvriesland,    van    unser    kynder    weghen  myd 
vryen  willen,  walberadenen  moede,    myd  raede  ende  vnllen- 
komenen  consente  des  ghestrenghen  heren  Syben  van  Doernum. 
ritter     to    Ezense,     Stedestorpe     und    Witmunde    hoveUing, 
unde  der  ersamen  vromen  unde  duchtighen  junckhern  Poppen 
Mannynghe  to  Pewessum  unde  Jenleth,   Dyden  unde  Edsarde 
ghebrodere  to  Lutedesborch  unde  Bergum  hovetlinghe,  unser 
leven  kynder  vulmechtighe  voirmundere,   hebben   Kenen  unde 
Ocken  to  Ness  unsen  broederen,  Heren  Maurizes,  mester  Hicken 
unde  Tadeken,  ghebroederen  to  Dornum,  unsen  neven,  gbegeven. 
upghelaten,  overghedraghen  unde  to  guede  geschulden,  gheven, 
uplaten,  overdraghen  unde  to  guede  schelden  teghenwordich  in 
und  myd  krafft  dess  breves  erfflicken  imde  ewichlyken  achte 
styghe  deymede   landes   tor  Oldenborch  beleghen  van  salighe 
Onnen  Helmesna  lande  voir  eyn  voirwerck  myd  achte  styghen 
deymede  landes,   dat  Keno,  Ocko,  Hero,  mester  Hycko  unde 
Tadeke  vorsc.  deme  convente  to  Jle  wedder  ghegeven,  upghe- 
laten   unde   to   guede   gheschulden   hebben   inna  Dornummer 
kerspele  belegen  in  den   groeden,  Monckewerve  gheheten,  soe 
alz  unse  leve  salighe  here  greve  Ulrycke  mylder  ghedachte  dat 
hevet  bewaret  unde   gheschycket   in    synen    testamente  und 
latesten  willen,   voir   welck   vorscr.  voirwerck   myd   den  acht 
stighen  deymede  landes  wy  Thede,  Sybo,  Poppo,  Dydo  unde 
Edsard  upgenant  scholden  Kenen,  Ocken,  Heren,  mester  Hycken 
unde  Tadeken  voirgen.  myd  erve  wedder  vornoghen  unde  vor- 
vullen  van  unses  leven  salighen  heren  kyndern  erve  unde  lande. 
alz  nu  ghescheen  ys  van  den  vorscrevenen  Onnen  lande,  so  vor 
gheroert  ys,  unde  des  vorscr.  erves  unde  landes  moghen  Keno. 
Ocko  und  Hero  myd  synen  broderen  vil  ghenant   samptlyken 
to  ewighen  tyden  besitten  unde  vredesam  ghebrucken,  dairmede 
doen  und  schicken,  woe  en  sampt  ghelevet,  sunder  unser  unde 
unses  leven  salighen  heren  kynder  und  nakomenen  unde  rechten 
ervenen  bysprake  unde  weddersegghent  in  jenighen  tokomenen 
tyden,  alle  arghelyst,  hylperede,  nyge  vunde  uthghesloeten.    Hyr 
weren  mede  by,  an  unde  over  de  erwerdige  her  Bernd  abt  to 
Norden,  mester  Johann  Vredewolt  pro  vest  to  Emeden,  her  Albert 
kerckher  tho  Haghen  unde  de  beschedene  man  Emo  amptman 
to  Norden  alz  tueghe  unde  des  to   merer  vestenisse  unde  or 
kunde  witlyker   waerheyt   hebben   wy  Thede   grevynne  upgen 


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—     383     — 

unse  secret,  Sybo  ritter,  Poppo  Mannynghe  unser  beyde  inghe- 
segele  unde  ick  Dydo  vorben.  voir  my  unde  Edsarde  mynen 
broeder  myn  inghesegel,  want  he  doe  sulvest  kheyns  inghe- 
segeles  enbruckede,  doen  witlycken  hanghen  an  dessen  breff, 
ghegeven  nae  der  bord  Cristi  vierteynhundert  jaer  in  deme 
achteundtsestigesten  jare  des  mandages  naest  deme  daghe 
unser  leven  Vrouwen  daghe  Visitationis. 


B. 

Urkunden    des     Cisterziensernonnenklosters    Liliental    im     Kreise 
Osterholz  bei  Bremen   betreffend  den  St  Peterszehnten  in  Norden. 

Nachfolgende  Urkunden  des  Klosters  Liliental,  sowie  die 
im  n&chsten  Bande  zum  Abdruck  gelangenden  des  Erzstiftes 
Bremen  befinden  sich  im  Koniglichen  Staatsarchive  zu 
Hannover.  Es  ist  das  Verdienst  des  Herrn  Archivassistenten 
Dr.  Klinkenborg  zu  Berlin,  dem  die  Geschichte  seiner  engeren 
Heimat  Ostfriesland  so  manchen  wertvollen  Beitrag  verdankt, 
auf  sie  aufmerksam  gemacht  zu  haben.  Der  Herausgeber  des 
Ostfriesischen  Urkundenbuches,  Herr  Geheimer  Archivrat  Dr. 
Friedlaender  in  Berlin,  hatte  die  Bearbeitung  und  Veroffent- 
lichung  tibernommen,  aber  zunehmende  Krankheit,  die  ihn  am 
1.  Januar  1903  nach  rastloser  Tatigkeit  dahin  raffte,  zwang 
ihn,  die  bereits  begonnene  Abschriftnahme  mir  zur  Fortsetzung 
zu  tibertragen.  Gerne  habe  ich  dieselbe  tibernommen,  gab  sie 
mir  doch  willkommene  Gelegenheit,  dem  hochverehrten  Herrn 
schriftlich  n&herzutreten,  den  auch  die  ihm  nach  seiner  Be- 
rufung  an  das  Geheime  Staatsarchiv  zu  Berlin  dort  obliegenden 
Arbeiten  nicht  hinderten,  mit  unvermindertem  Interesse  alle  auf 
die  Geschichte  Ostfrieslands  gerichteten  Bestrebungen  selbst 
fdrdernd  zu  verfolgen.  Mochten  diese  Urkunden  sein  Andenken 
in  dem  Lande  erneuern  helfen,  in  dem  er  so  gern  geweilt  hat, 
und  dessen  Vorziige  er  stets  ruhmend  hervorhob. 

Ich  habe  mich  darauf  beschr&nkt,  nur  diejenigen  Urkunden 
ganz  zum  Abdruck  zu  bringen,  deren  Inhalt  ausschliesslich  Ost- 
friesland   betrifft,    alle    anderen   sind   in  Regestenform   unter 


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—     384     — 

Hervorhebung  des  fiir  Ostfriesland  Wichtigen  mitgeteilt.  Von 
der  Beschreibung  nichtostfriesischer  Siegel  wurde  gleichfalls 
abgesehen,  sie  gehort  meiner  Ansicht  nach  in  eine  Publikation, 
die  den  Gesamturkundenbestand  eines  Landes  oder  einer 
Korporation  ins  Auge  fasst. 

Urkunden,  die  bereits  im  Ostfriesischen  Urkundenbuche 
nach  anderer  Vorlage  gedruckt  sind,  haben  unter  Angabe 
etwaiger  Abweichungen  Berucksichtigung  gefunden.  Dass  die 
fur  die  Nachtrage  in  Betracht  kommenden  Urkunden  nicht  in 
chronologischer  Folge,  sondern  sachlich  geordnet  zum  Abdruck 
gelangen,  wird  man  verstandlich  finden.  Die  Inhaltstibersicht 
wird  dadurch  erleichtert. 


1. 

1240  (vor  August  13). 

Erzbischof  Gerhard  II.  von  Bremen  uberreicht  einen  Butteraehnten 
im   Norderlande,   den   der   Bremer  Domdekan  Gernand  vom  Erz- 
bischof   Gerhard  L   erhalten    hatte,    nach    dessen    Ruckgabe    dm 
Cisterciensernonnenkloster  Liliental.1) 

Gerardus  dei  gracia  Bremensis  ecclesie  archiepiscopus 
secundus  universis  Christi  fidelibus  imperpetuum  amen.  Evane- 
scunt  simul  cum  tempore  ea,  que  geruntur  in  tempore,  nisi 
recipiant  a  voce  testium  et  scripti  memoria  firmamentum.  No- 
turn  igitur  esse  cupimus  universis  Christi  fidelibus  presens  scrip- 
turn  intuentibus,  quod  nos  summam  quandam  butiri  scilicet2) 
quatuor  urnas,  que  solvuntur  annuatim  in  nativitate  beate 
Virginis  pro  decima  quadam  in  terra  Nordensium,  quam  Ger- 
nandus  ecclesie  nostre  decanus  ab  antecessore  nostro  pie  re- 
cordationis  Gerardo  archiepiscopo  in  beneficium  acceperat,  in 
manus  nostras  resignavit  et  nos  ob  reverentiam  beate  Virginis 
et  in  memoriam  parentum  nostrorum  sanctimonialibus  Cister- 
ciensis  ordinis  in  Lesmona  contulimus.  Ne  igitur  nostre  dona- 
tions benivolentia  ab  aliquo  inposterum  turbetur,  presentem 
paginam  sigillo  nostro  facimus  insigniri.    Huius  rei  testes  sunt 


l)  Ober  die  Stiftung  desselben  s.  Lappenberg.  Geschichtsquellen  des 
Erzatiftes  und  der  Stadt  Bremen,  S.  184  ff. 
•)  silicet  or. 


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—    385    — 

Johannes  sancti  Willehadi  propositus,  Arnoldus  vicedominus, 
Hermannus  sancti  Anscharii  prepositus,  Bernardus  custos,  Jo- 
hannes de  Beverseten,  comes  Lothewicus  de  Ravenesberge,  Ja- 
cobus de  Urbe,  Thidericus  de  Urbe,  Hinricus  de  Hene,  Wernerus 
de  Ride  et  alii  quam  plures.  Acte  sunt  hec  anno  incarnationis 
dominice  M°cc°xl0  indictione  XIa  anno  pontificatus  nostri  XXI0 

Kloster  Liliental  No.  23. 
An  grunen  und  roten  Seidenfaden  hangend  das  weisse,  guterhaltene  Siegel 

de8  Ausstellers. 

Auf  der  Ruckseite  von  gleichzeitiger  Hand:   „De  quatuor  urnatis 
butiri  in  Norda". 

2. 
1244  Juni  23. 

Bremen.  IX.  kalendas  Julii. 

Erzbischof  Gerhard  II.  von  Bremen  bestatigt  detn  Kloster  Liliental 
auf  dessen  BUte  die  demselben  von  ihm  in  fruheren  Zeiten  uber- 
tragenen  und  namentlich  aufgefuhrten  Privilegien,  darunter  wird 
genannt  privilegium  quatuor  urnarum  butiri,  que  annuatim  in  terra 
Nordensium  loco  cuiusdam  decime  in  nativitate  beate  Marie  solvuntur. 
Dnter  den  Zeugen  keine  Ostfriesen. 

Kloster  Liliental  No.  30a. 
Auszugsweise   mitgeteiit   im   Bremischen  Urkundenbuche,  heraus- 
gegeben  von  Ehmck  und  v.  Bippen,  I,  No.  229  nach  dem  im  Staats- 
archive  zu  Bremen  befindlichen  Lilientaler  Kopiar. 


3. 
1257  April  23. 

Bremen.  IX.  kalendas  Maji. 

Nochmalige  Bestdtigung  dutch  Erzbischof  Gerhard  II.  von  Bremen. 
WorUaut  wie  bei  No.  2.      Unter  den  Zeugen  keine  Ostfriesen. 

Kloster  Liliental  No.  39a  und  39b. 
Auszugsweise  mitgeteiit  im  Bremischen  Urkundenbuche  I,  No.  276, 
nach  dem  Lilientaler  Kopiar.     Abgedruckt  in  Vogt,   Monumenta  inedita 
rerum  Bremensium  II,  57-69. 


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—    386    — 

4. 
1278  Mai  19.1) 

0.  U.-B.  II,  No.  1680. 

Verpachtung   des   Zehnten  im   Norderlande  an  die  Aelterleute  der 
S.  Petribruderschaft  in  Norden. 

Kloster  Lilienthal  No.  72. 
Von  den  abhfcngenden  Siegeln  nur  Pergamentstreifen  vorhanden. 

S.  647  Z.  3  omnibus  tibergeschrieben. 

S.  648  Z.9  lies:  prior  fratrum  predicatorum  domus  Bremensis. 
Z.  12  lies :  Mentatus  Pugil. 


5. 

1289  September  20.    Bremen. 

Erzbischof  Qiselbert  von  Bremen  fordert  die   Konsuln  zu    Norden 
auf,   dem  Kloster  wegen   vorenthaltenen  Peterszehnten  Genugtuung 

zu  geben. 

Giselbertus  dei  gracia  sancte  Bremensis  ecclesie  archie- 
piscopus  discretis  viris  .  .  rectoribus  ecclesie  et  consulibus  in 
Norda  salutem  in  domino.  Conquesti  sunt  nobis  dilecti  in 
Christo  abbatissa  totusque  conventus  sanctimonialium  in 
Liligendale,  quod  vos  consules  decimam  sancti  Petri  ad  duos 
annos  detinueritis,  et  licet  sepius  moniti  fueritis  super  eo  et 
in  vestris  sinodis  convicti  tamen  ipsis  satisfacere  non  curatis. 
Insuper  conqueruntur,  quod  super  eadem  decima,  quia  .  .  .  tis2) 
temporibus  ipsis  non  satisfacitis,  diversas  querimonias*facere 
conpelluntur.  Cum  igitur  ex  officii  nostri  debito  dictis  religio- 
sis  defensionem  non  habentibus  in  hac  parte  consulere  tenea- 
mur,  vos  rogamus  in  domino  pariter  et  monemus  nichilominus 
precipiendo  mandantes,  quatinus  ad  hoc  quantocius  inter 
cedatis,8)  ut  retenta  decima  persolvatur  et  procedente  tempore 


})  Die  aiteste  bis  jetzt  bekannte  Urkunde,  die  in  Ostfriesland  aas- 
gestellt  ist. 

9)  Rasur:  certis  oder  cunctis? 
•)  or.  interdatis. 


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—     387     — 

liberaliter  satisfiat,  ne  ad  dictarum  sanctimonialium  instanciam 
et  querimoniam  per  suspensionem  divinorum  et  excommuni- 
cacionis  sentenciam  licet  inviti  contra  vos  totamque  universi- 
tatem  exigente  iusticia  procedere  compellamur.  Datum  Breme 
in  vigilia  Mathei  anno  domini  M°cc°lxxx0  nono. 

Liliental  No.  86.    Siegel  fehlt. 


6. 
1299  August  9. 

Bremen,  in  vigilia  sancti  Laurentii  martiris. 

Erzbischof  Giselbert  von  Bremen  bestatigt  dem  Kloster  Liliental 
samtliche  Privilegien  und  Besitzungen.  Unter  den  ihm  vorgelegten 
Privilegien    befindet   sick   auch   das   Privilegium   de   decima   beati 

Petri  in  Norda. 

Kloster  Liliental  No.  97a. 
Auszugsweise   mitgeteilt   im   Bremer   Urkundenbuche  I,    No.  530. 
Gedruckt  bei  Vogt,  Monumenta  inedita  II,  116—122. 


7. 
1328  September  14. 

0.  U.-B.  II,  No.  1686. 

Verkauf  des  Zehnten  im  Norderlande. 

Kloster  Liliental  No.  137. 
Das  grosse   spitzovale  Siegel   des  Aussteilers  in  braunem  Wachs 
ist  schlecht  erhalten. 

S.  650  Z.  2:  or.  terre  Nordensi. 
Z.  3:  or.  liguis  testium. 


8. 
1328  September  28. 

0.  U.-B.  II,  No.  1687. 

Schadenersatz  wegen  vorenthaltener  Einkiinfte  eines  Zehnten. 

Kloster  Liliental  No.  139. 


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—     388     — 

Von  den  4  Siegeln  sind  die  3  ersten  spitzovalen  teilweise  erhalten. 

1.  Siegel  des  Erzbischofs. 

2.  Petrus  und  Paulus  in  gotischen  Nischen.  Daruber  die 
Mutter  Gottes  mit  dem  Kinde  (Kniestuck),  darunter  ein 
knieender  betender  Geistlicher  S.  Folper  .  .  .  ni  ecclesie 
in  Erie. 

3.  Marie  mit  dem  Kinde  stehend ....  oUbitati  curati  in  Noord... 

S.  651  Z.   8:  ut  tibergeschrieben. 

Z.   9:  discretioni  vestre  igitur  precipiendo. 
Z.  17:  beati  Emundi. 

[Die  Fortsetzung  folgt  im  XVI.  Bande  dieses  Jahrbuches.] 


II. 
Ulrich  von  Ostfriesland  als  Kammerherr  Karls  V. 

Als  Edzard  der  Grosse  unter  dem  Druck  der  sachsischen 
Fehde  im  Jahre  1517  seinen  Frieden  mit  dem  habsburg- 
burgundischen  Hause  machte,  erfolgte  gleichzeitig  zur  Be- 
siegelung  des  neuen  Bundnisses  die  Ernennung  seines  1499  ge- 
borenen  altesten  Sohnes  Ulrich  zum  Kammerherrn  des  spatern 
Kaisers  Karl  V.1)  Dieser  nahm  den  jungen  ostfriesischen 
Grafensohn  mit  nach  Spanien.  Wie  lange  er  dort  geblieben 
ist,  wissen  wir  nicht.  Im  Jahre  1527  war  er  wieder  in  Ost- 
friesland, aber  sein  Geist  war  umnachtet,  und  als  Edzard  im 
folgenden  Jahre  starb,  kam  deswegen  sein  zweiter  Sohn  Enno 
zur  Regierung.  Graf  Ulrich  lebte  in  der  Stille  in  dem  inzwischen 
eingezogenen  Kloster  Hasselt,  wo  er  im  Jahre  1531  starb.  Das 
ist  so  ziemlich  alles,  was  wir  fiber  den  bedauernswerten  Mann 
wissen.  Uber  seinen  Aufenthalt  in  Spanien  bemerkt  Eggerik 
Beninga  (p.  593)  noch,  er  sei  dort  vom  Konige  als  ein  Graf 
mit  8  oder  9  Pferden  unterhalten.  Der  nachfolgende  Brief 
Ulrichs  an  seinen  Vater  ist  vielleicht  das  einzige  authentische 
Schriftstiick,  das  uns  von  ihm  erhalten  geblieben  ist.  Er 
findet  sich  im  Original   in   einem  der   seiner  Zeit  auf  Brenn- 


*)  Brenneysen,  Ost-Fries.  Hist.  T.  I,  lib.  IV,  No.  30  §  4. 


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—    389    — 

eysens  Veranlassung  angelegten  Sammelbande  zur  ostfriesischen 
Geschichte  zwischen  Aktenstticken  und  Chronikauszugen  aus 
der  Zeit  Edzards  des  Grossen  (Msc.  A.  160  des  Kgl.  Staats- 
archivs  zu  Aurich). 

Ulrick  grave 
tho  Osfrislant. 

Myn  leve  her  vader  vet,  dat  ick  ghesunt  un[de] x)  val  tho 
passe  byn,  unde  ick  nu  breve  unfanghen  he[bbe]  van  mynen  her 
vader  unde  ock  sodane  ghelt  hebbe  un[f]anghen,  als  III  hundert 
und  seven  vytick  ducaten,  dar  ich  [al]  hebbe  na  getovet, 
er  ick  de  hebbe  ghekreghen  ut  der  .  .  .  unde  my  val  van- 
noden  vas;  unde  my  de  konick  ser  lef[de]  unde  de  konick 
ghat  lopen  de  lanse  tho  perde  alle  daghe,  unde  he  gherne  de 
yunghe  heren  ser  gherne  by  em  hevet,  met  em  tho  lopen,  unde 
ick  dar  goden  willen  tho  hadde  .  so  ick  quat  ghekledet  si  unde 
ock  ghene  perde  hebbe  hebbe  [sic!],  so  vulde  ick  mynen  her 
vader  wruntlicken  bydden  an  mynen  her  vader,  dat  ick  muchte 
krighen  II  gode  perde,  van  de  besten,  de  myn  her  vader  hevet 
unde  de  springhen,  dat  ver  ick  van  mynen  her  vader  wrunt- 
liken  begheren.  unde  so  de  konick  svart  draghet  unde  na 
desen  pasken  vart  ut  don,  so  ick  nicht  val  kledet,  so  vulde 
ick  gherne  so  val  ghekledet  syn,  als  de  anderen  heren  .  de  hir 
nich  val  kledet  is,  de  is  nich  gh[e]actet.  de  val  ghekledet  is, 
he  is  val  gheactet  .  nicht  mer  ut  deser  tit,  dan  got  mynen  her 
vader  spare  stark  unde  gesunt.  datum  barsolona  des  mit- 
veken  vor  pasken  Anno  XXIII. 

Ulrick  ywer 
Dem  Edelen  unde  walghebornen  gnade  leve  son. 

heren  Essardae  ghraven  tho  os- 
frislant Myne  her  vader. 

Das  Siegel  zeigt  eine  Harpye  ohne  Umschrift. 

Dr.  H.  Reimers. 


')  Die  eingeklammerten  Buchstaben  sind,  da  der  Text  schadhaft 
ist,  dem  Sinne  nach  erganzt.  Die  Zeichensetzung  fehlt  im  Original 
fast  ganz. 


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—    390     — 


III. 


Zur  Geschichte  der  Hftuptlinge  von  Werdum  und  der  taufgesinnten 
Mftrtyrerinnen  Maria  v.  Back  urn  und  Ursula  v.  Werdum  (1538—1552). 

A. 
Die  Emder  Kontrakten-Protokolle  im  Kgl.  Staatsarchive 
zu  Aurich  bewahren  auf  Seite  490  des  Bandes  fttr  die  Jahre 
1548—1553  unter  dem  18.  August  1552  folgende  Eintragung. 
die  Gerdt  Smidt,  Kiister  und  Organist  zu  Emden,  im  Auftrage 
des  ostfriesischen  H&uptlings  Hero  von  Werdum  proto- 
kollieren  Hess: 

[7.  Juli  1551.] 

Gerdt  Smidt1),  ouster  u.  organista,  heft  ein  popiren  brief, 
an  schrift  wol  leslichen  u.  popier  gantz  heel,  gethoendt  u. 
wegen  des  erbaren  Hero  tho  Werdum  begherdt,  ick  den 
prothocolliern  wolde,  welcher  lueth  van  wordt  tho  worden 
als  volgt: 

Erentveste  unde  frome,  wyse  ende  vorsichtighe,  besunders 
ghunstighe  guede  frunth,  wy  hebben  onlanx  ontfangen  V.  L.  brief, 
inholdende,  als  solde  de  hoeghe  ftoeth  V.  L.  vordern,  in  der  saecken 
des  brantz  halven,  woe  vor  unser  stadt  gescheen,  sich 
to  purgiern  unde  tontunschuldigen,  aller  (sic!)  Jw  L.  solde  ge 
stadet  mogen  werden  ter  andtwordt  vor  Jwen  g.  hern. 
Dewille  dan  V.  L.  sich  vor  godt  dar  inne  untschuldich  kennen 
unde  sich  oick  vor  idermennichlichen  erbaden  tho  unthledighen. 
des  halven  van  uns  begherende,  wy  de  sulve  hoghe  erbie- 
dunghe  in  ghunsten  solden  willen  upnhemen  unde  V.  L.  an- 
liggendt  bedencken  ende  up  den  vorighen  ende  lesten  schriften 
unse  andtwordt  laten  wedervaren  widern  inholtz  V.  L.  briefs 
ons  thogeschickt,  willen  damp  gueder  ende  waraftiger  mei- 
nunghe  nicht  vorholden,  dat  de  sulve  moerthbarnens  anno 
sess  und  viertich  lestleden  ongevierlichen  des  nachtes  up 
den  vierden  decembris  vor  unse  stadt  in  grothe  mennichte 
van  berghen,   schueren,  ossen,   koen  ende  perden,   saeth  ende 

*)  Es  gab  in  Emden  zwei  einander  verechw&gerte  Burger  gleichen 
Namens,  die  durch  den  Zusatz  „in  de  Slotel"  (der  8Schlussei"  war  ein 
Haus  an  der  Ecke  der  Lookfenne  und  der  Lilienstrasse)  und  „by  dat 
kerkhof "  unterschieden  wurden  (vgl.  z.  B.  Kontr.-Protok.  1668,  S,  63  u.  75). 
Der  Kiister  ist  wohl  der  letztere  gewesen. 


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koeren  geschiedt  is,  dar  aver  grothe  schade  geschiedt  is,  de 
mennich  arm  mensche  alnoch  nicht  vorwonnen  en  heft.  Is 
oick  war,  dat  nha  der  handt  twe  van  unsen  ingeseten 
damp  den  doeth  unthfangen  hebben  ende  belyeth  de 
plaetze,  dar  sie  tot  den  selven  boesen  handel  gekoft  sinnen, 
woe  voele  ende  wat  ghelt  sie  unthfangen  hebben  mit  mher  ander 
circumstantien.  Oick  vornhomen  uth  beliunghe  van  andern, 
de  oick  darinne  gerichtet  ende  gejustiflciert  synnen,  dar  mher 
andern  over  de  selve  oeveldaeth  handtdaedich  gewest  synnen. 
Averst  wy  enweten  nieth,  wie  de  ghene  synnen,  de  de  boese- 
wichteren  principaellicken  dar  tho  gekoft  ende  bewillicht 
hebben,  wieten  oick  nieth,  we  der  daeth  schuldich  synnen. 
Vorder  dan  dar  umme  eens  deels  gestorven  ende  ander  deils 
beschuldiget  synnen  van  den  ghenen,  de  dar  up  gestorven 
synnen,  under  de  welcken  beschuldighden  V.  vrome  L.  naem 
Hero  van  Werdum  nicht  befonden  en  is.  Twelck  wy  vor 
andtwordt  nieth  hebben  willen  vorhalden  V.  L.,  de  godt  almech- 
tich  salich  ende  gesunth  bewaeren  will.  Geschreven  up  den 
soventsten  julii  anno  etc.  li.  Burghermeistern,  Schepen 
ende  Raeth  der  Stadt  Deventer.1) 

Darnach  bescheinigten  Btirgermeister,  Schoffen  und  Rat 
von  Deventer  am  7.  Juli  1551  dem  Hero  von  Werdum,  dass  er 
bei  dem  Verhor  von  Brandstiftern,  die  im  Jahre  1546  in  der 
Nacht  auf  den  4.  Dezember  bei  Deventer  eine  Menge  von  „  Bergen" 
(Heu-  und  Getreidehaufen)  und  Scheunen  mit  Vieh  und  Korn  in 
Brand  gesteckt  hatten,  nicht  als  beteiligt  genannt  worden 
sei.  Wie  konnte  der  Angehdrige  eines  der  ersten  Hauptlings- 
geschlechter  Ostfrieslands  in  einen  solchen  Verdacht  kommen? 

Durch  eine  zuf&llig  in  unsere  Hande  geratene  kleine 
Schrift:  „Moordbranders  in  Overijssel  1648—1560",  mit 
den  Seitenzahlen  79—122,  vermutlich  einen  Ausschnitt  aus 
dem  Overijsselschen  Volksalmanak  v.  J.  1849 2),  hat  die  merk- 


l)  Herr  Archivrat  Dr.  Wachter  in  Aurich  hat  die  Giite  gehabt,  die 
Protokoll-Abschrift,  die,  wie  es  scheint,  das  Original  wenig  getreu  wieder- 
giebt,  nochmals  zu  vergleichen. 

*)  Dies  wird  durch  das  Zitat  bei  Nippold,  David  Joris,  Zeitschr.  f. 
d.  histor.  Theol.  18G4,  S.  511,  bestatigt.  Als  Verfasser  wird  dort  Molhuysen 
genannt. 


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—     392    — 

wtirdige  Emder  Urkunde  einige  Aufklarung  erhalten.  Der  hol- 
l&ndische  Aufsatz  behandelt  u.  a.  die  Brandstiftungen,  von 
denen  Deventer  i.  J.  1546  heimgesucht  wurde,  und  giebt,  ohne 
Hero  v.  Werdums  Namen  zu  nennen  und  gewiss  auch  ohne 
ihn  zu  kennen,  wahrscheinlich  die  Gestandnisse  der  Mord- 
brenner  wieder,  deren  Mitschuldiger  nach  dem  mitgeteilten 
Schriftstticke  Hero  v.  Werdum  soin  sollte.  Hero  v.  Werdum 
(gest.  1572),  der  Urgrossvater  Ulrich  v.  Werdums,  des  Verfassers 
der  Historia  (Series)  familiae  Werdumanae  und  andrer  ungedruck- 
ten  Schriften,  stand  nach  der  Geschichte  der  Familie  als  Vasall  des 
Junkers  Balthasar  von  Esens  eine  Zeit  lang  in  geldrischen  Kriegs- 
diensten  und  war  der  jtingere  Bruder  Ursulas,  der  Gattin  des 
geldrischen  Edelmannes  Johann  v.  Beckum,  die  durch  ihren 
1544  zu  Delden  in  Overijssel  rait  ihrer  Schwagerin  erlittenen 
Feuertod  als  joristische  Glaubenszeugin  bekannt  genug  ge- 
worden  ist1).  Diese  Verwandtschaft  muss  Hero  v.  Werdum  in 
den  Ruf  gebracht  haben,  aus  Rache  Urheber  der  Brandstiftungen 
gewesen  zu  sein.  In  seinem  Schreiben  vom  7.  Juli  1551  spricht 
der  Magistrat  von  Deventer  von  2  Eingesessenen  von  Deventer, 
die  vor  ihrem  Tode  den  Platz,  wo  sie  zu  dem  „bosen  Handel" 
gekauft  worden  seien,  wieviel  Geld  sie  empfangen,  und  „mher 
ander  circumstantientf  bekannt  hatten.  Alle  diese  Einzelheiten 
kehren  nun  in  dem  Verhore  vom  23.  Juli  1548,  das  in  dem 
Aufsatze  uber  die   Mordbrenner  in   Overijssel   aus   dem  „  Liber 


*)  Ueber  Hero  v.  Werdum,  seinen  unglucklichen  Streifzug  mit 
Ulrich  von  Dornum  an  der  Kuste  des  Harlingerlandes  im  Dienste  des 
Herzogs  von  Geldern  1532,  seine  mehrjahrige  Gefangenschaft  bei  Folef 
von  Knyphausen,  seinen  Streit  mit  Fraulein  Maria  von  Jever  urn  Roff- 
hausen,  das  Stammgut  seiner  Gattin,  und  mit  seinem  alteren  Bruder 
Hicko  um  den  vaterlichen  Hauptlingssitz  Werdum,  der  nach  friesischem 
Rechte  dem  jungeren  zukam,  seinen  tapferen  Kampf  gegen  die  als  Feinde 
Junker  Balthasars  ins  Harlingerland  eingedrungenen  Bremer,  gibt  nach 
der  Series  farailiae  Werdumanae  ausfuhrliche  Nachrichten  G.  H.  Muller, 
Dissert,  de  Orieut.  Fris.  dynastis  (Leiden  1730),  S.  00  ff.  —  Als  nach  Bal- 
thasars Tode  die  Bremer  am  1.  Dezember  1540  seine  Tochter  Anna,  Grafin 
von  Rietberg,  und  ihren  minderjahrigen  Sohn  Johann  v.  Rietberg  wieder 
mit  Harlingerland  belehnt  hatten,  leistete  Hero  v.  Werdum  als  deren 
Bevollmachtigter  in  Bremen  den  Lehnseid  (Emmius  S.  910,  Wiarda  III.  2). 
—  Ueber  Ulrich  v.  Werdum  (1G32— 1681)  vgl.  Pannenborg  in  diesem 
Jahrbuche  III,  1  S.  89,  XIII  S.  92  und  Riemann,  Das  friihere  Werdumer 
Archiv,  Jahrbuch  XIII  S.  71. 


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—    393    — 

filiorum  perdicionis"  im  Archive  zu  Deventer  S.  100  mitgeteilt 

wird,   deutlich   wieder.     Wenn    aber   der   Magistrat,   der  sich 

trotz  alles  Wohlwollens  gegen  den  ostfriesischen  Edelmann  fiir 

dessen   Schuldlosigkeit   doch  vor   allem   auf  seine   eigene  Ver- 

sicherung  beruft,  in  der  ostfriesischen  Urkunde  weiter  erklart, 

Hero  v.  Werdums  Name  sei  in  Deventer  nicht  genannt  worden, 

so    weist    der    Wortlaut    der    Gestandnisse    der    beiden    Hin- 

gerichteten,  wenn  auch  nicht  geradezu  auf  Hero  v.  Werdum, 

so    doch    jedenfalls    auf    einen    Verwandten    der    Ursula 

v.  Beckum  und  zwar  aus  Ostfriesland  hin.    Von  den  beiden 

wegen    Mordbrennereien    nExaminiertena     (Gefolterten),    Hans 

Balsterkamp    und    Johan  van  Lembecke,    gestand   nach    dem 

„Liber  filiorum  perdicionis"  der  erste,  die  „Bergea  vor  Deventer 

in  Brand  gesteckt  zu  haben  und  dazu  angestiftet  zu  sein  — 

wo  und  wann  wird  nicht  angegeben,   ohne  Zweifel  aber  kurz 

vor    den   Br&nden    im   Dezember    1546   —   durch    einen    ost- 

friesisch  sprechenden  Mann   auf   schwarzem   Pferde    in 

einem    schwarzen  mit  Fluweel  (Sammet)  besetzten  Tabbaard 

(Mantel),   der  sich  Schreiber  von  dem  Hause   „den  Oirta 

(Leerort)1)    nennen    Hess    und    ihm    23  Emder  Gulden   gab. 

Dieser  habe  ihn  gefragt:  „offte  sy  oick  gehoirdt   hadden  van 

den  twee  gebrande  jufferen  ende  om  dat  bloet  te  wreecken 

(r&chen),  die  syn  bewantschap  waeren".    Der  Unterredung 

habe   ein  ebenso  mit  schwarzem  Tabbaard   gekleideter  Unbe- 

kannter  beigewohnt,   und  dann   sei  der  Schreiber  von  Leerort 

mit  4  Mann  zu  Fuss  in  5  Tagen  nach  Deventer  gezogen;   hier 

h&tte    er  auf  dem  Felde  vor  der  Stadt  das  Ausbrechen  der 

Br&nde    abgewartet;    Balsterkamp    selbst    sei    alle    Nacht   in 

seinem  eigenen  Hause  zu  Deventer  schlafen  gegangen,  um  den 


M  Drost  von  Leerort  war  1525—1541  u.  1556—1561  Eggerik  Beninga 
(Bartels,  Jahrbuch  I.  3  S.  26),  1546  JOrgen  van  Hoen,  der  den  Posten 
wenigstens  zur  Zeit  der  Schlacht  bei  Jemgum  1533  (mit  Beninga  zu- 
sammen)  und  wahrend  des  schmalkaldischcn  Krieges  1547  innehatte 
(Jahrbuch  XHI  S.  246).  Als  „Hau8schreiber*  von  Leerort  wird  im  Januar 
1548  Johannes  van  Lengen  schon  als  gestorben  genannt  (Emder  Kon- 
trakten-Protokolle  zum  12.  Januar  1548;  Wessel  Onkens  handschriftliche 
Chronik  von  Leer  behauptet,  sein  Grabstein  in  Leer  nenne  den  20.  Dez.  1545 
als  Joh.  v.  Lengens  Todestag,  vgl.  Houtrouw,  Ostfriesland  I.  S.  139).  Dirk 
Harderwyck,  den  wir  1551,  1554  und  1561  nachweisen  konnen,  war  wohl 
sein  Nachfolger. 


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—    394    — 

Verdacht  von  sich  abzulenken.  Johan  van  Lembeckes  Aus- 
sage  lautete  ahnlich,  er  habe  bei  Leerort,  wo  auch  Balster- 
kamp  mit  dem  Schreiber  von  Leerort  unterhandelt  zu  haben 
scheint,  Geld  erhalten,  um  die  Berge  bei  Deventer  in  Brand  zu 
stecken,  und  der  Schreiber  von  Leerort  sei  selbst  auf  einem 
schwarzen  Pferde  mit  4  Personen  zu  Fuss  mit  nach  Deventer 
geritten,  um  die  Missetat  vollbringen  zu  sehen.  Beide  Ver- 
brecher  wurden  am  14.  November  1548  zu  Deventer  verbrannt 

Die  Vermutung,  dass  Hero  v.  Werdum  als  Bruder  der 
hingerichteten  Ursula  van  Beckum  in  den  Verdacht  der  Brand- 
stiftungen  bei  Deventer  gekommen  sei,  wird  zur  Gewissheit 
durch  die  von  Nippold,  David  Joris  (Zeitschr.  f.  d.  hist.  Theo- 
logie,  1864,  S.  512),  ohne  Angabe  seiner  Quelle1)  mitgeteilte 
Nachricht,  dass  von  Racheversuchen  der  Verwandten  des 
Fr&uleins  und  der  Frau  van  Beckum  schon  im  Jahre  1545  ver- 
lautet  habe:  am  12.  April  1545  meldete  der  Drost  von  Twente 
der  Statthalterei  in  Briissel,  dass  die  Brtider  derselben2)  ihm 
drohende  Briefe  geschrieben  und  sogar  12  Reiter  ausgerustet 
h&tten,  gegen  die  er,  da  die  ganze  Gegend  voller  Wiedert&ufer 
sei,  25  Mann  Pferdevolk  unterhalten  zu  diirfen  bitte. 

Der  Archivar  von  Deventer,  Herr  Dr.  Acquoy,  hat  auf 
unsere  Bitte  die  Giite  gehabt,  im  dortigen  Archive  nach  Hero 
v.  Werdum  Nachforschungen  anzustellen,  aber  weder  das  Kon- 
zept  des  Briefes  vom  7.  Juli  1551  erhalten  oder  registriert  noch 
Hero  von  Werdums  Brief  an  den  Magistrat  bewahrt  gefunden; 
er  ist  tiberzeugt,  dass  sein  Name  vor  dem  Eingange  des  Briefes 
in  Deventer  in  der  Tat  nicht  mehr  bekannt  gewesen   sei.     In 


*)  Nach  de  Hoop  Scheffers  Inventar  des  Archives  der  taufgesinnten 
Gemeinde  in  Amsterdam  I  S.  60  ist  das  Schriftstuck  im  Briisseler  Archive. 

2)  Ursula  v.  Werdums  Geschwister  waren  nach  der  Werdumer 
Familienchronik :  Hicko,  Drost  zu  Wittmund,  gest.  1549,  Hero,  Adelheid 
und  Anna,  vgl.  unten  B.  Dem  Charakter  Heros  wiirde  es  durchaus 
enteprochen  haben,  wenn  er  Unrecht  mit  Gewalttat  vergolten  hatte.  Sein 
Urenkel  Ulrich  v.  Werdum  charakterisiert  ihn  folgendermassen :  Manu 
promptus  fuit  et  ingenio  sollers,  fed  injurias  tolerandi  nescius, 
ideoque  Dominis  hanc  per  oram  pro  lubitu  tunc  in  fervitutem  cuncta  tra- 
hentibus  parum  gratus  (Series  fam.  Werd.  in  der  Abschrift  der  „Kunst% 
die  aus  dem  Nachlasse  des  Freiherrn  v.  Bottlenberg-Kessel,  des  Gatten 
der  Nichte  Ulrich  v.  Werdums  und  Erben  der  Werdumer  Guter,  stammt. 
S.  172). 


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—    395    — 

dem  Register  von  Deventer  findet  sich  ein  Index  der  Naraen,  den 
der  Magistrat  1551  nachgeschlagen  haben  wird.  Da  dieser 
Hero  v.  Werdums  Namen  nicht  enthalt,  so  konnten  Schoffen 
und  Rat  mit  gutem  Gewissen  bezeugen,  dass  sein  Name  in 
den  Gest&ndnissen   der   beiden  Delinquenten  nicht  vorkomme. 

Die  Br&nde  urn  Deventer  dauerten  auch  nach  den  Hin- 
richtungen  von  1548  fort  und  werden  sogar  noch  1559  erw&hnt. 
Die  Uebeltater  kiindigten  sich  durch  Drohbriefe  an  und  unter- 
zeichneten  als  ^Kinder  von  Emlichheim",  die  an  den  „Blut- 
hunden  von  Deventer"  ihre  unschuldig  verbrannten  Eltern 
r&chen  wollten.  Nach  S.  108  des  Aufsatzes  uber  die  Mord- 
brenner  in  Overijssel  waren  diese,  die  Briider  Rolef  und  Jan 
Morveldink  aus  Emlichheim  in  der  Grafschaft  Bentheim,  am 
17.  Mai  1542  wegen  Wiedertauferei  und  Kirchenraub  gestraft 
worden.1)  Im  August  1550  schritt  ihr  Landesherr,  der  Graf  von 
Bentheim,  gegen  die  aus  der  Grafschaft  verlaufenen  Mord- 
brenner  ein  (S.  104).  Dadurch  gewinnt  die  Nachricht  bei 
Beninga  zum  Jahre  1550  an  Interesse,  dass  damals  der 
Graf  von  Bentheim  an  Biirgermeister  und  Rat  der  Stadt 
Emden  schrieb:  „dat  he  idtliche  Mordbarnern  in  syne  hechte 
hadde,  dewelcke  bekent  hadden,  dat  oerer  itliche  dar  to  ge- 
koft  weren,  dat  se  de  Stadt  Embden  ock  schulden  in  brant 
brengen"2).  Ueber  den  Mordbrenner  Kuyper  aus  Cleve,  einen 
bei  der  Eroberung  von  Mtinster  entronnenen  Wiedert&ufer,  der 
um  1547  das  Geld  zu  Brandstiftungen  hergab  und  sich  meist 
in  Jemgum,  Emden,  Amsterdam  und  Haarlem  aufhielt, 
wird  nach  dem  Liber  filiorum  perdicionis  auf  S.  103  berichtet. 

Fflr  die  Bedeutung  der  Emder  Kontrakten-Proto- 
kolle  ist  es  bemerkenswert,   dass  sie  auch  bei  Nichtemdern 


l)  Rolef  Morveldink  verriet  vor  seinem  Tode  am  17.  Mai  1642  auf 
der  Folter  als  einen  seiner  Genossen  „een  cleynsmyth  wonende  tho 
Emden  Henrick  gnand"  (de  Hullu,  Bescheiden  betr.  de  Hervorming  in 
Overijssel  I,  Deventer  1899,  S.  262). 

*)  vgl.  Bartels,  Jahrb.  I  3  S.  23.  Brandanschl&ge  auf  ganze  Stadte 
spielen  in  den  Gest&ndnissen  der  hingerichteten  Wiedertaufer  eine  grosse 
Rolle;  so  bekannte  schon  1538  selbst  Jan  van  Batenburg  im  Gefang- 
nisse  von  Vilvoorde  bei  Brussel  einen  solchen  auf  Emden,  wo  ausser 
vielen  in  der  Umgegend  wohl  hundert  von  der  Sekte  seien  (de  Hullu  S.  250.) 
Anh&nger  der  wilden  Batenburgischen  Sekte  der  Wiedertaufer  scheinen 
auch  die  Morveldinks  gewesen  zu  sein,  vgl.  de  Hullu  S.  258—268. 

Jahrbach  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Altertumor  zu  Emden,  Bd.  XV.  26 


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—     396    — 

fur  angesehen  und  sicher  genug  galten,  um  fur  protokollarische 
Aufnahmen  wie  die  des  Leumund-Zeugnisses  von  Hero  v.Werdum 
benutzt  zu  werden.  So  liess  nach  der  ^Series  fam.  Werd.c 
grade  Hero  v.  Werdum  auch  Schuldverschreibungen  uber  eine 
Geldsumme,  die  seine  Familie  dem  Bremer  Staate  geliehen. 
kopieren  und  durch  den  Emder  Magistrat  beglaubigen.1) 


B. 

Im  Anschlusse  an  das  Emder  Schriftstiick  teilen  wir 
zwei  unverSffentlichte  Urkunden  aus  dem  ehemaligen  Archive 
der  Familie  v.  Werdum  mit,  durch  welche  die  diirftigen 
Nachrichten  liber  die  Hinrichtung  der  Maria  v.  Beckum  und 
ihrer  Schwagerin  Ursula  v.  Werdum  eine  willkommene  Er- 
g&nzung  erfahren. 

Der  1502  geschlossenen  Ehe  des  Hauptlings  Ulrich  v.Werdum 
mit  der  Oldenburgerin  Armgard  v.  Fikenfolt  entsprossen  zwei 
Sohne:  Hicko  und  Hero,  und  drei  Tochter:  Ursula,  Adelheid, 
Anna2).  An  der  Vermahlung  der  altesten  Tochter  der  seit  1530 
verwitweten  Hauptlingsfrau  mit  dem  geldrischen  Edelmanne 
Johann  v.  Beckum  aus  Overijssel  hatte  wahrscheinlich  die  kurze 
Herrschaft  des  Herzogs  Karl  vonGeldern  im  Harlingerlande3),  die 
auch  den  Eintritt  Hero  v.  Werdums  in  geldrische  Kriegsdienste 
erklart,  ihren  Anteil.  Nach  der  unten  mitgeteilten  Urkunde 
vom  12.  Juni  1538  wies  Johann  v.  Beckum  seiner  Frau  300 
Goldgulden  und  fiir  den  Fall  seines  Todes  den  Niessbrauch 
von  1000  Goldgulden   aus  seinen  Giitern  Nyenhues  im  Kirch- 


*)  „Quatuor  chirographa  . . .  sub  figillo  fenatus  Bremensis  confecta 
per  senatum  Emdenfem  folemni  ritu  in  aliis  membranis  fingula 
defcribi  hujusque  civitatis  figillo  apographa  haec  itidem  firmari  curarunt 
(Hero  u.  seine  Gattin),  ut,  autographis  cafu  vel  vi  aut  fraude  forfan  cor- 
ruptis  aut  interceptis,  debiti  tamen  probatio  liquida  femper  in  promptu 
efset".    (S.  172  der  Abschrift  unserer  Gesellschaft). 

*)  Ulr.  de  Werdum  Historia  familia  Werdumanae,  in  der  Abschrift 
der  „Kunst«  S.  78  u.  108. 

8)  vgl.  Klopp  I.  S.  349  u.  354.  Um  Hulfe  gegen  Graf  Enno  II.  zu  ge- 
winnen,  tauschte  Junker  Balthasar  1632  an  den  Herzog  von  Geldern  zum 
Scheine  Esens  gegen  das  Gut  Rosande  in  Geldern  aus. 


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—    397    — 

spiel  Diepenheim  (zwischen  Deventer  und  Delden)  und  Brumel- 
huesen  im  Kirchspiel  Haxberge  (Haaksbergen,  slidl.  von  Delden) 
zu;  da  die  Urkunde  von  dem  kaiserlichen  Richter  zu  Diepen- 
heim aufgenommen  worden  ist,  darf  in  Nyenhues  der  Wobn- 
sitz  des  Ehepaares  eher  vermutet  werden  als  in  dem  naher  bei 
Delden  gelegenen  Beckum  (j.  Bekkum).  An  anderm  Orte  lebten 
des  Gatten  Mutter  und  eine  Schwester  von  ihm,  Maria  v.  Beckum, 
die  sich  gegen  den  Willen  der  Mutter  der  Sekte  des  David  Joris  *) 
zugewandt  hatte.  Aus  dem  „Martelaars-Spiegel  der  Doops-Ge- 
sindea  und  aus  den  Liedern  auf  ihren  Tod,  die  ihre  Antworten 
auf  die  Fragen  der  Ketzerrichter  nach  ihrer  Stellung  zur  Taufe 
berichten,  geht  freilich  nur  ihre  Zugehorigkeit  zu  den  Tauf- 
gesinnten,  nicht  im  engern  Sinne  zum  Jorismus  hervor.  Die 
Wiedertaufer  waren  in  jenen  Gegenden  schon  lange  heimisch 
und  hatten  in  Deventer  ihre  Anh&nger  in  den  ersten  Familien.2) 
Wie  gross  aber  grade  in  Utrecht  und  Overijssel  auch  die  Zahl 
der  Joristen  um  1544  war,  zeigt  der  Prozess  des  am  9.  August 
1544  zu  Deventer  hingerichteten  edlen  Jurrien  Ketel,  sowie  der 
Druck  von  David  Joris'  Wunderbuch  bei  Dirk  van  Borne  1542 
und  kleinerer  Traktate  von  ihm  bei  Albert  Paeffraidt  in  Deventer 
seit  1539  s),  und  einen  Schluss  auf  die  Zaubergewalt  des  Pro- 
pheten  auch  tiber  Vornehmere  lasst  die  aufopfernde  Anhanglich- 
keit  der  adligen  Antwerpener  Familien  van  Lier  und  van  Berchem 
zu,  die  ihn  nach  Basel  hin  begleiteten  und  sich  sogar  mehrfach 
mit  ihm  verschw&gerten;   ebenso   war  Elsa  van  Lostadt,   die 


»)  vgl.  Wolkan,  Die  Lieder  der  Wiedertaufer,  Berlin  1903,  S.  61 ; 
ebenso  aber  schon,  ohne  Begrundung,  de  Hoop  Scheffer,  Gesch.  d.  Kerk- 
hervorming  in  Nederland,  Amst.  1873,  S.  471.  Nippold  in  seinem  Werke 
tiber  David  Joris  (Niedners  Zeitschr.  f.  d.  hist.  Theol.  1864,  S.  11)  bezeichnet 
sie  nicht  ausdrticklich  als  Joristin.  Dagegen  scheint  ein  Brief  der  Regen- 
tin  vom  7.  Januar  1545  wegen  aufruhrerischer  Schritte  der  Familie  van 
Beckum  aus  Anlass  der  Hinrichtung  Marias  und  Ursulas  nach  dem  In- 
ventar  des  Archives  der  Taufgesinnten  in  Amsterdam  I  S.  57  hieruber 
deutlichere  Angaben  zu  enthalten. 

*)  wie  in  der  Ratsfamilie  van  Winssen,  vgl.  Jahrbuch  XIV.  S.  473, 
de  Hoop  Scheffer,  Gesch.  d.  Kerkhervorming  in  Nederland,  S.  471. 

»)  Nippold,  David  Joris,  S.  509  ff,  und  516,  de  Hullu,  Bescheiden  betr. 
de  Hervorming  in  Overijssel  I  (Deventer  1899)  S.  317  ff.  Im  Norden  war 
ein  Mittelpunkt  der  Sekte  Em  den,  wo  David  Joris  wahrscheinlich  von 
1541—1544  gelebt  hat  und  wo  grade  i.  J.  1544  infolge  der  auf  der  Folter 
erpressten  Aussagen  Ketels  uber  die  dortigen  Joristen  die  Duldung  aufhdrte. 

26* 


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—    398    — 

Gattin  des  Drosten  von  Usselstein,  Giesbrecht  van  Baeks,  als 
des  Jorismus  verdachtig,  lange  in  Haft l).  —  In  Deventer  war  die 
Verfolgung  gegen  Jurrien  Ketel  zum  vollen  Ausbruch  gekommen 
namentlich  durch  die  Denunziation  der  Batenburger  Cornelis 
Appelman  aus  Leiden  und  Willem  Zeylmaker  vor  dem  Gerichts- 
hofe  zu  Utrecht2),  und  wenigstens  in  mittelbarem  Zusammen- 
hange  steht  damit  gewiss  auch  die  Ergreifung  der  Maria  v.  Beckum. 
Das  mitzuteilende  Schreiben  ihres  Bruders  an  Hero  v.  Werdum 
vom  11.  Dez.  1544  giebt  die  Dauer  ihrer  und  ihrer  Schw&gerin 
Kerkerhaft  vor  ihrer  Hinrichtung  am  13.  November  auf  ein 
halbes  Jahr  an,  die  Verhaftung  erfolgte  also  im  Mai  1544.  Am 
20.  Mai  aber  meldet  ein  Brief  der  drei  verbiindeten  St&dte 
Deventer,  Kampen,  Zwolle  an  Utrecht  die  Verhaftung  J.  Ketels, 


x)  Nippold  S.  493  u.  525,  de  Hullu  a.  a.  0.  S.  306.  Mit  Cornelis  van 
Lier,  Herrn  zu  Berchem,  bekannte  Ketel  nach  Basel  gereist  und  in  Speier 
bei  Cornelis'  Bruder  Jan  zu  Gaste  gewesen  zu  sein.  Mit  Anna  v.  Berchem, 
der  Tochter  der  Anna  v.  Etten  und  Schwester  des  Reynier  v.  B.  und  des 
spateren  Hauptes  der  Baseler  Joristen,  Joachim  v.  Berchem,  lebte  David 
Joris  in  Doppelehe.  Joria'  Tochter  Clara  war  Gattin  des  Joachim  v. 
Berchem,  sein  Sohn  Johann  heiratete  Anna  v.  Lier,  die  Nichte  Joachims, 
eine  dritte  Tochter  den  friesischen  Edelmann  Gabbe  van  Aesgema,  der 
seine  Gtiter  in  Friesland  verkauft  hatte  und  mit  nach  Basel  gezogen  war. 
[Joris'  Tochter  Klara  heiratete  nach  dem  Tode  Joachim  van  Berchems  den 
Arzt  Dr.  Bernhard  Kirchen,  der  1597  in  Emden  lebte  und  wahrscheinlich 
der  Verfasser  der  gegen  Emmius  gerichteten  joristischen  Verteidigungs- 
schrift  ist,  Anna  v.  Berchem  wurde  spater  Gattin  des  Rentmeisters  der 
Deiche,  Johann  Boelsen  in  Emden,  vgl.  die  Emder  Kontrakten-Proto- 
kolle  v.  J.  1562  S.  484  und  Nippold  S.  497  (nach  Emmius'  Streitschrift, 
„Den  David  Jorischen  Gheest",  's  Gravenhage  1603,  S.  406—422)].  —  Ueber 
dieDrostin  vonUsseltein  s.  Nippold  S.  533;  ihre  Angelegenheit  spielte  4  Jahre 
lang,  von  1544—1548,  wo  sie  durch  den  Einfluss  vielvermSgender  Freunde, 
wie  des  Statthalters  von  Overijssel  selbst,  endlich  freigesprochen  wurde ; 
die  Herrlichkeit  Uselstein,  die  ihr  Mann  als  Drost  verwaltete,  war  Eigen- 
tum  des  Statthalters  Maximilian  von  Egmond  (de  Hoop  Scheffer,  Gesch. 
der  Kerkhervorming  in  Ned.  tot  1521,  S.  550).  —  Selbst  der  Statthalter  von 
Groningen,  Karl  von  Geldern,  Herzog  Karls  Bastardsohn,  gait  als  Freund 
der  Joristen,  vgl.  de  Hoop  Scheffer  S.  441,  de  Hullu,  Bescheiden  S.  296 
u.302.  —  Wohlbegriindet  ist  die  Bemerkung  de  Hoop  Scheffers  (S.  471),  dass 
in  den  zwanziger  und  dreissiger  Jahren  des  sechzehnten  Jahrhunderts 
die  Reformation,  als  sie  unter  dem  Drucke  des  streng  durchgefuhrten 
obrigkeitlichen  Plakate  ihrer  besonnenen  Fuhrer  beraubt  war,  in  den 
Niederlanden  vielfach  die  Form  des  Anabaptismus  annahm. 

a)  de  Hullu  S.  280  und  291. 


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—    399     — 

die  auf  eine  nach  de  Hullu   durch  Corn.  Appelmans  Aussagen 
veranlasste  Warnung  des  Statthalters  von  Overijssel  und  Fries- 
land,  Maximilian  v.  Egmond,  Graf  zu  Buren,  „van  der  greusamer 
erdom  ende  secte  van  Batenborch,  David  Jorissen,  Menno  Sy- 
monssen  ende  anderen,  dair  mede  enige  bynnen  onsen  steden 
ende  in  den  platten  landen  van  Overijssel  besmet  solden  synV) 
Am  31.  Mai  scharfte  die  Regentin  Maria  von  Ungarn  auf  Mit- 
teilungen  des  Schout  von  Utrecht  hin  von  Briissel  aus  in  Over- 
ijssel nochmals  ein,  „alomme  nerstige  inquisitie"  zu  tun,   „om 
alle . . .  Herdopers  oft  der  van  de  secten  van  Batenborch  oft  David 
Jorisz  zynde  te  apprehenderen  .  .  ende  daer  over  scerpe  jnsti- 
cie  te  doena.2)    Von  Anfang  Juni  datiert  eine  Verfugung  von  ihr 
an  Goesen  van  Raesveldt,  den  Drosten  von  Twente,    liber   die 
Belohnung  von  Denunzianten  der  Wiedertaufer.8)    In  dieser  Zeit 
erreichte  das  Schicksal  also  auch  Maria  v.  Beckum  und  Ursula 
v.  Werdum.     „Im  Jahre  1544,  erzahlt  der  Martyrer-Spiegel  der 
Taufgesinnten 4),  war  eine  Schwester  im  Herrn,  genannt  Maria 
von  Beckum,  welche  um  ihres  Glaubens  willen  von  ihrer  Mutter 
aus   dem  Hause  gestossen  wurde;  als  dies  im  Stifte  Utrecht5) 
ruchbar  und  dem  Statthalter  angesagt  ward,   sandte  er  einen 
Goesen  van  Raesveldt  mit   vielen   Dienern,   um  diese  Jungfrau 
zu    fan  gen,   zu  ihrem  Bruder  Jan  van  Beckum,   wohin   sie   ge- 
fluchtet  war.     Da  musste   sie   vom   Bette   aufstehen,   um  mit- 
zugehn,   und   als   sie  da  einen  grossen  Haufen  Volks   sah,   der 
um  ihretwillen  gekommen  war,    fragte  sie  ihres  Bruders  Weib 
Ursel,    ob    sie  mitziehen   wollte   und  ihr   Gesellschaft  leisten; 
welche  antwortete:  So  Jan  van  Beckum  zufrieden  ist,  will  ich 
gerne  mit  Dir   gehen,   und   wir  wollen    uns  im   Herrn   freuen. 


l)  de  Hullu  S.  280  u.  286.  In  dem  bei  Tiaden  III.  S.  108  abgedruckten 
Liede  auf  Maria  und  Ursula  heisst  es:  „Men  deedfe  te  deventer 
brengen  voor  Mynheer  van  ijsselstein".  Dies  ist  der  obengenannte 
Maximilian  v.  Egmond,  Graf  v.  Buren  und  Usselstein. 

a)  de  Hullu  S  282  und  295. 

*)  Inv.  der  archiefstukken  b.  d.  Doopagezinde  Gemeente  te  Amst.  I S.  52. 

4)  Tileman  van  Braght,  Het  Bloedig  Tooneel  of  Martelaers-Spiegel 
der  Doops-Gesinde  of  Weereloose  Christenen,  2.  Druk,  Amsterdam  1685, 
II.  S.  65. 

5)  Das  Nieder-  und  das  Oberstift,  Utrecht  und  Overijssel,  waren 
beide  seit  1528  kaiserlich,  letzteres  vorher  kurze  Zeit  eine  Provinz  Herzog 
Karls  von  Geldern. 


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—    400    — 

Als  Maria  das  nun  von  ihrem  Bruder  begehrte,  war  er  es  zu- 
frieden,  und  Ursel  zog  mit  ihr;  da  war  die  Liebe  starker  als 
der  Tod  und  fester  als  die  Holle".  Die  Haltung  Johann  van 
Beckums  der  Bitte  seiner  Schwester  gegeniiber  machen  es 
nicht  unwahrscheinlich,  dass  er  im  Herzen  den  Anschauungen 
seiner  Gattin  und  seiner  Schwester  zuneigte.  Dazu  stimmen 
die  Worte  seines  Briefes,  Ursula  sei  ihrer  Schwagerin  im  Glauben 
beigetreten  (myn  suster,  der  myn  huyffrow  eynen  byuall  eres 
gelouens  doin  mochte),  und  beide  seien  ihrem  Glauben  treu  ge- 
blieben  (myn  leue  huyffrouw  vnnd  sufter,  de  wyle  ze  eres  geloues 
vulherdich  gebleuen  fyn),  die  Zustimmung  und  Bewunderung 
nicht  verkennen  lassen,  und  in  mehreren  Einzelheiten  zeigt  der 
Bericht  des  Martyrer-Spiegels  auch  sachlich  mit  dem  Briefe  eine 
so  auffallige  Uebereinstimmung  und  verrat  eine  so  genaue  Kennt- 
nis  der  Vorgange  im  Hause  des  Johann  van  Beckum,  dass  bei 
der  Frage  nach  der  Quelle  des  Martyrerbuches  ausser  den  Liedern 
auch  J.  v.  Beckum  als  Gewahrsmann  in  Betracht  gezogen  zu 
werden  verdient.  —  Ulrich  v.  Werdums  handschriftliche  Ge- 
schichte  seiner  Familie1)  beschuldigt  den  Drosten  von  Twente, 
Goesen  v.  Raesveldt,  den  das  Martyrerbuch  nur  im  Auftrage  des 
Statthalters  handeln  lasst,  als  Verwandter  und  zweitnachster 
Erbe  des  kinderlosen  J.  v.  Beckum  Maria  aus  Habsucht,  urn 
durch  ihren  Tod  in  den  Besitz  der  Giiter  ihres  Bruders  zu  ge- 
langen,  vor  das  Inquisitions-Gericht  geschleppt  zu  haben,  und 
ftigt  hinzu,  die  Strafe  des  Himmels  habe  Raesveldt  getroffen, 
indem  von  jener  Zeit  an  stets  ein  Glied  seiner  Familie  mit 
einem  korperlichen  oder  geistigen  Gebrechen  behaftet  gewesen 
sei.  Von  einer  Schuld  Goesen  v.  Raesveldts  spricht  aber  weder  das 
Martyrerbuch  noch  Joh.  v.  Beckums  Brief.  Raesveldt  hat  fur 
seine  Haltung  jedenfalls  bei  hohern  Instanzen  Deckung  gesucht. 
Das  zeigt  die  von  Molhuysen  im  Overijsselschen  Volksalmanak 
von  1849  S.  101  angefuhrte  Resolution  der  Ritterschaft  und 
der  Stadte  von  Overijssel  vom  4.  August  1544:  „Wat  raidt  dat 
men  sail  willen  geven  Go  ess  en  van  Raisfelt,  drost  van 
Twente,  woe  hy  mit  den  tween  jufferen  van  Becken  voirt- 
varen  sail.  Die  meynonge  van  Deventer,  die  Drost  sail  soe 
doen,  als  hy  dat  voir  Godt  ende  voir  die  werlt  verantwoorden 

*)  HistoriaFamiliaeWerdumanae  S.  176,  vgl.  G.  H.  Mtiller,  De  antiqu. 
Orient.  Frisiae  dynastis  S.  88. 


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—     401     — 

will".  Ein  Bericht  von  ihm  tiber  Marias  und  Ursulas  Tod  vom 
12.  April  1545befindet  sich  nach  dem  Inventare  des  Taufgesinnten- 
Archives  zu  Amsterdam  I.  S.  60  im  Konigl.  Archive  zu  Briissel, 
vgl.  o.  S.  394.  —  Ein  tragisches  Schicksal  fftgte  es,  dass  Ursulas 
Fortftihrung  in  den  Kerker  im  Mai  1544  nach  dem  iiberein- 
stimmenden  Berichte  des  Martyrerbuches  und  des  Briefes  grade 
in  die  Zeit  eines  Besuches  ihrer  Mutter  Armgard  v.  Fikenfolt1) 
und  ihrer  beiden  Schwestern  aus  Ostfriesland  auf  dem  Gute 
Johann  van  Beckums  fiel.  —  Das  erste  Verhor  hatten  Maria  und 
Ursula  nach  dem  Martyrer-Spiegel  und  nach  den  Liedern,  die 
auf  ihren  Tod  gedichtet  wurden,  in  Deventer  zu  iiberstehen, 
nach  diesen  vor  „Mynheer  van  Ysselstein",  d.  h.  dem  Grafen 
von  Buren,  dem  Statthalter  van  Overijssel,  nach  jenem  vor 
„Broeder  Grouwel";  mit  dem  letzteren  kann  nur  der  Prior  des 
Predigtherren-Klosters  in  Zwolle,  Bernard  Gruwel,  gemeint  sein, 
der  seine  feste  Anstellung  als  Inquisitor  in  Gelderland,  Friesland, 
Overijssel,  Groningen,  Utrecht  mit  Nicolaus  de  Novaterra  zwar 
erst  2  Jahre  sp&ter,  1546,  erhielt,  wahrscheinlich  aber  schon  bei 
Jurrien  Ketel  als  solcher  fungierte2).  Darauf  brachte  man  sie 
auf  das  BHaustt  zu  Delden,  der  Hauptstadt  von  Twente,  wofiir 
aber  das  eine  der  beiden  SLltesten  bekannten,  nur  in  deutscher 
Bearbeitung  erhaltenen  M&rtyrerlieder  v.  J.  1545  (s.  u.)  Twickel 
bei  Delden  nennt3).  Nach  den  „Veelderhande  Liedekens",  liber 
die  unten  Weiteres  folgt,  erschienen  hier,  um  die  Inquisition 
fortzufiihren,  zwei  „Tyrannen  aus  dem  burgundischen  Hofa,  nach 
dem  Martyrer-Spiegel  ein  ,,Kommissar  aus  dem  Hof  von  Burgund" , 
was  wiederum  der  Brief  Johann  van  Beckums  zu  bestatigen 
scheint.  In  Delden  erlitten  beide  Frauen  nach  halbjahriger  Haft 
im  Hause  des  Drosten  von  Twente,  nachdem  am  9.  September 
noch  ein  Erlass  der  Regentin  an  den  Kanzler  von  Geldern  uber 
das  Verfahren  gegen  sie  und   andere  Wiedertaufer  ergangen 


*)  Diese  kann  also  nicht  schon  1540  gestorben  sein,  wie  die  Genea- 
logie  der  Familie  v.  Werdum  in  diesem  Jahrb.  IX  2  S.  51  angiebt;  ebenso 
lebte  1544  noch  Hicko  v.  Werdum,  den  die  Genealogie  im  Jahrbuche  a. 
a.  0.  S.  62  i.  J.  1630  vor  Esens  fallen  lasst;  nach  v.  Wichts  Genealogien 
starb  er  1649. 

*)  de  Hullu  S.  331  f. 

*)  ,Von  dannen  sie  gefiihret  ward 
Gehn  Zwigkel  in  das  Hause". 
1636  war  Johann  v.  Twyckello  Drost  von  Twente  (de  Hullu  S.  226). 


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—    402     — 

war1),  Donnerstag  nach  Martini,  d.  i.  am  13.  November  1544 2), 
in  Gegenwart  des  Gerichtes,  des  Drosten  von  Twente  und  eines 
kaiserlichen  Kommissars  des  Hofes  von  Gelderland  zu  Arnhem, 
ohne  dass  Joh.  v.  Beckum  oder  seine  Mutter  vorher  davon  in 
Kenntnis  gesetzt  waren,  den  Tod,  indem  sie,  an  2  „Pfosten6 
geschlagen,  im  Feuerrauche  erstickt  („gesmoickttt)  wurden.  Noch 
am  11.  Dezember  hingen  trotz  aller  Bemiihungen  des  Bruders  und 
des  Gatten,  wie  dieser  seinem  Schwager  meldet,  die  Leichname 
liber  der  Erde.  —  Ursula  v.  Werdums  letzte  Augenblicke  schildert 
am  genauesten  der  Martyrer-Spiegel:  nachdem  Maria  v.  Beckum 
geendet  hatte,  mahnte  der  Prediger  von  Delden  (als  Beichtvater 
vor  der  Hinrichtung)  Ursula  nochmals  vergebens,  zu  widerrufen 
und  zur  Begnadigung  zum  Tode  durch  das  Schwert  zu  bitten ;  als 
sie  auf  den  Scheiterhaufen  trat,  entglitt  ihr  Fuss;  „mich  diinkt, 
ich  falle",  sagte  sie;  -  „halttf,  rief  der  Tyrann,  „sie  will  wider- 
rufen"; -  „neina,  sprach  Ursula,  „der  Block  glitt  mir  nur  aus, 
ich  will  nicht  in  Gottes  Wort  wanken".  —  Nach  Ostfriesland, 
wo  die  Verwandten  durch  die  langst  zurlickgekehrte  Mutter,  die 
Schwestern  und  durch  den  miindlichen  Bericht  eines  Boten 
vorbereitet  waren,  drang  die  „fliegendeK  Kunde  schon  nach 
wenigen  Tagen,  sodass  Hero  und  Hicko  v.  Werdum,  die  wahrend 
der  halbjahrigen  Untersuchungshaft  in  der  Sache  ihrer  Schwester 
untatig  geblieben  zu  sein  scheinen,  sich  bereits  am  18.  November 
bei  ihrem  Schwager  liber  das  Ausbleiben  einer  schriftlichen 
Mitteilung  beklagen  konnten.  Die  Antwort  darauf  ist  das 
unten  folgende  Schreiben  Johann  v.  Beckums  vom  11.  Dezember 
1544.  —  Es  mag  nicht  unerw&hnt  bleiben,  dass  Ursulas  jungere 
Schwestern  sich  ihrer  nicht  unwiirdig  zeigten;  beide  verliessen 
nach  der  Familiengeschichte  S.  177  zur  Zeit  der  strengen  Durch- 
flihrung  des  Interims  in  Ostfriesland  1549  um  ihres  Glaubens 
willen  das  Vaterland,  Adelheid  gelangte  nach  Holstein  und 
vermahlte  sich  einem  preussischen  Edelmanne  Joh.  v.  Syck  (?), 
Anna  nach  Pommern,  um  sp&ter  einem  Adligen  aus  der  Familie 
v.  Winkel  die  Hand  zu  reichen. 


x)  Inventaris  der  archiefstukken  b.  d.  Doopsgezinde  Gemeente  te 
Amsterdam  I  S.  55. 

*)  Nippold,  S.  511,  setzt  ihrenTod  irrtumlich  vorKetelsEnthauptung; 
die  ostfriesischen  Quellen  geben  samtlich  mit  Unrecht  als  Todesjahr  1545  an 


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—    403     — 

Der  Tod  der  „Schwestern  von  Beckum"  gehort  zu  den  be- 
kanntesten  Martyrerhistorien  der  Taufgesinnten.  T.  v.  Braghts 
Marty rerbuch  illustriert  ihn  durch  ein  Bild.  Von  den  zahl- 
reichen  Lie  der  n,  die  auf  ihn  gedichtet  wurden  und  auch  uber 
die  Grenzen  der  Niederlande  hinaus  Verbreitung  fanden,  sind 
nach  Wolkan1)  noch  folgende  nachzuweisen: 

1.  und  2.  2  Lieder,  die  schon  im  Jahre  nach  ihrem  Tode, 
1545,  ohne  Zweifel  in  den  Niederlanden,  entstanden,  in  deutscher 
Bearbeitung  erhalten  in  dem  M&rtyrerbuche  des  Lutherischen 
Predigers  Ludwig  Rabus  (Rabe),  Historien  Der  Heyligen  Auss- 
erw61ten  Gottes  Zetigen  (Strassburg,  8  Teile,  die  von  1552  bis 
1558  erschienen),  im  III.  Bande  (1555): 

1.  nAllhie  will  ich  vbersumme*, 

2.  j,  Nun  lasst  vns  fr ditch  heben  an* , 

in  Auszugen  bei  Wolkan  und  bei  Sepp,  Geschiedkundige  Na- 
sporingen  II.  (Leiden  1873)  S.  78.  Rabe,  der  nicht  wusste,  dass 
Maria  und  Ursula  Wiedert&uferinnen  waren,  fuhrt  die  Lieder 
mit  folgenden  Worten  ein:  „Von  diesen  zweyen  Gottseeligen 
Junckfrawen  vnd  lieben  Schwestern  .  .  .  Seind  im  vergangenen 
M.  D.  vnd  XLV.  Jar  ein  Spruch  vnd  Lied  aufsgegangen,  welche 
ich  zu  trost  vnd  erinnerung  dem  Junckfreiiwlichen  stand,  hier- 
nach  hab  setzen  wollen  u.  s.  w.tf.  Das  2te  Lied  ist  nach  Wolkan 
mehrfach  in  Niirnberg  und  Zurich  gedruckt  worden. 

3.  Ein  niederl&ndisches  aus  29  Strophen  bestehendes  Lied, 
das  sich  zuerst  in  dem  zweitaltesten  Martyrer-Liederbuche  der 
niederl.  Taufgesinnten,  dem  1563  (wahrscheinlich  in  Em  den 
bei  Nic.  Biestkens  van  Diest)  gedruckten  und  oft  wiederauf- 
gelegten:  „Een  Liedtboecxken  tracterende  van  den  Offer 
des  Heeren",  S.  8  findet2).    Hier  ist  es  das  dritte  von  25,  die 


*)  Wolkan,  Die  Lieder  der  Wiedert&ufer,  S.  129  f.  (No.  1  u.  2),  S.  60, 
vgl.  S.  129  und  131  (No.  3),  S.  98  und  133  (No.  4  und  5),  S.  128  (No.  6), 
S.  129  (No.  7). 

*)  Das  aiteste  (Een  Geestelyck  Liedt-Boecxken  etc.)  war  von  David 
Joris  selbst  (Wolkan  S.68).  Ueber  Em  den  als  Ort  des  Druckes  von  No.  3 
8.  Doedes,  Nieuwe  bibliographisch-historische  ontdekkingen,  Utrecht  1876, 
S.63  f.,  de  Vries,  Ostfries.  Monateblatt  1878  S.  493.  Das  „Liedtboecxken« 
ist  der  zweite  Teil  zu  dem  1562  erechienenen  „Het  Offer  des  Heeren*, 
das  Bekenntnisse,  Testamente  und  Briefe  gefangener  Briider  an  ihreVer- 
wandten  und  ihre  Gemeinden  enthalt.  Auf  die  zweite  Auflage  von  1567 
(Doedes  S.  68)  bezieht  sich  vermutlich  folgende  interessante  Bemerkung 


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—    404     — 

mit  einer  Ausnahme  von  Hinrichtungen  der  Jahre  1544 — 1561 
handeln.    Es  beginnt  mit  den  Worten: 

vDroefheit  toil  ick  nv  laten  staen 

En  singhen  met  verblyden." 
Melodie:  „De  May  staet  nu  in  zyner  tijttf.    Von  No.  3  ist  No.  6 
eine  schweizer  Bearbeitung  in  deutscher  Sprache. 

4.  nJck  heb  droefheyt  vernomenu, 
nach  der  Weise:  „Het  daget  uyt  den  Ostena.  Dieses  aus  Tiaden 
G.  0.  III.  S.  108  bekannte  9strophige  Lied  stammt  aus  dem 
mennonitischen  Gesangbuche  „Ueelderhande  Liedekens8, 
dessen  erste  bekannte  Ausgabe  1569 l)  erschien,  S.  161*  (Wolkan 
S.  77).    Eine  deutsche  Bearbeitung  ist  davon 

5.  nAch  Gott  ich  mag  wol  trawren*, 
in  dem  zwischen  1565  und  1569  gedruckten  „Ein  schon  gesang- 
btichlein  Geistlicher  Liedertf  S.  134a  (Wolkan  S.  90  f.). 


des  Genters  Marcus  van  Vaernewyck  in  seinem  Tagebuche  uber  die  Er- 
eignisse  in  seiner  Vaterstadt  von  1566—1668  (Van  die  beroerlicke  tyden 
in  die  Nederlande  tn  voornamelyck  in  Ghendt;  5  Teile,  herausg.  1872—1881 
durch  F.  Vanderhaeghen  von  der  Maatschappij  der  Vlaamsche  Bibliophilen 
in  Gent),  II  S.  342,  zum  20.  August  1567,  aus  Anlass  der  Verhaftung  von 
6  Wiedertaufern  in  Antwerpen  am  10.  August:  Men  zecht,  dat  alsnu  die 
Anabaptisten  een  boucxkin  laten  uutghaen,  dat  heeten  zij  .vanden 
helighen  ghezanghe".  Ten  zijn  gheen  psalmen  Davidts,  maer  nochtans 
(zo  ic  ghehoort  hebbe)  vul  tecxt  der  Scrift  ghesteken,  daer  zeer  grooten 
aerbeyt  up  ghedaen  zoude  zijn;  ende  zijn  ooc  veel  liedekins  van 
hare  voor  justicie  ghestorvene  broeders  ende  zusters,  zoo 
zijse  noumen,  die  haer  offeranden  ghedaen  hebben  (die  den  Martyrertod 
gestorben  sind),  wat  zij  spraken  in  hare  examen  ende  uuterste,  ende  wat 
men  tot  hemlieden  zoude  ghezeyt  hebben.  Dit  boucxkin  ghecommen 
zijnde  onder  die  handen  der  Calvinisten,  zoo  hebben  zijt  ghevisiteert 
ende  tzelve  laten  herdrucken,  daerin  stekende  sommighe  dijnghen 
vanden  haren  ende  uutlatende  sommighe  propoosten  vande  Doopera  ghe- 
zinde*  etc.  —  Nach  Doedes,  Collectie  van  Rariora *,  Utrecht  1892,  S.  99, 
ist  1887  von  dem  Genter  Professor  P.  Fredericq  noch  eine  zwischen  der 
von  1562  und  der  von  1567  liegende  Ausgabe  des  B  Offer  des  Heeren"  auf- 
gefunden  worden. 

')  in  Emden?  Ein  ganz  ahnlich  betiteltes  Buch:  .Veelderhande 
gheestelyke  Gereform.  Liedekens,  wt  den  Ouden  en  Nieuwen  Testament, 
gestelt  op  A.B.C.",  8°,  erschien  in  Emden  schon  1558,  vgl.  Nijhoff,  Bibliogr. 
Adversaria  V,  Amsterd.  1883—1886,  S.  251.  Die  mennonitischen  ,Veelder- 
hande  Liedekens"  kamen  nach  J.  te  Winkel,  Gesch.  d.  Niederl.  Literatur,  in 
Pauls  Grundri88*,  1902,  S.  506,  schon  1560  bei  N.  Biestkens  heraus. 


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—    405     — 

6.  ^Trawren  toil  ich  stehn  lassen 
Vnd  singen  mit  begir", 
in  dem  Gesangbuche  der  Schweizer  Taufer,  das  in  dem  altsten 
bekannten  Drucke  von  1583  den  Titel  fdhrt:  „Aufsbund  Et- 
licher  schoner  Christlicher  Gefenge",  S.  93  (Wolkan  S.  118) :  „Ein 
ander  schon  lied  vnd  wunderwirdige  geschicht  von  zweyen 
weibsbildern,  bey  welchen  Gottes  liebe  fiber  alle  ding  st&rcker 
dan  der  todt  gewesen.  Geht  in  der  Toler  Melodey,  zu  Delden 
im  Niderland  geschehen.  Oder  wie  man  den  Konig  in  Ungern1) 
singta.  Es  ist  eine  43strophige  Bearbeitung  von  No.  3,  dem 
29strophigen  Liede  aus  dem  Liedtboecxken  van  den  Offer  des 
Heeren:  „Droefheyt  wil  ick  nu  laten  staentf. 

7.  ein  nach  Wolkan  vom  Baron  Sloet  tot  Oldhuis  im 
Overijsselsche  Almanak  1837  mitgeteiltes  Lied,  fiber  das  bei 
Wolkan  nahere  Angaben  fehlen. 


Fur  die  Zusendung  der  Urkunden  im  Originale  sind  wir 
Herrn  Hauptlehrer  D.  Hohnholz  als  Bibliothekar  des  Jever- 
landischen  Vereins  ffir  Altertumskunde,  dem  nach  dem  Tode 
der  letzten  Erben  der  grosste  Teil  der  noch  erhaltenen  Ur- 
kunden des  Werdumer  Familienarchives  ttberwiesen  worden 
ist2),  ffir  die  Lesung  und  Erklarung  mancher  zweifelhaften 
Stellen,  namentlich  in  dem  Briefe,  der  zwar  sch6n  geschrieben  ist, 
aber  durch  seine  Anakoluthe,  Parenthesen  und  sonstigen  sprach- 
lichen  Eigentfimlichkeiten  Schwierigkeiten  bietet,  Herrn  Dr. 
Acquoy,  Archivar  der  Stadt  Dev enter,  vor  allem  aber  Herrn 
Privatdozenten  Dr.  Borchling  zu  Gottingen  zu  grossem  Danke 
verpflichtet. 

1. 
Ehevertrag  zwischen  Johann  van  Beckum  und  Ursula  von  Werdum. 

12.  Juni  1538. 

Ick  Dasel  van  Bryfach,  in  der  tyt  eyn  gefwaren  Rychter 
toe  Dyepenhem  van  wegen  keyferlycke  Maiefteit,  bekenne 
vnd  betughe  in  deffem  apenen  befegelden  breve,  dat  vor  my  in 

f)  „Ein  hupsch  lied  von  Ktinig  Lasla  (von  Ungarn  und  Bohmen, 
f  1457),  vgl.  Vilmar,  Handbiichlein  ffir  Freunde  des  deutechen  Volksliedes  \ 
1879,  S.  25. 

*)  vgl.  Riemann  im  Jahrbuche  XIII  S.  78. 


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—     406     — 

enen  apenen  gehegeden  gerychte,  dar  ick  ftede  vnd  ftoel  des 
gerychtes  myt  ordele  vnd  rechte  ind1)  myt  mynen  kornoten 
ind  gerychtes  luden  hyr  na  befchreven  ind  befetten  hadde,  als 
ick  myt  rechte  folde,  is  gekomen  de  Erentfeste  Johan  van 
Beckem  ende2)  junffer  Vrfule  van  Werdem,  fyn  echte  huyf- 
frauw,  ende  hebben  fych  malkanderen  betuchtiget  oer  twyer 
leven  lanck.  Ten  erften  hefft  Johan  van  Beckem  vorgefcr.  ge- 
geven  fyner  huyffrauwen  drey  hondert  golden  gulden 
achtentwyntich  brabantz  ftuver  valuerende  vor  den  gulden  tot 
ener  morgengave8),  ind,  offt  Johan  van  Beckem  vorgefcr.  er 
ftorve  dan  fyn  huyffrau,  hyfft  hye  oer  gegeven  dufend  go  It- 
gulden  tot  ener  lyfftuch  wth  fynem  Erve  ind  gude,  geheyten 
Nyenhuys,  gelegen  in  dem  kerfpell  van  Dyepenhem,  ind 
wth  beyde  Brumelhuefen,  gelegen  in  dem  kerfpel  van  Hax- 
berge,  ind  vort  wt  al  fynen  anderen  gude,  dat  hye  hefft, 
affkrygen  mach,  vor  welker  dufent  golt  gulden  geven  folt 
Johan  van  Beckem  vorgefcr.  fyn  erfgenamen  alle  jar  vp  fant 
Merten  vyfftych  golt  gulden,  fo  lange  als  junffer  Vrfule  vorgefcr. 
levet,  ende  fal  in  alien  gude,  ryede  ende  vnrede,  blyven  ende  ge- 
bruken  tot  der  tyt  toe,  dat  der  junfferen  vorgefcr.  dye  drye 
hondert  golt  g.  vorgefcr.  ryede  betalt  fynt  ende  bewyssinge  ind 
veftenyffe  gedaen  is  jarlyckes  vor  dye  vyftych  golt  g.,  fo  lange 
als  fye  levet.  Vort  hefft  de  vorgefcr.  junffer  weder  gegeven 
Johan  van  Beckem  vorgefcr.,  off  fye  erft  ftorve,  al  oer  kleder 
ind  kleynheyt,  dat  hye  dat  gebruken  fal  tot  fynen  beften  vor 
om  ind  fyn  erffgenamen.  Ende  wes  fye  anders  achter  laet,  dat 
fy  lant,  rente  off  erfftael,  fal  Johan  van  Beckem  vorgefcr.  ge- 
bruken fyn  leven  lanck,  ende  dan  fait  weder  komen  vp  junffer 
Vrfulen  vorgefcr.  erffgenamen.  Daer  dit  aldus  gefchyede,  were 
myt  my  Dafel  van  Bryfach  rychter  vorgefcr.  an  ind  aver  als 
kornoten  ind  gerychtes  luyden  dye  Erentvefte  Johan  van 
Warmeloe  ind  Sweder  van  Warmeloe  ind  mer  guder  mans, 
dye  oer  oerkunde  myt  my  dar  vp  ontfangen  hebt.  Ind  des 
toe  tughe  der  warheyt  aller  punten  vorgefcr.  vaft  to  blyven 
fonder  argelyft,  so  heb  ick  Dafell  Rychter  vorgefcr.  vor  my  ind 
myne  kornoten  vorgefcr.  myn  segell  an  deffem  breff  gehangen. 

l)  verbessert  aus  „vnda. 

a)  fur  „endea  steht  immer  nur  die  Abkurzung  „en.". 

