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Jahrbuch
der
Oesellsehaft ftir bildende Kunst
und
vaterlandische Altertttmer
zu
EmdeiL.
FQnfzehnter Band. — Erstes Heft.
(S. 1—186.)
— ^^CWKi^ —
Emdan.
Eigentum der Oesellsehaft
1903.
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Hohenaallem Collcctic ?.
Gift of A. C Cooiidp?
Oracle von Anton (Terhard in Emden.
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Inhalt.
Seite
Die Quellen des „Rerum Frisicarum Historia" des Ubbo Emmius. I.
Von Dr. H. Reimers in Aurich 1
Ein Hausbuch Eggerik Beningas (Schluss). Von Dr. C Borchling,
Privatdozent in GOttingen 104
Kleinere Mitteilungen:
I. Beitrage zur Geschichte der Armenpflege und des
Gasthauses in Norden. Vom Archivdirektor
Dr. Wagner in Wiesbaden 138
n. Mitteilungen tiber das Schiffswesen Ostfrieslands
im XVI. Jahrhundert. Von P. van Rensen,
Sekret&r der Handelskammer in Emden . 161
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Die Quellen der „Rerum Frisiearum Historia"
des Ubbo Emmius.
Von Dr. Heinrich Reimers in Aurich.
I. Leben und Werke des U. Emmius.
Eine gliickliche Vereinigung aller der Umstande, welche
geeignet sind, einen bedeutenden Menschen auf die H6he seiner
Zeit zu stellen, lasst uns die Beschaftigung mit Ubbo Emmius
der Mvihe wert erscheinen. Dazu tritt uns der friesische Ge-
lehrte des ausgehenden 16ten Jahrhunderts entgegen im Lichte
einer grossen Zeit, hineingestellt in den Rahmen einer jugend-
kraftigen Volksbewegung.
Ubbo Emmius wurde am 5ten Dezember 1547 geboren ; seine
Heimat war das ostfriesische Dorf Greetsiel. Das Meer, welches
dem friesischen Lande iiberhaupt wesentlich sein Geprage leiht,
musste die ersten Eindriicke des Knaben bestimmen. Auf das
Meer hinaus gingen vor allem die Interessen der Bewohner des
Dorfes ; Schiffahrt und Fischfang boten manchen von ihnen die
Nahrung. Daneben nahrte der fruchtbare Boden des Marsch-
landes einen kraftigen, freiheitstrotzigen Bauernstand — jene
Manner, welche in den Wirren des Landes in ihrer Weise den-
selben Gedanken von Unabhangigkeit und Selbstandigkeit durch-
zusetzen suchten, wie ihn in Ostfriesland die gebildeten und
hoherstrebenden Elemente, vor allem die Btirger Emdens, ihren
Fiirsten gegentiber vertraten. Bei alledem war Greetsiel der
Stammsitz des ostfriesischen Herrscherhauses, und die Tradi-
tionen, welche einst das cirksenasche Haus so eng mit dem
Jahrbuch dor GesolUch. f. b. K. u. vatorl. Altertumer zu Eiuden, Bd. XV. 1
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Boden verbanden, dein es entsprossen war, und die Tage des
grossen Edzard, der wohl noch selbst auf dem Sitz seiner V&ter
residierte,1) mochten in Greetsiel um die Mitte des 16ten Jahr-
hunderts noch unvergessen sein. Nicht gar weit von Emmius1
Geburtshause stand als mahnender Zeuge der Geschichte des
greetsielischen Hauses die von dem ersten Grafen aus cirksena-
schem Geschlechte, Ulrich I., wehrhaft hergestellte Burg, damals
noch einer der bedeutendsten festen Pl&tze im Lande.
Emmius' Vater war der Pfarrer des Dorfes, ein Theologe
aus der Schule der grossen Reformatoren. Er selbst hatte noch in
Wittenberg zu Luthers und Melanchthons Fiissen gesessen, das
sp&tere Leben hatte ihn mit Johannes a Lasko wahrend dessen
Emcfer Aufenthalt zusammengefiihrt, und innige Freundschaft
verband beide Manner.2) Seine Familie war von alters her in
Ostfriesland wohl angesehen. Der Bruder seiner Mutter, der
Amtmann Ubbe Emmen, war unter den tapfern Verteidigern Leer-
orts in der sachsischen Fehde, dem Grossvater hatte das Ver-
trauen seiner Landsleute das Amt eines Sielrichters tibertragen.3)
Den ersten Unterricht genoss Ubbo Emmius bei seinem Vater,
doch sandte dieser ihn bereits mit 9 Jahren auf die lateinische
Schule ; er besuchte Emden, Bremen und Norden.4) Die Frucht
seiner griindlichen Gymnasialstudien — er hielt sich an den
drei Schulen nicht weniger als 14 Jahre auf — war eine ein-
gehende Bekanntschaft mit den klassischen Sprachen; besonders
der Unterricht des beriihmten Rektors Molanus in Bremen soil
in dieser Beziehung von grossem Einfluss auf Emmius gewesen
sein. Ein formvollendeter lateinischer Stil, ein feinsinniges Ein-
gehen auf die Gedankenwelt der Alten, sind Emmius immerdar
eigen geblieben. Geschult an den Vorbildern der Alten, gen&hrt
mit den Erzeugnissen ihrer edelsten Geister, war Emmius doch
zugleich seiner Zeit ein wahrhaft moderner Mann, der es wie
wenige verstand, das alte Gold in neue Formen zu giessen, der
Vertreter einer lebenswarmen, naturwahren Renaissance auf
friesischem Boden. So ausgeriistet genoss er wahrend zweier
Jahre in Rostock den Unterricht des ersten Historikers seiner
0 Wiarda: Ostfriesische Geschichte II p. 321.
*) Mulerius: Vita Ubbonis Emmii p. 170.