8)  „margengavea  scheint  darzustehen. 


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—     407     — 

Noch  om  bede  halven  ind  merre  veftenyffe  hebben  wy  Johan 
van  Warmeloe  ind  Sweder  van  Warmeloe  als  kornoten  ind 
lenmans  ind  Borchmans  vp  huys  to  Depenhem  vnfe  twyer 
fegell  myt  an  deffen  breff  gehangen  ind  getuchniffe  myt  an 
den  leen  heren  geven  wylt,  alf  des  van  noden  ys.  Noch  om 
merre  veftenyffe  wyllen  heb  ick  Johan  van  Beckem  vorgefcr. 
myn  fegell  myt  an  deffem  breff  gehangen.  Gegeven  int  jaer 
onf  heren  dufent  vyffhondert  ind  achtendertich  vp  dach  Odulphi 
confefforis. 

Collacionata  diligenterque  perlecta  eft  prefens  copia  per 
me  Johannem  Swane  Notarium  publicum,  et  concordat  de  verbo 
ad  verbum  cum  fuo  vero  originali,  sigillato  non  cancellato  neque 
in  aliqua  parte  variato,  quod  atteftor  manu  propria. 

Die  Unterschrift  des  Notars  fehlt. 


Brief  Johann  van  Beckums  an  Hicko  und   Hero  v.  Wcrdum   uber 
den  Tod  ihrer  Schwesier  Ursula  v.  Werdum  am  13.  November  1544. 

11.  Dezember  1544. 

l)  Mynen  ffruntlicken  denft  vnnd  wes  jck  lieues  vnnd  gudes 
vermach  te  voiren.  Erbair  vnnd  Erentfeft  gunftighen  leuen 
swegers,  jw  fchryften  denn2)  xviijten  nouembris  nv  verleden 
dair  heb  ick  vp  ontfangen  vnnd  eres  jnholdes  vermerckt,  Alff 
gy  dan  vnnder3)  anderen  dair  jnne  vermelden,  woe  gy  vloch- 
inerynghe  tydonghe4)  erlandt,  wat  geftalt  jwesuster,  myn 
leue  huyffrow  zeliger,  klegelich  vnnd  ellendich  vp  die  vleyf- 

*)  Die  Schreibweise  des  Originals  ist  mit  alien  ihren  Eigentumlich- 
keiten  mOglichst  getreu  beibehalten;  nur  sind,  um  dem  verworrenen  Stile 
des  Briefes  ein  wenig  aufzuhelfen,  einige  Klammern  eingesetzt. 

")  Die  Handschrift  hat  „dem".  Gemass  der  damals  vielfach  herrschen- 
den  Mode  lasst  Joh.  v.  Beckum  gem  den  4.  Grundstrich  des  nn  fort,  vgl. 
unten  „dem  drosten",  „tkemynghe",  „dem  zilen",  „doedem  lichame",  „dem 
xiten  decembris*  u.  s.  w.  (B.) 

•)  es  stent  nur  „vnnd"  da. 

4)  im  Fluge  zugekommene  Kunde,  vgl.  LQbben-Walther,  Mnd.  Hdw., 
8.  v.  vlochmfire;  das  davon  gebildete  Adjektiv  ist  vlochmGrich  (B.),  wovon 
„vlochmerynghe"  eine  overijsselsche  Form  sein  muss,  vgl.  u.  sachtersten- 
dongen  pennongen". 


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—    408    — 

banck  geffort  vnnd  gebracht  fy,  vnnd  beffremdt  jw  nycht  wei* 
nych,  dath  ick  fodans  by  my  (gelickffals  zy  ellende  vnnd  ver- 
laiten  geweft)1)  daelgelecht2)  vnnd  jw  die  geftalt  vnnd  gelegent- 
heit  vnangezet3)  edder  verftendiget4)  hebben  laiten,  deff  gy  jw 
by  juwen  g.  h.  vnnd  anderen  juwen  fTruntfchap  myth  alien 
voeghen  tzo5)  beclaygen  hedden,  woe  gy  des  dan  oick  myth 
reden  tdoinde0)  bedacht,  vnnd  dairop  mach  ick  jw,  woe  wall 
ich  bedroueden  gemoethe,  nycht  verbergen.  Naedem  mynner 
lener  hnyfffrouwen,  oick  ju we  moder  vnnd  beide  sufte- 
ren  alhir  by  my  vp  mynen  huyfe  geweft  ter  tyt,  alff  myn 
sufter  Merrie  vnnd  myn  leue  huyffrow  vann  hyr  gehalt 
durch  denn  droften  van  Twenthe,  Goesen  van  Rayf felt, 
oick  gefien  vnnd  gehoirt,  woe  jn  anuanghe  mythem  gehandelt 
vnnd  vth  wath  orfaicke  myn  sufter  angenamen,  der  myn  huyf- 
frow eynen  byuall  eres  gelouens  doin  mochte7),  die  jw  dath 
felue  dan  funder  alien  twyuell  grontlick  vnnd  genochfum  an- 
gedragen  vnnd  vortan  tkennynghe  gegeuen,  verwondert  my 
oick  nycht  weinycht,  gy  my  vpleggen  mogen,  jck  juw  dath 
felue  hebbe  vnuerftendiget  gelaiten.  Jck  hedde  yo  denn  handell 
nycht  eygentlichen  auerfchreuen  konnen,  alff8)  die  moder  vnnd 
sufters  felueft  gefien  vnnd  gehoirt  hebben,  jck  jw  oick  dair  nae 
by  eynen  kundigen  baden,  denn  die  moder  vnnd  sufteren  by 
my  gehadt,  myth  alien  vurftendicheit,  jck  vnnd  die  ghenne 
vthem  haue  konnen9)  fynnen10),  montlick  ontbaden,  woe  wall  ick 


')  Das  Subjekt  zu  diesem  eingeschalteten,  wohl  nicht  wie  die  urn- 
gebenden  Satzteile  aus  dem  Sinne  der  Brdder  v.  Werdum  gemeinten 
Satze  ist  sicher  der  Schreiber,  und  dieser  scheint  ausdrQcken  zu  wollen, 
dass  er  gleichfalls  (wie  seine  Gattin)  von  alien  im  Stiche  gelassec 
worden  sei.    (B.) 

2)  bei  mir  niedergelegt,  im  Herzen  verschlossen. 

•)  sollte  B vnangezet"  eine  seltene  Bildung  mit  Ausfall  des  g=  8un- 
angesegt"  sein,  wie  oben  erlandt  =  erlangt?  (B.) 

4)  Text:  verftendigz  (mit  geschwanzten  z). 

6)  DieseForm  findet  sich  auch  sonst  in  overijsselschen  Urkunden.  (A.) 
•)  te  doinde. 

7)  der  sie  im  Glauben  beizutreten  im  Stande  war  d.  i.  wagte. 

8)  eygentlichen  =  genau,  bestimmt;  man  muss  wohl  ein  „80"  davor 
erganzen.  (B.) 

•)  mit  aller  Verstftndigkeit,  mit  der  ich  und   diejenigen  aus  dem 
Hofe  (meinem  Gute)  (es  entbieten)  konnten? 
,0)  unerkiart. 


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—    409    — 

dairop  van  jw  vnnd  antwoort  vnnd  verftrotynghe1)  verweruen, 
vnnd  mach  juw  ytzundts  dair  beneuen  vnuermeldet  nycht 
laiten,  woe  wall  jck  verhaept  hedde,  angefyn  vpgemelter 
drofte  myner  leuer  huyffrouwen  vnnd  sufter  zeliger  vngeuer- 
lich  eyn  hallef  iairlanck  by  fich  vp  syn  huyffe  jn  ver- 
waringhe  gehadt  heift,  die  faicke  folde  myth  em  toe 
betteringhe  gereicht  hebben.  Sus,  leuen  swagers,  hadde  my 
deff  wall  hoichlich  vnnd  ellendich  ain  jw  tbeclaigen,  dath  juw 
fifromme  lyffden  sufter,  myn  leue  huyffrouwe  zeliger,  vann  juw 
vnnd  sampten  ffruntfchap  verlaiten  is  worden,  des2)  jck  dem 
almechtigen  jnder  eewecheit  hebbe  tbeclaigen.  Sus  kan  jck  juw 
lyffden  leider  nicht  verbergen,  soe  fynt  dannoch  myn  leue  huyf- 
frouw  vnnd  sufter,  de  wyle  ze  eres  geloues  vulherdich  gebleuen 
fyn,  fynnen  fie  deff  donrethages  nae  Martino3)  neftuergangen 
vann  wegen  der  Roemfcher  Key.  Mat.  durch  eynnen  kommef- 
farium  van  Am  hem  vthem  lande  vann  Gelren  jn  bywefen 
deff  gerichtf,  die  droste  van  Twente  etc.  (myn  moder  vnnd  jck 
vnnd  onfe  ffruntschap  eyn  eyntlick  bewettz4)  deff  gerichtf  - 
dages  nycht  gekregen)  an  alle  onfe  gerechtonghe5)  an  twe 
poste  geflaigen,  myth  vur  sunder  enyghe  benedynghe6) 
omgebracht  vnnd  gefmoickt,#denn  zilen  der  almechtige 
genedich  vnnd  barmhartich  fyn  wyll,  vnnd  hangen  oick  noch 
alfoe  bauen  aerden,  woe  wall  wy  alhir,  vmder  doedenn  lichame 
ter  aerden  toe  krigen,  myth  alien  vlydt  vnderftanden,  vnnd 
ftain  noch  duffer  tyt  geffeilt.  Wy  fynt  dan  noch  deff  beften 
verhapende.  Nv  konne  gy  wall  bedencken,  dathir  an  vorerst 
nemantz  leder  gefchein  is  alff  my,  vnnd  foe  jck  myth  toedaet 


*)  unverstandlich.  Der  Sinn  scheint  zu  sein :  wie  wohl  ich  von  Euch 
Antwort  und  VertrSstung  (Hulfe)  erwartet  hatte.  [Das  erste  „vnnda  ist 
gewiss  zu  streichen,  „verstrotynghea  wohl  nichts  anderes  als  Schreib- 
fehler  f&r  „vertro8tynghee.  (B.)] 

*)  Das  Papier  hat  hier  ein  Loch,  vor  dem  nur  „dea  noch  erhalten  ist. 

*)  13.  November.  „ Martino"  auffallend  fur  das  gewShnliche  „ Mar- 
tini". (B.) 

4)  =  Beweis,  gerichtliche  Anzeige?  (vgl.die Form  „Kretz*  ftir  „KreisK). 
[Ich  mSchte  das  geschw&nzte  z  in  en  auflSsen:  beweten  =  bewetent 
(sub8antivierter  Infinitiv),  Kunde,  Meldung.  (B.)] 

B)  ohne  alle  unsre  Gerechtsame  (vgl.  Schiller-Lubben  u.  d.  W. 
gerechtinge). 

•)  Benedeiung,  religiose  Trostung?    (B.) 


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—    410    — 

myner  ffruntschap  denn  ellenden  handell  hedde  beren1)  vnnd 
verholden  konnen,  dairom  folde  ick  myn  lyff  und  guydt  nycht 
gefpaert  hebben.  Vnd  bidde  dairom  ffruntlick,  juw  lyffden  my 
juwen  guden  raidt  vnnd  wallmenonghe  myth  deillen  wyllen 
myth  reden  vnnd  befcheit  jnduffer  faicken  vortan  aim  beften 
tdoin  fyn  willen.  Dan  foe  duffe  juw  fchriften  ain  my  nycht 
gekomen  weer,  wolde  ick  doch  deffeluen  ain  jw  liffden  toe 
vorderynthen2)  auer  gefcreuen  hebben.  Dair  myth  fy  juwe 
lyffden  myt  fampter  ffruntfchap  dem  almechtigen  beualen 
Gefcr.  jn  anno  1.5.4.4.  denn  xiten  decembris. 

j(uw)  l(yfTden)  z(wager) 

Johan  van  Beckm. 

manu  propria. 


Oick,  leuen  swagers,  soe  my  juwe  ffromme  lyffden  fcryuen 
alff  angainde  denn  achterftendongen  pennon  gen,  dairop  leider 
kan  ick  juw  lyffden  nycht  toe  duffen  fchryuen,  sunder  ytfelue 
mach  ftain  tot  fynre  tytltdath  wy  der  faicken  wyder  durch 
bykumpft  eeder  anders  durch  verfchryuynghe  fych  deff  geuelt8). 


Aufschrift:  Dem  Erentfeften  vnnd  Erbairen  Hicko  vnnd 
Hero  van  Werdum  gebroederen,  mynen  gunftighen  vnnd 
ffruntlichen  lieuen  swagers,  ffruntlick  gefcr. 

F.  Ritter. 


*)  so  steht  deutlich  da;  es  ist  aber  vielleicht  ,keren"  (hindern)  gemeint. 
[Sollte  „beren"  nicht  =  „beteren"  sein?  (B.)] 

*)  , vorderynthen-  halte  ich  fur  verschriebenes  Oder  unorthogra- 
phisches  „vorderinchen"  =  Bvorderynghen"  (FSrderung).    (B.) 

•)  gevellen  =  „gefallig"  machen,  beilegen?  (A.)  Nach  „dath  wy* 
mtisste  „  gevellen  *  folgen  (dass  wir  die  Sache  beilegen),  der  Schreiber 
hat  aber  das  Subjekt  „wya  aus  dem  Auge  verloren  und  „sich  beilegt* 
gesetzt,  al8  ob  Bdie  saicke*  Subjekt  ware  (dass  die  Sache  beigelegt  wird)  ? 


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—    411     — 

IV. 
Edzard  II.  und  sein  Bruder  Johann  am  schwedischen  Hofe. 

Am  1.  Oktober  1559  verheiratete  sich  Edzard  II.  zu  Stock- 
holm mit  der  schwedischen  Prinzessin  Katharina,  einer  Tochter 
Gustav  Wasas.  Sein  Bruder  Johann  hatte  ihn  nach  Schweden 
begleitet.  Man  befand  sich  bereits  auf  der  Riickreise,  als  dieser 
infolge  eines  seltsamen  Liebesabenteuers  mit  einer  der  jiingeren 
Tochter  des  KGnigs  auf  unfreiwillige  Weise  mit  Bruder  und 
Schw&gerin  noch  langere  Zeit  im  Lande  der  Mitternachtsonne 
zurtickgehalten  wurde.  Ein  paar  eigene  Zeugnisse  der  Grafen 
Edzard  und  Johann  mogen  uns  die  damaligen  Vorgange  in 
Schweden  vor  Augen  fiihren. 

Auf  dem  Reichsarchive  zu  Stockholm  (Sign.  E.  VII.  For- 
handlingar  med  Ost-Friesland)  fand  ich  im  Herbste  1902  die 
gleichzeitige  Abschrift  eines  Briefes  von  Johann  an  seine  Mutter, 
die  Grafin  Anna  von  Ostfriesland,  der  er  fiber  diese  Ereignisse 
berichtet : 

Wolgeborne  und  Edle  fruntliche  Liebe  fraw  mutter,  Jch 
magk  meiner  hertzlieben  fraw  mutter  inn  aller  gehorsamcheit 
nicht  verhalten,  das  ich,  Gott  bessers,  inn  grossen  unfall  und 
ungliick  kommen  bin  und  die  Kon.  Majt.  zu  Schweden  sehr  iiber 
die  massen  hart  verzornet  hab  und  zu  ungnaden  bewogen. 
Welchs  myr,  weiss  Gott,  herzlich  leyde  ist,  nemblich  das  ich 
auf  einem  Schloss  Watstein  genandt  der  Kon.  Majt.  zu  Schweden 
zugehorigk  zu  Jhrer  Majt.  geliebten  Tochter  frehlin  Cicilien  ezliche 
mahl  durchs  fenster  inn  ihr  schlaffkamrner  bey  nacht  Zeiten 
gestiegen  und  zuletzt  dar  innen  ergriffen  worden,  und  hab 
ich  armer  mensch  vor  grosser  Lieb,  welche  mich  so  geblendet, 
nit  k5nnen  gedenken,  was  jammer  und  nodt  mych  hieraus 
entstehen  wtird,  und  wie  in  grosse  ungnade  der  Kon.  Majt.  ich 
fallen  wurde.  Wodurch  dann  J.  Kon.  Majt.  geliepte  Tochter  ann 
ihrem  guten  gertichte  merglich  geschwecht  und  inn  ein  oflentlich 
geschrey  kommen.  So  ist  derohalben  mein  bitt  und  begehr, 
mein  hertzlieb  fraw  mutter  wille  nach  betrachtung  dieser  hoch- 
wichtigen  sachen,  damit  ich  die  Kon.  Majt.  zu  Schweden  verzornet 
und  Sr.  Kon.  Majt.  ungnade  auf  mych  geladen,  sich  ihres  armen 
Sohns  erbarmen  und  ihr  mutterlichs  hertz,  nit  von  myr  wenden, 
sondern  mit  allem  fleis  darann  sein  und  auf  mittel  gedenken, 

Jahrbach  der  Gwellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Altertumer  zu  Emden,  Bd.  XV.  27 


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—    412    — 

das  die  Kon.  Majt.  zu  Schweden  mochte  zu  frieden  gestellet  und 
gentzlich  vorsonth  werdenn.  Welchs  dan  ohn  vorzugk  getrieben 
mufste  werdenn,  dan  mein  liebe  fraw  mutter  wall  zu  erachten, 
who  solchs  nit  geschicht,  inn  was  vhor  gefhar  meynes  lebens 
ich  dan  stehen  werde.  Darumb  bitt  ich  nach  wie  vhor,  meyn 
hertzliebe  fraw  mutter  wolle  ihr  armes  kindt  in  diesen  nothen 
nitt  vorlassen  vnd  myr  mein  iibertretung  vorzeihen  und  Gott 
den  allem&chtigen  bitten,  das  er  mych  meyn  siinde  gnediglich 
vorgeben  w&lle  und  sein  htilffe  neben  der  K.  Majt.  und  frunt- 
schafft gnediglich  vorlihen,  auf  das  ich  durch  seine  gdttliche 
gnad,  meiner  fraw  mutter  und  fruntschafft  magk  aus  dieser 
nodt  errettet  werden,  dan  who  Gott  der  allemechtige  sein  handt 
von  myr  abziehen  wtirde,  welchs  ich  dan  nicht  hoffe,  dafiir  ich 
auch  tagk  und  nacht  bitten  will,  auch  mein  liebe  fraw  mutter 
neben  der  fruntschafft  Jhren  muglichen  fleis  mit  fhurwenden 
werden,  auf  das  die  Kon.  Majt.  zu  Schweden  vorsonet  und  zu 
frieden  gestellet  werden  mflchte,  so  ist  es  mit  myr  aus.  Jch 
vorhoffe  aber,  Gott  der  allemechtige,  meine  Liebe  fraw  mutter 
und  fruntschafft  werden  mych  nit  vorlassen,  Sondern  mich 
aus  dieser  nodt  und  grosser  gefhar  meines  lebents  helffen, 
darinn  ich  mich  lei  der  geftiret  und  gebracht  und  mich  nhu 
selbest  nicht  daraus  helffen  kann.  Hiemit  will  ich  meine  fraw 
mutter  Gott  dem  allemechtigen  bevhelen,  bittende  nach  wie 
vhor,  mein  hertzliebe  fraw  mutter  wille  sich  dies  doch  alles 
zu  hertzen  gehen  lassen  und  mein  grosse  nodt,  gefhar  und 
elend  ansehen  und  ohn  einig  vorzugk  dartzu  gedenken,  das 
die  Kon.  Majt.  zu  Schweden  m5ge  vorsonet  und  zu  frieden  ge- 
stellet werden,  who  anders  mein  liebe  fraw  mutter  ihren 
armen  Sohn  lebendigk  zubehalten  begehret.  Diss  alles  will  ich 
nach  kindlichem  vormuegen  und  gehorsamheit,  so  lange  myr 
Gott  lasset  leben,  wieder  vordienen.  Datum  Orby,  den  3.  Aprilis 
anno  60. 

E.  L.  gehorsamer  Sohn 
Johan  Graff  und  her  zu 
Ostfriefslandt. 

Beinahe  ein  Menschenalter  sp&ter,  kurz  nach  dem  Tode 
des  Grafen  Johann,  fand  sein  Bruder  Edzard  Gelegenheit,  sich 
bei  einer  Audienz  iiber  jene  Vorg&nge  in  Schweden  zu  Sussern. 


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—    413    — 

Die  Veranlassung  dazu  fiihrt  uns  in  die  Streitigkeiten  Edzards 

mit  seinen  Unterthanen  hinein.    Im  August  1591  hatten  einige 

angesehene  Norder  Burger1)   eine   Btirgerversammlung   in  der 

dortigen   Kirche  einberufen  und   im   Einverstandnis   mit   der- 

selben,  wie  sie  glaubten,  nach  gutem  alten  Rechte,   an   Stelle 

der  bisherigen  Norder  Schiittenmeister  neue  verordnet,   ohne 

sich    dabei    der    Zustimmung    des    Grafen    zu    vergewissern. 

Edzard  sah  dies  als  einen  Eingriff  in  seine  Hoheitsrechte  an, 

liess  die  Veranstalter  der  Versammlung  auf  die  Burg  zu  Berum 

laden  und  ihnen  dort  durch  eine  besonders  hierzu  ernannte 

Kommission,  bestehend  aus  den  Doktoren  bez.  Lizentiaten  der 

Rechte:    Alrich  Schluter,    Hermann  Meyer,    Franziscus  Baude- 

mont,  Heinrich  Over  und  Germans  Ennen,   sowie  dem  Emder 

Ratsverwandten  Johann  Wilken,  den  Prozess  machen.    Infolge 

dessen  blieben  sie  dort  fast  ein  Jahr  lang  in  Haft,   obwohl 

von  anderer  Seite  die  Strafbarkeit  ihres  Verfahrens  bezweifelt 

wurde.    Am  6.  September  war  die  grafliche  Kommission  ein- 

gesetzt,  am  31.  Oktober  scheint  bereits  ihre  Verhaftung  erfolgt 

zu  sein,  denn  bei  Edzard  erscheinen  an  diesem  Tage  die  Norder 

Geistlichen   Elsenius   und   Schtinemann    mit    dem    Advokaten 

Dr.  Llibbert  Hoffschlag,2)  um   fur   die  Gefangenen  einzutreten, 

freilicli    ohne    bei    dem    Grafen,    der    als    erste    Bedingung 

ein  offenes  Schuldbekenntnis  der  Radelsfuhrer  fordert,  etwas 

zu  erreichen.     Am   12.  November  begeben  sich  Hoffschlag  und 

Elsenius   mit   dem   gleichen   Anliegen   wiederum  zum  Grafen, 

auch  diesmal  ohne  jeden  Erfolg,  denn  wenige  Wochen  spater, 

am  26.  November,  l&sst  Edzard  die  Haft  sogar  dahin  versch&rfen, 

dass  auch  die  Frauen  der  Gefangenen  nicht  mehr  ohne   seine 

Erlaubnis  zu  ihnen  gelassen  werden  sollen.     Ein  Bericht  uber 

diese  Audienz   mit   den  Auslassungen  des   Grafen  uber  seine 

schwedischen  Erlebnisse  fand  sich  in  einem   alten  graflichen 

Protokollbuche.    Hierher  hat  Brenneysen  denselben  abschreiben 

und  einem  seiner  historischen  Sammelbande  einverleiben  lassen. 

(Msc.  A.  164  des  Kgl.  Staatsarchivs  zu  Aurich.) 

l)  In  der  Emder  Apologie  von  1602  p.  15  werden  6  mit  Namen  ge- 
nannt:  Christoffer  Folckersheim,  Hayo  Rikenna,  Otto  Frederichs  (v.  Wicht), 
Otto  Ldringk,  Eggerik  Ulrichen,  Herman  Sanders ;  die  grafliche  Vollmacht 
fur  die  Untersuchungskommission  macht  ausserdem  noch  Dirk  Glasemacher 
und  den  Notar  Johann  Gerdes  namhaft. 

*)  an  einer  anderen  Stelle  wird  der  Name  BHofschlacht"  geschrieben. 

27* 


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—    414     — 

Esctractus  Protocolli  vam  12ten  Nov.  1591. 
fol.  147  b. 

In  Sachen  der  gefangenen  Burger  zu  Norden  ist  uff  aber- 
malige  tiberreichte  Supplication  und  Bericht,  den  intercessors, 
Dr.  Hoffschlag  und  Pastorn  Bernhardt)  Elsenio,  im  Beysein  der 
durchlauchtigen  hochgebohrnen,  meiner  gn&digen  Fttrstin  und 
Frauen,  zum  Bescheid  gegeben:  S.  G.  hSLtten  jetzige  suppli- 
cation und  beygeftigten  Bericht  vorlesen,  befunden  aber  noch 
nicht,  dass  jiingstem  Abschiede  gemass  sie  die  Gefangene  sich 
subraittireten,  ihrer  Misshandelung  erkenneten  und  derowegen 
schuldige  gebiihrende  Abbitte  th&ten,  sondern  vielmehr  in  fac- 
tum gleich  wie  vor  und,  als  ware  daran  wohl  und  nicht  ftbel 
gethan,  defendiren  wolten;  derowegen,  und  weil  dann  ihnen 
hierin  |:  wie  daraus  zu  versptiren  :|  lieber  das  Recht  als  die 
Gnade  ware,  so  liessen  es  S.  Gnd.  darbey  bewenden,  dass  sie 
erwarten  sol  ten,  was  ihnen.  desfalls  kiinfitig  Urthel  und  Recht 
mitbringen  wiirde;  dann  unter  des  lieben  Jhr.  Gn,  jetzo  wie 
nechst  bey  voriger  wohl  befugter  billig  massiger  Meinung.  Wann 
sie  selbsten  mit  Mund  und  unter  ihren  H&nden  warden  be- 
kennen,  dass  sie  Jhrer  Gnaden  in  dero  Hoheit  gegriffen  und 
daran  zu  viel  und  unrecht  gethan  hatten,  auch  darnechst  urn 
Gnade  und  Verzeihung,  wie  schuldig,  also  gebiihrlich  anlangen 
und  bitten  wiirden.  Alsdann  darauf  S.  G.  sich  ferner  erkl&ren 
wolten,  und  liessen  ihnen,  den  Jntercessoren,  zu  einem  Exempel 
und  Erz&hlung,  was  ihrer  Gn.  selbsten  wol  begegnet  w&re  vor- 
stellen,  nemblich,  was  massen  verrttckter  Jahren  und,  als  S.  G. 
mit  und  nebenst  dero  in  Gott  verstorbenen  s&ligen  geliebten 
Bruder  in  Schweden  gewesen,  sich  zugetragen  h&tte,  dass 
dessen  Liebd.  Christmilder  Ged&chtniss  bey  S.  May.  einer  Sachen 
halber,  die  gedeutet,  dass  daran  S.  Maj.  in  dero  Krohne  und 
Hoheit  gegriffen,  in  Ungnade  gerathen;  und  ob  wohl  S.  G.  mit 
demselben  nichts  zu  schaffen,  auch  Jhrer  Maj.  Tochter  und 
dero  jetzige  Gemahlin  Jhr  bereits  vermahlet  gehabt,  dennoch 
allein  aus  einer  suspicion  und  Argwohn,  als  solte  und  mtlsste 
S.  G.  von  angeregten  Handel  Wissenschaft  (wie  doch  nicht) 
mit  gehabt  haben,  Ihr  die  Faust  abgenommen  und  in  deroselben 
Gemach  ein  ganzes  halbes  Jahr,  inwendig  dessen  S.  G.  daraus 
nich   gehen    miissen    noch   zu  ihrer  Gemahlin  Lbd.   kommen 


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—     415     — 

kflnnen,  verhaftet  worden  sey.  Endlich  auch  solcher  Ver- 
strickung  nicht  gefreyet  werden  mogen,  eh  und  bevor  sie  alles 
und  jedes,  wie  es  der  KOnig  selbst  begehrt  und  haben  wollen, 
auch  in  Puncten  vorgestellet  gewesen,  erfiillet  und  vollenzogen 
haben.  So  dann  S.  G.,  die  doch  gegen  sie  nicht  zu  vergleichen, 
und  darzu  um  blossen  Argwohnes  und  gantz  keiner  Schulden 
oder  widerwartigen  Handlung  willen  allsolch  erzahlte  conditiones 
eingehen  und  annehmen,  auch  nolens  volens  praestiren  mtissen, 
wie  viel  mehr  S.  G.  gegen  sie  berechtiget  und  billich  gemach- 
tiget  ware,  da  ihre  Misshandelung  kein  Argwohn,  sondern  offen- 
bar  und  am  Tage  seye,  ja  ihre  selbst  Mitbtirger  ihnen  abfallen 
und  freywillig  Ubel,  unrecht  und  zu  viel  gethan,  auch  in  S.  G. 
Hoheit  dadurch  gegriffen  zu  seyn  bekennen.  Derohalben  keiner 
anderen  Gestalt,  denn  wie  zu  vorn  gesagt  und  auch  nechsthin 
zum  Abscheide  gegeben,  sich  uff  ihre  ietzige  und  vor  diesem 
ttbergebene  Supplicationes  und  dahero  viel  zu  weit  geholtes 
Anlangen  zu  resolviren  und  zu  erklahren.  Stellende  solches 
zn  ihrem  und  manniglichs  verniinftigen  unparteyischen  Urthel 
und  judicio.  Jntercessoren  bedanketen  sich  gegen  J.  G.  unter- 
thanig,  gnadiger  und  vielf&ltiger  intercession,  die  sie  Sffentlich 
riihmen  wolten,  coetera,  weil  die  Sache  dermassen  geschaffen, 
nahmen  sie  den  Gefangenen  zu  referiren  an. 


Als  Erganzung  der  vorliegenden  Sohriftstiicke  moge  eine 
Nachricht  iiber  die  Schwedenfahrt  der  beiden  ostfriesischen 
Grafen  dienen,  welche  ein  niederl&ndischer  Fliichtling,  der  sich 
zwischen  1580  und  1590  in  Emden  aufgehalten  haben  muss, 
auf  Grund  des  damals  von  ihm  in  Ostfriesland  Gehorten  auf- 
gezeichnet  hat.1)  Man  ersieht  daraus  nicht  nur,  welchen 
Schwierigkeiten  zeitweise  die  Korrespondenz  des  Grafen  Johann 
mit  seiner  Mutter  unterlag,  sondern  auch,  wie  der  vom  schwe- 
dischen  Hofe  schon  so  schlecht  behandelte  Graf  Edzard  durch 
das  Verhalten  seiner  eigenen  Landsleute  in  eine  geradezu  ver- 
zweifelte  Lage  gebracht  wurde: 


*)  Weiteres  Uber  diese   Aufzeichnungen   im  nftchsten  Bande   des 
Jahrbuches. 


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—     416    — 

Edzert  die  tweede  des  Naemens,  die  vierde  Graeffe  van 
Oistvriessland,  dese  hillickte  aen  die  dochter  van  den  Coning 
Gustavus  van  Sweeden,  genaemt  Catrina,  dit  worde  eerst  ge- 
achtet  een  groodt  hyllyck  voor  Oistvriessland,  dan  in  der  daet 
een  hooch  schadelyck  hielk  befonden. 

Als  Graeff  Edzart  na  Sweeden  toogh,  om  den  bruitt  te 
haelen,  soo  toogh  Grave  Joban,  die  Jongste  Broder,  mede  be- 
nevens  eenige  andere  Edelen  nae  Sweeden  op  den  Bruilofft. 
So  hadde  den  Coninck  Gustavus  noch  een  dochter,  een  Jof- 
frouw,  dese  maeckte  groote  gemeenschap  mit  Grave  Johan  van 
Oistvriessland,  de  welcke  een  liberaele  Jonckheer  was,  velichte 
uth  Lifticheit  end  tho  stooken  van  den  vader  end  Broders, 
die  door  deese  gemeenschap  ende  vryge  Converzatie  oorsake 
naemen,  seggende :  dat  hy  hem  onder  staen  hadde,  dese  dochter 
te  onteeren,  Seggende,  het  was  geen  Buiren  offt  slecht  Edel- 
mans  Dochter.  sundern  het  was  een  Coonincx  dochter  end 
daer  mede  den  hals  verbeert.  Also  quam  dese  goede  Jonge- 
heer  deese  vryge  gemeenschop  |:  in  plaetse  van  Liefde:;  to 
grooten  nadeel.  Somma  hy  worde  aengetast  end  gevancklyck 
ingetoogen  end  na  den  hals  gedongen,  und  dese  gevenckniss 
duirde  wat  lange. 

Want  Graeff  Edsart  bleelf  soo  lange  uth,  dar  ick  niet  wel 
wete,  offte  hy  een,  dan  offte  hy  met  syn  vrouwe  twie  kinderen 
mede  brachte.  End  worde  de  saecke  voor  de  Moeder  lang  in 
secreet  geholden,  eens  deels  dat  in  Sweeden  Booden  end  Brieven 
up  geholden  end  verhindert  worden,  oick  mede,  dat  de  Raeden 
end  Amptluiden  in  Oistvriesslandt  de  Saecke  mede  verbergden 
voor  de  vrouw  Moeder,  om  haer  niet  meer  te  bedrooven,  hoopende, 
die  sake  solde  bygelecht  worden,  dann  t'was  van  niet,  daeromme 
mosten  se  de  swarigheit  openbaren,  om  middelen  te  sooken  tot 
syner  verlossinge,  dan  alle  des  moeders  schrieven  was  om  niet, 
sy  wolden  Graeff  Jan  in  Sweeden  beholden. 

Also  nu  geen  bede  noch  entschuldinge  helpen  wolde,  most 
men  de  sake  voor  de  gantzen  Landesstenden  in  oopenen  Land- 
dagen  andienen,  End  worde  entlycken  Resolviert,  end  der  selver 
Resolutie  in  Sweeden  overgesonden :  Dat  Graue  Edzart  hem  niet 
solde  onderstaen,  wederom  in  Oistvriessland  tho  komen  sonder 
synen  Broder.    Want  sy  hem  niet  als  eenen  heere  wilden  ont- 


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—     417     — 

fangen,    sonder    mit    gewarter   hand    uthkehren    end    Graeffe 
Christoffer  voor  eenen  Landesheeren  annehmen. 

Dese  Resolutie  was  in  Sweeden  niet  seer  aengenaem,  dan 
zy  werckten  soo  veele,  dat  den  Raad  verandert  worde  End 
Graeff  Johan  lossgegeven. 

Dr.  H.  Reimers. 


V. 
Hollftndisches  Wiegenlied  auf  die  letzte  Prinzessin  von  Ostfriesland. 

(Mitgeteilt  von  Prof.  Dr.  Deiter  in  Hannover.) 

Karl  Edzard,  der  letzte  Furst  in  Ostfriesland  aus  dem 
Hause  Cirksena,  verheiratete  sich  1734  in  einem  Alter  von 
18  Jahren  mit  der  dritten  Tochter  des  Markgrafen  zu  Branden- 
burg-Kulmbach,  Sophia  Wilhelmina,  und  trat  nach  dem  Tode 
seines  Vaters,  der  am  11.  Juni  desselben  Jahres  erfolgte,  die 
Regierung  an.  Nur  10  Jahre  war  es  ihm  beschieden,  sein 
Fiirstentum  durch  manche  Wider wartigkei ten  hindurchzufuhren. 
Denn  er  starb  schon  am  25.  Mai  1744  nach  kurzer  Krankheit. 
Mit  ihm  erlosch  der  Mannesstamm  des  ostfriesischen  Re- 
gierungshauses,  da  ihm  kein  Sohn,  nur  eine  Tochter  wahrend 
seines  ehelichen  Lebens  geboren  wurde.  Zu  Ehren  dieser 
Tochter,  die  freilich  nur  vom  5.  Dezember  1740  bis  zum  14. 
Juni  1742  leben  sollte,  hat  der  damalige  Rentmeister  zu  Emden, 
Gerhard  Marcelius,  das  folgende  Gedicht  angefertigt  und  dem 
Fiirsten  ubersandt,  das  mit  dem  Begleitschreiben  noch  hand- 
schriftlich  im  Auricher  Archive  (Akten  I  22)  aufbewahrt  wird. 

Getrauwc  zielenwensch  op  de  groeiing  en  bloeiing  van  de  doorluchtigste 
prinsesee  Elisabet  Sophia  Magdalena  Carolina  Wilhelmina,  prinsesse  to 

Oostfrieslant. 
1. 
Wie  ligt  daar  in  het  zuisje, 
In't  vorstlyke  kinderhuisje  ? 
Wie  trekt  daar  aan  het  wiegelint 
En  zuist  daar  't  teere,  lieve  kint? 
En  zingt  daarby  naar  kinder  taal 
Zo  lieflyk  als  een  nachtegaal  ? 

Wie  gluirt  daar  oopgetoogen 
Met  blyde  $n  yroolyke  oogen 


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—     418     — 

2. 

Dus  strak  op't  lieve  kintje 
En  grypt  me  fluks  het  lintje? 
Haut  't  wiegje  mede  in  zachte  gang, 
Stemt  lieflyk  mede  in't  kinder  zang? 
Hoe  vrientlyk  lacht  het  zoete  wicht! 
Hoe  vergenoegt  staat  haar  't  gezicht! 
In  purper  roode  wangen 
Met  lilie  witte  gangen. 

3. 
Geen  wonder,  't  is  de  vader, 
Die  goede  en  trau  beraader, 
De  groote  Carl!  het  duirste  pant, 
Doorluchste  vorst  in  't  Vriesen  lant, 
En  moederlief,  de  vrou  vorstin, 
Die  ons  brengt  zulk  een  groot  gewin. 

Vrou  wy8heit  ende  sterkte! 

't  Is  heerlyk,  wat  gy  werkte!1) 

4. 
Wat  zal't  niet  heerlyk  weezen, 
Voegt  ge  ons  een  prins  by  deezen! 
Een  erfprins,  daar  't  heel'  lant  om  zucht, 
En  myne  ziel'  tot  God  staag  vlucht 
En  bidt:  0  God!  vervul  myn  wensch, 
Zo  troost  zich  elk  oprechte  mensch 
En  proeft  daarin  Gods  zoedheid 
Tot  roem  van  zyne  goedheid. 

5. 
Verschoon  doch  deeze  afweiding, 
Ik  volgde  slegs  pensleiding, 
Weswegen  ik  dien  voortgang  staak 
En  keere  nu  weer  tot  myn  taak. 
Ey!  zoete,  lieve  Elisabet! 
Wat  plooit  u't  montje  wondemet, 
Wat  zien  de  oogjes  wyslyk, 
Sophia  is  zeer  pryslykt 

6. 
Wat  zonderlinge  trekje 
Heeft  Magdaleen  in't  bekje! 
0!  Carolin!  wel  groot!  tans  klein, 
U  lippes  zyn  korallen  rein: 
Lief,  blank  en  root  als  bleekert  wyn 
Is't  zachte  vel  van  Wilhelmyn! 

Wat  zegt  gy,  minne-moertje, 
Past  haar  niet  wel  een  broertje? 

')  zinspeelende  op  de  naam  Sophia  Wilhelmina. 


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—    419     — 

7. 
Zacht,  zacht!  prinsesse  ontwaakje 
Met  bloesels  op  u  kaakje? 
Gewis;  zy  rekt  haar  vrieze  leSn 
En  schynt  op  't  slaapje  wel  te  vreen. 
Wei  hoe!    Gy  maakt  een  bang  geluit, 
Ik  zorg,  het  koomt  op  schreyen  uit; 
Zy  looft  reets  bange  zuchjes, 
Of  zyn't  maar  looze  kluchjes? 

8. 
Daar  vloeyen  reets  de  traantjes 
Uit  de  oogje8  als  uit  kraantjes. 
Wat  schort  u  doch,  myn  zoete  lam  ? 
Begeert  gy  zoch  uit  myne  pram? 
Zy  hoort  u  toe,  eischt  vrie  en  swygt, 
Eer  gy  wat  op  u  pelsje  krygt: 

Gy  zyt  een  rechte  drukkert, 
Als  gy  dus  ligt  en  klukkert 

<J. 
Aan  minne-moertjes  borsjes 
Ent  stilt  daar  goed  u  dorsjes. 
Hoe  innig  lacht  het  schoonste  wicht, 
Nu  zy  zo  zacht  in't  schootje  ligt ! 
Hoe  eit  en  straakt  zy  haare  min 
Voor  de  eedle  melk,  die  zy  zuicht  in! 
Nu,  nu!  genoeg;  hau  de  opjes 
Of  krygt  wel  harde  klopjes. 

10. 
Nu  Auks  eens  op  de  beentjes, 
Ey!  hau  zy  braaf  by  eentjes, 
Zet  voet  voor  voet,  stap  wakker  aan, 
Zo  leert  gy  best  recht  op  te  gaan. 
Dat  leert  al  braaf,  't  verdauwt  de  spys, 
En  dus  haut  gy  een  goede  wys; 
Het  dient  wel  te  verteeren, 
Zal't  lyfje  braaf  erneeren. 

11. 
De  geever  geeft  al  't  goede, 
Hy  is  nooit  geevens  moede. 
Hau  staag  by  Godes  genaden  troon, 
Gesticht  door  't  bloed  van  2ynen  zoon, 
In  demoet  aan.    0!  Heer  en  God! 
Zy  gy  haar  steun  en  eeuwig  lot! 
Nu  slaap  en  groei,  prinsesje, 
Vaar  wel  met  dit  myn  lesjie! 


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—     420     — 

12. 
God  meerdere  uwe  jaaren, 
Wil  beide  uwe  Ouders  spaaren! 
Draagt  trauwe  zorg',  geachte  minn' 
En  plant  der  vroeg  Gods  vreeze  in, 
Zo  hebt  gy  wis  genadenlon 
Van  God  en  zyn  geliefden  zoon. 
Zy  slaapt  en  bluit  de  boogjes 
Van  haare  phenixs  oogjes. 

Ik  sluit  dan  ook,  o  voreten  kint, 
Van  my  vereert  en  trau  gemint. 


VI. 

Ein  Versuch,  die  RechtsgOltigkeit  der  Brandenburgischen  Anwartsohaft 
auf  das  FOrstentum  Ostfriesland  anzufechten. 

Bald  nach  dem  am  20.  Oktober  1740  erfolgten  Tode  Kaiser 
Karls  VI.,  mit  dem  der  Habsburgische  Mannesstamm  erlosch, 
brachte  die  Hamburger  Zeitung,  Reichs-Post-Reutter  genannt, 
in  ihrer  Nummer  vom  6.  Dezember  1740  aus  Wien  unter  dem 
26.  November  die  Mitteilung,  dass  man  „hier  behOrigen  Orts 
in  Begriff  ist,  diejenige  Praejudicia  und  Reichs-Vorf&lle,  welche 
bifshero  nicht  in  dem  Reichs-Departement,  sondern  durch  die 
osterreichische  Hof-Canzley  expediret  worden,  aufzusuchen, 
damit  desfals  in  der  neuen  Wahl-Capitulation  wiederhohlte 
Vorsehung  geschehen  mogetf. 

Diese  Mitteilung  erregte  am  ostfriesischen  Ftirstenhofe  be- 
greiflicherweise  grosses  Interesse.  Seit  dem  Jahre  1734  regierte 
Karl  Edzard.  Zu  den  unliebsamsten  Erbschaften,  die  er  von 
seinem  Vater  Georg  Albrecht  tibernommen  hatte,  zahlte  vor  allem 
die  brandenburgische  Anwartschaft  vom  10.  Dezember  1694.  Das 
Kurhaus  gehorte  dem  reform ierten  Bekenntnisse  an,  dessen  An- 
hanger  in  Ostfriesland  stets  auf  der  Seite  der  Gegner  des  streng 
lutherischen  Ftirstenhauses  standen  und  in  Brandenburg  den  be- 
rufenen  Schutzer  ihres  Glaubens  sahen.  Auch  konfessionelle 
Griinde  widersprachen  daher  der  brandenburgischen  Anwart- 
schaft. So  sehr  man  auch  bestrebt  gewesen  war,  das  Aussterben 
der  einheimischen  Herrscherfamilie  zu  verhtiten,  so  war  doch  in 
dem  Jahre  1740  Karl  Edzard,  der  einzige  m&nnlicbe  Cirksena,  vor* 


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—    421     — 

laufig  ohne  einen  solchen  Erben.  Christian  Eberhard,  unter  dessen 
Regierung  die  Anwartschaft  vom  Kaiser  ftir  Brandenburg  ausge- 
stellt  war,  hatte  aus  seinen  beiden  Ehen  mit  Eberhardine  Sophie 
von  Oettingen  und  Anna  Juliana  von  Kleinau  15  Kinder.  Es  (iber- 
lebten  ihn  nur  3  Sohne,  Georg  Albrecht,  Karl  Emanuel,  gestorben 
ira  Jahre  1709,  und  August  Enno,  der  im  Jahre  1725  heimging. 

Von  Georg  Albrechts  SShnen  war  bei  dem  Tode  des  Vaters 
nur  noch  der  dritte,  Karl  Edzard,  am  Leben,  die  beiden  Prinzen 
Georg  Christian  und  Karl  Christian  waren  i.  J.  1711  bez.  1715 
ihrem  Vater  vorangegangen.  Georg  Albrechts  zweite  Ehe  mit 
Sophie  Karoline,  Prinzessin  von  Brandenburg-Kulmbach,  war 
ohne  Nachkommen. 

Aus  der  Ehe  Karl  Edzards  mit  Sophie  Wilhelmine,  Prin- 
zessin von  Brandenburg-Bayreuth,  war  nur  eine  Tochter  hervor- 
gegangen,  die  nach  Eintreffen  der  Hamburger  Zeitung,  am  9. 
Dezember,  geboren  wurde.  Das  Aussterben  des  Cirksenaschen 
Mannesstammes  schien  daher  nicht  ausgeschlossen.1) 

Kein  Wunder,  dass  die  Mitteilung  des  Reichspostreiters 
nicht  unbeachtet  gelassen  wurde.  Schon  unter  dem  9.  Dezember 
des  Jahres  1740  erhielt  der  bekannte  fftrstliche  Agent  am 
Kaiserhofe  in  Wien,  Freiherr  von  Gersdorf,  unter  Beifiigung 
einer  Abschrift  desselben  ein  Schreiben  folgenden  Inhalts :  Ihm 
wurde  wohl  erinnerlich  sein,  dass  man  auf  vorhin  beschehenes 
Nachfragen  bei  der  Reichskanzlei  von  der  von  weil.  Leopoldi 
Kays.  Mayst.  dem  Herrn  Kurfursten  von  Brandenburg  im  Jahre 
1694  vermeintlich  verliehenen  Expectanz  auf  das  Fiirstenthum 
Ostfriesland  nichts  wissen,  sondern  solches  auf  die  Geheime 
Kanzlei  verweisen  wollen.  Wann  nun  aber  zu  vermuthen,  ge- 
stalten  solche  in  der  osterreichischen  Hofkanzlei  wider  den  Ein- 
halt  der  Leopoldinischen  Capitulation  expediret  und,  wie  aus 
der  Beilage  zu  ersehen,  bei  jetzigem  Interregno  auf  dergleichen 
Abusus  reflectiret  und  solche  zur  kiinftigen  Remedur  aufgesuchet 
wiirden,  so  solle  Gersdorf  bei  der  jetzigen  vielleicht  favorablen 
Gelegenheit  sich  erkundigen,  wie  es  eigentlich  mit  solcher  Ex- 
pedition beschaffen  sei,  und  dariiber  berichten. 

l)  Man  kann  einen  Vorgang  in  der  englischen  Qeschichte  heran- 
ziehen:  die  Kdnigin  Anna  sah  14  Kinder  vor  sich  ins  Grab  sinken,  und 
so  kam  nach  ihrem  Tode  im  Jahre  1714  das  Haus  Hannover  auf  Englands 
Thron. 


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—   422   — 

Von  Gersdorf  liegen  3  Berichte  in  dieser  Angelegenheit 
vor,  die  wir  in  ihrem  Wortlaute  hier  mitteilen.  Er  (iberzeugte 
sich,  dass  die  Anwartschaft  ordnungm£ssig  in  der  Reichs- 
kanzlei1)  ausgestellt  worden  war,  und  in  Aurich  glaubte  man 
ihm.  Die  Schreiben  wurde  ad  acta  die  Brandenburgische  Ex- 
pectanz  betr.  gelegt,  die  bereits  erheblichen  Umfang  hatten, 
und  der  so  unvermutet  auftretende,  aber  freudig  begrusste 
Hoffnungsschimmer  auf  Beseitigung  der  fatalen  Anwartschaft 
war  fiir  immer  erloschen. 

I. 
">  Wien,  28.  Dezember  1740. 

Habe  aus  dem  gnadigsten  Postscripto  3tio  vom  9.  huj.  .  .  er- 
sehen,  dass  Ewr.  Hochfttrstl.  Durchl.  durch  den  demselben  beige- 
legten  Extract  aus  dem  Hamburgischen  Reichs-Post-Reuter  vom 

6.  huj bewogen  worden,  mich  gnadigst  zu  instruiren,  dass  ich, 

wie  schon  vor  einigen  Jahren,  jedoch  ohne  den  gehofften  Effect, 
geschehen,  mich  erkundigen  solle,  ob  die  von  Weyl.  Kaysers 
Leopoldi  Mayst.  dem  Churfiirsten  von  Brandenburg  Friderico  lm 
anno  1694  vermeintlich  verliehene  Expectanz  auf  das  Filrsten- 
thum  Ostfriesland  aus  der  Reichs-Canzley,  oder,  weil  diese  bei 
voriger  Nachfrage  nichts  davon  wissen  wollen,  bei  der  damaligen 
Leopoldinischen  Osterreichischen  Hoff-Cantzley  expediret  worden. 
Nun  habe  ich  mich  bereits  beym  561,  501 2)  und  dem  Baron  von 
Gudenus  zuvorderst  erkundigt,  ob  gedachte  Zeitung  ihre  Richtig- 
keit  habe  ?  auch  ihnen,  was  Ewr.  Hochftirstl.  Durchl.  an  dieser 
Wissenschaft  gelegen  sei,  angezeigt.  Es  haben  mich  aber  alle 
drei  versichert,  dass  sie  nichts  davon  wiissten,  auch  daran 
zweifelten,  wobei  der  letzte  anftihrte,  dass  er,  weil  sothane 
Recherche  nicht  anders  als  auf  Ordre  von  Chur-Mainz  geschehen 
konnte,  dieses  aber  ihm  nicht  das  Mindeste  davon  geschrieben, 
der  Nachricht  keinen  Glauben  beimesse,  auch  nicht  vermuthe, 
gestalt  Chur-Mainz  noch  zur  Zeit  selbst  daran  gedacht,  oder 
von  andern  Electoribus  deshalb  angegangen  worden.  Sollte  es 
aber  annoch  kiinftig  geschehen,  so  wtirden  wohl  die  Reichs- 


*)  DieReichskanzlei  diente  zur  Erledigung  der  Reichsangelegenheiten, 
w&hrend  die  Geheime  oder  Hofkanzlei  die  eigenen  Angelegenheiten  des 
Kaisers  besorgte,  die  fur  das  Reich  unverbindlich  waren. 

2)  Nach  der  vorliegenden  Chiffre  aus  dem  Nachlasse  des  F&rsten 
Karl  Edzard  Reichshofratspr&sident  und  Vicepr§.ses. 


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—    423    — 

referendarii  von  der  Teutschen  und  Lateinischen  Expedition 
Baron  von  Glandorff  und  der  von  Tauber  zu  dergleichen  Auf- 
suchung  gebraucht  werden.  Der  561.  &usserte,  gestalt  er  nicht 
glaube,  dass  zu  Leopoldi  Zeiten  schon  solche  Abusus  bei  der 
Osterreichischen  Canzlei  eingeschlichen  w&ren,  wohl  aber  sicher 
davor  halte,  dass  erwahnte  Expectanz  bei  der  Reichscanzlei 
ausgefertigt  sei.  Er  dachte,  Ewr.  Hochf.  Durchl.  kSnnten 
den  Churfiirsten  von  Mainz  mittelst  eines  eigenhandigen  Schrei- 
bens  um  eine  legale  Copei  von  derselben  begrtissen,  die  dann 
von  hier  aus  in  gr6sster  Secretesse  ertheilt  werden  mttsste,  und 
die  Sache  miisste  auch  in  Mainz  durch  einen  Vertrauten  ge- 
trieben  werden,  indem  ich  sonst  hier  nicht  dahinter  kommen 
wttrde.  Ich  werde  nun  noch  mit  erw&hntem  Baron  von  Glan- 
dorff davon  reden,  bei  der  Osterreichischen  ordinairen  und  ge- 
heimen  Staatscanzlei  aber,  wovon  die  letztere  zu  Zeiten  Leopoldi 
noch  nicht  gewesen  sein  soil,  schwerlich  etwas  erfahren  k6nnen, 
weil  diese,  wenngleich  gedachte  Expectanz  ehemals  allda  expe- 
diirt  ware,  damit  keinesweges  nicht  sowohl  jetzt  aus  Menage- 
ment  vor  den  KSnig  in  Preussen  als  zu  Abwendung  alles 
Praejudicii  vor  sich  selbst  herausgehen  wird. 


II. 

Wien,  4.  Januar  1741. 

Bin  ein  paar  mahl  vergeblich  vor  des  Registratoris  von 
Alpmannshofen  Quartier  gewesen  und  deswegen,  weil  er  den 
ganzen  Tag  auf  der  Reichscanzlei  .  .  .  besch&ftiget  ist,  vor- 
gestern  dahin  gefahren  und  habe  ihn  herausrufen  lassen;  da 
er  mich  dann  in  die  Registrator  geftihrt,  und  ich  ihn  zuerst  in 
Conformitaet  des  gn&digsten  Postscripti  3Ui  vom  9.  pass,  gefraget, 
ob  es  an  dem  sei,  dass  man  jetzt  die  Praejudicia  und  VorfaJle,  da 
die  Osterreichische  Hofcanzlei  der  Reichscanzlei  etwa  Eingriff  ge- 
than,  aufsuche,  und  dass  ich  Grund  zu  vermuthen  h&tte,  gestalt 
die  von  Kaiser  Leopoldo  a0 1694  dem  damahligen  Churfiirsten  von 
Brandenburg  vermeintlich  ertheilte  Expectanz  auf  das  Fiirsten- 
tum  Ostfriesland  in  der  ersten  ausgefertigt  worden.  Er  wollte 
von  dergleichen  Aufsuchung  noch  nichts  wissen,  sagte  aber, 
was  die  Expectanz  betreffe,   so  wolle  er  mich   aus  alter  Be- 


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—     424     — 

kanntschaft  und  sub  conditione,  niemandem  zu  sagen,  dass  er 
mich  etwas  sehen  lassen,  alsobald  tiberzeugen,  gestalt  gedachte 
Expectanz  auf  behOrige  Weise  aus  der  Reichskanzlei  expediirt 
worden,  worauf  er  einen  Schranken  aufschloss,  aus  solchem  ein 
Convolut  sub  rubro  Anwartschaften  unter  Kaiser  Leopoldo  er- 
theilt,  herausnahm  und  mir  das  auf  einem  gebrochenen  Bogen 
geschriebene  Conzept  zeigte,  auf  dessen  ersten  Seite  in  margine 
stund:  Bockhausser  und  weiter  unten:  collat :  et  regis tr:,  auch 
mir  den  Anfang  davon  vorlas  und  sodann  sagte,  dieser  Bock- 
hausser sei  damahls  zu  Zeiten  des  Reichsvicecanzlers  Grafens 
von  Kaunitz  und  des  Reichssecretarii  oder,  wie  es  jetzt  heisse, 
Referendarii  des  beriihmten  Consbruck1)  Reichscancellist  ge- 
wesen,  und  er  mich  dessen  aus  andern  Documenten,  bei  denen 
dessen  Namen  stehe,  wenn  es  nothig  und  erlaubt  ware,  uber- 
fiihren,  ich  aber  genugsam  daraus,  dass  dieses  Concept  in  der 
Reichscanzlei  verwahret  wiirde,  sicher  abnehmen  kOnnte,  ge- 
stalt die  Expectanz  aus  der  Reichscanzlei  und  nicht  aus  der 
Osterreichischen  gefertigt  sei. 

Worauf  er  mich  am  Ende  das  Datum,  nehmlich  d.  10.  Dec. 
1694,  lesen  liess  und  dabei  anzeigte,  gestalt  selbige  in  extenso 
in  Ltinig2)  zu  finden  sei,  und  als  ich  ihn  dennoch  um  Copiam 
bat,  solches  als  wider  sein  Amt  und  Pflicht  laufend  schlechter- 
dings  refusirte.  Mithin  ist  wohl  kein  Zweifel  iibrig,  dass  ge- 
dachte Expectanz  aus  der  Reichscanzlei  ertheilt  worden. 


III. 

Wien,  11.  Januar  1741. 
Habe  mich  vorgestern  beim  Reichsreferendario  Baron  von 
Glandorff  erkundigt,  ob  man  hier  die  Vorf&lle,  worinnen  die 
Osterreichische  Canzlei  der  Reichscanzlei  etwa  vorgegriffen, 
aufsuche?  und  ob  die  dem  KOnig  von  Preussen  a°  1694  auf 
Ostfriesland  vermeintlich  ertheilte  Expectanz  aus  erster  oder 
letzter  expediirt  worden? 


1)  Caspar  Florens  Consbrach,  von  ihm  war  die  Expectanz  gegen- 
gezeichnet. 

2)  In  Lunigs  Teutschem  Reichsarchiv  nicht  enthalten,  vgl.  Wiarda  6 
S.  325.  Ein  besonderer  Abdruck  befindet  sich  im  Staatsarchive  unter  den 
Staatsschriften. 


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—    425    — 

Er  antwortete  ad  lmam,  das  ihm  dazu  keine  Ordre  zu- 
gekommen  sei:  es  waren  aber  a0 1711  dergleichen  Gravamina 
dem  damahligen  Churfiirsten  zu  Mainz  iibergeben  worden,  deren 
Abthuung  keineswegs  erfolgt  sei,  raithin  dieselben  jetzt  nur 
wieder  vorgenommen  werden  konnten. 

Ad  2dam  gab  er  zu  vernehmen,  dass  die  Expectanz  aus 
der  Reichscanzlei  gefertigt  worden,  welches  also  mit  dem,  was 
mir  der  Registrator  von  Alpmannshofen  gesagt  und  gewiesen, 
vSllig  (ibereinkommt. 

Fr.  Wachter. 


VII. 

Bericht  des  Kanzlers  Homfeld  wegen  der  Behandlung  der  ostfriesischen 

Affaire  auf  dem  Kongress  zu  Soissons.1) 

Unter  dem  31.  August  1745  wurde  der  Kanzler  Homfeld 
durch  koniglichen  Spezialbefehl  angewiesen,  hinsichtlich  der 
VorgSLnge  auf  dem  europ&ischen  Kongress  zu  Soissons  im  Jahre 
1728  sich  im  fiirstlichen  Archive  als  auch  in  anderen  Privat- 
nachrichten  mit  allem  Fleiss  umzusehen,  nicht  weniger  die  noch 
lebenden  Bedienten  des  verstorbenen  Fiirsten,  die  von  der 
Sache  einige  Wissenschaft  haben  k5nnten,  unter  der  Hand  und 
ohne  bruit  zu  befragen  und  dartiber  eingehend  zu  berichten. 
Aus  den  Akten  habe  man  ersehen,  dass  der  letzte  Fiirst  Ost- 
frieslands  in  Berlin  iiber  den  Konig  von  England  Beschwerde 
gefiihrt  habe,  weil  er  die  „ Ostfriesischen  Affairen"  dort  zur 
Sprache  gebracht  und  zu  Gunsten  Hollands  entamiret  und 
souteniret  habe.  Man  solle  damit  umgegangen  sein,  die  Stadt 
Emden  von  Ostfriesland  abzureissen  und  mit  Holland  zu  ver- 
einigen.  Wir  lassen  den  Homfeld'schen  Bericht  nach  dem 
eigenh&ndigen  Konzept  hier  folgen: 

Allerdurchlauchtigster  usw. 

E.  K.  M.  habe  auf  Ihro  wegen  Verhandlung  der  ostfriesischen 

Affaire  auf  dem  vorgewesenen  Congress  zu  Soissons  unterm 

31.  August   erlassenes  und  den   10.  dieses  iiber  Embden  ein- 

gegangenes    allergn&digstes    Rescriptum    vorl£ufig    allerunter- 

~"        l)  vgl.  Wiarda  VU  407  ff. 


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—    426    — 

th&nigst  berichten  sollen,  dass  freilicb  dem  hiesigen  furstlichen 
Regierhause  sebr  zuwider  gewesen,  dass  Se.  Grossbritannische 
Majestat  sich  von  denen  Generalstaaten  bewegen  lassen,  die 
Ostfriesiscbe  Sache  auf  besagtem  Congress  zu  bringen  und  die 
Crone  Frankreich  zu  disponiren,   sich  derselben  gleichfalls  an- 
zunehmen,   ich  habe  aber  weder  vormahls  vernommen,  noch 
jetzo  noch  zur  Zeit  in  Erfahrung  bringen  konnen,    dass  man 
insonderheit  damit  umgegangen,  die  Stadt  Embden  von  Ostfries- 
land  abzureissen  und  der  Republique  Holland  zu  incorporiren, 
sondern   so   weit   mir   bewusst   und   auch   aus   des    Roussets 
Recueil  historique  und  denen  darin  hin  und  wieder  publicirten 
Piecen  genugsahm  zu  ersehen,  hat  die  Verhandlung  der  Ost- 
friesischen  Sache  nur  die  conservationem  jurium  Statuum  Ost- 
frisicorum  und  der   Stadt  Embden  in  specie  wider  die  Proce- 
duren  des  damahligen  Kaiserlichen  Hofes  beziehlet,    und  man 
insonderheit  intendiret,   Frankreich  als   Guarantair   des  West- 
phalischen    Friedens    mit    Engelland    und    Holland     diesfalk 
causam    communem    zu    machen    zu    bewegen,    so     auch  in 
tantum  reussiret,   da  der   Cardinal   de   Fleury  immediate  an 
Ihro  Majestat  den  Kayser  die  Sache  sehr  nachdriicklich  per 
litteras  vorgestellet  und  dadurch  die  Verleihung  einer  Amnestie 
an    denen    Ostfriesen    und    das    Gehor    wider    die    ergangene 
kayserliche  Decreta  erwirkt  worden. 

Nach  meiner  geringen  Einsicht  kann  auch  nicht  vermuhten. 
dass  weder  Engelland  noch  Se.  Konigliche  Grossbritannische 
Majestat  als  Churfiirst  zu  Braunschweig-Ltinenburg  die  Ab- 
reissung  der  Stadt  Embden  von  Ostfriesland  und  derselben  In- 
corporirung  der  Republique  Holland  beziehlen  konnen,  da  eines 
Theils  aus  vielen  Umst&nden  wahrgenommen  und  selbst  anno 
1725  in  Hannover  nicht  undeutlich  bemerket,  dass  Engelland 
eine  heimliche  Jalousie  gegen  den  Staat  wegen  ihrer  zu  Emb- 
den und  Leerohrt  damalen  gehabten  Guarnisoenen  geheget,  und 
also  umb  so  viel  weniger  wird  getrachtet  haben,  die  Stadt 
Embden  der  Republique  Holland  so  gar  zu  incorporiren,  und 
andern  Teils  wiirden  Hochstgedachte  Konigliche  Majestat  wegen 
der  bekannten  Erbverbrtiderung *)  wider  Dero  eigenes  Interesse 
darwider  agiret  haben,  woferne  Sie  nicht   solche  ErbverbrtLde- 


l)  vom  Jahre  1G91. 


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—    427     — 

rung  Selbst  als  ungultig  achten  und  abandonniren  wollen,  so 
doch  nicht  wohl  zu  praesumiren.  Indessen  werde  mit  allem 
Fleiss  weiter  nachforschen,  ob  auf  den  Grund  zu  kommen  und 
etwas  zuverlassiges  zu  entdecken.  Der  ich  in  allertiefster 
Devotion  verharre  etc.    Aurich,  17.  September  1745. 

Weiteres  befindet  aich  nicht  bei  den  Akten. 

Fr.  Wachter. 


VIII. 

Erlass  des  kdniglichen  Kabinetts-Ministeriums  zu  Hannover  an  den 

Regierungsrat  von  Gruben  in  Aurich  betr.  das  Verhalten  der  Beamten 

in  Ostfriesland  den  Eingeborenen  gegenOber. 

Wir  haben  missfalligst  vernommen,  dass  ein  dortiger  Be- 
amter  bei  Gelegenheit  eines  von  ihm  zur  Bezahlung  von 
Domanialgef&llen  anberaumten  Termines  so  wie  auch  bei  einer 
andern  Gelegenheit  in  seinem  Benehmen  nicht  diejenige  Vor- 
sicht  und  Massigung  beobachtet  haben  soil,  welche  am  wenig- 
sten  in  einer  erst  kurzlich  mit  dem  KSnigreiche  verbundenen 
Provinz  ans  den  Augen  gesetzt  werden  muss. 

Wenn  wir  nun  gleich  von  diesen  unangenehmen  Vorgangen 

auf  keinem  officiellen  Wege  unterrichtet  worden  sind  und  des- 

falls  noch  zur  Zeit  angestanden  haben,  von  dem  Beamten  einen 

verantwortlichen  Bericht  zu  erfordern,   so   finden  Wir  es  doch 

angemessen,   bei  dieser  Veranlassung  den  Regierungsrath  von 

Gruben  zu  beauftragen,  sammtliche  aus  den  hiesigen  alteren 

Provinzen  an  die  Amter  des  dortigen  Regierungsbezirkes  ver- 

setzte  Beamte  in  Unserm  Namen  unter  der  Hand  anzuweisen, 

bei  alien  Verhandlungen  mit  Personen  des  dritten  Standes  nie- 

mals  die  besonderen  Verhaltnisse  desselben  in  Ostfriesland  aus 

den  Augen  zu  setzen  und   in  Erwagung  zu  Ziehen,   dass  der 

Ostfriesische  zu  den  Standen  gehorige  Landmann  freier  Grund- 

eigenthumer  ist,  und  sich  darunter  zum  Theil  Personen  befinden, 

welche  an  Bildung  und  Wohlhabenheit  weit  iiber   den  Bauern 

in  andern  Provinzen  stehen,  ohne  jedoch  mehrere  Rechte  zu 

haben  als  die  tibrigen. 

Jahrtrach  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  a.  vaterl.  Altertumer  zu  Emden,  Bd.  XV.  28 


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—    428    — 

Dieses  Verh&ltnis  erfordert  viele  Vorsicht  von  Seiten  der 
Obrigkeiten  und  flnden  Wir  demselben  auch  den  von  den  Amtern 
vielfaltig  gebrauchten  Ausdruck:  Amtsunterthanen  um  so 
mehr  unangemessen,  weil  das  Preussische  Landrecht  damit  den 
Begriff  von  EigenbehCrigkeit  verbindet,  und  haben  die  Amter 
sicb  daher  klinftig  des  Ausdruckes:  Amts-Eingesessene 
zu  bedienen. 

Da  endlich  auch  daher  ein  Grund  zu  Beschwerden  und 
Missvergntigen  genommen  zu  sein  scheint,  dass  die  in  den 
Amtsstuben  angebrachten  Barrieren  den  Btirgern  hin  und 
wieder  geflffnet  sind,  den  Landleuten  dagegen  der  Eintritt  in 
das  Innere  versaget  worden  ist,  so  ist  dahin  zu  sehen,  dass 
dergleichen  anst5ssige  Distinctionen  kxinftig  vermieden  werden, 
und  werden  daher  die  Barrieren  entweder  ganz  wegzurftumen 
oder  etwa  dergestalt  anzulegen  sein,  dass  der  Platz  hinter 
denselben  lediglich  fiir  die  Beamte  verbleibe,  anstandigen 
Partheien  aber,  sowie  alten  schw&chlichen  Personen  Sitze 
ausser  demselben  angewiesen,  ttberhaupt  auch  einige  B&nk* 
angebracht  werden. 

Wir  zweifeln  nicht,  dass  der  Regierungsrath  von  Gruben 
obigen  Auftrag  mit  Vorsicht  und  dergestalt  ausfiihren  wird, 
dass  der  Zweck,  ohne  Aufsehen  zu  erregen,  erreicht  werde  und 
bezeugen  demselben  Unsere  besondere  Dienstgefiissenheit. 

Hannover,  den  21.  Februar  1818. 

KSnigliche    Grossbritannisch-Hannoversche    zum   Cabinets- 
Ministerio  verordnete  General-Gouverneur  und  Geheime  Bathe 

gez.  Decken. 

von  Gruben  erliess  die  notigen  Verfflgungen  an  die  bl 
treffenden  Amter,  machte  aber  in  einem  Berichte  an  d» 
Ministerium  darauf  aufmerksam,  dass  der  eingefleischte  ud 
bei  jeder  Gelegenheit  often  oder  versteckt  zu  Tage  tretende  ij 
Ostfriesland  herrschende  Widerwille  gegen  Fremde  es  den  ft 
amten  aus  den  alten  Provinzen  schwer  mache,  sich  das  Ve| 
trauen  der  neuen  Untertanen  zu  erwerben. 

Fr.  Wachter. 


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—    429     — 

IX. 

Der  Ortsname  Manslagt  und  die  Grenze  zwischen  Emsgau  und 

Federgau. 

(Ein  Beitrag  zur  alten  Geographic  des  Krummhorn  und  der  Emsmundungen.) 

Der  Ortsname  Manslagt  wird  von  Bertram  und  der  Volks- 
iiberlieferung  nach  dem  Klange  mit  Mannerschlacht  (Mordthat) 
tibersetzt,  und  der  Sage  nach  soil  der  Ort  den  Namen  deshalb 
erhalten  haben,  weil  zwei  vornehme  Manner  sich  dort  erschlagen 
h&tten.  Diese  Erkl&rung  hat  nicht  mehr  Wert,  als  die  vielen 
ahnlichen  Erklarungen,  die  sich  an  den  Klang  der  Ortsnamen 
Cirkwehrum,  Tjakleger,  Baltrum,  Filsum,  Ochtelbur  u.  a.  ange- 
schlossen  haben  und  von  dem  Interesse  an  der  Erkl&rung, 
aber  auch  von  der  Unkunde  iiber  die  Entstehung  der  Orts- 
namen Zeugniss  ablegen.  Harkenroht  und  nach  ihm  Bracklo 
ftlhren  die  erste  Silbe  auf  Man  der  Mond  zuriick  und  meinen, 
dass  hier  eine  Statte  der  Verehrung  des  Mondes  gefunden 
werden  musse.  Sie  berufen  sich  dabei  auf  das  Wappen  von 
Manslagt,  die  drei  Halbmonde  im  Wappen  Ostfrieslands,  aber 
diese  Halbmonde  beweisen  nichts,  als  vielleicht,  dass  man  zur 
Zeit  der  Entstehung  dieses  Wappens  bei  der  ersten  Silbe  des 
Namens  Manslagt  an  den  Mond  dachte  und  daher  dieses 
Wappenzeichen  als  das  des  H&uptlings  von  Manslagt  annahm. 
Im  Uebrigen  ist  von  einer  heidnischen  Verehrung  des  Mondes 
hier  nichts  bekannt.  und  die  Analogie  bei  vielen  Ortsnamen 
spricht  vielmehr  daftir,  dass  ein  Eigenname,  der  Name  des 
ersten  Ansiedlers  oder  des  Hauptbesitzers  im  Ort,  darin  ent- 
halten  ist.  Manne  ist  als  ostfr.  Eigenname  in  Urkunden  be- 
kannt. Manninga  ist  ausserdem  der  Stammname  eines  alten 
H&uptlingsgeschlechtes,   dessen   Stammvater  also  den  Namen 

*  Manne  getragen  haben  wird.  Vielleicht  ist  daher  die  erste 
:  Silbe  des  Ortsnamens  Manslagt  auf  diesen  Personnamen  Manne 
[\  zuriickzufiihren. l)  — 

*  Am  interessantesten  und  folgereichsten  aber  ist  die  Er- 
e'  kl&rung  der  zweiten  Silbe.     Urkundlich  lautet  der  Name  noch 

*)  Nachtr&glich  ist  es  mir  als  moglich  erschienen,  dass  das  Wort 
Man  =  Mande  (Gemeinschaft)  zu  Grunde  liegt.    Von  Stuckiandereien,  in 
r  denen  mehrere  Besitzer  ihr  Anrecht  ungeschieden  nebeneinander  haben, 
wird  im  Jdmmegebiet  noch  heute  gesagt:  ^t'is  'n  manstuck*. 

28* 


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—    430     — 

1361  Mansliacht,  1443  Manslyat,  1444  Manslyacht  (Friedl.  Urk- 
Buch),  1467  Mansliacht  (Emder  Briichteregister  Jahrb.  VH.  1. 
S.  82).  Diese  aitere  Form  mit  dem  spater  verschwundenen 
i  und  die  Analogie  eines  Ortes  im  Groningenschen  fiihrt  auf 
die  richtige  Spur.  Im  Groningenschen  liegt  der  Ort  Maarslacht. 
Dieser  hiess  nach  der  Sltesten  urkundlichen  Ueberlieferung  Maris- 
fliata  (vgl.  Bunte,  Jahrb.  XL  S.  95).  Danach  ist  es  wohl  nicht 
zweifelhaft,  dass  der  Name  Manslagt  aus  Mansfliata  entstanden 
ist.  Dieselbe  Namensbildung  finden  wir  bei  Larrelt,  im  Wer- 
dener  Register  urns  Jahr  1000  Hlarfliata  genannt,  d.  h.  Nieder- 
lassung  am  Fluss.  Aus  fliata  „  Fluss"  ist  in  vielen  Ortsnamen 
spater  fleth  geworden;  auch  Mansvlete  findet  sich  urkundlich 
als  Name  eines  im  Oldenburgischen  an  der  Weser  gelegenen 
Ortes  (Ehrentraut  fries.  Archiv  I.  S.  485).  Fiir  Larrelt  ist  die  SUtere 
Form  Larfleth  zu  vermuten,  aber  nicht  tiberliefert,  sondern  aus 
Hlarfliata  wurde  spater  Lerlethe,  vgl.  Urk.  von  1346,  1374  und 
1381.  Es  ist  also  hier  ebenso  wie  bei  Mansfliata  das  f  aus- 
gefallen.  Aus  Lerlethe  wurde  durch  Zusammenziehung  zuerst 
1354  Hlerlt,  spater  Larrelt.  Das  schon  frtihzeitig  unverst&nd- 
lich  und  ungebrauchlich  gewordene  Wort  lar,  das  sich  in  vielen 
deutschen  Ortsnamen,  z.  B.  in  Goslar  (Ansiedelung  an  der  Gose), 
in  Ostfriesland  wahrscheinlich  noch  in  Leer  findet,  zeigt  ftbrigens 
nach  Arnold,  Ansiedlungen  und  Wanderungen  der  deutschen 
Stamme  S.  138  an,  dass  diese  Orte  schon  in  alter  Zeit,  vor  dem 
Jahre  500,  besiedelte  Platze  gewesen  sind. 

Die  zweite  Silbe  im  Namen  Manslagt  fliata  weist  also 
darauf  hin,  dass  die  Ansiedlung  an  einem  Fluss  geschehen  ist. 
Ein  solcher  muss  in  alten  Zeiten  bei  Manslagt  vorbeigeflossen 
sein.  Diese  Vermutung  findet  ihre  Bestatigung  durch  die  Notiz 
bei  Arends,  Erdbeschr.  von  Ostfr.  S.  350,  wonach  eine  besondere 
Art  Marschboden  zwischen  Neuenhof  (Nienhof)  und  Manslagt 
ganz  bis  an  den  Deich  geht.  Dieser  Kleistrich  gibt  noch  jetzt 
die  Lage  des  zugeschlammten  Flusses  an,  der  Manslagt  den 
Namen  gab.  Eine  genauere  Darstellung  der  Bodenbeschaffen- 
heit  dieses  Strichs  gibt  Arends  in  Ostfr.  u.  Jever  Bd.  I  S.  337. 

Der  so  nachgewiesene  Fluss  bei  Manslagt  kann  aber  darum 
besonderes  Interesse  beanspruchen,  weil  wir  in  ihm  die  Grenze 
des  alten  Federgaus  gegen  den  Emsgau  sehen  miissen,  denn 
Manslagt  war  der  nordlichste  Ort  im  Emsgau.    Eine  Andeutung 


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—    431     — 

der  Fortsetzung  dieses  Flusslaufes  landeinwarts  finde  ich  in 
den  alten  Ortsnamen  Visquard,  Dykhusen  und  Damhusen,  den 
siidlichen  Grenzorten  des  Federgaus.  Die  beiden  letzten  Namen 
beweisen,  dass  hier  Diek  und  Damm  errichtet  war  gegen  Ueber- 
schwemmung,  also  befand  sich  hier  in  alten  Zeiten  ein  offener 
Flusslauf.  Da  der  Ortsname  Damhusen  schon  in  den  Werdener 
Registern  vorkommt,  beweist  er  tibrigens  auch  das  Vorhanden- 
sein  der  Deiche,  wenigstens  in  der  Gestalt  von  Dammen,  in 
dieser  Gegend  schon  um  das  Jahr  1000.  —  Visquard,  fur  das 
mir  trotz  der  Hinweisung  Buntes  im  Jahrb.  XL  S.  99  auf  den 
Personnamen  Wisch  die  von  von  Richthofen  angenommene 
Bedeutung  „Fischwerdera  ansprechender  erscheint,  weist  bei 
dieser  Deutung  seines  Namens  gleichfalls  auf  den  alten  Wasser- 
lauf,  der  dem  Reichtum  des  Meeres  ungehinderten  Zugang  zu 
den  Fischreusen  der  auf  dieser  Wurt  angesiedelten  Urbewohner 
gewahrte.  Hiernach  wurde  auch  Visquard  zu  den  alteren  An- 
siedlungen  dieser  Gegend  gehoren  und  der  Name  auf  eine  Zeit 
weisen,  wo  Fischfang  noch  mehr  als  Landwirtschaft  der  Haupt- 
nahrungszweig  der  Bevolkerung  war,  also  auf  die  Zeit  vor  Er- 
richtung  der  Deiche.  —  Auch  der  Ortsname  Jennelt  (altere 
Form  Geinlethe)  weist  auf  einen  Wasserlauf  hin,  den  wir  aber 
vielleicht  in  dem  ostlich  von  Jennelt  fliessenden  Sieltief  zu 
sehen  haben.  Dagegen  weist  der  Name  Vleehuis  oder  Vliehaus 
(nordlich  von  Hinte)  wieder  auf  den  alten  Wasserlauf  auf  der 
Grenze  des  Federgaus,  denn  Vlee  bedeutet  dasselbe  wie  flet 
(vgl.  v.  Richthofen,  Untersuchungen  II.  S.  95),  und  auch  dieser  Ort 
liegt  nach  den  Untersuchungen  von  Bottger  iiber  Gau-  und 
Diocesangrenzen  an  der  Grenze  und  wird  zum  Emsgau  gerechnet. 
Dieser  Grenzfluss  hat  noch  in  verhaltnismassig  spater 
Zeit  existiert,  denn  wir  werden  nicht  umhin  konnen,  in  der  im 
Jahre  1492  erwahnten  „Vischwerder  Marsmude"  (Friedl.  U.  B. 
1319,  vgl.  auch  Urk.  1308)  den  letzten  Rest  der  spater  ganz  zu- 
geschlammten  Flussmtindung  zu  erkennen.  Nach  ortskund- 
licher  Mitteilung  scheint  der  letzte  Rest  des  Flusses  auf  der 
Flurgrenze  zwischen  Manslagt  und  Pilsum  sudlich  von  dem  nach 
Visquard  laufenden  sogenannten  „hohen  Wega,  in  dem  eine 
ehemalige  Deichanlage  schon  von  Arends  erkannt  worden  ist1), 

!)  Nach  Arends,  Ostfr.  und  Jever  I.  S.  337,  lasst  sich  der  hohe  Weg 
smch  noch  sfcdwestlich  und  westlich  von  Pilsum  als  alter  Deich  verfolgen. 


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—     432     — 

und  zwischen  den  Stticken  „Ockedamu  und  „Hohe  Ses"  hindurch- 
gegangen  zu  sein.  — 

Durch  den  so  rekonstruierten  Grenzfluss  wird  die  auf- 
fallende  Tatsache  mit  erklart,  dass  der  Krummhorn,  den  wir 
jetzt  als  einheitliches  Gebiet  zu  betrachten  gewohnt  sind, 
friiher  zwei  verschiedenen  Gauen  angehorte.  Von  besonderer 
Bedeutung  ist  aber  dieser  Fluss  noch  ftir  die  Erkenntnis  der 
Bildung  des  Marschbodens  im  Krummhorn  und  der  Richtung 
der  alten  ostlichen  Emsmiindung. 

Zur  Erklarung  der  weit  landeinw&rts  befindlichen  Kleiab- 
lagerungen  in  dieser  Gegend  hat  Arends  die  Theorie  aufgestellt 
von  einer  alten  Sstlichen  durch  den  KrummhSrn  fliessenden 
Emsmiindung  (Erdbeschr.  v.  Ostfr.  S.  342,  Ostfriesland  u.  Jever  I. 
S.  326  ff.).  Diese  Theorie,  wonach  die  Anhohen  und  der  fette 
Kleistrich  von  der  Knock  fiber  Rysum,  Pewsum  nach  Hinte  und 
weiter  nach  Loppersum  und  Wirdum  den  Lauf  der  alten  ost- 
lichen Emsmiindung  bezeichnen,  ist  in  dieser  Form  unbrauch- 
bar  schon  aus  dem  Grunde,  weil  ein  zugeschlammter  Fluss 
zwei  ann&hernd  parallele  Hohenziige  zurticklassen  muss.  Die 
Annahme  der  Bildung  einer  Perlenreihe  von  Inseln  in  seinem 
Bette,  die  nachher  als  Warfen  hervorragen  iiber  das  in  Ufer- 
hohe  zugeschlammte  Flussbett,  ist  doch  abnorm.  —  Etwas 
modifiziert  hat  die  Theorie  von  Arends  v.  Horn  in  seinem 
Versuch  einer  Geologie  der  ostfriesischen  Marschen.  v.  Horn 
nimmt  an,  dass  der  vorausgesetzte  Emsarm  westlich  von  Ry- 
sum, Loquard  und  Campen,  dann  ostlich  von  Uplewart,  Hams- 
wehrum  und  Groothusen  und  zwischen  Groothusen  und  Woquard 
hindurch  nordlich  an  Pewsum,  Midlum,  Hinte  vorbei  bis  Suur- 
husen  und  dann  ostlich  von  Loppersum  und  Abbingwehr  vor- 
beigeflossen  sei.  Das  macht  sich  auf  der  seinem  Werk  bei- 
gegebenen  Karte  ganz  nett  und  deutlich,  und  der  unmoglichen 
Annahme  einer  Perlenreihe  von  Inseln  im  Flussbett,  die  zu  den 
jetzigen  Dorfwarfen  wurden,  ist  er  gliicklich  entgangen.  Die 
Dorfer  liegen  auf  seiner  Karte  alle  hiibsch  an  den  Ufern.  Aber 
es  ist  ein  reines  Phantasiegemalde.  Der  nach  historischer  Nach- 
richt  bei  Osterhusen  bis  1440  vorhanden  gewesene  Siel  ist  bei 
dieser  Theorie  ein  ganz  unerklarliches  Bauwerk,  ein  Siel 
zwischen  zwei  vom  Meere  her  offenen  Fliissen,  der  Meinung 
von  Horns  nach  zur  Beforderung  der  Verschlammung  des  alten 


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—     433    — 

Ostemsbettes  angelegt,  indem  dadurch  die  fiber  Hinte  nach 
Emden  ftihrende  Flussbalge  abgesperrt  sei  (S.  159);  dazu  w&re 
aber  doch  wahrlich  ein  einfacher  Damm  billiger  und  zweck- 
entsprechender  gewesen.  Andere  Griinde  hat  Bartels  Jahrb.  II. 
1  S.  34  gegen  diese  Theorie  geltend  gemacht. 

Gehen  wir  dagegen  von  dem  nachgewiesenen,  bei  Mans- 
lagt  miindenden  Fluss  aus,  so  kann  ich  angeregt  von  der  Theorie 
Arends  die  Annahme  nicht  von  der  Hand  weisen,  dass  der 
Kiistenfluss  bei  Manslagt  in  SLlterer  Zeit  ein  bis  zur  Leybucht 
durchlaufender  Emsarm  gewesen  ist,  und  glaube  damit  den 
Schliissel  zur  Erkl&rung  der  merkwtirdigen  Marschbildung  im 
Krummhorn  gefunden  zu  haben.  Diese  Annahme  will  ich  zu- 
erst  begriinden. 

Die  Grenze  des  alten  Federgaus  biegt  zwischen  Canhusen 
und  Eisinghusen  nach  Norden  um  (ich  folge  hier  den  Fest- 
setzungen  in  Bottger,  Gau-  und  Diocesangrenzen),  und  noch 
zweimal  finden  wir  auf  der  Grenze  in  den  Flurnamen  Fletes- 
hamm  (Grasland  bei  Abbingweer  nach  Sundermann  Ortsnamen 
S.  25,  vgl.  Urk.  1151)  und  in  dem  Ortsnamen  Botterfleet  den 
Hinweis  auf  einen  nicht  mehr  vorhandenen  Flusslauf.  Hat  die 
Grenze  in  ihrer  ganzen  Ausdehnung  bis  Botterfleet  ein  Fluss 
gebildet,  so  ware  hierdurch  die  Verbindung  zwischen  der  Ems 
und  der  Leybucht  hergestellt,  denn  nahe  bei  Botterfleet  beginnt 
mit  Wirdumer  Altendeich  und  Wirdumer  Neuland  die  alte 
Leybucht.  Einen  solchen  Fluss  miissten  wir  als  einen  Arm 
der  Ems  bezeichnen  und  in  ihm  die  alte  ostliche  Emsmundung 
erkennen.  Dann  ware  der  Federgau  ein  Rest  der  alten 
grossen  Insel  Burchana  (Borkum),  und  dadurch  wurde  es  er- 
klarlich  sein,  dass  ein  so  kleiner  Bezirk  einen  selbstandigen 
Gau  bildete.  Der  Federgau  und  die  Insel  Bant  gehorten  auch 
sp&ter  zusammen,  denn  sie  werden  zusammen  in  Altfrids  vita 
Liudgeri  und  bei  Adam  v.  Bremen  (nach  BSttger  III  347)  als 
fiinfter  der  dort  aufgez&hlten  funf  Gaue  gerechnet.  —  Einen 
Grand  ftir  die  Annahme  eines  ziemlich  bedeutenden  Flusses 
oder  auch  Meerbusens  auf  der  Linie  des  siidnordlichen  Grenz- 
verlaufes  sehe  ich  auch  in  dem  Umstand,  dass  soviele  bedeutende 
Landwirtschaft  treibende  Kloster  und  Klostervorwerke  sich 
in  diesem  Gebiet  finden:  Eisinghusen,  Abbingwehr,  Longewehr, 
Heikeland,  Amerland  und  Aland.     Dieses   ganze  Gebiet  muss 


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zur  Zeit  der  Klostergriindungen  um  1200  noch  tmbesiedelt  ge- 
legen  haben.  Das  w&re  sicher  bei  dem  dort  befindlichen  guten 
Marschboden  nicht  der  Fall  gewesen,  wenn  er  schon  friiher  be- 
siedelungsf&hig  gewesen  ware.  Daher  ist  anznehmen,  dass 
der  Boden  erst  in  Folge  der  Klostergriindungen  durch  Ab- 
w&sserung  und  Eindeichung  fiir  die  Kultur  gewonnen  ist. 
Daraus  folgere  ich,  dass  hier  sich  ein  erst  gegen  1200  zuge- 
schlammtes,  stellenweise  auch  durch  DargbUdung  zugewach- 
senes  Wassergebiet  befunden  habe,  dessen  altere  Ufer  die 
Warfen  von  Longewehr  einerseits,  Eisinghusen,  Abbingwehr, 
Heikeland  andererseits  bezeichnen.  Das  Longewehrster  Meer 
w^re  ein  Rest  des  Wasserlaufes,  und  das  Gebiet  von  Aland 
(Insula)  und  Amerland  schlosse  sich  an.  Bei  einer  solchen 
Fl&che  kann  man  schon  nicht  mehr  von  einem  Fluss  reden, 
sondern  wtirde  dies  tiberschwemmte  Gebiet  als  eine  s&d-ostliche 
Ausbuchtung  der  Leybucht  bezeichnen  miissen. 

Auch  die  im  Jahrbuch  V.  2  S.  116  veroffentlichte  Urkunde 
vom  Jahre  1220  ist  in  diesem  Zusammenhang  verwendbar. 
In  dieser  Urkunde  ermahnt  Papst  Honorius  III.  die  Abte 
von  Norden,  Feldwert  und  Aduard,  den  Krieg  zwischen  den 
Hintern  und  Federgauern  zu  schlichten.  Zwischen  der  provincia 
Hinetensis  und  dem  Federgau  war  eine  guerra  gravissima  ent- 
standen  occasione  cuiusdam  provincie,  quam  illarum  utraque 
contendit  sue  subicere  ditioni.  Das  zwischen  den  Hintern  und 
Federgauern  streitige  Gebiet  scheint  mir  nur  Neuland  sein  zu 
konnen,  da  nicht  eine  Partei  der  anderen  altbesessenes  Land 
streitig  machte,  sondern  jede  von  beiden  erst  das  Land  in 
ihren  Besitz  zu  bringen  suchte.  Es  war  ferner  eine  provincia, 
also  doch  nicht  bloss  ein  oder  mehrere  Stucke  Land,  sondern 
eine  grossere  Flache,  wenn  auch  keine  Provinz  im  heutigen 
Sinne.  Der  Streit  dariiber  war  dementsprechend  auch  nicht 
zwischen  zwei  benachbarten  Dorfern  (wie  in  dem  beriihmteren 
Streit  zwischen  Eenrumern  und  Uthusern  im  Fivelgau  in  der 
Chronik  des  Emo),  sondern  zwischen  zwei  Landschaften.  Die 
„Provinz  Hinte"  diirfte  identisch  sein  mit  dem  Dekanat  Hinte. 
wie  die  „Provinz  Federgau"  identisch  war  mit  dem  Dekanat 
Uttum.  Zum  Dekanat  Hinte  gehorte  damals  auch  das  Brokmer- 
land,  welches  erst  1250  von  Hinte  abgelost  und  selbstandig  ge- 
macht  wurde  (v.  R.  I  118,  322,  II  1167).     Das  streitige  Gebiet 


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—    435     — 

muss  also  zwischen  Hinte-Engerhafe  einerseits  und  dem  Feder- 
gau  andererseits  gelegen  haben.  Das  ist  das  im  vorigen  Absatz 
genannte  Gebiet  von  Abbingwehr  und  Umgegend,  vielleicht  noch 
zu  erweitern  durch  die  Engerhafer  Meede  auf  der  einen  und 
das  Gebiet  von  Wichhusen  und  VHehaus  auf  der  anderen  Seite. 
Wird  nun  nach  dieser  Urkunde  1220  der  Versuch  gemacht,  einen 
fiber  dies  Gebiet  entstandenen  Krieg  beizulegen,  so  dient  das 
meiner  im  vorigen  Absatz  entwickelten  Ansicht,  dass  dies  Ge- 
biet um  1200  verlandet  sei,  zur  Bestatigung.  Nebenbei  bemerkt 
scheint  es,  dass  die  zur  Vermittlung  des  Friedens  aufgerufenen 
Abte  sich  den  Frieden  durch  Abtretung  eines  guten  Teils  des 
streitigen  Landes  teuer  genug  haben  bezahlen  lassen.  So  wtirde 
sich  die  grosse  Reihe  der  Klostergtiter  hier  auch  ihrem  Ur- 
sprunge  nach  erkl&ren.  Bemerkenswert  ist  ausserdem,  dass  die 
jurati  vom  Upstallsboom,  die  gerade  in  diesen  Jahren  im  Fivel- 
gau  verschiedentlich  tatig  waren  (v.  R.  I  381  anno  1216,  S.  385 
und  387  anno  1224,  S.  390  anno  1231),  anscheinend  nicht  die 
Kraft  hatten,  diesen  Streit  so  nahe  beim  Upstallsboom  zu  ent- 
scheiden  oder  beizulegen,  sonst  hatte  man  ja  nicht  notig  ge- 
habt,  den  Papst  zum  Schiedsrichter  aufzurufen. 

Es  ist  nun  nicht  zu  verkennen,  dass  die  bedeutendsten 
Anschwemmungen  in  dieser  von  dem  jetzigen  Manslagt  bis  zur 
Leybucht  reichenden  Emsmfindung  nicht  wie  sonst  von  der 
Flussmttndung,  von  Norden  her,  sondern  von  der  West-Ems 
her  erfolgt  sind.  Danach  dfirfte  die  Westerems  die  grossere 
eigentliche  Emsmfindung  gewesen  sein,  durch  welche  die  Nord- 
weststfirme  die  Fluten  in  den  bei  Manslagt  abzweigenden  Arm 
direkt  hineintreiben  konnten.  Daher  ist  hier  in  dem  der  Wester- 
ems angrenzenden  Teile  die  alteste  und  ausgiebigste  Marsch- 
bildung  erfolgt,  wahrend  die  von  Norden  von  der  Leybucht  aus 
erfolgende  Anschwemmung  nicht  einmal  genfigt  hat,  das  alte 
Flussbett  und  seine  Umgebung  vollstandig  in  Marschland  zu 
verwandeln.  Auch  bei  der  Annahme  einer  bis  in  die  Leybucht 
reichenden  Verbindung  erscheint  so  der  bis  ins  15.  Jahrhundert 
als  Kfistenfluss  erhaltene  und  als  solcher  bei  Manslagt  nicht 
mehr  abzweigende,  sondern  mfindende  Teil  als  der  bedeut- 
samste  fttr  die  Erklarung  der  Marschbildung  im  Krummhorn. 
War  dieser  Wasserlauf  im  15.  Jahrhundert  und  wahrscheinlich 
schon  3  Jahrhunderte  vorher  nur  ein  kleiner  Nebenfluss  der 


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—     436     - 

Ems,  so  ist  doch  aus  der  genauen  Beschreibung  der  Art  des 
Landes  im  Krummhftrn,  die  Arends  in  Ostfr.  u.  Jever  I  S.  326  ff. 
gibt,  zu  erkennen,  dass  sich  hier  in  vorhistorischen  Zeiten  ein 
grosses  Einfallstor  fttr  die  marschbildenden  Fluten  befand. 
Nach  der  Beschreibung  von  Arends  findet  sich  auf  der  Linie 
Rysum,  Groothusen,  Pewsum,  Hinte  und  andererseits  Visquard- 
Uttum  der  alteste  Kleiboden,  wahrend  sich  das  Land  zwischen 
Groothusen  und  Manslagt  (S.  335)  und  an  der  Ktiste  westlich 
Rysum  bis  Groothusen,  Eschergrund  auf  Seesand  (S.  327  u.  328 
unten),  als  eine  jtingere  Anschwemmung  zu  erkennen  gibt.  Die 
ganze  jttngere  Anschwemmung  des  Escherlandes  weggedacht, 
ergibt  sich,  dass  sich  hier  in  Urzeiten  eine  breite  Balge  be- 
funden  hat,  die  auch  die  jetzige  Flur  von  Manslagt  zum  gross- 
ten  Teil  in  sich  schloss. 

Schon  vor  800  hat  aber  die  Ems  den  Federgau,  der  bei 
der  Annahme  dieser  ostlichen  Emsmiindung  eine  ostlich  ge- 
richtete  Nesse1)  an  der  Insel  Borkum  (damals  Bant  genannt) 
bildete,  von  der  Insel  abgerissen  durch  Durchbrechung  des  west- 
lich von  Pilsum  belegenen  Landes,  denn  bei  der  Festsetzung 
des  Wirkungskreises  Liudgers  wird  neben  dem  Federgau  schon 
die  Insel  Bant  genannt  (v.  Richthofen  II  S.  396).  Dadurch  hatte 
aber  die  Ems  sich  ein  grade  laufendes  ostliches  Bett  geschaffen. 
und  der  durch  den  Krummhorn  laufende  lange  Bogen  war 
nunmehr  der  Verschlammung  ausgesetzt.  An  den  Emsgau, 
dessen  hohen  Kustenrand  die  vielfach  genannte  Reihe  der 
jetzigen  Dorfer  besetzte,  polderte  sich  zunachst  der  Streifen 
Escherland  an,  auf  dem  dann  Manslagt  begriindet  wurde  und 
zwar  am  nordlichen  Ende  des  Anwuchses.  Ebenso  bildete  sich 
in  Folge  des  veranderten  Stromlaufs  ein  Anwuchs  an  der  nord- 
lichen Kuste  des  Federgaus,  auf  dem  dann  spater  Greetsiel 
angelegt  wurde.  Dass  an  diesen  beiden  Stellen  am  nord- 
lichen Ufer  ein  neuer  Anwuchs  entstanden  ist,  erlaubt  auch 
den  Riickschluss,  dass  die  Ems  nicht  urspriinglich  westlich 
von  Pilsum  geflossen  ist.  NQrdlich  von  Manslagt  blieb  der  Fluss 
und  schwemmte  jetzt  (nach  800?)  den  an  beiden  Seiten  des 
neuen  Sieltiefes  und  nordlich  von  Manslagt  sich  findenden  Klei 


l)  Ich  weise  durch  dies  Wort  auf  die  analogen  Bildungen  des  Fluss - 
laufes  der  Leda  bei  Leer  (Nesse)  und  der  alten  Ems  bei  Emden  (Nesser- 
land)  hin. 


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—     437     — 

an.  Das  neue  Sieltief  halt  im  Wesentlichen  die  Richtung  des 
alten  Flusslaufes  inne,  nur  ist  zu  bemerken,  dass  der  Metzen- 
heerd  erst  spater  von  Canum  abgetrennt  und  dem  Amt  Greet- 
siel  zugelegt  worden  ist  (Arends,  Erdbeschr.  S.  320),  so  dass  an 
dieser  Stelle  der  Fluss-  und  Grenzverlauf  mehr  auf  Damhusen  zu 
ostlich  von  Metzenheerd  gewesen  sein  wird  (vgl.  den  maer  oppa 
Domphusum  Urk.  No.  469  v.  1437  S.  427).  Das  Gebiet  von  Siel- 
monken, auf  welchen  Namen  ich  von  befreundeter  Seite  hinge- 
wiesen  werde,  scheint  eine  zuerst  durch  Deich  und  Siel  dem  Fluss 
abgewonnene  Bucht  gewesen  zu  sein,  so  dass  bei  Begriindung 
des  Klosters  Sielmonken  (1200?)  der  Fluss  nicht  breiter  gewesen 
sein  kann,  als  die  Entfernung  von  Sielmonken  nach  Cirkwehrum 
betragt.  Damals  muss  aber  unter  der  Voraussetzung,  dass  Siel- 
monken seinen  Namen  von  einem  Siele  hat  (v.  R.  II 1166),  der 
Fluss  bis  Sielmonken  der  Flut  offen  gewesen  zu  sein.  Der 
feierlich  mystisch  klingende  fur  Sielmonken  gebrauchliche 
Name  Silo  widerspricht  der  Annahme,  dass  der  Name  auf  Siel 
zuriickzuftihren  ist,  nicht.  Dieselbe  Neigung,  einen  alltaglichen 
Namen  feierlich  zu  gestalten,  finden  wir  bei  Kloster  Palmar, 
welches  nach  Stratingh  und  Venema,  de  Dollard,  S.  34,  auch 
Palla  genannt  wurde,  sowie  bei  dem  Kloster  Selwerd  bei 
Groningen,  das  auch  Silo  genannt  wurde  (vgl.  Jahrb.  XIV  S.  445). 
Auch  als  die  anliegenden  Ortschaften  sich  eingedeicht  hatten, 
konnte  der  Fluss  wahrscheinlich  noch  sein  Uferland  iiber- 
schwemmen,  denn  es  ist  anzunehmen,  dass  zunachst  nicht  der 
Fluss  selbst,  sondern  in  ziemlicher  Entfernung  von  seinen  ge- 
wohnlichen  Ufern  das  Weide-  und  Bauland  der  anliegenden 
Ortschaften  eingedeicht  wurde.  Die  Eindeichung  dieses  Flusses 
vor  dem  Jahre  1000  und  um  1200  denke  ich  mir  ahnlich  wie 
bei  dem  Fliisschen  Made  in  Jeverland  (nach  Hagena,  Jeverland 
bis  zum  Jahre  1500).  Die  Made  bildete,  bis  nach  Dykhausen 
und  AltgSdens  hin  in  einiger  Entfernung  an  beiden  Seiten  ein- 
gedeicht, eine  der  Flut  zugangliche  breite  Bucht,  bis  sie  durch 
Anlegung  des  Kniephausersiels  im  16.  Jahrhundert  zum  Sieltief 
wurde.  —  Auch  die  bei  Emden  miindende  Ehe  ist  in  dieser 
Weise  eingedeicht  und  erst  bei  Osterhusen  durch  einen  Siel 
gegen  die  von  Emden  kommende  Flut  abgeschlossen  gewesen. 
Bevor  dieser  Siel  angelegt  war,  wird  diese  Ehe  einen  bedeuten- 
den  Anteil  an  der  Marschbildung  bei  Suurhusen  und  Loppersum 


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—     438     — 

gehabt  haben.  Doch  bis  ins  Grosse  Meer  und  in  die  Wolden 
reichten  ihre  Schliekwasser  nicht.  Moglicherweise  ist  aber 
diese  Ehe  (das  jetzige  Hinter  Tief)  auch  erst  zugleich  mit  der 
Anlage  des  Siels  kiinstlich  gegraben,  um  eine  neue  Abwasserung 
des  Hinterlandes  zu  schaffen,  als  die  bisherige  Abwasserung 
infolge  Verschlammung  des  alten  Emsarmes  versagte ;  die  grade 
Richtung  des  Hinter  Tiefs  spricht  dafiir,  dass  es  ein  kiinstlicher 
Wasserlauf  ist,  dagegen  spricht  die  bedeutende  Kleibildung  bei 
Harsweg  (bis  Harsweg  muss  wenigstens  ein  offener  natiirlicher 
Fluss  oder  eine  Balge  gewesen  sein),  ferner,  dass  der  Siel  schon 
bei  Osterhusen  angelegt  ist  und  nicht  weiter  auf  Emden  zu. 
Ware  das  Tief  kiinstlich  gegraben,  so  hatte  man  doch  den  Siel 
am  siidlichsten  Ende  des  Tiefs  anlegen  und  die  Deiche  an  beiden 
Seiten  zum  grossten  Teil  sparen  konnen.  Dass  der  Siel  so  weit 
landeinwarts  gelegt  wurde,  spricht  dafiir,  dass  die  Ehe  eine 
bedeutendere  Breite  als  jetzt  das  Tief  hatte,  so  dass  ihre  Fas- 
sung  durch  einen  Siel  der  damaligen  Wasserbaukunst  Schwierig- 
keiten  bereitete  oder  wenigstens  die  finanziellen  Kr&fte  noch 
mehr  in  Anspruch  nahm  als  die  Anlegung  von  Deichen  vom 
Siele  bis  nach  Emden.  Es  konnen  aber  auch  politische  Motive 
dabei  massgebend  gewesen  sein.  Jedenfalls  reiht  sich  der 
Siel  bei  Osterhusen  ungezwungen  in  die  vorstehend  wahrschein- 
lich  gemachten  Bestrebungen  des  13.  Jahrhunderts  ein,  das  Ge- 
biet  bei  Eisinghusen,  Abbingwehr  etc.  der  Kultur  zu  erschliessen 
sowohl  durch  Abwasserung  als  durch  Abschluss  der  Flutwelle 
von  Emden  her.  Dieser  Siel  wurde  1436—37  nach  Emden  ver- 
legt  (vgl.  Ben.  Chr.  S.  298  und  die  Eingangsbemerkung  in  Ur- 
kunde  469).  Die  Jahreszahl  1440,  bei  Beninga  S.  306,  ist  also 
nicht  genau  und  die  Zahl  1409  bei  v.  Horn  S.  159  ein  Irrtum.  Die 
nach  der  eben  angezogenen  Urkunde  1437  vollzogene  Einbeziehung 
der  Landereien  des  Miedelsumer  Hammrichs  unter  die  fQr  den 
Emder  Siel  sielpflichtigen  Landereien  bezeugt  meines  Erachtens 
die  Vollendung  des  Prozesses  der  Verlandung  des  Gebietes 
zwischen  Abbingwehr  und  Longewehr  und  nordlich  davon.  Da- 
mals  bildete  sich  schon  das  1498  eingedeichte  Wirdumer  Neu- 
land,  und  dem  Miedelsumer  Hammrich  war  sein  bisheriger 
Wasserabfluss  nach  Norden  (wahrscheinlich  durch  den  bei 
von  Horn  S.  159  erwahnten  Bevenburger  oder  Canhuser  Siel) 
unmoglich  gemacht,  so  dass  diesem  Hammrich  die  Abwasserung 


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nach  Emden  hin  eroffnet  werden  mussto.  —  Die  Miindung  des 
Manslagter  Fliisschens  oder  „die  Vischwerder  Marsmude"  scheint 
nicht  durch  einen  Siel  abgeschlossen  gewesen  zu  sein;  wenig- 
stens  ist  mir  keine  Ueberlieferung  von  einem  dortigen  Siel  be- 
kannt.  Die  Anlage  des  Siels  von  Greetsiel  im  Anfang  des  15. 
Jahrhunderts  (Klinkenborg,  Jahrb.  XIV.  154)  und  die  Verbindung 
der  Abw&sserung  des  ganzen  Hinterlandes  durch  das  neue  Sieltief 
mit  diesem  Siel  wird  die  Ursache  gewesen  sein,  dass  auch  die 
Vischwerder  Marsmude  der  Verschlammung  anheimfiel,  bis  der 
Seedeich  die  Mude  als  fettes  Land  einpolderte  und  ein  neuer 
Hof  =  „Nienhofa  auf  diesem  Lande  angelegt  werden  konnte. 
Die  letzte  Spur  der  hier  vorhanden  gewesenen  Miindung  bildet 
die  Einbuchtung  des  Seedeiches  vor  Sloet  und  Nienhof,  wo 
sich  schon  ein  bedeutendes  Vorland  gebildet  hat. 

Das  Resultat  dieser  Untersuchung  wiirde  also  sein,  dass 
die  Insel  Borkum  zur  Romerzeit  einen  Teil  des  •  jetzigen  Fest- 
landes  mit  umfasste  und  zwar  den  als  Federitgau  bekannten 
Teil  des  KrummhQrn.  Der  von  Bartels,  Jahrb.  II.  S.  34,  35, 
erhobene  Widerspruch  gegen  die  Ansicht,  dass  ein  Teil  des 
Festlandes  der  Insel  Borkum  angehort  habe,  trifft  nur  die 
Theorie  von  Arends  und  besonders  von  Horns,  die  auch  ich 
abgewiesen  habe.  —  Das  zweite  Resultat  ist,  dass  nicht  lange 
vor  der  Ernennung  Liudgers  zum  Bischof  fur  den  mittlern  Teil 
Frieslands  der  spater  sogenannte  Federitgau  von  der  Insel  ab- 
getrennt  wurde.  Es  kann  dies  nicht  viel  fruher  als  um  die 
Zeit  Liudgers  geschehen  sein,  da  die  tibrig  bleibende  Insel 
(Bant  genannt)  damals  noch  besondere  Bedeutung  gehabt  haben 
muss,  weil  sie  allein  von  alien  Inseln  genannt  wird  und  also 
die  Zertrtimmerung  der  Insel  Bant,  die  mit  der  Durchbrechung 
vor  Pilsum  ihren  Anfang  nehmen  musste,  noch  nicht  weit 
vorgeschritten  gewesen  sein  kann.  Wir  sind  daher  berechtigt, 
ftir  diesen  Durchbruch  der  Ost-Ems  in  runder  Zahl  das  Jahr 
750  anzusetzen.  Die  Zertrtimmerung  von  Bant  musste  aber 
niit  der  Durchbrechung  vor  Pilsum  ihren  Anfang  nehmen,  denn 
dadurch  bekam  die  Flut  den  Zugang  zu  den  in  der  Mitte  der 
Insel  jedenfalls  vorhandenen  niedrigen  Landen  und  loste  die 
Insel  von  Innen  her  allm&hlich  auf.  Die  Ansicht  von  Bartels, 
Jahrbuch  II.  S.  31  ff.,  dass  die  Zertriimmerung  von  Bant  erst 
in  das   14.  Jahrhundert  zu  verlegen  sei,   diirfte    daher   nicht 


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mehr  aufrecht  erhalten  werden  konnen.  Aus  dem  Umstande, 
dass  die  Insel  Bant  weder  in  den  Werdener  Registern  noch  in 
den  Fuldaer  Traditionen  vorkommt  (Bunte,  Jahrb.  XII.  S.  149)? 
mochte  ich  schliessen,  dass  sie  schon  um  das  Jahr  1000  keine 
wesentliche  territoriale  Bedeutung  mehr  hatte.  Dass  Adam  von 
Bremen  als  Historiker  bei  der  Beschreibung  des  Wirkungskreises 
Liudgers  die  Insel  Bant  nennt,  beweist  nicht,  dass  sie  zu  seiner 
Zeit  noch  in  dem  Umfange  wie  zur  Zeit  Liudgers  vorhanden  war, 
und  das  Jahr  1100  ist  daher  nicht  mit  Sicherheit  aJs  der 
friiheste  Termin  der  Zertriimmerung  von  Bant  anzunehmen, 
(wie  Bartels  a.  a.  0.  S.  36  meint).  Aus  den  von  Bartels  a.  a.  0. 
S.  37  angegebenen  Griinden  diirfte  folgen,  dass  die  Diinen- 
kette  im  Norden  von  Bant  in  ihrem  alten  Zusammenhang 
(Borkum,  Juist  und  Norderney  umfassend)  noch  lange,  bis 
gegen  1400,  erhalten  geblieben  ist.  Gegen  eine  friihzeitige  Zer- 
triimmerung der  Hauptmasse  der  Insel  sprechen  die  Grunde 
dann  nicht  mehr.  Ftir  die  Annahme,  dass  die  Diinenkette  erst 
so  spat  zerrissen  ist,  findet  sich  ein  Zeugnis  auf  einer  alten 
Karte  Ostfrieslands  von  Johannes  Florianus1),  f  1585,  auf  der 
zwischen  den  Inseln  Borkum  und  Juist  die  Bemerkung  ein- 
getragen  ist:  Ante  aliquot  annos,  cum  maiores  adhuc  essent 
hae  duae  insulae,  tarn  angustum  erat  utrumque  Amasii  ostium, 
ut  vix  maioribus  navibus  non  nisi  peritis  nautis  pateret,  minus- 
que  periculi  erat  ab  Oceano.  Nunc  vero  insulis  maris  saevitia  im- 
minutis,  frequentiores  inundationes  haec  Frisia  experitur.  —  Das 
dritte  Resultat  ist,  dass  die  Umwandlung  des  abgeschnittenen 
Bogens  der  Ems  im  Land  bei  Abbingwehr  und  Longewehr  um 
1200  vollzogen  ist,  von  SielmSnken  bis  Manslagt  aber  ein  offener 
Flusslauf  erhalten  blieb  bis  ins  15.  Jahrhundert. 

Nortmoor.  Freri  chs. 


')  Die  Karte  des  Verfassers  stammt  aus  Ortelius'  Theatrnm  orbis 
terrarum  und  tragt  die  Nummer  54,  in  einem  fruhestens  1591  erschiene- 
nen  Ortelius-Exemplar  des  Emder  Gymnasiums  tragt  die  Karte  die  Num- 
mer 45.  Sie  ist  eine  andere  als  die  (von  Babucke  in  seiner  Schrift  uber 
W.  Gnapheus  aus  Ortelius  nachgebildete)  Florianus-Karte  von  1579;  hinter 
dieser  altera  steht  sie  in  mancher  Beziehung,  namentlich  in  der  Schrei- 
bung  der  Namen,  zuruck,  und  auch  sonst  erheben  sich  Bedenken  gegen 
die  wirkliche  Urheberschaft  des  Florianus  fur  die  Karte  wenigstens  in 
ihrer  ganzen  jetzigen  Gestalt,  vgl.  Jahrbuch  X.  2  S.28.    (Anm.  der  Red.) 


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X. 


Die  Grenze  zwischen  den  Bistflmern  MOnster  und  Bremen 
In  Ostfriesland. 

Die  massgebendenUntersuchungen  uber  die  Grenze  zwischen 
den  Bisttimern  Mttnster  und  Bremen  in  Ostfriesland  sind  von 
v.  Hodenberg,  Die  Di5zese  Bremen  Band  I,  und  von  v.  Richthofen, 
Untersuchungen  zur  friesischen  Rechtsgeschichte  Band  I  und  II, 
gemacht  worden.  In  Folge  der  Autoritat  des  Letzteren  haben 
seine  Ansichten  besonders  Freunde  und  Vertreter  gefunden. 
So  Bunte  Jahrbuch  XI  S.  410.  Auf  Grund  erneuter  Unter- 
suchung  der  in  Betracht  kommenden  Urkunden  und  ortlichen 
Verhaltnisse  bin  ich  aber  zu  der  Ueberzeugung  gekommen, 
dass  v.  Richthofen  der  Darstellung  v.  Hodenbergs  nicht  gerecht 
geworden  ist.  Andererseits  hat  aber  v.  H.  sich  einem  Punkte 
direkt  geirrt,  n&mlich  in  der  Meinung,  dass  Barstede  zu  Munster 
gehort  habe,  eine  Meinung,  die  v.  R.  II 1207  mit  Recht  abweist, 
und  ist  auch  sonst  in  Einzelheiten  zu  berichtigen.  Daher  will 
ich  in  Folgendem  die  Frage  nach  dem  Verlaufe  der  Grenze 
zwischen  Miinster  und  Bremen  in  Ostfriesland  von  neuem 
untersucht  zur  Darstellung  bringen,  wobei  ich  in  der  gluck- 
lichen  Lage  bin,  die  Oertlichkeiten  durch  pers5nliche  An- 
schauung  besser  zu  kennen  als  beide  genannten  Autoritaten 
und  manche  Einzelheiten  hinzufiigen  zu  konnen. 

Fttr  das  15.  Jahrhundert  lasst  sich  die  Grenze  genau  be- 
stimmen  auf  Grund  der  von  beiden  Bisttimern  erhaltenen  Ver- 
zeichnisse  der  zugehorigen  Kirchen  und  Kirchspiele.  v.  H.  hat 
das  registrum  ecclesiarum  Bremensium,  das  sogenannte  Stader 
Copiar,  vom  Jahre  1420  verQffentlicht.  Das  Verzeichnis  von 
Mtinsterscher  Seite  findet  sich  als  registrum  curarum  Mona- 
steriensium  saec.  XV  in  Friedlaenders  Ostfr.  Urkundenbuche  Bd.  II 
No.  961.  Von  der  Grenze  im  15.  Jahrhundert  gilt  es  dann 
aber  einen  Rtickschluss  zu  machen  auf  die  angeblich  787  ge- 
troffene  Grenzbestimmung,  die  die  bertihmte  Eddenriede  nennt, 
und  dabei  ergeben  sich  die  haupts&chlichsten  Differenzpunkte 
gegen  die  anscheinend  heute  herrschende  Ansicht. 

Die  Grenze  verlief  nach  den  erw&hnten  Kirchenverzeich- 
nissen  im  15.  Jahrhundert  von  Osten  her  tiber  das  Hochmoor 
zwischen  Marx  und  Remels,   dann  nSrdlich  von  Holtrop,   von 


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t 


—    442    — 

da  stidlich  von  Weene  und  Ihlow  bis  nach  Ochtelbur.  Simons- 
wolde,  Riepe  und  Ochtelbur  gehSrten  zu  Miinster;  Westerende, 
Bangstede  und  Barstede  zu  Bremen.  Weiter  ging  die  Grenze 
ostlich  von  Forlitz,  Wiegboldsbur,  Viktorbur  und  Marienhafe, 
bis  sie  nordlich  von  Osteel  an  der  Leybucht  endete.  Norden 
und  Hage  gehorten  zu  Bremen. 

v.  H.,  dem  BSttger  in  seinen  Gau-  und  Diozesangrenzen 
gefolgt  ist,  lasst  die  Grenze  ostlich  von  Barstede  gehen.  Seio 
Beweis  a.  a.  0.  S.  179  f.  ist  aber  nicht  stichhaltig,  wie  ich  im 
Folgenden  zunachst  nacbweise.  Er  erkl&rt  auch  selbst  die 
Akten  dartiber  ftir  noch  nicht  geschlossen. 

Im  reg.  eccl.  Brem.  de  1420  wird  neben  Westerende  und 
Bangstede  Barstede  nicht  genannt,  sondern  Kerstede.  Dass 
dies  ein  Schreibfehler  ist  und  Barstede  bedeutet,  ist  urn  so 
wahrscheinlicher,  als  Barstede  friiher  Berstede  hies  (cf.  Urk.  214 
v.  J.  1408).  Die  Annahme  v.  H's.,  dass  ftir  Kerstede  Kerctorp 
=  Kirchdorf  bei  Aurich  eingesetzt  werden  miisse,  erscheint 
viel  schwieriger.  Dass  Kirchdorf  neben  Aurich  noch  1420  eine 
selbst&ndige  Gemeinde  gewesen  sein  sollte,  ist  auch  sehr 
zweifelhaft.  Wenn  Kirchdorf  iiberhaupt  eine  Kirche  gehabt 
hat  (dass  ein  Kirchhof  dort  gewesen  ist,  ist  nach  Arends  Erd- 
beschr.  S.  541  nicht  wohl  zu  bezweifeln,  aber  es  konnte  seinen 
Namen  auch  davon  bekommen  haben,  dass  das  Dorf  auf 
Kirchengrund  angelegt  in  alten  Zeiten  zur  Dotation  der  Kirche 
zu  Aurich  geh5rt  h&tte),  so  ist  doch  wahrscheinlich  schon  mit 
der  Stiftung  der  St.  Lambertskirche  in  Aurich  1270  Kirchdorf 
mit  in  deren  Parochie  hineingezogen  oder  einfach  die  urspriing- 
lich  in  Kirchdorf  stehende  Kirche  der  Parochie  durch  die  neu- 
erbaute  St.  Lambertskirche  ersetzt  worden. 

Im  reg.  curar.  Monaster,  saec.  XV  wird  Barstede  nicht 
genannt.  v.  H.  will  es  aber  flnden  in  der  dort  angefOhrten 
Kirche  zu  Burhoff.  Diese  Namensvertauschung  erscheint  ebenso 
ktinstlich,  wie  die  zuerst  angefiihrte,  da  in  dem  in  Rede  stehen- 
den  Bezirk  ein  Burhafe  (in  der  Viktorburermarsch)  vorhanden 
ist,  wo  die  Auricher  Amtsbeschreibung  noch  einen  Kirchhof 
kennt,  wie  auch  die  Endimg  hafe  oder  hoff  in  dem  Namen  auf 
kirchliche  Einrichtung  deutet.  Burhafe  ist  jetzt  eine  Dom&ne, 
ein  Umstand,  der  es  wahrscheinlich  macht,  dass  dort  eine 
Kloster  kirche  sich  befunden  hat. 


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—    443    — 

Die  angenommene  Verwandlung  von  Kerstede  in  Kero 
torp  und  von  Burhoff  in  Barstede  sucht  v.  H.  zu  stiitzen 
durch  Berufung  auf  die  Veranderung  der  Namen  Victorishowe 
in  Viktor  bur  und  Wibadeshof  in  Wibelsbur.  Abgesehen 
davon,  dass  hier  keine  Veranderung  wie  die  beiden  ange- 
nommenen  von  stede  in  dorp  und  von  hof  in  stede  vorliegen, 
charakterisieren  sich  die  angezogenen  Namen  als  Doppelnamen, 
nicht  als  Veranderungen  des  Ortsnamens.  In  Viktorbur  wie  in 
Wiegboldsbur  liegt  der  jetzt  noch  sogenannte  „Hofa,  das  ist 
die  Kirche  mit  dem  Kirchhof,  der  Pfarre  und  der  Lehrer- 
wohnung  nebst  Schule,  isoliert  vom  Dorf  oder  der  Bauerschaft, 
daher  ist  es  erkl&rlich,  dass  in  alteren  kirchlichen  Urkunden 
Victorishof  und  Wibadeshof,  dagegen  in  weltlichen  Urkunden 
Victorbur  und  Wibelsbur  gesagt  wird.  Bei  diesen  beiden  Ort- 
schaften  sind  die  letzteren  Bezeichnungen  als  Ortsnamen  durch- 
gedrungen,  wahrend  bei  Engerhafe  und  Marienhafe,  wo  die  Kirche 
im  Ort  liegt,  neben  der  kirchlichen  Bezeichnung  keine  besondere 
weltliche  sich  so  leicht  geltend  machen  konnte  und  so  der  kirch- 
liche  Name  Ortsname  geworden  ist.  Doch  findet  sich  bei  Enger- 
hafe auch  der  Nebenname  Utengerbur  (vgl.  Suur  Hauptlinge  S.  21 
und  Friedl.  U.-B.  No.  234,  v.  J.  1413).  Marienhafe  ist  anscheinend 
eine  lediglich  im  Anschluss  an  die  Kirche  begriindete  Nieder- 
lassung.  Eine  Bauerschaft  war  in  diesem  Ort  nicht  vorhanden, 
wie  denn  Marienhafe  noch  heute  keine  Flur  hat.  Die  Bauer- 
schaft von  Marienhafe  bildet  neben  Tjtiche  haupts&chlich  das 
Dorf  Upgant,  das  daher  auch  als  die  altere  Ansiedlung  neben 
Marienhafe  angesehen  werden  muss  und  seinen  alteren  Namen 
beibehalten  hat,  ohne  ihn  mit  Marienbur  zu  vertauschen.  — 
So  erkl&ren  sich  die  Doppelnamen  ganz  ungezwungen  aus  den 
ortlichen  Verhaltnissen  und  geben  durchaus  keinen  Beweis  ab 
fiir  die  v.  H.  angenommene  Veranderung  der  Namen  von  Kirch- 
dorf  und  Barstede. 

Sind  so  die  von  Urkunden  hergenommenen  Grtinde  v.  H's. 
nicht  durchschlagend,  so  findet  sich  in  dem  aus  der  Ortslage 
hergeleiteten  Grande  ein  unzweifelhafter  Irrtum:  „der  Barsteder 
Kirchensprengel  mlisste  zwischen  den  Sprengeln  der  Miinsterschen 
Nachbarkirchen  Ochtelbur  und  Riepe  herausgeschnitten  werden, 
urn  an  Bremen  zu  gelangen".  Dies  ist,  wie  jeder  sich  davon  auf 
der  Karte  Ostfrieslands  iiberzeugen  kann,  unrichtig.    Die  Orts- 

Jftfcrbnch  der  UeselJsch.  f.  h.  K.  a.  vaterl.  Altertiimer  zu  Emden,  Bd.  XV.  29 


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—     444    — 

lage  weist  vielmehr  darauf  hin,  dass  Barstede  naturlicherweise 
nicht  von  Westerende  und  Bangstede  getrennt  werden  kann. 
Auch  die  in  Ostfriesland  seltene  gleichmassige  Bildung  dieser 
drei  Ortsnamen  mit  stede,  denn  auch  Westerende  hiess  ursprQng- 
lich  Westerenstede  (v.  R.  II  1207),  verbindet  die  drei  Ortschaften. 
Der  von  v.  H.  zwischen  Barstede  und  Westerende  angenommene 
Grenzverlauf  ist  durchaus  kiinstlich.  Barstede  hat  seinen  ein- 
zigen  immer,  auch  bei  den  Ueberschwemmungen  im  Winter,  gang- 
baren  Verbindungsweg  nach  Westerende,  w&hrend  es  von  den 
Ortschaften  im  Westen  und  vor  Erbauung  der  Landstrasse  auch 
von  Ochtelbur  durch  Niederungen,  die  vor  der  jetzigen  Ver- 
besserung  der  Abw&sserung  im  Winter  unter  Wasser  standen, 
abgeschnitten  ist.  Der  Sumpf  zwischen  Ochtelbur  und  Forlitz 
zieht  sich  bis  nach  Bangstede  hin.  Der  einzige  wasserfreie  Ver- 
bindungsweg von  einer  Seite  zur  andern  war  bis  in  unsere  Zeit 
der  Weg  auf  der  Grenze  der  beiden  Ortsfluren  Ochtelbur  und  Bang- 
stede, Onnendiek  genannt,  der  die  Verbindung  der  beiden  lang- 
gestreckten  DSrfer  ausmacht,  so  dass  man,  um  von  Ochtelbur 
nach  Barstede  zu  gelangen,  seinen  Weg  liber  Bangstede  und 
Westerende  nehmen  musste.  Jetzt  ftthrt  die  Landstrasse  von 
Ochtelbur  nftrdlich  durch  die  Niederung  zum  Bangsteder  Verlaat. 
Westlich  der  Landstrasse  deutet  auch  der  Name  der  Kolonie 
Vennh&user  auf  friiheres  Moorland  oder  Wiesenland.  Diese 
Niederung.  zwischen  Ochtelbur  einerseits  und  Barstede-Bang- 
stede  andererseits  ist  die  natilrliche  Verbindung  zwischen  dem 
Grenzmoor  5stlich  von  Simonswolde,  Riepe  und  Ochtelbur  und 
dem  flstlich  von  Marienhafe,  Viktorbur,  das  liber  das  heutige 
Moordorf,  Neu-Ekels  und  Neu-Barstede  hinstreichend  bis  an  die 
Niederung  der  Wolden  heranreichte. 

Hiermit  ist  sachlich  die  Grenze  zwischen  Ochtelbur  und 
Bangstede-Barstede  gegeben.  Die  sachliche  Grenzbestimmung 
ist  an  anderer  Stelle  auch  fur  v.  H.  so  massgebend,  dass  er 
a.  a.  0.  II  S.  104,  Anm.  4,  Aurich-Oldendorf  und  Holtrop  ent- 
gegen  den  Registern  von  Mtinster  wie  von  Bremen  als  ur- 
spriinglich  zum  Bremer  Gebiet  gehGrig  ansieht.  Die  sach- 
liche Grenzbestimmung  muss  bei  Barstede  um  so  mehr  als 
durchschlagend  gelten,  als  ihr  keine  urkundlichen  Zeugnisse, 
sondern  nur  ein  Buchstabe  entgegensteht,  namlich  das  K  in 
Kerstede  des  Bremer  Registers  von  1420.    Dies  K  mussall  er- 


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dings  in  B  verwandelt  werden.  Dies  kann  aber  einem  gewich- 
tigen  Bedenken  nicht  unterliegen,  da  die  betr.  Register  auch 
sonst  von  Schreibfehlern  nicht  frei  sind. 

Gehen  wir  nun  zur  Betrachtung  der  nattirlichen  Beschaffen- 
heit  des  Landes  auf  der  Lime  des  Grenzverlaufs  tiber,   so  er- 
gibt  sich,  dass   ein  zusammh&ngendes  Moor-  und  Sumpfgebiet 
die  Grenze  zwischen  den   Bistiimern  Mtinster  und  Bremen  in 
Ostfriesland  gebildet  hat.     Das  Hochraoor  zwischen  Marx  und 
Remels  erstreckte  sich  uber  das  heutige  Spetzer-  und  Grosse- 
fehn,  tiber  Ltibbersfehn,  Htillenerfehn,  Bunkfahn  und  Ihlow  bis 
an  das  vorher  erwahnte  Moor  ostlich  von  Ochtelbur  heran  und 
bildete   mit   ihm  wahrscheinlich   eine  mehr   oder  weniger   zu- 
sammenhangende  Flache.     Auch  nordlich  von  Holtrop  findet 
sich  Moor,  das  vielleicbt  mit  dem  Moor  bei  Grossefehn  in  Ver- 
bindung  gestanden  hat.    Die  Scheidung  ist   aber  siidlich   von 
Aurich-Oldendorf  (Spetze)   so  viel   deutlicher,   dass  aus  diesem 
Grunde  v.  H.  hier  die  ursprtingliche  nattirliche  Grenze  finden 
will    und   annimmt,   dass  Aurich-Oldendorf  und  Holtrop  n  a  c  h 
800  gegrtindete  Ortschaften  seien.    Dagegen  bemerke  ich:  uber 
die  sogen.  Spetze  lief  der  uralte  einzige  Verbindungsweg  (Bohl- 
weg  oder  Pfahldamm,  Spetze  =  Speiche)  tiber  dies  ganze  Moor- 
gebiet  von  Stiden  her.     Daher  ist   es   erklarlich,   dass  Holtrop 
und    Aurich-Oldendorf  sich  nach   Stiden  hin   an   den  Emsgau 
kirchlich  angeschlossen  haben.  Ich  halte  dieses  Gebiet  ftir  uraltes 
Ansiedlungsgebiet  und  stehe  der  Annahme  von  vielen  erst  nach 
800  begrtindeten  alten  Dorfanlagen  auf  der  Geest  in  Ostfriesland 
iiberhaupt  skeptisch  gegentiber.     Holtrop  und  Aurich-Oldendorf 
haben  ihre  alten  Meeden  am  Fehntjer  Tief,  Hatshausen  gegen- 
tiber.    Das  rechte  Ufer  der  alten  Fallum  gehorte  daher  zur  Hol- 
troper  Vogtei.     Dies  spricht  auch  daftir,  dass  die  lebendige  Ver- 
bindung  von  Holtrop  und  Aurich-Oldendorf  nach  Stiden  ftihrte 
und  auch  hier  der  Anschluss  an  den  Emsgau  nahe  lag.    Es  darf 
auch  nicht  vergessen  werden,   dass  um   800  gar  keine  Veran- 
1  as  sung  vorlag,  hier  eine  so  enge  Grenze  durch  einen  bestimm- 
ten  Wasserlauf  festzusetzen,  da  das  ganze  Gebiet  von  Grosse- 
fehn   und   Spetzerfehn   direkt   nach   Westen   bis   Ihlow   einge- 
schlossen  ein  unbewohntes   Sumpf-   und    Moorgebiet   war,   so 
dass  die  Fallum  (Arends  Erdbeschr.  S.  96),  das  heutige  Fehntjer- 
tief,  in  ihrem  Hauptteile  ohne  Weiteres  mit  zur  Grenze  gehorte. 

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Aus  diesen  Grttnden  sehe  ich  keine  Veranlassung  mit  v.  H. 
speziell  das  Fehntjer  Tief  bis  Bunkfahn  als  ursprtingliche 
nattirliche  Grenze  anzusehen.  Das  Gebiet  von  Aurich-Oldendorf 
und  Holtrop  bildete  eine  an  Moormerland  und  damit  an  Munster 
sich  anschliessende  nordw&rts  gerichtete  Halbinsel.  Diese  war 
die  einzige  wesentliche  Unterbrechung  des  quer  durch  Ostfries- 
land  sich  hinziehenden  breiten  Gtirtels  von  Hochmoor  und  Sumpf, 
der  die  Grenze  der  Bistiimer  Bremen  (nordlich)  und  Mtinster 
(stidlich)  bildete.  —  Die  weitere  Betrachtung  der  nattirlichen 
Grenze  an  Ochtelbur  vorbei  tiber  das  heutige  Moordorf  nord- 
w&rts  ist  schon  vorher  gegeben.  Es  bedarf  nur  noch  der  Her- 
vorhebung,  dass  das  Moor  nGrdlich  von  Osteel  sich  bis  an  die 
Leybucht  in  ihrer  grossten  Ausdehnung  (Stiderneuland)  heran- 
streckte  vora  heutigen  Berumerfehn  tiber  Westermoordorf,  Leez- 
dorf  und  Orth. 

Treten  wir  von  dieser  Betrachtung  des  natiirlichen  Grenz- 
verlaufs  ausgehend  an  die  Bestimraung  der  Grenze  im  Jahre  787 
heran.  Die  Urkunde  No.  1.  bei  Friedlaender  gibt  als  Grenze 
an  von  der  Hunte  ab:  deinde  ipsum  flumen  et  Amrinum 
lucum  silvestrem,  quern  incole  loci  Wildloch  nominant,  Fino- 
lam,  Waldesmoor,  Bercpol,  Eddenriad  paludem,  Emisgoe  et 
Ostergoe  disterminantem,  Brustlacho,  Biberlacho  iterumque 
mare.  Ist  die  Urkunde  auch  in  der  iiberlieferten  Form  ge- 
f&lscht  und  nicht  aus  der  Zeit  Karls  des  Grossen  herriihrend, 
sondern  erft  im  11.  Jahrhundert  entstanden,  so  liegt  doch  kein 
Grund  vor,  diese  Grenzbestimmung  nicht  als  die  alteste  und 
ursprtingliche  anzunehmen. 

Von  der  Weser  die  Hunte  aufw&rts  bis  jenseits  Oldenburg 
ist  die  Grenze  ganz  klar,  denn  „der  Hain  im  Amraerlande,  den 
die  Einwohner  Wildloch  nennena,  ist  noch  vorhanden.  Zwischen 
Oldenburg  und  Edewecht  liegt  das  Geh51z  Wildenloh.  Von  hier 
ab  lief  die  Grenze  an  dem  Fliisschen  entlang  (jetzt  das  Godens- 
holter  Tief),  welches  siidlich  von  Detern,  unweit  Scharrel,  sich 
in  die  Leda  ergiesst  (v.  R.  II 1284).  Dies  Gewasser  heisst  auch 
die  Vehne.  Auf  einer  kurzen  Grenzstrecke  an  diesem  Floss 
will  v.  B.  nun  drei  Grenzpunkte  der  Urkunde  wiederfinden, 
nftmlich  Finola  (das  er  als  nWaJd  an  der  Vehne"  tibersetzt), 
Waldesmoor  (ohne  n&here  Bestimmung)  und  Bercpol  (das  er  in 
dem  Ortsnamen  Bergpol  oder  Barpel  im  Kirchspiel  Edewecht 


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finden  will).  Gegen  diese  Aufstellung  habe  ich  einzuwenden, 
dass  diese  drei  Grenzpunkte  so  die  Grenze  nicht  weiter  als  bis 
Edewecht  (Barpel)  bestimmen  wiirden,  und  dass  drei  Grenzpunkte 
auf  einer  wesentlich  gleichlaufenden  durch  die  Vehne  vollst&ndig 
fixierten  Grenze  angegeben  w&ren,  w&hrend  die  ganze  tibrige 
Grenze  bis  nflrdlich  Kernels  mit  der  zweimaligen  Wendung  bei 
Scharrel  nach  Norden  und  nSrdlich  Kernels  wieder  nach  Westen 
unbestimmt  bliebe.  v.  R.  hat  sich  hier  anscheinend  durch  den 
Ortsnamen  Barpel  bei  Edewecht  (v.  R.  schreibt  Bergpol,  nach 
Sello  im  Berichte  iiber  die  Tatigkeit  des  Oldenb.  Landesvereins  f. 
Altertumskunde  u.  Landesgesch.  1893  S.  64  heisst  der  Ort  Berpel) 
verleiten  lassen,  die  Identitat  mit  dein  Grenzpunkt  Bercpol  als 
sicher  anzunehmen.  In  einer  Gegend,  wo  es  weder  an  polen 
(kleinen  Seen)  noch  an  Birken  mangelte,  ist  aber  die  Entstehung 
desselben  Narnens  an  zwei  Orten  leicht  zu  erkl&ren.  Der  Gleich- 
klang  darf  hier  nicht  entscheiden,  wenn  andere  Grtinde  gegen 
die  Identitat  sprechen.  Richtiger  dttrfte  sein:  Finola  heisst 
„Sumpf  an  der  Vehne"  (langs  der  Fehne  liegt  ein  umfangreiches 
Hochmoor,  v.  R.  II  1278),  und  dies  eine  Wort  bezeichnet  die 
Grenze  bis  nach  Scharrel  bei  Detern.  Hier  finde  ich  am 
Wendepunkte  der  Grenze  nach  Norden  das  Waldesmoor,  denn 
Scharrel  (altere  Form  Scharle)  =  Scharlo  bedeutet  wahrschein- 
lich  Scheidewald,  Grenzwald1).  Hier  muss  ein  bedeutender 
Wald  gewesen  sein,  denn  ausser  Scharrel  deuten  die  Ortsnamen 
Nordholt,  Godensholt,  Holtgast  und  Bokel  (=  Boklo,  Buchen- 
holz?)  auf  einen  wahrscheinlich  das  ganze  durch  diese  Orts- 
namen bestimmte  Gebiet  umfassenden  Wald.  Da  die  Gegend 
dabei  im  Ganzen  niedrig  liegt  und  daher  fniher  ohne  Zweifel 
morastig  war,  ist  Waldesmoor  eine  treffende  Bezeichnung. 

Von  hier  hatte  die  Grenze  denselben  Verlauf,  wie  die 
heutige  Grenze  zwischen  Oldenburg  und  Ostfriesland,  bis  sie 
sich  mitten  zwischen  Marx  und  Remels  wieder  westwftrts 
wandte.  An  diesen  Wendepunkt  verlege  ich  mit  v.  H.  den  Berc- 
pol und  finde,  dass  die  vielen  kleinen  Seen  dieser  Gegend  ein 
ganz  charakteristisches  Kennzeichen  fiir  diesen  Namen  sind. 
Heute  ist  allerdings  das  Moor  bei  diesen  Seen  eine  baumlose 


')  vgl.  Jellinghaus  Die  westfilischen  Ortsnamen  '  (1902)  S.  118  u. 
d.  W.  schar. 


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Fl&che.  Vor  1000  Jahren  mochten  aber  noch  die  Kopfe  der  DQnen 
des  Unterbodens  aus  dem  Moor  hervorragen  und  den  Birken  Platz 
bieten  zum  Wurzeln  und  Wachsen.  Bartels  identifiziert  Jahrb.  I 
2  S.  79  den  Bercpol  mit  dem  Barkebusch  bei  Aurich-Oldendorf. 
Die  direkte  Verbindung  zwischen  dem  Grenzpunkt  bei  Scharrel 
(Waldesmoor)  und  dem  Barkebusch  wiirde  aber  Uplengen  zum 
grossten  Teil  ausschliessen.  Daher  kann  wohl  nur  unter  der 
Voraussetzung  der  Grenzpunkt  Bercpol  in  Barkebusch  wieder- 
gefunden  werden,  dass  die  Landschaft  Uplengen  erst  nach  der 
Einfiihrung  des  Christentums  kolonisiert  ware.  Unter  der  An- 
nahme,  dass  die  heutigen  Hauptdorfer,  also  auch  Reraels,  schon 
zur  Zeit  der  Einfiihrung  des  Christentums  vorhanden  waren, 
muss  die  Grenze  nordostlich  von  Remels  eine  Wendung  ge- 
macht  haben  und  an  diesem  Wendepunkte,  also  in  der  Gegend 
der  vielen  Seen  bei  Oltmannsfehn,  der  Bercpol  gesucht  werden. 
—  Sonst  hat  die  Ansicht  von  Bartels  viel  fiir  sich,  besonders 
wenn  noch  Anhaltspunkte  gefunden  wiirden  fiir  die  Vermutung, 
dass  der  Barkebusch  eine  altgermanische  Kultusst&tte  und  also 
eine  bekannte  und  merkbare  Lokalitat  gewesen  ware. 

Nun  folgt  mit  Eddenriad  palus  die  Grenzbestimmung,  welche 
in  Ostfriesland  besonderes  Interesse  erregt  hat  und  die  ver- 
schiedensten  Deutungen  sich  hat  gefallen  lassen  mtissen. 

v.  Horn  (Yersuch  einer  Geologie  der  ostfr.  Marschen  S.  44) 
behauptet  nach  Arends  von  dem  friiher  einen  Meerbusen  bilden- 
den  Landrevier  nord-  und  ostseits  Wirdum:  „nirgends  anders, 
als  grade  hier  kann  der  See  Eddenriad  sich  befunden  haben*. 
Sundermann  weiss  in  seinen  Sagen  S.  50:  „Das  Kirchspiel  Hesel 
liegt  auf  einer  Insel  des  friiheren  Flusses  Eddenried ;  das  Edden- 
ried  war  in  alten  Tagen  ein  Ausfluss  der  Weser  (!)  und  die 
Scheidegrenze  der  bischoflichen  Sprengel  Mtinster  und  Bremen4. 
Diese  groteske  Anschauung  hat  auch  Edzards  Fries.  Jahrb.  1870 
S.  171  ausgeftihrt,  der  mit  der  phantastischen  Freiheit  eines 
Dichters  die  Eddenriede  verherrlicht  hat.  Sie  ist  auch  von 
Doornkaat  im  ostfr.  Worterbuch  u.  d.  W.  Eddenriede  vertreten. 
Andere  suchen  die  palus  Eddenriad  in  der  Gegend  des  Jade- 
busens,  Wierichs  im  Wiesedermeer  (Arends,  Phys.  Gesch.  der 
Nordseektiste  S.  353).  v.  H.  findet  sie  im  Fehntjer  Tief  Sstlich 
vom  See  Sandwater  und  v.  R.  in  dem  ganzen  Grenzverlauf 
zwischen  Mtinster  und  Bremen  in  Ostfriesland,  insbesondere  in 


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der  Niederung  von  dem  Wasserlande  bei  Riepe  ab  bis  Norden. 
Nur  die  letztern  beiden  Anschauungen  erfordern  Beachtung,  und 
ich  muss  hierbei  v.  R.  entschieden  widersprechen. 

v.  R.  deutet,  ohne  auf  die  Bedeutung  des  Namens  Edden- 
riad  einzugehen,  die  Eddenriede  als  palus  Emisgoe  auf  den 
ganzen  Moor  und  Bruchstrich,  welcher  die  beiden  Diozesen 
schied  (I  321),  im  Anschluss  an  ein  wahrscheinlich  dem  13.  Jahr- 
hundert  angehorendes  Scholion  zu  Adam  von  Bremen:  hanc 
Fresiae  partem  (den  zur  Bremer  Diozese  gehorenden  Teil  Fries- 
lands)  a  reliqua  Fresia  palus  Emisgoe  terminat.  Ich  bestreite, 
dass  die  palus  Emisgoe  des  Scholiasten  und  die  Eddenriad  palus 
identifiziert  werden  dtirfen,  wie  es  v.  R.  tut.  Jener  ist  ein 
ganz  richtiger  summarischer  Ausdruck  der  Grenze  im  All- 
gemeinen  und  im  Ganzen,  dieser  ist  ein  spezieller  Teil  des 
Ganzen,  dem  noch  zwei  weitere  Grenzbestimmungen  folgen: 
Brustlacho  und  Biberlacho,  ehe  das  Meer  erreicht  wird. 
Diese  beiden  Ortlichkeiten  (wahrscheinlich Seen)  k5nnt en 
nicht  mehr  untergebracht  werden,  wenn  schon  der 
Ausdruck  Eddenriad  palus  den  ganzen  Grenzverlauf 
bis  zum  Meere  hin  bezeichnete. 

Bei  der  Bestimmung  des  nattirlichen  Grenzverlaufs  macht 
v.  R.  nun  aber  noch -erne  merkwiirdige,  meiner  Meinung  nach 
unmflgliche  Abweichung  von  der  durch  Urkunden  festgelegten 
Grenze,  indem  er  annimmt,  dass  von  Simonswolde  ab  die 
Niederung  Tiber  den  jetzigen  Riepster  Hammrich,  das  Grosse 
Meer  und  die  Abelitz  bis  nach  Norden  hin  die  natiirliche 
Grenze  gewesen  sei  (I  319,  II 1282),  und  bemerkt:  „spater,  nach- 
dem  das  Tiefland  mehr  und  mehr  entwassert  war,  sind  auf 
Bremer  und  M&nsterscher  Seite  die  angeftthrten  Kirchspiele  ge- 
grttndet  worden  und  hat  sich  danach  die  spatere  Diozesangrenze 
innerhalb  des  Tieflandes  festgestellt".  Die  Annahme  dieses  Tief- 
landes  als  natttrliche  Grenze  betont  v.  R.  I  319,  II  1281  in 
so  spezieller  Weise,  dass  Bunte,  Jahrb.  XI  411,  gradezu  dieses 
Tiefland  allein  als  Eddenriad  palus  auffasst,  obwohl  v.  R.  das 
nicht  sagt. 

Die  Annahme  v.  R's.,  dass  dies  Tiefland  die  ursprfingliche 
Grenze  gebildet  habe,  halte  ich  aus  folgenden  Griinden  flir  un- 
mdglich.  Es  widerspricht,  von  den  Ortschaften  auf  Bremer 
Gebiet  noch  ganz  abgesehen,  aller  Wahrscheinlichkeit,  dass  die 


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Orte  Riepe,  Ochtelbur,  Forlitz,  Blaukirchen,  Bedekaspel,  Wieg- 
boldsbur,  Victorbur,  Engerhafe,  Marienhafe,  Osteal  und  Westeel 
s&mtlich  erst  nach  800  begriindet  sein  sollten.  Die  Kirchen 
werden,  wie  v.  R.  I  321  sagt,  allerdings  vielfach  erst  sp&ter 
gegrundet  sein,  aber  es  handelt  sich  doch  787  bei  der  Grenze 
um  Festsetzung  der  kirchlichen  Einflusssphare  auf  vorhandene 
Ortschaften.  Die  spater  gegriindeten  Kirchen  tun  dabei  nichts 
zur  Sache,  die  waren  vor  der  Einftihrung  des  Christentums  natiir- 
lich  nicht  da,  und  wenn  die  Kirchen  auch  erst  in  spateren  Jahr- 
hunderten  begriindet  sind.  wie  es  v.  R.  I  322  fiir  die  Kirchen  von 
Viktorbur,  Siegelsum,  Bedeskaspel,  Ochtelbur  und  Riepe  wahr- 
scheinlich  macht,  so  ist  der  Schluss  nicht  zwingend,  dass  die 
Ortschaften  auch  dieser  spateren  Zeit  angehoren.  Fiir  die  Reihe 
der  Ortschaften  von  Wiegboldsbur  an  spielt  auch  die  wenn  auch 
noch  so  sehr  „nicht  entw&sserte  Niederung"  gar  keine  Rolle, 
da  sie  auf  dem  Geestrande  angelegt  sind.  Die  Annahme,  dass 
die  Kolonisation  des  Landes  erst  nach  dem  8.  Jahrh.  in  so 
wesentlichem  Masse  stattgefunden  habe,  widerspricht  der  Tat- 
sacbe,  dass  das  Leben  Liudgers  uns  den  Zustand  des  Landes 
als  einen  bltihenden  mit  zahlreichen  Landgtitern,  bliihenden 
Dorfern,  KlOstern  und  Kirchen  zeigt  (Blok,  Friesld.  im  Mittel- 
alter,  tibersetzt  v.  Houtrouw  S.  13).  Es  entspricht  auch  nicht 
der  Wirklichkeit,  wenn  v.  R.  II,  1281/82  sagt:  „Es  liegt  in 
ihm  (dem  Tiefland)  auf  Bremischer  Seite  neben  dem  benach- 
barten  Bangstede  das  Dorf  Barstede,  dann  Hage  (!),  Arle  (!)  und 
die  Stadt  Nordena  und  I  320:  „nordostlich  dem  Bruch  entlang 
standen  die  Bremer  Kirchen  zu  Weene,  Aurich,  Westerende, 
Arle,  Hage,  Norden".  Endlich  bildet  im  Vergleich  mit  dem 
Hochmoor  eine  wasserreiche  Niederung,  wie  doch  dieses 
„Bruchland"  v.  R's.,  die  Wolden,  frdher  noch  mehr  als  heute 
war,  keine  gute  Grenze,  da  der  Verkehr  zu  Wasser  in  alter 
Zeit  bei  mangelnden  Wegen,  Strassen  und  Eisenbahnen  not- 
wendigerweise  viel  entwickelter  war,  als  heute. 

Die  nachgewiesene  zwischen  Ochtelbur  und  Barstede  hin- 
ziehende  Verbindung  der  Moore  bildete  dagegen  eine  nur  an 
wenigen  Stellen  zu  tiberschreitende  wirklich  scheidende  Grenze. 
Wir  diirfen  annehmen,  dass  ausser  der  Spetze  Wege  nur  hinflber- 
fuhrten  bei  Ochtelbur  (Onnendiek),  bei  Wiegboldsbur  (der  sogen. 
Barkeweg  von    der   Wiegboldsburer  Mflhle   nach   Westerende 


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Holzloog),  vielleicht  in  der  Gegend  des  heutigen  Moordorf  (das 
Wallpad  von  Upgant  nach  Walle)  und  bei  Norden.  Bedeutsam 
scheint  mir,  dass  in  der  Gegend  des  Upstallsbooms  die  alten 
die  Grenze  fiberschreitenden  Wege  nach  Upstallsboom  konver- 
gierend  sich  h&ufen,  nicht  als  ob  die  Wege  des  Upstallsbooms 
wegen  angelegt  seien,  aber  zum  Beweis  der  gtinstigen  Lage, 
urn  von  alien  Seiten  dahin  zusammenzukommen. 

Die  Eddenriad  palus  bildet  also  einen  Teil  der  Grenze  und 
zwar  von  Osten  her  den  ersten  Teil  in  Ostfriesland.  Daher 
kann  sie  nichts  anders  als  das  Moor  zwischen  Kernels  und  Marx 
und  weiter  westlich  bezeichnen.  Brustlacho  und  Biberlacho 
deutet  v.  H.  auf  die  an  den  haupts&chlichsten  Wendepunkten 
der  von  ihm  als  Linie  angenommenen  Grenze  gelegenen  Seen 
Sandwater  und  Dtivels-  oder  Arler  Meer.  Ein  Wendepunkt  der 
Grenze  ist  zuletzt  in  der  Gegend  des  Dtivels-Meers  anzunehmen 
und  daher  hier  mit  v.  H.  der  letzte  Grenzbestimmungspunkt 
Biberlacho  zu  finden.  Brustlacho  aber  finde,  ich  nicht  mit 
v.  H.  im  See  Sandwater,  denn  eine  grade  Grenze  von  hier  bis 
zum  Dtivels-Meer  ftthrt  Qstlich  vom  Dorf  Barstede,  w&hrend  die 
Grenze  westlich  von  demselben  lief,  und  hatte  keinen  natiir- 
lichen  Zusammenhang.  Die  nicht  als  Linie,  sondern  als  breite 
Moor-  und  Sumpfregion  zu  denkende  Grenze  fiihrt  ohne  die  von 
v.  H.  bei  dem  See  Sandwater  angenommene  Wendung  in  grader 
Richtung  von  Osten  her  nordlich  an  Ochtelbur  vorbei.  An 
dieser  Stelle  miisste  dann  allerdings  eine  Wendung  nach  Norden 
hin  angenommen  werden,  und  den  Wendepunkt,  das  Ende  der 
ost-westlichen  Richtung,  dftrfte  die  Grenzbestimmung  Brustlacho 
bilden.  Auf  der  Karte  Ostfrieslands  von  Coldewey  1730  findet 
sich  grade  an  dieser  Stelle  ein  jetzt  verlandeter  See  angegeben, 
das  Breykemeer.  Wahrscheinlich  ist  dies  Breikemeer  mit  dem 
Brustlacho  zu  identifizieren,  denn  die  Lage  dieses  Sees  passt 
genau  in  den  Grenzzug.  Der  Name  Breikemeer  deutet  wohl 
auf  die  breiartige  Beschaffenheit  des  Bodens  und  ist  eine 
Illustration  zu  dem  Sumpfe  zwischen  Forlitz  und  Ochtelbur,  von 
dem  das  Breikemeer  ein  Teil  war. 

Bei  dem  Ausdruck  Eddenriad  palus  kann  man  nun  aber 
aus  dem  Namen  Eddenriad  noch  eine  Bestatigung  der  im  vo- 
rigen  Absatz  aufgestellten  Ansicht  entnehmen.  Die  von  Bunte, 
Jahrb.  XI  S.  411  aufgestellte  Bedeutung  Moorriede  mag  in  ihrem 


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ersten  Teile  richtig  sein.  Ob  riad  aber  dasselbe  ist,  wie  das 
heutige  Riede  (vgl.  Hilgenriede,  Rote  Riede  u.  6.)  ist  mir  zweifel- 
haft,  da  es  auch  das  hochdeutsche  Riet  =  Bruchland,  mit 
Scbilfrohr  bewachsenes  Gelande  bedeuten  kdnnte.  In  beiden 
Bedeutungen  aber  stimmt  der  Name  gut  zu  dem  Gebiete  von 
West-Grossefehn  bis  Bunkfahn,  wo  das  absteigende  Hochmoor 
sich  mit  der  Niederung  durch  Rieden  vermahlt  und  das  Schilf- 
rohr  auch  nicht  gefehlt  haben  wird.  Ist  die  Eddenriede  aber 
nur  der  Auslaufer,  das  Ende  des  Hochmoors  (die  Lesart  Endi- 
riad  ist  auch  bezeugt  und  wlirde  auch  auf  diese  Gegend 
passen  in  der  Bedeutung  Endriet),  so  folgt  daraus,  dass  in 
dem  Text  der  Urkunde  von  787  das  paludem  nicht  Apposition 
ist,  sondern  Eddenriad  palus  zusammengenommen  einen  neuen 
Begriff  bildet,  und  dass  also  Eddenriad  palus  das  Moor  be- 
zeichnet,  welches  durch  die  Eddenrieden  oder  das  Edden- 
riet  n&her  spezialisiert  wird,  das  ist  der  Moorstrich,  welcher 
westlich  von  Neuenburg  in  Oldenburg  bis  Sstlich  von  Riepe 
und  Ochtelbur  lief,  unterbrochen  vom  riad.  Dass  diese  palus 
den  Ostergau  vom  Emsgau  schied,  davon  iiberzeugt  ein  Blick 
auf  die  dem  Werke  von  Richthofen  angehangte  erste  Karte, 
die  die  Gaue  Frieslands  im  9.  Jahrhundert  darstellt.  Auricher- 
land  gehSrte  zum  Ostergau  und  Moormerland  zum  Emsgau. 
Dass  der  Emsgau  an  den  Ostergau  auch  in  der  Gegend  der 
sogenannten  Wolden  angrenzt  unter  der  Voraussetzung,  dass 
die  Wolden  einem  der  beiden  Gaue  zugerechnet  werden,  hat 
v.  R.  anscheinend  verfiihrt,  hierher  die  paludem  Ostergoe  et 
Emisgoe  disterminantem  zu  verlegen.  Doch  wissen  wir  fiber 
die  Zugehorigkeit  der  Wolden,  des  sogenannten  Silderlandes  (vgl. 
Urk.  398  Anm.  1),  sowie  des  Brokmerlandes  im  engeren  Sinn  zu 
den  alten  Gauen  wenig  Bestimmtes.  v.  R.  (II  1173)  rechnet 
das  zur  Mtinsterschen  DiQzese  gehorende  Brokmerland  zum 
alten  Emsgau,  nach  der  Karte  ist  es  wohl  versehentlich  dem 
Federgau  zugerechnet.  Das  aber  ist  gewiss,  dass  der  Emsgau 
und  der  Ostergau  in  der  Mitte  des  heutigen  Fehntjer  Tiefes  an 
einander  grenzten.  So  muss  ich  derm  auch  in  Riicksicht  auf 
die  Gaugrenzen  auf  der  von  mir  etwas  modifizierten  Ansicht 
v.  Hodenbergs  gegen  die  v.  Richthofens  bestehen,  dass  wir  hier 
beim  Ysmedertief  und  bei  der  Fallum  (Arends  Erdbeschr.  v. 
Ostfr.  S.  96)  die  Eddenriad  und  in  dem  ostlich  und  westlich 


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anschliessenden    Moor    die    Eddenriad    paludem,    Ostergoe    et 
Emisgoe  disterminantem  zu  suchen  haben. 

Da  die  fiir  das  15.  Jahrhundert  durch  die  Namen  der 
KirchdSrfer  festzustellende  Grenze  mit  der  durch  die  natiirliche 
Beschaffenheit  des  Landes  festgelegten  Grenze  von  787  genau 
tibereinstimmt,  sehe  ich  schliesslich  keine  Veranlassung,  mit 
v.  R.  II 746  anzunehraen,  dass  sich  bestimrate  Grenzen  zwischen 
den  beiden  Diozesen  erst  allmahlich  festgestellt  haben,  sondern 
finde,  dass  die  Scheidung  des  Gebiets,  in  das  Liudger,  und  des, 
in  das  Willehad  das  Christentum  eingefiihrt  hat,  von  Anfang 
an  mit  aller  nur  wiinschenswerten  Scharfe  vollzogen  ist. 

Nortmoor  F  r  e  r  i  c  h  s. 


XL 

Die  Grenze  zwischen  den  BistOmern  MQnster  und  OsnabrOck 

in  Ostfriesland. 

Fiinf  friesische  Gaue  und  zwar  diejenigen,  in  welchen 
Liudger  missioniert  hat,  Hugmerchi,  Hunusga,  Fivilga,  Emisga 
und  Federitga.  wurden  bei  Errichtung  des  Bistums  Miinster,  in 
welchem  Liudger  als  erster  Bischof  eingesetzt  wurde,  diesem 
zugewiesen.  Infolgedessen  hatte  das  Bistum  Miinster  einen 
friesischen  und  einen  westf&lischen  Teil,  die  durch  das  da- 
zwischen  liegende  Bistum  Osnabriick  getrennt  waren.  Die 
Grenze  des  zum  Bistum  Miinster  gehorenden  Teiles  von  Ost- 
friesland deckte  sich  im  Siiden  nicht  mit  der  heutigen  Landes- 
grenze,  sondern  das  Bistum  Osnabriick  erstreckte  sein  Gebiet 
von  Siiden  her  in  Ostfriesland  hinein.  Die  Bestimmung  der 
Grenze  zwischen  dem  zu  Miinster  und  dem  zu  Osnabriick  ge- 
horigen  Teil  des  siidlichen  Ostfriesland  ist,  soviel  ich  sehe,  bis 
dahin  noch  nicht  im  Zusammenhang  versucht  worden.  Sie  wird 
dadurch  erschwert,  dass  das  Miinstersche  Kirchenverzeichnis  aus 
dem  15.  Jahrh.  (Ostfr.  Urkb.  II  No.  961)  grade  in  den  hier  in 
Betracht  kommenden  Probsteien  Nesse  (bezw.  Hatzum)  sowie 
Leer  die  Ortsnamen  mehrmals  in  so  entstellter  Form   oder  in 


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einer  so  unbekannt  gewordenen  alten  Form  liberliefert,  dass 
die  Identifizierung  mit  den  heutigen  Ortsnamen  schwierig  ist, 
und  zum  andern  dadurch,  dass  kein  altes  Osnabrftcker  Kirchen- 
register  vorliegt,  welches  den  ursprfinglichen  Bestand  der  Osna- 
briicker  Diozese  angibt,  denn  die  von  Philippi  veroffentlichte 
Aufzahlung  aller  geistlicben  Stellen  des  Bistums  Osnabnick  aus 
den  Jahren  1456—58  hat  als  nordlichstes  Kirchspiel  Aschendorf 
(Mitteilungen  d.  hist.  Vereins  v.  Osnabriick  Bd.  XVI,  1891,  S.  235). 

Fttr  das  alte  zum  grossten  Teil  im  Dollart  untergegangene 
ostfriesische  Rheiderland  lasst  sich  der  Grenzverlauf  ermitteln 
aus  den  Uebereinkommen  einiger  Rheiderl&nder  und  Oldamtster 
Hauptlinge  von  1391  und  1420.  Die  erste  Urkunde  (im  Folgenden 
Urkunde  1  genannt)  ist  veroffentlicht  in  Driessen,  Monumenta 
Groningana,  die  zweite  (im  Folgenden  Urk.  2  genannt)  in  Fried- 
laenders  Urkundenbuch  No.  270),  vorher  in  Suur,  Kloster  Ostfries- 
lands,  beide  zusammen  in  Stratingh  und  Venema,  de  Dollard 
S.  304  ff.  In  letzterem  Werk  (im  Folgenden  abgekttrzt  durch 
Str.  u.  V.  bezeichnet)  ist  danach  auch  die  Grenze  im  alten 
Rheiderland  bestimmt,  und  v.  Richthofen  Untersuchungen  II 
1192  f.  und  1292  ff.  schliesst  sich  diesen  Feststellungen  wesent- 
lich  an  mit  einer  Korrektur  derselben,  II  1193,  die  aber  nicht 
zutreffend  sein  dtirfte. 

Es  handelt  sich,  um  diesen  Punkt  vorweg  zu  nehmen,  bei 
der  von  v.  R.  verlangten  Korrektur  um  den  Ort  Wynedaham, 
bei  dem  der  Grenzfluss  Tjamme  beginnt  (von  der  Mtlndung  ab 
gerechnet).  Die  Urkunde  1  sagt:  de  Thyamme  begint  uyt  Tyd- 
wynedaborch  in  de  Wyneda  ham,  ende  loopt  op  voorbey  Reder- 
wolda  ende  voort  door  Meggeham  ende  door  Torptfen.  Urk.  2 
sagt:  de  Tiamme  de  utgainde  vor  by  Reiderwolde  by  Twid- 
dingaborch  tuschen  Megham  und  Wiveldaham  und  doir  Dorp- 
senn.  v.  R.  halt  nur  die  erste  Urkunde  fur  massgebend  und 
verlegt  Wynedaham  und  Meggeham  beide  auf  die  linke  Seite 
der  Tjamme  und  dadurch  auf  Miinstersches  Gebiet,  weil  Wyne- 
daham und  Meggeham  beide  im  Miinsterschen  Verzeichnis  vor- 
kommen.  Str.  u.  V.  legen  auf  den  Ausdruck  der  Urk.  2  ^tuschen 
M.  u.  W.a  Gewicht  und  verzeichnen  Meggeham  auf  der  linken, 
Wynedaham  auf  der  rechten  (Osnabrflcker)  Seite,  da  noch  ein 
zweites  Wyndeham,  auf  mttnsterschem  Gebiete  liegend,  n5rdlich 
der  Tjamme  vorkommt  und  noch  ein  Wynham  an  der  ostfriesi- 


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schen  Grenze  (Wynhamster  Kolk).  —  Da  Wynedaham  im  Mttnster- 
schen  Verzeichnis  gleich  hinter  Ditzumerwold  genannt  wird, 
nehme  ich  an,  dass  das  Miinstersche  Kirchdorf  dieses  Namens 
an  der  ostfriesischen  Grenze  in  der  Nahe  der  heutigen  Ort- 
schaft  Ditzumer  Hammrich,  wo  sich  auch  der  Wynhamster 
Kolk  und  die  Wynhamster  Landen  befinden,  gelegen  hat,  und 
dass  der  Ort  dieses  Namens  in  den  angeftihrten  Urkunden  mit 
diesem  Kirchdorfe  nichts  zu  tun  hat.  Das  Windeham,  welches 
die  Dollartkarten  nSrdlich  der  Tjamme  verzeichnen,  gebe  ich 
als  unbeglaubigt  auf.  Der  Urk.  2  wird  man  aber  trotz  v.  R. 
Gewicht  beilegen  mttssen,  da  sie  auf  der  ersten  beruhend  eine 
Korrektur  derselben  oder  eine  genauere  Lagebeschreibung,  als 
in  der  ersten  vorlag,  versucht.  Dass  diese  sehr  klar  geworden 
ist,  wird  zwar  niemand  behaupten,  aber  man  wird  doch  daran 
festhalten  mttssen,  dass  die  Tjamme  zwischen  Meggeham  und 
Wynedaham  (um  die  wahrscheinlich  besseren  Lesarten  dieser 
Namen  beizubehalten)  gelaufen  ist.  Die  Tydwynedaborch  kann 
nicht  zwischen  M.  und  W.  gelegen  haben  (so  konnte  man  Urk.  2 
an  sich  auch  verstehen),  da  bei  dieser  Burg  der  Anfang,  der 
Tjamme  gesetzt  wird.  —  Also  ist  die  von  v.  R.  geforderte  Kor- 
rektur abzulehnen,  zumal  da  die  Lesung  der  Urk.  2  der  von 
Urk.  1  nicht  widerspricht,  die  Tjamme  kann  ja  immerhin  auch 
durch  Meggeham  geflossen  sein.  Auffallend  ist  dann  nur,  dass 
die  Tjamme,  die  mitten  durch  Dorfer  floss,  ein  geeigneter  Grenz- 
fluss  sein  sollte. 

Dieser  Punkt  wttrde  zu  geringfttgig  sein,  um  daran  noch 
weitere  ErOrterungen  anzuschliessen,  wenn  nicht  hierbei  grade 
hervortr&te,  dass  Str.  u.  V.  bei  ihrer  grttndlichen  Arbeit  noch 
zu  oft  der  Tradition  eine  Bedeutung  zugemessen  haben,  die  ihr 
nicht  zukommt,  und  infolgedessen  geirrt  haben  in  der  Annahme, 
dass  die  Tjamme  bis  zu  ihrem  Ausfluss  in  die  Ehe  die  Grenze 
zwischen  den  Bistttmern  bilde.  —  Die  Tjamme  war  (nach  der 
Tradition  ebenfalls  in  ihrem  ganzen  Verlauf)  die  Grenze  zwischen 
Oldamt  und  Rheiderland.  Meggeham  gehorte  zur  Probstei  Nesse, 
also  zum  Rheiderland.  Das  N&chstliegende  ist  daher,  Meggeham 
auf  die  rheiderl&nder  rechte  Seite  der  Tjamme,  Wynedaham 
auf  die  linke  Seite  zu  verlegen  und  damit  dem  Oldamt  zuzu- 
weisen.  An  dieser  einfachen  Losung  hindert  Str.  u.  V.  nur 
die  Annahme,  dass  die  Tjamme  bis  zu  ihrem  Einfluss  in  die 


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Ehe  der  Grenzfluss  zwischen  Munster  und  Osnabriick  gewesen 
sei.  Von  der  Annahrae  der  ganzen  Tjamme  als  Grenze  sind 
Str.  u.  V.  in  Bezug  auf  die  Grenze  zwiscben  Rheiderland  und 
Oldamt  mit  Recht  abgewichen,  da  dann  Westerreide  und  Kloster 
Palmar  unmoglich  noch  mit  in  Rheiderland  eingeschlossen 
werden  k5nnten,  die  doch  tatsftchlich  dazu  gehort  haben.  Die 
Grenze  von  Rheiderland  lassen  Str.  u.  V.  daher  von  Tidwyneda- 
borch  ab  die  Tjamme  in  nordwestlicher  Richtung  verlassen, 
zeichnen  nun  aber,  um  Meggeham  auf  rheiderlandisch-munster- 
sches  Gebiet  zu  bekomraen,  Meg.  weiter  die  Tjamme  abwarts  als 
Tydwynedaborg,  was  der  Urkunde  widerspricht.  Reiderwolde 
muss  gleichfalls  der  Urkunde  widersprechend  noch  weiter  fluss- 
abwarts  verlegt  werden  (vgl.  Str.  u.  V.  S.  33,  34).  Ich  muss 
es  daher  fiir  unrichtig  halten.  dass  die  Tj.  in  ihrem  ganzen 
Verlauf  die  Grenze  zwischen  den  Bistumern  gewesen  sei,  was 
ubrigens  auch  eine  nur  durch  die  Tradition  hervorgerufene  An- 
sicht  Str's.  u.  Vs.  ist.  —  Aus  denselben  Griinden  kann  ich 
aber  auch  nicht  annehmen,  dass  die  Tj.  von  Tydwynedaborch  an 
auf  warts  die  Grenze  der  Bisttimer  gewesen  ist,  denn  Reider- 
wolde und  Megenham  k6nnten  nicht  die  Tj.  aufw&rts  im 
miinsterschen  Rheiderland  gelegen  haben,  wenn  dort  links 
das  Oldamt,  rechts  das  o sn a br ticker  Rheiderland  lag.  —  Eine 
oberfl&chliche  Betrachtung  des  von  Str.  u.  V.  angenommenen 
Grenzverlaufs  zwischen  den  Bisttimern  (aber  auf  einer  richtigen 
Karte,  die  Karte  in  dem  Werke  von  v.  Richthofen  ist  viel  zu 
ungenau!)  lasst  auch  sofort  die  ganze  Unwahrscheinlichkeit 
dieser  Grenze  erkennen,  da  ein  schmaler  nordw&rts  gerichteter 
langer  Zipfel  zwischen  Tjamme  und  Ehe  zu  Osnabriick  gehdrt 
h&tte,  wahrend  das  ganze  umgebende  Land  zu  Minister  gehorte. 
v.  Richthofen  hat  diesen  Zipfel  verkiirzt,  aber  willkiirlich,  und 
auch  bei  ibm  bleibt  die  Grenze  noch  auflfallend  weit  zwischen 
Tjamme  und  Ehe  vorspringend. 

Der  Grund  fur  diese  bisherige  tats&chlich  unmogliche  An- 
nahme  ist  der  Ausdruck  der  Urk.  1:  Dese  Thyamme  uyt  Tyd- 
wynedaborch in  de  Zype  dale  —  dit  is  de  rechte  scheydinge 
tuschen  beyden  Stichten  ende  Landen  voorschreven,  und  Urk.  2 : 
De  vorscr.  Tiamme  is  ewig  und  wairachtige  schedinge  tusschen 
Reiderlandt  und  Oldenampten  offt  der  beiden  stichten.  Dieser 
Angabe  widerstreitet  die  Angabe  in  denselben  Urkunden,   dass 


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Reiderwolde  und  Megenham,  die  zum  munsterschen  Rheiderland 
gehort  haben,  von  Tydwynedaborch  die  Tjamme  aufw&rts  ge- 
legen  haben. 

Die  L5sung  dieses  Widerspruchs  tinde  ich  darin,  dass  fiir 
die  Bauernschaften,  um  derentwillen  diese  Vertrage  geschlossen 
wurden,  und  also  auch  fiir  die  Verfasser  und  Unterzeichner  der 
Urkunde,  nicht  die  ganze  Tjamme  Bedeutung  hatte,  sondern 
nur  der  ost-westlich  laufende  Teil  von  Finserwolde  an  auf- 
w&rts.  Damit  steht  der  Ausdruck  in  Uebereinstimmung:  al 
wat  aan  die  noorder  zyde  der  Tyamme  ende  Zype  licht,  dat  is 
Oldampte,  ende  wat  lande  aan  de  zuyder  zyde  der  Zype  ende 
Tyamme  licht,  dat  is  Reyderlandes,  denn  nur  von  Finserwolde 
aufw&rts  stimmt  das,  Finserwolde  abwarts  fliesst  die  Tjamme 
nordlich,  Rheiderland  liegt  also  ostlich  und  Oldamt  westlich, 
und  wiirde  die  Zeichnung  der  alten  Dollartkarte  als  richtig  an- 
genommen,  so  wiirde  noch  weiter  abw&rts  das  Verhaltnis  sich 
grade  umkehren,  was  nSrdlich  der  Tjamme  liegt,  ist  Rheider- 
lands,  was  siidlich  Oldamts.  Daher  nehme  ich  an,  dass  die 
Tjamme  nur  bis  Finserwolde  die  Grenze  zwischen  beiden  Bis- 
tiimern  gewesen  ist. 

Dass  die  Tydwynedaborch  immer  als  Ausgangspunkt  der 
Tj.  genannt  wird,  obgleich  die  zwischen  dieser  Burg  und  Finser- 
wolde liegenden  D6rfer  Reiderwolde,  Megenham,  Wynedaham 
und  Dorpsen  von  der  vorliegenden  Ubereinkunft  gar  nicht  be- 
rllhrt  wurden,  erkl&re  ich  mir  aus  der  Notwendigkeit,  die 
Tjamme  genau  zu  bezeichnen,  da  Tj.  ein  ofter  vorkommender 
Flussname  ist  und  als  Name  nicht  bezeichnender  als  Ehe  (vgl. 
Str.  u.  V.  S.  25  Anm.).  —  Ferner  glaube  ich  annehmen  zu  dUrfen 
und  auf  Grand  der  Urkunde  annehmen  zu  mttssen,  was  bisher, 
auch  der  Tradition  folgend,  nicht  geschehen  ist,  dass  die  Tj. 
wirklich  bei  Tydwynedaborch  ihren  Anfang  genommen,  d.  h.  ihre 
Miindung  gehabt  hat,  n&mlich  in  die  Ehe,  welche  aus  der 
Niederung  nSrdlich  von  Eexta-Scheemda  entsprang,  auf  der 
zweiten  Karte  von  Str.  u.  V.  mit  „oude  geuta  bezeichnet.  — 
Nicht  verschweigen  will  ich  aber,  dass  ein  Satz  der  Urk.  1 
dabei  noch  Schwierigkeit  macht:  „Dese  Tyamme  —  —  — 
scheydet  alle  Hamricken  ontwee  van  beyden  landen,  die  tuschen 
Tydwynedaborch  ende  den  Santwech  (zwischen  Eexta  und 
Westerlee)  gelegen  sint".    Das  kann  ich  nur  als  eine  urkundlich 


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-    468    — 

fixierte  Ungenauigkeit  auffassen,  indem  ich  dabei  auf  Dorpsen 
hinweise,  durch  das  die  Tj.  floss.  Wie  kann  sie  dann  far  den 
Hammrich  Dorpsens  die  Grenze  gewesen  sein,  bei  Dorpsen  muss 
sie  doch  die  Dorfflur  nicht  begrenzt,  sondern  durchschnitten 
haben.  Es  mttsste  denn  sein,  dass  Dorpsen  ttberhaupt  kein 
Dorf,  sondern  nur  ein  Flurname  ist,  vgl.  ahnliche  Flurnamen 
in  dieser  Gegend  aus  der  Gegenwart  (Str.  u.  V.  S.  52).  —  Dann 
bleibt  nur  noch  die  Schwierigkeit,  dass  die  Tj.  nach  Urk.  1 
auch  door  Meggeham  floss.  Dieser  Ausdruck  muss,  wenn  die 
Tj.  die  Hammriche  scheidet,  ungenau  sein,  und  so  ergibt  sich 
auch  hier,  dass  Urk.  2  die  tats&chlichen  Verhaltnisse  richtiger 
schildert. 

Sonach  ist  der  erste  feste  Punkt  der  untersuchten  Bistums- 
grenze  die  Stelle  der  Tjamme,  wo  sie  sich  sttdlich  von  Finser- 
wolde  „west  ina  wendet.  Von  hier  flussaufw&rts  bildete  die 
Tj.  die  Grenze,  bis  sie  in  die  Zype  floss.  Dieser  Flusslauf  ist 
nun  aber  nur  auf  der  ersten  kurzen  Strecke  noch  vorhanden 
zwischen  Finserwolde  und  Beerte,  weiterhin  durch  Anlage  von 
Gr&ben  und  Kan&len  v611ig  ver&ndert.  Wir  sihd  also  genotigt, 
um  den  weiteren  Lauf  der  Tj.  festzustellen,  wieder  auf  die 
beiden  Urkunden  zurftckzugehen.      Urk.  1   sagt:   de  Tyamme 

strecket  voort  over  dat  moer  recht  westwert  in  de 

Zype,  die  gelegen  is  tuschen  Schemeder,   Extinger  ende  dat 

Convent  te  Heliger  Lee.     Urk.  2  sagt:   de   Tjamme 

tusschen  Finserwolda  und  de  Beerte  und  dan  vortan  und  vorup 
in  dat  zuden  und  doer  dat  gantze  meir  in  de  Zipen,  de  ge- 
legen is  tusschen  der  Exte  und  Scheemde  und  Hilligerle.  Str. 
u.  V.  nehmen  die  Lesart  moer  an  und  lassen  nach  Urk.  2  die 
Tj.  zuerst  nach  Sliden  lauf  en  westlich  von  Beerte  und  dann 
durch  das  Moor  ntfrdlich  von  Heiligerlee.  Dabei  ist  schon  auf- 
fallend,  dass  sie  so  in  das  Flurgebiet  von  Winschoten  und  Hei- 
ligerlee hineingeraten,  w&hrend  die  Tj.  doch  Grenzfluss  sein  soil. 
Unberiicksichtigt  ist  dabei  geblieben,  dass  Urk.  1  keine  s&dliche 
Richtung  der  Tj.  kennt,  sondern  nur  sagt,  sie  erstrecke  sich 
recht  westwert  in  de  Zype.  Grade  westw&rts  liegt  aber  das 
jetzt  entw&sserte  alte  Huningameer  stidlich  von  Ostwolde. 
Daher  halte  ich  dafiir,  dass  auch  hier  Urk.  2  eine  Verbesserung 
enth&lt  und  nicht  moer,  sondern  meer  zu  lesen  ist.  Dass  die 
Tjamme  nach  Urk.  2  in  dat  zuden  und  doer  dat  gantze  meir 


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—    459    — 

geflossen  ist,  widerspricht  sich  nicht,  wenn  man  nur  das 
„unda  scharf  betont  im  Sinne  von  einerseits  —  andererseits. 
Dann  ergibt  sich,  dass  die  Tj.  hier  einerseits  nach  Suden  hin 
sich  erstreckte,  wo  sie  entsprang,  andererseits  durch  einen 
Arm  mit  dem  Huningameer  in  Verbindung  stand,  wie  denn 
eine  solche  Verbindung  auch  tatsachlich  vorhanden  ist  und  war 
(vgl.  Str.  u.  V.  S.  14).  Dann  kam  die  Tj.  durch  das  Meer  in 
Verbindung  mit  der  Zype.  Letztere  floss  danach  nOrdlicher, 
als  Str.  u.  V.  sie  einzeichnen,  und  diese  Lage  stimmt  mit 
der  Ortsbestimmung,  wonach  die  Zype  zwischen  Eexta  und 
Scheemda  und  Heiligerlee  gelegen  ist,  wahrend  nach  der 
Darstellung  von  Str.  u.  V.  die  Zype  mehr  zwischen  Eexta  und 
Heiligerlee  liegt.  Diese  Verbindung  zwischen  Tjamme  und  Zype 
war  die  Grenze.  Der  weitere  Verlauf  der  Grenze  ging  dann, 
wie  Str.  u.  V.  klargestellt  haben,  der  Abwasserung  nach  in 
der  Mitte  zwischen  Eexta  und  Westerlee  noch  nach  Westen, 
dann  zwischen  Westerlee  und  de  Meeden  nach  Suden,  wo  das 
Moor  die  natiirliche  Grenze  bildet.  Bei  diesem  letzten  Teil  der 
Grenze  trifft  auch  die  heutige  Grenze  zwischen  den  Dorfern 
mit  der  alten  Grenze  zusammen  (Str.  u.  V.  S.  16). 

Von  Finserwolde  ostwarts  fehlen  zunachst  alle  Anhalts- 
punkte  filr  die  alte  Grenze,  da  das  fruhere  Land  vom  Dollart 
verschlungen  ist.  Die  Lage  dreier  im  Mtinsterschen  Register 
hinter  einander  vorkommenden  Orte:  Stoth,  Howengehom  und 
Howengahoff  [=  Hovingagast,  letzteres  der  biirgerliche  Name 
neben  dem  kirchlichen  Howingahof1)],  kann  man  aber  nach 
Str.  u.  V.  S.  55  u.  62  fttr  die  Gegend  von  Drieborg  (nordwestlich 
yon  Neuschanz)  und  Neuschanz  nachgewiesen  erachten.  Danach 
wttrde  die  Grenze  von  Finserwolde  ab  bis  stidlich  vom  heutigen 
Neuschanz  gelaufen  sein. 

Nun  ist  weiter  die  Frage,  an  welchem  Punkte  die  Grenze  in 
das  heutige  Ostfriesland  eingetreten  ist.  Im  Mtinsterschen  Kirchen- 
register  finden  sich  die  Orte  Boenewerda  und  Winnamoor. 
Diese  hat  man  ftir  die  heutigen  Orte  Boen  und  Wymeer  ge- 
balten  und  daher  die  Grenze  slldlich  von  Wymeer  laufen  lassen. 
Dagegen  bemerke  ich,  dass,  wenn  unser  heutiges  Wymeer  das 


l)  vgl.  o.  S.  443  die  Auseinandersetzung  in  dem  vorigen  Aufsatz 
mi  Wibel8bur  und  Wibadeshof. 

Jihrbuch  der  Gttallsch.  f.  b.  K.  a.  vaterl.  AlUrtUmer  zu  Emdon,  Bd.  XV.  30 


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-    460    — 

Winnamoor  des  miinsterschen  Kirchenregisters  ware,  dann  auch 
Diinebroek,  das  im  Kirchspiel  Wymeer  belegene  Kloster,  im 
Kirchenverzeichnis  hatte  genannt  werden  mtissen,  da  alle  Kloster 
der  Probstei  Leer  in  diesem  Verzeichnis  aufgefiihrt  werden,  was 
nicht  der  Fall  ist.  Im  untergegangenen  Rheiderland  gab  es  aber 
auch  ein  Wynemeer,  der  Tradition  nach1)  etwa  auf  der  Grenze 
zwiscben  Bunder-  und  Landschaftspolder  belegen.  Dies  Dorf  halte 
ich  daher  fur  identisch  mit  dem  Winnamoor  des  Registers.  Boen 
und  Boenewerda  zu  identiflzieren  liegt  auch  keine  Veranlassung 
vor,  da  in  Boen  keine  Spur  vorhanden  ist,  dass  es  je  Kirch- 
dorf  gewesen  sei2).  Boenewerda  wird  ein  im  Dollart  unter- 
gegangenes  Dorf  gewesen  sein,  dem  Namen  nach  zu  urteilen, 
mit  dem  heutigen  Boen  in  Zusammenhang  stehend.  Ich  stelle 
mir  vor,  dass  Fluchtlinge  aus  dem  ttberschwemmten  Boene- 
werda sich  hier  angesiedelt  und  der  Ansiedlung  in  Erinnerung 
an  die  Heimat  den  Namen  gegeben  haben.  —  Von  Stapelmoor, 
Diele  und  Vellage  steht  fest,  dass  sie  zu  Osnabrilck  gehort 
haben  (vgl.  v.  R.  II  1293).  Daher  sind  auch  die  Angaben  der 
Studenten  Reynerus  de  Fellage  und  Fredericus  Stapehnoer,  die 
1431  bezw.  1439  in  K61n  studierten:  „Osnabrugensis  dioecesis1, 
nicht  als  falsch  anzusehen,  wie  Jahrb.  XI  S.  119  und  120  ge- 
schehen  ist. 

Danach  verlief  die  Grenze  siidlich  von  Neuschanz  gradlinig 
nach  Osten  weiter  bis  nordlich  von  Stapelmoor  und  an  die  Ems. 
An  der  anderen  Seite  der  Ems  in  Overledingerland  gehSrten 
Mitling  und  VSllen  zur  Osnabrlicker  Diozese  (vgl.  v.  R.  II 1293), 
aber  auch  Steenfelde,  was  bisher  tlbersehen  zu  sein  scheint, 
nach  Friedl.  U.-B.  No.  778  vom  Jahre  1462:  „Folkmarus  de 
Steynvelt  clericus  Osnabrugensis  dioecesis". 

Die  natiirlichen  Grenzen  sind  hier  die  zur  Ems  laufenden 
Sieltiefe  nOrdlich  von  Stapelmoor  und  nordlich  von  Mark  und 
dann  zwischen  Grosswolde  und  Steenfelde  durch  bis  Bullerbarg. 
Auf  die  beiden  frei  im  Felde  erbauten  einander  nahegelegenen 
Kirchen  von  Grosswolde  und  Steenfelde  fallt  hierdurch  neues 
Licht,  da  sie,  wie  man  auch  von  den  grossen  in  Brokmerland 


*)  vgl.  die  Dollartkarte  v.  Outhof  in  Furbringer.  Die  Stadt  Emden  S.  6. 

*)  Die  Annahme  v.  E's.,  dass  eine  Kirche  in  Boen  vorhanden  war 
(II 1190),  beruht  auf  einem  Missverst&ndnis  von  Arends  Erdbeschr.  S.  247, 
da  Arends  nach  dem  Zusammenhang  die  Kirche  von  Bunde  meint. 


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-    461     - 

und  im  Norderland  sich  gegeniiber  liegenden  Kirchen  an- 
genommen  hat,  von  den  Bischofen  als  Grenzmarken  errichtet 
sein  konnten. 

Auffallend  ist,  dass  wir  hier  auf  der  alten  Di6zesan- 
grenze  Spuren  einer  nicht  von  kirchlichen  Instanzen  heriihren- 
den  Grenze  treffen  in  den  Ortsnamen  Mark  und  Bullerbarg. 
Der  Name  der  auf  einem  Hiigel  hart  an  der  Ems  belegenen 
kleinen  Ortschaft  Mark  heisst  im  Werdener  Register  vom 
Jahre  1000  Marcberge  (Friedl.  U.-B.,  Anh.  A.,  No.  6)  und  dtirfte 
als  Bezeichnung  eines  Grenzhiigels  in  Anspruch  genommen 
werden  im  Sinne  von  „der  die  Markgrenze  anzeigende  Berga. 
Der  Name  Bullerbarg  deutet  ebenfalls  auf  einen  Grenzhiigel, 
wenn  Bflttger  recht  hat  mit  der  Bemerkung,  dass  die  Silbe 
Boll  oder  Bull  in  Ortsnamen  auf  eine  Grenzlinie  deutet  (Gau- 
und  Diozesangrenzen  II  S.  7  Anm.).  Dies  ist  um  so  bedeut- 
samer,  als  eine  ursprungliche  DiSzesangrenze  schon  als 
solche  Bedeutung  hat  f(ir  die  Erkenntnis  der  Grenzen  der  Gaue, 
in  welche  Deutschland  schon  vor  der  Zeit  Karls  des  Grossen 
eingeteilt  war. 

v.  Hodenbergs  Hypothese:  „Die  Gaugrenzen  fallen  zu- 
sammen  mit  den  DiOzesangrenzen",  besonders  in  der  von 
B6ttger  beliebten  Form,  der  auch  die  Dekanatsgrenzen  als  mass- 
gebend  zu  Grunde  legt,  ist  zwar  in  ihrer  allgemeinen  Form 
nicht  haltbar,  da  die  uns  bekannten  Diozesan-  und  erst  recht 
die  Dekanatsgrenzen  oft  erst  sp&teren  Ursprungs  sind.  Daher 
weist  besonders  v.  R.  in  seinen  Untersuchungen  diese  Hypo- 
these Sfters  als  mit  den  tatsachlichen  Verhaltnissen  nicht  iiber- 
einstimmend  nach.  Aber  das  Wahrheitsmoment  der  Hypothese 
v.  Hodenbergs  ist,  dass  fiir  die  ursprttngliche  Einteilung 
der  Diozesen  die  Gaugrenzen  als  Norm  gedient  haben  werden, 
wie  Dehio  (Gesch.  des  Erzbistums  Hamburg-Bremen  I,  Kritische 
AusfQhrungen  S.  50)  sagt:  „Als  Norm  der  urspriinglichen  Ein- 
teilung gebe  ich  das  Axiom  durchaus  zua.  Speziell  fiir  den 
hier  in  Betracht  kommenden  friesischen  Teil  des  Bistums 
Mtinster  steht  es  nach  Altfrieds  vita  Liudgeri  fest,  dass  er 
ganze  Gaue  umfasste,  und  also  muss  hier  die  urspritngliche 
Diozesangrenze  mit  den  Gaugrenzen  sich  decken. 

In  unserem  Fall  haben  wir  in  der  Osnabriicker  Diozesan- 
grenze im  siidlichen   Ostfriesland  wohl   die  ursprungliche 

30* 


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—    462    — 

Grenze  zu  sehen,  weil  sie  nicht  wie  die  spatere  Didzesangrenze 
mit  der  Landesgrenze  Ostfrieslands  ttbereinstimmte,  und  weil 
wir  Spuren  einer  nicht  von  kirchlichen  Instanzen  herrfthrenden 
Grenze  auf  dieser  Linie  in  den  Ortsnamen  Mark  und  Boiler- 
barg  finden.  Dann  haben  wir  hier  die  siidliche  Grenze  des 
friesischen  Erasgaues  und  die  Scheidung  zwischen  dem  friesi- 
schen  und  s&chsischen  Emsgau. 

Nach  der  dem  ersten  Band  des  Osnabrftcker  Urkunden- 
buchs  beigegebenen  Untersuchung  liber  die  Osnabrttcker  Gaue 
hat  sich  der  Emsgau  tiber  die  heutige  Landesgrenze  Ostfries- 
lands siidw&rts  an  der  Ems  entlang  erstreckt.  Rhode  bei 
Aschendorf  gehorta  urkundlich  dazu.  Dieser  Gau  wird  im 
Gegensatz  zum  friesischen  Emsgau  der  s&chsische  genannt 
Seine  siidliche  Grenze  ist  nicht  sicher,  nor  als  ann&hernde 
Grenze  kann  angegeben  werden:  „nordlich  von  Meppen*,  da 
dieses  zum  Agredingau  gehorte.  Der  friesische  Emsgau  ge- 
horte zum  Bistum  Mttnster,  der  s&chsische  Emsgau  zum  Bistum 
Osnabrilck.  Die  kirchliche  Jurisdiktion  fiber  den  letzteren  ist 
1667  an  Mttnster  verkauft  (Osn.  Mitteilungen  X.  Bd.  S.  230). 

Hat  aber  die  besprochene  Osnabrflcker  Diozesangrenze  in 
Ostfriesland  die  nordliche  Grenze  des  sachsischen  Emsgaus  ge- 
bildet,  so  haben  wir  in  ihr  ein  Markzeichen  der  folgenschweren 
Scheidung  des  ing&vonischen  Stammes  in  Sachsen  und  Fridsen* 
„Indem  die  ersteren  ein  reines  Binnenlandvolk  warden,  die 
letzteren  ein  reines  Seevolk,  zugleich  aber  —  ich  habe  hier 
namentlich  die  Ostfriesen  im  Auge  —  sich  zu  entschiedener 
Sonderexistenz  abschlossen  und,  da  sie  selbst  arm  waren  und 
eines  produzierenden  Hinterlandes  entbehrten,  auch  keine 
Handelsbedeutung  erlangten :  in  Folge  dessen  ging  die  Nordsee 
auf  Jahrhunderte  fiir  das  allgemeine  deutsche  Leben  so  gut  wie 
verloren"  (Dehio  a.  a.  0.  I  S.  234).  Dieser  Scheidungsprozess 
hat  nach  Dehio  a.  a.  0.  I  S.  4  im  2.  und  3.  Jahrhundert  be- 
gonnen  und  im  6.  sich  vollendet. 

Spater  finden  wir  die  friesische  Volksgrenze  weiter  nach 
Siiden  vorgerilckt,  denn  schon  1177  wird  nach  Urk.  346  des 
Osn.  U.-B.  Vollen  als  ein  Ort  in  Fresia  bezeichnet.1)    Die  Burg 


!)  Dasa  das  Osnabriicker  Archidiakonat  an  der  Ems  Archidiaconataa 
Frysie  genannt  wird  (vgl.  Jahrbuch  XIII  S.  277),  scheint  darauf  hinsudeuten, 
dass  die  friesische  Volksgrenze  vielleicht  im  12.— 14.  Jahrhundert  noch 


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von  Papenburg  aber  gehOrte,  obwohl  belegen  im  Kirchspiel 
VSUen,  1458  politisch  zum  Niederstift  Miinster  (Friedlaender,  Urk. 
730).  Die  politische  Grenze  hat  also  damals  wie  bis  in  unsere  Tage 
der  zwischen  Papenburg  und  Vollen  belegene  Hampoel  gebildet. 
—  Auch  die  kirchliche  Grenze  scheint  noch  im  15.  Jahrhundert 
sich  der  neuen  Landesgrenze  angepasst  zu  haben,  weil  das  zu 
Anfang  angefdhrte  Osnabrilcker  Diozesanverzeichnis  von  1456 
bis  1458  keine  Ortschaften  aus  Ostfriesland  mehr  enthalt.  Auf- 
fallend  ist  demgegeniiber  allerdings,  dass  Folkmarus  von  Steen- 
felde  sich  noch  1462  als  clericus  Osnabrugensis  dioecesis  be- 
zeichnet.  Vielleicht  hftngt  das  mit  der  Uebergangszeit  zu- 
sammen,  in  der  die  Kirchspiele,  aber  noch  nicht  die  alten 
Pfarrer  der  neuen  Didzese  angegliedert  waren.  —  Dass  das 
M&nstersche  Kirchenverzeichnis  (Ostfr.  U.-B.  II  No.  961),  welches 
von  Friedlaender  1475  datiert  ist,  die  Ostfriesischen  Orte  der 
Osnabrilcker  DiSzese  noch  nicht  enthalt,  scheint  mir  in  diesem 
Zusammenhang  eine  frilhere  Datierung  desselben  zu  verlangen 
und  zu  fordern,  dass  es  frflher  als  das  Osnabrilcker  Verzeich- 
nis,  also  vor  1456  angesetzt  werden  muss. 

Um  nun  die  Untersuchung  aber  die  Osnabrilcker  DiOzesan- 
grenze  in  Ostfriesland  ganz  zu  Ende  zu  fiihren,  miissen  wir  von 
Bullerbarg  aus  noch  einen  Blick  nach  Osten  tun.  Es  war  hier 
f&r  jene  alten  Zeiten  das  Hochmoor  erreicht,  und  dies  war  die 
natilrliche  Grenze  bis  nach  Saterland,  welches  zu  Osnabriick 
gehOrte.  Es  fragt  sich  nur  noch,  ob  nicht  auch  hier  die  Grenze 
gradlinig  nach  Osten  bis  nach  Saterland  gelaufen  ist,  so  dass 
auch  das  Johanniter-Kloster  Langholt  mit  seinem  Vorwerk 
Burlage  auf  Osnabrilcker  Gebiet  lage.  Im  Miinsterschen  Kirchen- 
register  fehlt  nach  meiner  Deutung  der  allerdings  oft  zweifel- 
haften  Namen  Langholt,  daher  nehme  ich  an,  dass  die  Osnabrilcker 
Sprengelgrenze  von  Steenfelde  ab  fiber  Bullerbarg  gradlinig  bis 
nach  Saterland  gelaufen  ist.  Praktisch  hat  die  Grenze  hier 
wenig  zu  bedeuten,  da  zur  Zeit  der  Griindung  des  Klosters 
Langholt  diese  Gegend  schon  zu  Friesland  gerechnet  und  daher 


weiter  als  Vdllen  nach  S&den  vorgerilckt  ist.  Das  ganze  von  diesem 
Archidiakonat  umfasste  Gebiet  bis  siidlich  von  Meppen  d&rfen  wir  aber 
kaum  als  friesisch  in  Anspruch  nehmen.  Der  Name  Archidiaconatus  Frysie 
kann  dem  Bezirk  gegeben  sein,  weil  ein  Teil  davon  zu  Friesland  gehorte- 


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Langholt  als  ein  Kloster  in  Friesland  bezeichnet  wird  (Ostfr. 
U.-B.  I  No.  48),  und  da  kirchlich  diese  einzige  Ansiedlung  in 
dieser  Gegend  als  Kloster  der  Jurisdiktion  des  Bischofs  von 
Osnabriick  nicht  unterworfen  war. 

Schliesslich  sei  noch  bemerkt,  dass  Ledebur  (Die  funf 
miinsterschen  Gaue  S.  75,  Note  161)  eine  Urkunde  anzieht,  wo- 
nach  Fallun  und  Uualde  zu  Osnabriick  gehorten.  Diese  beiden 
Namen  deutet  er  auf  Vollen  und  Grosswolde.  Es  konnen  aber 
ebensogut  Fullen  westl.  von  Meppen  (Werdener  Register:  Vollun 
und  Follun.  Osn.  U.-B.  I  S.  95,  96)  und  Osterwald  in  Humm- 
ling  (Werdener  Register  Waldi,  Wolde,  Osn.  U.-B.  I  S.  96,  104) 
mit  Fallun  und  Uualde  geraeint  sein,  und  es  liegt  somit  kein 
Grund  in  dieser  Urkunde  vor,  Grosswolde  dem  Bezirk  des  Bis- 
tums  Osnabriick  zuzuschreiben. 

Nortrooor.  Frerichs. 


XII. 
Boekzetel  und  Broekzetel. 

Die  beiden  Orte  Boekzetel  und  Broekzetel  werden  in  der 
Literatur  fiber  ostfriesische  Geschichte  und  Geographie  be- 
standig  verwechselt.  Boekzetel,  friiher  der  Sage  nach  ein 
Kloster,  zur  Zeit  der  Reformation  ein  Johanniter-Vorwerk, 
liegt  siidlich  von  Aurich,  Sstlich  von  Oldersum,  nebst  Stiekel- 
kamp,  Hatshausen  und  Ayenwolde  am  Siidrand  der  Niederung, 
die  sich  bis  nach  Bagband  hinzieht.  Broekzetel,  ebenfalls 
friiher  angeblich  ein  Kloster,  liegt  Sstlich  von  Aurich  im  Moor. 

Suur  setzt  in  seiner  Geschichte  der  Kloster  anstatt  Boek- 
zetel immer  Broekzetel  (S.  25,  121,  124)  und  ist  dadurch  der 
Vater  der  Verwirrung  geworden,  obwohl  auch  schon  vor  ihm 
Funck   und    sogar    Beninga1)    wahrscheinlich   durch    Schreib- 


*)  Wenigstens  in  der  Harkenrohtschen  Ausgabe. 


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—    465    — 

fehler  die  beiden  Namen  verwechselt  haben.  Diese  Verwirrung 
setzt  sich  in  den  einschl&gigen  Werken  von  Friedlaender, 
Houtrouw  und  Ftirbringer  fort. 

Als  Klosterwerk  kommt  nur  Boekzetel  urkundlich  vor  unter 
den  Namen  Bowkesete  (U.  48),  Bockesaete  und  Boickzete  (U.  1646 
und  1647).  Friedlaender  erklart  in  der  Anmerkung:  „Brock- 
zetel  Oder  Bokzetel  ostlich  von  Oldersum",  im  Register  aber: 
„Brokzetel,  Boickzte,  Bockesate  ostlich  von  Aurich  im  Moor". 
Nach  der  Schreibweise  der  Urkunden  liegt  gar  keine  Berech- 
tigung  vor,  hier  Broekzetel  einzusetzen.  Broekzetel  kommt  ur- 
kundlich nur  bei  der  Erwahnung  des  Blockhauses  „upp  deme 
Broikzetell"  vor  (U.  1541  und  1542). 

Danach  ist  zu  beanstanden  als  Schreibfehler  (Funck,  Chronik 
Buch  2  S.  49) :  „Die  Kommanderie-Guter  als  Broekzetel  und  Stickel- 
kamp  nahm  der  Graf  ebenfalls  zu  sicha ;  als  unbewiesene  Behaup- 
tung  (Houtrouw  S.  133):  ^Broekzetel  ein  Kloster  Johanniter- 
ordens";  als  Irrtum  (Houtrouw  S.  184):  „zu  Hasselt  gehOrten 
Stiekelkamp,  Heseler  Vorwerk,  Broekzetel";  es  muss  Boekzetel 
heissen.  Von  Broekzetel  wissen  wir  nichts,  nicht  einmal,  ob  es 
wirklich  ein  Kloster  oder  nur  ein  Vorwerk  geweaen  ist,  ge- 
schweige  denn,  zu  welchem  Orden  es  gehort  hat. 

Eine  fernere  Verwechselung  der  beiden  Namen  liegt  vor 
bei  der  Erwahnung  des  Abbruchs  der  Kirche  zu  Broekzetel 
(Beninga  S.  838)  oder  Boekzetel  (Emmius  S.  953)  im  Jahre  1556. 
Funck  (Buch  5  S.  30)  schreibt  nach  Emmius  Boekzetel  und  zitiert 
noch  Schotanus  p.  698.  Die  meisten  Schriftsteller,  Arends, 
Houtrouw  u.  a.  schreiben  nach  Beninga:  Broekzetel.  Es  dtirfte 
hier  ein  Schreib-  oder  Druckfehler  bei  Beninga  vorliegen,  doch 
ist  dies  nicht  sicher  zu  entscheiden. 

Das  einzige  Mai,  wo  ich  ausserdem  noch  in  alterer  Zeit 
Broekzetel  erwahnt  finde,  liegt  merkwurdigerweise  gleichfalls 
eine  Verwechselung  mit  Boekzetel  offenbar  vor.  Es  ist  in  der 
von  Houtrouw  I  108  und  II  142  angegebenen  Notiz,  wonach 
Ulrich  von  Dornum  den  Grafen  Enno  1530  bat,  ihm  gegen  seine 
Anspriiche  auf  Wittmund  die  Ortschaften  Broekzetel  (?),  Hats- 
hausen  und  Ayenwolde  zu  ttberlassen.  Die  Quelle  dieser  Notiz 
dtirfte  Arends  (Erdbeschr.  S.  289,  290)  sein.  Der  Zusammen- 
hang  mit  Hatshausen  und  Ayenwolde  fuhrt  aber  auf  Boekzetel. 
Broekzetel  lag  fur  Ulrich  von  Dornum  ganz  und  gar  ungelegen. 


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—    466    — 

Arends  hat  diese  Notiz  wahrscheinlich  aus  Brenneisen, 
Historie  und  Landesverfassung,  wo  torn.  I  lib.  V  S.  168  f.  der 
Originalbrief  Ulrichs  ins  Hochdeutsche  tibersetzt  steht.  Da 
steht  richtig  Boeckzetel. 

Uebrigens  beruft  sich  Arends  dabei  auf  Emmius  fiir  seine 
Angabe,  dass  Simonswolde  fiir  Ayenwolde  an  die  Herrlichkeit 
Oldersum  vertauscht  sei.  Es  scheint  da  ein  Missverstandnis 
der  Stelle  descr.  chor.  p.  42  unten  zu  Grunde  zu  liegen.  Hou- 
trouw  bat  wieder  Arends  missverstanden  und  Emmius  zum 
Gew&hrsmann  der  ganzen  Notiz  gemacht. 

Nortmoor.  Frerichs. 


XIIL 
Noch  einmal  die  Glooken  von  Nortmoor. 

Zu  der  Notiz  im  Jahrbuch  XIV  S.  332  u.  333  habe  ich 
yon  unserem  Mitgliede  Herrn  Meekhoflf  Doornbosch  Mitteilungen 
erbalten,  die  mich  veranlassen  zu  berichtigen,  dass  die  Deutung 
der  drei  Namen  .  iurian  .  adrian  .  bastiaen  .  als  Heiligennamen 
nicht  ausgeschlossen,  sondern  trotz  der  merkwtirdigen  Ueber- 
einstimmung  der  Namen  mit  denen  auf  dem  friiheren  Taufsteine 
von  Kanum  wahrscheinlich  ist.  Die  Heiligen  Georg,  Adrian 
und  Bastian  =  Sebastian  sind  recht  geeignete  Heilige  fiir  l&nd- 
liche  Verhaltnisse,  denn  sie  verschaffen  gutes  Wetter,  Glflck 
in  der  Viehzucht  und  Schutz  gegen  ansteckende  Krankheiten 
(Pest)  (nach  Otte,  Handbuch  I  573,  553,  596).  Nach  dem  Volks- 
glauben  des  Mittelalters  wurden  durch  das  Anschlagen  der 
Glocken  die  auf  ihnen  genannten  Heiligen  angerufen.  Noch 
heute  dient  die  Glocke  als  „Betglockea  und  wird  dreimal  am 
Tage,  morgens,  mittags  und  gegen  Abend  angeschlagen,  nach 
unseren  evangelischen  Kirchenordnungen  eine  Erinnerung  an 
das  Gebet  urn  den  allgemeinen  Landfrieden  (Da  pacem  domine 
in  diebus  nostris,  Gesang  519  im  Gesangbuch  der  hannoversch. 
Landeskirche).  Nach  der  Kirchenordnung  till  das  Harlinger- 
land  von  1574  sollte  das  Anschlagen  der  Betglocke  eine  Er- 
innerung sein,  um  „  wider  die  Tiirken  und  alle  Verfolger  des 


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—     467     — 

gottlichen  Wortes,  wie  auch  wider  einen  bosen  schnellen  Tod 
und  alle  Gef&hrlichkeit  an  Seel  und  Leib  zu  betena,  Funck, 
Chronik  3  S.  158,  vgl.  auch  die  ostfr.  Kirchenordnung  von  1631, 
2.  Aufl.,  1716,  S.  194.  In  diesen  Vorschriften  gehen  unsere 
Kirchenordnungen  auf  den  ursprunglichen  Gebrauch  zuriick. 
Schon  Papst  Urban  II  hatte  um  das  Jahr  1100  dies  Gelaute 
angeordnet.  Doch  wurde  bald  ein  Mariendienst  daraus  gemacht 
und  deswegen  das  pro  pace  Lauten  durch  reformatorische 
Kirchenordnungen  auch  ganz  verboten  (Herzog,  Real-Encykl. 
1.  Aufl.,  I.,  S.  21). 

In  Bezug  auf  das  auf  der  kleinen  Glocke  von  Nortmoor 
befindliche  Monogramm  teile  ich  aus  dem  Briefe  von  Herrn 
Meekhoff  Doornbosch  noch  mit,  dass  dieses  nicht  eine  Haus- 
marke,  sondern  das  Monogramm  der  Maria  darstellt.  Es  ist 
aus  den  Buchstaben  M  und  V  komponiert  und  bedeutet  Maria 
virgo.  Durch  den  aufgelegten  Querstrich  entsteht  dabei  die 
Form  des  gotischen  A,  wie  denn  dieser  Buchstabe  von  mir 
wie  von  Friedlaender  herausgelesen  ist.  Da  dieser  Buchstabe 
der  letzte  des  Namens  Maria  ist,  kann  die  Absicht  vorliegen, 
hierdurch  das  Monogramm  der  Maria  vollstandiger  zu  machen. 
In  der  Zeitschrift  De  vrije  Fries  XVI  deel  findet  sich  eine 
kleine  Abbildung  dieses  6fters  vorkommenden  Monogramms, 
die  aber  in  der  Formgebung  mit  dem  auf  der  Glocke  von  Nort- 
moor befindlichen  Monogramm  nicht  ubereinstimmt.  Ubrigens 
hat  unsere  Glocke  das  Monogramm  auf  der  Ruckseite  noch 
einmal,  und  zwar  in  einfachen,  nicht  in  Doppellinien,  wie  auf 
der  Vorderseite,  beide  Mai  ist  es  25  cm  hoch. 

Nortmoor.  Frerichs. 


XIV. 

Die  Emder  RQstkammer  im  18.  und  19.  Jahrhundert1) 

Vom  0berbiirgermei8ter  Ffirbringer,  Emden. 

Kiirzlich  ist  im  Selbstverlage  des  Magistrats  hiesiger  Stadt 
der  von  Dr.  Othmar  Baron  Potier  aus  Wien  im  Auftrage  der 
Stadt  verfasste  Fiihrer  durch  die  Emder  Rtistkammer  und  das 


l)  Aus  den  nachfolgenden  Mitteilungen  sind  einige  wenige  Einzel- 
beiten  in  dem  Aufsatze   .Die  Rtistkammer  der  Stadt  Emden0    von  Dr. 


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—    468    — 

von  diesem  Waffenhistoriker  im  Jahre  1901  neu  aufgenommene 
Inventar  in  einer  sehr  instruktiven  und  ttbersichtlichen  wissen- 
schaftlichen  Bearbeitung  erschienen.  Beiden  Veroffentlichungen 
ist  eine  kurzgefasste  Geschichte  der  Emder  Rdstkammer  voraus- 
geschickt,  welche  alle  fttr  den  Waffenhistoriker  wesentlichen 
Momente  in  fesselnder  Darstellung  enth&lt. 

Was  die  nachfolgenden  Blatter  bringen,  soil  eine  Nachlese 
dazu  sein  aus  den  Akten  der  Rathaus-Registratur  fur  die 
letzten  anderthalb  Jahrhunderte,  also  mehr  von  lokalem 
Interesse. 

Nach  Aufhebung  der  Verpflichtung  der  Biirger  zu  regel- 
massigen  Wachtdiensten  und  des  Amtes  der  SchdttenhOftlinge 
zur  Zeit  Friedrichs  des  Grossen  (1749)  war  die  Verwaltung  und 
Beaufsichtigung  der  Rtistkammer  unter  der  Direktipn  eines  der 
Ratsherrn  als  Kriegs-  und  Artilleriekommissar  teils  in  den  Handen 
von  invaliden  Unterbeamten  des  Exekutivdienstes  (Konstabler, 
Kanonier,  biirgerlicher  Wachtmeister),  teils  von  verschieden- 
artigen  Handwerkern  gewesen.  Sie  war  das  Arsenal  der  Stadt, 
aus  welchem  die  Biirger-Kompagnien,  wenn  die  Sicherheit  der 
Stadt  in  Gefahr  war,  auch  bei  grosseren  Branden  und  zu 
Zeiten,  wenn  die  Kompagnien  bei  bilrgerlichen  Unruhen  nicht 
zuverlassig  genug  schienen,  freiwillige  Kompagnien  der  Biirger 
bewaffnet  wurden.  W&hrend  des  7j&hrigen  Krieges  wurdc 
Emden  im  Jahre  1757  namens  der  Kaiserin  Maria  Theresia  von 
osterreichischen  und  franzosischen  Truppen  in  Besitz  ge- 
nommen  und  das  Arsenal  der  Stadt  mit  Beschlag  belegt.  Das 
Kurhann.-Kalkreuth'sche  Bataillon,  welches  die  Besatzung  der 
Stadt  bildete,  geriet  in  Kriegsgefangenschaft.  Die  Osterreicher 
hatten  ausser  dem  Arsenal  im  Rathause  auch  das  Kommerzien- 
Magazin  (Portofranko-Packhaus)  an  der  Westerbutvenne  als 
Arsenal  eingerichtet.  Als  die  Franzosen  und  Osterreicher  i.  J. 
1758,  bedroht  durch  den  Prinzen  Ferdinand  von  Preussen, 
plStzlich  den  Platz  raumen  mussten,  liessen  sie  grosse  Vor- 
rate  von  Munition  und  Waffen  zuriick,  unter  anderen  die  des 
kriegsgefangenen  Kalkreuth'schen  Bataillons :  694  Kurhannover- 
sche  Flinten,  ausserdem  304  Konigl.  Preussische  Flinten,  181 
Patrontaschen,  6  Espontons,   12  kurze  Gewehre,   220   franzS- 

Othmar  Baron  Potier  in  der  Zeitschrift  far  historische  Waffenkunde  in 
(Leipzig  1903)  S.  15—23  und  102—109  aufgenommen  worden.  (Anm.  der  Red.) 


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sische  und  3  osterreichische  Flinten.  In  Nebenr&umen  des  Rat- 
hauses  waren  ausserdem  vom  Kalkreuthschen  Bataillon  202 
Pallasche,  17  Klingen,  61  Sabel  ohne  Scheide,  210  Scheiden 
zu  Sabeln  und  Pallaschen,  1  Esponton,  2  kurze  Gewehre,  4 
holzeme  Trommelspiele,  1  von  gelbem  Kupfer  und  14  franzo- 
sische  Mantel  aufbewahrt  worden. 

Von  diesen  Best&nden  wurden  noch  i.  J.  1758  auf  Anweisung 
des  Konigs  die  694  hannoverschen  Gewehre  der  Koniglich 
Grossbritannischen  Kriegskanzlei  zu  Hannover  durch  den  Post- 
meister  Schweers  in  Leer  verabfolgt. 

Emden  erhielt  nach  dem  Wegzuge  der  Franzosen  englische 
Besatzung  unter  dem  Oberst  Brudenelle  als  Kommandant. 

Auf  Requisition  des  Herzogs  Georg  Ludwig  von  Holstein, 
Generals  der  Armee  des  Konigs  von  Preussen  in  Mtihlheim, 
wurden  in  demselben  Jahre  zur  vorlaufigen  Bewaffnung  des  in 
Minden  zu  bildenden  neuen  Regiments  (Bataillon  Volontaires  de 
Prusse)  auf  Anordnung  der  Koniglichen  Kriegs-  und  DomSnen- 
kammer  in  Aurich  durch  den  Hauptmann  von  Mosch  vom 
Trymbach'schen  Bataillon  zu  Fuss  220  franz.  Gewehre  samt 
Bajonetts  vom  vormaligen  Kalkreuth'schen  Bataillon,  180 
Patronentaschen  mit  Riemen,  15  dito  ohne  Riemen  und  1 
Sabel  mit  Gehenk,  verabfolgt  zu  einer  Taxe  von  3  Reichstaler 
fur  ein  Gewehr  mit  Bajonett;  ferner  im  Jahre  1760  an  den 
Obristwachtmeister  von  Treskow  10  Gewehre  und  Sabel  zum 
Transport  von  Rekruten  nach  Berlin,  1  messingene  Trommel, 
2  Patrontaschen  und  2  Tornister,  46  Patrontaschen  mit  Riemen, 
21  Tornister,  6  Trommelstocke,  1  Pfeife  mit  Futteral,  die  aber 
sp&ter  grosstenteils  zuriickgegeben  wurden;  sodann  1761  an 
den  Obristwachtmeister  de  Jenney  278  Flinten  mit  Bajonetten, 
deren  jede  auf  ll/2  Reichstaler  gewiirdigt  wurde,  sowie  16 
defekte  und  10  einzelne  Laufe,  258  Pallasche  und  Sabel,  wovon 
jeder  auf  10  Ggroschen.,  und  2  Trommelspiele,  welche  zusammen 
auf  5  Reichstaler  geschatzt  wurden,  und  21  Klingen  zu 
Pallaschen  abgeliefert,  wofiir  im  Ganzen  529  Reichstaler  12 
Ggroschen  zum  Depositum  des  Magistrats  eingezahlt  wurden, 
die  aber  auf  Anweisung  des  Konigs  in  demselben  Jahre  zurilck- 
gezahlt  wurden. 

Der  zuletzt  genannte  Offizier  verlangte  vom  Magistrat  zur 
Armierung  des  Bataillons  Volontaires  d'  Ostfrise  auch  noch  die 


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—     470     — 

Ausantwortung  einer  Anzahl  Gewehre,  Flinten  und  Karabiner, 
die  von  der  bengalischen  Compagnie  in  Emden  herrOhrten  nnd 
die  Inschrift  trugen:  „K5niglich  Preussische  Garde*. 

Damit  hatte  es  folgende  Bewandtnis:  Die  bengalische 
Compagnie  hatte  dieselben  s.  Zt.  in  Berlin  eingekauft  and  dem 
vormaligen  hiesigen  franzosischen  Konsul  Casteleyn  in  Ver- 
wahrung  gegeben.  Gedachter  Konsul  hatte  diese  Gewehre,  als 
1751  die  BOrgerschaft  von  den  franzdsischen  Truppen  ent- 
waffnet  wurde,  wobei  alle  im  Privatbesitz  befindlichen  Ge- 
wehre abgeliefert  werden  mussten,  bei  dem  franzdsischen 
Kommandanten  deponiert,  die  Osterreicher  hatten  sie  nachher 
in  dem  Kommerzien-Magazin,  welches  sie  als  Arsenal  em- 
gerichtet  hatten,  aufbewahrt  und  bei  ihrem  Abzug  zurflck 
gelassen.  Obristwachtmeister  de  Jenney  kaufte  davon  240  Stack 
zu  einem  Stftckpreise  von  ll/2  Reichsthaler  von  der  Stadt  und 
berichtete  an  den  KQnig,  dass  noch  1500  Stack  davon  vor- 
handen  seien,  die  brauchbaren  davon  mftsste  er  fQr  seine 
Chasseurs  haben.  Sie  miissten  allerdings  wohl  erst  repariert 
werden,  man  k5nnte  aber  gut  1200  Mann  damit  bewafihen, 
die  Kriegs-  und  Dom&nenkammer  in  Aurich  mache  aber  Schwierig- 
keiten,  die  Verabfolgung  zu  gestatten.  Diese  wollte  n&mlich, 
dass  der  Magistrat  sie  nur  gegen  Bezahlung  der  Taxe  verab- 
folgen  solle.  —  In  Anbetracht  der  zahlreichen  Defekte  und  der 
grossen  Reparaturbedttrftigkeit  wurde  das  Stttck  zu  2  Reichs- 
taler  fttr  jede  Kugelbttchse  und  Flinte  taxiert,  bis  Mai  1761 
wurden  aber  davon  nur  194  Stilck  nach  und  nach  abgenommen, 
deren  Taxe  von  388  Reichstaler  in  einem  versiegelten  Beutel 
zum  Depositum  des  Magistrats  gelangte. 

Ausser  diesen  Gewehren  waren  auch  sehr  grosse  Pulver- 
und  Kugelvorr&te  bei  der  eiligen  Retraite  der  Franzosen  in 
die  H&nde  der  Stadt  gefallen. 

Am  22.  September  1761  war  das  Corps  des  franzosischen 
Brigadiers  Conflans  von  Westfalen  aus  ganz  unvermutet  in 
Ostfriesland  eingefallen  und  hatte  in  wenigen  Tagen  unter 
Plilndern,  Brennen,  Rauben  und  Morden  das  Land  ausgesogen 
und  durch  Erpressung  von  Kriegskontributionen  nicht  bloss  das 
letzte  genommen,  was  die  unglticklichen  Bewohner  an  Geld, 
Schmuck-  und  Wertsachen  gehabt  hatten,  sondern  sich  auch 
von  den  Stadten  und  Aemtern  durch  Wechsel,  die  die  wohl- 


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—    471     — 

habendsten  Burger  hatten  ausstellen  miissen,  das,  was  nicht 
in  barem  Gelde  aufgebracht  werden  konnte,  sichern  lassen.  Die 
Wut  des  Landvolkes  fiber  diese  Blutsauger  batte  eine  Hohe 
erreicht,  dass  bei  vielen  der  Gedanke  entstanden  war,  ihnen 
bewaffneten  Widerstand  zu  leisten  und  ihnen  ihren  Raub 
wieder  abzujagen.  ttberall  flammte  der  Aufstand  empor.  Die 
Feinde  hatten  angesichts  dieser  Bewegung  unter  dem  Landvolke 
grosse  Eile,  ihren  Raub  in  Sicherheit  zu^bringen.  Als  sie  sich 
bereits  in  Leer  konzentriert  hatten,  um  iiber  die  Ems  zu  gehen, 
und  Ostfriesland  aufatmete,  diese  Plage  los  geworden  zu  sein, 
entstand  das  Gerticht,  dass  weitere  Franzosen  im  Anzuge  seien 
und  die  Conflanser  auch  zurtickkehren  wollten,  um  sich  fur 
die  Angriffe  der  Bauern  zu  r&chen.  Conflans  hatte  den  Be- 
such  der  Herzoge  von  Coigny,  von  Fronsac  und  anderer  franzo- 
sischer  Herren  erhalten,  die  Emden  sehen  wollten.  Er  fuhrte 
sie  unter  starker  Bedeckung  nach  Wolthusen  und  naherte  sich 
am  27.  September  der  Stadt  mit  70—80  Mann.  Dies  brachte 
die  Bauern  zur  Verzweiflung.  Sie  zogen  in  Haufen  in  die  Stadt, 
erbrachen  die  Tore  der  Rtistkammer  und  bewaffneten  sich 
mit  Flinten,  Pulver  und  Blei,  besetzten  die  Walle  und  gaben 
auf  die  Herannahenden  Feuer.  Ein  Bauer  ziindete  mit  seiner 
Pfeife  eine  aufgepflanzte  geladene  Kanone,  deren  Kugel  unter 
den  Conflans'schen  Husaren  einschlug  und  einen  Offizier  schwer 
verwundete.  Conflans  zog  sich  vorlaufig  mit  seinen  Begleitern 
nach  Leer  zurflck. 

Am  29.  September  verlangten  die  Bilrger  und  Bauern  aus 
den  Aemtern  Norden  und  Greetsiel  unter  Ankiindigung  ihres 
Anmarsches  vom  Magistrat  der  Stadt  Emden  Pulver  und  Blei, 
um  gegen  die  Conflanser  zu  Ziehen.  Magistrat  entgegnete,  dass 
das  st&dtische  Zeughaus  am  Tage  vorher  bereits  geleert  sei. 

Als  der  Haufen  am  30.  September  in  Emden  einrttckte, 
bem&chtigte  er  sich  dreier  Kanonen  und  zog  nach  Oldersum. 
Unterdessen  hatte  jedoch  das  Eintreffen  einer  franzOsischen 
reguiaren  Verst&rkung  von  2—3000  Mann  unter  dem  Befehl 
des  General  Wurmser,  eines  Deutschen  aus  dem  Elsass,  den 
Widerstand  unmoglich  gemacht.  Dem  Burgermeister  Deteleff, 
der  beauftragt  war,  als  Vertreter  der  Stadt  bei  dem  franzo- 
sischen  General  den  Friedensbruch  der  Bauern  vom  29.  Sep- 
tember zu   entschuldigen,   gelang   es,   bei  Wurmser    eine  all- 


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—    472     — 

gemeine  Amnestie  fiir  alle,  die  die  Waffen  ergriffen  hatten,  aus- 
zuwirken,  und  dem  Pr&sidenten  von  Derschau  in  Aurich,  eine 
Ermassigung  der  noch  nicks  tandigen  B  rands  chat  zungssum  me 
und  nach  Befriedigung  der  Franzosen  den  Abzug  derselben 
am  7.  Oktober  1761  herbeizufiihren. 

Am  6.  Oktober  berichteten  Biirgermeister  und  Rat  der 
Koniglichen  Kriegs-  und  Domainenkammer  Aurich  iiber  die 
Pliinderung  der  Rtistkammer  durch  die  Landeseingesessenen 
aus  den  verschiedenen  Aemtern  Ostfrieslands  (besonders  aus 
Aurich,  Berum,  Norden,  Greetsiel  und  Emden),  die  namentlich 
viele  von  den  der  Bengalischen  Compagnie  gehorenden  Gewehren 
annektiert,  aber  auch  das  Gewehr  der  Burger,  sodass  die  Stadt 
merklich  ihrer  Waffenvorrate  entblosst  worden  sei,  welche 
sie  doch  nOtig  h&tte,  um  damit  im  Falle  der  Not  den  inner- 
lichen  Ruhestand  zu  konservieren.  Sie  baten  Seine  Majestat, 
allergnadigste  Verftlgung  zu  erlassen,  damit  die  Landeseinge- 
sessenen nachdriicklichst  angehalten  wiirden,  die  der  Stadt 
Embden  und  der  Bengalischen  Compagnie  zugeh6rigen  Gewehre 
zu  restituieren.  Es  erging  denn  auch  ein  offenes  Kameral- 
rescript  vom  26.  October  1766,  welches  als  Patent  in  alien 
Aemtern  angeschlagen  wurde,  worin  die  Zuriickgabe  der  Ge- 
wehre angeordnet  wurde  bei  20  Reichstaler  Strafe,  und  wurde 
ausserdem  demjenigen,  der  denunzieren  konne,  dass  dergleichen 
fremdes  Gewehr  sich  bei  Jemandem  finde,  10  Reichstaler  als 
Douceur  ausgelobt. 

Freiwillig  eingeliefert  wurde  gar  keins.  Jn  einem  einzigen 
Falle  in  Loquard,  wo  der  Besitzer  bekannt  wurde,  gelang  es, 
durch  Haussuchung  und  Beschlagnahme  ein  solcfces  wieder 
herbeizuschaffen. 

Die  noch  vorhandenen  Gewehre  aus  der  Kriegsbeute  ver- 
blieben  der  Stadt,  ebenso  die  grossen  Pulver-  und  Bleivorrate, 
Patronen,  Lunten  u.  s.  w.  Das  Depositum  aus  den  dem  Obrist- 
wachtmeister  de  Jenney  gegen  Taxe  tiberlassenen  Gewehren 
wurde  nicht  zuriickverlangt.  Die  400  Fass  Pulver  wurden  der 
Stadt  1767  grosstenteils  von  der  Preussischen  Garnison  unter 
Oberstleutnant  de  Courbi&re  allmahlich  abgekauft  fiir  24  Reichs- 
taler pro  Zentner  von  110  Pfund  und  alles  zur  Tilgung  der 
Stadtschulden  verwandt,  namlich  der  Kammerei-Konkurs-Kasse 
iiberwiesen. 


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Am  15.  Oktober  1772  wurde  ein  Inventarium  von  den 
Stadtischen  Arsenal-,  Artillerie-  und  Ammunitionstiicken  vom 
Btirgermeister  Deteleff  als  Kriegs-  und  Artillerie-Kommissar  auf- 
genommen. 

Erste  Abteilung:  Im  Rathause  auf  der  Zeugkammer. 
Darin  wurde  unterschieden  zwischen  brauchbaren  und  alt- 
modischen  unbrauchbaren  Stiicken. 

Unter  letzteren  befanden  sich  verzeichnet :  kostbare  alte  mit  Elfen- 
bein  eingelegte  Musquetons  mit  deutschen  SchlSssern  146,  eiserne  Musque- 
toDs  mit  Silber  eingelegt  2,  uberaus  lange  Musquetten  mit  deutschen  Schlos- 
sern  11,  Musquetten  mit  LuntenschlSssern  349,  Musquetten  mit  deutschen 
Schlflssern  35,  Musquetten-Gabeln  469,  Bajonette  mit  hfllzernen  Heften  14, 
Pistolen  mit  deutschen  Schldssern  88,  alte  Sabel  und  Degen  74,  grosse 
Schlachtschwerter  36,  Partisans,  Spontons  17,  Hellebarden  81,  ganzePieken 
2,  halbe  Pieken  32,  doppelte  Kurassen  114,  Sturmhauben  154,  Ringkragen 
20,  vollige  Harnische  mit  Hauben  6,  dito  ohne  Hauben  49,  Schilde  10, 
Sturm-Kranzen  7,  Sturm-Flegel  13,  Gieser  (Gussformen  fur  Kugeln)  18, 
Menschenfasser  1,  eine  Partie  Bandeliere  mit  Pulverbiichsen. 

Als  brauchbare  Stucke  wurden  angefuhrt:  Flinten  mit  Messing- 
beschlagen  und  dazu  gehdrige  Bajonette  144,  dito  ohne  Bajonette  17, 
dito  mit  Eisenbeschlag  158,  einzelne  Bajonette  48,  metallene  Musquetons 
10,  grosse  Patrontaschen  mit  Riemen  15,  dito  ohne  Riemen  20,  Dreh- 
Bassen  10,  Pauken  2,  Trommeln  11,  Kanonen  5,  kleine  Handlaternen  8, 
Trage-Laterne  1,  runde  Stocklaternen  4,  Enter-Beile  14,  Kay-Beile  1, 
messingene  Blashdrner  7,  Rufhdrner  2,  Morgen-Sterne  7,  Standarten  2, 
Fahnen  7,  grosse  eiserne  Kornmuhlen  2,  dito  Handmiihle  1,  Pulverprobe  1, 
Lotterie-Kasten  2,  eine  grosse  Partie  Lunten,  eine  Kiste  mit  bleiernen 
und  kleinen  eisernen  Kugeln,  Kochorns  (?) l)  eiserne  Mortirer  2,  grosser 
eiserner  Topf  1,  eiserne  Balance  1,  messingne  Schalen  2,  messingne 
DOssel  2. 

Darauf  folgten:  II.  Artillerie-Stticke, 

III.  Im  Magazin  bey  der  Schreyers  Hoek, 

IV.  Ammunnition  im  Thurm  beim  Norderthor. 

Bei  den  Akten  befinden  sich  noch  verschiedene  Belage 
iiber  vermisste  Waffen  und  Abgabe  von  Waffen  zu  besonderen 
Zwecken,  unter  anderem 

1778.    22.  Juni  in  dem  Inventar  fiir  3  Schnaphans,  weg- 
gekommen  beim  Abliefern  an  die  Compagnie. 
1778.    door  het  optrekken  van  de  borgere  4  Geweren  vermisst. 
1787.    door  het  optrekken  van  de  borgere  3  Geweren  vermisst. 

*)  Sollte  der  Name  mit  dem  ber&hmten  niederlandischen  Festungs- 
Ingenieur  und  Erfinder  von  Kriegsmaschinen,  Menno  van  Coehoorn,  im 
Zusammenhange  stehen?  (Anm.  der  Red.) 


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-    474    — 

1788.    auf  Ordre  des  Prasidenten  2  Gewehre  an  die  Minister 
zu  einem  Prasent  abgegeben, 

desgl.  noch  ein  Gewehr  an  den  General  zu  einem  Pr&sent. 

Die  letzteren  Stiicke  waren  offenbar  kostbare  Luxuswaffen. 

Am  22.  Juli  1802  wurde  von  dem  Kriegs-Artillerie-Kom- 
missar  Adami  unter  Zuziehung  des  Konstablers  David  Dirks 
und  des  Kanzlisten  Harbers  auf  der  Zeug-  oder  sogen.  Rftst- 
kammer  wieder  ein  Verzeichnis  der  der  Stadt  Emden  gehorigen 
und  jetzt  noch  vorhandenen  Arsenal-  und  Artillerie-Stilcken, 
sodann  Ammunition  aufgenommen.  Darin  wird  nicht  mehr 
zwischen  brauchbaren  und  altmodischen  Waffen  unterschieden. 
Anscheinend  hat  dabei  auch  das  Inventar  von  1772  nicht  zur 
Vergleichung  vorgelegen. 

Es  haben  sich,  wenn  man  beide  Verzeichnisse  vergleicht, 
die  altmodischen  Luxuswaffen  vermindert  um  26,  es  erscheinen 
ferner  nicht  wieder  2  mit  Silber  eingelegte  Musquetons l)  (wahr- 
scheinlich  Geschenke  an  die  Minister).  Vermindert  haben  sich 
die  Drehbassen  von  10  auf  2,  alte  S&bel  und  Degen  von  74 
auf  68,  doppelte  Kilrasse  von  114  auf  112,  eiserne  Schilde  von 
10  auf  9,  grosse  Patrontaschen  mit  Riemen  von  15  auf  11. 
Vermehrt  haben  sich  die  Sturmhaken  von  154  auf  157,  Flinten 
mit  Messingbeschlag  und  Bajonetten  von  144  auf  161,  die  mit 
Eisenbeschlag  haben  sich  dagegen  vermindert  von  158  auf  18, 
die  ohne  Bajonette  vermehrt  von  17  auf  206.  Im  Ganzen  durch- 
einander  waren  1772  dagewesen  385,  1802:  319  Gewehre  und 
9  metallene  Musquetons. 

Einzelne  Bajonette  waren  1772  vorhanden  gewesen  48, 
1802:  13.  Gross  waren  diese  Ver&nderungen  nicht  und  wohl 
meist  durch  Veranderung  in  der  Aufstellung  und  der  Aptierung, 
Abnutzung  und  Verluste  bei  der  Riicklieferung,  sowie  durch 
einzelne  Geschenke  zu  erkl&ren.  Das  Fehlen  von  8  Drehbassen 
lasst  auf  Verwendung  derselben  auf  Kaperschiffen  oder  auf 
Convoy -Schiff en  schliessen,  die  die  Stadt  Qfters  zum  Schutze 
ihrer  Handelsschiffe  auf  der  Ems  halten  musste.  MSglicher- 
weise  sind  Musquetons  identisch  mit  Drehbassen  und  nur  eine 
andere  Beziehung  fur  die  doppelten  Haken  (Wallbiichsen). 


l)  Damit  werden  doch  die  beiden,  noch  vorhandenen,  tQrkischen 
schweren  Biichsen  gemeint  sein.    (Dr.  Potier). 


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—    475    — 

Ein  drittes  Inventarium  samtlicher  auf  der  Stadt  Emden- 
schen  Zeug-  oder  Rtistkammer  befindlichen  Arsenal-  und  Ar- 
tillerie-Sttlcke,  sodann  Ammunition  und  sonstiger  Sachen  vom 
10.  April  1807,  also  im  Anfange  der  hollandischen  Okkupation 
und  Fremdherrschaft,  welche  im  Oktober  1806  begonnen  hatte, 
beglaubigt  von  dem  Kanonier  Hirsch  und  dem  Rats-Kanzlist 
Harberts  ist  eine  Abschrift  des  Inventariums  von  1802  mit 
Bemerkungen  tiber  den  derzeitigen  Zustand,  als  z.  B.  „zum  Ge- 
brauche  untauglich,  alle  alt  und  defekt,  zum  Gebrauche  zu 
schwer,  miissen  reparirt  werden  etc."  Oflfenbar  war  dies  fur 
die  hollandische  Regierung  bestimmt,  um  diese  tiber  die  Un- 
gef&hrlichkeit  dieses  Arsenals  zu  beruhigen.  Wie  vorauszusehen 
gewesen  war,  erging  von  dem  hollandischen  Kriegsministerium 
unterm  14.  September  1809  an  die  Landdrostei  des  Departements 
Ostfriesland  eine  Missive,  worin  der  Wille  des  Konigs  an- 
gektindigt  wurde,  in  keinem  Platz,  in  keiner  Stadt  des  Reiches 
stadtische  Arsenale  oder  Waffenkammern  zu  dulden,  mit  Aus- 
nahme  ftir  die  zum  Gebrauche  der  Schtitterey  einer  Gemeinde 
auszugebenden  Gewehre.  Der  Landdrost  des  Departements  Ost- 
friesland forderte  unterm  28.  September  Bericht,  der  ihm  prompt 
unterm  30.  September  1809  erstattet  wurde  und  dessen  Haupt- 
inhalt  nachstehend  wiedergegeben  wird,  weil  er  den  damaligen 
Charakter  der  Rtistkammer  und  die  Fortdauer  der  Kriegsver- 
fassung  der  Stadt  offiziell  bekundet  (von  der  Hand  des  Btirger- 
meisters  Rosingh): 

„Zur  geh.  Beantwortung  des  sehr  geehrten  Schreibens  vom  28.  des 
Herbstmonates,  das  hiesige  Stadt-Arsenal  betreffend,  erwidern  wir  hiermit : 
1.,  dass  die  auf  dem   oben   auf  dem  Rathhause  befindliche  Rtist- 
kammer ein  privates  Eigentum   der  Stadt  ist  und   unter  un- 
mittelbarer  Aufsicht  und  Direktion  des  Magistrats  steht, 
2.,  dass  aber  diese   Sammlung  Waffen  -  Stuck e   grosstenteils    aus 
durchaus  unbrauchbaren  Antiquitaten  bestehet,  welche  man  den 
Fremden  als  Reste  voriger  Kriegs-Apparate  und  Instrumenten 
zu  zeigen  pfleget, 
3.,  unter   diesem  Vorrath  befinden  sich  384  Feuergewehre,  woyon 
aber  nur  100  Stuck  zum  Gebrauche  im  Stande  sich   befinden, 
die  ubrigen  aber  alt,  sehr  schwer,  ungereinigt  und  defekt  sind, 
welche  von  der  Burger-Compagnie  zur  Zeit,  wenn  sie  Wacht- 
oder  sonsten  in  vorfallenden  unruhigen  Auftritten  Dienste  thun 
mtissen,  gebrauchet  werden.    Da  nun 
4.,  die  Burgerschaft  der  Stadt  Emden  in  4  Regimentern,  diese  in  23 
Compagnien,  jede  mit  Capitan,  Leutnant  und  Fahnrich  versehen, 

Jahrbuch  dor  Qesellsch.  f.  b.  E.  u.  viterl.  Altertiimer  zn  Emden,  Bd.  XV.  31 


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—     476    — 

eingetheilt  ist,  welche  nach  einer  bestehenden  gedruckten  Wacht- 
ordnung  in  Eid  und  Pflicht  ihren  4  Colonels  untergeordnet  zu 
Wacht-  und  Hulfsdiensten  bei  Tag  und  Nacht  verbunden  sind, 
welche  Einrichtung  die  jetzige  Regierung  bestatigt  hat  und 
welche  auch  wohl  nicht  ohne  Besorgniss  fur  Unruhen,  da  man 
alsdann  Niemanden  in  vorkommenden  unruhigen  Auftritten  und 
Feuers-  oder  anderer  Gefahr  zur  pers5nlichen  Assistenz  wurde 
zwingen  und  obligat  machen  kdnnen,  zu  trennen  sein  wird,  und 
dass  ferner  bei  solchen  Gelegenheiten  eine  Parthie  Waffen  un- 
entbehrlich  sind,  die  Ruhe  zu  erhalten,  die  Burgerschaft  aber 
solche  Waffenstiicke  in  ihren  Wohnungen  nicht  selbst  besitzet, 
wenn  man  ausserst  wenige  Beguterte  etwa  ausnimmt,  und  es 
auch  sehr  gut  ist,  dass  der  gemeine  Mann  nicht,  wenn  er  will, 
zu  den  Waffen  greifen  kann,  so  werden  die  Anzahl  brauchbarer 
Gewehre  alsdann  ausgegeben  und  nach  gehabtem  Gebrauche 
wieder  eingeliefert,  und  ist  aus  der  Anzahl  brauchbarer  Flinten, 
die  wir,  wie  gesagt,  hSchstens  zu  100  Stuck  angegeben  haben, 
ebenfalls  zu  ersehen,  dass  wir  selbst  im  Nothfall  nur  2  Burger - 
Compagnien,  im  Durchschnitt  zu  50  Mann  gerechnet,  wehrbar 
bewaffnen  konnten,  welches  unseres  Bedenkens  so  gut  als  nichts 
ist,  wenn  es  zu  ernsthaften  Vorfallen  kommen  sollte,  wie  Gott 
verhiiten  wolle.  Ausser  diesen  Rtistzeugen  besitzen  wir  4  demo- 
lirte  Kanonen,  die  auf  dem  Bauhofe  liegen.  ....  Aus  diesem 
Berichte  werden  Euer  Wohlgeboren  ^enugsam  den  wehrlosen 
Zustand  des  Stadt-Arsenals  ersehen  und  hoffen  wir  hierdurch 
dem  geehrten  Schreiben  hiermit  Genuge  geleistet  zu  haben,  die 

wir  mit ') 

Aus  einer  anderen  Akte  der  mittleren  Registrator  No.  896, 
die  Stadts-Wachtmeisters  und  Canonier-Bedienungen  betrefifend 
(1766—1808),  ist  zu  ersehen,  dass  die  Stellung  des  Canoniers 
und  Aufsehers  der  Rtistkammer,  auch  Constabel  genannt,  mit 
einer  Besoldung  von  j&hrlich  55  Reichstaler  30  Stuber  im 
Etat  der  Stadt  enthalten  war,  und  dass  der  oben  erwahnte 
Constabel  David  Dirks,  der  bei  Aufstellung  des  Inventars  im 
Jahre  1802  mitgewirkt  hatte,  so  alt  und  schwach  geworden 
war,  dass  mit  ihm  am  5.  Juni  1805  eine  Vereinbarung  folgenden 
Inhalts  getroffen  wurde:  dass  die  2  Rateler-Corporale  Reiche 
und  Hirsch  die  Stelle  desselben  ad  dies  vitae  verwahren,  so- 
dann  einer  von  ihnen,  der  die  Wache  hat,  stets  im  Rathause 
sein,   die  Rustkammer   besehen  zu  lassen,    dagegen  auch   die 


')  Acta  No.  259:  Die  von  den  Franzosen  hierselbst  zuruckgelassene 
Kriegsmunition  item  das  Stadt- Arsenal  betr.,  sodann  die  Rustkammer  auf 
dem  Rathhause  (1760—1809). 


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—    477     — 

Emolumente  davon  Ziehen,  so  auch  alles  Putzen  der  Rflstungen 
und  des  ganzen  Arsenals,  auch  den  Dienst  bei  den  Kanonen 
versehen,  dafiir  dann  aber  das  Gehalt  ziehen  und  davon  jahr- 
lich  25  Reichstaler  abgeben  sollte,  ohne  Anspruch  auf  den 
Dienst  selbst  zu  erlangen.  Als  der  invalide  Constabler  David 
Dirks  am  10.  September  1807  verstorben  war,  ist  von  den 
beiden  Rateler-Corporalen  der  Dienst  wie  bisher  noch  ein  halbes 
Jahr  bis  zum  24.  Marz  1808  fortgesetzt  und  ihnen  die  Besoldung 
mit  27  Reichstaler  42  Stiiber  fdr  diese  Zeit  angewiesen  worden. 
In  derselben  Akte  befindet  sich  auch  die  rev.  Instruktion 
und  Bestallung  fiir  den  Stadt-Canonier,  die  von  dem  Burger- 
meister  Roesingh  unter  dem  Datum  des  28.  Oktober  1807  ent- 
worfen  war,  woraus  folgende  Bestimmungen,  die  sich  auf  die 
Riistkammer  beziehen,  von  Interesse  sind: 

§2. 
Insonderheit  stehet  derselbe  unter  den  Befehlen  des  vom  Magistrat 
verordneten  Artillerie-  und  Kriegs-Commissars,  dessen  Befehlen  er  gehor- 
8am  sein  und  sich  zur  Einholung  derselben  so  oft  in  dessen   Behausung 
einfinden  muss,  als  dieser  es  verlangen  muss. 

§3. 
Seiner  unmittelbaren  Aufsicht  sind  alle  Stadts-Ammunitions-Stucke, 
als  Canon  mit  ZubehSr,  alles  Gewehr-  und  Waffen-Gerathe,  wo  es  sich 
auch  befinden  m8ge,  und  Pulver-Vorrath  anvertrauet,  daher  derselbe  denn 
Afters  alles  besehen  und  untersuchen  muss  und  sodann  den  Bestand  dem 
ad  §  2  benannten  Commissarius  anzeigen  muss,  damit  die  nothigen 
Herstellungen  zeitig  angeordnet  werden  und  alles  im  brauchbarlichen 
Zustande  sich  befinde. 

§4. 
Insbesondere  erstrecket  sich  diese  seine  Aufsicht  auf  das  auf  dem 
Rathhause  befindliche  Arsenal  oder  Rustkammer.  Zu  dem  Ende  sollen 
demselben  aUe  davon  vorfindlichen  und  noch  jetzt  vorhandenen  Waffen- 
stucke  mit  Zubehdr  aller  Art  gegen  ein  spezifiques  Inventarium  uber- 
liefert  werden. 

Diese  Waffen  soil  er  stets  nachsehen,  rein  verwahren  und  putzen 
helfen  und  in  guter  Ordnung  aufgestellet  und  aufgehangen  erhalten,  da- 
bei  ihm  aber  bei  der  jahrlichen  Reinigung,  welche  nie  zu  unterlassen, 
ein  Arbeiter  zu  Hulfe  gegeben  werden  soil.  Insonderheit  hat  er  die  Riist- 
kammer nach  Regenwetter  zu  besuchen,  damit  der  durch  Lecken  des 
Daches  entstandene  Schaden  sofort  hergestellt  und  alles  reinlich  ge- 
putzt  bleibe. 

§5. 
Obgleich  es  nach  wie  vor,  wenn  nicht  Burgermeister  und  Rath  es 
anders  gutfinden  mdchten,  erlaubt  bleibt,  unverdachtigen  Fremden  oder 

31* 


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—    478    — 

Einwohnern  auf  ihr  geziemendes  Begehren  gegen  ein  geringes  Trinkgeld 
die  Rustkammer  besehen  zu  lassen,  wobei  er  jedoch  stats  in  Person 
gegenw&rtig  sein  moss,  so  ist  ihm  dieses  doch  nicht  unbestimmt  erlaubt, 
sondern  falls  Fremde  oder  Einwohner,  die  den  Zeiten  oder  Umstanden 
nach  verdachtig  zu  achten,  die  Rustkammer  zu  sehen  verlangen  mochten, 
so  soil  er  sich  bei  dem  prasidierenden  Burgermeister  oder  dem  Raths- 
Artillerie-Kommi8sariu8  um  Erlaubnis  befragen.  Alles  Besuchen  der  Rust- 
kammer ohne  speziellen  Konsens  des  Magistrats  soil  verboten  bleiben, 
wenn  Schiesspulver  oder  scharfe  Ammunition  dorten  in  Verwahrung  ge- 
halten  wird. 

§6. 

Es  soil  auch  dem  Constabel  bei  eigener  pers5nlicher  Verantwortang 
und  schwerer  Ahndung  verboten  bleiben,  irgend  einige  Rustung  oder  Zu- 
beh6r,  Ammunition  oder  Material  dazu,  welches  unter  seinem  Verwahr- 
sam  sich  befindet  oder  seiner  Aufsicht  untergeben  worden,  ohne  Erlaub- 
niss  des  pr&sidirenden  Burgermeisters  oder  des  Artillerie-Kommissars  an 
irgend  Jemand,  wer  es  auch  sei,  herauszugeben,  zu  verleihen  oder  zur 
Besichtigung  ausreichen,  viel  weniger  verkaufen,  abhanden  bringen  oder 
verschenken  bei  schwerer  Strafe  und  dem  Befund  nach  der  Dienst- 
entlassung.  — 

Die  iibrigen  §§  (im  Ganzen  12)  beziehen  sich  auf  das 
Pulvermagazin,  die  Aufsicht  tiber  Privatpulverlager  der  Kauf- 
leute,  die  Begleitung  von  Pulvertransporten,  die  Bedienung  der 
Geschiitze,  die  Entlassung  bei  Alter  und  Schwachheit  und  den 
Gehalt  aus  der  K&mmerei. 

Der  letzte  nachweisbare  Gebrauch  der  Waflfen  der  Rtist- 
kammer  zu  kriegerischen  Zwecken  war  die  Ausriistung  des  preus- 
sischen  Landsturmes  im  Jahre  1814/15,  der  nach  der  Schlacht 
von  Leipzig  unter  Major  Friccius  auszog,  um  die  Franzosen  in 
der  holiandischen  Festung  Delfzyl  zu  belagern.  Die  Wieder- 
ablieferung  der  Waffen  nach  Beendigung  dieser  erfolglos  ver- 
laufenen  Unternehmung  mag  sehr  unvollstandig  und  werden 
dieselben  nicht  im  besten  Zustande  gewesen  sein. 

Damals  war  der  alte  Stockmeister  (Gef&ngnisw&rter) 
Sievers  zugleich  Riistmeister.  Derselbe  hatte  kein  einschlagiges 
Handwerk  gelernt.  Daher  war  die  Rilstkammer  unter  ihm 
schlecht  in  Ordnung,  sodass  ihm,  als  er  im  Jahre  1821  wegen 
hohen  Alters  aus  seinen  Aemtern  entlassen  wurde,  eine 
Nachzahlung  an  seinen  Nachfolger  de  Haas  fur  die  ordnungs- 
massige  Instandsetzung  auferlegt  wurde. 

Dieser  Johannes  de  Haas  war  seiner  Profession  nach  Gelb- 
giesser  und  Giirtlermeister.   Die  Grossbritannische  Hannoversche 


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—     479    — 

Regierung  dbertrug  ihm  bald  nach  seinera  Eintritt  zugleich  die 
Aufbewahrung  von  5000  Steinschlossgewehren,  die  von  England 
zu  Schiff  angekommen  waren,  gegen  eine  Remuneration  von 
j&hrlich  2  Louisd'or. 

Als  de  Haas  die  Riistkammer  tlbernahm,  war  sie  in  wenig 
geordnetem  Zustande.  Nach  der  Beschreibung  eines  Augen- 
zeugen,  des  nachmaligen  Riistmeisters  Georg  Janssen,  der 
1821—1828  bei  de  Haas  als  Lehrling  und  Geselle  gearbeitet 
hat,  war  sie  in  einem  chaotischen  Zustande.  An  der  fenster- 
losen  Wandfl£che  der  Westseite  lagerten  grosse  Vorr&te  von 
Lunten,  in  Knaueln  wohl  5  Fuss  iibereinander  gestapelt.  Als 
sie  nach  dem  stadtischen  Bauhofe  transportiert  wurden,  fiillten 
sie  mehr  als  2  Wagenladungen.  Ausserdem  lagen  maSsenhaft 
lose  Pulverbiichsen  umher,  die  verschimmelt  und  verfault  waren. 
Alte  Kisten,  in  denen  die  englisch-hannoverschen  Gewehre  ein- 
gepackt  gewesen  waren,  lagen  umher,  die  gewflhnlichen  Harnische 
und  Beinschienen1)  lagen  in  einer  Ecke  durcheinander,  die  besseren 
Riistungen  waren  vielfach  mit  Farbe  beschmiert.  Die  hanno- 
verschen  Gewehre  lagerten  an  der  Ostwand  auf  Stellagen  und 
Tragholzern  5  Bfiden  iibereinander. 

Diese  wurden  von  hannoverschen  Soldaten,  welche  da- 
selbst  ein-  und  ausgingen,  zum  Reinmachen  geholt  und  wieder 
hingebracht.  Das  dauerte  bis  1830,  wo  sie  aus  Anlass  der 
revolution&ren  Bewegung  der  damaligen  Zeit  nach  Hannover 
transportiert  wurden. 

Es  war  damals  nach  diesem  Augenzeugen  viel  weniger 
Tageslicht  in  der  Riistkammer,  als  zu  seiner  Amtszeit.  Es  fiel 
durch  wenige  kleine  Fenster,  die  etwa  3  Fuss  hoch  und  2l/2 
Fuss  breit  waren.  Die  Gallerietiir  nach  dem  Balustraden-Um- 
gange  war  eine  kleine  massive  hftlzerne  Tiir,  wie  diejenige, 
-welche  jetzt  noch  von  der  Treppe  aus  auf  der  Ostseite  nach 
der  Gallerie  fiihrt,  mit  4  kleinen  Fensterscheiben. 

In  die  Zeit  dieses  Riistmeisters  fiel  die  neue  Inventari- 
sierung  und  Beschreibung  der  Waffen,  die  vom  Magistrat  dem 
Kandidaten  der  Advokatur  Albert  Dirks  Cramer  hier  aufgetragen 
wurde.  Derselbe  lieferte  sein  Werk  am  1.  September  1839  in 
einefn  schon  geschriebenen  Bande  ab.    Seine  Arbeit  hat  spater 


l)  Panzerhosen,  Beinharnischen, 


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—     480    — 

der  KOniglich  Hannoversche  Amtsassessor  a.  D.  Alexander  Rolffs 
in  seinem  1861  bei  H.  Woortmann  in  Emden  gedruckten  nnd 
verlegten  Buche:  „Die  ant  ike  Rtistkammer  des  Emdener  Rath- 
hauses.  Ein  kulturhistorischer  Beitrag  zur  Waffen-  und  Sitten- 
kunde  des  Mittelalters",  zu  Grunde  gelegt. 

Nach  de  Haas  Tode  (25.  Aug.  1846)  fiihrte  zuerst  dessen 
unverheiratete  Tochter  Imkemina  die  Verwahrung  und  In- 
standhaltung  weiter,  bis  am  1.  Oktober  1847  der  stadtische 
Eichmeister,  Klempner  und  Schieferdeckermeister  Georg  Janssen 
(geb.  1804)  als  Rtistmeister  eingesetzt  wurde,  der  wie  oben  er- 
w&hnt  von  1821—1828  als  Lehrling  und  Geselle  bei  seinem 
Amtsvorg&nger  gearbeitet  batte.  Auch  er  bezog  Anfangs  noch 
eine  jahrliche  Besoldung  von  30  Reichstalern.  Als  aber  mit 
Vollendung  der  hannov.  Westbahn  i.  J.  1856  der  Fremdenbesuch 
erheblich  zunahm,  wurde  ihm  diese  Besoldung  entzogen  und 
ausserdem  von  ibm  noch  verlangt,  dass  er  von  seinen  Gebtihren- 
Einnahmen  100  Reichstaler  an  die  Kammereikasse  abfuhren 
sollte.  Da  er  sich  dessen  weigerte,  verglich  man  sich  mit  ihm 
dahin,  dass  er  die  von  der  ehemaligen  Btlrgerwehr  abgelieferten 
Gewehre  reparieren  und  in  guten  Stand  setzen  sollte,  ohne  dafur 
eine  Bezahlung  zu  erhalten.  Riistmeister  Janssen  hat,  obgleich 
er  in  Folge  eines  Unfalles  bei  Austibung  des  Schieferdecker- 
handwerks,  wobei  er  im  Innern  eines  6  Stockwerke  hohen  Pack- 
hauses  auf  einer  Leiter  stehend  mit  dieser  vom  obersten  Boden 
durch  die  Luken  aller  Zwischenb6den  bis  zum  Fussboden  des 
Parterre  hinabgesturzt  war,  sodass  er  Jahre  lang  an  den  Fussen 
gelahmt  war,  sein  Amt  mit  Hulfe  einer  unverheirateten  Schwester. 
Jakobina  (geb.  1813),  bis  zum  1.  Februar  1892,  seinem  88. 
Lebensjahre,  sehr  getreu  und  sachkundig  wahrgenommen,  ist 
sogar  im  Jahre  1878  als  Begleiter  und  Beaufsichtiger  des  Silber- 
schatzes  der  Stadt  Emden  und  einer  Auswahl  von  blanken 
Waffen,  Rustungen  und  wertvollen  Gewehren  der  Rtistkammer, 
welche  in  der  kunstgewerblichen  Abteilung  der  AUgemeinen 
Gewerbe-Ausstellung  der  Provinz  Hannover  ausgestellt  wurden, 
fiber  14  Tage  in  Hannover  gewesen,  obgleich  er  damals  noch 
auf  Kriicken  gehen  musste. 

Als  er  im  Januar  1892  wegen  Alters  und  Gebrechlichkeit 
pensioniert  wurde,  aber  schon  am  25.  Februar  1892  verstarb, 
hat   seine  genannte  Schwester  noch  einige  Zeit  die  Fuhrung 


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der  Fremden  und  sein  friiherer  Gehiilfe,  Klempner  R.  Groenhagen, 
die  technischen  Arbeiten  tibemommen.  Ohne  als  Gemeinde- 
beamter  angestellt  zu  sein,  hat  Letzterer  alsdann  im  Privat- 
vertragsverh&ltnis  die  technischen  Arbeiten  und  die  Beaufsich- 
tigung  des  Fremdenbesuchs  bis  zur  Beendigung  der  Neuauf- 
stellung  durch  Baron  Dr.  Potier  aus  Wien  im  Jahre  1902  weiter 
besorgt.  Seitdem  wird  der  Rustmeister-Posten  mit  einem  als 
Biichsenmacher  vorgebildeten  Militaranwarter  besetzt,  und  die 
Riistkammer  als  wirkliches  Waffenmuseum  gehalten,  wahrend 
die  sonstigen  Sehenswiirdigkeiten  in  einem  kleinen  dazu  gelegten 
Raume  getrennt  untergebracht  sind  als  Anfang  eines  Museums 
fur  die  Stadtgeschichte. 

XV. 
Zu  den  Handsohriften  des  alten  Ostfriesisohen  Landrechts. 

(Reisebericht.) 

Herr  Privatdocent  Dr.  phil.  C.  Borchling  zu  Gottingen  hat 
unter  dem  14.  Oktober  1904  dem  Ostfriesisohen  Landschafts- 
Collegium  zu  Aurich  folgenden  (hier  nur  am  Anfange  veranderten 
und  erweiterten)  Bericht  iiber  eine  Bibliotheks-  und  Archivreise, 
die  er  im  Laufe  der  Monate  September  und  Oktober  1904  zur 
Katalogisierung  der  Handschriften  des  alten  Ostfriesisohen 
Landrechts  unternommen  hat,  eingereicht: 

Meine  durch  die  geneigte  Untersttitzung  des  Ostfriesisohen 
Landschafts-Collegiums  ermSglichte  Studienreise  durch  die 
Archive  und  Bibliotheken  Nordwestdeutschlands  sollte  mir 
Gelegenheit  geben,  xiberall  dort,  wo  sich  grossere  Bestande  an 
Landrechtshandschriften  vermuten  liessen,  an  Ort  und  Stelle 
ein  kurzes  Verzeichnis  der  Handschriften  aufzunehmen;  aus- 
fuhrliche  Beschreibungen  aber  wollte  ich  nur  dort  gleich  aus- 
arbeiten,  wo  entweder  eine  spatere  Versendung  der  Handschriften 
nicht  m5glich  war,  oder  wo  es  sich  um  nicht  so  wichtige, 
schneller  zu  erledigende  Stiicke  handelte.  Es  ist  mir  gelungen, 
auf  diese  Weise  in  der  verh&ltnismassig  kurzen  Frist  eines 
Monats  eine  tlberraschend  grosse  Ausbeute  einzuheimsen.  Nicht 
zum  geringsten  Teile  danke  ich  das  der  wohlwollenden  Unter- 
sttitzung der  Vorst&nde  der  besuchten  Archive  und  Bibliotheken, 
denen  ich  dafilr  auch  an  dieser  Stelle  meinen  ergebensten  Dank 
aussprechen  mochte. 


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—     482     — 

Ich  begann  meine  Arbeiten  auf  der  KSniglichen  und 
Provinzial-Bibliothek  zu  Hannover.  Hier  sind  aus  den 
Sammlungen  Matthias  v.  Wichts,  Tilemann  Dothias  Wiardas 
und  schliesslich  noch  MShlmanns  eine  Reihe  der  wichtigsten 
Handschriften  alter  ostfriesischer  Rechtsquellen  in  nieder- 
deutscher  Sprache  zusammengekommen.  Die  Sammlung  steht 
nicht  an  Zahl,  wohl  aber  an  innerem  Werte  den  Schatzen  der 
Groninger  und  GSttinger  Universitatsbibliotheken  gleich.  Die 
wertvollsten  ostfriesischen  Rechtshandschriften  in  Hannover 
gehoren  allerdings  der  Zeit  vor  1515  an,  bieten  also  vor- 
edzardisches  Recht,  aber  auch  vom  edzardischen  Landrecht 
finden  sich  gute  alte  Abschriften,  darunter  eine  (noch  nicht 
naher  untersuchte)  aus  der  allerersten  Zeit  dieses  Rechtes. 
Die  Bibliothek  des  Historischen  Vereins  far  Nieder. 
sachsen  enth&lt  keine  Landrechtshandschrift,  von  den  drei 
Nummern  des  Kgl.  Staatsarchivs  erwies  sich  die  eine 
als  ein  altes  Wurster  Landrecht,  das  dem  Abdrucke  bei 
Pufendorf,  Observationes  juris  universi,  Tomus  HI  (Hannover 
1756),  sehr  nahe  steht.  Eine  grosse  tfberraschung  erlebte  ich  in 
der  Bibliothek  des  Kgl.  Oberlandesgerichts  zu  Celle, 
wo  sich  die  Handschriften  des  berilhmten  hannoverschen 
Juristen  Grupen  befinden:  eine  Handschrift  des  Ostfriesischen 
Landrechts,  die  nach  der  Angabe  des  Katalogs  von  1704  sein 
sollte,  entpuppte  sich  bei  naherer  Untersuchung  als  eine 
Zwillingsschwester  der  Handschrift  des  Mentet  Haykens  von 
1528  in  der  Emder  „Kunsta.  Die  Celler  Handschrift  ist  von 
demselben  Schreiber  in  dem  gleichen  Monate  November  1528 
angefertigt  worden,  mithin  die  drittalteste  Handschrift  des 
Landrechts,  die  wir  iiberhaupt  kennen.  Drei  Handschriften 
von  mittlerem  Werte  steuerte  die  Herzogl.  Bibliothek  zu 
Wolfenbiittel  bei,  ebenso  viel,  darunter  ein  Jeversches  Landrecht, 
das  6ffentliche  Archiv  der  Familie  v.  Hedemann  auf 
Schloss  Deutsch-Nienhof  (Kr.  Rendsburg).  Des  angenehmen 
Arbeitstages  auf  diesem  gastlichen  holsteinischen  Edelsitze 
gedenke  ich  mit  besonderer  Freude;  die  reichen  Sch&tze  des 
Familienarchivs  entstammen  der  ehemaligen  v.  Breitenauschen 
Bibliothek  zu  Lubeck,  die  von  einem  in  oldenburgischen 
Diensten  stehenden  Juristen  gesammelt  wurde  und  deshalb 
manche    interessante    Stficke    zur    oldenburgischen    und    ost- 


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—    483     — 

friesischen  Geschichte  enth&lt.  Die  Stadtbibliothek  in 
Hamburg  ist  mit  2  Handschriften  vertreten,  das  Ham- 
burgische  Staatsarchiv  fallt  aus.  Ebenso  wenig  habe  ich 
in  Bremen  irgend  welche  Handschriften  des  Ostfriesischen 
Landrechts angetroffen.  0 1  d e n b ur g hat auf dem Grossherzogl. 
Haus-  und  Centralarchive  nur  Deichrechte  und  einige  Frag- 
mente  unbedeutender  Landrechtshandschriften,  auf  der  Gross- 
herzogl .  Bibliothek  wenigstens mehrere  altere  Landrechte  auf- 
zuweisen.  Desto  grosser  ist  der  Segen  in  Jever,  das  an  Zahl 
der  Handschriften  alle  anderen  Sammlungen  ubertrifft.  Leider 
ist  die  Qualitat  der  Quantitat  nicht  gleich:  viele  junge  Ab- 
schriften  des  Jeverschen  Landrechts  (besonders  aus  Ehrentrauts 
Nachlasse),  nirgends  authentische  alte  Fassungen.  Doch  bleibt 
am  Ende  unter  den  Handschriften  des  Marien-Gymnasiums 
doch  noch  eine  Anzahl  wertvoller  Ostfriesischer  Land-  und  Deich- 
rechtshandschriften  des  16.  Jahrhunderts  ubrig,  deren  n&here 
Durcharbeitung lohnen  wird.  Der  Jeverlandische  Altertums- 
verein,  der  die  Schatze  des  Archivs  der  Burg  Werdum 
im  Harlingerlande  glticklich  geborgen  hat,  besitzt  aus  dieser 
Quelle  eine  wichtige  Originalausfertigung  einer  kleineren  Deich- 
ordnung  Graf  Johanns  v.  Ostfriesland  fiir  das  Greetmer  Amt 
von  1578.  Ich  habe  dieses  Stuck,  dem  Siegel  und  eigenhandige 
Unterschrift  des  Grafen  beigeftigt  ist,  in  keiner  bisher  bekannt 
gewordenen  gedruckten  oder  geschriebenen  Sammlung  der 
Ostfriesischen  Deichrechte  gefunden;  uberall  geht  es  da  von 
der  Deichordnung  der  Grafin  Anna  von  1556  direkt  auf  die 
Emsiger  Teichordnung  Graf  Ennos  III  von  1608  tiber.  Im 
Stadtarchive  zu  Jever  habe  ich  alle  die  Originalausfertigungen 
der  Jeverschen  Stadtprivilegien  (bis  auf  das  sehr  frtih  verloren 
gegangene  allererste  Stadtrecht  des  Fraulein  Maria)  gesehen, 
aber  vom  Jeverschen  Landrecht  nur  eine  spate  Abschrift. 

Eine  Tour  durch  das  Harlinger-  und  Norderland,  die 
den  Abschluss  meiner  Studienreise  bilden  sollte,  habe  ich  leider 
aus  Mangel  an  Zeit  fiir  dieses  Jahr  zuriickstellen  mtissen.  Ich 
kann  deshalb  hier  tiber  Wittmund,  Esens,  Dornum,  Berum, 
Ltitetsburg,  Norden  etc.  noch  nicht  berichten,  sondern  gehe 
sofort  zu  Aurich  tiber.  Hier  bietet  das  Kg  1.  Staatsarchiv, 
seitdem  auch  die  Handschriften  aus  der  Bibliothek  des  Ost- 
friesischen Landschafts-Collegiums  als  Depositum  dort 


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—    484    — 

aufbewahrt  werden,  eine  reiche  Fundgrube  filr  meine  Arbeiten. 
Zwar  ist  der  alte  Landrechtscodex  der  Landschaftlichen 
Bibliothek,  aus  dem  Deiter  im  Jahrbuch  des  Vereins  ffir 
niederdeutsche  Sprachforschung,  Band  7  u.  8,  einige  „Rymsproeke 
to  vermaninge  der  richteren"  und  das  „Waterrechta  publiziert 
hat,  nur  eine  alte  Abschrift  des  Beningacodex  von  1539  der 
Groninger  Bibliothek.  Dagegen  hat  der  sauber  geschriebene 
Codex  Kettlerianus,  den  schon  v.  Wicht  kannte,  hohen  Wert, 
und  eine  Reihe  anderer,  noch  n&her  zu  erforschender  Auricher 
Landrechtshandschriften  verspricht  gute  Ausbeute.  Die  im  17. 
Jahrhundert  entstandene  Handschrift  des  Herrn  Buchbinder- 
meisters  Schulenberg  zu  Aurich  zeigt  in  ihrem  Texte  eine 
auffallige  Mischung  verschiedener  Klassen.  In  Emden  hatte 
ich  die  Codices  der  Gesellschaft  f.  bild.  Kunst  u.  vater- 
l&nd.  Alterttlmer  bereits  in  den  Osterferien  1904  durch- 
forscht  und  u.  a.  besonders  die  schon  erw&hnte  Haykenssche 
Handschrift  von  1528  ans  Licht  gezogen.  Jetzt  habe  ich  vor 
allem  den  vielgeriihmten  Codex  Emdanus  wiederentdeckt,  der 
1571  auf  Pergament  sehr  sauber  geschrieben  ist  und  1617  von 
Eilhard  Gerdes  dem  Senate  der  Stadt  Emden  geschenkt  wurde. 
Er  befindet  sich  noch  heutigen  Tages  auf  dem  Rathause, 
aber  kein  neueres  Verzeichnis  gibt  von  seiner  Existenz  Kunde. 
Der  Emdanus  ist  der  wichtigste  Vertreter  eines  eigentdmlichen 
Seitenzweiges  von  Landrechtshandschriften,  zu  dem  auch  eine 
der  beiden  Handschriften  aus  der  Bibliothek  der  Grossen 
Kirch e  zu  Emden  zu  rechnen  ist.  Ebenso  eine  Handschrift 
der  Universit&tsbibliothek  zu  Groningen.  Im  Obrigen 
besitzt  gerade  diese  Bibliothek  eine  schone  Sammlung  von 
Handschriften  unseres  Landrechts,  die  neben  den  ostfriesischen 
Rechtsquellen  in  altfriesischer  Sprache  und  dem  Nachlasse  des 
Ubbo  Emmius  die  Groninger  Bibliothek  so  ftusserst  wertvoll  fur 
die  ostfriesische  Geschichte  macht.  Auch  auf  dem  Provinzial- 
archiv  zu  Groningen  habe  ich  noch  2  durch  ihre  Textform 
merkwiirdige  Abschriften  des  Landrechts  aufgest5bert.  Endlich 
hat  auch  die  Bibliothek  des  Friesch  Genootschap  zu 
Leeuwarden  fur  dieses  friesische  Unternehmen  zwei  Hand- 
schriften beigesteuert,  von  denen  wenigstens  die  eine  schon 
im  Jahre  1548  entstanden  ist.  Merkwttrdigerweise  habe  ich 
dagegen  in  Leer,  ausser  einer  jungen,  wertlosen  Abschrift  des 


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—    485     — 

Hofgerichtsexemplars,  gar  keine  Landrechtshandschrift  mehr 
auftreiben  konnen.  Es  wird  das  doch  wohl  damit  zusammen- 
h&ngen,  dass  hier  in  der  2.  Halfte  des  18.  Jahrhunderts  der 
eifrige  Sammler  E.  L.  F.  Roesing  alle  Handschriften  aufgekauft 
hat.  Als  seine  Bibliothek  imJahre  1784  zu  Leer  verauktioniert 
wurde,  erwarb  die  Gottinger  Universitatsbibliothek  die 
juristischen  Handschriften  Roesings  en  bloc  und  begrundete 
damit  die  einzig  dastehende  Sammlung  Ostfriesischer  Land- 
rechtshandschriften,  die  eine  Zierde  der  Universitatsbibliothek 
bildet  und  fur  den  kiinftigen  Herausgeber  des  Landrechts 
Gottingen  zu  dem  wichtigsten  Ausgangspunkte  macht. 

Alle  die  bisher  aufgefuhrten  Handschriften  sind  mir  bereits 
einmal  auf  kilrzere  oder  l&ngere  Zeit  durch  die  Hande  gegangen. 
Rechne  ich  nun  noch  dazu,  was  ich  an  Ostfriesischen  Landrechts- 
handschriften  in  nicht  von  mir  besuchten  Orten  nachweisen 
kann  (3  in  Kopenhagen,  Kgl.  Bibl.,  je  2  in  Wernigerode, 
Ftirstl.  Stolbergische  Bibliothek,  und  in  London,  British  Museum, 
je  eine  im  Haag,  Kgl.  Bibl.;  Cassel,  Landesbibl. ;  Miinchen, 
Kgl.  allg.  Reichsarchiv ;  Nortmoor,  Pastor  Frerichs ;  Chelten- 
ham [England],  Nachlass  des  f  Baronets  Sir  Thomas  Phillipps), 
so  ergiebt  sich  als  Gesamtsumme  der  Handschriften  des  Ost- 
friesischen Land-  resp.  Deichrechts,  wie  ich  sie  nach  den  Unter- 
suchungen  meiner  Reise  aufstellen  kann,  die  stattliche  Anzahl  von 
120  Nummern.  Dazu  kommen  aber  noch  14  weitere  Hand- 
schriften, die  zwar  heutzutage  verschollen  sind,  die  sich  aber 
aus  den  Beschreibungen  und  Citaten  alterer  Autoren,  vor 
allem  v.  Wichts,  mit  Sicherheit  erschliessen  lassen. 

Den  vollstandigen  Text  des  Ostfriesischen  Landrechts 
enthalten  von  den  134  Nummern  meines  Kataloges  101  Hand- 
schriften, 5  weitere  bestehen  nur  aus  Bruchstiicken  oder  Aus- 
ziigen  des  Werkes.  Das  Jeversche  Landrecht,  das  nur 
ein  Seitenspross  des  ostfriesischen  ist,  bildet  den  alleinigen 
Inhalt  von  20  Nummern;  das  Harlinger  Landrecht,  dessen 
Stellung  innerhalb  der  jiingeren  ostfriesischen  Rechte  noch  der 
Klarung  bedarf,  findet  sich  bisher  in  2  Handschriften,  aber  in 
der  einen  in  doppelter  Abschrift.  Nur  Ostfriesische  Deich- 
rechte  endlich  enthalten  11  Handschriften,  ausserdem  treten 
aber  Deichrechte  noch  in  34  Handschriften  als  Anhange  eines 
Landrechts  auf. 


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—     486     — 

Der  chronologischen  Ordnung  nach  f&Ut  genau  die 
H&lfte  aller  mir  bekannt  gewordenen  Handschriften  (69)  noch 
ins  16.  Jahrhundert,  das  Jahrhundert  der  Entstehung  des 
edzardischen  Landrechts.  Nur  10 — 12  davon  darf  man  mit 
Sicherheit  noch  in  die  erste  H&lfte,  genauer  gesagt,  in  das 
2.  Viertel  des  16.  Jahrhunderts  setzen;  fiber  1527  geht  keine 
einzige  hinauf.  Aber  auch  im  17.  Jahrhundert  ist  das  Land- 
recht  noch  fleissig  abgeschrieben  worden,  ich  z&hle  39  Nummern. 
Im  18.  Jahrhundert  ist  doch  schon  der  starke  Einfluss  des 
v.  Wichtschen  Abdruckes  zu  sptlren ;  von  den  21  Handschriften 
des  18.  Jahrhunderts  fallen  eigentlich  nur  noch  die  Abschriften 
des  Druckes  in  die  2.  Halfte  des  Jahrhunderts.  Aus  dem 
19.  Jahrhundert  endlich  haben  wir  nur  3,  schon  rein  philologischen 
Zwecken  dienende  Abschriften  des  Jeverschen  Landrechts.  Bei 
13  Nummern  (davon  sind  8  verschollen !)  kann  ich,  wegen 
mangelnder  Kenntnis  der  Handschriften,  die  Zeit  ihrer  Ent- 
stehung nicht  angeben. 

Noch  nicht  so  ausfiihrlich  und  ins  Einzelne  gehend  kann 
ich  natiirlich  tiber  die  Fassung  des  Textes  der  einzelnen 
Handschriften  referieren.  Am  ersten  geht  das  noch  bei  dem 
Jeverschen  Landrechte,  denn  s£mtliche  20  Handschriften  dieses 
Rechts  stimmen  so  auffallend  mit  einander  iiberein,  dass  sie 
zusammen  nur  eine  einzige  Handschrift  reprasentieren,  die 
aber  von  der  Originalausfertigung  der  Fraulein  Maria  und  Anna 
verschieden  gewesen  sein  muss,  denn  sie  tr&gt  die  deutlichen 
Spuren  einer  nachtr&glichen  Ueberarbeitung  an  sich.1)  Auch  bei 
den  Deich-  und  Syhlrechten  kehren  immer  dieselben  2—3  Typen 
wieder,  von  denen  nur  einer  bisher  gedruckt  worden  ist. 

Ganz  anders  ist  das  bei  dem  Ostfriesischen  Landrechte. 
Hier  konnen  wir  an  der  Hand  der  Handschriften  deutlich  ver* 


l)  [Korrekturnote:  Wie  sich  jetzt  herausstellt,  weist  auch  die  oben 
S.  482  erwahnte  alte  Handschrift  des  Ostfries.  LRs.  auf  der  Kgl.  Bibl.  zn 
Hannover  denselben  Widerspruch  zwischen  dem  Texte  des  LRs.  und  der 
Vorrede  auf  wie  die  Hss.  des  Jeverschen  LRs. :  dem  Texte,  der  noch  keine 
Spur  der  sp&teren  Bucheinteilung  zeigt,  ist  die  Inhaltsangabe  uber  die 
3  Bucher  der  spateren  Rezensionen  (=  v.Wicht  Cap.  1, 1)  vorangestellt.  So  ist 
das  Jeversche  LR.  doch  vielleicht  bereits  in  der  Form,  wie  es  uns  seine 
20  Hss.  (ibereinstimmend  bieten,  aus  einem  der  hannoverschen  Hs.  nachst- 
verwandten  Exemplare  des  Ostfries.  LRs.  heriibergenommen  worden.] 


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—    487     — 

schiedene  einschneidende  Umarbeitungen  der  altesten  Gestalt 
erkennen.  Aus  der  FiiJle  der  Formen,  die  allein  die  20  Land- 
rechtshandschriften  der  Gottinger  Bibliothek  aufweisen,  hatte 
Wilhelm  Meyer  (Verzeichnis  der  Handschriften  im  Preuss.  Staate 
I.  Hannover.  1.  Gottingen,  Band  1,  1893,  S.  471  ff.)  mit  scharfem 
Auge  drei  Klassen  konstituiert,  die  fiir  alle  spateren  Bearbeiter 
der  Landrechtshandschriften  zu  Rechte  bestehen  bleiben.  Nur 
ermOglicht  uns  die  bedeutende  Erweiterung  des  handschrift- 
lichen  Materials  schon  jetzt,  Meyers  Aufstellungen  an  wichtigen 
Punkten  zu  erg&nzen  und  zu  erweitern;  einmal  hat  sich  eine 
neue  4.  Klasse  von  Landrechtshandschriften  herausgestellt  (an 
ihrer  Spitze  der  Codex  Emdanus),  die  zwar  an  sich  jiinger 
ist  und  alle  Merkmale  einer  Ueberarbeitung  zeigt,  aber  an 
mehreren  wichtigen  Punkten  (vor  allem  in  der  Stellung  der 
Bilcher  II  und  III)  Eigenheiten  der  alleraltesten  Handschriften 
bewahrt  hat. 

Dann  aber  ist  es  mir  gelungen,  durch  die  Entdeckung  der 
beiden  alten  Codices  des  Landrechts  aus  dem  Jahre  1528 
(Emden  und  Celle)  noch  iiber  die  &lteste  von  Meyer  aufgestellte 
Klasse  B  hinauszugelangen  und  mit  der  ktlrzeren  und  anders 
geordneten  Fassung  dieser  beiden  Handschriften  bis  hart  an  das 
verlorene  Original  des  edzardischen  Landrechts  heranzurticken. 
Mehrere  gewichtige  Griinde  bestatigen  meine  hohe  Einsch&tzung 
der  beiden  Codices  von  1528:  vor  allem  stellt  erst  diese  Fassung 
die  vollstandige  Brflcke  zu  den  atlteren,  voredzardischen  Land- 
rechtshandschriften Ostfrieslands,  speziell  des  Emsgaus,  her. 
Wir  sehen  jetzt,  dass  die  urspriingliche  edzardische  Bearbeitung 
einfach  einen  alteren  Codex  des  Emsgauer  Rechtes  vornahm, 
ihm  eine  Vorrede  und  den  Abschnitt  iiber  Gericht  und  Richter 
vorausschickte,  und  im  Uebrigen  sich  begntigte,  in  aller  Kilrze 
bei  jedem  einzelnen  Kapitel  zu  vermerken,  wieweit  dieses  Ka- 
pitel  durch  das  rSmische  Recht  ausser  Geltung  gesetzt  worden 
sei.  Erst  sp&ter  gliederten  sich  Zusatze  an  diese  alteste  Form 
des  Landrechtes  an,  es  wurde  eine  Bucheinteilung  eingefiihrt, 
welche  die  vorhandenen  Unterabteilungen  des  Rechtes  z.  T.  urn- 
stellte,  und  es  entstanden  so  allmahlich  die  3—4  Klassen  der 
spateren  Handschriften.  Erst  die  Handschriften  von  1528  lassen 
uns  diese  Entwickelung  des  Ostfriesischen  Landrechtes  klar 
libersehen. 


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—    488    — 

In  der  ursprttnglicheren  Form  der  Handschriften  von 
1528  wurde  das  Landrecht  aber  auch  im  Jeverlande  rezipiert 
und  dort  in  erstarrter  Gestalt  immer  weiter  gegeben,  ohne  wie 
in  Ostfriesland  neues  Leben  zu  erzeugen. 

Endlich  lemen  wir  erst  jetzt  auch  die  aller&lteste  Hand- 
schrift  des  Ostfriesischen  Landrechts,  die  sich  Eggerik  Beninga 
als  Drost  von  Leerort  im  Jahre  1527  schreiben  liess,  richtig 
verstehen.  Dieses  Kleinod  unter  den  Gottinger  Handschriften 
will  sich  in  Wilh.  Meyers  Ausfiihrungen  nirgends  recht  in  das 
Schema  der  3  Klassen  einfugen.  Jetzt  sehen  wir,  dass  Meyer 
zwar  Recht  hat,  wenn  er  behauptet,  die  Handschrift  sei  eigent- 
lich  gar  keine  Landrechtshandschrift,  sondern  eher  eine  Material- 
sammlung  fiir  ein  Landrecht.  Aber  Beninga  hat  dieser  seinen 
praktischen  Bediirfnissen  dienenden  Sammlung  neben  anderen 
ftlteren  ostfriesischen  Rechtsquellen  auch  eine  Handschrift  des 
edzardischen  Landrechts  eingearbeitet,  die  genau  zur  Fassung 
der  beiden  nachstaltesten  Handschriften  von  1528  stimmt 
Uebrigens  hat  sich  Beninga  eine  ganz  ahnliche  Sammelhand- 
schrift  ostfriesischer  und  benachbarter  friesischer  Rechtsquellen 
noch  einmal  im  Jahre  1539  anfertigen  lassen;  sie  liegt  jetzt 
in  Groningen  und  ist  vorziiglich  geeignet,  uns  iiber  die  Natur 
der  Handschrift  von  1527  aufzuklaren.  Dass  Eggerik  Beninga 
in  der  Geschichte  des  Ostfriesischen  Landrechts  gerade  wahrend 
des  2.  Viertels  des  16.  Jahrhunderts,  wo  bereits  alle  die  ver- 
schiedenen  Klassen  der  Handschriften  aufgekommen  sind,  eine 
sehr  bedeutende  Rolle  gespielt  hat,  hoffe  ich  spater  n&her  aus- 
fiihren  zu  konnen.  Man  hat  diese  Tatigkeit  des  bertihmten 
Chronisten  und  erfahrenen  Juristen  bisher  fiber  seinen  historio- 
graphischen  Arbeiten  ganz  tibersehen. 

Gegeniiber  den  alten  Handschriften  von  1527  und  1528 
treten  alle  iibrigen  weit  zuriick;  erst  urn  die  Mitte  der  40er 
Jahre  lassen  sich  die  ersten  Exemplare  der  4  jiingeren  Klassen 
belegen,  zuerst  die  der  spateren  Vulgata  (Meyers  Klasse  B). 
Wo  dann  in  dem  grossen  Stammbaume  der  Landrechtshand- 
schriften  alle  die  jiingeren  Exemplare  unterzubringen  sind,  und 
wie  sich  im  Einzelnen  die  Entwicklung  der  verschiedenen  Klassen 
vollzogen  hat,  wird  sich  erst  nach  Durcharbeitung  des  voll- 
standigen  Materials  genauer  darstellen  lassen.  Ich  gedenke, 
diesem    vorlaufigen    Berichte    zunachst    erst    einmal    den    be- 


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—    489     — 

schreibenden  Katalog  samtlicher  Handschriften  der  Ostfriesischen 
Rechte  des  16.  Jahrhunderts  folgen  zu  lassen  und  dann  die 
Genealogie  der  Landrechtshandschriften  in  einem  besonderen 
Aufsatze  zu  entwickeln. 

Conrad  Borchling. 


Korrekturnachtrag:  Seit  der  Abfassung  des  vorliegenden  Be- 
richts  sind  mir  fur  mein  Verzeichnis  der  Landrechtshandschriften  10 
-weitere  Nummern  bekannt  geworden,  die  samtlich  aus  ostfriesischem 
oder  auswartigem  Privatbesitze  stammen.  Zum  Teile  verdanke  ich  dies 
neue  Material  einem  Aufrufe,  den  ich  Anfang  November  1904  an  samtliche 
ostfriesischen  Tageszeitungen  versandt  habe  und  der  weitesten  Kreisen 
von  meiner  Arbeit  Kenntnis  geben  sollte.  Fur  nahere  Mitteilungen  und 
Ueber8endung  ihrer  Handschriften  nach  Gottingen  schulde  ich  Herrn  Wein- 
handler  Stephan  A.  Rykena  zu  Norden,  Herrn  Apotheker  Rob.  Bohlmann 
zu  Braunschweig  und  Herrn  G.  Jurgens  zu  Jever  aufrichtigen  Dank.  Die 
10  neuen  Nummern  bringen  6  weitere  vollstandige  und  eine  fragmentari- 
sche  Hs.  des  Ostfries.  LRsM  ferner  je  ein  neues  Exemplar  des  Jeverschen 
und  Harlinger  LRs.  und  endlich  2  Handschriften,  die  nur  Deichrechte 
enthalten.  Bei  weitem  den  wichtigsten  Zuwachs  bildet  die  Bohlmannsche 
alte  Pergamenthand8chrift  des  Ostfries.  LRs. :  sie  gehort  noch  in  die  1. 
Halfte  des  16.  Jahrhunderts  und  reprasentiert  eine  von  alien  bekannten 
stark  abweichende  Fassung,  die  zwischen  den  alten  Handschriften  von 
1527/28  und  der  Vulgata  des  16.  Jahrhunderts  etwa  in  der  Mitte  stent.  — - 
Gar  keine  Reste  alter  ostfriesischer  Rechtshandschriften  finden  sich  da- 
gegen  in  den  ehemaligen  Herrlichkeitearchiven  zu  Lutetsburg,  Even- 
burg,  Neustadt  -  Goedens  und  Dornum,  ebensowenig  in  Stade  (Bibl.  des 
Altert.-Verein8  fur  Bremen  -  Verden)  und  Zerbst  (Herzogl.  Anhalt.  Haus- 
und  Staatsarchiv).  Fur  frdl.  Beantwortung  meiner  schriftlichen  Anfragen 
bin  ich  den  Vorstanden  der  genannten  Archive  und  Bibliotheken 
zu  ergebenstem  Danke  verpflichtet,  insbesondere  Sr.  Durchlaucht  dem 
FurstenKnyphausen  zu  Lutetsburg,  dem  Herrn  Graf  en  v.  Wedel  zu  Evenburg, 
Frau  Rentmeister  Frieda  Weymann,  geb.  Kruse,  zu  Dornum  und  nicht 
zum  Mindesten  Herrn  Lehrer  Friedr.  Sundermann  zu  Norden,  der  mir 
nicht  nur  die  im  Norder  Bezirk  noch  vorhandenen  Landrechtshandschriften 
nachgewiesen,  sondern  mich  auch  nach  den  verschiedensten  Richtungen 
hin  auf  die  Spuren  verlorener  Handschriften  gebracht  hat.     / 

Emden,  den  6.  April  1905.  Conrad  Borchling. 


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—    490    — 

XVI. 
Oitfriesiiche  Handichriften  und  Akten  in  Neuwied  und  Bonn. 

I. 

Das  Fiirstlich  Wiedische  Archiv  zu  Neuwied  am 
Rhein  soil,  wie  Lamprechts  Archiviibersicht  im  1.  Bande  der 
Westdeutschen  Zeitschrift  (Trier  1882),  S.  392  ff.  unter  No.  145 
angiebt,  auch  einige  Stticke  zur  ostfriesischen  Geschichte  be- 
sitzen.  Da  das  Neuwieder  Archiv  im  Ganzen  nur  recht  junge 
Bestande  en t halt,  so  wird  man  bei  diesen  ostfriesischen  Sachen 
wohl  am  Ersten  an  die  vortibergehende  engere  Beziehung  des 
Hauses  Wied,  im  Besonderen  der  Linie  Wied-Runkel,  zu  Ost- 
friesland  denken  miissen,  die  sich  in  der  ersten  H&lfte  des  18. 
Jahrhunderts  entwickelte  und  endlich  zu  der  Bewerbung  eines 
Wiedischen  Prinzen  urn  die  Fiirstenkrone  Ostfrieslands  fuhrte. 
Aber  Friedrich  der  Grosse,  der  sofort  nach  dem  Ableben  des 
letzten  Cirksenas  mit  starker  Hand  das  Fiirstentum  fiir  die 
Krone  Preussen  sicherte,  hat  die  Wiedischen  Anspriiche  energisch 
zuriickgewiesen l),  und  heute  wissen  iiberhaupt  nur  wenige  noch 
von  diesen  Aussichten  und  Anspruchen  des  Hauses  Wied  auf 
unsere  Heimat. 

Bei  einer  Bereisung  der  rheinischen  Bibliotheken  und  Ar- 
chive, die  ich  im  Sommer  1904  fiir  die  Akademien  zu  Berlin  und 
Gottingen  ausgefiihrt  habe,  urn  nach  litterarischen  deutschen 
Handschriften  des  Mittelalters  und  der  friihneuhochdeutschen 
Zeit  zu  forschen,  habe  ich  auch  in  Neuwied  Einkehr  gehalten 
und  die  Gelegenheit  benutzt,  das  ausserst  knappe  Repertorium 
der  Aktenbestande  auf  ostfriesische  Sachen  durchzusehen.  Da 
eine  systematische  Durchsuchung  der  Akten  selbst  eine  tagelange 
Arbeit  erfordert  hatte,  musste  ich  mich  mit  Stichproben  be- 
gniigen,  deren  kargliche  Resultate  ich  hiermit  den  Lesern  des 
Jahrbuchs  vorlege.  Samtliche  Stiicke  gehoren  der  Abteilung 
B  des  Archivs  (Akten)  an. 

1.  Schrank  3.  Gefach  12.  Fascikel  9:  Acta  Grundriss 
Pragmatischer  Historie  des  Reichsgraflichen  Hauses  Isenburg- 
Wied  5ter  Teil  von  der  Zeit  an,  dass  solches  mit  dem  Dynas- 
tischen  Hause  Runkel  vereiniget  worden,  bis  auf  Johann  Ludwig 


')  vgl.  Wiarda  VIII  140  ff. 


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—    491     — 

Adolph,  womit  das  Reichsgrafl.  Haus  Crichingen  und  die  Prae- 
tension  auf  Ostfriesland  darzugekommen  ist.  1454—1762.  Mscr. 
des  18.  Jahrhunderts. 

2.  Schrank  3.  Gef.  13.  Fasc.  1:  Enthalt  u.  a.  eine  ge- 
druckte  und  eine  handschriftliche  „Ostfriesische  Stamm-Tafel", 
zum  Beweise  der  Ansprtiohe  des  Hauses  Wied-Runkel  auf  Ost- 
friesland. 

3.  Schrank  4.  Gef.  10.  Fasc.  25:  Acta  den  Todesfall 
der  Frauen  Grafin  Christine  Louise  zu  Wied-Runkel,  geb.  Gr&finn 
zu  Ostfriesland,  wie  auch  die  desfalls  eingegangene  Condolenz- 
schreiben  betr.  1732. 

4.  Schrank  4.  Gef.  11.  Fasc.  5:  Acta  Heimfiihrung  in 
specie:  Die  Heimftihrung  des  Fiirsten  Georg  Albrecht  von 
Ostfriesland  Frau  Gemahlin  betr.  1734. 

5.  Schrank  4.  Gef.  12.  Fasc.  4:  Acta  fremde  Orden,  in 
specie:   Ertheilung  des  Kgl.  Dahnischen  Ordens   de  la  FidSlite 

1.  an  die  verwittibte  Frau  Fiirstinn  Maria  Charlotte  zu 
Ostfriesland  Durchl.  etc. 

II. 

Die  Bonner  Universitats-Bibliothek  besitzt  ausser 
dem  wertvollen  Hausbuche  des  Eggerik  Beninga,  das  ich  in 
den  beiden  letzten  B&nden  dieses  Jahrbuchs  beschrieben  und 
ausgenutzt  habe,  noch  zwei  andere  interessante  Handschriften 
zur  neueren  ostfriesischen  Geschichte. 

a)  Nr.  428    der   Manuskripte   der  U.-B.   (vgl.   Klette  u. 

Stander,  Chirographorum   in  Bibl.  Acad.  Bonn.  serv.  Catalogus 

Vol.  II,  p.  127):   Eine  Handschrift  der  lateinischen  Vita  Men- 

sonis  Altingii  von  Ubbo  Emmius.    Sie  ist  in  der  1.  H&lfte 

des   18.  Jahrhunderts  von  einer  flussigen  Hand   auf  140  Folio- 

blattern  Papier   geschrieben   worden.      Die  letzten   10   Seiten 

enthalten   als   „additamentaa   den  Bericht  tiber  Mensos  letzte 

Stunden  und  seinen  Tod  und  einen  Brief  des  Georg  Schedelius 

an  den  Sohn  Menso  Altings,   der  in  dieselbe  Zeit  fallt.    In  der 

Handschrift  drin  liegen  aber  noch  zwei  lose  Blatter:  ein  kleineres 

von    der  Hand  des  Enkels   von  Menso  Alting   mit   zerstreuten 

Belagen  fur  Daten  aus  dem  Leben  seines  Gross vaters,  und  ein 

Folioblatt.    Dieses  tr&gt  die  Aufschrift:  »Extractus  Litterarum 

&   V.  E.  Pastore  &  Bijlen  ad  V.  R.  Pastorem  Meiners  exaratum 

Jahrbuch  der  Gesellich.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  AltertUmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  32 


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—    492     — 

die  12.  Nov.  1736".  Endlich  ist  zu  den  Versen  des  Ubbo 
Emmius  auf  Menso  Alting,  die  dem  Werke  vorangestellt  sind, 
bemerkt:  „Hos  versus  Henricus  Gerhardi1),  Cos.  Emd.,  habuit 
sub  manu  Ubbonis  Emmii,  et  communicavit  eosdem  Diurtconi 
Andr6e,  Consuli  Emdano". 

b)  Nr.  471  (Klette  u.  Stander  n  140):  Ein  dicker  Folio- 
band  aus  dem  Anfange  des  18.  Jahrhunderts,  den  ich  hier  im 
Wesentlichen  nur  nach  den  Worten  des  Katalogs  beschreiben 
kann.  Er  enth&lt  auf  505  Blattern,  von  denen  allerdings  eine 
Reihe  leer  sind,  die  „Acta  Past:  Jac:  Isebr:  Harcken- 
roth  Betreffend".2)  Wir  haben  eine  gleichzeitige  Abschrift  vor 
uns,  denn  schon  1726  hat  sich  Matthias  v.  Wicht  Dr.  als  Be- 
sitzer  der  Handschrift  vorn  eingetragen.  Da  die  Handschrift 
ausserdem  in  ihrem  Einbande  t&uschend  dem  Hausbuche  Beningas 
(Nr.  336  der  Mscr.  der  U.-B.)  gleicht  —  die  Uebereinstimmung 
geht  bis  auf  das  Vorsetzpapier  des  Buchbinders,  das  ebenfalls 
das  Pro-patria-Wasserzeichen  aufweist  — ,  so  ist  dadurch  auch 
Penborg  als  der  Vorbesitzer  unserer  Handschrift  erwiesen,  da 
von  ihra  ja  diese  Einb&nde  herriihren.  Wo  sich  die  Original- 
akten  des  Harkenrohtschen  Prozesses  befinden,  vermag  ich 
nicht  anzugeben.  Unser  Band  enth&lt  die  gesamten  Verhand- 
lungen,  Schriften  und  Gegenschriften  der  Jahre  1717 — 1719 
Der  Titel  des  ersten  Stiickes  lautet:  „An  die  Rom:  Kayserl: 
auch  in  Hispanien  zu  Hungarn  und  Bftheimb  Konigl:  Maj:  Aller- 
unterthanigstes  Memoriale  und  Bitten  pro  clementissime  cassan- 
dis  Decretis  a  judicio  Frisiae  Orientalis  aulico  vulgo  Hoffgericht 

incompetenter  in  hac  causa  Litis In  Sachen  zu  Ost- 

friessland  Fiirst  Pastorem  Harckenroth  so  dann  Das  Fftrstl 
Ostfr.  Hoffgericht  appellationis".  Dieses  Sttick  tragt  den  Vermerk: 
Praes(entatum).  10  Maij  1717.    RHRath;   es  beginnt   mit   den 


*)  Btirgermeister  1649  bis  1669,  vgl.  Wiarda  V  93;  Diurtco  Andre* 
wurde  Sekretar  der  Stadt  1654  und  starb  als  Burgermeister  65  Jahr  alt 
1691,  vgl.  uber  ihn  Wiarda  VI  106  und  fiber  seine  Gesandtschaftar^isc 
nach  England  1665  Klopp  II  420. 

*)  Ueber  den  Prozess,  der  Harkenroht  1722  veranlasste,  sein  ge- 
liebtes  Vaterland  zu  verlassen  und  nach  Appingadam  su  wandern,  vgl. 
de  Vries  im  Jahrb.  VI  2  (1884)  S.  19  und  Sundermann  im  Ostfr.  Monatsbl 
1884  S.  185.  Die  Original-Akten  haben  sich,  wie  Herr  Archivrat  Dr.  Wachter 
mitteilt,  im  Kgl.  Staatsarchive  zu  Aurich  vollstandig  noch  nicht  wieder- 
gefunden.    R. 


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—    493    — 

Worten:  „Allerdurchleuchtigster  etc.  etc.  Dass  Ew.  Kayserl. 
Majestat  den  reformirten  Pastorem  zu  Larrelt  in  Ostfriessland 
Jakob  Isebrand  Harkenroht.  .  .  .a  Das  Manuskript  schliesst  mit 
den  Worten:  „und  innerhalb  3  Tagen  von  der  parition  sub 
poena  rejectionis  ab  actis  anzeige  zu  thun.  Ex  consilio  Irapl. 
aulico  21.  8ber  1719". 


XVII. 

Berioht  fiber  die  Ausgrabung  des  Rabbelsberges  bei  SQddunum 
im  August  1904. 

(Hierzu  die  Abbildungen  am  Schlusse  des  Jahrbuches.) 

Durch  den  Herrn  Provinzialkonservator  Dr.  Reimers  in 
Hannover  hat  wahrend  der  Tage  vom  30.  Juni  bis  2.  Juli  1904 
im  Einverst&ndnis  mit  der  Ostfriesiscben  Landschaft  als  Eigen- 
tumerin  eine  Untersuchung  des  Rabbelsberges  stattgefunden. 
Es  wurden  zwei  2  Meter  breite  Graben  durch  den  Berg  gelegt  bis 
auf  den  gewachsenen  Boden,  einer  von  Stidosten  nach  Nord- 
westen  und  einer  von  Siiden  nach  Norden.  Die  Untersuchung 
ergab,  dass  es  sich  um  einen  aufgeschiitteten  Hiigel  handelt, 
der  keine  sp&tere  Aufschiittung  erfahren  hat.  Zahlreiche  zer- 
kleinerte  Menschenknochen,  sowie  die  Reste  eines  Leichenbrandes 
wurden  gefunden.  Bereits  in  friiheren  Jahren  #  hatte  durch 
den  Lehrer  Eilers  in  Reepsholt  eine  Ausgrabung  stattgefunden, 
die  eine  Urne  und  einen  Teil  eines  Bronzedolches  zu  Tage  forderte, 
beide  befinden  sich  jetzt  im  Museum  der  Gesellschaft  far  bildende 
Kunst  und  vaterl&ndische  Altertumer  in  Emden,  vgl.  Jahrbuch 
der  Gesellschaft  1899,  S.  286.  Der  Umfang  des  Hiigels,  sowie 
die  ermittelten  Fundstiicke  heischten  eine  Fortsetzung  der  be- 
gonnenen  Untersuchung,  die  der  Unterzeichnete  auf  Wunsch 
des  Provinzialkonservators  ausgefiihrt  hat.  Der  dem  Landes- 
direktorium  dariiber  erstattete  Bericht  mSge  auch  hier  die 
Ergebnisse  meiner  Arbeit  mitteilen. 

Die  auf  Veranlassung  des  Herrn  Provinzialkonservators 
Dr.  Reimers  zu  Hannover  von  dem  Landesdirektorium  der  Provinz 
Hannover   mir   tibertragene  Fortsetzung   der  Ausgrabung  des 

32* 


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—    494    — 

Rabbelsberges  bei  Siiddunum  im  Kreise  Wittmund  habe  ich  am 
10.  August  begonnen  und  am  30.  dess.  Mts.  beendigt.  Es  fielen 
die  dazwischen  liegenden  3  Sonntage,  sowie  die  beiden  Montage, 
15.  und  22.  August,  aus.  Die  benotigten  Arbeitskrafte  wurden 
von  dem  Kreiswegemeister  Rust  in  Esens  beschafft,  und  der 
Landstrassenw&rter  Hoffrogge,  der  bereits  bei  der  ersten  Aus- 
grabung  t&tig  gewesen  war,  (ibernahm  die  Beaufsichtigung  und 
Erg&nzung  derselben. 

Die  Ausgrabung  erfolgte  genau  in  der  von  dem  Herrn 
Provinzialkonservator  angegebenen  Weise,  sowie  nach  dem 
Ministeriellen  Merkbuch,  Berlin  1904.  Der  30  Meter  lange,  25 
Meter  breite  und  5  Meter  hohe  Hiigel,  der  die  Form  eines  ab- 
gestumpften  Kegels  zeigte,  wurde  bis  auf  2  kleine  Reste  an  dem 
Nordwest-  und  Siidwestrande  und  zwei  spater  genannte  Stucke 
vollig  abgetragen,  und  zwar  in  der  Art,  dass  je  2  Graben  etwa 
in  der  Breite  von  2  Metern,  die  sich  an  die  von  dem  Herrn 
Provinzialkonservator  von  Siiden  nach  Norden  und  von  Siidosten 
nach  Siidwesten  gezogenen  anschlossen,  gleichzeitig  vom  unteren 
Rande  des  Hugels  an  treppenartig  hinaufgefuhrt  wurden.  Die 
ausgehobene  Erde  diente  zum  Ausftillen  der  vorher  aufgeworfenen 
Graben.  Diese  wurden  iiberall  bis  auf  den  gewachsenen  Boden 
hinabgefiihrt  und  mehrfach,  namentlich  unter  und  in  der  Urn- 
gebung  der  Fundstellen,  bis  1,90  Meter  in  den  Mutterboden  hinab- 
gefiihrt, und  mit  der  Sonde,  die  nach  Erreichung  des  ersteren 
stets  zur  Anwendung  kam,  wurde  noch  nach  etwaigen  in  der 
Tiefe  befindlichen  Steinkisten  usw.  geforscht.  Nirgends  fanden 
sich  Spuren  von  solchen. 

Die  Fundstellen  wurden  von  alien  Seiten  freigelegt,  bei 
Urnenfunden  wurde  der  Luft  erst  nach  nnd  nach  Zutritt  zu  den- 
selben  gewahrt.  Die  einzelnen  Fundgegenstande  wurden  fur 
sich  gelegt,  die  Fundstatten  genau  bestimmt  und  gemessen 
und  die  Urnen  zwecks  ihrer  Bergung  mit  der  Umgebung  durch 
weiche  Bindfaden  auf  das  sorgfaltigste  verschniirt  und  auf 
untergeschobenen  Brettern  aus  dem  Hiigel  herausgeholt. 

Die  unterste  Schicht  des  Hugels  besteht  aus  gelbem  Sande, 
der  sich  in  der  nachsten  Nahe  vorfindet  und  daher  von  dort 
herbeigeschafft  wurde.  In  dem  mittleren  Teile  des  Hiigels  ist 
er  ungefahr  l1/2  Meter  hoch.  Zu  seiner  Befestigung  diente 
schwerer  Moorboden,    dessen  Narbe,    wie   bei  Aufschuttungen 


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nicht  anders  zu  erwarten  ist,  uberall  unter  der  eigentlichen 
Moorerde  sich  vorfand.  Moor  steht  in  der  Nahe  des  Htigels 
an,  und  von  dem  Herrn  Pastor  Janssen-Dunum  wurde  mir  etwa 
in  10  Minuten  Entfernung  von  dem  Hiigel  im  Nordwesten  eine 
umfangreiche  Vertiefung  im  Boden  ungefahr  in  der  Grosse  von 
125  Ar  gezeigt,  die  von  den  umgebenden  Ackerstticken  sofort 
absticht  und  wohl  den  Eindruck  hervorrufen  kann,  dass  dort 
die  fur  die  Aufschuttung  des  Htigels  notige  Moorerde  gewonnen 
warden  ist.  In  Moorgegenden  sind  derartige  abgetragene  Stellen 
sofort  schon  durch  den  Pflanzenwuchs  kenntlich.  Ueber  der 
Moorschicht  befand  sich  schwarzer  Sand  und  dartiber  eine  dicke 
Heidekrautdecke,  die  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  nach  oben 
stets  verjungt  hat,  wahrend  nach  unten  ein  Absterben  eintrat.  Die 
Freilegung  dieser  Decke  zeigte  mithin,  dass  das  Pflanzenleben 
doch  nicht  vollig  erstorben  war,  junge  Triebe  kamen  bald  zum 
Vorschein. 

Die  Aufschuttung  des  Htigels   ist,   wie  die  Schichten  des- 

selben  tiberall  mit  Evidenz  zeigen,  das  Werk  einer  einheitlichen 

Arbeitszeit.    Aus-  und  Abgrabungen  konnten  festgestellt  werden. 

Ausser  der  von  dem  Herrn  Provinzialkonservator  festgelegten 

Ausgrabungsstelle  des  verstorbenen  Lehrers  Eilers  in  Reepsholt, 

der  i.  J.  1898   die   obenerwahnte  Urne   mit   den  Resten   eines 

Bronzemessers,  die  sich  jetzt  in  den  Sammlungen  der  Gesellschaft 

fur  bild.  Kunst  und  vaterl.  Alterttimer  in  Emden  befindet1),  sowie 

zwei  htillenlose  Beisetzungen  forderte,  fand  sich  der  aussere  Rand 

des  Htigels   an  der  Westseite  abgetragen.     Wie  mir  mitgeteilt 

wurde,  hat  der  frtihere  Besitzer  des  Htigels  vor  etwa  30  Jahren 

Erde  bei  Bestellung  des  Ackers   dort   abgefahren,   dabei   aber 

keine  Funde  gemacht.    Die  jetzige  Ausgrabung  bestatigte,  dass 

am  Rande  Gegenstande  nicht  niedergelegt   worden   sind.    An 

der  Nordostseite  wurden  gleichfalls  Spuren  von  Nachgrabungen 

festgestellt,  die  sich  jedoch  nur  auf  die  Oberflache  erstreckten. 

Nach  mtindlicher  Aussage  der  Leute  soil  an  diesen  Stellen  nach 

Fiichsen  gegraben  worden  sein,  eine  Erklarung,   die  wohl  das 

Richtige  triflft,   da  nach  Rose,   Die   vorchristlichen   Denkmaler 


*)  [vgl.  Abbildung  I.  Die  Urne  ist  aus  schwarzem  gebrannten  Tone 
und  24  cm  hoch,  19  cm  breit  im  Durchmeser  des  oberen  Randes,  30  cm 
in  der  Mitte,  10  cm  in  der  Bodenflache.  R.] 


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Ostfrieslands,  im  Ostfriesischen  Monatsblatt  Bd.  6,  S.  289  ff., 
„viele  der  in  Ostfriesland  vorhandenen  Grabhtigel  Fuchsen  als 
Wohnung  gedient  haben  und  beim  Nachgraben  seitens  der  Jager 
durchwiihlt  worden  sinda.  Rose  hat  eine  grossere  Zahl  von 
Ausgrabungen  veranstaltet.  Knochenreste  vergrabenen  Viehes 
fanden  sich  am  Ostrande,  und  zwar  im  durchgewiihlten  Erd- 
reiche  vor.  Eine  Untersuchung  derselben  durch  den  Kgl.  Depar- 
tementstierarzt  Herrn  Romann  in  Aurich  best&tigte  die  Vermutung. 
dass  es  sich  urn  vergrabene  Viehteile  jiingsten  Datums  handelte 
Dieselben  wurden  daher  beseitigt. 

Es  sei  noch  bemerkt,  dass  die  beiden  trigonometrischen 
Steine1)  auf  dem  Hiigel  unberiihrt  geblieben  sind.  Eine  sorgfaltige 
Anwendung  der  Sonde  in  der  unter  ihnen  befindlichen  eigentlichen 
Fundschicht  Hess  keine  Gegenst&nde  ermitteln.  Als  Fundschicht 
ist  der  Sand  im  unteren  Teile  des  Htigels  anzusehen,  die  Gegen- 
stande  sind  nach  ihrer  Beisetzung  noch  mit  einer  Sandschicht 
bis  zu  25  Zentimetern  Hohe  bedeckt  worden,  worauf  erst  die 
Auftragung  der  deckenden  Moorerde  erfolgte. 

Funded) 

Ausserhalb  des  Hiigels.  Genau  in  der  Sudostecke  des 
Htigels  wurden  l/2  Meter  vom  ausseren  Rande  und  75  Zentimete? 
unter  der  Oberflache  zahlreiche  zerkleinerte  MenschenknocheE 
mit  Holzkohlenresten,  herriihrend  von  einem  Leichenbrande. 
ermittelt.  Irgendwelche  Beigaben  fanden  sich  nicht.  Die  nach 
beiden  Seiten  des  Hiigels  bis  1  Meter  tief  gezogenen  Graben 
forderten  weitereFunde  nicht  zuTage,  und  es  wurde  daher  Abstand 
genommen,  dieselben  ganz  um  den  Hiigel  herumzufuhren.  Die 
Machtigkeit  der  den  Hiigel  bildenden  Erdmassen  duldete  keine 
Zersplitterung  der  Arbeitskrafte,  die  bei  der  Erntezeit  nor 
mit  Miihe  zusammenzuhalten  waren. 

Innerhalb  des  Hiigels.  Ein  einzelner  grosser  runder 
Stein  im  Gewichte  von  4  bis  500  Zentnern  auf  Mutterboden. 
2,10  Meter  tief  unter  der  Oberflache,  nach  Siiden  zu,  3,65  Meter 


1  *  einer  aus  der  hannoverschen  und  einer  aus  der  preussischen  Zeit 
stammend.    Sie  sind  im  Berichte  mit  H.  St.  und  Pr.  St.  bezeichnet. 

*)  [Alle  Funde  sind  im  M&rz  1906  von  dem  Landesdirektorium 
unserer  Gesellschaft  iiberwiesen  worden.    R.l 


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—    497     — 

von  H.  St.  entfernt.  Der  Stein  von  2,38  Metern  im  Umfange  und 
47  Zentimetern  H(5he  zeigte  keine  Spuren  von  kunstlichen  Ver- 
tiefungen  oder  Erhabenheiten,  Rillen  usw.  Nur  die  Siidseite 
konnte  den  Eindruck  erwecken,  als  sei  dort  Menschenhand  tatig 
gewesen,  urn  eine  gewisse  Glattung  hervorzubringen ;  doch  kann 
dies  auch  infolge  von  Abreibung  durch  andere  St  eine  und  Erd- 
massen,  wie  es  bei  erratischen  Steinen  oft  festgestellt  ist, 
verursacht  sein. 

Nach  voller  Freilegung  der  Fundstelle  gewahrte  der  Stein 
mit  Unterlage  den  Anblick  eines  Steinpilzes.  Zur  Stutze  dienten 
drei  kleinere  Steine,  die  auf  drei  Seiten  aufgestellt  waren;  zwei 
derselben  hatten  gleiche  Grosse ;  der  dritte,  an  solcher  den  beiden 
anderen  nachstehend,  war  durch  einen  vierten  erganzt,  sodass 
die  dritte  Stiitze  den  beiden  anderen  entsprach.  Unter,  auf  und 
neben  dem  Steine  fanden  sich  nur  einige  Holzkohlenstiickchen  vor. 
Ein  leerer  Raum,  der  sich  unter  demselben  befand,  war  so  gross, 
dass  man  die  Hand  hineinstecken  konnte.  Derselbe  konnte  von 
einem  Fuchsbau  herriihren,  der  in  der  Nahe  festgestellt  wurde.  Die 
Abhebung  des  Steines  zum  Zweck  der  Untersuchung  der  unteren 
Schicht  erforderte  viel  Zeit  und  Mtihe,  nur  durch  Anwendung 
herbeigeschaffter  Hebebalken  gelang  es,  ihn  von  der  Fundstatte 
abzuheben.  Ein  Herausschaffen  aus  dem  Hugel  war  unmoglich, 
die  bereits  zugeschiittete  Siidseite  hatte  wieder  abgetragen 
werden  mussen.  Der  Stein  wurde  daher  wieder  mit  Erde  bedeckt. 
Pferdekopf  mit  einigen  Pferdeknochenresten  (Halswirbel) 
nordwestlich  von  H.  St.  etwa  1  Meter  und  1,90  Meter  tief  unter 
der  Oberfl&che.  Ein  Stiickchen  Leder,  Holzteilchen  und  Urnen- 
teile  lagen  in  nachster  Nahe  und  nicht  weit  da  von  etwa  1,70 
Meter  tief  in  der  NSlhe  der  Eilersschen  Ausgrabungsstelle  zer- 
kleinerte  Menschenknochen. 

Urn  en.  Nur  eine  wurde  vollig  unversehrt  geborgen.  Es 
wurden  5  aufgefunden,  jede  abweichend  in  der  Form  von  einander. 
1.  (Abbildung  II).  R5tliche  Urne  mit  2  Henkeln  und  Resten 
einer  Deckelschale,  an  der  Nordseite,  2  Meter  vom  H.  St., 
2,70  Meter  tief  unter  der  Oberflache.  Oberer  Rand  im  Durch- 
messer  14,8  cm,  Mitte  23,  Boden  9,3,  Hohe  23.  Zerbrochene 
Tonscherben  dartiber.  Inhalt:  zerkleinerte  Knochen,  Asche 
und  Sand.  Keine  Steinpackung.  Zerbrochene  Bronzenadel 
oben  auf. 


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—     498    — 

2.  (Abbildung  III).  Rotliche  Urne,  ebenfalls  nOrdlich;  2,55  Meter 
unter  der  Oberfl&che,  4,30  Meter  von  H.  St.,  mit  zer- 
brochener  Deckelschale.  Oberer  Rand  15  cm,  Mitte  24,  Boden 
9,3,  Hohe  22,  in  der  Form  der  ersten  ahnelnd.  In,  unter 
und  neben  ihr  keine  Beigaben;  mit  Steinpackung.  Inhalt: 
Knochen,  Asche  und  Sand.  Fasern  von  Heidekraut  durch 
die  Urne  gewachsen. 

3.  (Abbildung  IV).  Rotliche  Urne,  nordwestlich,  75  Zentimeter 
von  H.  St.,  2  Meter  unter  Oberfl&che.  Oberer  Rand  18,5, 
Mitte  30,  Boden  9,5,  H6he  20  cm.  Ausgebaucht  mit  2 
Henkeln  und  Deckelresten.  Ohne  besondere  Fundgegen- 
stande.     Inhalt  wie  bei  1  und  2. 

4.  Urne,  Nordosten,  1,85  Meter  unter  der  Oberfl&che,  7,60  Meter 
von  Pr.  St.,  10  Zentimeter  unter  Moorschicht.  Mit  Stein- 
packung. Die  Urne  stand  auf  dem  Kopfe  und  fiel  trotz 
sorgfaltigster  Schonung  nach  der  Ueberfuhrung  aus  dem 
Hugel  v511ig  auseinander.1)  Inhalt  wie  bei  den  vorigen 
Urnen.  Teile  eines  Bronzedolches  oben  auf,  in  der  nachsten 
Umgebung  Holzkohlenreste  und  Scherben. 

5.  (Abbildung  V).  Schwarzliche  Urne  mit  2  Henkeln,  gerade 
im  Norden,  2,35  Meter  unter  der  Oberfl&che,  8,50  Meter 
von  Pr.  St.  Eine  hiillenlose  Bestattung  von  25  Zentimetern 
Hohe  tiber  der  Urne.  Inhalt  wie  bei  den  andern  Urnen. 
Steinpackung.  Oberer  Rand  13,  Mitte  21,  Boden  7,  Hohe 
17,5  Zentimeter.  Reste  eines  Bronzedolches  oben  auf  der 
Knochenschicht  der  Urne. 

HQllenlose  Beisetzungen. 

1.  An  der  Nordostseite,  11  Meter  vom  Pr.  St.,  1,55  Meter  unter 
der  Oberflache  ein  Leichenbrand  mit  Kohlenresten  ohne 
irgendwelche  Beigaben.  Derselbe  lag  unmittelbar  unter  der 
Moorschicht. 

2.  Bei  den  trigonometrischen  Steinen  ein  Nest  von  zerkleinerten 
Menschenknochen  und  Holzkohlenresten. 


*)  [Nach  den  erhaltenen  Scherben  muss  sie  in  Grosse,  Form  und 
Farbung  fast  vollig  mit  der  im  Jahre  1898  von  dem  verstorbenen  Lehrer 
Eilers  ausgegrabenen,  u.  Nr.  I  abgebildeten  Urne  ubereingestimmt  haben ; 
nur  fehlt  den  Resten  unter  dem  henkelartigen  Buckel  die  flache  Vertiefung. 
Auch  die  Fundstelle  der  Eilersschen  Urne  liegt,  wie  der  Herr  Verfasser 
mitteilt,  im  nordlichen  Teile  des  Hugels.   R.] 


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-     499    — 

3.  Ebenso  3,84  Meter  tief,  2  Meter  von  H.St,  ostlich,  ein  solches 
von  etwa  1/%  Meter  Umfang. 

Feuerstitten. 

1.  An  der  Nordwestseite,  etwa  ein  Meter  breit  und  1,80  lang 
mit  Erhebungen  und  Vertiefungen,  Asche  und  Holzkohlen- 
resten.  21/2  Meter  unter  der  Oberflache  des  Hiigels,  3  Meter 
von  H.  St.  entfernt. 

2.  Genau  im  Osten,  1,40  Meter  unter  der  Oberflache,  10  Meter 
von  Pr.  St.,  1,80  Meter  Umfang. 

Von  beiden  konnten  nur  Bruchstucke  geborgen  werden, 
erstere  zerfiel  gleich  nach  der  Blosslegung,  und  die  zweite  wurde 
durch  die  Ungeschicklichkeit  eines  Arbeiters  beim  Herausnehmen 
zerbrochen. 

Bronzefunde. 

1 .  Eine  zerbrochene  Nadel  in  einem  Neste  zerkleiner ter  Menschen- 
knochen  von  20  Zentiraetern  Umfang  mit  Holzkohlenresten 
ohne  Urnenteile  an  der  Siidwestseite,  2,35  Meter  unter  der 
Oberflache,  3  Meter  vom  H.  St.,  70  Zentimeter  unter  der 
Moornarbe. 

2.  Im  Nordosten,  3  Meter  vom  Pr.  St.?  1,50  Meter  unter  der 
Oberflache,  30.  Zentimeter  unter  der  Moornarbe  Bronze- 
teilchen. 

Ein  Feuersteinmesser  fand  sich  2,35  Meter  unter 
der  Oberflache,  3  Meter  vom  H.  St.  in  siidlicher  Richtung,  wo 
auch  Spuren  einer  vollstandig  vermoderten  Urne  angetroffen 
wurden. 

Sonstige  Funde  anFeuersteinen,die  Bearbeitung  zeigten , 
wurden  sorgfalltig  aufbewahrt  und  harren  der  naheren  Be- 
stimmung,  die  nur  an  Orten,  wo  ahnliche  Funde  aufbewahrt 
sind,  vorgenommen  werden  kann.  Angaben  in  der  einschl&gigen 
Litteratur  sind  allein  nicht  ausreichend,  es  bedarf  dazu  der 
Vergleichung  mit  gleichartigen  Gegenstanden.  Unbestimmbare 
und  zweifelhafte  Fundstiicke  sind  gleichfalls  aufgehoben  worden. 

Der  Lehrer  Eilers  folgert  in  dem  mir  abschriftlich  vor- 
liegenden  Berichte  fiber  seine  schon  genannte  Ausgrabung  i.  J. 
1898  aus  dem  Befunde  der  drei  Bodenschichten  des  Hiigels 
(oben  in  Starke  von  2  Metern  schwarze  Erde,  in  der  Mitte 
Moorschicht  und  unten  Sand),  dass  der  Htigel  urspriinglich  ein 
natdrlicher,  reich  von  Heidekraut   und  Flechten   bewachsener 


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—    600    — 

Hiigel  gewesen  sei,  der  zur  jlingeren  Bronzezeit  als  Begrabnis- 
statte  diente ;  in  spaterer  Zeit  habe  man  den  Hiigel  wesentlich 
vergrossert  und  erhoht,  wodurch  das  Heidekraut  zu  Moor  um- 
gewandelt  sei.  Die  obere  Schicht  habe  nirgends  eine  Spur  von 
Urnenscherben  oder  Knochen  aufgewiesen,  wohl  aber  hatten  sich 
an  ihrer  Oberflache  vereinzelte  Holzkohlen  gezeigt.  „Wir  konnen 
also  die  Vergrosserung  des  Hugels  nicht  zum  Zweck  der  Toten- 
bestattung  auffassen,  und  doch  muss  ein  wichtiger  Grund  solche 
grosse  Miihe  und  Arbeit  veranlasst  habena. 

In  anderen  Teilen  der  Provinz  Hannover  sei  man  durch 
Funde :  an  Heerwegen  gelegene  Schanzen,  naturliche  und  kunst- 
liche  Hiigel  und  deren  Benennungen,  zu  der  Vermutung  ge- 
kommen,  dass  unsere  Vorfahren  an  ihren  Verkehrsstrassen 
Wartepunkte  hatten,  von  denen  aus  sie  in  Kriegszeiten  durch 
Feuerzeichen  das  Nahen  des  Feindes  verkiindeten.  Eilers  mochte 
daher  in  dem  Rabbelsberg  einen  solchen  Wartepunkt  erkennen. 

Ich  vermag  diese  Ansicht  nicht  zu  teilen.  Wie  schon 
oben  erw&hnt,  hat  die  Ausgrabung  gezeigt,  dass  es  sich  um 
einen  Hiigel  aus  einem  Gusse  handelt,  zu  dem  das  Material 
aus  nachster  Nahe  zu  beschaffen  war.  Die  Moornarbe  liegt 
(iberall  unter  der  Moorerde,  ist  also  bei  Aufschiittung  des  Hugels 
naturgemass  zuerst  abgetragen  und  somit  unter  die  Moorerde 
gekommen.  Die  Lage  der  Fundgegenstande  zeigt  in  iiberzeugen- 
der  Weise,  dass  dieselben  auf  kiinstlich  erhohtem  Mutterboden 
beigesetzt  und  hernach  noch  mit  einer  Schicht  desselben 
Sandes  bedeckt  worden  sind.  Zur  Deckung  derselben  in  dem 
leichtbeweglichen  Sandboden  wurde  dann  eine  schwere  und 
feuchte  Moorschicht  herbeigeholt  und  diese  noch  mit  schwarzem 
Sande  bedeckt.  Dass  Kohlenreste  iiberall  im  Hiigel  und  somit 
auch  von  Eilers  an  der  Oberflache  gefunden  worden  sind,  kann 
dem  nicht  entgegenstehen.  Die  beiden  Feuerstatten  beweisen 
zur  Genuge,  dass  die  Leichenverbrennungen  an  der  Stelle  statt- 
gefunden  haben,  wo  sich  jetzt  der  Hugel  erhebt ;  und  dass  nach 
der  Verbrennung  und  bei  der  Bestattung  der  Ueberreste  leichte 
Kohlenteile  durch  Luftbewegung  in  die  zur  Aufschtittung  ver- 
wendete  Erde  gelangen  konnten,  liegt  auf  der  Hand. 

Will  man  nun  den  obenerw&hnten  Stein  als  Opferstein  an- 
sehen,  wie  ja  auchHarkenrohtinseinenOorsprongkelykheden  S.  853 
den  Rabbelsberg  als  Opferstatte  anspricht  und  eine  Deutung  des 


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—     501     — 

Namens  in  seiner  Weise  bringt,  so  folgt  daraus,  dass  es  sich 
um  eine  wichtige  Kultstatte  der  damaligen  Bewohner  des  Landes 
handelt,  bei  der  man  die  Gebeine  hervorragender  Helden  bei- 
setzte.  Man  kann  aber  auch  mit  demselben  Rechte  annehmen, 
dass  der  Htigel  aufgeschttttet  worden  ist,  um  Helden  zu  be- 
statten,  die  wegen  besonderer  Verdienste  eine  hervorragende 
Beisetzung  verdienten  und  denen  man  neben  Tieropfern  (Pferde- 
schadel)  auch  Menschenopfer  (Kriegsgefangene  oder  Sklaven) 
darbrachte.  Als  solche  mochten  die  hiillenlosen  Bestattungen 
anzusehen  sein.  Aber  welcher  Ansicht  man  auch  beitreten  will, 
immerhin  handelt  es  sich  bei  dem  Rabbelsberg  um  eine  Statte, 
wo  ausgezeichnete  Menschen  der  Vorzeit  zur  letzten  Ruhe  bei- 
gesetzt  wurden,  und  daher  erklart  sich  wohl  auch  der  Umfang 
des  Httgels,  wie  er  nur  selten  in  ahnlichen  Falllen  vorkommen 
dttrfte. 

Eine  Vergleichung  der  Urnenfunde  mit  gleichartigen,  die 
hier  an  Ort  und  Stelle  nicht  moglich  ist,  wird  leicht  die  Zeit 
der  Entstehung  des  Htigels  feststellen  konnen.  Nach  meiner 
Ansicht  dttrfte  wohl  die  jttngere  Bronzezeit  als  solche  anzusehen 
sein,  in  der  man  auf  die  Einrichtung  der  Begrabnisstellen  im 
Gegensatz  zu  den  vorangehenden  Zeiten  nicht  mehr  viel  Mtihe 
aufwendete,  sondern  nur  den  Httgel  tttrmte  und  die  Reste  des 
Leichenbrandes  in  Tongefassen,  oft  auch  in  der  blossen  Erde 
beisetzte.  Die  Urnen  selbst  sind  primitiver  Art  und  daher 
wenig  haltbar  gewesen,  der  Druck  der  schutzenden  Oberschicht 
hat  sie  zerbrechen  lassen,  und  die  Beigaben  sind  diirftig  und 
von  keiner  Haltbarkeit. 

Da  ohne  Zweifel  der  Hiigel  die  Ueberreste  bedeutender 
Menschen  der  ostfriesischen  Vorzeit  in  sich  aufgenommen  hat, 
von  deren  Wirken  vielleicht  ein  langst  verklungenes  Lied  Kunde 
gab  und  mit  dem  eine  jungere  Zeit  die  Erinnerung  an  den 
letzten  heldenhaften  Vertreter  des  Heidentums  im  Kampfe  gegen 
das  Christentum,  an  Konig  Radbod,  verband,  so  dttrfte  es  sich 
empfehlen,  den  Httgel,  der  jetzt  keinen  wttrdigen  Eindruck 
macht,  wieder  in  Stand  zu  setzen. x) 

Aurich,  28.  September  1904. 

Archivrat  Dr.  Wachter. 


!)  Ist  inzwischen  erfolgt. 


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—    502    — 

XVIII. 
Zu  S.  202  und  S.  220  des  Jahrbuchs  Band  XIV. 

(Dr.  Hayo  Hompen,  Otto  v.  Diepholt,  Johann  v.  Lingen) 
diirften  folgende  Erganzungen  willkommen  sein: 

1.  Erader  Kontr.-Prot.  Jahr  1516,  S.  200. 

Der  Woilgeleerte  Meister  Rolef  Huesmann  verkauft  dem 
ErbarenDuchtigenFfoelefFtor  Knypenss  und  Inhuess  Hovetlinck 
(ausgel.  „unda)  der  Dogentsamer  Vrow  Ymelen  (S.  164  und  184 
ibid,  heisst  sie  Hymen)  syner  eelicker  gesellynnen  und  ihrer 
beider  Erben  oder  dem  Inhaber  des  Briefes  eine  j.  Rente 
von  6  Rh.  Gulden  zu  8  Emder  scapen  aus  seinem  halben 
Hause  und  Warf,  die  er  von  seiner  sel.  Mutter  Gertrud 
van  Lyngen  geerbt  hat. 

2.  ibid.  Jahr  1517,  S.  228. 

Johann  van  Lyngen,  sal.  Lamberdes  soene,  verkauft 
dem  Erbairen  Woilduchtigen  Juncker  Doeden  Mannynga  to 
Ltitzborch  Junckeren  eine  j.  Rente  von  6  gold.  Philippsgulden 
?tus  seinem  Hause  und  Keller  staende  an  den  Markede  up  der 
Home  beneven  dem  Raedthuse  over  de  strate,  junge  Johannes 
van  Lyngen  und  Meister  Roleffs  synes  Broders  beider 
Hues  daer  naest  by  staende  upt  W.,  unde  Aelheydes  Hues 
van  Beethen  upt  N. l) 

3.  ibid.  Jahr  1519,  S.  289. 

Der  Erb.  Woilg.  Meister  Roleff  Huesmann  und  sein  Bruder 
Arendt  Huesmann  verkaufen  ihrem  freundl.  lieben  Bruder  Jo- 
hannes van  Lyngen  jeder  seinen  Anteil  des  Hofes,  gelegen 
achter  den  Baerth  upt  Westende  des  Mynrebroder  Kerckhoff, 
soviel  sie  davon  von  ihren  Eltern  geerbt  haben. 

4.  Nach  Friedlaenders  Urk.  Nr.  1359  war  ira  Jahre  1493  Ger- 
trud van  Lyngen  die  Frau  des  Landrichters  J  oh.  Huesmann. 
Es  ist  also  wahrscheinlich,  dass  die  obengenannten  Meister 
Roleff  und  dessen  Bruder  Arend  Kinder  aus  dieser  Ehe  sind, 
weil  Gertrud  v.  L.,  nach  1,  die  Mutter  Roleffs  genannt  wird. 

5.  Nach  Emder  Kontr.-Prot.  S.  283  Jahr  1519,  S.  288  Jahr  1519, 
S.  368  Jahr  1522,  wo  junge  Johannes  van  Lingen  sal. 
Hinricksz,  also  ein  Sohn  von  Hinrich  genannt  wird,  ist  es 


l)  es  handelt  sich  also  um  das  v.  Lingensche  Haus  auf  der  Stelle 
der  jetzigen  Delfthalle,  vgl.  Beninga  S.  465. 


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—    503     — 

wahrscheinlich,  dass  seine  Mutter  Gertrud  v.  Lingen  sowohl 
die  Ehefrau  von  Heinrich  von  Lingen,  als  diejenige  von 
Joh.  Huesraann  gewesen  ist. 

6.  Nach  Emder  Kontr.-Prot.  S.  271  Jahr  1518,  S.  283  und  288 
Jahr  1519  und  S.  368  Jahr  1522  war  junge  Johannes  Hinricksz 
verheiratet  mit  Frowke.  Diese  Eheleute  verkaufen  im  Jahre 
1518  S.  271  ein  Haus  und  eine  Statte  (stede),  staende  by  den 
Delve  up  der  H5rne  mytter  Nordersyde  usw.,  das  Frowke  von 
ihrem  seligen  Grossvater  Hompe  geerbt  hat.  Hans  van 
Lingen  und  Frau  Frowke,  die  in  der  Sentenz  vom  Jahre  1527 
(Beil.  VII,  S.  220  des  Jahrbuchs)  genannt  werden,  sind  wohl 
zweifellos  identisch  mit  den  hier  erwahnten  Personen 
gleichen  Namens.  Die  Sentenz  bezeichnet  Frowke  als 
Dr.  Haio  Humpen's  Schwester,  und  der  letztere  nennt  Humpe 
und  Frau  seine  Grosseltern  (S.  230  des  Jahrbuchs) ;  demnach 
war  Humpe  Hayen  (der  bis  1511  Emder  Biirgermeister  gewesen 
ist)  identisch  mit  dem  Humpe,  von  dem  die  Frowke  das 
obige  Haus  geerbt  hatte. 

7.  Noch  eine  Beurkundung  in  den  Emder  Kontr.-Prot.  vom 
Jahre  1522  S.  368  bezieht  sich  auf  die  in  der  Sentenz  er- 
wahnten Personen.  Der  Erbar  und  bestendige  Junker  Otto  v. 
Deep  holt  und  Frau  Anna  sowie  der  Emder  Btirger  Johann 
van  Lyngen  Hinricksz  und  Frau  Frowke  einerseits  und 
Nono  Meckena  andererseits  sind  in  Streit  gewesen  wegen  der 
Naedaet  der  sal.  Heeben,  der  gewesenen  Ehefrau  von  Nono. 
Die  Nadaet  wurde  in  unserer  Urkunde  vereinbart  auf  65 
Goldgulden  zu  Sschaep,  und  dem  Nono  wurden  6Grasen  Etlandes 
im  Emder  Hammrich  zur  Benutzung  nach  freiem  Belieben 
auf  fiinf  Jahre  mit  dem  Vorbehalte  uberwiesen,  dass  die  Be- 
teiligten  das  Land  wahrend  dieser  fiinf  Jahre  gegen  Zahlung 
der  65  Goldgulden  einlosen  konnten. 

Dass  wir  bei  der  in  der  Sentenz  erwahnten  Hebe  (S.  230) 
an  die  oben  erw&hnte  verstorbene  Ehefrau  des  Nono  Meckena 
zu  denken  haben,  diirfte  wohl  nicht  zweifelhaft  sein,  zuraal 
auch  in  einer  S.  345  beim  Jahre  1520  der  Emder  Kontr.-Prot. 
verzeichneten  Urkunde  junge  Johannes  van  Lyngen  und 
Nono  Meckena  bei  dem  Verkaufe  eines  Hauses  bynnen  Emden  in 
der  Dyckstrate  wegen  der  Erben  von  sal.  Hompe  Hayen 
als    ^eteiligte    auftreten.     Zweifelhaft    ist    es    mir,    ob    die 


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—    504    — 

Angabe  auf  S.  205  des  Jahrbuchs,  dass  Anna  v.  Diepholt  die 
Tochter  der  Fossa  Horn  pen  gewesen  sei,  richtig  ist.  War 
Otto  v.  Diepholt  wegen  seiner  Frau  Anna  ein  Schwager  von 
Dr.  Haye  Hompen,  wie  auf  S.  202  angegeben,  dann  war  dieser 
letztere  Anna's  Bruder,  und  die  Anna  wird  nicht  eine  Tochter, 
sondern  ebenso  wie  die  Frowke  van  Lingen  eine  Enkelin 
der  Fosse  Hompen  gewesen  sein. 

Nach  meinen  Notizen  wird  Anna  v.  Diepholt  in  den  Emder 
Kontr.-Prot.  erstmalig  im  Jahre  1542  (S.  1248)  als  Witwe  des 
sal.  Drosten  Otto  v.  Diepholt  erwfthnt,  wo  sie  eine  Rente 
ankauft. 

P.  van  Rensen. 


XIX. 

Nachtrag  zu  Nr.  Ill,  S.  390  ff. 
(Maria  v.  Beckum  und  Ursula  v.  Werdum). 

Wertvolle  Erganzungen  und  Berichtigungen  zur  Geschichte 
der  Maria  und  Ursula  v.  Beckum  und  reiche  Anregung  zu  weiterer 
Nachforschung  bietet  die  Ende  J  904  erschienene,  mir  leider  erst 
verspatet  zugegangene  grosse  Neuausgabe  des  „Offer  des 
Heeren".1) 


l)  Vgl.  S.  403.  jHet  Offer  des  Heeren,  de  oudste  verzameling 
doopsgezinde  martelaarsbrieven  en  offerliederen,  bewerkt  door  Dr.  S. 
Cramer,  's-Gravenhage,  Martinus Nijhoff,  1904."  (Bibliotheca  Reform  a- 
toriaNeerlandica.  Qeschrif  ten  uit  den  tijd  der  Hervorming  in  de  Neder- 
landen  opnieuw  uitgegeven  en  van  inleidingen  en  aanteekeningen  voorzien 
door  Dr.  S.  Cramer,  Hoogleeraar  aan  de  Universiteit  van  Amsterdam  en 
aan  het  Doopsgezind  Seminarium  aldaar,  en  Dr.  F.  Pijper,  Hoogleeraar  aan 
de  Rijksuniversiteit  te  Leiden.  Tweede  deel).  Dr.  S.  Cramer  war  friiher 
Pastor  der  mennonitischen  Gemeinde  zu  Emden.  —  Am  Eingange  der  bluhen- 
den  niederlandischen  Kirchenliedforschung  stehen  die  Deutschen:  Hoff- 
mann von  Fallersleben  (Niederlandische  geistliche  Lieder  des  XV. 
Jahrhunderts,  Hannover  1854)  und  der  Geschichtsschreiber  des  deutschen 
Kirchenliedes,  Phil.  Wackernagel  (Lieder  der  niederl.  Reformierten  aus 
der  Zeit  der  Verfolgung  im  16.  Jahrhundert,  Frankfurt  a/M.  1867,  und 
vorher:  Bibliographic  zur  Geschichte  des  deutschen  Kirchenliedes  im  16. 
Jahrhundert,  Frankf.  a/M.  1855,  S.  504  ff.) 


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—    505    — 

S.  397.  Zweifel  an  dem  zuerst  wohl  von  de  Hoop  Scheffer 
behaupteten  Jorismus  der  Maria  v.  Beckum  und  Ursula  v. 
Werdum  aussert  auch  Cramer  S.  510.  Dass  bereits  das  tauf- 
gesinnte  Liedtboecxken  v.  J.  1563  ein  Lied  uber  sie  aufnahm, 
dass  dieses  und  das  S.  404  unter  Nr.  4  aufgefuhrte  „Ick  heb 
droefheyt  vernoraen"  schon  in  alten  taufgesinnten  Kreisen 
popular  gewesen  sind,  dass  Taufgesinnte  wie  Gerrit  und  der 
urn  1550  hingerichtete  Bartel  (s.  u.)  von  ihnen  wie  von  Glaubens- 
genossinnen  reden,  spricht  nach  Cramer  ftir  ihre  Zugehorigkeit 
zu  Mennos  Anhangern.  Die  Grenze  zwischen  Mennoniten  und 
Davidjoristen  war  1544  allerdings  noch  nicht  scharf  gezogen. 
Aufklarung  wtirde  vielleicht  der  S.  397  erwahnte  Brief  der 
Regentin  vom  7.  Januar  1545  (im  Briisseler  Archive)  geben,  der 
nach  der  Inhaltsangabe  von  de  Hoop  Scheffer  von  der  Joristerei 
der  beiden  Frauen  sprechen  mtisste. *) 

S.  400—402.  Die  Erzahlung  bei  Tilem.  van  Braght  und 
in  den  voraufgehenden  Martyrerbiichern  der  Taufgesinnten  geht 
sicher,  bis  zu  wortlicher  Uebereinstimmung,  ganz  auf  das 
„Liedtboecxkena  des  „Offer  des  Heerena  zunick.  Schon 
dieses  beginnt  mit  dem  Zwiste  Marias  und  ihrer  Mutter,  er- 
w&hnt  die  Sendung  Goesen  van  Raesfeldts  durch  den  Statt- 
halter,  die  Verhaftung  zur  Nachtzeit2).  das  Gesprach  der  beiden 
Schwagerinnen  mit  ihrem  Bruder  und  Gatten3),   die  Anwesen- 


*)  Die  in  den  Doopsgezinde  Bijdragen  1899  S.  93  ausgesprochene 
Behauptung:  „de  brieven  en  vonnissen,  in  afschrift  op  ons  archief  voor- 
handen,  wijzen  uit,  dat  zy  David- Joristen  waren14  scheint  Scheffers  Nach- 
folger,  Dr.  Cramer,  freilich  nicht  mehr  aufrecht  zu  erhalten. 

*)  Unter  dem  „grossen  Haufen  Volks,  der  um  ihretwillen  ge- 
kommen  war44  (en  als  sy  daer  eenen  grooten  hoop  Volks  sag,  die  om 
haer  gekomen  waren,  Tilem.  v.  Braght),  sind  die  Schergen  Goesen  van 
Raesveldts  zu  verstehen;  das  Liedtboecxken  hat  dafur: 

Goesen  van  Raesvelt  quam  gedraeft 

Om  dees  Jonckvrouwe  te  vangen 

Met  veel  mannen  gestoct  gestaett 

En  grooten  prael  behangen 
und  am  Rande  die  Verweisung  auf  Matth.  26,  47. 
8)  Am  Rande  der  Stelle: 

Hier  was  de  liefde  int  herte  groot 

Stercker  dan  die  bitter  doot 

ja  vaster  dan  die  Helle 


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—    506    — 

heit  der  Mutter  und  der  Schwestern  Ursulas  aus  Ostfriesland, 
es  nennt  als  Inquisitor  den  Bruder  Grouwel  von  Deventer  und 
bei  dera  Verhore  zu  Delden  den  „Commissarius  wt  tBorgoensche 
Hoftf  x),  schildert,  wie  auf  dem  Gauge  zur  Richtstatte  (zu  den 
„stakena)  Maria  und  Ursula  frohlich  singen  und  jene  dem 
weinenden  Volke  die  Tr&nen  verweist,  da  sie  nicht  als  Zauber- 
innen  (toueneeren)  oder  andere  Misset&ter  litten,  erzahlt  wie 
die  M&rtyrerbiicher  von  der  Bitte  Marias  flir  die  unschuldige 
Sch wester,  von  dem  Fluchen  des  Henkers  liber  die  Ketten,  die 
nicht  nach  seinem  Sinne  sind,  von  dem  Bemvihen  des  „Predi- 
kanten"2),  der  Ursula  den  Anblick  der  sterbenden  Maria  v. 
Beckum  zu  entziehen3),  von  dem  Grusse,  den  jene  einem  ihrer 

verweist  das  Liedtboecxken  auf  „Cant.  8  a.  6.a<,  (Hohelied  8,  6:  Denn  Liebe 
ist  stark  wie  der  Tod,  und  Eifer  fest  wie  die  Holle).  Die  Vorliebe  der 
„Scbriftuurlijke  Liedekens"  fur  das  Hohelied  hebt  die  unten  noch  wieder- 
holt  zu  erwahnende  inhaltreiche  und  feinfiihlende  Untersuchung  von 
Wieder:  De  Schriftuurlijke  Liedekens,  S.  49  hervor.  Derselbe  weist  auch, 
wie  Cramer  S.  39  und  492  f.  (und  der  von  diesem  zitierte  Busken  Huet 
in  „Het  Land  van  Rembrand"),  an  zahlreichen  Stellen  auf  den  dichteriscben 
Wert,  die  dramatische  Lebendigkeit  und  das  tiefe  Gefuhl  dieser  frommen 
Volkspoesie  hin,  die  mit  dem  Erscheinen  -der  Datheenschen  Psalmen- 
Uebersetzung  und  der  offenen  Erhebung  gegen  Spanien  1666  ihren  Ab- 
schluss  erreichte. 

*)  Die  ,Veelderbande  Liedekens"  haben  dafGr  „twee  Tyrannen  all 
uit  dat  bourgonsche  Hoff'  (vgl.  u.  zu  S.  403Zeile7j,von  den  beiden  deutschen 
Liedern  bei  Rabe  das  erste  „Vom  hauss  Burgund  ein  gross  Tyrann*,  das 
andere  „vom  Hoff  Burgund  e.  gr.  T."  Cramer  versteht  darunter  einen 
Kommissar  aus  Bnissel,  nach  Johann  v.  Beckums  Brief  S.  409  war  es  ein 
Kaiserlicher  Abgesandter  aus  dem  Hofe  von  Geldern  zu  Arnhem. 

*)  Ueber  den  Ausdruck  „Predikant"  fur  .Pastor"   s.  Cramer  S.  506. 

s)  Maria  wurde  vielleicht  (trotz  Offer  des  Heeren  Str.  24  und  Veelder- 
hande  Liedekens  Str.  6)  nicht  sofort  verbrannt,  sondern  zunachst  durch 
den  Henker  erwurgt.  Dem  Anzunden  des  Scheiterhaufens  ging  in  der 
Regel  die  Erwurgung  (BworgenK,  „smoorena,  Bmet  coorden  woelen8,  vgl. 
Cramer  Offer  des  Heeren  S.  534)  vorauf,  oder  es  wurde  der  Tod  durch 
die  Explosion  eines  an  den  Hals  des  Verurteilten  gehangten  Taschchens 
mit  Pulver  beschleunigt.  Verbrennung  bei  lebendigem  Leibe  war  eine  be- 
sondere  Verscbarfung  der  Strafe,  vgl.  Hoog,  De  Martelaren  der  Her- 
vorming,  S.  181  f.  Von  der  Hinrichtung  durch  Ersticken  im  Rauche 
(^Schmauchung")  meldet  Hoog  nichts,  Tiaden  G.  0.  Ill  105  fahrt  fiber  diese 
Strafe  eine  Stelle  aus  Zedlers  Universal-Lexikon  XXXV  S.  278  an.  Die 
Bibliotheca  Belgica  gibt  in  der  Bibliographie  des  martyrologes  protestants 
nSerlandais  (M  226,  Notes  preUiminaires,  S.  13)  fur  die  Niederlande  unter 
der  spanischen  Herrscbaft  als  erste  der  drei  Hinrichtungsarten  durcb  das 


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-    507    — 

„Meyeru  fur  ihren  Gatten  auftragt,  und  stellt  ihre  letzten 
Augenblicke  tiberhaupt  genau  ebenso  dar.  —  Um  so  wahr- 
scheinlicher  ist  es,  dass  aucb  im  „Liedtboecxken"  die  Quelle 
der  Erzablung  teilweise  in  Johann  v.  Beckums  Haus  selbst 
gesucht  werden  muss.1) 

Nach  den  zwei  bei  Rabus  erhaltenen  altesten  Liedern  vom 
Jahre  1545  trat  schon  bei  den  Schwestern  von  Beckum  das 
Wunder  des  kurz  nachher,  am  28.  MaLrz  1545,  in  Leeuwarden 
verbrannten  Franz  von  Bolsward  em:  die  Leichen  blieben  auf 
dem  Scheiterhaufen  unversehrt  (Cramer  S.  509)2).   Eine  verwandte 

Feuer  an,   dass  man    den  Verurteilten   in  eine  auf  dem  Scheiterhaufen 

errichtete  Strohhutte  stellte,  worauf  Scheiterhaufen  und  Stroh  gleichzeitig 

angezftndet  wurden;   das  Opfer  war,  ehe  es  vom  Feuer  beriihrt  wurde, 

im  Rauche  erstickt.    Bei  Maria  und  Ursula  v.  Beckum,   deren  KSrper 

von  den  Flammen  auch  nachher  nicht  verzehrt  wurden,  scheint  es  fraglich, 

ob  bei  ihnen  an  diese  Todesart  zu  denken  ist.  —  Die  voraufgehende  Er- 

wurgung  durch  den  Henker  erwahnt  die  Bibl.  Belgica  an  zweiter  Stelle. 

l)  Die  hone  Glaubwurdigkeit  der  M&rtyrerlieder  im  Allgemeinen, 

die  wohl  samtlich  bald  nach  dem  Tode  der  Opfer,  ja,  zuweilen  noch  vor 

der  eigentlichen  Vollstreckung  des  Urteils,  manchmal  von  Augenzeugen 

und  sogar  von  den  Verurteilten  selbst  gedichtet  wurden,  weisen  Hoog, 

De  Martelaren  der   Hervorming  in  Nederland  tot  1566  (Schiedam  1885), 

S.  213  f.,  S.  Cramer,  De  geloofwaardigheid  van  van  Braght,  in  den  Doops- 

gezinde  Bijdragen  1899  S.  95  ff.,  Offer  des  Heeren  S.  491  und  Dr.  F.  C. 

"Wieder,   De  Schriftuurlijke  Liedekens   (De  Liederen   der  Nederlandsche 

Hervormden  tot  op  het  jaar  1566,  's-Gravenhage  1900),  S.  103  ff.  nach.  Zu 

den  grossenMartyrerbuchern  bilden  fur  die  niederlandischen  Taufge- 

sinnten  ausser  den  im  „  Offer  des  Heeren*  enthaltenen  Briefen,  Bekenntnissen 

and  Testamenten  der   Martyrer,  wo  Lieder  vorhanden  sind,  diese  die 

Hauptquelle  (Cramer,  Het  Offer  des  Heeren,  S.  39),  daneben  benutzten  die 

Herausgeber  weniger  gedruckte  historische  Werke  als  eifrig  gesammelte 

mundliche  Ueberlieferungen  und  seit  dem  Hoorner  Opferbuche  von  1617  die 

Sentenzenbucher  der  Stadte,  in  denen  die  Hinrichtungen  voilzogen  worden 

waren,    die   letzteren   zog  namentlich  Til.  v.  Braght,   dessen  Werk  zum 

ersten  Male  1660  erschien,   heran  (Cramer,  Doopsgezinde  Bijdr.  1899,  S. 

76  ff).   Die  alteste   Chronik   der   taufgesinnten  Martyrer  erschien  unter 

der   Leitung  des  Hans  de  Ries  (vordem,  1593—1598,  Prediger  der  water- 

l&ndischen  Mennoniten-Gemeinde  in  Emden)  1615  zu  Haarlem  unter  dem 

Titel  „Hi8torie  der  martelaren  ofte  waerachtighe  getuigen  Jesu   Christi, 

vgl.    de   Hoop   Scheffer,  Onze   Martelaaraboeken,    in   den   Doopsgezinde 

Bijdragen  1870  S.  63.    In  der  Geschichte  der  Maria  und  Ursula  v.  Beckum 

ist    Til.  van  Braght,  wie  gesagt,  ausschliesslich  dem  Liedtboecxken  des 

Offer  des  Heeren  gefolgt. 

*)  Rabus  im  ersten  Liede  (Spruche) :  Wie  vast  der  Henker  sich  muhet 

Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  a.  vatorl.  Altertiimer  ca  Emden,  Bd.  XT.  33 


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—    508    — 

Erz&hlung  erscheint  auch  in  den  taufgesinnten  MartyrerbGchem 
seit  dem  im  Jahre  1617  zu  Hoorn  herausgegebenen  zweiten  Drucke 
der  „Historie  der Martelaren" :  zwei  treue  Briider,  Bartel  und  Gerrit, 
hatten  der  Hinrichtung  auf  dem  „Hauseu  zu  Delden  beigewohnt 
und  Maria  sagen  horen:  „Der  Pfahl,  woran  icb  gebunden  bin, 
wird  spftter  zum  Zeichen,  dass  ich  um  der  Wahrheit  willen 
leide,  griinen".  Als  sie  einige  Zeit  nachher  den  Richtplatz 
wieder  betreten  hatten,  seien  an  dem  Pfahle  in  der  Tat  grflne 
Triebe  zu  Tage  getreten.  In  Antwerpen,  wo  beide  spater  lebten, 
erz&hlten  sie  das  Wunder  dem  Aeltesten  Hendrick  v.  Aernem 
und  dem  Jan  Lubbertz;  da  habe  jener  voll  Schrecken  ausgerufen: 
„Ich  wtirde  dies  euch  nicht  nachzuerz&hlen  wagentt.  Bartel 
wurde  um  das  Jahr  1550  auf  dem  Hause  zu  Berchem  bei 
Antwerpen  hingerichtet,  vgl.  Til.  v.  Braght  II  S.  102  und  Cramer 
S.  510.  Ausser  den  beiden  obengenannten  erwahnt  das  Martyrer- 
buch  von  1685  nur  zwei  solche  Wunder,  ein  Beweis  fttr 
den  tiefen  und  nachhaltigen  Eindruck,  den  Marias  und  Ursulas 
Schicksal  auf  ihre  Glaubensgenossen  machte.  In  der  Sage  der 
beiden  Lieder  v.  J.  1545  liegt  aber  ein  wahrer  Kern  in  dem 
nur  von  Johann  v.  Beckum  in  seinem  Briefe  vermeldeten  Um- 
stande,  dass  seine  Schwester  und  seine  Gattin  nicht  verb  rann  t, 
sondern  nur  im  Rauche  erstickt  wurden  und  dass  ihre  K5rper 
daher,  wie  er  klagt,  noch  wochenlang  tiber  der  Erde  hangen 
konnten. 

S.  401  Anm.  3.  Das  Haus  Zwigkel  nennen  statt 
Delden  beide  Lieder  bei  Rabus.  [Dass  in  der  Tat  wahrscheinlich 
Twickel  bei  Delden,  nicht  Delden  selbst,  der  eigentliche  Ort 
des  VerhSres  und  der  halbjahrigen  Haft  war,  wird  unten  zu 
S.  403  Zeile  7  (S.  513)  gezeigt  werden.] 

S.  403  Zeile  7  (Lied  1  und  2).  Beide  deutschen  Lieder1) 


mit,  So  kundt  er  doch  verbrennen  nit,  Die  todten  Kdrper  bliben  blosa 
Stehen  zum  Zeichen  also  gross. 

^richtiger:  „Der  Spruch  und  das  Lied".  In  der  Zeit  des  deutschen 
Minnegesangs  und  der  Meistersinger  unterschied  man  den  gesprochenen  (?) 
einstrophigen  , Spruch"  von  dem  gesungenen  mehrstrophigen  ,  Lie  do", 
dessen  Strophen,  wie  in  dem  „Liede"  bei  Rabus  und  im  Offer  des  Heeren 
(8owie  in  vielen  deutschen  Kirchenliedern),  aus  zwei  „Stollen"  und  dem 
jAbgesang"  bestanden. 


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—    509    — 

sind  oSenbar  Bearbeitungen  eines  und  desselben  Origin  ales,  auf 
das  aber  zu  einem  guten  Teile  auch  die  Veelderhande 
Liedekens  zuriickgehen.  Diese  stimmen  an  vielen  Stellen, 
namentlich  (abgesehen  von  den  4  Schlusszeilen  der  dritten  und 
den  vier  Anfangszeilen  der  vierten  Strophe,  die  dem  Liede  des  Offer 
des  Heeren  eng  verwandt  sind),  in  der  ersten  H£lfte  (Strophe  1—5) 
fast  wortlich  mit  jenen  iiberein  und  unterscheiden  sich  hier  von 
ihnen  nur  dadurch,  dass  sie  ausdriicklich  den  Herrn  von 
Usselstein1)  als  Statthalter  erw&hnen,  dass  sie  die  weiteren 
Verhandlungen  von  »Zwigkela  nach  Delden  verlegen,  statt  eines 
„Tyrannen  aus  dem  burgundischen  Hofea  von  zweien2)  sprechen 
und  dass  in  ihnen  (wie  im  Offer  des  Heeren)  Ursula  ftir  den 
Abfall  vom  Glauben  nicht  das  Leben  zugesichert  erhalt. 

Lied  1  (n8pruchu)  b.  Rabus*)  (1545).  Veelderhande  Liedekens*)  (1559). 

Str.  2. 
Oehn  Deuenter  wwrdens  gebracht,  Men  deedse  te  deventer  brengen 

Str.  3. 
Der  Statthalter  aufs  seiner  Macht,  Be  Stadthouder  deed  haer  vragtn, 

Fragt  sie  was  jhr  glaube  wcr?  wot  hoar  gelove  toeer, 

Spraehen  wir  glauben  an  Christi  lehr.     darop  deeden  sy  geicagen, 

dat  i(s  na  Christufs  Leer. 

Str.  4. 
Zu  schrecken  die  frommen  Christen,        Twee  Tyrannen  deeden  sy  kriegen 


*)  Der  Name  fehlt  auch  im  Liedtboecxken  des  Offer  des  Heeren. 

*)  Vielleicht  schwebte  dem  Dichter  dabei  ausser  dem  Kaiserlichen 
Kommis8ar  der  im  Offer  des  Heeren  genannte  Inquisitor  Grouwel  aus 
Zwolle  oder  der  Pastor  von  Delden  vor;  aber  jener  war  nach  dem  Offer 
des  Heeren  nur  bei  dem  VerhOre  in  Deventer  tatig. 

•)  nach  der  Strassburger  Ausgabe  von  1572,  H  fol.  686. 

*)  nach  dem  Abdrucke  bei  Tiaden  G.  0.  HI  S.  108,  dem  die  Aus- 
gabe  der  Veelderhande  Liedekens  von  1577  (Wieder,   De  Schriftuurlijke 
Liedekens,  S.  158)  zu  Grunde  liegt.  Das  Lied  auf  Maria  und  Ursula  findet 
sich  zuerst  in  einer  wahrscheinlich  1559  erschienenen  Ausgabe  (Wieder 
S.  142).    Tiaden  gibt  es  nach  einer  Abachrift,  die  derUrenkel  von  Ursulas 
jOngstem  Bruder  Hero  v.  Werdum,  Ulrich  v.  Werdum,  laut  seiner  Unter- 
schrift  zu  Petkum  am  19.  Juli  1679  aus  dem  genannten  Liederbuche  ge- 
nommen  hatte  („Gedruckt  in  een  Hollandfs  gesangboeck  van  veelderhande 
Gestelycke  Lydeckens  int  Jaer  onses  Heeren  MDLXXVHtf).    Der  Titel : 
„ Veelderhande  Gestelycke  Lydekens"   kommt  nicht  ganz  mit  dem 
von  Wieder  S.  158  angegebenen uberein ;  .Veelderhande  gheestelicke 
Liedekens"  waren  eine  nichtmennonitische  Sam m lung,  vgl.  Wieder  S.  135, 
139,  160,  ferner  oben  S.  404  Anm.  1  und  unten  die  Berichtigung  dazu. 

33* 


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—    510    — 

Aufs  geschickt  ward  mit  listen  all  uit  dot  bourgonsche  Hoff 

Vomhaufsl)Burgundeingrofi  Tyrann})  an  den  (lies:  omde)  Joncfrowen  te  bedriegen 

Str.  5. 
Nach  ChrisH  lehr  das  klar  erscheint,       Alfs  Christus  onfs  Heere  verheven 
Wie    Marcus   am   sechtzehenden  Spreckt  Marcus  ant  festiende  voort. 
meldt.*) 
(Babus  Lied  2.)  Str.  5. 

Weitter  wurden  gefragt  behend,  Men  vraegde  Haer  sonder  ccsseren, 

Ob  sie  auch  theten  Glaubcn,  Naet  Papen  Sacrament. 

Wot  an  der  P faff en  Sacrament. 

Str.  6. 
Auffsolchbekanntnufsgenommenward  De  iongste  ifs  erst  genoomen, 
Die  jUngst  Maria  genannt  so  zart.      Juffrou  Maria 

(Babus  2.)  Str.  7. 

Sie  sprach  solt  ich  abweichen  drot*)  Sout  gy  my  van  de  waerheyt  dryven 

Von  Oottes  wort  so  reinet  om  deesen  Tydelycken  doot, 

Von  wegen  des  zeitlichen  todt,  Neen    by    Christum   wU   ick    vrwm 

Bei  Christo  bleib  aUeine.  blyven*) 

Str.  8. 
Weitter  sie  ward  vermanct  hart,  ook  brachten  sy  haer  ter  handen 

Umbs  fchwerdt  iu  bitten,  Te  bidden  all  om  dat  Schwerdt, 

es  sprach  die  zart, 

Was  meine  Schwester  gelitten  hatt,    met  haer  Silfster  te  verbranden, 
Das  leid  ich  auch  an  diser  statt.  heeft  sy  also  begeert. 

Doch  auch  zwischen  dem  trotz  seiner  Lange  an  originaler 
Frische  nnd  poetischer  Kraft  die  iibrigen  weit  iiberragenden 
Liede  im  Offer  des  Heeren  und  demjenigen  in  den 
Veelderhande  Liedekens  bestehen  so  grosse  Aehnlich- 
keiten,  dass  bei  dem  einen  die  Bekanntscbaft  mit  dem  andern 
ausser  allem  Zweifel  steht;  merkwtirdig  ist  dabei  die  Art  der 
Nachdichtung:  das  eine  Lied  hat  offenbar  absichtlich, 
beinahe  spielend,  die  Verszeilen  des  anderen  fast  tiberall  u  m- 
g  e  s  t  e  1 1 1.    Die  Frage  der  Prioritat  ist  schwer  zu  entscheiden. 


x)  Lied  2  bei  Rabus :  Vom  Hoff  Burgund. 

')  Das  Offer  des  Heeren  gebraucht  das  Wort  an  einer  andern  Stelle, 
bei  Ursulas  Tod:  Str.  27  Seer  ras  hoorde  die  Tyran  de  reden. 
')  Im  Offer  des  Heeren,  auch  am  Rande,  fehlt  Marc.  16. 
*)  =  niederdeutsch  drade,  mhd.  drate  (schnell)? 
8)  vgl.  auch  Offer  des  Heeren  Str.  24. 


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—    511     — 

Dass  das  Gedicht  der  V.  L.,  obwohl  es  schon  1559  nachweisbar 
ist,  an  Alter  hinter  dem  im  Drucke  erst  1563  vorliegenden 
Liede  des  Offer  des  Heeren  zuriicksteht,  dafur  sprechen  die  zahl- 
reichen  glaubwtirdigen  Einzelheiten,  die  dieses  angibt.  Ebenso 
scheint  jenes  auch  im  Vergleiche  zu  den  Rabusschen  Liedern 
eine  jtingere  Gestalt  darzubieten  (s.  u.  S.  514). 

Offer  des  Heeren  (1563).        Y  e  elder  hand  e  Li  edekens  (1559). 

Str.  9.  Sir.  3. 

Doer  na  brachtmense  op  dat  huys      Men  voorde  se  sonder  Oecken 
Te  Del  den  hooge  van  mueren  te  del  den  all  op  dat  Huifs 

Om  af  te  t  reck  en  met  confuys  an   (lies :  om)   van  de  Warhcyt  af  te 

trecken 
Bedreuen  sy  veel  cueren.  dat  waefs  haer  so  grooten  Qruifs. 

Str.  4. 
Dies  hodden  sy  seer  deynen  I  o  f  Twee  Tyrannen  deeden  sy  kricgen, 

Sy  deden  wt  tBorgoensche  Hof      all  uit  dat  bourg onsche  Hoff 
Een  Commissarius  doer  comen  anden(lies:omde)Joncfrowentcbedriegen, 

Om  die  vrouwrn  te  ontvromen.1)  defs  hodden  sy  geen  L  o  ff. 

Str.  13.  Str.  5. 

Hoe  moecht  ghy  vragen  dock  so  blent  Wy  houden  van't  Na chtmahl  onses 
Vant  Auontmael  houden  wy  vele.  Heeren 

ho  vraegt  gy  also  blent. 

Str.  20.  Str.  6. 

Erst  namen  sy  Mary,  die  badt  seer  soet  Sy  badt  al  sonder  verdrieten 
Douerheyt  sonder  verdrieten     de  0  verheyt  seer  soet 
Datsydochdatonschuldich  bloet  dat  sy  niet  meer  souden  vergieten 
Niet  meer  souden  vergieten.  dat  recht  onschuldig  bloet. 

Str.  24.  Str.  7. 

Sy  quamen  haer  naerder  by  cant  d}  ander  vraegden  se  mit  Practyken 

JEn  vraechden  met  practij cken  Vrsel  waer  sy  genaemt 

Haer  suster  was  deerlijck  verbrant   oft  sy  niet  woude  afwycken 
Oft  sy  niet  wilde  afwijcken.      haer Silfster was geb rant, geblaemt. 
Nun,  omden  doot  die  ghy  my  aendoet  Sout  gy  my  van    de  waerh  eyt 

dryven 


')  ontvromen  eigentlich  =  die  Tachtigkeit,  den  Mut  nehmen,  hier: 
im  Glauben  wankend  machen,  vgl.  Veelderh.  Lied.  Str.  6 :  om  Haer  fufter 
te  ontvromen,  Str.  7  Neen  by  Christum  wil  ick  vroom  blyven.  Rabus  1 
hat  dafflr:  Zu  schrecken  die  frommen  Christen. 


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—    512     — 

WU  iek  niet  ouergeuen  deewich  goet        om  dee$en  Tydelycken  doot.1) 

Sout  ghy  my  van  de  waerheyt  Neen  by  Christum  wil  iek  vrosm 

drijuen  blyvcn*) 

Neen,  by  Christum  wil  iek  vroom  Myn  htilper  in  alter  Noot. 

blijuen. 


Str.  28. 
Dus  tijn  dese  Schaepkens  totten  ent 
Beyde  volstondich  gebleuen 
En  hebben  met  hoer  doot  present 
Oods  woort  een  zegel  gegeuen. 

Str.  29. 
0  Heer  verhoort  doch  ons  gtdach 
W%U  dese  dagen  vercorten 
En  uwen  Qeest  sender  verdrach 
In  onse  herten  storten. 


Str.  8. 
Dufs  syn  sy  afgescheyden 
tt  betuigen  dot  Oodtlycke  woort 
al  an  (lies :  om)  de  Waerheit  te  verbrtydt* 
Storven  sy  ongestoort. 

Str.  9. 
Heer  wilt  de  doge  vercorten 
8eynt  ons  den  H.  Geest, 
en  wilt  de  in  Onfs  alle  storten 
int  lyden  aUermeeft. 


Beziehungen  zwischen  dem  Offer  desHeeren  und  dem 
Originate  der  Rabusschen  Lieder  sind  dagegen  kaum  an- 
zunehmen,  wenn  man  solche  nicht  etwa  in  folgenden  Stellen 
erkennen  will: 


Offer  des  Heeren  (1563). 


Babus  Lied  1  (1546). 


Str.  11. 
Voort  heeft  hy  haer  geuraget  snel  Der  fragt  die  Jungfrowen  lobesan, 

Oft  sy  wederdoopers  weeren.  Ob  sie  der  Widerteuffer  lehr 

Olaubten. 

Str.  20. 
Sy  (Maria)  viel  op  haer  knyen  ter  neer     Sie  bat  eu  Oott 
En  bad  noch  voor  die  haer  do o den.  FUr  jhre  feind  inn  jkrer  noth. 

Str.  24.  (Babus  2.) 

Neent  om  den  doet  die  ghy  my  aendoet  Sie  sprach  solt  ich  abwsichen  drot, 
Wil  iek  niet  ouergeuen  deewich  goet        Von  Oottes  wort  so  reine, 
Sout  ghy  my  van  de  waerheyt  drijuen    Von  wegen  des  zeiUichen  todt, 
Neent  by  Christum  wil  iek  vroom  Bei  Chris  to  bleib  aUeine.*) 
blijuen. 


')  ygl.  Rabus  und  Offer  des  Heeren  Str.  26:  Dat  iek  hem  daer  soeck 
in  desen  noot,  Moet  iek  steruen  den  tijtlijcken  doot 
•)  ygl.  auch  Rabus. 
*)  vgl.  auch  Veelderhande  Liedekens  Str.  7. 


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—    513    — 

Diese  gleichen  Gedanken  diirften  aber,  weil  zu  allgemein 
und  naheliegend,  nicht  ausreichen,  urn  dadurch  eine  gegenseitige 
Einwirkung  als  sicher  erwiesen^  zu  sehen,  wenn  diese  auch 
nicht  unbedingt  abgeleugnet  werdenMarf. 

In  dem  Fehlen  des  Wunders,  das  die  Lieder  bei  Rabus 
erz&hlen,  braucht  kein  ursprtinglicher  Unterschied  zwischen  ihnen 
und  den  beiden  niederlandischen  Liedern  im  Offer  des  Heeren 
und  in  den  Veelderh.  Liedekens  gesehen  zu  werden.  Dem  unter 
dem  Einflusse  des  Kalvinismus  der  zweiten  Halfte  des  XVI.  Jahr- 
hunderts  stehenden  Taufgesinntentum  mochte  die  Wunderge- 
schichte  Erinnerungen  an  die  Legenden  der  papstlichen  Kirche 
wachrufen  und  daher,  als  ihr  wahrer  Kern  (S.  508)  in  Vergessen- 
heit  geriet,  zu  anstossig  erscheinen,  um  sie  zu  wiederholen.1) 

Alle  oben  S.  403/4  aufgefuhrten  Lieder  1— 62)  sind  nach 
dem  Gesagten  im  Wesentlichen  wohl  nur  Varianten  zweier8) 
Originale,  und  zwar  scheint  das  Gedicht  der  Veelderhande 
Liedekens  den  Rabusschen  Liedern  ursprtinglich  n&her  zu 
stehen,  als  dem  des  Offer  des  Heeren;  der  Name  „Zwigkela4), 
fiir  den  die  Veelderh.  Liedekens  das  bekanntere  Del  den  eingesetzt 


*)  Will  man  im  Hinblick  auf  die  beiden  andern  Wundergeschichten 
(aus  den  Jahren  1545  und  1554)  im  Offer  des  Heeren  und  bei  Til.  van 
Braght  (Cramer  Doopsgezinde  Bijdragen  1899  S.  141  ff.)  dieses  Motiv  im  vor- 
liegenden  Falle  nicht  gelten  lassen,  so  erscheint  die  Verschweigung  des 
Wunders  im  Offer  des  Heeren  und  in  den  Veelderhande  Liedekens  schwer 
erkl&rlich. 

•)  Nr.  7  ist  ein  modernes  Gedicht,  s.  u.  S.  519. 

•)  Auch  von  anderen  Martyrern  bestehen  mehrere  Lieder.  Nach 
Wieder  S.  105  pflegt  von  zweien  das  eine  Lied  mehr  Erzahlung,  das  andre 
mehr  Betrachtung  zu  sein ;  in  den  Einzelheiten,  *  die  sie  berichten,  stim- 
men  sonst  alle  (iberein. 

*)  Die  neuerdings  Anzweiflungen  gegenuber  festgestellte  geschicht- 
liche  Treue  der  taufgesinnten  Martyrerlieder  (s.  o.  S.  507)  lasat  die  Annahme 
eines  Irrtums  in  dem  Namen  Zwigkel  nicht  zu.  T  w  i  c  k  e  1 ,  noch  jetzt 
eine  der  ansehnlichsten  Burgen  Niederlands  (im  Besitze  des  Dr.  R.  Baron 
van  Heeckeren  van  Wasfenaer),  ist,  wie  Herr  Archivar  Dr.  Acquoy  in 
Deventer  mitteilt,  eine  zur  Gemeinde  Delden  gehorige  Herrlichkeit  und 
liegt  der  Stadt  Delden  so  nahe,  dass  Marias  und  Ursulas  Verhor  and  Haft  in 
der  Tat  sehr  gut  dort  stattgefunden  haben  konnen.  Joh.  v.  Beckum  spricht  in 
seinem  Briefe  gar  nicht  von  Delden,  sondern  (S.  409)  nur  voin  Hause  des 
Drosten  von  Twente,  das  9  Jahre  vorher,  unter  dem  Drosten  Joh. 
t.  T  w  y  c  k  e  1 1  o  (S.  401),  gewiss  die  Burg  Twickel  war.  [Diese  Vermutung 
-wird  bestatigt  durch  den  Stammbaum  der  Familie  von  Raesfeld  bei  Fahne, 


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—     514    — 

haben1),  legt  es  andererseits  nahe,  in  den  beiden  deutschen 
Liedern,  vor  allem  in  dem  ersten  (Alhie  wil  ich  vbersummea, 
Was  ich  in  kurtz  hab  vernummen),  zumal  da  Rabus  ausdrfok- 
lich  von  seinem  nSprucha  und  seinem  „Lieda  als  schon  1545 
in  deutscher  Bearbeitung  vorhanden  spricht,  den  Veelderhande 
Liedekens  gegeniiber  die  alt  ere  n  und  dem  niederlandischen 
Originale  zun&chst  stehenden  zu  sehen.  Die  Erw&hnung  von 
Delden  statt  Twickel  (Str.  3  und  4),  die  Erz&hlung  des  eigent- 
lichen  Todes  der  Schwestern  und  den  Schluss  haben  die  Veel- 
derhande Liedekens  aber,  obgleich  auch  hier  Ursula  die  mildere 
Enthauptung  durch  das  Schwert  in  einer  an  Rabus  anklingen- 
den  Form  zuriickweist,  mflglicherweise  unter  absichtlicher  Fort- 
lassung  der  bedenklichen  Wundergeschichte  bei  Rabus,  zmn 
grossen  Teile  aus  dem  im  Offer  des  Heeren  iiberlieferten, 
ihnen  aber  vielleicht  in  einer  altera  Gestalt  vorliegenden  Liede 
ubernommen. 

So  l&sst  eine  Vergleichung   der  Rabusschen  Lieder,   des 
Offer  des  Heeren  und  der  Veelderhande  Liedekens  von    dem 


Die  Herrn  und  Freiherrn  von  H6vel  (I  2  Tafel  XII),  der  beweist,  dass  audi 
Goesen  vonRaesfeld  selbst  seinen  Drostensitz  zu  Twickel 
hatte;  die  Treue  der  Martyrerlieder  hat  sich  also  auch  hier  durchaus 
bewahrt.  Goesen  (Goswin^  v.  Raesfeld,  Sohn  des  1505  mit  Anna  Grafm 
von  Hoya  vermahlten,  1522  gestorbenen  Johann  v.  Raesfeld  zu  Ostendorf 
(im  westlichen  Westfalen),  Vetter  des  Bischofs  von  Munster  Bernhard 
v.  Raesfeld  (1557—1566),  Herr  zu  Twickel  und  Morkirchen,  hatte  mit 
Agnes  von  und  zu  Twickel,  der  Tochter  des  Drosten  in  der  Twente, 
Johann  v.  Twickelo,  Witwe  des  Unico  Ripperda,  Twickel  und  das 
Drostenamt  von  Twente  erheiratet,  das  nun  3  Generationen  hindurch 
in  der  Familie  v.  Raesfeld  erblich  blieb.  Durch  Vermahlung  seiner  Urur- 
enkelin  Adriana  Sophia  v.  Raesfeld,  Erbin  zu  Twickel  und  Lage  (im 
Bentheimschen),  mit  Jacob  Freiherrn  van  Waffenaer-Obdam  ging  Twickel 
in  den  Besitz  der  Familie  van  Waffenaer  uber,  deren  Erben  vermutlich 
die  gegenwartigen  Besitzer,  die  Barone  van  Heeckeren  van  Wasfenaer, 
sind.  Eine  andere  Ururenkelin  Goesen  van  Raesfelds,  Magdalena  Sophia 
v.  Raesfeld,  Erbin  zu  Schulenburg,  heiratete  Georg  Heinrich  v.  Munster 
zu  Surenburg,  Drosten  zu  Iburg  (1692),  und  ist  die  Stammmutter  des  1902 
gestorbenen  Besitzers  der  Herrlichkeit  Dornum  in  Ostfriesland,  des  deutschen 
Botschaftera  in  London  und  Paris,  Georg  Herbert  Ftirsten  Munster  von 
Derneburg.  —  Die  Spur  einer  Verwandtschaft  Goesen  v.  Raesfelds 
mit  Johann  v.  Beckum  (8.  o.  S.  400)  findet  sich  bei  Fahne  nicht.] 

l)  wie    anderaeits   die  Rabusschen    Lieder   ihrem  Publikum    den 
Namen  des  Herrn  v.  IJsselstein  vorenthalten. 


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—    515     — 

in  den  letztern  tiberlieferten  Gedichte  den  Eindruck  eines  zu 
einem  kurzen  sangbaren  Liede  zusammengedichteten  Auszuges 
sowohl  aus  dem  niederlandischen  Urbilde  der  Lieder  bei  Rabus 
wie  aus  dem  Offer  des  Heeren  zuriick.  1st  diese  Auffassung 
richtig,  so  mtisste  die  verlorene  niederl&ndische  Quelle  u.a. 
das  persSnliche  Eingreifen  des  Statthalters  v.  Usselstein,  dessen 
Stelle  im  Offer  des  Heeren  der  Prior  Grouwel  einnimmt,  mit 
allgemeinen  Fragen  beim  ersten  Verhor  in  Deventer,  sowie 
die  Jugend  der  Maria  v.  Beckum  hervorgehoben  haben,  ihr 
miissten  die  Ausdriicke  „Tyranna  (fiir  den  kaiserlichenKommissar) 
und  „der  Papen  Sacrament",  die  Zitierung  von  Marcus  16,  die 
Motivierung  der  ablehnenden  Antwort  Ursulas  auf  den  Rat,  um 
Begnadigung  zum  Schwerte  zu  bitten,  mit  schwesterlicher  Liebe, 
vor  allem  aber  die  Erzahlung  von  dem  W under  eigenttimlich 
gewesen  sein. 

Auffallend  erscheint  es,  vorausgesetzt,  dass  Biestkens  wirk- 
lich  das  Offer  des  Heeren  gedruckt  hat,  wie  die  V  eel  der - 
hande  Liedekens  und  das  Offer  des  Heeren  mit  2  so  ver- 
schiedenen  Liedern  auf  die  Jungfrauen  von  Beckum  durch  einen 
und  denselben  Buchdrucker  und  wohl  auch  Verleger,  Nicolaes 
Biestkens  in  Emden,  zur  selben  Zeit  (1562  und  1563,  s.  u. 
S.  516  f.)  in  die  Oeffentlichkeit  gebracht  werden  konnten. 

S.  403  Nr.  2.  Rabus  fiigt  bei  dem  zweiten  „Liedea  (Nun 
lasst  vns  frOlich  heben  an  Vnd  Gott  zu  lobe  singen)  hinzu: 
„Im  thon  wie  man  das  Lied  singt  Von  den  zweien  Martyrern 
von  Briissel,  Ein  newes  Lied  wir  heben  an".  Es  ist  Luthers 
Lied  auf  die  1523  in  Brtissel  verbrannten  ersten  Blutzeugen 
der  Reformation,  die  Augustinermonche  Johann  v.  Essen  und 
Heinrich  Voes. 

S  403  Anm.  2.  David  J  oris'  Geestelyck  Liedt-Boecxken 
(mit  M&rtyrerliedern  von  ihm  selbst  und  von  seinen  Freunden 
aus  d  J.  1529 — 1536),  die  erste  niederlandische  Sammlung  von 
Liedern,  die  den  Tod  der  Bekenner  der  neuen  Lehre  be- 
sangen *),  ist  nur  in  einem  spateren  Drucke  erhalten,  den  Wieder 
S.  165  um  das  Jahr  1592  ansetzt. 


l)  Wolkan  S.  68. 


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—    510    — 

Die  Herkunft  der  ersten  Ausgabe  des  Offer  des  Heeren 
und  des  Liedtboecxken  1562/63  aus  der  Biestkensschen 
Druckerei  in  Em  den1),  in  der  1560  die  erste  und  beliebteste 

l)  Ueber  Emden  als Wohnort  von Biestkens  s.  besonders  Le  Long, 
Boek-Zaal  der  Nederduitsche  Bijbels,  Amst.   1733,  S.  668,   und   darnacb 
Moes,   De  Amsterdamsche  boekdrukkers,  II  S.  3;   er  ftthrte  (freilich  erst 
seit  1582),  wie  der  Buchdrucker  Steven  Mierdman  von  Antwerpen  in 
Emden,  der  vor  seiner  Ruckkehr  nach  Antwerpen  —  spatestens  1561  — 
seine  Druckerei  vielleicht  an  Biestkens  verkaufte  (van  Druten,  Geschiedenis 
der   Nederlandsche  Bijbelvertaling,   Rotterdam  1901,   S.   544),    als  Titel- 
Vignette     das     Symbol     des     Kircbensiegels     der    1554     entstandeneD 
franzOsisch-reformierten  Gemeinde  in  Emden,  zu  deren  ersten  Mitgliedern 
der  1554  mit  J.  aLasco,  Utenhove,  Micronius,  Gottfried  van  Wingene  u.  a.  toe 
London   nacb  Emden  gefluchtete  Steven  Mierdman  vielleicht    gehdrte: 
eine  von  Dornen  umschlungene  Lilie  mit  der  Umschrift  aus  HoheL  2,  2: 
Ghelijck   een   lelie  onder   de   doornen,   so  is  mijn  vriendinne  onder  de 
dochteren,  Cant.  2,  2  (de  Vries,  Ostfr.  Monatsbl.  1878,  S.  493).  Er  stammte 
aus  Diest,  flstl.  von  Mecheln;  im  Emder  Burgerbuche,  das  indessen  nach- 
weislicb    ungenau   gefilhrt  wurde,    aber   doch    Drucker    wie   Mierdman 
[25.  April   1554   (Moes  S.  3  unrichtig   26.  April    1566)),   Jan    GhejUiaert 
(9.  Jan.  1555)  und  Gellius  van  der  Erven  (Ctematius)  von  Gent  (16.  Jaa 
1555)  verzeicnnet,  findet  sich  sein  Name  nicht.  Doch  auch  ohne  Burgerrecht 
kdnnte  er  in  Emden,  dem  receptaculum  omnium  sectarum,  wie  es  KOnig 
Philipps  II.  Geheimrat,  Joachim  Hopper,  1568  in  einem  Briefe  an  Viglius 
nannte,  gelebt  haben.    Den  Ort  seiner  Emder  Drucke  verechwieg  er  wohl 
wegen  der  Unterdruckung,    der    in    der    reformierten   Stadt  unter  der 
verbundeten    Obrigkeit    und    Geistlichkeit    die    Mennoniten    ausgesetzt 
waren  (vgl.  Le  Long  S.  682).     Wie    angstlich   diese   in   Emden    gerade 
zur  Zeit   des   Offer   des  Heeren  (1562)   ihre  Druckertatigkeit  verbergen 
mus8ten,    zeigen    am    besten    die   Protokolle   des    Emder  Kirchenrats. 
am   12.   Oktober    1562   war   Wyllum    Galiart    (aus  Brugge,    ein    Sohn, 
jedenfalls   ein  Verwandter   des  Jan  Gheylliaert;   in  Emden  nacbweisbar 
seit   Anfang  1556,  wo   er  sich   mit  der  Tochter   von  Lieven   Bouwens 
aus  Gent  vermahlte)  vorgeladen  worden,  um  Rede    daruber  zu   stehen. 
weshalb  er  sich  von  dem  GehOre  des  gSttlichen  Wortes  und   dem  Ge- 
brauche   der  Sakramente  fernhalte:    wock  ys  he  gefraget,   ofte  he  myth 
M  e  n  n  o  n  i  s  lere  (fecte  ?)  ock  tho  holt;  heft  antwordt:  neen;  ys  hem  wedder 
tho  gesecht,   dat   de  fprake  van  hem  gheyt,  dat  he  Mennonis  bock 
gedrukket  heft;  dat  he  'gelogent  und  hem  nycht  (als  he  sick  dunkec 
leth)  ouer  betwgen  vnd  bewysen  kaen"  [es  handelt  sich  hier  wabrscheinlich 
um  den  dritten  Druck  des  zuerst  1539  erschienenen  Fond  amen  t  bo  eks 
von  Menno  Simons,    der  nach  giitiger  Auskunft  von  Herrn   Prot. 
Cramer  in  Amsterdam  i.  J.  1562  ohne  Namen  des  Ortes  und  des  Druckers 
mit  den  Schlussworten :   ,ghedruckt  ende   voleyndt   den   XIX.  augnsti 
MDLXII   (also  kaum  8  Wochen  vor  W.  Galiart's  VerhSr  am  12.  Oktober) 
erschien;  in  einem  seit  Kurzem  unsrer  Gesellschaft  gehorigen  Exemplare 


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—    517     - 

Ausgabe  der  niederl&ndischen  Mennoniten-Bibel,  die  sog. 
Biestkens- Bibel1),  und  die  ebenfalls  mennonitischen  „Veelder- 
hande  Liedekens"  mit  ihrer  Fortsetzung  (s.  u.)  erschienen, 
wird  von  den  Herausgebern  der  Bibliotheca  Belgica  in  der  Biblio- 
graphie  des  martyrologes  protestants  n6erlandais,  die  im 
II  Teile  der  Sonderausgabe  (Haag  1889)  eine  vollstandige 
Bibliographic  des  Offer  des  Heeren  gibt,  zweifelhaft  gelassen, 
von  Moes,  De  Amsterdamsche  boekdrukkers  II  (Amst.  1903), 
S.  9  dagegen  auf  Grand  eines  Vergleiches  der  Biestkensschen 
gewohnlichen  und  Zier-Lettern  als  sicher  erachtet.  Das  einzige 
bekannte  Exemplar  besitzt  die  Bibliotbek  der  Taufgesinnten 
zu  Amsterdam.2)  Wahrend  Moes  den  zweiten  bis  jetzt  bekannten, 
von  Fredericq  entdeckten  Druck  von  1566  (in  der  Universitats- 
bibliothek  zu  Gent)  nicht  unter  den  Biestkensschen  Erzeugnissen 
auffiihrt,  werden  die  folgenden  von  1567,  1570  (von  Cramer 
seiner  Ausgabe  zu  Grande  gelegt),  sowie  einer  von  1578  der 
Druckerei  von  Biestkens,  der  aber  sp&testens  1578  Emden  wieder 


des  Neuen  Testaments,  das  der  1564  in  Kdln  wohnende  Mennonit  Mattheus 
Jacobszoon  1554  druckte  (Le  Long  S.  681  f.),  steht  am  Ende  des  Registers: 
.Ghedruct  tot  Emden  bi  mi  Willem  Ghelliaert;  ebenso  druckte  W.  Galiart 
1564  und  wahrsheinlich  auch  1563  fur  die  Mennoniten  ein  Neues  Testament 
„na  de  copye  van  Biestkens*,  vgl.  van  Druten  Geschiedenis  der  Neder- 
land8che  Bijbelvertaling  S.  536].  —  1578  druckte  Nic.  Biestkens  in 
Hoorn,  wo  er  aber  schon  vorher  gewirkt  haben  wird  und  wo  noch  in 
der  Mitte  des  XVII.  Jahrhunderts  der  Buchhandler  Jan  Deutel  seinen 
Laden  „in  Bieskens  Testament*  nannte.  Am  7.  Mai  1579  liess  er  sich  in 
die  Amsterdamer  Poorterregister  als  „Nicolaes  Biestkens  van  Hoorn 
boeckverkooper*  einschreiben  (Moes  S.  19).  1581  oder  1582  muss  er 
oder  wenigstens  seine  Frau  nochmals  in  Emden  geweilt  haben,  da  sein 
sweiter  Sohn  Abraham  in  Amsterdam  („boekverkooper  in  de  St.  Anna- 
dwarsstraat"),  als  er  sich  am  20.  Jan.  1628  mit  Agneta  Petiteau  verlobte, 
46  Jahre  alt  und  in  Emden  geboren  zu  sein  erklarte  (Moes  S.  20).  1585 
starb  Nic.  Biestkens,  ohneGuter  zu  hinterlassen,  in  Amsterdam  und  wurde 
am  26.  Marz   in   der   Oude  Kerk   begraben  (Moes  S.  25). 

*)  die  crate  niederlandische  Bibel  mit  Vers-Einteilung,  die  in  einzelnen 
taufgesinnten  Gemeinden  noch  1837  gem  gebraucht  wurde  (Moes,  De 
Amsterdamsche  boekdrukkers,  n  S.  4). 

•)  Die  meisten  Exemplare  werden  der  spanischen  Inquisition  zum 
Opfer  gefallen  sein.  ,Het  Offer  der  Heeren"  stand  wie  Biestkens  Neues 
Testament  von  1562  auf  Albas  Index  der  verbotenen  Bucher  von  1570, 
vgl.  Sepp,  Een  drietal  Indices  librorum  prohibitorum,  Leiden  1889,  S.  194 
und  240. 


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verlassen  haben  muss,  wieder  zuerkannt;  einen  andeni,  von 
dem  ersten  verschiedenen  Druck  aus  demselben  Jahre  (Nach- 
drack  eines  Konkurrenten?)  schreibt  de  Vries  im  Ostfr.  Monats- 
blatt  1878  S.  498  unter  Zustimraung  der  Bibliotheca  Belgica 
dem  Emder  Buchdrucker  GoosenGoebens  zu,  dem  Cramer 
ihn  S.  13  abspricht,  da  G.  G.  1579  im  Auftrage  des  reformierten 
Grafen  Johann  v.  Ostfriesland  das  „ Protocol  des  Gespreks  met 
den  Wederdoperena  gedruckt  habe  und  nicht  wohl  zugleich  fur 
die  Mennoniten  gearbeitet  haben  kdnne.  Die  Einreihung  dieses 
„ Offer  des  Heeren"  v.  J.  1578  unter  die  Emder  Drucke  erweist 
sich  aber  doch  wohl  durch  die  Vignette  —  ein  Engel  hinter 
einem  Altare,  unter  dem  Menschengebeine  liegen,  von  dem  er 
ein  Tuch  aufhebt,  mit  der  Umschrift:  „0  Heere  hoe  langbe 
en  wreket  ghij  onse  bloet  niet  ouer  de  gheene  die  opter  aerden 
wonen  Apocalip"  und  der  Unterschrift:  „Apocalypf.  6  Vsquequo 
Domine"  etc.  — ,  die  auch  ein  sicher  Emdischer  Druck :  Schelteo 
a  Jeveren,  Brevis  ex  verbo  dei  tractatus  his  difficillimis  tem- 
poribus  accommodatissimus  de  totius  mundi  rerumque  omnium 
confummatione  ac  celeri  Domini  noftri  Jesu  Christi  ad  Judicium 
ultimum  adventu,  Emdae  1575 1),  tragt,  als  berechtigt  (de  Vries, 
Ostfr.  Monatsbl.  1878,  S.  498);  dieselbe  Vignette  findet  sich  auch 
auf  der  1565  ohne  Angabe  des  Orts  und  des  Druckers  er- 
schienenen  zweiten  Ausgabe  von  Adriaen  v.  Haemstedes  Martyrer 
buch  (Cramer  S.  12). 

S.  404  Nr.  4.  Das  Lied  „Ich  heb  droefheyt  vernomen*  besteht 
nicht  aus  9,  sondern  aus  9l/2  achtzeiligen  oder  vielmehr  19 
vierzeiligen  Strophen. 

S.  404  Anm.  1.  In  der  Wiedergabe  des  Titels  der  1558  in 
Emden  erschienenen  „Veelderhande  gheestelyke  Liede- 
kenstf  muss  nach  freundlicher  Mitteilung  des  Prof .  Dr.  Cramer  in 
Amsterdam  das  Wort  „G  ere  form."  fehlen.  Der  Drucker  dieser 
Sammlung  v.  J.  1558  war  Gillis  van  der  Erven  (Gellius 
Ctematius)  in  Emden;  sie  ist  eine  ver&nderte  Neuausgabe  der 
1556  in  K61n  bei  Magnus  vanden  Merberghe  von  Osterhout 
erschienenen,   sakramentistischen,    mit  taufgesinnten   Bestand- 


l)  in  der  Bibliothek  der  Grossen  Kirche  zu  Emden. 


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-:5i9  - 

teilen  versetzten  Sammlung  gleichen  Namens  unter  Ausstossung 
verschiedener  Taufgesinnten  -  Lieder,  vgl.  Dr.  F.  C.  Wieder, 
De  Schriftuurlijke  Liedekens,  S.  139.  In  der  Titelangabe  des 
dritten  Druckes  der  „  Veelderhande  Gheestelyke  Gereform. 
Liedekens"  von  1580  ist  „ Gereform."  ein  Zusatz  des  Is.  Le  Long- 
schen  Bibliotheks-Kataloges  v.  J.  1744  (Wieder  S.  160).  Der 
zweite  Druck  v.  J.  1563,  ebenfalls  von  Gellius  Ctematius  in 
Emden,  betont  in  der  Vorrede  ausdrticklich  den  Gegensatz  zu 
den  Taufgesinnten  (Wieder  S.  151).  Die  taufgesinnten 
Veelderhande  Liedekens  von  1569  sind,  wie  die  von 
1566  und  zwei  aus  der  Vorrede  des  ebenfalls  bei  Nicolaus 
Biestkens  in Emden  1562 herausgekommenen  » E  e  n  nieuLieden- 
boecka  (eines  zweiten  Teiles  der  „  Veelderhande  Liedekens",  in 
der  Ausgabe  von  1583  „Het  tweede  Liedeboeck"  genannt) 
erschlossene  Drucke  von  1560  und  1562,  in  der  Tat  sehr  wahr- 
scheinlich  in  Emden,  bei  N.  Biestkens,  gedruckt  worden,  vgl. 
Wieder  S.  145—157.  Auch  ihre  Vorganger  waren  die  oben- 
genannten  KSlner  Veelderhande  Liedekens  v.  J.  1656  und  eine 
gleichnamige  Sammlung,  deren  Ort  und  Drucker  unbekannt  ist, 
wahrscheinlich  v.  J.  1559  (Wieder  S.  135  und  142  f.).  Schon 
in  dieser  von  1559  kommt  das  Lied  Nr.  4 :  „Ick  heb  droefheyt 
vernomen"  vor  (Cramer  S.  509).  Auf  die  der  Aufkl&rung 
bediirftige  Erscheinung,  dass  Biestkens  die  Veelderhande 
Liedekens  sowohl  wie  das  Liedtboecxken  des  Offer  des  Heeren, 
jedes  mit  einem  andern  Liede  auf  Maria  und  Ursula  von 
Beckum,  zur  gleichen  Zeit,  druckte,  ist  oben  S.  615  hingewiesen 
worden. 

S.  405  Nr.  7-  Das  siebente  Lied  auf  Maria  und  Ursula  v. 
Beckum  ist  ein  im  Overijsselsche  Almanak  voor  Oudheid  en 
Letteren  fiir  1837  (Deventer  1836)  S.  192—196  veroffentlichtes 
modernes  Gedicht  von  Mr.  B.  W.  A.  E.  Sloet  tot  Oldhuis, 
der  den  Inhalt  der  Darstellung  von  T.  v.  Braght  in  gemiitvoller 
Weise  poetisch  bearbeitet  hat.  Die  erste  Strophe  lautet: 
Het  licht  van  de  Evangelieleer 
Gaf,  als  in  Galilea's  dreven, 

Op  nieuw  zijn  zuivre  stralen  weer, 
Niet  meer  door  duisternis  omgeven. 
Hoe  nam  het  heel  uw  harten  in, 


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—     520    — 

MAMA,  URSEL,  Gij,  die  beiden, 

Noch  in  geloof  noch  dood  te  scheiden, 
Den  Bijbel  laast  met  vromen  zin. 
Ueber  den  Ort,  von  dem  die  Familie  von  Beckum  ihren 
Namen  ftthrte,  fttgt  Sloet  S.  196  hinzu:  „Wie  soms  het  landelijke 
gehucht  Beckum,  eene  buurschap  onder  de  Gemeente  Hengelo, 
mogt  bezoeken,  kan  op  het  boerenerf  Altona,  hetwelk  daar 
ligt,  omgeven  van  hoog  eikengeboomte,  de  plek  weder  vinden, 
waar  een  maal  het  adellijke  Kasteel  van  Beckum  heeft  gestaen.s 

F.  Ritter. 


XX. 

Zur  Geschichte  der  Emder  Josep-Handschrift 

F.  Ritter  hat  im  Jahrbuch  XIV  512—520  die  tiberraschende 
Entdeckung  mitgeteilt,  dass  die  fiir  die  mittelniederdeutsche 
Litteratur  wichtigsten  Handschriften  unserer  Gesellschaft  zu 
einer  engeren  Gruppe  zusammengehOren,  im  Laufe  der  letzten 
Jahrhunderte  die  gleichen  Schicksale  durchgemacht  haben  und 
im  letzten  Grande  auf  das  lttneburgische  Nonnenkloster  Ebstorf 
als  ihren  Ursprungsort  zurttckweisen.  W&hrend  wir  bisher  von  der 
&lteren  Geschichte  der  Handschriften  unserer  Sammlung  leider  so 
gut  wie  gar  nichts  wussten,  werfen  RittersNachweise  pl5tzlich  ein 
starkes  Schlaglicht  gerade  auf  ein  paar  der  wertvollsten  Stilcke 
unserer  Sammlung.  Alle  hier  in  Frage  kommenden  Handschriften 
lassen  sich  zunachst  zurtickverfolgen  bis  in  die  Bibliothek  des 
letzten  Herrn  v.  d.  Appelle  auf  Gross-Midlum,  der  im  Mai  1792 
gestorben  ist  (Ritter  S.  513).  Die  v.  d.  Appelles  sind  aber  erst 
i.  J.  1660  nach  Ostfriesland  gekommen,  es  ist  eine  alte  Lune- 
burger  Adelsfamilie,  die  aus  Masendorf  bei  Uelzen  stammt  und 
Jahrhunderte  lang  die  engsten  Beziehungen  zum  Kloster  Ebstorf 
unterhalten  hat.  Diese  geschickte  Kombination  der  Nachrichten 
des  von  Ritter  wiederaufgefundenen  alten  Katalogs  der  Appelle- 
schen  Handschriften  mit  den  engen  gleichzeitigen  Beziehungen 
der  Familie  zu  Ostfriesland  und  dem  Nonnenkloster  Ebstorf 
wird  nun  weiterhin  gesttitzt  durch  Angaben,  Eintragungen 
oder  sonstige  Kennzeichen,  die  sich  in  den  Handschriften  selber 


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—    521    — 

finden.  Zwar  ist  in  keinem  dieser  Stiicke  der  Name  Ebstorf 
ausdriicklich  genannt,  oder  ein  einfacher  klarer  Besitzvermerk 
des  Klosters  eingetragen;  wir  mfissen  vielmehr  auf  indirektem 
Wege,  durch  immer  engere  Schlussfolgerungen,  zum  Ziele  zu 
gelangen  suchen. 

Auf  ein  Nonnenkloster  des  nieders&chsischen  Gebiets 
ganz  im  Allgemeinen  weist  unzweideutig,  nach  Inhalt  und 
Sprachformen,  die  Ermahnung  einer  aiteren  Nonne  an  ihre 
jungen  Mitschwestern  (Ritter  S.  516,  abgedruckt  im  Niederd. 
Jahrb.  XI  167  f.).  Seiner  ganzen  Art  nach  passt  das  kleine 
Stiick  recht  gut  in  den  Ton  hinein,  der  im  Kloster  Ebstorf 
gegen  Ende  des  15.  Jahrhunderts  nach  der  Durchfuhrung  der 
Klosterreform  unter  Propst  Matthias  v.  d.  Knesebeck  und  der 
gestrengen  Domina  Mette  v.  Niendorf  herrschte.  Mehrere 
l&ngere  Stiicke  der  Ebstorfer  Handschriften  geben  uns  weitere 
Illustrationen  dazu. 

Nr.  76  der  Emder  Handschriften  (Lat.  Grammatik  u.  eine 

niederdeutsche,  Wort  fiir  Wort  dem  lateinischen  Texte  folgende, 

Interpretation  lat.  Hymnen)  tragt  auf  beiden  Titelblattern  von 

der   Hand  H.  6.  v.  d.  Appelles  die  ausdriickliche  Bemerkung, 

dass  die  Handschrift  fiir  ein  Nonnenkloster  des  nieders&chsischen 

Gebiets  geschrieben  worden  sei.    Dass  v.  d.  Appelle  hier  nicht 

direkt    den    Namen    des    Klosters    nennt,    l&sst    uns    darauf 

schliessen,  dass   er  Grand   zu  diesem  Stillschweigen  zu  haben 

glaubte,   mit  anderen  Worten  die  Handschrift  nicht  auf  ganz 

einwandsfreie  Weise  erworben    hatte.     Uebrigens  deckt  sich 

der  Inhalt  von  Nr.  76  noch  genauer,   als  Ritter  nach  meinen 

kurzen    Angaben  in    meinem    Ebstorfer    Reiseberichte   wissen 

konnte,    mit   dem  der  Ebstorfer  Manuskripte  Nr.  V  2  u.  V  3: 

diese  beiden  Manuskripte  enthalten,  ausser  den  lat.-nd.  Hymnen- 

versionen,   auch  eine  und  dieselbe  lateinische  Grammatik,   die 

eigens    fiir  den  lateinischen  Unterricht  in  einem  Frauenkloster 

[also    doch  wohl  fiir  Ebstorf)  kompiliert  worden  ist.    Sie  be- 

ginnt  namlich  mit  den  Worten :  Vestre  peticioni,  venerabilis  et 

Itarissima    domina,    annuere  cupiens,     fasciculum    non    mirre 

sed    mire   utilitatis   ex   fundamentalioribus  punctis  et   regulis 

irtis  grammatice  in  unum  colligere  conatus  sum,  quo   dilectas 

iliolas  vestrasetateadhucteneras  tanquamlacte  doctrine  educare 

jossitis    etc.     Am  Schlusse   nennt   der   Verfasser   sein   Werk: 


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—    522    — 

Fasciculus  gramatice  ex  Remigio,  Donato,  tribus  partitas 
Alexandri,  Florista  et  Prisciano  in  unum  breviter  honore  dei 
collectus. *) 

Nr.  76  der  Emder  Sammlung  ist  also  in  seiner  ganzen 
Anlage  mit  den  Ebstorfer  Handschriften  V  2.3  sehr  nahe 
verwandt,  aber  eine  Stussere  Best&tigung  der  Herkunft  feblt 
fiir  die  Emder  Handschrift. 

Enger  wird  der  Zirkel  schon  bei  Nr.  64,  einem  lateinischen 
Breviarium  aus  der  Zeit  um  1500.  Wie  Ritter  S.  517  Anm.  1 
gesehen  hat,  tragt  diese  Handschrift  in  der  Press  ung  ihres 
Lederbandes  den  Namen  „Elleversa.  Im  16.  Jahrhundert,  als 
die  Handschrift  eingebunden  wurde,  befand  sie  sich  also  im 
Besitze  der  Ltineburger  Patrizierfamilie  Elvers;  eben  dahin 
ftihrt  der  Name  der  Margrete  Grunhagen  auf  einem  der 
Handschrift  einliegenden  Zettel.  Ftir  den  weiteren  BegrifF  des 
niedersachsischen  Gebiets  tritt  hier  also  schon  das  Fiirstentum 
Liineburg  ein.  Aber  die  Elvers  hatten  auch  zu  Kloster  Lune 
und  Medingen  ihre  Beziehungen,  und  derartige  Hiilfsbucher  fur 
den  lateinischen  Unterricht  und  Chorgesang,  wie  die  eben 
besprochene  Handschriftengruppe,  werden  sich  die  Klosterfrauen 
in  Ltine  und  Medingen  gewiss  ebenso  gut  angeschafft  haben 
wie  ihre  Ebstorfer  Schwestern,  wenn  uns  auch  nichts  mehr 
davon  erhalten  geblieben  ist. 

Nr.  63  endlich,  die  Handschrift  des  mnd.  Josepgedichtes 
und  der  tibrigen  von  Reifferscheid  in  diesem  Bande  so  vor- 
trefflich  analysierten  geistlichen  Stiicke,  entbehrt  scheinbar 
jedes  ausserlichen  Kennzeichens,  das  auf  die  Herkunft  der 
Handschrift  ein  Licht  wiirfe.  So  darf  es  nicht  Wunder  nehmen, 
wenn  sich  Reifferscheid  S.  271  noch  vorsichtig  ablehnend  gegen 
Ritters  Hypothese  der  Ebstorfer  Herkunft  des  Codex  verh&lt; 
ihm  gentigen  wahrscheinlich  die  &usseren  Zeugnisse  dafur 
noch  nicht. 

Nun  habe  ich  im  August  und  September  1904  die  Bibliothek 
des  Klosters  Ebstorf  an  Ort  und  Stelle  noch  einmal  grilndlich 
durchgearbeitet  und  vor  allem  auf  die  in  den  Ebstorfer  Hand- 
schriften  starker  hervortretenden  Schreiber  und  auf  die  Wasser- 


*)  Au8serdem  erh&lt  V  3  noch  einen  lat.  Donat,  und  V  2  eine  andere 
lat.  Grammatik,  die  wie  ein  paraphrasierter  Donat  anhebt.  Uebrigens 
ist  Mscr.  V  3  mindestens  eben  so  alt  wie  V  2,  wenn  nicht  alter. 


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—    523     - 

zeichen  geachtet.  Auf  Grund  dieser  Untersuchungen  kann  ich 
jetzt  fflr  zwei  der  Emder  Manuskripte  mit  aller  Bestimmtheit 
nachweisen,  dass  sie  sich  zu  Anfang  des  16.  Jahrhunderts  in 
der  Bibliothek  des  Klosters  Ebstorf  befunden  haben.  Ich  will 
die  Uebereinstimmung  des  Wasserzeichens  der  Emder  Hand- 
schrift  Nr.  76  (ausgestreckte  Hand  mit  breiter  Manschette,  an 
der  Spitze  des  Mittelfingers  eine  kurzgestielte  Bltite)  mit 
Ebstorf  Mskr.  IV  5  (lat.-niederd.  Gebetbuch)  nicht  pressen, 
denn  dieses  Wasserzeichen  kommt  auch  sonst  in  gleichzeitigen 
Handschriften  nicht  selten  vor# 

Aber  in  Nr.  64  hat,  ganz  gegen  Ende,  eine  Hand  ein  Sttick 
von  etwa  einer  Seite  nachgetragen,  die  ich  mit  Bestimmtheit 
als  eine  Ebstorfer  Hand  wiedererkenne.  Es  ist  dieselbe  etwas 
spitzige  und  leicht  verschnorkelnde  Hand,  die  in  den  beiden 
grossen  B&nden  der  Ebstorfer  niederdeutschen  Homiliensamm- 
lung  (Mskr.  VI  5  und  6)  einige  Nachtr&ge  hinzugefugt  und  die 
Fortsetzung  dieser  Sammlung  in  Mskr.  VI  19  ganz  allein  ge- 
schrieben  hat.  Da  die  datierten  Homilien  von  Mskr.  VI  5  und  6 
die  Zeit  von  1497 — 1516  umfassen,  wird  die  Schreiberin  von 
VI  19  am  besten  etwa  um  1515  anzusetzen  sein;  den  Ziigen 
nach  ist  ihre  Schrift  der  Haupthand  von  VI  5  und  6  gleich- 
zeitig,  nicht  jtinger.  Die  Emder  Handschrift  Nr.  64  befand  sich 
also  um  1515  im  Kloster  Ebstorf. 

Noch  grSsser  ist  nun  die  Sicherheit  fur  die  gleiche  Be- 
hauptung  bei  der  Josephandschrift  selbst.  Es  ist  bisher  alien 
Benutzern  der  Handschrift  entgangen,  dass  sie  auf  der  Vorder- 
seite  des  letzten,  unbeschriebenen  Blattes  eine  allerdings  recht 
unleserliche  und  ziemlich  versteckte  Notiz  in  Schriftziigen  des 
beginnenden  16.  Jahrhunderts  verbirgt.    Es  steht  da*): 

Mater  EvS  habet  cum  licencia  venerabilis 

dompna  MJ 

*)  Da  die  Druckerei  des  Jahrbuchs  die  Abkurzungen  der  Hand- 
schrift leider  nicht  vollig  wiederzugeben  vermag,  habe  ich  alles  aufgelost 
und  die  erganzten  Buchstaben  durch  Cursive  kenntlich  gemacht.  Ich 
bemerke  dazu,  dass  in  der  Hs.  das  m  in  cum  und  das  n  in  licencia 
durch  einen  wagerechten  Strich  uber  dem  vorhergehenden  Vokal  aus- 
gedruckt  sind ;  in  dompna  sind  gar  m  und  n  durch  einen  einzigen  breiten 
Strich  uber  den  drei  letzten  Buchstaben  bezeichnet.  Das  Wort  venerabilis 
endlich  ist  in  der  Hs.  nur  durch  ein  v  mit  tibergesetztem  a  (in  der  al- 
teren,  oben  offenen  Form)  und  ein  lb  (das  graphisch  fur  bb  steht)  gegeben. 

J&hibuch  der  Gwellsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  Aitertumer  zu  Emden,  Bd.  XY .  34 


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—     524    — 

zu  deutsch:  Die  Mater  E.  v.  S.  hat  (diese  Handschrift)  mit 
der  Erlaubnis  der  ehrwiirdigen  Domina  M.  J.  (im  Besitz. 
oder  zum  Gebrauch  aus  der  Bibliothek  des  Klosters  ent- 
liehen).*)  Der  ganze  Tenor  dieser  kurzen  Bemerkung  weist 
uns  mit  Notwendigkeit  auf  ein  Nonnenkloster  hin.  „Matera  ist 
in  Ebstorf  und  den  benachbarten  Klostern  der  standige  Titel 
der  Beamtinnen  des  Klosters  gegemiber  den  einfachen  „Sororesa. 
Dilecte  (oder  Karissime)  matres  et  sorores,  beginntjede  einzelne 
Homilie  der  Ebstorfer  grossen  Sammlung.  Consensu  omnium 
matrum  et  sororum  wird,  wie  die  Klosterchronik  in  Mskr.  V  2 
sagt,  eine  neue  Priorin  berufen.  Sonst  wird  auch  wohl,  ganz 
wie  in  der  Notiz  der  Josephandschrift,  die  Domina  den  Matres 
gegeniibergestellt,  vergl.  z.  B.  Mskr.  VI 11,  Blatt  81 R:  Venerabilis 
Domina  et  matres  sacrista  et  fenestraria.  Die  Domina  ohne 
weiteren  Zusatz  ist  natiirlich  stets  die  regierende  Dame  des 
Klosters,  also  in  Ebstorf  damals  noch  die  Priorissa,  wahrend 
in  Medingen  schon  eine  Aebtissin  herrschte.  Nun  war  in  Ebstorf 
von  1511 — 1518  regierende  Priorisse  Mette  von  Ingersleben,  und 
ihr  Name  erscheint  genau  in  derselben  Abkurzung  und  mit  der 
gleichen  Titulatur  wie  in  der  Emder  Handschrift  zu  verschiedenen 
Malen  in  den  Datierungsvermerken  der  Ebstorfer  Homilien  aus 
den  Jahren  1511—1516.  Vergl.  z.  B.  Mskr.  VI  6,  Bl.  146 k: 
Anno  domini  etc.  xvc  xv°  (=  1515)  pWoratws  venera&ilis  dompne 
MJ  quarto,  Bl.  158b:  Anno  domini  etc.  xvi°  (=  1516) 
preoratws  venerabilis  dompne  MJ  vj*>  in  vigilia  christi;  und  so 
ganz  ebenso  Bl.  90b.  100b.  109b.  120a.  128b.  137*,  Mskr.  VI  5 
Bl.  109a.  128b.  164*>.  232b.  238a.  243\  247b.  Die  „  venerabilis 
dompna  M.  J.tf  der  Josephandschrift  wird  also  ohne  Zweifel  die 
Ebstorfer  Priorin  Mette  von  Ingersleben  sein;  den  vollen  Namen 
der  Mater  E.  v.  S.  vermag  ich  dagegen  aus  den  karglichen  Be- 
st&nden  der  Ebstorfer  Klosterbibliothek  nicht  nachzuweisen,  da 
wird  jedenfalls  eine  Durcharbeitung  des  Ebstorfer  Archivs,  das 
mir  bisher  noch  nicht  gentigend  zuganglich  war,  weiterhelfen. 
Wir  wissen  jetzt  also  soviel:  in  der  Zeit  zwischen  1511 
bis  1518  befand  sich  die  Emder  Josephandschrift  (doch  wohl 
schon  in  der  heutigen  Gestalt,  mit  dem  Arnt  Buschman  zu- 


*)  Die  unrichtige  Form   dompna  statt  des  Genetivs  dompne  wirft 
kein  gunstiges  Licht  auf  die  lateinischen  Kenntnisse  der  guten  Mater. 


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—    525    — 

sammengebunden)  im  Kloster  Efistorf,  entweder  im  Privat- 
besitz  einer  Conventualin,  oder,  was  mir  viel  wahrscheinlicher 
vorkommt,  in  der  Bibliothek  des  Klosters,  aus  der  sie  die  Mater 
E.  v.  S.  entliehen  hatte. 

Ob  nun  aber  die  Handschrift  des  Josepgedichtes  auch  in 
Ebstorf   geschrieben   worden   ist,   das   steht   auf   einem   ganz 
anderen  Brette,  der  Beweis  dafur  muss  erst  erbracht  werden.  Mir 
gentigt  es  hier,  erwiesen  zu  haben,  dass  die  Handschrift  am 
Anfange  des  16.  Jahrhunderts  ihren  festen  Aufenthaltsort  im 
Kloster  Ebstorf  hatte.    Natiirlich  sind  nicht  alle  Handschriften 
der  Ebstorfer  Klosterbibliothek  in  Ebstorf   selbst  geschrieben 
worden,  wenn  auch  die  uns  erhaltenen  zum  allergrossten  Teile 
der  gegen  den  Ausgang  des  15.  Jahrhunderts  einsetzenden  regen 
Schreibtatigkeit  im  Kloster  ihren  Ursprung  verdanken  werden. 
Fremder  Herkunft  ist  aber  z.  B.  das  grosse  lateinisch-nieder- 
deutsche  Vocabular  in   Folio,   Mskr.  V  1.    Dieser  sauber  und 
schon  ausgefiihrte  Band  ist  im  Jahre  1471  von  einem  gewissen 
Fridericus   Emde   in    Celle   geschrieben   worden,   als   Miniator 
nennt   sich    mehrfach   ein   Ernestus   de   Hademstorpe.      Nach 
Ebstorf  gelangte  diese  Handschrift  erst  durch  eine  Schenkung 
des   um   das  Kloster   hochverdienten  Propstes   Matthias  v.  d. 
Knesebeck,  der  von  1466  bis  in  die  90  er  Jahre  die  Ebstorfer 
Praepositur  inne  hatte.     Und  gerade  dies  Mskr.  V  1  hat  unter 
seinen    3    Wasserzeichen    eines,    das    dem    durch    die    ganze 
Josephandschrift   (incl.   Buschman)  hindurchgehenden  Wasser- 
zeichen sehr  ahnlich  ist.    Aber  der  Ochsenkopf  ist  eine  zeitlich 
und  raumlich  so  weit  verbreitete  Papiermarke  und  deshalb  so 
wenig  charakteristisch,  dass  selbst  die  n&here  Uebereinstimmung 
der  beiden  Wasserzeichen  in  der  Form   des   Kopfes  und   der 
aufgesetzten    Kreuzelstange    noch    nicht    fiir    einen    naheren 
Zusammenhang     der     beiden     Handschriften     herangezogen 
werden  darf. 

Gottingen,  den  24.  Mai  1905. 

Conrad  Borchling. 


34* 


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—    526     — 

*XXI. 

Berichtigung  zu  S.  312,  Z.  10.  v.  u. 

Die  hier  erwahnte  Untersuchung  wegen  Nachlassigkeit  im 
Schulamte  gait,  wie  sich  nachtraglich  herausgestellt  hat,  nicht 
dem  Konrektor  Jani,  wie  die  Bezeichnung  des  beziiglichen 
Aktenheftes  des  hiesigen  Archivs  (277)  angibt,  sondern  viel- 
raehr  dem  Kantor  Jani  (—  1727). 

Aurich,  April  1905.  Dr.  H.  v.  Kleist. 


Naohriohten  iiber  die  Gesellsohaft  vom  1.  Mai  1902 
bis  zum  1  Mai  1905. 


In  der  ausseren  Entwicklung  unserer  Gesellschaft  seit  dem 
letzten  Berichte  vom  J.  1902  ist  das  wichtigste  Ereignis  der 
Ankauf  unseres  Nachbarhauses.  Das  Bedtirfnis  einer  Erweiterung 
unserer  Raume  war  seit  dem  Bau  der  Gemaldegalerie  i.  J.  1887 
durch  das  Anwachsen  unserer  Sammlungen  schon  lange  fiihlbar 
geworden.  Aber  auch  ohne  diesen  Grund  hatten  wir  trotz  der 
dringenden  Notwendigkeit,  alle  Ausgaben  auf  das  Aeusserste 
zu  beschranken,  vor  diesem  Schritte  nicht  zuriickschrecken 
dtirfen,  da  wir  nur  die  Wahl  hatten,  den  Kauf  zu  wagen  oder, 
solange  sich  der  Gedanke  eines  alle  Emder  Sammlungen 
umfassenden  grossen  Museums  als  unausfiihrbar  erweist,  fur 
alle  Zukunft  auf  jede  raumliche  Ausdehnung  zu  verzichten: 
weder  zur  Seite  im  Westen  noch  hinter  unserem  Grundstticke 


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—     527     — 

im  Norden  kann  in  absehbarer  Zeit  auf  eine  Ver&usserung  der 
benachbarten  H&user  gerechnet  werden,  und  keins  von  diesen 
ware  ausserdem  durch  seine  Lage  und  jetzige  Beschaffenheit 
zur  Erg&nzung  unseres  bisherigen  Besitzes  auch  nur  einiger- 
massen  geeignet  gewesen.  Als  daher  i.  J.  1903  die  reformierte 
Gemeinde  mit  dem  Umzuge  in  ihr  neues  Schulgebaude  an  der 
Schoonhovenstrasse  ihre  im  Osten  an  unsere  Sammlungen 
stossende  Madchenschule  mit  Garten  und  Lehrerwohnung 
aufzugeben  beschloss,  glaubten  wir  nicht  zogern  zu  diirfen  und 
erstanden  am  29.  Oktober  1903  in  Gffentlicher  Versteigerung 
fiir  15  800  Mk.  den  etwa  390  □  Meter  grossen  Komplex,  der  sich  in 
seiner  Tiefo  vortrefflich  an  unser  frtiheres  Besitztum  anschliesst, 
sodass  unser  ganzes  Grundstuck  nunmehr  ein  wohlabgerundetes 
Areal  von  1200[JMetern  umfasst.  Der  bisherige  Bewohner  ist  vor- 
laufig  als  Mieter  geblieben;  wir  hoffen  aber,  dass  nach  einem 
notwendigen  Umbau  in  nicht  zu  ferner  Zeit  ein  Teil  unserer 
im  hftchsten  Grade  gedrangt  untergebrachten  Sammlungen  in 
tibersichtlicher  Aufstellung  das  neue  Heim  einnehmen  werde. 

Im  Vorstande  ist  ein  Personenwechsel  eingetreten,  indem 
unser  langjahriger  Schatzmeister,  Herr  P.  van  Rensen,  wegen 
Ueberhaufung  mit  anderer  Arbeit  von  seinem  Amte,  das 
er  seit  30  Jahren  verwaltete,  auf  seinen  Wunsch  entbunden 
und  an  seiner  Stelle  in  der  Generalversammlung  vom  25.  Okt. 
1904  Herr  Sen.  a.  D.  A.  F.  Brons  gewahlt  wurde.  Der  Vorstand 
setzt  sich  demnach,  da  die  statutenmassig  ausscheidenden  Mit- 
glieder  Gittermann,  Medenwald,  Dreesmann  Penning,  Richard, 
Ritter  infolge  Wiederwahl  auf  ihrem  Posten  blieben,  aus 
folgenden  Herren  zusammen: 

Medizinalrat  Dr.  Tergast  (Vorsitzender  und  Konservator 
der  Munzen), 

Prof.  Dr.  Ritter  (Stellvertreter  des  Vorsitzenden  und 
Konservator  der  Altertttmer), 

Bankvorsteher  L.  Gittermann  (Schriftftihrer), 

Sen.  a.  D.  A.  F.  Brons  (Schatzmeister), 

Apothekenbesitzer  Herrmann  (Gemalde  und  Altertumer), 

Sen.  a.  D.  Dreesmann  Penning  (Hausangelegenheiten), 

Pastor  Medenwald  (Bibliothekar), 

Amtsgerichtsrat  Richard. 

Als     Mitglieder     wurden    in     unsere     Gesellschaft     auf- 


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-    528    — 

genommen:  Kaufmann  Johannes  Bertram,  Rendant  J.  Diedrichs. 
Dr.  med.  Geelvink,  Dr.  Johannes  Kleinpaul,  Redakteur  der 
Ostfriesischen  Zeitung,  Oberlehrer  Liiddecke,  in  Emden,  Post- 
direktor  Efslinger  in  Leer  (30/5.  05),  Dr.  jur.  Fieker  und  Buch- 
h&ndler  D.  Frieraann  in  Aurich,  Kaufmann  Rud.  C.  Gitter- 
mann  in  Odessa,  Rechtsanwalt  Groeneveld  in  Weener,  Assessor 
Loesing  in  Goslar,  Regierungspr&sident  Prinz  von  Ratibor- 
Corvey,  Durchlaucht,  in  Aurich,  Landgerichtsprasident  Reichens- 
perger  in  Aurich,  Oberlehrer  Herm.  van  Rensen  in  Mettmann, 
Pastor  coll.  Saathoff  in  Gottingen,  Geh.  Baurat  a.  D.  Schelten- 
Peterssen  in  Berum,  Pastor  Sluyter  in  Borkum,  Biirgermeister 
Vocke  in  Eschwege ;  ferner  trat  auf  eine  Anregung  des  Landrats 
Dr.  Budde  der  Ausschuss  des  Kreises  Wittmund  bei. 

Dagegen  haben  wir  auch  in  dem  verflossenen  Zeitraume 
eine  grOssere  Anzahl  von  Mitgliedern,  die  uns  der  Tod  entriss, 
zu  betrauern.  Dem  Andenken  zweier  in  weiten  Kreisen  bekannter 
Malnner,  des  Geh.  Archivrats  Dr.  Ernst  Friedlaender  in  Berlin, 
gest.  am  1.  Januar  1903,  und  des  Hofrats  Dr.  Onno  Klopp  in 
Wien,  gest.  am  9.  August  1903,  wird  das  nachste  Jahrbuch 
eingehendere  Erinnerungen  widmen.  —  Am  15.  November  1902 
verschied  zu  Konigsberg  i.  Pr.  unser  korrespondierendes  Mitglied 
Dr.  Heinrich  Babucke,  geb.  den  6.  Januar  1841,  1867 
Lehrer  am  Gymnasium  zu  Marienwerder,  1872  zu  Aurich,  1873 
Rektor  des  Progymnasiums  zu  Norden,  1875  Direktor  des 
Fiirstlichen  Gymnasiums  zu  Buckeburg,  1883  in  Landsberg 
a.  d.  W.,  seit  1885  Leiter  des  Altstadtischen  Gymnasiums 
seiner  Geburtsstadt  Konigsberg.  Die  kurze  Zeit  seines 
Aufenthaltes  in  Ostfriesland  war  an  schriftstellerischer 
T&tigkeit  die  fruchtbarste  seines  Lebens.  Mit  welchem  Eifer 
er  sich,  nachdem  ihn  das  Schicksal  aus  dem  aussersten 
Nordosten  Deutschlands  zu  uns  verschlagen  hatte,  gerade  hier 
einzuleben  bemiiht  war,  zeigen  seine  im  Xten  Bande  unseres 
Jahrbuches  (Heft  1  S.  146)  aufgefiihrten  Arbeiten  fiber  Pfahl- 
bauten  in  Ostfriesland  (1873),  iiber  das  Register  der  Norder 
Kirchengiiter  v.  J.  1553  (1873),  Historische  Volkslieder  aus  und 
uber  Ostfriesland  (1873  und  1874),  Josefs  Gedicht  von  den 
sieben  Todsunden  (1874),  ein  bis  dahin  vollig  unbekanntes 
Werk,  das  er,  wahrscheinlich  einem  Hinweise  des  mit  ihm 
befreundeten,  nun  kurz  nach  ihm  dahin  geraflften  Friedlaender 


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—    529     — 

folgend,  unter  unseren  Handschriften  entdeckte;  liber  die 
Annektion  von  Ostfriesland  durch  Friedrich  d.  Gr.  1744  (1874), 
tiber  Wilhelm  Gnapheus  (1875),  und  endlich  die  Geschichte  des 
Koniglichen  Progymnasiums  in  Norden  (1877).  Sie  beweisen 
eine  erstaunliche  Orientierungsfahigkeit  und  Arbeitskraft,  legen 
aber  auch  von  einem  Grundzage  seines  Wesens  Zeugnis  ab, 
von  dem  Wohlwollen  und  der  Liebe,  mit  der  er  an  jeder  neuen 
Statte  seines  Wirkens  in  ihrer  Geschichte  und  unter  ihren 
Menschen  vertraut  zu  werden  beflissen  war;  diese  Liebe  hat 
Ostfriesland  in  besonderem  Masse  erfahren.  Andere  Arbeiten 
von  ihm  betrafen  die  niederdeutsche  Sprache  und  das  romische 
Altertum:  Sprach-  und  Gaugrenzen  zwischen  Elbe  und 
Weser  (im  Jahrbuche  des  Vereins  fur  niederdeutsche  Sprach- 
forschung,  Jahrgang  1881,  vgl.  Babuckes  Konigsberger  Programm 
1886  und  Jahrb.  des  Vereins  f.  niederdeutsche  Sprach forschung 
1889,  ferner  Jostes  in  demselben  Jahrbuche  1885);  „Spieghel 
der  zondena  im  Jahrb.  d,  V.  f.  niederd.  Sprf.  1891  (ein  Gedicht 
ahnlichen  Inhalts  wie  unser  Josefs  Gedicht  von  den  sieben 
Todstinden);  seine  Promotions-Arbeit  handelte  tiber  Quintilian; 
an  seine  Universitatsstudien  kniipften  ferner  an:  „Die  Ent- 
wicklung  des  romischen  Heerwesensa,  „  Geschichte  des  Kolos- 
seums",  „Reisebriefe  ausltalien";  in  Italien  hatte  er  1889  und 
1900  Heilung  von  dem  Leiden  gesucht,  das  bald  darauf  sein  friihes 
Ende  herbeifuhren  sollte.  —  Im  besten  Mannesalter,  erst  40  Jahre 
alt,  fiel  am  13.  Oktober  1903  einer  ttickischen  Krankheit  zum 
Opfer  der  Bildhauer  Georg  Kiisthardt  in  Hannover,  in  Emden 
wohlbekannt  durch  seine  Arbeiten  zur  Erhaltung  der  Abschluss- 
wand  des  Enno-Denkmals  in  der  Grossen  Kirche,  durch  das 
Standbild  Kaiser  Wilhelms  L,  die  Biiste  des  Generalpostmeisters 
Stephan  und  den  von  Freunden  unseres  Oberbtirgermeisters 
gestifteten  Brunnen  an  der  Bonnesse,  sowie  durch  die 
Biiste  Kaiser  Wilhelms  I.  am  Kaiser  Wilhelm -Denkmal  in 
Norderney  und  die  mit  seinen  Bnidern  ausgefuhrte  Wieder- 
herstellung  des  Tabernakels  in  der  Kirche  zu  Arle.  Auch  die 
schftnen  Gipsabgiisse  der  merkwiirdigen  Spottfiguren  aus  der 
Grossen  Kirche  in  unserer  Sammlung  sind  sein  Werk.  —  Auf 
ein  langes  Leben  hat  der  am  17.  Dezember  1904  in  Norden 
entschlafene  Amtssekretar  a.  D.  Focke  Gerdes  Rose  zuriick- 
blicken  kSnnen.     Unserer  Gesellschaft  gehorte  er  seit  1879  an, 


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—    530    — 

wo  ihm  und  dem  Kommerzienrate  Jan  ten  Doornkaat  Koolman, 
dem  Verfasser  des  WSrterbuches  der  ostfriesischen  Sprache, 
zum  Danke  ftir  die  von  ihm  auf  Kosten  des  letzteren  aus- 
geftihrten  Ausgrabungen,  namentlich  in  den  damaligen  Aemtern 
Norden  und  Esens,  ftir  die  Ueberweisung  s&mtlicher  dabei  zu 
Tage  gefftrderter  Funde  an  uns  und  ftir  die  sorgf&ltigen  schrift- 
lichen  Berichte  dartiber  von  seiner  Hand  die  Ehrenmitglied- 
8chaft  tibertragen  wurde.  Der  stille,  gewissenhafte  Mam 
besass  in  ungew6hnlichem  Masse  die  Gabe,  im  voraus  mit 
blossem  Blicke  vorgeschichtliche  Ver&nderungen  der  Boden- 
bildung  durch  Menschenhand  zu  erkennen;  in  den  sechziger 
und  siebenziger  Jahren  des  vorigen  Jahrhunderts  gait  er  weit 
und  breit  als  der  beste  Kenner  der  „Htinengrabera  unserer 
Landschaft.  Geboren  in  Bargebur  bei  Norden  am  21.  April  1818, 
bereitete  er  sich  mehrere  Jahre  lang  bei  dem  Pastor  Stip  in 
Osteel  auf  das  Studium  der  Theologie  vor ;  vierjahrige  Krankheit 
notigte  ihn  aber,  seine  Absicht  aufzugeben  und  nach  wieder- 
erlangter  Gesundheit  zun&chst  Beschaftigung  beim  Domanial- 
amte  in  Berum  zu  suchen;  1856  kam  er  als  hannoverscher 
Amtsvogt  nach  Leer  und  wurde  hier  1866,  in  Esens  1874 
preussischer  Amtssekretar,  trat  aber  1876  in  den  Ruhestand, 
den  er  in  Esens,  Dornum,  Varel  und  zuletzt  in  Norden  verlebte.  — 
In  Meiderich  bei  Ruhrort  starb  am  27.  September  1903  unser 
Mitglied,  der  Lehrer  KarlDirksen,  geboren  zu  Leer,  als  Sohn 
des  Senffabrikanten  D.,  am  10.  Febr.  1850,  vor  seiner  rheinischen 
Zeit  Lehrer  in  Weener  und  Esens,  bekannt  durch  zahlreiche 
volkskundliche  Arbeiten;  1889  und  1891  erschienen  von  ihm 
in  Ruhrort  2  Hefte:  „Ostfriesische  Sprichworter  und  sprich- 
wortliche  Redensarten  mit  Anmerkungena  (das  zweite  erlebte 
eine  zweite  Auflage);  1893  zu  Konigsberg  i.  Pr.  in  zweiter 
Auflage:  „Meidericher  Sprichworter";  1894  in  Bonn:  „Volks- 
kundliches  aus  Meiderich".  Kleinere  Beitrage  lieferte  er  in  dem 
Korrespondenzblatte  des  Vereins  ftir  niederdeutsche  Sprach- 
forschung,  in  der  Zeitschrift  des  Vereins  ftir  Volkskunde,  deren 
Herausgeber,  der  verst.  Geh.  Regierungsrat  Dr.  Weinhold  in 
Berlin,  mit  ihm  einen  lebhaften  Briefwechsel  pflegte,  und  in 
der  Zeitschr.  des  Vereins  f.  rheinische  u.  westfalische  Volks- 
kunde („Volksmedizin  am  Niederrhein").  Ftir  unser  Jahrbuch 
(XII  1897)  arbeitete  Dirksen  denAufsatz:  wOstfriesische  Rechts- 


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—    531     — 

sprichw5rtera.    Wer  etwa  in  den  Jahren  1895—1902  einer  der 

Versammlungen   des  hansischen    Geschichtsvereins    und    des 

Vereins    fiir  niederdeutsche  Sprachforschung  beigewohnt  hat, 

erinnert   sich   gewiss   des    harmlosen,    lebhaften   Mannes,    der 

selten  fehlte.    Noch  Pfingsten  1902,  als  die  Versammlung  in 

Emden  tagte,  ergriff  er,  ohne  zu  ahnen,  dass  es  das  letzte  Mai 

sein  sollte,   die  Gelegenheit,  sein  engeres  Vaterland  zu  sehen. 

und  folgte  auch  der  Aufforderung,   Proben  des  ostfriesischen 

Dialektes    affentlich  vorzutragen.     Den  Prospekt   einer  neuen 

Ausgabe  seiner  „  Ostfriesischen  Sprichworter",  die  dem  Andenken 

Karl  Weinholds   gewidmet  werden  sollte,  hatte  er  bei  der  Er- 

offnung    der    Versammlung   ubergeben.    —   Ausser   den    oben 

genannten  Mitgliedern  beklagen  wir  den  OberfSrster  a.  D.  E.  W. 

A.  Lantzius-Beninga  aus  Stikelkamp,  1 870—1882  Land- 

tagsabgeordneter  fur  den  Kreis  Leer,  gest.  94  J.  alt  zu  Aurich 

am  29.  November  1902,  —  den  Rentmeister  Dammeyer   in 

Petkum,  einen  in  landwirtschaftlichen  Kreisen  hochgeschatzten 

Mann,  gest.  82  J.  alt  am  19.  Juni  1904,  Mitglied  seit  1871,  — 

den  Superintendenten  Hesse  in  Larrelt,  Sohn  des  Kirchenrats 

Hesse  in  Emden  und  Enkel  des  reformierten  Generalsuperinten- 

denten   fur  Ostfriesland,   Hinrich  Hanssen  Hesse,   Mitglied  seit 

1874,  der  uns  als  Verwalter  der  Akten  des  reformierten  Coetus 

von    Ostfriesland    manche    Freundlichkeit    erwies,    gest.    am 

7.  Sept.  1904,  —  den  bekannten  Kunstfreund  und  ehemaligen  Vor- 

sitzenden  des  westdeutschen  Fluss-  und  Kanal vereins,   Franz 

Merkens  in  Koln,  einen  der  frilhsten  und  eifrigsten  FOrderer  einer 

zielbewussten,  grossen  Kanalpolitik  in  Deutschland  und  treuen 

Freund  Emdens,   der  seiner  Anhanglichkeit  fiir  unsere  Stadt, 

schon   ehe  die  Verhandlungen  fiber  den  Bau  des  Rhein-Ems- 

Kanals  zum  Abschluss  gediehen  waren,  durch  das  Geschenk 

eines  kunstvollen  silbernen  Spatens  fiir  den  ersten  Spatenstich *) 

Ausdruck  gab,  gest.,  82  Jahre  alt,  am  8.  Januar  1905,  —  und  den 

Weinhandler  E.   H.    Schwitzky,    gest.    im    69.    Jahre    am 

2.  Februar  1905,  der  in  unseren  Versammlungen  als  geborener 

Auricher  besser  als  irgend  ein  anderer  fiir  Sitte  und  Sprache 

im  5stlichen  Ostfriesland  Auskunft  zu  geben"pflegte.    Endlich 

kSnnen  wir  nicht  unterlassen,  unseres  treuen  Kustos  Cornelius 

l)  vgl.  F&rbringer,  Die  Stadt  Emden  in  Gegenwart  und  Vergangen- 
heit,  S.  53. 


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van  Jindelt  zu  gedenken,  der  Dienstag  den  14.  Oktober  1902 
am  Abend,  68  Jahre  alt,  aus  dem  Leben  schied.  Mit  vorbild- 
licher  Gewissenhaftigkeit  hatte  er  sich  in  die  seinem  fruheren 
Lebensgange  nach  fiir  ihn  schwierige  Stellung  bei  unserer  Ge- 
sellschaft  eingearbeitet,  und  noch  wenige  Stunden  vor  dem 
Tode  weilten  seine  Gedanken  bei  den  nicht  weit  von  seinem 
Sterbelager  in  gewohnter  Weise  versammelten  Mitgliedem.  In 
seine  Stelle  wahlte  die  Generalversammlung  vom  10.  Marz  1903 
den  Zimmermeister  Snitjer. 

Die  Zahl  unserer  Ehrenmitglieder  betragt  gegenwartig 
4,  der  korrespondierenden  Mitglieder  15,  der  Emder 
Mitglieder,  mit  einem  Beitrage  von  18  Mark,  65,  der  aus- 
wartigen  Mitglieder,  mit  einem  Beitrage  von  6  Mark,  92;  im 
Schriftentausche  stehen  wir  mit  87  Vereinen  und  Institutes 

Unter  den  Gegenstanden,  durch  die  unsere  Sammlungen 
bereichert  wurden  und  von  denen  ein  ausfuhrliches  Verzeichnis 
unten  folgt,  heben  wir  als  kostbares  Geschenk  2  nach  dem  Fuss- 
ende  zu  sich  verjtingende  Steins&rge  aus  rotlichem  (Bent- 
heimer)  Gestein  hervor,  die  bisher,  zu  wirtschaftlichen 
Zwecken  benutzt,  in  Engerhafe  auf  dem  Platze  unseres 
Mitgliedes,  Herrn  Dj.  Ulferts  in  Upgant,  wenig  beachtet 
dastanden.  Die  Verzierungen  auf  dem  Deckel  des  einen 
Sarges,  Linienornamente,  die  einen  Krummstab  umgeben, 
ohne  alle  Inschrift,  erinnern  an  den  bei  Reimers  im 
Handbuche  der  Denkmalpflege  (Hannover  1899)  S.  139  ab- 
gebildeten  Grabstein  aus  der  Kirche  zu  Pogum  und  an  einen 
andern  auf  dem  Nesserlander  Kirchhof,  auf  denen  jedoch  der 
Krummstab  fehlt.  Wessen  Gebeine  die  Engerhafer  S&rge  einst 
bargen  und  ob  diese  etwa  von  ihrer  urspriinglichen  Statte 
verschleppt  worden  sind,  dartiber  fehlt  es  an  jedem  Anhalte.1) 


l)  In  der  Chronik  des  Cistercienser-Klosters  Aduard  bei  Qroningen 
(herausg.  v.  Bnigmans  in  den  Bijdragen  en  Mededeelingen  van  het 
Hi8tori8ch  Genootschap  te  Utrecht XXIII 1902)  wird  eines  Steins arges 
bei  nur  einem  Abte,  bei  dem  1485  gestorbenen  Heinrich  von  Rees,  aus- 
driicklich  Erwahnung  getan,  des  Hirtenstabes  nur  auf  dem  Grabsteine 
des  Abtes  Rudolf  Friese,  gest.  1449:  Rodolphus  cognomento  Vriese 
de  Groningen  abbas  . .  a.  1449  .  .  obdormivit .  .  habens  lapidem  baculo 
pastorali  insignitum  sepulchro  suo  superpositum  (Brugmans  &  66); 
Henricus  de  Rees  abbas.,  cujus  corpus  in  sarcophago  lapideo 
positum  domus  capitularis  medio  requiescit  in  pace  (S.  70). 


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—     533    — 

Ein  Niederl&nder,  dem  wir  vor  Jahren  eine  unbedeutende 
Gef&lligkeit  erweisen  konnten,  Herr  J.  B.  van  IJsseldijk  in 
Amsterdam,  gedachte  unser  in  seinera  letzten  Willen;  in  seinem 
Testamente  vom  14.  September  1897  vermachte  er  uns  ausser 
andern  Papieren  eine  fur  Emden  sehr  wertvolle  Orginalhand- 
schrift,  die  Geschichte  der  um  1550  aus  's-Hertogenbosch  nach 
Emden  gefliichteten  Familie  van  den  Bosch,  ursprtinglich  van 
Ossche  genannt,  von  1543—1672,  i.  J.  1649  angelegt  von  dem 
Emder  Maler  Arent  van  den  Bosch  (1618 — 1672),  wahrscheinlich 
einem  Schiiler  und  Verwandten  Martin  Fabers.  Es  ist  dieselbe 
Handschrift,  die  J.  I.  Harkenroht  in  seinen  Oorsprongkelijkheden 
S.  133  inbezug  auf  die  erste  Abendmahlsfeier  in  der  Neuen 
Kirche  am  12.  M&rz  1665  mit  den  Worten  erwahnt:  „Gelijk  ik 
dit  alles  omftandiglijk  onlangs  aangeteekent  vonde  in't  Stam- 
boek  van  den  Heer  Arent  van  den  Bosch  den  Ouden." 
Von  diesem  bemerkt  er  S.  166,  dass  „Arnold  van  den  Bosch, 
een  voornaam  Borger  en  Poet  binnen  Emden",  um  1660  einen 
sehr  schonen  niederlandischen  Vers  auf  den  Ursprung  des 
Emder  Vierziger-Kollegiums  und  dessen  Gesetze  gemacht  habe. 
Auch  Meiners  scheint  unsere  Handschrift  gekannt  zu  haben: 
in  seiner  Kerkel.  Geschiedenis  I  S.  411  (1738)  fuhrt  er  ftir  die 
Gastlichkeit  Emdens  gegen  verfolgte  Bekenner  der  Wahrheit 
als  Zeugen  an  „de  geslagten  van  van  den  Bosch,  of  eigentlyk 
van  Os,  zynde  een  adelyk  geflagte  uit  de  Meyerye  van  'sHer- 
togenbosch,  van  Wingene,  de  Pottere,  Laubegeois,  van  Laher, 
Payne,  Duif,  van  Kerkhoven"  etc.  Darait  vergleiche  man  die 
Bemerkung  der  van  den  Bosch'schen  Familiengeschichte  S.  1 : 
„Deese  naem  (van  Ofs)  koomt  van  het  oude  en  adelyck  stamhuis  en 
herlicheit  Ofs,  ligende  in  de  Meyerie  van  den  Bofch,  zijnde 
voor  deezen  naet  getuigenis  van  S.  van  Griethuifen  foreftiers 
ofte  Houtvefters  van  Brabant  geweeft."1)  Nach  dem  Tode  des 

')  Sibylla  van  Griethuysen  aus  Appingadam,  die  Dichterin  der 
hinter  Eilshemius  Predigt  abgedruckten  Verse  auf  die  Vollendung  der 
Neuen  Kirche  zu  Emden  i.  J.  1648,  auf  deren  Architekten,  Martin  Faber, 
und  den  ersten  Prediger  an  derselben,  Petrus  Eilshemius  (vgl.  Harkenroht 
Oorspr.  S.  133),  muss  in  der  Familie  van  den  Bosch  vertraut  gewesen 
sein  und  ihre  Geschichte  in  einem  ihrer  Gedichte  beriihrt  haben.  —  Ein 
Verwandter  der  Emder  Familie  ist  wahrscheinlich  Arnout  van  Ossche,  der 
als  niederiandischerKurassier-Offizier  1600  auf  der  Vuchter  Heide  verwundet 
wurde  und  in  's-Hertogenbosch  starb  (Navorscher  XXXVII,  1887,  S.  76). 


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—    534    — 

Herrn  van  Usseldijk  am  21.  April  1902  traten  der  Ausfuhrung 
des  Verm&chtnissesanfangs  Schwierigkeiten  entgegen,  die  aber  im 
Mai  1904  gehoben  wurden.  Dem  Stifter  werden  wir  ein  dank 
bares  Andenken  bewahren.  Ueber  den  weiteren  Inhalt  der 
uns  aus  seinem  Nachlasse  zugefallenen  Papiere  hoffen  -wir  spater 
Bericht  erstatten  zu  konnen.  —  Einem  Herrn  unseres  Vorstandes. 
dessen  Grossmut  wir  und  andere  schoh  oft  erfahren  haben. 
der  auch  1899  zur  Erhaltung  des  Renaissance-Giebels  am 
Delfte  Nr.  241)  ganz  wesentlich  beigetragen  hat,  drangt  es  uns 
fiir  die  Stiftung  zahlreicher  wertvoller,  namentlich 
niederl&ndischer,  Werke,  deren  Besitz  wir  immer 
schmerzlich  entbehrt  haben,  deren  Ankauf  wir  uns  aber  ver- 
sagen  mussten,  unseren  Dank  auch  an  dieser  Stelle  ans- 
zusprechen. 

Dem  Ostfriesischen  Landschaftskollegium  und  der 
Hannoverschen  Provinzial-Verwaltung  verdanken  wir 
auch  in  dem  verflossenen  Zeitraume  die  wirksame  jahrliehe 
Untersttitzung  von  1000  und  550  Mk. 

Die  im  XIV.  Bande  unseres  Jahrbuches  S.  365  erwahnten 
handschriftlichen  Funde:  das  Emder  Nekrologium  v.  J.  1350. 
die  Descriptio  Frisiae  Orientalis  des  Henricus  Ubbius  v.  J.  1530, 
das  Tagebuch  des  Fran<;ois  Michel  xiber  die  Fahrt  der  *Burg 
von  Emdena  nach  Kanton  1752—1754,  ferner  das  Spottgedicht 
auf  die  Emder  v.  J.  1609,  sowie  die  in  Aussicht  gestellten  Mit- 
teilungen  fiber  die  nach  Groningen  gelangte  Monstranz  des  Haupt- 
lings  Victor  Frese  von  Loquard  und  fiber  die  Peterssensche  Mlinz- 
sammlung  und  ihren  Stifter  haben  wir  zu  unserem  Bedauem 
um  anderer  Beitrage  willen,  deren  Veroffentlichung  wir  nicht 
wohl  aufschieben  konnten,  und  aus  anderen  Grtinden  diesmal 
noch  nicht  bringen  konnen  und  miissen  bitten,  uns  Geduld  zu 
schenken. 


J)  vgl.  Jahrb  XIH  S.  269,  XIV  S.  367. 


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Zuwachs  der  Sammlungen  (bis  zum  1.  Juli  1904). 
I.  Bflcher,  Handschriften  und  Gemftlde. 


Ausser  der  uns  durch  das  Ministerium  der  geistlichen, 
Unterrichts-  und  Medizinal-Angelegenheiten  regelmassig  zuge- 
sandten  Zeitschrift  „Die  Denkmalpflege",  den  im  Tausche 
uns  zugehenden  VerSfientlichungen  der  unten  aufgefiihrten 
Vereine,  Gesellschaften  und  Institute  und  den  Zeit- 
schriften:  Oud-Holland,  Zeitschrift  fiir  bildende  Kunst,  Kunst- 
chronik,  Der  Kunstmarkt,  Museum,  Jahrbuch  und  Korrespondenz- 
blatt  des  Vereins  fiir  niederdeutsche  Sprachforschung,  Nieder- 
sachsen,  Korrespondenzblatt  des  Gesamtvereins  der  deutschen 
Geschichtsvereine,  Buchenaus  Bl&ttern  fiir  Miinzfreunde,  Bahr- 
feldtsNumismatischem  Litteraturblatt,  Numismatischem  Verkehr, 
ist  Folgendes  hinzugekommen : 

Schiissler,  KOnig  Friedrichs  des  Grossen  Vertrag  mit 
der  Stadt  Emden,  Beilage  zum  Programm  des  Konigl.  Wilhelms- 
Gymnasiums  in  Emden  1901.  —  Kontrakt-Entwurf  fiir  eine 
Anleihe  von  200000  Gulden,  die  Emden  1723  zur  Wiederher- 
stellung  der  Deiche  aufnahm  (Magistrat).  —  Portrat  Georg 
Albrechts  von  Ostfriesland,  Kupferstich  von  C.  Fritsch,  Ham- 
burg 1720  (Holzhandler  Miihlenbruch).  —  Photographie  vom 
Giebel  des  Hauses  Neutorstr.  Nr.  20,  des  „Valkhofsa  (Troger). 

—  Stiftungsurkunde  der  vereinigten  Miihlensocietat  zu 
Emden,  gedruckt  bei  H.  Woortman  in  Emden  1816,  nebst  einer 
Aktie  der  Gesellschaft  (Klug;  die  Gesellschaft  hat  sich  1898 
aufgelost).  —  Entwurf  zu  einem  Zolltarif  fiir  das  vereinigte 
Deutschland,  Frankfurt  1848  (B.  Brons).  —  G.  F.  K5nig,  Teutsche 
Briefe,  geschrieben  im  Zuchthause  zu  Emden,  erstes  Heft,  Emden 
1837  (Philippstein).  —  Samtliche  Verlustlisten  der  Kriegs- 
jahre  1870/1,  nebst  den  Kriegsdepeschen(ManufakturistS.Sikken). 

—  Heck,  Die  Gemeinfreien  der  karolingischen  Volksrechte,  Halle 
1900.  —  J.  Mestorf,  Moorleichenfunde,  Kiel  1900.  —  Kruske, 
Johannes  a  Lasko  im  Sakramentstreite,  Leipzig  1900.  —  Stamm- 


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tafel  der  Familie  Schomerus  von  R.  W.  G.  Guthe  und  cand. 
med.  Ad.  Schomerus  aus  Marienhafe  (Guthe  in  Adelholzen  bei 
Bergen  in  Oberbayern,  durch  Vermittlung  des  Pastors  Lupkes 
in  Marienhafe).  —  Federzeichnung,  in  der  Buchstaben 
durch  menschliche  Figuren  dargestellt  sind,  von  A.  J.  Mulder 
1811,  mit  dem  Spruche:  „Mensch,  sei  fromm  und  gut*  (J.  de 
Beer  jr.)  —  Handzeichnung  des  Giebels  „De  brune  Hart8  an 
der  Ostseite  der  Deichstrasse  (Haynel).  —  Bticherverzeichnis 
der  landschaftlichen  Bibliothek  in  Aurich,  1901  (Klug).  —  His, 
Das  Strafrecht  der  Friesen  im  Mittelalter,  Leipzig  1901.  —  7  Bande 
Schiffsvermessungsprotokolle  des  Schiffsvermessers 
Paschier  inEmden  aus  dem  Anfang  des  XIX.  Jahrh.(P.  vanRenses; 
die  Papiere  gehorten  friiher  dem  Kaufmann  van  Nes  und  spater 
dem  verst.  Kaufmann  David Swartte).  —  Deutsche Volkszeitung 
(Hannover)  vom  7.  April  1901  mit  einer  Anzeige  unseres  Jahr- 
buchs  (Red.  der  Volkszeitung).  —  Hollandische  Uebersetzung 
der  romischen  Geschichte  des  Livius  aus  dem  XVII.  Jahrh 
in  Folio  (ohne  Titelblatt),  voran  „Pauli  Merola,  professor  tot 
Leyden,  Beschrijving  van  der  stadt  Romen"  (L.  van  Senden; 
Paul  Merula's  Urbis  Romae  delineatio  erschien  in  Leiden  1599). 

—  Keuchenius,  Hydrographische  Kaart  der  monden  van  de 
Eems,  1833  (A.  Brons).  —  Photographien  verschiedener  Seiten 
und  des  Umschlags  der  Aachener  Handschrift,  aufge- 
nommen  von  N.  Troger  (vgl.  Jahrb.  XIV  S.  366).  —  Photo- 
graphien von  Grabsteinen  der  Grossen  Kirche  und  der  Gast- 
hauskirche  von  N.  Troger.  —  Staatshandbuch  der  Provinz 
Hannover  1900  (Klug).  —  Siebs,  Stamm-  und  Sprachverwandt- 
schaft  der  Buren  mit  den  Niederlandern,  Deutschen  und  Eng- 
landern,  Sonderabdruck  aus  Nr.  21  und  22  der  Alldeutschen 
Blatter  1901;  Siebs,  Anlautstudien,  Abdruck  aus  der  Zeitschr. 
f.  vergl.  Sprachkunde,  N.  F.  XVII  S.  277  f.,  Giitersloh  1901 
(Prof.  Siebs-Greifswald).  -  Festschrift  zur  50jahrigen  Stiftungs- 
feier  der  Emder  Liedertafel  am  10.  Mai  1897  (Lohmeyer). 

—  Eingerahmte  Kalligraphie  religiosen  Inhalts  von  A.  J. 
Miilder  (J.  de  Beer  jr.)  —  Bleistiftzeichnung  der  1710  abge- 
brochenen  Burg  zu  Pewsum  v.  J.  1620  mit  der  Aufschrifl 
„Het  huis  to  Peusum  1620  den  29.  feberwa:"  (Major  v.  Fromm 
zu  Meiningen,  vgl.  Jahrb.  XIV  S.  491  f.)  —  Zwei  Photographien 
grossen    Formats    vom    Grossen     Meere     bei    Loppersum 


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.     —     537     — 

und  vom  Altarbilde  zu  Nesse,  das  Christus  am  Kreuze 
darstellt1)  (A.  Stockvis  in  Dusseldorf,  vgl.  jetzt  Stockvis' 
Fuhrer  durch  Ostfriesland  1902  S.  103).  —  Speisekarte 
des  Festessens  zum  25jahrigen  Jubil&um  des  Oberbtirger- 
meisters  Fiirb  ringer  im  Juni  1901,  Fahrkarte  des 
Personenzuges  von  Emden  zum  Emder  Aussenhafen  vom 
1.  Juli  1901  zur  Erinnerung  an  den  ersten  Eisenbahnzug  auf 
dieser  Strecke  (E.  van  Letten).  —  Aquarell  des  Malers 
Bleeker  aus  Emden:  „Markt  in  Dusseldorf tf.  —  PalmgrSn, 
Emden,  Deutschlands  neues  Seethor  im  Westen,  Emden  1901. 

—  Zwei  Seekarten:  General  Chart  of  the  North  Sea  or 
German  Ocean,  London  by  James  Jmray  1848;  Chart  of  the 
English  Channel,  London,  James  Jmray  1850  (A.  Brons).  — 
Nr.  37  und  38  des  III.  Jahrgangs  der  Zeitschrift  „Ueberalla 
mit  einem  Aufsatze  liber  die  deutsche  Hochseefischerei  in  der 
Nordsee  (fGrafenhain-Hannover).  —  Auktions-Katalog  der 
Bibliothek  des  letzten  ostfriesischen  Fursten :  Catalogus  biblio- 
thecae  principalis  publica  auctione  distrahendae,  Auricae  die 
19  Aprilis  1745  (fGeh.  Archivr.  Friedlaender-Berlin).  —  Ein- 
ladungskarte,  Zutritts-,  Tribiinekarten,  Festprogramm, 
Speisekarte,  Sanger-Erinnerungskarte,  kleine  Festschrift,  2  Fest- 
postkarten  zur  gescheiterten  Hafen-Einweihungsfeier  am  7.  Aug. 
1901  (Schwalbe).   —  Festprogramm  der  Innungen  (Tergast). 

—  Die  Festschrift  „Der  Hafen  von  Emden",  mit  eigener 
Widmung  des  Herausgebers,  Wirkl.  G.  0.  R.  Schweckendieck 
in  Berlin  (vom  Herausgeber).  —  J.  Gierke,  Die  Geschichte 
des  deutschen  Deichrechts,  63.  Heft  der  Untersuchungen  zur 
Deutschen  Staats-  und  Rechtsgeschichte,  herausg.  v.  0.  Gierke, 
Breslau  1901.  —  Uebersichtsplan  des  Emder  Hafens  aus 
Palmgr§ns  Schrift:  Emden,  Deutschlands  neues  Seethor.  — 
Segelanweisung  fur  die  Befahrung  der  Ems  zur  Nachtzeit. 

—  Eine  Nummer  der  Illustrierten  Zeitung  vom  August  1901 
mit  Abbildungen  aus  Emden.  —  Ein  Exemplar  der  vom  Verein 
zur  Erhaltung  der  Denkmaler  in  der  Provinz  Sachsen  veran- 
lassten  Reproduktion  eines  Bilderblattes  aus  einer  Merse- 
burger    Bibelhandschrift    des    XIII.    Jahrhunderts   nebst    er- 


>)  Nach  Mithoff  S.  149  ist  der  Altar  1684  angefertigt.  Die  Seiten 
sind  1601  mit  plattdeutschen  Spriichen  beschrieben  worden.  Ueber 
die  Entetehungszeit  des  Bildes  sagt  M.  nichts. 


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—    538    - 

l£uterndem  Texte  (Ministerium  der  Geistl.,  Unterrichts-  und 
Medizinal-Angelegenheiten).  —  Die  auf  den  Kaiserbesuch 
bezilglichen  Nummern  der  Emder  Zeitung  vom  26.  Juli  bis  zum 
17.  August  und  der  Rhein-Ems-Zeitung  vom  3.  bis  18.  August 
1901  (Herrmann).  —  Potier,  Ein  Besuch  in  der  Werkstatte 
eines  F&lschers  alter  Waff  en,  Sonderabdruck  aus  Gross'  ArchiT 
fiir  Kriminal-Anthropologie  und  Kriminalstatistik  VII,  Leipzig 
1901  (vom  Verfasser,  Dr.  v.  Potier).  —  H.  Meyer,  Die  Sprache 
der  Buren,  GOttingen  1901  (Borchling).  —  „Frisiaa,  herausg. 
v.  Kriiger,  Jahrg.  1845.  —  Druckblatt  mit  den  1869  bei  dem 
Besuche  des  Konigs  Wilhelm  vor  dem  Y.  Brons'schen 
Hause  gesungenen  Liedern  (BSrsenwirt  Janssen).  —  Der  vierte 
Band  des  grossen  Werkes  von  Schlie  tiber  die  Kunstdenk- 
mftler  Mecklenburgs  1901.  —  Ostfriesisches  Schulblatt  vom 
15.  August  1901  mit  einem  Aufsatze  von  Sundermann  fiber  die 
Schlacht  bei  Arle  1495  (vom  Verfasser).  —  Hansische  Ge- 
schichtsbl&tter,  Jahrg.  1900.  —  Carte  chorographique 
de  la  Belgique ....  par  le  capitaine  P.  G.  Chaulaire,  Paris,  ohne 
Jahreszahl,  aber  wahrscheinlich  zwischen  1799  und  1804  heraus- 
gegeben,  65  Blatter  (A.  Brons).  —  Photographie  von  der 
Einweihungsfeier  des  Kaiser  Wilhelm-Denkmals  (0.  Butenberg; 
auf  der  Photographie  ist  u.  a.  noch  ein  Teil  der  jetzt  ver- 
schwundenen  Rathausbrticke  gut  zu  sehen).  —  Grosses  Aquarell 
mit  Darstellung  einer  Ostfriesin  in  der  Tracht  der  Manninga- 
Bilder,  gezeichnet  vom  Lehrer  Roskamp.  —  Ein  Exemplar  des 
Opregten  Uphuser  Wunderalmanachs  vom  J.  1740;  Kopie 
einer  Karte  von  der  Umgegend  Emdens  nach  der  Wolthuser 
Seite  hin  („ Emder  kleine  Dickachts-Landen,  nach  der  original- 
Karte  copiiret  vonMagott,Ingenieura);  PortratZwingli's  (Hand- 
zeichnung);  3  Handzeichnungen  von  Jannes  Ruys  in  Emden 
aus  d.  J.  1755—57  darstellend  ein  Ross,  eine  Gruppe  G&nse  und 
Pfaue1);  Festgedicht  und  Gedenktafel  zur  Feier  des  300j&hrigen 
Bestehens  des  Kornvorrats  der  Stadt  Emden  1857;  28  kleine 
Portr&ts  von  niederlandischen  Staatsmannern ,  ausgeschnitten 
aus  einem  gr5sseren  Werke  (E.  van  Letten  aus  dem  Nachlass 
seines  verst.  Oheims  Joh.  van  Letten).  —  Karte  zum  Ein-  und 


!)  Von  einem  Emder  Maler  G.  Ruys  besitzen  wir  ein  Knabenportr&t 
bezeichnet:  „G.  Ruys  Faecit  1728*. 


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—    639    — 

Aussegeln  in  die  Oster-   und  Wester-Ems  sowie  auch   in   das 

Hommegat,  entworfen  1824/8.  .  .   durch  die  Schiffer  P.  0.  Visser 

und  J.   Hamack,   Emden  1829,  gestochen  von  D.  Woortman 

(A.   Brons).  —  J.   A.   Feith,    Uit  Groningen's   verleden,  Gro- 

ningen  1902.  —  Hydrographischer  Grundrissder  Stadt  Emden 

in  Sturmfluten,   entw.  u.  gez.  von  Alb.  D.  Cramer,  Adv.  Cand. 

1839;  vormundschaftliche  Rechnung  uber  des  weil.  Jan  Geerds 

Folkerts  und  dessen  verst.   Ehefrau  Engel  Arends  Buisings, 

auf  dem   Wolthuser  Ziegelwerk,  hinterlassene   Tochter  Teetje 

Janssen  Folkerts,  verehelichte  Pollmanns,  und  Hemcke  Janssen 

Folkerts    Vermogen,     gefiihrt     durch     den    Vormund     Weert 

A.  Ohling    in    Wolthusen    in    Assistenz   des   Jacob   Roejer   in 

Emden  vom  22.  Nov.  1774;  Speisekarten  des  Festessens  zu 

Ehren  des  zum  Ehrenbiirger  der  Stadt  Emden  ernannten  Wirkl. 

Geh.  Ober-Regierungsrats  C.  Schweckendiek  (E.  van  Letten).  — 

Ad.    Kiesselbach,    Die    wirtschafts-    u.    rechtsgeschichtliche 

Entwicklung  der  Seeversicherung  in  Hamburg,  Hamburg  1902.  — 

H.  Sundermann,  Friesische  und  nieders&chsische  Bestandteile 

in  den  Ortsnamen  Ostfrieslands,  Emden  1901.  —  Friedlaender, 

Berliner  geschriebene  Zeitungen   aus    den  Jahren   1713—1717 

u.  17351), Berlin  1902  (vom  Verfasser).  —  Jahresbericht  der 

Handelskammer    fiir    Ostfriesland    und    Papenburg    fur   1900, 

zweiter  Teil  (Herrmann).  —  Nr.    19751  der  Weserzeitung  vom 

6.  Nov.  1901  mit  einem  Aufsatz  von  Sello  ilber  Cornelis  Floris 

in   Friesland  (A.  ter  Vehn).  —  BSttger,  Diozesan-  und  Gau- 

grenzen  in  Norddeutschland,   zweite  Abteilung   (Die  Bistiimer 

Osnabriick,  Minden,  Bremen,  Verden),  Halle  1874  (Magistrat).  — 

Blok,   Verslag  van  onderzoekingen  naar  archivalia   in   Italie 

belangrijk  voor   de  geschiedenis  van  Nederland,    's-Gravenhage 

1901    (Pastor  Houtrouw-Neermoor).    —    3   Photographien   der 

Wandmalereien  in  der  Kirche  zu  Hinte,   aufgenommen  von 

N.  Troger.  —  Photographic   aus   der  Rttstkammer  mit  dem 

Bilde   des  Dr.  v.  Potier   und  seines  Gehiilfen  (v.   Potier).  — 

Photographische  Aufnahmen  und  Bauzeichnungen    vom  jetzt 

abgebrochenen  sog.  alten  Rathause  an  der  Grossen   Strasse 


*)  Die  ^Zeitungen*  sind  Geheimberichte  zweier  politischer  Agenten, 
Grfibel  und  Oortgies  in  Berlin,  die  anfangs  im  ostfriesischen  Solde 
standen  und  deren  Mitteilungen  an  den  ostfriesischen  Hof  im  Auricher 
Staatsarchiv  verwahrt  werden. 

Jahrbucb.  der  GeselUch.  f.  b.  K.  u.  ratorl.  AltortOmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  35 


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—    540    — 

(sollten  vom  Magistratin  Verwahrung  gegebenwerden,  sindaber 
noch  nicht  zugesandt).  —  Wilke  Evers  Kluse1):  I.  Een  Morgen- 
wecker  voor  boetverdige  Sonder,  II.  Een  Dancksegginge  over  de 
Kumpst  Christi,  in.  Een  verquickinge  der  Conscientie  (66  +  22  + 
153  Seiten).  Gedr.  tho  Embden  by  Helwich  Kallenbach  Boeck- 
drucker  by  het  groote  Kerckhoff  Anno  1668  (4°).  —  Predigt  am 
Geburtstage  Sr.  M.  des  Kflnigs  von  Preussen,  den  3.  August 
1814,  geh.  v.  Joh.  Chr.  Herm.  Gittermann,  Prediger  in 
Emden,  gedr.  bei  H.  Woortman  jr.;  Ged&chtnispredigt  auf  das 
300jahrige  Bestehen  des  Gasthauses  u.  der  Gastbauskirche  am 
18.  Dez.  1859,  herausg.  vom  Kirchenrat  Franz  Hinrich  Hesse, 
Emden  1860,  H.  Woortman  sen.  Ww.  (L.  Gittermann).  — 
Blok,  Geschiedenis  van  het  nederlandsche  volk,  V,  Groningen 
1902  (vom  Verfasser).  —  Eine  Nummer  des  Ostfries.  Couriers 
in  Norden  vom  17.  Dez.  1901,  mit  einer  plattdeutschen  Ueber- 
setzung  des  Stortebeker-Liedes  von  Pastor  Lupkes  in 
Marienhafe  (A.  ter  Vehn).  —  D.  Kohl,  Die  Politik  Kursachsens 
w&hrend  des  Interregnums  und  der  Kaiserwahl  1612, 
Inauguraldissertation,  Halle  1887;  Kohl,  Forschungen  zur 
Verfassungsgeschichte  der  Stadt  Oldenburg  (aus  dem  Jahrb.  4 
Oldenburger  Landesvereins) ;  Kohl,  Das  staatsrechtliche  Ver- 
Mltnis  der  Grafschaft  Oldenburg  zum  Reiche  im  ersten  Drittel 
des  XV.  Jahrh.  (ebendaher;  geschenkt  vom  Verfasser,  Dr.  D.  Kohl 
in  Oldenburg).  —  „K61n  und  seine  Bauten",  Festschrift  des 
Architekten-  und  Ingenieur-Vereins  fiir  Niederrhein  und  West- 
falen  zur  Wanderversammlung  des  Verbandes  deutscher 
Architekten-  u.  Ingenieur-Vereine  zu  Koln  vom  12. — 16.  Aug. 
1888  (Franz  Merkens-K&ln).  —  Katalog  der  deutschen  Abteilung 
der  Pariser  Weltausstellung  1900  in  franz5sischer  Sprache 
(K.  Valk).  —  Handschriftliches  Verzeichnis  der  1806  durch 
die  Engender  geschadigtenEmder  Firmen,  aufgestellt  durch  den 
damaligen  Sekretar  der  kaufmannischen  Deputation,  C.  H.  Metger, 
aufgefunden  unter  alten  Papieren  der  friiheren  Firma  Metger  & 
Heydeck,  deren  letzter  Inhaber  der  verst.  Senator  Gitter- 
mann war  (L.  Gittermann).  —  Rechenschaftsbericht  des  Dr. 
Othmar  Baron  Potier  iiber  seine  Thatigkeit  in  der  Riistkammer 


»)  Vgl.  Borchling  im  Jahrb.  d.  V.  f.  niederd.  Sprf.  XXVIH  S.  17.  W.  KL 
war  vielleicht  ein  Pruder  des  Evert  Evers  Clufe,  der  am  30.  Juni  1659 
Meister  der  Emder  Goldschmiedezunft  wurde. 


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der  Stadt  Emden  (Herrmann).  —  Revue  beige  de  numismatique 
mit    einem    Aufsatze    iiber    Jeversche    Mtinzen.    —    Die 

2  ersten  ausgegebenen  Fahrscheine  der  Sonntag  den 
23.  Febr.  1902  eroffneten  elektrischen  Kleinbahn,  Nr.  0001 
u.  0002  (Betriebsleitung).  —  Andrae,  Hausinschriften  aus 
Holland,  Emden  1902.  —  Jahresbericht  der  Centrale  fiir  private 
Fiirsorge  in  Frankfurt  a.  M.,  Schwanheim  1902  (Klumker- 
Frankfurt).  —  Erbpachts-Brief  iiber  18  Diemathe  von  der 
Berdumer  Grode  im  Amte  Wittmund  fiir  Feite  Peters,  aus  der 
Zeit  um  1740  (Oberlehrer  Helmke).  —  Staatshandbuch  fiir 
die  Provinz  Hannover  1901  (Klug).  —  Matthias,  Ueber 
Pytheas  von  Massilia  und  die  altesten  Nachrichten  von  den 
Germanen,  I.  Berlin  1901,  II.  1902,  Beilage  zum  Jahresbericht 
des  Kgl.  Luisengymnasiums  zu  Berlin  (Oberlehrer  Dr.  Matthias, 
Berlin).  —  Plan  der  Fundamente  desNeuen  Tores,  die  beim 
Bau  des  Kappelhoffschen  Hauses  zu  Tage  getreten  sind  (Sen. 
Kappelhoff).  —  12  photographische  Aufnahmen  aus  Bait  rum, 
eine  aus  Norderney,  2  aus  Nienburg  a.  W.  (Stockvis).  — 
Druckblatt:  „Dem  Herrn  Jacobus  Meinardi  Swarttebei  seiner 
50jahrigen  Jubelfeier  als  Schaffer  und  Aeltermann  der  Cle- 
mentiner-Briiderschaft  am  18.  Dez.  1824  gewidmet  von 
seinen  Kollegen  und  Freunden  (Pastor  Voget).  —  Amtsblatt 
far  die  Provinz  Ostfriesland  1865/66  (M.  Schnedermann  jr.).  — 

3  hannoversche  Postaufgabescheine  aus  Emden  v.  J.  1864, 
unterzeichnet  von  den  Postsekret&ren  Ditzen  und  Kettwich 
(Schnedermann  jr.).  —  Chronik  der  Ravensburg  bei  Borg- 
holzhausen,  Bez.  Minden,  Melle,  ohne  Jahreszahl  und  Namen 
des  Verfassers  (E.  Starcke-Melle).  —  Nanninga  Uitterdijk, 
Register  van  Charters  en  Bescheiden  in  het  Oude  Archief  van 
Kampen,  Kampen  1902  (vom  Verfasser).  —  9  Post-,  Eisen- 
bahn-  und  Telegraphen-Scheine  aus  d.  J.  1850—67  (Schneder- 
mann jr.).  —  Photographien  von  Stiicken  aus  der  Bonner 
Beninga-Handschrift,  der  eigenhandigen  Handschriften 
des  Eggerik  Beninga,  Homerus  Beninga,  Hicko  von  Dornum, 
Haro  von  Oldersum,  Henrick  Grawertz.  3er  Handschriften  aus 
den  Protokollen  des  Hexenprozesses  (Borchling-Gottingen).  — 
Portr&t  des  letzten  m&nnlichen  ostfriesischen  Diepenbrock,  des 
Assessors  am  ostfriesischen  Hofgericht,  Arnold  Tido  Eger  van 
Diepenbrock  auf   Middelstewehr  bei  Greetsiel  (gest.   1720 

35* 


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—    542    — 

als  Pr&sident  des  Hofgerichts),  gemalt  1715  von  M.  E.  de  Hosson1), 
angekauft  vom  Museum  zu  Groningen  durch  Vermittlung  des 
Reichsarchivars  Dr.  J.  A.  Feith.  —  Btittner,  Genealogien  der 
Ltlneburgischen  Patrizien(!)-Geschlechter,  Ltineburg  1904  (Stadt- 
bibliothek  zu  Liineburg  durch  Vermittlung  des  Archivars  Dr. 
Reinecke).  —  Autotypien  von  7  Oelgem&Iden  im  Besitze  des 
Herrn  E.  C.  V.  SchSffer  in  Amsterdam  und  ein  holl&ndisches 
St.  Nikolaus-Gedicht  v.  J.  1899  (E.  SchSffer).  —  Sello,  Im 
Fluge  durch  den  Ammergau  ins  Jeverland,  gewidmet  den  Teil- 
nehmern  an  der  Fahrt  des  Hansischen  Geschichtsvereins  von 
Emden  nach  Jever  Donnerstag  d.  22.  Mai  1902  (lithographiert); 
Jeversches  Wochenblatt  v.  22.  Mai  mit  einer  Uebersicht  uber 
die  Geschichte  der  Burg  zu  Jever  von  Sello ;  eine  Nummer  der 
Amsterdamer  Zeitung  Nieuws  van  den  dag  vom  31.  Mai 
mit  einem  Berichte  uber  die  Versammlung  des  Hansischen 
Geschichtsvereins  in  Emden;  Programme  und  andere 
Papiere,  die  sich  auf  die  Versammlung  beziehen  (A.  Brons).  — 
Modebilder  aus  dem  XIX.  Jahrh.,  aus  der  Zeitschrift  BDer 
Manufakturist"  (P.  van  Rensen).  —  Ftinf  Druckschriften: 
1.  „Sommatie  Bryeff*  der  Generalstaaten  an  den  Grafen 
Enno  III.  v.  3.  Juli  1607 ;  2.  Schreiben  der  ostfriesischen  St&nde 
an  den  Grafen  v.  15.  Juni  1661  (Vervolgh  van  de  Oneenig- 
heden  tusschen  den  Graef  ende  Landtstenden  van  Embden) 
und  Klage  des  franzosischen  Gesandten  Jaques  Auguste  de  Thou 
im  Haag  gegen  den  Residenten  Romers  wegen  einer  Sentenz, 
die  dieser  gegen  den  spanischen  Gesandten  Baron  v.  Merode 
erwirkte,  v.  28.  Januar  1661 ;  3.  und  4.  2  Predigten  von  Cor- 
nelius  van  Huisen,  Leeraar  der  t)oops-Gezinden  Gemeente 
te  Embden  (Embden,  Eddo  Tremel,  Boeckverkooper . . .  onder 
het  Stadts-Huys  1702,  Amsterdam  by  Janssonius  van  Waesberge, 
Embden  by  Eddo  Tremel  1703) ;  5. 0  utho  f ,  Herdersklagte,  Embden 
1716  (E.  Schoffer-Amsterdam).  —  Gesellenbrief  der  Metzger 
und  Knochenhauer  zu  Harburg  far  J.  A.  H.  Triefe  v.  14.  Jan. 


*)  Wahrscheinlich  Bentheimischer  Hofmaler  und  Vater  des  bei 
Immerzeel  erwahnten  Portrat-  und  Historienmalers  F.  C.  de  Hosson 
in  Groningen  (1717— 1799  •.  Von  F.  C.  de  Hosson  haben  wir  1906 
ein  Portrat  des  Norder  Predigers  Adrian  Reershemius  (1696—1758) 
angekauft. 


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—    543    — 

1822  (Kapit&n  Keppel,  dessen  Frau  Enkelin  des  J.  Triefe  ist). 
—    P.    H.    Meekhoff  Doornbosch,     De    Schoorsteenmantel 
van  het  Hospitaalhuis   of  de  Commanderij   van   de   Orde  van 
St.  Johannes   de   Dooper   van  Jeruzalem  te   Wijtwerd    (vom 
Verfasser  in  Baflo).    —  Jahresbericht  der  Handelskammer 
1901,  I.  Teil  (Herrmann).  —  57ster  Bericht  fiber  den  Zustand 
der  Taubstummenanstalt  1901/02  (Oberlehrer  Danger).  — 
Blatt  mit  geschriebenem  Psalmverse  (aus  Psalm  37),  der  von 
gedruckten  Verzierungen  mit  dem  Emder  und  dem  Cirksena- 
schen  Wappen  umrahmt  ist ;    der   erste  Buchstabe  des  Verses 
hat  als  Hintergrund   eine  Ansicht   von  Emden.    Unterschrift : 
P.   Gfinther  (J.   Loesing).   —   Festbuch,   Programm  usw.    zum 
20sten  Kreisturnfest  in  Emden  am  5.-7.  Juli  1902  (E.  van 
Letten).  —  Portrat  eines  Braunschweigischen  Herzogs  (Muhlen- 
bruch).  —  2  Nummern  des  Osnabriicker  Tageblatts  mit  einem 
Artikel  tiber  die  „Belagerunga  von  Emden  1866  (E.  Starcke- 
Melle).  —  2  Postkarten  vom  Besuche  des  Prinzen  Heinrich 
in  Emden  am  13.  Juli  1902;    Helmke,  Was  verdankt  Emden 
den    Hohenzollern?    Programme    und    Einladungskarten    usw. 
gum  Besuche  des  Kaisers  am  30.  Juli  1902  (Schwalbe).  — 
13  Photographien   vom  Besuche  des  Kaisers.   —   Politische 
Drucksachen,  Bilder  und  Handschriftliches  aus  dem  Nachlasse 
des  verst.   Kommerzienrats    Y.   Brons    (geschenkt    von    den 
Erben;  das  Handschriftliche  besteht  im  Wesentlichen  aus  dem 
Briefwechsel,   den  Kommerzienrat  Y.  Brons   als  Abgeordneter 
in  Frankfurt  und   spater  in  Hannover   mit  seinen  politischen 
Freunden  gefiihrt,  sowie  aus  Gutachten  und  anderen  Schreiben, 
die  er  zur  Besserung  der  Emder  Verkehrsverhaltnisse  ausge- 
arbeitet  hatte).    —   Aktie    der    Emder   Asiatischen   Hand- 
lungsgesellschaft  tiber  1000  Gulden  holl.  fur  F.  H.  Metger, 
einen  der  Direktoren  der  Gesellschaft,  vom  1.  Nov.  1783;     sie 
gait  ffir  die  Ausrlistung  des  nach  Kanton  bestimmten  Schiffes 
Prinz  Friedrich  Wilhelm  von  Preussen  (vgl.  Ring,  Die  asiati- 
schen  Handlungskompagnien   usw.    S.    220—229);    Protokolle 
der   Zimmerer-Zunft  von  1833—53  aus  dem  Nachlasse  des 
Senators   de  Pottere,    des   letzten  Zunftpatrons   der  Zimmer- 
leute;     Ausschnitt    aus    Hodenbergs    Werk,    Die    Diozese 
Bremen:    „Stedingia,   Zugabe   zu   den  sachsischen  Gauen  Lera 
und  Ammeria,  Hannover  1858  (Schnedermann  jr.).  — Eine  Nummer 


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—    544     — 

der  Oesterreichischen  Kronenzeitung  vom  25.  Aug.  1902  mit 
dem  Berichte  fiber  einen  interessanten  Antiken-F&lschungsprozess 
in  Baden  bei  Wien  (Dr.  v.  Potier-Wien).  —  Grunewald, 
Portugiesengr&ber  auf  deutscher  Erde,  Hamburg  1902.  —  ,Aus 
See  nach  Emden,  Leer,  Weener  und  Papenburg",  Wegweiser 
fiir  die  Emsschiffahrt,  herausg.  auf  Veranlassung  der  Handels- 
kammer,  Emden  1902.  —  2  Photographien  vom  Kaiser- 
besuch  (Trdger).  —  Biblischer  Stammbaum  von  Adam  bis 
auf  Christus,  gezeichnet  und  gestochen  von  Dirk  Woertman 
(Laarmann;  der  Zeichner  soil  ein  Vorfahr  der  Emder  Buch- 
druckerfamilie  Woortman  gewesen  sein).  —  Dahm,  Die  Feld- 
ztige  des  Germanikus  in  Deutschland,  Trier  1902.  —  Klumker, 
Beitr&ge  zur  Armenstatistik,  Frankfurt  1902.  —  Statistische 
Mitteilungen  iiber  den  Zivil stand  der  Stadt  Emden  1875  bis 
1879;  Ausziige  aus  der  Kammereirechnung  der  Stadt  Emden 
1865—1886;  Amtsblatt  fiir  die  Provinz  Ostfriesland  1864; 
statistische  Uebersicht  tiber  Ostfriesland,  Aurich  1871;  alte 
Postquittungsscheine  u.  a.  (Schnedermann  jr.).  —  Konvolut 
von  Kauf  brief  en  betr.  das  in  den  achtziger  Jahren  des 
XIX.  Jahrh.  abgebrannte  Haus  an  der  Grossen  Strasse  Nr.  49, 
„der  Goldene  Schwan",  von  1721  und  1764  (Fr.  Bertram).  — 
Abbildung  des  1848  in  Wien  erschossenen  Robert  Blum 
(K.  Brons-Bremen).  —  Brandordnung  der  Stadt  Norden  vom 
8.  Mai  1783  (H.  Brons;  die  Ordnung  war  noch  urn  188) 
in  Geltung).  —  Protokolle  der  13.  Versammlung  der  Bezirks- 
synode  des  ersten  Synodalbezirks  der  evang.-reform.  Kirche 
der  Prov.  Hannover,  abgeh.  zu  Emden  am  8.  Juli  1902 
(Synodalvorstand ;  der  Bericht  enthalt  sehr  interessante  Mit- 
teilungen iiber  die  kirchlichen  und  sozialen  Zustande  des 
Bezirks).  —  Stammbuch  aus  dem  Anfange  des  XIX. 
Jahrhunderts  (Wirkl.  G.  0.  R.  Schweckendieck  -  Berlin; 
die  Eintragungen,  meistens  aus  dem  J.  1815 — 1817, 
sind  dem  G.  Jansson  in  Emden,  sp&ter  in  Herdeke  in 
der  Grafschaft  Mark,  gewidmet).  —  Eine  hochst  interes- 
sante Handzeichnung  der  Langen  Brticke  in  Emden 
von  G.  J.  de  Jager  1796.  Ein  grosser  Stich:  De  Rechten 
van  den  Mensch  en  Burger,  het  eerste  jaar  der  Bataaf- 
sche  Vrijheid  1795,  W.  van  Vliet  excudit  (H.  Brons).  — 
2    Kaufbriefe     der    Packhauser     „Maltaa     1792/3,     Rade- 


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—    545     — 

macherstr.  Nr.  41),  „Englanda  1833—1848,  Pottebakkerstr. 
Nr.  5  (Dreesmann  Penning).  —  Festschrift  zur  Zentenarfeier 
des  Klubs  zum  guten  Endzweck  am  11.  Okt.  1902  (Dreesmann 
Penning).  —  Autographen  ostfriesischer  Fiirsten:  Brief 
der  Fiirstin  Christine  Charlotte  an  Christine,  Markgr&fin  zu 
Brandenburg,  Aurich  d.  15.  Aug.  1677;  Christian  Eberhard  an 
einen  Prinzen  in  Stuttgart,  Baireuth  den  10.  Jan.  1688; 
2  Neujahrswilnsche  von  Georg  Albrecht  und  Carl  Edzard  an 
Herzog  Friedrich  von  Sachsen-Gotha  vom  21.  Dez.  1728  u. 
17.  Dez.  1734.  —  „Christophorusa,  Jahrgang  1903  mit 
2  Beitragen  von  Frerichs,  „Das  Jagdrecht  der  Miinkeburg"  und 
„Der  Gesundbrunnen  zu  Nortmoor",  und  einem  von  Liipkes 
uber  die  Stortebeker-Sage  (Pastor  Frerichs-Nortmoor).  —  Ge- 
drucktes  Gedicht  auf  ein  vierzigjahriges  Jubilaum  des  Kriegs- 
rats  Joh.  Conr.  Frees e  in  Aurich  zum  17.  Marz  1817,  unter- 
zeichnet  G.  St-g  (Wachter- Aurich).  —  Gesetzbuch  fur  den 
preussischen  Staat,  erster  Teil,  Berlin  1791  (Schnedermann  jr.). 
—  Buerens  Jahrbtichlein  auf  1835;  Ostfriesisches  Taschen- 
buch(Norden)  auf  1840;  Hausser,  Zur  Beurteilung  Friedrichs 
d.  Gr.  (gegen  0.  KIopp),  2.  Auflage,  Heidelberg  1862  (Y.  Brons* 
Erben).  —  Jahresbericht  der  Handelskammer  1901,  II.  Teil 
(Herrmann).  —  Rathgen,  Die  Konservierung  von  Altertums- 
funden,  Berlin  1902.  —  Borchling,  Dritter  Reisebericht 
liber  Mittelniederdeutsche  Handschriften  (vom  Verfasser).  — 
jjlleberall",  illustrierte  Wochenschrift  fiir  Armee  und 
Marine  V,  5,  mit  einem  Artikel  von  J.  Gebeschus  liber  die 
Emder  Rttstkammer  (Herrmann).  —  I.  Criminal-Gesetzbuch 
fiir  das  K&nigreich  Holland,  aus  dem  Holland,  iibersetzt  von 
L.  W.  Zimmermann  u.  H.  Bruckner,  Aurich  1809;  II.  Kgl. 
Preussisches  .  .  .  Medicinal-Edict  .  ..  herausg.  von  dero 
Ober-Collegio  Medico,  Berlin  1725;  III.  7  Originalurkunden: 
1)  v.  7.  Febr.  1614:  Urteil  Graf  Ennos  in  Sachen  Heinrich 
Gerrietz  gegen  die  Schuhmacher-Aelterleute  in  Emden;  2) 
v.  9.  Okt.  1667 :  Totenschein  nach  dem  „Gasthuiss  doet  Kisten 


*)  Interessant  ist  daraus,  class  ost-,  west-  u.  sudwarts  davon  Hauser 
und  Garten  des  weil.  Junker  Poll  man  Erben  lagen,  dass  also  die 
spatere  ,Sonne",  jetzt  Eigentum  des  Sen.  Dreesmann  Penning,  oder  der 
Grand  und  Boden  davon  im  XVIII.  Jahrh.  der  Familie  van  Pollman 
gehdrte. 


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—    546    — 

boeck*  fdr  die  „Ehr  en  deuchtsame  .  .  Huissvrouwe*  von 
Johannis  Vorst,  unterschrieben  von  Hans  Pieters  Duselaer  [anf 
der  Riickseite:  ad  causam  Addeken  Ulrichen  Erben  contra  (?) 
H.  Joh.  von  Honardt  4.  Junii  1684];  3)  vom  6.  Jan.  1713:  Be- 
gleitschreiben  bei  Uebersendung  eines  Auszuges  aus  dem  Bruche- 
Protokoll  Auricher  Amtes  an  einen  ungenannten  Beamten  in 
Sachen  des  Amtmanns  Wiarda,  der  strafbarer  Nachlassig- 
keit  in  Eintreibung  und  Bezahlung  vonBriichen  beschuldigt 
wird  (eigenh&ndig  unterschrieben  von  Georg  Albrecht) ;  4)  v. 
28.  Marz  1735:  Verftigung  an  Kammerrat  Horst  betr.  Aus- 
mienerei  von  Speck  (unterschrieben  von  Karl  Edzard);  5) 
Urteil  des  Tribunals  erster  Instanz  des  Arrondissements 
Jever,  Departement  der  Ostems,  gegen  Warfsmann  Joh.  Wilms 
Stlelfs  am  Moorwege;  6)  Hannover  d.  15.  Jan.  1837:  Reskript 
betr.  Versetzung  des  Justiz  -  Kanzlei  -  Assessors  6.  E.  von 
Trampe  an  die  Justiz-Kanzlei  zu  Aurich,  unterz.  Adolphns 
(Herz.  v.  Cambridge)  und  Strahlenheim ;  7)  Hannover  d.  5.  Mai 
1840:  Ernennungder  Kanzlei-  Ass  ess  or  enChr.C.O.v.HasseD 
und  Engelbert  J.  v.  Marschalk  zu  extraordinairen  Justiz-Raten 
an  der  Justiz-Kanzlei  zu  Aurich,  unterz.  Ernst  August  u. 
Strahlenheim;  IV.  Gedrucke  ostfries.Edikte  1)  gegen  Wild 
und  Holtz  Diebereyen  von  1694,  1698,  1709,  2)  gegen  das  Neu- 
Jahr-Schiessen  von  1707,  3)  betr.  Erbhuldigung  Georg  Albrechts 
durch  die  ostfr.  Landst&nde  von  1708;  V.  Plan  der  Vorgebaude 
des  alten  Schlosses  zuEsens,  „nach  einer  alten  Zeichnung 
kopiert  von  Tjarks";  VI.  Bildnis  Georg  Albrechts,  inKupfer 
gestochen  von  C.  Fritsch,  Hamburg  1720  (aus  Brenneysen);  VII. 
Abschrift  eines  Ediktes  von  Georg  Albrecht  vom  15.  Dez.  1710 
betr.  Tabacksverkauf  aus  der  Tabacks-Fabrik  in  den 
Herrschaften  Esens  und  Wittmund ;  VIH.  Abschrift  der  „K  r  i  e  g  s  - 
Articul,  worauf  Unsere  Soldatesque  und  Milice  zu  schwSren', 
vom  17.  MSLrz  1726  (Georg  Albrecht),  alles  geschenkt  vom 
Kanzleisekretar  a.  D.  Fr.  Tjarks  in  Aurich.  —  0.  Hagena, 
Jeverland  bis  z.  J.  1500,  Oldenburg  1901.  —  Auswahl  aus  den 
Rechnungen,  Kassenbuchern  und  Beiagen  der  hies.  Gymnasial- 
k  a  s  s  e ,  vom  Kgl.  Provinzial-Schul-Kollegium  in  Hannover  zur 
Aufbewahrung  tibergeben.  —  Zeitschrift  fdr  historische 
Waffenkunde  H.  Heft  12  mit  einem  kurzen  Bericht (S.  450) 
des  Dr.  v.  Potier  uber  den  Besuch  des  deutschen  Kaisers  in 


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der  Rtlstkammer  der  Stadt  Emden  (v.  Potier-Wien).  — 
Groningsche  Volksalmanak  voor  het  jaar  1903,  Gro- 
ningen  1902.  —  Oorkondenboek  van  Groningen  en 
Drenthe  .  .  door  Blok,  Feith  etc.,  2  deelen,  Groningen  1896 
bis  1899;  W.  &.  Winschotens  Seeman,  .  .  .  Behelsende  een 
grondige  uitlegging  van  de  Neederlandfe  Konst  en  Spreek- 
woorden . .  .  uit  de  Seevaart  .  .,  Leiden  1681;  Suringar, 
Erasmus  over  Nederlandsche  spreekwoordelijke  uitdrukkingen 
etc.,  Utrecht  1873 ;  Commentaires  de  Bernardino  deMendopa 
sur  les  6v6nements  de  la  guerre  des  Pays-Bas  1567—77, 
traduction  nouvelle  par  Loumier,  Bruxelles  1860—1863,  2 
volumes;  Commentario  del  coronel  Francesco  Verdugo  de 
la  Guerra  de  Frisa  .  .  .  publ.  per  Henri  Lonchay,  Bruxelles  1899 
(A.  Brons).  —  2  Oelbilder:  Versuchung  eines  Monches  und 
einer  Nonno  (Y.  Brons'  Erben).  —  „Kgl.  Grossbritannisch 
Genealogischor  Kalender  auf  d.  J.  1786a,  Lauenburg  bei  J. 
G.  Berendes  (Frau  Wilken).  —  Bello  de  Hund  of  Levensloop 
van  eenen  Pudel  door  hum  sfilven  verteld  un  upt  Papier  ge- 
brocht  in  Rimen  door  J.  L.  Lange,  Emden  by  H.  Woortman 
jr.  1830  (A.  Brons).  —  Goedel,  Etymologisches  WOrterbuch 
der  deutschen  Seemannssprache,  Kiel  1902.  —  Heuser,  Alt- 
Friesisches  Lesebuch,  Heidelberg  1903.  —  Auszug  des  General- 
superintendenten  Bartels  aus  dem  Gutachten  des  friiheren 
Konservators  der  Denkm&ler  Preussens,  v.  Quast,  fiber  das 
Enno-Denkmal;  handschriftliche Notizen  liber  die  E m d e r 
Kiinstler  J.  van  Lahr,  H.  H.  de  Quitter,  Chr.  Staude, 
S.  Lechtenow  (Starcke-Melle).  —  Mitteilungen  aus  dem  Gebiete 
des  Seewesens,  herausg.  von  dem  k.  k.  Marinetechnischen 
Komite,  Pola  1902,  Vol.  XXX  Nr.  IX,  mit  einem  Aufsatz  des 
dsterreichischen  Fregatten-Kapitans  v.  Pr  era  do  vie  (S.  679 
bis  699)  fiber  das  Admiralswerk  Kaiser  Maximilians  H. 
1570—76  (v.  Potier-Wien.).  —  Besitzurkunde vom  12. Dez. 
1800  fiber  das  Haus  an  der  Schlichte  Komp.  23.  Nr.  110  (jetzt 
Nr.  16)  fflr  Phil.  D.  Wever.  (Kaufm.  Kl.  Foelders).  —  Hesse, 
Beitr&ge  zur  Genealogie  des  KSnigl.  Hauses  Hannover,  Han- 
nover 1861  (Superint.  Hesse-Larrelt).  —  Jac.  Grimm,  Ueber 
eine  Urkunde  des  XH.  Jahrh.,  vorgetragen  in  der  Sitzung  der 
preussischen  Akademie  der  Wissenschaften  vom  14.  Aug.  1851, 
Berlin    1852,   mit   einem  Anhange   dazu    vom   29.  April   1852 


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(Klinkenborg-Berlin).  —  Kupferplatte  zurPolicen-Vignette 
der  ersten  Assekuranz-Kompagnie  zu  Emden  1772 — 1891  (A. 
Brons).  —  Eine  reichhaltige  Sammlung  von  Flurnamen  der 
Emder  Gegend  aus  Auktions-Papieren  (van  Heuvel).  —  Ein 
Oelgemftlde,  das  die  Verktindigung  an  Abraham  und  Sara  dar- 
stellt  (aus  dem  Nachlasse  des  Kommerzienrates  Y.  Brons  ge- 
schenkt).  —  Ansicht  von  Leer  1785(9):  „Leer,  van  den  Zaag- 
molen  te  sien,  Proefdruk,  E.  B.  Meyer  ad  vivum  delineavit, 
R.  Vinkeles  fculpfit,  F.  BShm  excudit",  21V2  cm  hoch,  14s/4  cm 
breit.  —  Symon  Panser  (Emder  „Stads-Mathematikus*)t  Ver- 
klaringe  over  den  Loop  van  Mercurius.  Verklaring  van  de 
Verduysteringe  der  Mane,  Amsterd.  1736  (ein  Bogen  in  Gross- 
Folio  mit  Text  und  Figuren).  —  Bericht  liber  die  Tatigkeit 
des Jeverl&ndischen Vereins fiir Altertumskunde,  erstattet 
am  2.  M&rz  1903 ;  H  o  h  n  h  o  1  z ,  Ueber  die  Entstehung  der 
Renaissance-Denkm&ler  in  Jever,  Vortrag  vom  3.  Sept.  1902 
(Geschenk  des  Vereins).  —  15ter  Jahresbericht  der  Kaiser 
Friedrichs-Schule  zu  Emden  1903,  H  e  1  m  k  e  ,  Die 
Wohnsitze  der  Cherusker  und  Hermunduren,  Beil.  zum  Jahresb 
des  Wilhelms-Gymn.  zu  Emden  1903  (Herrmann).  —  Pijper, 
Jan  Utenhove,  Leiden  1883.  —  Ein  Neuruppiner  Bilder- 
bogen:  die  Leidensgeschichte  Jesu  Christi  in  Reimen  und  Bildern 
(Laarmann).  —  15  bunte  Kupferstiche.  —  Portrat  des 
Emder  Predigers  W.  Krull  1813,  gemalt  von  J.  L.  de  Haan 
in  Emden,  gest.  v.  E.  H.  Hodges  (Frau  Rittmeister  Eucken, 
geb.  v.  Frese).  —  Pleyte,  Nederlandsche  Oudheden  van  de 
vroegste  tijden  tot  op  Karel  den  Grooten,  nebst  Atlas,  Leiden 
1877—1902,  2  B&nde  und  Mappe  (A.  Brons).  —  Kupferstich 
von  Schloss  Sanssouci,  2  Lithographien :  Burgermeister 
S 1 1i  v  e  in  Osnabriick  und  Stadtdirektor  R  u  m  a  n  n  in  Han- 
nover (H.  Brons).  —  F.  Ad.  Lampe,  Einleitung  zu  dem  Geheimnis 
des  Gnadenbundes  .  .  mit  denen  beygesetzten  Fragen  und  Ant 
worten  des  Heidelberger  Katechismus,  Muhlheim  a.  d.  Ruhr  1799 
(Schuhmachermeister  J.  H.  Schelten;  das  Buch  wurde  auch  in 
Ostfriesland  zur  Vorbereitung  auf  das  Abendmahl  von  den  Re- 
formierten  viel  benutzt).  —  Karte  zum  Ein-  u.  Aussegeln  aus 
der  Oster-  u.  Wester-Ems  .  .  .,  entworfen  1824—28  von  P.  0. 
Visser  u.  F.  Harnack  in  Emden,  gestochen bei Dirk  Woort- 
man,  Emden  1829  (H.  Brons).  —  Abklatsch  einer  Ins ch rift 


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—    549     - 

vom  Hause  Grosse  Osterstrasse  51 :  Frerik  Kivyt,  Trintje  Raaf 
1771  (Hopken).  —  Bericht  der  Handelskammer  fur  Ost- 
friesland  und  Papenburg  fur  1902  (Herrmann).  —  Bremer 
Wochentliche  Nachrichten  vom  14.  Jan.  1743  (Rektor  Dinkela). 

—  Staatshandbuch   der  Provinz  Hannover   1903  (Klug). 

—  Bedingungen  und  Anordnungen  einer  zu  Emden  im  Oster-Ems- 
Departement  formierten  Association  zur  Stellvertretung  etc., 
Emden  1811 ;  Verordnung,  die  kiinftige  .  .  .  .Landwehr  betr., 
Hannover  d.  30.  Dez.  1816,  gedr.  bei  H.  Woortman  jr.,  Emden 
1816  (van  Rensen).  —  Seltener  Kupferstich :  Graf  E  n  n  o  L  u  d  - 
wig  v,  Ostfriesland  mit  seiner  Braut  Henriette  Catharina  von 
Oranien,  im  Hintergrunde  die  Emder  Burg.  —  Inventare  hansi- 
scher  Archive  des  16.  Jahrhunderts,  her.  v.  V.  f.  hans.  Geschichte, 
Bdll:  Kolner  Inventar  Bd.  2  (1572—1591),  bearb.  v.  K.  Hohl- 
baum,  Leipz.  1903.  —  2Kupferplatten  mit  dem  heil. 
Antonius  (Anton  Wierx  fecit,  Hieron.  Wierx  excudit)  und  der 
heil.  Caecilia  (Malergeselle  Diepenbrock)  nebst  Abdnicken 
(Schwalbe).  —  „Allerh6chst  konfirmierte  Konvention  der 
Herings-Fischerei-Gesellschaft  zu  Emden",  gez.  Friedrich 
Wilhelm,  Potsdam  d.  3.  Dez.  1801,  Druck  von  12  Seiten 
(Reichsarchivar  J.  A.  Feith  in  Groningen).  —  0.  von  Schiitz, 
Die  Gnindung  von  Pfalzdorf,  Cleve  1863  (Generalsup.  D.  Bartels). 

—  Abbildung  der  im  Juni  1903  in  Brammer  bei  Verden  gef. 
Moorleiche  (Mahlmann).  —  Darstellung  der  Weltereignisse 
seit  1789,  Memmingen  1829;  Nouvelle  Carte  G6n6rale  du 
Royaume  des  Pays-Bas,  o.  0.  1832  (Weinh.  de  Ruyter).  — 
Reinhold,  Kurze  Uebersicht  der  Handelsflotte  .  .  Ostfrieslands 
in  Bez.  auf  die  ...  .  Marine,  Leer  1848  (P.  Geelvink).  — 
W.  Meijer,  De  wording  der  Gereformeerde  Gemeente  te  Emmerik, 
Abdr.  aus  d.  Nederl.  Archief  voor  Kerkgesch.,  deel  II,  1903  (vom 
Verfasser  in  Haag).  —  Bibel  im  4°  nach  Luthers  Uebers. 
herausg.  vom  Pastor  Joach.  Morgenweg1)  in  Hamburg,  1712 
(Dirk  Heinksen    u.  Frau  Gretje,    geb.    Diekmann    in    Wester- 


l)  Der  Herausgeber  ist  kein  anderer  als  der  Gatte  der  Prinzessin 
Juliane  Louise  von  Ostfriesland,  der  Tochter  Enno  Ludwigs  (f  1660),  die 
nach  dem  Tode  ihrer  Mutter  Juliane  Sophie  von  Barby  zwanzigjShrig 
nach  Hamburg  zog  und  dort  mit  dem  Pastor  am  Waisenhause,  Joachim 
Morgenweg,  nach  Wiarda  (V  163)  in  heimlicher,  aber  rechtmassiger 
Ehe  lebte;  sie  starb  1715. 


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—    650    — 

accumersiel).  —  Schuster-  Lehr brief  ftir  F.  CI.  Dykmann  ans 
Nesse  v.  13.  Febr.  1824  (von  denselben).  —  In  v  en  tar  der 
Riistkammer  d.  Stadt  Emden,  aufgenommen  1901  durch  Dr. 
Othmar  Baron  Potier  1903;  Ftihrer  durch  die  Rustkammer, 
bearbeitet  von  demselben  (Magistrat).  —  Gierke,  Johanna 
Althusius  u.  d.  Entwicklung  der  naturrechtlichen  Staatstheorien, 
2  Aufl.;  Breslau  1902.  —  Wolkan,  Die  Lieder  der  Wieder- 
t&ufer,  Berlin  1903.  —  Gruner,  Die  Marschlandereien  der 
deutschen  Nordseegebiete,  einst  und  jetzt,  Berlin  1903.  — 
Programm  der  stadtischen  hoheren  Madchenschule  zg 
Emden,  Michaelis  1903  (Zwitzers).  —  B.  Brons,  Lebensbild 
der  Frau  A.  Brons,  geb,  Cremer  ten  Doornkaat  (vom  Verfasser). 

—  Ltibbert,  Die  Hallische  Handschrift  von  Joh.  Cadovios 
Mtillers  Memoriale  Linguae  Frisicae,  Halle  1903  (vom  Vert, 
Prof.  Dr.  J.  Liibbert-Halle).  —  3  Photographien  und  4  Ansichts- 
karten  von  Gemalden  der  Albrechtsburg  in  Meissen  (Ffir* 
bringer).  —  Liibbert  Eiken  Ltibbers,  Ostfriesische  Schiffahrt 
u.  Seefischerei,  Erganzungsheft  VI.  zu  Sch&ffles  u.  Bdcheis 
Z.  f.  d.  gesamte  Staatswissenschaft,  Tubingen  1903.  — 
2  Stiche  in  Schwarzkunst,  Scenen  aus  Heinrich  VI.  und 
Richard  III.  von  Shakespeare;  ^Collection  des  Prospects', 
Darstellungen  aus  den  niederl.  Kolonien,  deutschen  Stadten, 
aus  der  Bibel  etc.,  Augsburg  um  1790,  nebst  zugehorigem 
Stereoskop;  Ostfriesisches  Urkundenbuch  (Klug). — Tabula 
comitatus  Frisiae  auctore  B.  Schotano  a  Sterringa,  gest 
v.  F.  de  Wit,  um  1660.  —  R.  Chr.  Gittermann,  Erste  Predigt 
nach  dem  Einsturze  der  Kirche  in  Eggelingen,  Emden  1837.  — 
C.  de  Haas,  De  merkwaardigste  Gebeurtenissen  dezer  laatste 
Tijden,  Gedicht,  Emden  1816.  —  Brustbild  des  Edo  Hil- 
dericus  &,  Varel  (1533—1599,  Prof,  in  Heidelberg  und  Altorf), 
gest.  v.  Kilian  um  1720.  —  Rhein  -  Ems  -  Zeitung  vom  Anfang 
November  1903  mit  Abbildung  der  neuen  Emder  Werft.  — 
Leuss,  Zur  Volkskunde  der  Inselfriesen  (Globus  v.  1.  u.  8.  Oki 
1903).  —  Farbige  Zeichnung  eines  kleinen  ostfriesischen  Mad- 
chens  mit  dem  „Fallhuta;  Diarium  von  dem  am  5.  Okt.  1745 
prorogiertenLandtage,  Emden  bei  Brantgum  1746(Rekt.  Dinkela). 

—  Zeitschr.  f.  historische  Waffenkunde  Bd.  Ill,  Heft  lu.4, 
1903,  mit  einem  Aufsatze  von  Potier:  „Die  Riistkammer  der 
Stadt   Emdena    (Dr.   v.    Potier  in  Wien).  —  Denkmalpflege  V 


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—    651    - 

Nr.  15  mit  einem  Aufsatze  v.  W.  Meijer:  Die  Entartung  des 
Christuszeichens  (vom  Verfasser  W.  Meijer  in  Haag).  — 
Plan  von  Em  den  von  L.  Cornelij  1611.  —  Tholens,  Lotte 
Wieking,  die  Lehrertochter  von  Borkum,  Emden  1903.  — 
Dirks,  Struukwark,  Norden  1903.  —  Schucht,  Beitrage  zur 
Geologie  der  Wesermarschen,  Stuttgart  1903  (Abdruck  aus 
d.  Z.  f.  Naturwissenschaft  Bd.  76,  geschenkt  vom  Verfasser, 
Dr.  Schucht  in  Berlin).  —  De  vernieuwde  Politie-Ordon- 
nantie  voor  de  St.  Emden  1796;  Kaufbrief  tiber  das  Haus 
Miihlenstr.  Komp.  21  Nr.  22;  Cramer,  Grundriss  der  St.  Emden 
mit  Bezeichnung  der  Verwtistungen  der  Sturmflut  1825;  Rech- 
nung  des  Uitmijners  Stosch  fur  L.  Doublet  1787;  Gewerbe- 
schein  ftir  Lodew.  Doublet  1815  (aus  dem  Nachlasse  der 
Witwe  Doublet  von  Zimmermeister  Brian).  —  Postkarte  mit 
Abbildung  des  Jubil&ums-Springbrunnens  zu  Elberfeld  (Ftir- 
bringer).  —  Seume  und  Goschen,  Borsenblatt  f.  d.  deutschen 
Buchhandel  LXX  S.  366  f.  (Haynel).  —  Eckardt,  Deutsche 
Kartenstecher  und  Verleger  des  XVIII.  Jahrhunderts,  BSrsenblatt 
f.  d.  deutschen  Buchhandel  LXX  (Haynel).  —  Katalog  der 
hinterlassenen  Bibliothek  On  no  Klopps,  10  kleinere  Schriften 
von  Onno  Klopp,  meist  Ausschnitte  aus  Zeitschriften,  namentlich 
aus  d.  J.  1865—1902,  betr.  Friedrich  II.,  Georg  V.,  Leibniz, 
Melanchthon,  Abeken,  M.  Koch  aus  den  Historisch-politischen 
Blattern  in  Mttnchen  (Finanzrat  Dr.  Klopp-Wien).  —  Fr.  B ar- 
tels,   Die  schiefm&ulige  Almuth,   ein  Lustspiel,   Leipzig  1903. 

—  Bergner,  Die  kirchlichen  Kunstaltertiimer,  Leipzig  1903  u.  f. 

—  Schumacher,  Niederl&ndische  Ansiedlungen  im  Herzogtum 
Preussen  z.  Z.  Herzog  Albrechts  1525—68  (Publikationen  des 
Vereins  f .  d.  Gesch.  v.  Ost-  u.  Westpreussen),  Leipzig  1903.  — 
Nanninga,  (handschriftlicher)  Plan  ftir  eine  hSlzerne  Schleuse 
zur  Abwehr  der  Fluten  in  Emden  1817;  Cramer,  Karte  v. 
Emden;  D.  E.  Nanninga,  handschriftliche  Karte  des  Dollart, 
copia  copiae  der  (verlorenen)  Dollartkarte  auf  dem  Rat- 
fa  a  use   zu  Emden1)  (Lohstoter  aus  dem  Olck-Brticknerschen 


*)  Sie  tragt  die  Aufschrift:  „Dit  is  gecopierd  na  een  Copei  welke 
in  1827  vervardigd  is  na  Originaal  van  dese  Kaart  welke  op  het  Raadhuis 
te  Embden  hangt  door  Dirk  E:  Nanninga."  Ueber  die  verlorene 
Dollart-Karte  des  Emder  Rathauses,  die  wahrscheinlich  die  einzige  Quelle 
ftir  samtliche  spatern  Dollartkarten  gewesen  ist  und  die  noch  einer  der 


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—     652    — 

Nachlasse).  —  Jahrbuch  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  u.  v.  A.  zu 
Emden,  Bd.I,  IV,2,  V,l,  IX,2,  X,l,  XI— XIV(Schnedermannjr.).- 
Der  Verkehr  des  Emder  Ha  fens  i.  J.  1903  (Herrmann)  - 
2  Emder  reform.  Kirchenzettel  v.  5.  Nov.  1837  nnd 
7.  M&rz  1841;  Gratama  u.  Feith,  Geschiedkundige  aan- 
teekeningen  bij  e.  uitv.  progr.  v.  d.  optocht .  .  v.  Grave  Edzard 
de  Grote  tho  Oostfriesland,  Groningen  1879  (Schnedermann  jr.). 
— .  44  Jahrgange  der  Ostfriesischen  Zeitung  von 
1850—1893,  25  Jahrg&nge  der  Emder  Zeitung  1877—1901- 
Literarische  Beilage  des  Ostfries.  Schulblattes  1904  Nr.  6 
(Fr.  Sundermann-Norden).  —  Wet  en  Breuk  Boek,  aangaande 
de    Oudsten    en    Ouderlieden    van    de    Kruideniers    Gilde. 

opgesteld 1774   5.  Julij    te   Emden  (Handschrift,   48  be- 

schriebene  Seiten,  geschenkt  vom  Landschaftsrat  King).  - 
Grundriss  des  abgebrannten  Jdnemannschen  Hauses  und  der 
beiden  Nachbarh&user  an  der  Ecke  der  Neutorstr.  u.  der  Kleinen 
Osterstrasse,  des  ehemaligen  Valkhofes,  vgl.  Jahrb.  XIV 
413  (Stadtbaufuhrer  Schultz).  —  Staatshandbuch  fur  die 
Provinz  Hannover  1903  (Klug).  —  J.  van  Lennep,  Zeemans- 
woordenboek,  Amst.  1856.  —  Wolters,  ReformationsgeschicMe 
der  Stadt  Wesel,  Bonn  1868.  —  Statuten,  Ordonnantien  ende 
Costumen  van  Am  el  and.  By  .  .  Sicko  v.  Camminga. . .  nu 
wederom  .  .  gedruckt  door  last  van  .  .  Watzo  Fr.  v.  Cam- 
minga .  .  Gedr.  by  Frans  Hardomans  1658  (Lehrer  Dinkela  aus 
dem  Nachlass  des  1835  gestorbenen  Predigers  auf  Ameland, 
Jan  Fr.  Herborg).  —  Fooke  Hoissen  Miiller  (der  Dichter 
der  „D6ntjes  un  vertellsels"),  Elemente  der  Arithmetik  und 
Algebra  (gewidmet  dem  Prof,  der  Mathematik  und  Mitgliede 
der  Kgl.  Akademie  der  Wissenschaften  in  Berlin,  E.  H.  Dirk  sen 
aus  Hamswehrum,  dem  Gatten  der  Pauline  van  Wingene), 
Potsdam  1839  und  1842  (Dr.  Reimers-Aurich  aus  dem  Nachlasse 
seines  Urgrossvaters,  des  Emder  Stadtbaumeisters  Martens).  — 
Ehmck  u.  v.   Bippen,   Bremisches  Urkundenbuch,   Bd.  V. 


Verfasser  des  bekannten  Werkes  uber  den  Dollart  (Groningen  1855), 
Stratingh  und  Venema,  auf  dem  Rathause  vorfand,  siehe  Stratingh  und 
Venema,  De  Dollard,  S.  3,  Bartels  in  diesem  Jahrbuch  I  1  S.  13  und  X  2 
(Die  Trachten  des  Manningabuches)  S.  28  f.  Weiteres  uber  die  jetzt  uns 
gehSrige,  wie  es  scheint,  wichtige  Kopie  der  Dollartkarte  hoffen  wir 
spater  bringen  zu  kdnnen. 


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—    553    — 

Bremen  1889—1902.  —  Verzeichnis  der  Schneider,  die  1802 
bis  1865  in  Emden  als  Meister  aufgenommen  wurden  (Schneider- 
meister  Harrenstein). 

Verm&chtnis  des   verst.  Herrn  J.   B.  van  IJsseldijk  in 
Amsterdam  (vgl.  oben  S.  513): 

A.  Ostfriesische  Handschriften. 

I.  Nachrichten  uber  die  Emder  Familie  van  den 
Bosch  (van  Os)  aus  's-Hertogenbosch  von  1543—1672 : 
„Geslacht  en  Stam  van  den  Bosch". 
Originalhandschrift  in  Pergament,  angelegt  1649 1), 
fortgeftihrt  aber  noch  1672,  herkommend  aus  dem 
Nachlass  des  Dr.  J.  A.  Snellebrand2)  in  Twisk. 

Die  zahlreichen  leeren  Blatter  der  Handschrift  sind 
als  Anschreibebuch  fiir  einen  Hausmaler,  wahr- 
scheinlich  Barend  Koolhaas  zu  Bovenkarspel  in 
Nordholland,  benutzt  worden. 

II.  Neuere  Abschrift  mit  einleitendem  Text  (v.  J.  B.  v. 
Usseldyk?) 

III.  Inhalt sverzeichnis  zum  Nachtrage  von  Reershemius' 
Ostfries.  Predigerdenkmal  1823  nebst  Abschrift  von 
Notizen,  die  wahrscheinlich  Mohlmann  dazu  ge- 
schrieben,  von  J.  B.  v.  Usseldyk,  Amsterdam  1899. 

IV.  Amtsrolle  des  Schneider-  und  Wandscherer- 
Handwerks  zu  Leer,  best&tigt  von  Graf  Ulrich. 
11/1  1630.    Pergament. 

V.  Dieselbe,  best&tigt  von  Fiirstin  Christine  Charlotte 
3/9  1670.    Pergament. 

B.  Nichtostfriesische  Handschriften. 

I.  „Hauptgenealogie  der  Descendenten  von  Henricus 
van  der  Zwalme  gen.  Swalmius  Predikant  in  Rhoon 
in  Stid-Holland"  nebst  Stammtafeln  fiir  die  Ver- 
bindung  mit  den  Familien  de  Fremery,  Scheltus 


l)  von  Arent  van  den  Bosch  (Sohn  von  Roelof  v.  d.  B.),  Maler 
und  Aeltesten  der  franzSs.  Gemeinde  in  Emden  1618—1672,  Schaier  von 
Martin  Faber.  Der  vergoldete  Pergamentumschlag  tragt  ausser  dem 
Cirksenaschen  Wappen  hinter  dem  Emder  Wappen  die  Jahreszahl  1635. 

f)  Dr.  Snellebrand  war  nach  de  Hoop  Scheffers  Geschiedenis  der 
Kerkhervorming  in  Nederland  S.  573  Verfasser  einer  Geschiedenis  der 
Kerkhervorming  te  Hoorn,  Hoorn  1866. 


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—    654    - 

van  Kampferbeke,  Nederburgh,  von  Leonard 
Marie  Antoine  Swalmius  van  der  Linden  in 
Frankfurt  a.  M.  v.  1.  Dezember  1883  mit  Zusatz  v. 
2.  Mai  1884  (geb.  in  Venloo  1814,  aus  holland. 
Milit&rdienst  1840  geflohen;  1853—65  Stadtverord- 
neter  in  Ruhrort,  seit  1866  in  Frankfurt).  Litho- 
graphierte  Handschrift  mit  Originalunterschrift  des 
Verfassers. 
II.  Brief konzepte  aus  d.  J.  1853—1872  von  Ludolf 
Jacob  Hendrik  Scheltus  van  Kampferbeke, 
Directeur  von  het  Postkantoor  zu  Haarlem  (Alcmaar?), 
grossenteils  familiengeschichtlichen  Inhalts. 

III.  Stammbuch  -  Blatter  von  Mademoiselle  Christina 
Richter  in  Rees  1783—1794.  (Lose  Blatter  in 
einem  Briefkuvert.) 

IV.  Rennliste  liber  ein  Rennen  zu  Cleve  am  31.  Juli  1881. 

V.  Geburtsbrief  fiir  den  Sattler  Johann  Michael  Diet- 
rich in  Gross-Ziinmern  (im  Kurf.  PfiLlzischen  und 
Hessen-Darmstadtischen  gemeinschaftlichen  Oberamt 
Umstadt)  vom  4.  April  1740.  J.  M.  Dietrich  war 
3  Jahre  Sattler-Geselle  in  Aurich.    Pergament. 

VI.  Bescheinigung  der  Darmstadter  Sattler-Zunft,  dass 
Joh.  Mich.  Dietrich  von  1733—1736  in  Darmstadt 
das  Sattler-Handwerk  gelernt,  v.  19.  M&rz  1740. 
(Pergament.) 

VII.  Lehrlingsbrief  fiir  den  Feldtrompeter-Lehrling 
Joh.  Heinr.  Schoof  in  's-Gravenhage  v.  22.  Aug. 
1744  (deutsch).  Pergament. 

VIII.  Militarpass  fiir  den  wiirttemb.  Unteroffizier 
Emenegger  v.  6.  Oct.  1817. 

IX.  2  Niederl&nd.  P&sse   fiir  den  Grafen  und  die  Grafin 
van  Buren  v.  25.  Aug.  1837  u.  13.  Sept.  1841. 
C.  2  gedruckte  Biicher,  die  zusammen  gebunden  sind: 
Pietschke  Heraldik,  Helmst&dt  1841. 
Der  Wappensiegel-Sammler,  Leipzig  1861. 
Handelingen    en    mededeelingen,    sowie   Levensberichten 
der     afgestorven    medeleden    der   Maatschappij    der    Nederl. 
Letterkunde  zu   Leiden,    24  Bande  von  1874—1897  (Pastor 
Dr.  Miiller).  —  Stenzel,  Deutsches  seem&nnisches  WSrterbuch, 


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—     555    — 

Berlin  1904.  —  3  Hefte   mit  Berichten   tiber    die  Tatigkeit  der 

Frankfurter  Centrale  ftir  private  Fursorge  1903  (vom  Leiter 

Dr.    Chr.    J.    Klumker   in   Frankfurt    a.  M.).    —    Hollandische 

Bibel,    Dordrecht  1793.   mit  angebundenem  Katechismus    der 

Kinderlehre,  Emden  bei  Wenthin  „zwischen  beiden  Syhlen   in 

der   goldenen    Druckereia  (Frau    Apoth.    Herrmann).    —    Ver- 

schiedene    Stiche,    die   Hermann    Conring   (1606—1681),    den 

Amsterdamer  Prediger  Johannes  Kuchlinus,  der  sich  l&ngere 

Zeit   in  Emden   aufhielt    (1546—1606),   Jacob   Martini,    Rector 

in  Norden,  nachher  Professor  der  Theologie  in  Wittenberg  (1570 

bis    1649,    3  Bilder),    und    den    Mediziner    Joh.    Christ.    Reil 

(2  Bilder)  darstellen  (A.  F.  Brons).  —  Carte  des  Entries  du 

Suyder-Zee  et  de  l'Embs,  Paris  1693.  —  Alfred  v.  Wurzbach, 

Niederl&ndisches    Kunstlerlexicon,    Leipzig    1904   u.    f.    (A.    F. 

Brons).  —  Photographien  vom  Innern,  von  der  Orgel,  der  Kanzel 

und  von    Wappen   der  Kirche  zu  Westeraccum  (cand.  min. 

H.  Taaks- Westeraccum).  —  Pergamenturkunde    vom    April 

1613  betr.  300  Gulden,    die    der  Stadt  Emden   von   den  Rats- 

herrn    Samuel    van   Wingene,    Peter    Celos,   Jacques  Mannes, 

Lowyfs  Penon  als  Vormundern   tiber   einige   elternlose   Kinder 

zur  Verzinsung  ubergeben  worden  (Archivar  Dr.  Schluter-Dorpat). 

—  Ansicht  von  Norderney  1828,  vom  „  Champignon"  aus,  gez.  v. 

H.  Degener  (A.  Brons).  —  4  Festkarten   der  Wanderversamm- 

lung   des   Zentral-Vereins   fur   Fluss-   u.   Kanalschiffahrt  in 

Emden  am  10.— 12.  Juni  1904  (Schwalbe).  —  Die  Festnummern 

der  Ostfriesischen  Zeitung  und  der  Rhein-Ems-Zeitung  vom  10. 

bis    12.  Juni    1904,    —    Ansicht  von  Leer,    gez.,   gest.    und 

herausg.  v.  G.  A.  Lehmann  1801.  —  Abr.  Scultetus,  Kurtzer 

.  .  .  Bericht  von  den  Gotzenbildern:   An   die  Christl.  Gemeinde 

zu  Prag,   als  aufs  K5n.  Mayest.  .  befelch  die  Schlosskirch  von 

allem    Gotzenwerk    gesaubert  .    .    .   Sontags    den    12./22.    De- 

cemb.  1619,  Prag    1620;  Fr.    Balduini  .  .  .    Gegenbericht    auf 

A.  Sculteti .  .  .  Bericht  von  G5tzenbildern,  Wittenberg  1620.  — 

Pauli,  Die  Renaissancebauten   Bremens  im   Zusammenhange 

mit  der  Renaissance  in  Nordwestdeutschland,  Leipzig  1890.  — 

Handschriftliches   Gutachten   der  4  Emder  Kaufleute   F.    H. 

Metger,   A.  Escherhausen,    C.  Tholen,   P.  J.  Abegg   tiber  Kon- 

zent  ration    des    gesamten   Han  dels    von    Ostfriesland    in 

Emden  v.   15.  Okt.    1804    (L.  Gittermann  aus   dem  Nachlasse 

Jahrbuoh  der  Gesellsch.  f.  b.  K.  a.  vaterl.  Altertttmer  zu  Emden,  Bd.  XV.  35 


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—    556     — 

seines  Vaters,  des  Senators  Gittermann,  letzten  Inhabers  der 
Firma  Metger  u.  Heydeck).  —  Ein  Bild,  K5nig  Georg  V.  auf 
dem  Totenbette  darstellend;  Klopp,  Georg  V.,  1878  (Dr.  v. 
Potier). 


II.  AltertOmer,  MOnzen  und  Medaillen. 

„Dumpofentt,  mit  der  Jahreszahl  1767  und  der  Dar- 
stellung  Neptuns (Schnedermann).  —  Urnenscherben,  die  beim 
Ausbaggern  desHinterTiefes  gefunden  wurden(v.  Frese-Hinta). 
—  3Petschafte,  das  eine  mit  einem  Storche  als  Wappen;  das 
andere  mit  den  Buchstaben  C.  L.  L.(?),  einem  Baumstamme,  an 
dem  ein  Anker  lehnt  und  aus  dem  nach  oben  hin  der  Zweig  der 
Senfpflanze  hervorwachst,  einem  dreimastigen  Schiffe  im  Hinter- 
grunde  und  der  Ueberschrift  „Dianaa ;  das  dritte  mit  einem 
Schilde  zwischen  2  Saulen,  worauf  dieselben  Buchstaben 
C.  L.  L.  (?) ;  durch  den  Schild  gehen  kreuzweise  ein  Anker  und 
ein  Dreizack,  auf  dem  Schilde  ein  Storch  (Pfandverleiher  de 
Beer).  —  Bemalte  Leinwandtapete,  die  beim  Umbau  des 
Hauses  von  Buhr  und  Thiemens  am  Alten  Markte  Nr.  10  hinter 
einer  Holzverkleidung  gefunden  (Buhr  u.  Thiemens).  —  Schones 
Bronzerelief  mit  dem  Kopfe  von  Hermann  Allmers,  verfertigt 
von  dem  Bildhauer  Kropp  in  Bremen  (Arn.  Brons).  —  Herdplatte 
mit  Darstellung  eines  Konigs,  vor  dem  eine  Frau  kniet  (Salomo 
und  die  Konigin  von  Saba?),  aus  einem  Bauernplatze  in  Wolt- 
husen  (an  der  Stidseite  des  Ems-Jade-Kanals),  der  bis  1652  der 
bekannten  Elisabet  von  Mahrenholtz,  geb.  v.  Ungnadt  gehorte 
und  jetzt  Eigentum  des  Konsuls  Valk  ist  (Valk).  —  4  Back- 
steine  aus  dem  Fundament  des  alten  Neuen  Tores,  das 
beim  Anbau  des  Centralhotels  an  der  Neutorstrasse  im  Juni 
1901  zu  Tage  getreten  ist;  L&nge  des  einen:  32  cm,  Breite 
15  cm,  Dicke  71/2  cm,  der  tibrigen  drei :  30,  14,  6x/2  cm  (Kustos 
C.  van  Jindelt).  —  Kleine  Grabsteinplatte  mit  den  Namen 
Jan  van  Dalen  und  Hilke  Reiken,  einer  Hausmarke  und  der 
Zahl  900  (aus  Privatbesitz  angekauft;  Grabsteine,  die  von 
KirchhSfen  verschleppt  worden  sind,  finden  sich  auch  sonst  in 


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—    557    — 

unserer Stadt).  —  Zwei  Backsteine von  derMauer  der  altenBurg 
bei  der  Taubstummenanstalt ;  Grosse:  30,  14V2,  7  cm  und  3072, 
15,  7  cm  (C.  van  Jindelt).  —  Eingerahmte  Kalligraphie  mit 
religiosem  Inhalt,  gezeichnet  von  J.  Mulder  (Pfandverleiher  de 
Beer).  —  29  Delfter  Kacheln  mit  Darstellung  von  Kinder- 
spielen  u.  a.,  aus  dem  ter  Vehnschen  Hause  v.  J.  1578  an  der 
Siidseite  der  Neutorstrasse  Nr.  29  (Eisenhandler  W.  ter  Vehn).  — 
Schiffsnagel  aus  Akazienholz  (Laarmann;  beim  Bau  eines 
Lotsenschoners  werden  etwa  2500  solcher  Nagel  verwendet).  — 
Denkmiinze  von  der  gescheiterten  Hafeneinweihungsfeier  am 
7.  Aug.  1901,  auf  der  Vorderseite  der  Kopf  des  Kaisers,  auf 
der  Riickseite  das  Rathaus  (L.  Gittermann).  —  Vergoldete 
Festmunze  der  Emder  Handwerkerinnungen  ftir  dieselbe 
Feier  (Tergast).  —  Drei  schon  erhaltene  Giebelsteine 
von  der  1901  abgebrochenen  Oelmuhle  „Licht  en  spijs"  (an 
der  Hinter  Landstrasse)  mit  Namen  und  Wappen  des  Erbauers 
Johan  Ysaac  Bauman  und  seiner  Gattin  Jmke  Tobias  van 
Hoorn  und  der  Jahreszahl  1751  (M.  Schnedermann  jr.)1).  — 
Altertfimliche  Spange,  die  in  der  Nahe  von  Westerende  (bei 
Hage)  9  Stich  tief  beim  Mergeln  ausgegraben  worden  (Herm. 
Brons).  —  Feuerstahl  (Klug).  —  Griff  einer  grossen ungebrannten 
tonernen  Schale,  die  in  einem  Warfe  bei  der  Smidt'schen 
Ziegelei  westl.  von  Uttum  gefunden  wurde  (Ziegeleibesitzer 
Smidt).  —  Konvokationspfennig  mit  dem  Namen  Tymen 
Dks  Wever  und  dem  Datum:  17.  Dez.  1802 2)  (P.  van  Rensen). 
—  2China-Medaillen,  einefiir  Kampfer,  die  anderefiirNichtkampfer 
(Grafenhain-Hannover).  —  Apparat  zum  Giessen  der  Bleiein- 
f  as  sung  von  Fenstern.  —  Grabstein  mit  den  Namen  der 
Kirchen&ltesten  Harmen  van  Fullen,  gest.  den  16.  Sept.  1638, 


*)  vgl.  Jahrb.  XIV  S.  407. 

•)  Tymen  Dirks  Wever,  geboren  1761,  ertrunken  mit  2  Sohnen  1808 
(nach  der  Grabschrift),  ist  der  letzte  in  der  Grossen  Kirche  begrabene 
Tote;  sein  Grabstein  liegt  westlich  vom  Trauchor.  Am  12.  August  1902 
kuildigte  das  Kgl.  Amtsgericht  II  zu  Emden  die  Versteigerung  des  in 
Emden  zwischen  beiden  Bleichen  2ter  Theil  Haus  Nr.  4  belegenen . . . 
auf  den  Namen  der  Witwe  des  weil.  Timen  Dirks  Wever,  Antje  Dirks 
Sielstra,  ftir  die  eine  Halfte  und  der  Geschwister  Cornelius,  Teika  u.  Greta 
Wever ...  fur  die  andere  Halfte  eingetragenen  Grundstiicks  auf  den 
14.  Okt.  1902  an  (Ostfries.  Zeitung  vom  16.  Aug.  1902).  Das  Emder  Adress- 
buch  von  1877  fuhrt  ^Johanna  Wever  Zwischen  beiden  Bleichen  II  4"  auf. 

36* 


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—    558     — 

65  J.  alt,  und  des  Abraham  van  Full  en,  f  1640,  nebst  Wappen 
(einem  Fallen?)  und  Hausmarke,  bezeichnet  mit  der  Zahl  280, 
gef.  in  einer  Tiefe  von  1  Meter  beim  Ausscbachten  der  Bau- 
grube  ftlr  die  Wohnung  des  stadtischen  Nachtwachtmeisters 
auf  dem  ehemaligen  Friedhofe  der  Gasthauskirche  hinter  dem 
Hause  Kl.  Faldernstrasse  Nr.  2;  und  ein  zweiter  Grabstein 
mit  dem  Namen  des  Hermann  Dop,  gest.  1637  (vom  Magistrat 
in  Verwahrung  tibergeben).  —  Pets  c haft  desfranzos.  Friedens- 
richters  zu  Norden  mit  der  Umschrift:  B.  Heilmann,  notaire* 
&  Norden,  tribunal  de  paix,  Ems  Oriental,  und  dem  Bilde  eines 
Adlers  (Karl  Brons-Bremen).  —  Plattrunde  tOnerne  Feld- 
flasche  mit  2  Oesen  zum  Durchziehen  eines  Tragriemens  und 
der  Jahreszahl  1590  *)  (geschenkt  vom  Landwirt  Dreesmann  in 
Kl.  Midlum  durch  Vermittlung  des  Lehrers  Groen  daselbst).  — 
Steinhammer  aus  einer  granitartigen  Masse  (Feldspat  oder 
Glimmer,  aber  ohne  Quarz),  12  cm  lang,  672  cm  breit  und  mit 
einem  runden  Stielloche  versehen,  gef.  1901  bei  Plaggenburg 
75  cm  tief  in  einer  Schicht  roten  Sandes  beim  Sandschl5ten 
(angekauft  durch  Vermittlung  des  Hauptlehrers  Janssen  in 
Plaggenburg).  — Hals  eines  blau-grauen  glasierten  rheinischen 
Gef  asses  mit  3  Medaillons  und  Spuren  eines  Henkels  sowie 
der  Jahreszahl  1589,  gef.  beim  Bau  des  van  Sendenschen  Hauses 
an  der  Boltentorstr.  (L.  van  Senden).  —  Konsole  oder 
Tragstein  eines  Treppengewolbes  mit  einer  menschlichen  FigurT 
die  in  einen  Fischschwanz  auslauft  (Zimmermeister  Hollander 
an  der  Burgstrasse).  —  Versteinerte  Herzmuschel,  gef.  bei 
Ibbenbtihren  (Kaufmann  van  Jindelt-MtLnster).  —  Letterntuch 
mit  dem  Datum  des  5.  Oktober  1844  aus  der  Familie  der  verst. 
Frau  Boelsen,  geb.  Bussen  (Y.  Brons).  —  7  Delfter  Kacheln. 
6  blau,  eine  bunt,  mit  Darstellung  eines  zum  Schuss  anlegenden 
Landsknechts,  eines  Lehrers  mit  Knaben  an  der  Wandtafel 
usw.,  aus  dem  abgebrochenen  Hause  an  der  Ecke  der  Kl.  Bruck- 
strasse  und  der  Ostseite  der  Dalerstr.  (L.  Gittermann).  — 
Schlfisselhaken  mit  Anker,  Herz  und  Kreuz,  beim  Bau  des 
Gassensschen  Hauses  an  der  Gr.  Bnickstr.  gef.  (J.  de  Beer  jr.).  — 
Zwei  sehr  schone  Estrich-Platten,  eine,  blau,  mit  Darstellung 


l)  rheini8ches  Fabrikat,  vgl.  Brinkmann,  Das  Hamburgische  Museum, 
S.  261  und  257. 


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—    559    — 

eines  Segelschiffes,  im  Hintergrunde  eine  Ktiste,  die  andere, 
violett,  mit  einer  Vase  und  2  als  Narren  gekleideten  Personen 
zur  Seite  (Fr.  Folkerts  jr.;  beide  Platten  stammen  aus  dem 
Rodewykschen  Hause  an  der  kleinen  Bruckstrasse,  Nordseite, 
Ecke  des  Torfraarktes,  in  dem  friiher  Kacheln  zum  Kaufe 
standen).  —  Zwei  l&nglichrunde  2  cm  lange  und  zwei  pfeil- 
spitzenartige,  nach  beiden  Seiten  spitz  zulaufende  4  cm  lange 
und  ya  cm  breite  Gegenstande  von  Feuerstein,  gef.  von 
Arbeitern  bei  Klein-Holum  (b.  Esens)  neben  Urnenscherben, 
1  m  tief  unter  ebener  Erde  (Lehrer  Tongers  in  Kl.-Holum  durch 
Vermittlung  des  Generalsuperintendenten  Bartels;  die  beiden 
erstgenannten  Alterttimer  sehen  wie  eine  versteinerte  Haselnuss 
und  eine  Eichel  aus).  —  Zwei  Fensterscheiben  aus  dem 
ehemals  Schulteschen,  jetzt  Bronsschen  Hause  am  Delft  Nr.  27, 
die  eine  mit  einer  Hausmarke  und  den  Buchstaben  I.  L.  B.  auf 
rotem  Grunde,  die  andere  mit  dem  Worte  „Wijna  (H.  Brons; 
an  die  Weinhandlung,  die  friiher  in  dem  Hause  getrieben 
wurde,  erinnert  noch  das  Weinfass  und  die  Weintraube  im 
Giebel).  —  Drei  Bleifensterrahmen,  grosstenteils  mit  den  er- 
haltenen  bemalten  Scheiben,  aus  dem  Bronsschen  Hause  am 
Delft  Nr.  27 ;  die  Mittelscheiben  von  zweien  tragen  Hausmarken 
mit  den  Buchstaben  I  I  W  und  H  F,  iiber  letztern  ein  Bienen- 
korb  (H.  Brons).  —  Zwei  bemalte  Scheiben,  eine  mit  der  In- 
schrift  „Btirgermeister  .  .  .  Damtf  (angekauft  durch  Vermittlung 
des  Auktionators  Ulferts  in  Esens).  —  2  Sandsteinkonsolen 
einer  Sitzbank,  geschnitztes  Sttick  eines  wahrscheinlich  aus 
dem  XVII.  Jahrh.  stammenden  Ladentisches  (Gestell  zum 
Aufhangen  von  Diiten),  eine  Mengfc  blau-weisser  F  lie  sen  mit 
Darstellungen  von  Frauen,  Knaben,  Soldaten,  Tieren  und  Blumen, 
eine  Sammlung  von  15  alten  Mau  erst  ein  en  verschiedener 
Art:  Formsteine*  vom  (Jesimse  und  Backsteine  meist  aller- 
grGssten  Formats  (34:  10:  17  cm  und  31 :  8:  15  cm),  alles  vom 
Degenaarschen  Hause  an  der  Stidseite  der  Grossen  Strasse  und 
der  Deichstrasse,  dem  sog.  Alten  Rathause.  —  Eine  kleine 
Tasse  ohne  Henkel  („Kumpkea),  ein  grtinglasierter  Topf  und 
ein  Schusterhammer  (?),  gefunden  bei  Bauten  im  Keller  des 
alten  Gymnasiums  (Bierhandler  Buurmann).  —  Kamm,  gef. 
12  Fuss  tief,  3  geglattete  Schlittschuhknochen,  gef.  8—9 
Fuss  tief  im   Garten  des   Landwirts  S.  E.  Aukes   in   Canum 


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—    560    — 

(Aukes-Canum).  —  Vier  alte  Salzmasse  mit  Stempeln  ans 
d.  J.  1842—1870  (Kaufmann  Kittel  in  Aurich  durch  Vermittlrmg 
des  Kaufmanns  Geyko  Freese  in  Emden).  —  Die  zwei  ersten 
ausgegebenen  Fahrscheine  der  Sonntag  den  23.  Febr.  1902 
eroffneten  elektrischen  Kleinbahn  von  Emden  nach  dem  Aussen- 
hafen  Nr.  0001  und  Nr.  0002  (Betriebsleitung).  —  Hollandisches 
Letterntuch  mit  dem  Datum  des  8.  April  1755  und  dem 
eingestickten  Namen  Planter  (Kaufmann  Abr.  Krah).  — 
M  e  d  a  i  1 1  e  einer  Emder  Assekuranz-Kompagnie  mit  dem 
Namen  Berent  Wyman,  Mede-Stigter,  1783,  und  der  Umschrift: 
Hinc  labor,  hinc  merces,  auf  der  Riickseite:  In  magnis  non 
sufficit  una.  —  Tonkugeln  („Mergelknollena x)  aus  Pilsum, 
Naturprodukt,  gef.  in  Hauen  bei  Greetsiel  2—3  m  tief  (Land- 
wirt  K.  Smidt-Pilsum  durch  Vermittlung  des  Apothekers 
Dr.  Mahlmann).  —  Zunderbuchse  (J.  de  Beer).  —  Schwarz- 
gebrahntes  Topfchen,  gef.  10  Fuss  tief  beim  Wuhlen,  ein 
hohler,  an  einem  Ende  abgebrochener,  am  andern  zugespitzter 
Knochen,  vielleicht  von  einem  Wurfspiess  (Lehrer  Aits  zu  Weit- 
mar  in  Westfalen2).  —  Sttickeines  Kammes,  Schlittschuh- 
knochen,  gef.  bei  Canum,  Holznadel,  16,4  cm  lang,  runder, 
durchlochter  Netzbeschwerer,  gef.  bei  Woquard  (Aukes- 
Canum).  —  Vierteiliges  Kirchenbankschild,  oben  links  ein 
Adler,  rechts  ein  Baumstamm  mit  einem  Vogel,  unten  links  eine 
Hausmarke  mit  den  Buchstaben  HVWB,  rechts  drei  Kleeblatter, 
gef.  beim  Neubau  des  Backer  H.  Hempenschen  Hauses  an  der  Sud- 
seite  der  Kl.  Briickstrasse  Nr.  7  (durch  Vermittlung  des  Pastors 
Vietor-Hinte).  —  Ein altes  eisernes  Grabkreuz  von  vorziiglicher 
Schmiedearbeit  mit  Namenschild,  gef.  hinter  der  Kirche  zu 
Etzel,  Kr.  Wittmund  (Regierungs-  und  Baurat  Bohnen  in  Aurich, 
jetzt  in  Konigsberg  i.  Pr.).  —  Kleine  Dose  mit  Glasdeckel, 
unter  dem  sich  kunstliche  Blumen  und  Filigranarbeit  befinden 
(Laarmann).  —  Stuck  vom  Rande  einer  Urne  und  ein  Knochen. 
gef.  beim  Abtragen  eines  Warfes  zwischen  Uttum  und  Jennelt 
(Smidt-Uttum).  —  Tor-Schlussstein  mit  der  Inschrift  pDe 
witte  Olifant"    nebst  den  dazugehorigen  Architekturstucken 


J)  vgl.  Bijdragen  tot  de  kennis  van  de  provincie  Groningen  I,  1901. 
S  82  ff. 

2)  aus  Visquard,  fruher  in  Rysum,  Ditzumerverlaat  und  Hatzam. 


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—    561     — 

(Bernh.  Brons;  der  Stein  war  auf  dem  Tore  der  Ewenschen 
Gartenmauer  zwischen  beiden  Bleichen,  soil  aber  friiher  am 
Schnedermannschen,  ehemals  Payneschen  Hause  an  der  Neutor- 
strasse  angebracht  gewesen  sein ;  der  weisse  Elefant  war  das 
Zeichen  der  Payneschen  Tabakstirma). —  Eiserner  Hausanker 
aus  dem  alten  Neuen  Tore,  der  sich  beim  Bau  des  Kappelhoff- 
schen  Hauses  an  der  Neutorstr.  gefunden  hat  (H.  Kappelhoff 
Wwe.  &  Sohn).  —  Alte  Schlitten-Kutsche,  „Sleperkea  (Erben 
des  Kommerzienrats  Y.  Brons).  —  Spinnwirtel  mit  kreis- 
formigen  Verzierungen  (Aukes-Canum).  —  Messingschild  mit 
Darstellung  einer  Bockwindmtihle,  woruber  die  Buchstaben 
D.  W.  M.  (De  Witte  Molen?),  und  zweier  Garben,  die  von  2 
Handen  gehalten  werden,  wahrscheinlich  das  Abzeichen  eines 
Emder  Kontrolbeamten  fur  die  Mahlaccise  von  Weizen,  eines 
sog.  „Kiekerstf,  der  in  der  N&he  der  Mfihle  eine  stadtische 
Wohnung  hatte,  um  die  Ein-  und  Auskommenden  zu  beob- 
achten,  gef.  2  Spatenstich  tief  in  dem  1845  gebauten  Deiche 
bei  der  Taubstummenanstalt.  —  2  Herdplatten  aus  dem 
Eckhause  an  der  Boltentor-  und  der  Sudseite  der  Bismarckstr., 
die  eine  mit  Neptun  auf  einem  Wagen,  der  von  4  Pferden  ge- 
zogen  wird,  und  der  Jahreszahl  1681,  die  andere  mit  Venus, 
der  2  Liebesgotter  einen  Spiegel  halten,  2  andere  Schmuck- 
gegenstande  darreichen.1)  —  Degen  mit  altem  schon  ge- 
arbeiteten  silbernen  Griffe  (Frau  Hyma  Witte,  geb.  van  Hoorn 
infolge  letztwilliger  Verftigung  ihres  Vaters,  des  verst.  Gold- 
schmieds  van  Hoorn).  —  2  Urnenscherben  mitHenkel,  ein 
Topfchen,  2  BockshOrner,  1  Schienbeinknochen  eines  Schafes  (?), 
Unterkiefer  eines  Rehs  (?),  gef.  nordlich  von  Visquard  (Land- 
wirt  Mtiseler- Visquard).  —  Alte  Handlaterne  flir  Oel  (Siegfr. 
Pels).  —  Messingene  Handkette.  —  Goldwage  mit  alten 
Gewichtsstiicken,  deren  altestes  die  Jahreszahl  1612  tragt;  als 
Fabrikant  der  Wage  ist  mit  Tusche  „  Jacob  Soo  .  .  er  1658  tot 
Hoorn"  vermerkt  (Goldschmied  Fr.  Richter).  —  Silberne  Erinne- 
rungsmedaille,  die  aus  Anlass  der  Anwesenheit  des  Kaisers 
in  Emden  am  30.  Juli  1902  hergestellt  worden  ist;  vorno  das 
Rathaus,  darunter  die  Harpyie  mit  der  Umschrift :  „Zur  Erinne- 


l)  Das  Haus  hiess  einst  „De  gouden  ploeg*,  vgl.  Jahrb.  XIV  S.  414 
und  416. 


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—     562    — 

rung  an  die  Anwesenheit  des  Kaisers  Wilhelm  II.  zur  Besichti- 
gung  des  neuen  Aussenhafens  inEmdenl902a;  auf  derRtickseite 
Profilbild  des  Grossen  Kurfiirsten  (nach  einer  alten  Medaille 
in  unserer  Sammlung)  mit  der  Umschrift:  „Den  um  den  Hafen 
von  Emden  und  j  den  Emsstrom  verdienten  Hohenzollern8 
(Magistrat).  —  Sehr  alte,  zylinderfBrmige  Senfmiihle  von  Stein, 
an  der  Seite  ein  menschlicher  Kopf  mit  langen  Ohren  und  auf- 
gerissenem  Munde  (Landgebr&ucher  Harm  Slink  in  Tjliche  bei 
Marienhafe durch  Vermittlung  des  Pastors  Liipkes).  — Alte P  ost- 
quittungsscheine  aus  Ostfriesland  (Schnedermann  jr.).  — 
Zerbrochener  Gl&tt-oder  Schlittschuhknochen,  Knochen  mit 
einer  runden  Vertiefung  in  der  Mitte,  Rtickenstiick  eines  Kammes, 
defekter  Kamm,  gut  erhaltener  langer,  schmaler  Kamm,  Stuck 
Eisen,  an  dem  einen  Ende  spitz,  an  dem  anderen  Ende  mit 
einer  runden,  nach  oben  offenen,  tibergebogenen  Oese;  gef.  in 
einem  nunmehr  abgetragenem  Warfe  bei  Canum  (Landwirt 
Heeren-Canum).  —  Zwei  Kacheln,  gef.  beim  Umbau  des 
Hauses  am  Delft  Nr.  27  (H.  Brons).  —  Siegelstempel 
mit  dem  ostfriesischen  Wappen,  gef.  bei  Walchum  b.  Aschen- 
dorf  (das  Wappen  hat  den  Elefantenorden,  wie  er  sich  auf 
den  Dukaten  Christian  Eberhards,  Georg  Albrechts  und  Karl 
Edzards  findet).  —  Hausanker  aus  dem  abgebrochenen 
Brons'schen  Packhause  an  der  Nordseite  des  Alten  Marktes 
(Schlosser  Wienholtz  und  Kaufmann  Jac.  van  de  Walde).  — 
5  grosse  Backsteine  aus  dem  jetzt  abgebrochenen  Hause 
an  der  Siidseite  der  Pelzerstrasse,  ostlich  von  der  Grossen 
Kirche,  der  wahrscheinlichen  Statte  der  Gertruden-Kapelle.  — 
Alter  Ofen  aus  dem  van  Delden'schen  Hause  an  der  Gr. 
Osterstrasse  (die  Hinterbliebenen  der  Frau  van  Delden,  geb. 
Brons).  —  Ehemaliger  Taufstein  der  Jennelter  Kirche  (in 
Verwahrung  ubergeben).  —  Alte  0 ell  am pe  (Laarmann).  — 
Gipsabguss  von  einem  in  der  Auricher  Kiisterei  gefundenen 
Bleistempel  mit  dem  ostfriesischen  Wappen  aus  preussi- 
scher  Zeit  (Kuster  Eggen  in  Aurich  durch  Vermittlung  des 
Archivrats  Dr.  Wachter).  —  Feuerstein-Pfeilspitze,  die  vor 
1882  beim  Pfahldamm  im  Wrissemer  Hamrich  bei  Aurich  (vgl. 
Jahrb.  II  2,  1877,  S.  158)  gefunden  eein  soil  (Kanzleisekret&r 
a.  D.  Fr.  Tjarks-Aurich).  —  Zwei  Konvokationspfennige 
mit  den  Namen:  J.  SchMr,  Stadtverordneter  in  Emden,  17.  Febr. 


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—    563    — 

1840,  und  A.  H.  Hamphoff ,  ohne  JahreszaU  (K.  Brons-Bremen).  — 
Alte  Ktichen-Oellampe  (Frau  P.  Wilken).  —  Barock-Ober- 
lichtfenster  aus  dem  Dodenschen  Hause  an  der  Stidseite 
der  Boltentorstr.  (von  dem  Kaufer  des  Hauses,  Maler  Assmus). 

—  Kleine  Goldwage  (Kaufmann  Kittel  in  Aurich).  —  Mittel- 
stiick  eines  viereckigen  Ofens  aus  Ton  mit  Darstellung  eines 
antiken  Opfers  im  Empire-Stil  (Tischler  H.  Schulte;  das  Stuck 
lag  bisher  unbeachtet  in  einem  Winkel  seines  Hauses  an  der 
Oldersumer  Strasse,  das  friiher  einem  jiidischen  Trodler  gehorte). 

—  Giebelstein  vom  Brons'schen  Hause  Delft  Nr.  28  mit  der 
Jahreszahl  1579  und  einem  Wappen,  das  zwischen  2  Fliigeln 
ein  Herz  und  einen  fiinfstrahligen  Stern  dartiber  aufweist1) 
(B.  Brons'  Erben).  —  Ein  aus  Stiicken  zusammengesetzter 
Kamm  aus  Knochen  von  der  bekannten  dicken  langlichen 
Form,  aber  ohne  alle  Verzierungen,  und  ein  dreieckiges  lang- 
liches  glattes  Plattchen,  ebenfalls  von  Knochen,  oben  im 
spitzen  Winkel  mit  einem  Loche,  das  zum  Durchziehen  eines 
Bindfadens  gedient  zu  haben  scbeint,  gef.  im  Dorfwarfe  von 
Manslagt  beim  Abtragen  von  Erde  zum  Verkaufe  nach  den 
Fehnen  hin  (Landwirt  Franz  Habbena  in  Manslagt).  —  Eiserne 
Luther-Medaille  von  1883  (Y.  Brons).  —  Zwei  Ofenplatten, 
beide  mit  Darstellung  der  Ermordung  des  Feldhauptmanns 
Abner  durch  Joab,  2.  Sam.  3,  Vs.  6—34,  gef.  beim  Abbruche  des 
Eckhauses  an  der  Pelzer-  und  der  Emsmauerstrasse  nach  der 
Grossen  Kirche  hin  im  Keller  (Zimmermeister  de  Boer).  — 
3  alte  grosse  Backsteine  aus  der  ehemaligen  Spenningaburg 
zu  Stapelmoor  (Gutsbesitzer  Ditzen  in  Stapelmoor  und  Kauf- 
mann Bernh.  de  Vries).  —  Viereckiges  Plattchen  aus  Knochen 
mit  ringfSrmigen  Verzierungen,  Spinnwirtel,  Bruchstucke 
von  einem  Kamme ,  der  mit  eingeritzten  sichkreuzenden  Strichen 
verziert  ist,  gerundetes,  nach  beiden  Enden  spitz  zu- 
laufendes,  pfriemenartiges  Stabchen  von  30  cm  Lange,  sack- 
tuchartige  Zeugreste,  gef.  8  Fuss  tief  beim  Abgraben  eines 
Warfes  zu  Canum,  im  Danger  (Landwirt  S.  E.  Aukes,  Canum). 


l)  Dasselbe  Wappen  hat  sich  auf  einer  Saule,  leider  unbekannter 
Herkunft,  in  unserer  Sammlung  und  auf  einem  Grabsteine  (mit  ver- 
wischtem  Namen)  im  mittleren  Langsgange  der  Grossen  Kirche  vor- 
gefunden,  vgl.  Jahrb.  XIV  S.  415. 


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—    664    — 

—  Pfriemenartiger  Gegenstand  (wie  der  obenerwahnte 
aus  Canum),  kleine  Eisenspitze  mit  Knochengriff,  gef.  im 
Manslagter  Dorfwarf  beim  Abtragen  von  Erde  (Fr.  Habbena- 
Manslagt).  —  Zwei  sehr  grosse  alte  Radnaben  (jTrummen1, 
„Btissena),  Netzbeschwerer  (Aukes-Canum).  — Herdplatte 
mit  biblischer  Darstellung,  von  der  noch  ein  Brunnen  deutlich 
zu  erkennen  ist  (Christus  und  die  Samariterin?),  aus  dem  van 
Deldenschen  Hause  an  d.  Gr.  Brtickstr.  (Hinterbliebene  der  verst. 
Frau  Dr.  van  Delden).  —  Alte  Handlaterne.  —  2  rundlicbe 
Glasgegenst&nde,  die  zum  Gotten  gedient  zu  haben  scheinen 
(Frl.  G.  van  Pilsum).  —  2  Reitersporen,  2  Namensbretter 
von  dem  Schiff:  „De  Jonge  Heereal)  1816  (P.  H.  Geelvink).  - 
„ Krone"  eines  Spinnrades,  zum  Umwinden  der  fertigen 
Faden  (Snitjer).  —  Korsettartiges  rotes  Mieder  mit  Brustlatz, 
getragen  vgn  der  Urgrossmutter  der  Frau  Deichrichter  van 
Hove,  geb.  Freerksen  (van  Hove-Larrelt).  — Viereckiger  Konvo- 
kations pfennig  mit  der  Aufschrift:  Mattheus  (oderMattheies?) 
1728,  gef.  im  Hause  des  Zimmermeisters  de  Boer,  Miihlenstr.  68 
(Obersekundaner  W.  de  Boer).  —  Ueber  100  Estriche  mit 
Landsknechten,  Frauen,  spielenden  Knaben,  Schiffern  etc.  aus 
dem  Hause  Zwischen  beiden  Sielen  Nr.  10.  —  Urne  aus  dem 
Rabbelsberge2)  (24  cm  hoch,  30  cm  breit  im  Durchmesser  der 
grossten  Bauchweite  10  cm  am  Boden,  19  cm  am  oberen  Rande),  ein 
Menschensch&del  unbekannter  Herkunft,  Versteinerungen  (an- 
gekauft  aus  dem  Nachlasse  des  verstorbenen  Lehrers  Eilers 
in  Reepsholt).  —  Urnenscherben,  auf  dem  Untergrunde  des 
Moores  bei  Strakholt  gefunden,  Steinbeil  und  Steinhammer, 
ebenfalls  auf  dem  Untergrund  des  Moores,  gef.  im  Rauchstall 
bei  Strakholt  (Lehrer  Hillers  in  Strakholt).  —  Ein  wertvoller 
Degen  mit  der  zweimal  auf  der  Klinge  wiederholten  Inschrift: 
in  te  Domine  1414  (?),  den  unser  friiheres  Mitglied,  Holzhandler 
Petrus  Wilken,  1848  als  Soldat  der  Burgerwehr  getragen  (Frau 


*)  =  Hero.  Das  Schiff  war  nach  Mitteilung  des  Herrn  P.  van  Rensen 
eine  Schonerkuff  von  74  Fuss  Lange,  19  Fuss  Breite  und  12  Fuss  Tiefe; 
der  Kapitan  des  Schiffes,  van  Laar,  war  ein  Verwandter  der  Familie 
van  Rensen. 

■)  Vgl.  Jahrb.  XIII  S.  286  und  XV  S.  495. 


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—    565    — 

Wwe.  Wilken).  —  Ein  sehr  grosser  blauseidener  S  chirm1)  mit 
Fischbeinrippen,  der  aus  Frankreich  stammen  soil  (von  der- 
selben). —  Bleierne  Schnupftabaksdose  mit  eingraviertem 
grossbritannischen  Wappen,  Miinzgewichte  von  Messing  aus 
einer  Goldwage  (D.  Heinksen  und  Frau,  geb.  Diekmann  in 
Westeraccumersiel).  —  Altertiimliche  Weinflasche  (V2  Liter) 
mit  breitem  Boden,  „Kloppertf  (de  Ruyter).  —  Eine  Lanze, 
in  der  eine  Kosakenwaffe  aus  den  Freiheitskriegen  vermutet 
wird  (Frl.  G.  van  Pilsum).  —  2  goldene  ostfriesische  Ohrringe, 
eine  goldene  Brosche.  —  Drei-Stuber-Sttick  aus  Silber 
von  Enno  II.  mit  der  Jahreszahl  1529.  —  „  Ruffeleisen a 
zum  Platten  (Schnedermann  jr.).  —  Lettertuch,  angefertigt 
von  Marie  Addengast,  spater  verheirateten  Frau  Petrus  Schuur- 
mann,  der  Grossmutter  unseres  friiheren  Mitgliedes  Petrus 
Wilken  (Frau  Wwe.  Wilken).  —  Sab  el  des  Feldwebels  der 
Emder  Biirgerwehr  v.  J.  1848,  Klug  (Landschaftsrat  Klug).  — 
Feuerzeug:  ledernes  Beutelchen  mit  Eisen  und  Achat ; 
silberne  Denkmiinze  auf  die  Rilckkehr  KSnig  Friedrich 
Wilhelms  III.  und  der  Konigin  Luise  v.  J.  1809,  gepragt  bei 
Daniel  Loos  in  Berlin,  nebst  einer  gedruckten  Beschreibung 
(Klug).  —  Der  Giebelstein  von  demim  Mai  1904  abgebrochenen 
Hause  an  der  Ecke  der  Kleinen  Briickstrasse  Nr.  8  und  der 
Hofstrasse  mit  der  bekannten  Inschrift  „Dit  is  dat  eerste 
ghebow"2)  (Uhrmacher  Gans).  —  Emder  28-Sttiber-Sttick 
aus  der  Mitte  des  XVII.  Jahrh.  mit  den  Aufschriften :  „Ferit  et 


*)  Am  28.  Juni  1904  wurde  auf  dem  Schlachtfelde  von  Belle- Alliance 
ein  franzosisches  Denkmal  zur  Erinnerung  an  die  in  der  Schlacht  ge- 
fallenen  Franzosen  errichtet.  Aus  diesem  Anlass  berichtete  der  „Figaroa 
nach  den  Erinnerungen  eines  belgischen  Edelmanns,  des  Grafen  von  St. 
Germain,  der  sich  am  Tage  der  Schlacht,  am  18.  Juni  1815,  in  Brussel 
befand,  u.  a.  uber  die  Angst  der  Briisseler  vor  einer  Plunderung  durch 
die  Franzosen:  „denn  man  erzahlte  sich,  dass  Napoleon  seinen  Soldaten 
versprochen  habe,  ihnen  die  Stadt  4  Stunden  lang  zur  Plunderung  zu 
uberlassen  .  . .  Trotz  des  strdmenden  Regens  standen  die  Briisseler  dicht- 
gedrangt  auf  der  Place  de  la  Monnaie,  wo  man  sich  die  neuesten  Nach- 
richten  mitteilte,  und  wartete,  geschutzt  durch  grosse,  farbige  Regen- 
schirme,  die  damals  Mode  waren. 

•)  Vgl.  Jahrbuch  XTV  S.  414.  Die  dort  vermutete  Jahreszahl  1570 
befindet  sich  wohlerhalten  auf  der  bisher  verdeckt  gewesenen  unteren 
Halfte  des  Steines. 


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—    566    — 

tuetur  genuino  rostro"  —  „Ruet  divisa  civitas".1)  —  Zwei 
Steinsarge  aus  Engerhafe  (Landwirt  Dj.  Ulferts  in  Upgant, 
vgl.  o.  S.  532).  —  2  Spitzen-H&ubchen  (Rektor  Dinkela). 
—  Die  Gipsmodelle  des  Fischers  und  des  Matrosen  vom 
Brunnen  an  der  Bonnesse  (von  der  Witwe  des  Kiinstlers,  Fran 
Ktisthardt  in  Hannover).  —  Kriegsdenkmiinze  von  1815 
fur  den  Kapitan  Harm  Laarmann  (vom  Enkel,  Lotsenkomman- 
deur  Laarmann).  —  Netznadel  aus  Knochen,  gef.  in  der 
Baugrube  des  Kappelhoffschen  Neubaus  an  der  Neutorstrasse 
(Gartner  Schrage).  —  Eine  Anzahl  silberner  Munzen  aus 
neuerer  Zeit  (Klug).  —  Alte  L  at  erne  mit  Fenstern  aus  Horn- 
platten  in  Bruchstticken  (Lohmeyer).  —  Urnenscherben, 
halbe  Spinnwirbel,  Tierknochen,  Netzsenker,  mit  Aus- 
nahme  des  letzteren  am  23.  Jan.  1904  ausgegraben  in  Gegenwart 
einiger  Mitglieder  bei  Visquard  auf  einem  Grundstuck  des  Land- 
wirts  Museler;  der  Netzsenker  ist  friiher  bei  Visquard  gefunden 
(Miiseler-Visquard).  —  Edelhirschgeweih,  gef.  3  Fuss  tief 
in  Canum  (Aukes-Canum).  —  Alte  Kaffeekanne  aus  Ton,  die 
mit  Blumen  und  VSgeln  verziert  ist.  —  Seidenstickerei 
in  verschiedenen  Farben  mit  einer  Kirche  und  anderen  Hausern, 
im  Hintergrunde  Wasser  und  Berge  (Schnedermann  jr.).  — 
Jackchen,  das  die  spatere  Frau  des  Emder  Stadtchirurgen 
Schtitte  (geb.  1765)  als  junges  M&dchen  getragen  (von  ihrem 
Enkel,  Uhrmacher  Bentzen).  —  Eiserne  Herdplatte  aus  dem 
friiher  Brellschen  Hause  Bismarckstr.  Nr.  16  (D.  Dreesmann 
Penning  jr.).  —  Ein  Kastentisch  (aus  dem  Nachlasse  des 
Landwirts  Heeren  zu  Cirkwerum).  —  Scherben  von  2  glatten 
Urnen,  gef.  beim  Wuhlen  inManslagt,  Netzsenker,  gef.  10*  tief 
bei  Manslagt  in  einer  Ansammlung  von  Meeresmuscheln  (Fr. 
Habbena-Manslagt).  —  Aushangeschild  des  verstorbenen 
Buchbinders  Bartels,  Neutorstr.  41,  eine  Bibel  (Frl.  Bartels).  — 
Holzernes  S child  mit  den  Emblemen  der  Zimmermannszunft 
vom  Hause  an  der  Ecke  der  Lilienstrasse  und  der  Lookvenne, 
Siidostecke  (Schlossermeister  Steinhauer).  —  Buchbeschlage 
aus  Silber  von  einer  Bibel  (Frau  Apoth.  Herrmann).  —  Herd- 
platte mit  der  Jahreszahl  1611  aus  einem  Hause  an  der  Schul- 
strasse.    —   Ein  aus  Stangen  und  Segeltuch  bestehendes  Bett 


*)  Statt  der  Harpyie  tragt  die  Mtaze  einen  Doppeladler. 


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—     567     — 

fur  Kinder  von  5—12  Jahren,  „Esela  genannt  (Lotse  Thyssen). 
—  Holzernes  Mo  dell  vom  Kellergewolbe  der  alten  Rentei  an 
der  Grossen  Strasse  (Snitjer). 


Reehensehaftsberieht 

uber  den  finanziellen  Stand  der  Gesellschaft  fur  die  Zeit  vom  1.  Mai  1902 

bis  zum  30.  April  1904. 

Erstattet  von  dem  zeitigen  Rechnungsfuhrer  A.  F.  Brons. 


I.  Einnahme. 

1.  Beitrage  der  Mitglieder  in  der  Stadt  Emden  1902/3  JC  1152. — 

1903/4   „    1158.— 

JC  2810.— 

2.  Beitrage  von  auswartigen  Mitgliedern    .    .  1902/3  JC    510. — 

1903/4   „     513.22 

JC  1023.22 

3.  Beitrage  der  ostfriesischen  Landschaft 

zu  Aurich 1902/3  JC  1000.— 

1903/4   „    HOP.—  1) 

JC  2100.- 

4.  Beitrage  aus  der  Provinzial-Hauptkasse 

zu  Hannover 1902/3  JC    550  — 

1903/4   „     550.- 

JC  1100.— 

5.  Zinsen 1902/3  JC      21.72. 

1903/4  6.76. 

JC      28.48 

6.  Vermischte  Einnahmen         ....  1902/3  JC      182.50 

1903/4  — .— 

JC    182.50 

ganze  Einnahme  JC  6749.20 
II. 


1.  Zinsen  fur  Schuldkapitalien  .       .  1902/3  JC      216. — 

1903/4  „       207.20 

JC    423.70 

')  Davon  M.  100.  —  Beibtllfe  zur  Anlage  von  Blitzableitern  auf  dem  Gesellschafts-Gebfttide. 


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—    568    — 


2.  Fur  Schuldentilgung 


3.  Steuern  und  VersicherungsprEmien 


4.  Fur  Unterhaltung  der  Gebfcude 


5.  Fur  die  Bibliothek 


6.  Far  die  Munzsammlung 

7.  Fur  die  Gem&ldesammlung  und  sonstige 

Kunstgegenst&nde . 

8.  Fur  die  Altertumssammlung 

9.  Fur  Mobilien  und  Utensilien 

10.  Beitr^ge  an  Gesellschaften 


1902/5  JL      300.— 
1908/4  „       500.— 

JC    600.- 
1902/5  JL      350.51 
1903/4  „       539.84 

JC     670J5 
1902/3  JL      186.28 
1908/4  r       759.1 5  *) 

1902/3  **      202.80 
1905/4  „       268.58 

.4f     465.88 
1902/8  UK      158.50 
1908/4  „         29.05 


UK     18I.&5 


11.  Verwaltungskosten 


12.  Fur  Beleuchtung 


1902/8  JL       96.51 
1908/4   „ 88,25 

1902/8  JL      106.25 
1908/4  r 158.25 

1902/8  UK      109.94 
1908'4  60.10 

1902/8  JL       33.— 
1908/4  „ 83.- 

1902/3  JL      169.21 
1903/4  m 106.72 

1902/3  JL       87.58 
1908/4  „         74.56 


UK     179.76 


Ji    265.- 


uK  170.04 


JL    66.- 


UK  275.93 


UK  162.14 


13.  Fur  die  Besoldung  des  Hauswarts 
nebst  Heizung 


14.  Druckkosten  und  Buchbinderlohn 


15.  Vermischte  Ausgaben 


1902/3  JL      350.- 
1903/4   m       350.- 


JL  700.- 


1902/3  JL    1423.50 
1903/4   „ 673.60 

1902/5  JL      170  — 
1903/4   m        —  .- 


UK  2097.10 


JL     170.- 


ganze  Ausgabe  .£  7378.* 


»)  Darunter  •£  616.40  fftr  Anlage  von  Blitzableitern. 


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—    569    — 

III.  Vergleichung  der  Einnahme  und  Ausgabe. 

Die  Einnahme  betrag  in  den  beiden  Rechnungsjahren       .       .  JL  6749.20 

Die  Ausgabe  dagegen „   7878.88 

mithin  Mehrausgabe  JL    629.68 

IV.  Schulden. 

Die  Schulden  betrugen  am  1.  Mai  1902 JL  4090.30 

Dagegen  am  1.  Mai  1904 „  4119.98 

£8  trat  also  eine  Vermehrung  ein  von  JL      29.68 


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—     570    — 

Verzeiehnis  der  Mitglieder  1904/5. 


I.  Ehrenmitglieder. 

B arte  Is,  Dr.  theol.,  reform.  General-Superintendent  a.  D.  in  Aurich  (18691) 

Berghuys,  Kaufmann  in  's-Gravenhage  (1868). 

t  Merkens,  Franz,  Rentner  in  K61n  (1898),  gest.  am  8.  Jan.  1906. 

Rassau,  Oskar,  Bildhauer  in  Dresden  (1892). 

t  Rose,  Amtssekretar  a.  D.  in  Lintel  b.  Norden  (1879,  gest.  am  17.  Dez.  19(H). 

Starcke,  E.,  Fabrikbesitzer  in  Melle  (1871). 

II.  Korreepondierende  Mitglieder. 

Blok,  Dr.  phil.,  Professor  an  der  Universitat  Leiden  (1889). 

Borchling,  Dr.  phil,  Privatdozent  in  Gottingen  (1899). 

Boschen,  Bildhauer  in  Oldenburg  (1886). 

F  a  b  r  i  c  i  u  8 ,  Dr.  juris,  Senatsprasident  am  Oberlandesgericht  in  Breslau  (1889). 

Holtmanns,  Rektoratsschullehrer  a.  D.  in  Cronenberg  bei  Elberfeld  (1875). 

Klinkenborg,   Dr.    phil.,    Assistant    am    Kgl.    Geh.    Staatsarchiv  zu 

Berlin  (1897). 
Liebe,  Dr.  phil.,  Kgl.  Staatsarchivar  in  Magdeburg  (1887). 
Nanninga  Uitterdijk,  Archivar  der  Stadt  Kampen  (1873). 
Pannenborg,  Dr.  phil.,  Professor  in  Gflttingen  (1892). 
Peters,  C.  H.,  Reichsbaumeister  in  Haag  (1897). 
Rose,  Burgermeister  in  Barth  (1879). 
Sello,  Dr.  jur.,  Grossh.  Archivrat  in  Oldenburg  (1897). 
Siebs,  Dr.  phil.,  ord.  Professor  an  der  Universitat  Breslau  (1893). 
Sundermann,  Lehrer  in  Norden  (1873). 
Winkler,  Joh.,  Arzt  in  Haarlem  (1882). 

III.  Ordentliche  Mitgliedep. 

a.  in  Emden. 

Bauermann,  H.,  Kaufmann  (1893). 

Bertram,  Fr.,  Rentner  (1891). 

Bertram,  Joh.,  Kaufmann  (1902). 

Brons,  Arn.  F.,  Niederlandischer  Vize-Konsul,  Senator  a.  D.  (1871). 

Brons,  B.,  Niederlandischer  Konsul,  Senator  a.  D.  (1871). 

Brons,  Bernhard  J.  S.,  Kaufmann  (1878). 

Brons,  F.,  Schwedischer  Vize-Konsul  (1877). 

Br  on  8,  Herm.,  Kaufmann  (1901). 

Brons,  Y.,  Kaufmann  (1893). 

Butenberg,  O.,  Rentner  (1879) 


')  Dio  beigefiigte  Zahl  bezeichnet  das  Jahr  dor  Aufnahmo. 


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—    571     — 

Diedrichs,  J.,  Rendant  des  ersten  Entwasserungsverbandes  (1905). 

van  Doornum,  C.t  Kaufmann  (1896). 

v.  Freese,  Landrat  (1894). 

Furbringer,  Oberbiirgenneister  (1875). 

Geelvink,  H.,  Kaufmann  (1871). 

Geelvink,  P.,  Kaufmann  (1872). 

Geelvink,  Dr.  med.  (1903). 

Gittermann,  L.,  Bankvorsteher  (1899). 

fGraepel,  Fr.,  Senator  a.  D.  (1872)1). 

Haynel,  W.,  Buchhandler  (1872). 

Haenisch,  Pastor  (1894). 

Herrmann,  C,  Apothekenbesitzer  (1880). 

van  Heuvel,  KSnigl.  Auktionator  (1895). 

Hofker,  Past.  emer.  (1871). 

H6pken,  Dr.,  Oberlehrer  am  Gymnasium  (1894). 

Kappelhoff,  A.,  Senator  (1875). 

Kappelhoff,  H.,  Kaufmann  (1899). 

Kleinpaul,  Dr.,  Redakteur  der  Ostfriesischen  Zeitung  (1904). 

Klug,  Landschaftsrat  (1870). 

Kool,  Dr.,  Direktor  der  Fischereigesellschaft  „Neptun"  (1901). 

Koppel,  Bankier  (1899). 

Laarmann,  Lotsen-Kommandeur  (1888). 

Lindemann,  Russischer  Vize-Konsul  (1893). 

Loosing,  J.,  Kaufmann  (1894). 

Lohmeyer,  Dr.  med.,  Sanitatsrat  (1879). 

Luddecke,  Oberlehrer  am  Gymnasium  (1905). 

Mahlmann,  Dr.,  Apothekenbesitzer  (1878). 

Medenwald,  Pastor  (1898). 

Metger,  C.  H.,  Kommerzienrat,  Senator  (1886). 

Metger,  R.,  Rechtsanwalt  (1899). 

Mustert,  J.,  Kaufmann  (1895). 

Pape,  Kommerzienrat  (1853). 

Penning,  T.  Dreesmann,  Senator  a.  D.  (18F8). 

Philippstein,  W.,  Kaufmann  (1899). 

van  Rensen,  P.,   Sekretar   d.   Handelskammer   f.   Ostfriesl.    u.  Papen- 

burg  (1873). 
Richard,  Amtsgerichtsrat  (1899). 
Ritter,  Dr.,  Prof.,  Oberlehrer  am  Gymnasium  (1884). 
Ruyi,  Fischereidirektor  (1901). 
Schnedermann,  Kommerzienrat  (1868). 
Schnedermann,  M.,  jr.  (1892). 
Schulze,  Regierungs-  und  Baurat  (1900). 
Schuffler,  Dr.,  Professor,  Gymnasial-Direktor  (1892). 
Schwalbe,  W.,  Buchhandler  (1883). 


')  WnhronJ  des  Druckes  crhalten  wir  die  Nachricht,  dass   der   alto  Herr  am  16.  Juni  1905 
im  89.  Jahre  seines  tfltigen,  gesegnoten  Lebens  entschlafon  i«t. 

Jahrbuch  der  Gesollsch.  f.  b.  K.  u.  vaterl.  AltertQmer  m  Em  den,  Bd.  XV.  37 


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—     572     — 

t  Schwitzky,  Weinhandler  (1888,  gest.  am  2.  Febr.  1905). 

Smidt,  Joachim,  Kaufmann  (1883). 

Stracke,  G.   Weinhandler  (1902). 

Tergast,  Dr.  med.,  Medizinalrat  (1875). 

Thiele,  C.,  Kaufmann  (1896). 

Thiele,  FrM  Kaufmann  (1893). 

Thomson,  Amtsgerichtsrat  (1890). 

Tillmann,  Dr.  med.  (1892). 

Tr6ger,  N.,  Photograph  (1901). 

Valk,  K.,  Belgischer  Konsul  (1878). 

ter  Venn,  A.,  Kaufmann  (1900). 

Zorn,  Dr.,  Buchdruckereibesitzer  und  Redakteur  (1889). 


b.  Auswartige. 

K6nigliche  Bibliothek  in  Berlin  (1882). 
Ausschuss  des  Kreises  Wittmund  (1902). 
Aibers,  Dr.  med.,  Hooksiel  (1901). 
Bakker,  W.,  Apothekenbesitzer  auf  Borkum  (1897). 
Bayer,  Landrat  in  Norden  (1899). 
Bekker,  Burgermeister  in  Esens  (1875). 
Bekker,  D.,  Kaufmann  in  Esens  (1888). 
de  Boer,  Pastor  in  Siegelsum  (1900). 
Boning,  0.,  Kaufmann  in  Bremen  (1900). 
Brons,  Th.,  Gutsbesitzer  in  Groothusen  (1877). 
Brugmann,  P.,  Holzhandler  in  Dortmund  (1902). 
Bruns,  Kaufmann  und  Konsul  in  Papenburg  (1902). 
Bunnemann,  Fr.,  Kaufmann  in  Bremen  (1900). 
Conring,  Dr.,  Amtsgerichtsrat  in  Aurich  (1884). 

t  Dammeyer,  Rentmeister  in  Petkum  (1871,  gest.  am  19.  Juni  1904). 
Dekker,  P.,  Oberlehrer  am  Gymnasium  in  Ratzeburg  (1892). 
Dieckhaus,  L.,  Fabrikbesitzer  und  Senator  in  Papenburg  (1892). 
Ditzen,  Superintendent  in  Blumental  (1893). 
Doornbosch,  P.  H.  Meekhoff,  Baflo,  Prov.  Groningen  (1896). 
Doornkaat  Koolman,  Gutsbesitzer  in  Gross-Midlum  (1895). 
Drost,  Pastor  in  Marburg  (1883). 

Dunkmann,  A.,  Buchdruckereibesitzer  in  Aurich  (1894). 
Ef 8 linger,  Postdirektor  in  Leer  (1905). 
v.  Brucken  Fock,  Dr.  juris,  Middelburg  in  Holland  (1877). 
v.  Brucken   Fock,   H.  J.,   Kgl.   niederl.  Premierleutnant  a.  D.  in  Mid- 
delburg (1901). 
Fieker,  Dr.  jur.,  Referendar  in  Aurich  (1905). 
Frerichs,  Pastor  in  Nortmoor  (1900). 
v.  Freese,  V.,  Landschaftsrat  zu  Hinte  (1870). 
Friemann,  D.,  Buchhandler  in  Aurich  (1904). 
Georga,  Gutsbesitzer,  Landschaftsrat  zu  Damhusen  (1871). 


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—    573     — 

Gittermann,  Rud.  C,  Kaufmann  in  Odessa  (1904). 

Qoedel,  Marine-Oberpfarrer,  Konsistorialrat,  Wilhelmshaven  (1896). 

Grasshoff,  Steuerrat  a.  D.  in  Nauen  (1882). 

Groeneveid,  Rechtsanwalt  in  Weener  (1905). 

Habben,  C,  Apothekenbesitzer  in  Miihlhausen  i.  Th.  (1900). 

Heeren,  N.,  Gutsbesitzer  in  Canum  (1888). 

t  Hesse,  Superintendent  in  Larrelt  (1874,  gest.  am  7.  Sept.  1904\ 

Hessler,  Kgl.  Wasserbauinspektor  in  Husum  (1900). 

Heuer,  J.,  cand.  min.  in  Schkeuditz  bei  Halle  a.  S.  (1898). 

Hofmeister,  Teiegraphen-Direktor  a.  D.  in  Hameln  (1875). 

tfoogestraat,  Betriebs-Inspektor  der  Koniglichen  Munitionsfabrik   in 

Spandau  (1877). 
Houtrouw,  Pastor  in  Neermoor  (1882). 
van  Hove,  Gutsbesitzer  in  Larrelt  (1870). 
van  Hove,  Apothekenbesitzer  in  Neustadtgodens  (1889). 
Huhnstock,  Holzhandler  in  Papenburg  (1896). 
van  Hiilst,  Gutsbesitzer  in  Lintel  bei  Norden  (1894). 
John,  W.,  Kaufmann  in  Papenburg  (1902). 
Juzi,  Senator  a.  D.,  Direktor  der  Geestemunder  Bank  (1876). 
Kappelhoff,  H.,  Kaufmann  in  Hamburg  (1893). 
Kieviet,  T.,  Gemeinde-  und  Ortsvorsteher  in  Borkum  (1901). 
E.  Furst  Knyphausen,  Durchlaucht,  auf  Liitzburg  (1870;. 
Klinkenborg,  Amtsgerichtsrat  in  Norden  (1886). 
Klumker,   Dr.,    Sekretar  des  Instituts    fur  Gemeinwohl   in  Frankfurt 

a.  M.  (1896). 
Kohl,  D.,  Dr.,  Oberlehrer  in  Oldenburg  (1901). 
Kohlschutter,  Hutten-Direktor  in  Norden  (1890). 
Kok,  Dr.  med.,  Badearzt  in  Borkum  (1901). 
Landmann,  Hutten-Direktor  in  Norden  (1901). 
Lantzius-Beninga,  S.,  Gutsbesitzer  auf  Gut  Stikelkamp  (1885\ 
Loesing,  Gerichtsassessor  in  Gosiar  (1904). 
Lupkes,  Superintendent  in  Esens  (1890). 
Meyer,  U.,  Pastor  in  Pilsum  (1871). 
Meyer,  Lehrer  in  Visquard  (1881). 

Meyer,  Josef  L.,  Schiffswerftbesitzer  in  Papenburg  (1888). 
Meyer,  R.  D.,  Senator  in  Norden  (1890). 

Pieines,  Professor  zu  SchSnberg  in  Mecklenburg-Strelitz  (1884). 
Pleines,  Pastor  in  Canum  (1888). 
Pieines,  Dr.,  Oberlehrer  in  Otterndorf  (1893). 
Po tier,  Dr.  0.  Baron,  Wien  (1901). 
Prinz    von    Ratibor-Corvey,    Durchlaucht,    Regierungsprasident    in 

Aurich  (1905). 
Reichensperger,  Landgerichtsprasident  in  Koblenz  (1902). 
Remmers,  Generalsuperintendent  in  Stade  (1877). 
van  Rensen,  H.,  Oberlehrer  in  Mettmann  (1904). 
Rigts,  Pastor  in  Woltzeten  (1895). 
Rulffes,  K6nigl.  Auktionator  in  Pewsum  (1870). 

*       37* 


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—     574    — 

Rykena,  Weinhandler  in  Norden  (1892). 

Saathoff,  Pastor  coll.  in  GSttingen  (1903). 

Sasse,  Konigl.  Auktionator  in  Hage  (1877). 

Schaer,  Pastor  in  Rysum  (1886). 

Schelten-Peterssen,  Geh.  Baurat  a.  D.,  Schloss  Nordeck  bei  Hage  (1902). 

Schweckendieck,  C,  WirkL  Geh.  Ober-Regierungsrat  in  Berlin  (1874). 

Schweckendieck,  E.,  Hutten-Direktor  in  Dortmund  (1881). 

Schwerdtfeger,  Forstmeister  in  Friedeburg  (1900). 

Schwiening,  Burgermeister,  Landschaftsrat  in  Aurich  (1888). 

Sluyter,  Pastor  in  Borkum  (1903). 

Soltau,  Buchdruckereibesitzer  in  Norden  (1902). 

Sundermann,  H.,   Schriftleiter   der  Dtsch.  Landwirtschaftsgesellschaft 

in  Berlin  (1896). 
Suur,  Direktor  des  Realgymnasiums  zu  Iserlohn  (1889). 
Tarn  men,  Dr.,  Oberlehrer  in  Aurich  (1894). 
Uiferts,  E.  C,  Rentner  in  Hannover  (18761 
Ulferts,  Dj.,  Gutebesitzer  in  Upgant  (1808). 
Vie  tor,  Landgerichtsrat  in  Hildesheim  (1882). 
Vietor,  Bieske-,  Pastor  in  Hinte  (1876). 
Vie  tor,  Pastor  in  Greetsiel  (1883). 
Vocke,  Burgermeister  in  Eschwege  (1902). 
Wachter,  Dr.,  Archivrat  in  Aurich  (1898). 
Wolfes,  Dr.,  Rechtsanwalt  in  Dortmund  (1895). 
Wychgram,  N.,  Oekonomierat  in  Wybelsum  (1886). 


Verzeichnis 


der  Vereine  und  Institute,   mif   denen    die  Gesellschaft  in 
Schriftenaustausch  sfehf. 

Aachen:  Aachener  Geschichtsverein. 

Amsterdam:  Koninkl.  Oudheidkundig  Genootschap. 

Amsterdam:  Koninkl.  Akademie  van  Wetenschappen. 

Assen:  Provinciaai  Museum  van  Oudheden  in  Drente. 

Bamberg:  Historischer  Verein  fur  Oberfranken. 

Berlin:  Gesellschaft  fur  Anthropologic,   Ethnographic  und  Urgeschichte. 

Berlin:    Gesellschaft   fur  Heraldik,  Sphragistik  und  Genealogie.     (BDer 

deutsche  Herold.a) 
Bremen:  Historische  Gesellschaft  des  Kunstlervereins. 
Buckeburg:   Verein  fur  Geschichte  und  Landeskunde  des  Furstentums 

Schaumburg-Lippe. 
Chemnitz:  Verein  fur  Chemnitzer  Geschichte. 
Danzig:  Westpreussischer  Geschichtsverein. 
Darmstadt:  Historischer  Verein  fur  das  Grossherzogtum  Hessen. 


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—     575     — 

Detmold:  Geschichtl.  Abt.  d.  naturw.  Ver.  f.  d.  Furstent.  Lippe. 

Donaueschingen:  Verein  fur  Geschichte  u.  Naturgeschichte  der  Baar  etc. 

Dorum:  Heimatbund  der  Manner  vom  Morgenstern. 

Dresden:  Naturwissenschaftliche  Gesellschaft  Isis. 

Dresden:  Archiv  fur  deutsche  Familiengeschichte  (0.  v.  Dassel). 

Diisseldorf:  Diisseldorfer  Geschichtsverein. 

Elberfeld:  Bergischer  Geschichtsverein. 

Em  den:  Naturforschende  Gesellschaft. 

Essen:  Historischer  Verein  fur  Stadt  und  Stift  Essen. 

Frankfurt  a.  M.:  Verein  fur  Geschichte  und  Altertumskunde. 

Frankfurt  a.  M.:       Romisch  •  Germanische    Kommission    des    Kaiserl. 

Archaeol.  Instituts. 
Freiberg  i.  S.:  Altertums verein. 
Giessen:  Oberhessischer  Geschichtsverein. 
Graz:  Historischer  Verein  fur  Steiermark. 
Greifswald:  Rugisch-Pommerscher  Geschichtsverein. 
Groningen:  Societas  pro  excolendo  jure  patrio. 

Groningen:  Museum  van  Oudheden  voor  de  provincie  en  de  stad Groningen. 
Guben    (Lubben):    Niederlausitzer  Gesellschaft   fur  Anthropologic  und 

Altertumskunde. 
Haag:  Heraldisch-Genealogisch  Archief  (Dir.  D.  G.  v.  Epen). 
Haarlem:  Teyler's  tweede  Genootschap. 
Halle   a.  d.  S.:    Thuringisch  -  Sachsischer   Verein  fur  Erforschung   des 

vaterl.  Altertums  etc. 
Hamburg:  Verein  ftir  Hamburgische  Geschichte. 
Hannover:  Historischer  Verein  fur  Niedersachsen. 
Hannover:  Verein  fur  Geschichte  der  Stadt  Hannover. 
Hannover:  Provinzial-Museum. 
Heidelberg:  Historisch-Philosophischer  Verein. 
Helsingfors:  Finnische  Altertumsgesellschaft. 
Jena:  Verein  ftir  Thiiringische  Geschichte  nnd  Altertumskunde 
Kassel:  Verein  ftir  Hessische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Kiel:  Gesellschaft  ftir  Schleswig-Holsteinische  Geschichte. 
Kiel:  Gesellschaft  fur  Kieler  Stadtgeschichte. 
Koln:  Historischer  Verein  fur  den  Niederrhein. 
K8nigsberg  i.  Pr.:  Physikalisch-Oekonomische  Gesellschaft. 
KSnigsberg  i.  Pr.:  Altertumsgesellschaft  „Prussiaa. 
Leeuwarden:  Friesch  Genootschap  van  Geschied-,  Oudheid-  en  Taalkunde. 
Leiden:  Maatschapij  der  Nederlandsche  Letterkunde. 
Lei  pa  in  Bdhmen:  Nordbdhmischer  Exkursionsklub. 
Linz  a.  D.:  Museum  Francisco-Carolinum. 

Lubeck:  Verein  fur  Lubeckische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Liineburg:  Museums  verein  fur  das  Furstentum  Ltaeburg. 
Meissen:  Verein  fiir  die  Geschichte  der  Stadt  Meissen. 
Middelburg:  Zeeuwsch  Genootschap  der  Wetenschappen. 
Mitau:  Kurlandische  Gesellschaft  fiir  Litteratur  und  Kunst. 
M  finch  en:  K.  b.  Akademie  der  Wissenschaften. 


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—    576    — 

Nurnberg:  Germanisches  Nationalmuseum. 

Nurnberg:  Verein  fur  Geschichte  der  Stadt  Nurnberg. 

Oldenburg:   Oldenb.  Verein  fur  Altertumskunde  und  Landesgeschicht*. 

Osnabruck:  Verein  fur  Geschichte  und  Landeskunde  von  Osnabruck. 

Posen:  Historische  Gesellschaft  fur  die  Provinz  Posen. 

Prag:  Verein  far  die  Geschichte  der  Deutschen  in  Bdhmen. 

Riga:    Gesellschaft    fur    Geschichte   und   Altertumskunde   der   Ostsee- 

provinzen  Russlands. 
Rijswijk:  Genealogisch  en  Heraldisch  Archief  (A.  A  Vorsterman  t.  Oyen). 
Romans  (D6p.  DrOme):  SociSte*  d'histoire  ecclesiastique  et  d'archeologie 

religieuse  des  dioceses  de  Valence  etc. 
Rostock:  Verein  fur  Rostocks  Altertumer. 

Schmalkalden:  Verein  fQr  Hennebergische  Geschichte  und  Landeskunde. 
Schwerin:  Verein  fur  Mecklenburgische  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Speier:  Historischer  Verein  der  Pfalz. 

Stettin:   Gesellschaft  fur  pommersche  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Stockholm:  Kongl.  Vitterhets  Historic  och  Antiqvitets  Akademien. 
Stockholm:  Nordiska  museet. 

Stuttgart:  Wurttembergische  Kom mission  fur  Landesgeschichte. 
Thorn:  Coppernicus-Verein  fur  Kunst  und  Wissenschaft. 
Troppau:  Kaiser  Franz  Josefs-Museum  fur  Kunst  und  Gewerbe. 
Utrecht:  Historisch  Genootschap. 
Utrecht:  Provinciaal  Utrechtsch  Genootschap  van  Kunsten  en  Weten- 

schappen. 
Washington:  Smithsonian  Institution. 

Wernigerode  a.  H.:  Harzverein  fur  Geschichte  und  Altertumskunde. 
Wien:  Akademischer  Verein  deutscher  Historiker. 
Wiesbaden:  Verein  f.  Nassauische  Altertumsk.  und  Geschichtsforachung. 
Wolfe nbuttel:  Geschichtsverein  fur  das  Herzogtum  Braunschweig. 
Wiirzburg:  Historischer  Verein  fur  Unterfranken  und  Aschaffenburg. 
Zurich:  Antiquarische  Gesellschaft. 
Zwickau:  Altertumsverein  fur  Zwickau  und  Umgegend. 
Zwolle:  Vereeniging  tot  beoefening  van  Overijsselsch  regt  en  geschiedenia. 

28.    Juui  1905. 


*$r 


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Nieln  Trttger,    Kinden.   phot. 


URNEN  AUS  DEM  RABBELSBERGE 
BEI  DUNUM. 


J.hrbuch   ,1.,   JME&tyVlC 
XV,  » 


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