8) Em. hist. p. 878.
«) Vita Ubb. Em. p. 172.
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— 3 —
Zeit, David Chytraeus. In theologischer Beziehung freilich ist
Emmius diesem Lehrer, dem Mitverfasser der Konkordienformel,
nicht gefolgt, hier iibten die Universitat Genf, wo Emmius
spater zwei Jahre weilte, und ihr gefeierter Lehrer Theodor
Beza den entscheidenden Einfluss auf ihn aus. Der Historiker
Emmius aber weiss sich durchaus als Schiiler des Chytraeus.
Die spatere Freundschaft beider M&nner und das Urteil des
Chytraeus iiber das Werk seines Schiilers1) sind Zeugen ihrer
engen Beziehungen. Wohlunterrichtet iiber Land und Leute
durch eine Studienreise, die ihn durch Siiddeutschland, die
Schweiz und Frankreich fuhrte, kehrte Emmius 1579 in die
Heimat zurtick. Sein letzter Universitatsaufenthalt hatte ihn
in eine entschieden reformierte Richtung gedrangt, Calvin war
der iiberragende Geist, der seine theologischen Anschauungen
beherrschte; und das republikanische Genf war der Ort, an
dem diese Ideen die Statte ihrer klassischen Auspragung gefunden
hatten.
So kam er in das Ostfriesland Edzards II. Hier war in-
zwischen ein anderer Geist herrschend geworden, als zur Zeit
der Grafin Anna und a Laskos. In Emmius' Vaterhause hatte
ein milder versShnlicher Sinn geherrscht, der Vater war luthe-
rischer Geistlicher, er war Luthers Schiiler, aber er konnte
dabei doch auch a Laskos Freund sein ; der Sohn war nun ent-
schieden in die Bahnen der Schweizer Reformatoren eingelenkt.
In dem grossten Teil seiner Heimat, in den massgebenden Kreisen
zumal, hatte sich die entgegengesetzte Entwicklung angebahnt.
Des grossen Edzard gleichnamiger Enkel hatte als Gemahlin eine
Prinzessin aus koniglichem Gebliit heimgefuhrt, eine Tochter
Gustav Wasas. Erzogen in dem ausgepragt lutherischen Sinn,
wie er am Hofe des grossen Schwedenkonigs herrschend war,
wusste sie das Herz des Gatten bald fur ihre Anschauungen
zu gewinnen. Edzard II. ward ein entschiedener Lutheraner,
sein Bruder Johann, der einen Teil des Landes selbstandig
regierte, war ebenso entschieden reformiert, und die kon-
fessionellen Gegensatze scharften sich, wie nie zuvor im Lande.
Dazu waren die innern politischen Verhaltnisse schwierig genug.
Die ersten Glieder der cirksenaschen Dynastie hatten das
Emporkommen ihres Hauses noch nicht vergessen, sie waren
l) Tiaden: Das gelehrte Ostfriesland. Bd. II p. 187.
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- 4 —
ttichtige und kraftvolle Regenten, bei alledem aber wussten sie
sich stets als „primi inter pares", als Fiihrer des Volkes im
eigentlichen Sinne. Sie standen dem Volke nicht gegenflber
wie sonst wohl die Fiirsten im Reich, sie standen im Volke,
und beider Interessen waren eins. Auf die Dauer aber konnte
das schwerlich so bleiben. In demselben Masse, in dem die Be-
herrscher des Landes liber den Standpunkt der H&uptlinge
hinauswuchsen, und in dem ihre Macht nach innen und aussen
erstarkte, mussten sie zu einer andern Auffassung ihrer fiirst-
lichen Stellung hingedr&ngt werden. Fanden sie nun far diese
Ideen keinen Stiitzpunkt im Lande selbst, so war es das Nattir-
liche, dass sie sich mit auswartigen Raten umgaben, die in
jenen Anschauungen von der Macht eines Fiirsten und dem Ge-
horsam seiner Unterthanen aufgewachsen waren, welche ihnen
genehm waren, und in denen sie somit willige Werkzeuge ftir
die Durchfiihrung ihrer Absichten finden mussten.
Schon unter Enno II., dem Sohne Edzards des Grossen,
schienen die Dinge eine derartige Wendung nehmen zu wollen.
Aber seine kurze Regierung (1528—1640) konnte das einzig-
artige Band, das sich hier zwischen Fiirst und Volk geschlungen
hatte, nicht zerreissen, und Ennos Witwe Anna von Oldenburg
war klug genug, w&hrend ihrer vormundschaftlichen Regierung
die fiirstlichen Anspriiche nicht zu iiberspannen, und das Herz
des Volkes gehSrte ihr, wie einst den Ahnherm ihrer Kinder.
Aber das alles war nun anders geworden. Der Schwiegersohn
des Konigs von Schweden sah nicht ein, warum er sein Volk
anders regieren sollte, wie draussen die Fiirsten im Reich und
wie etwa sein koniglicher Schwiegervater. Er umgab sich mit
Ratgebern, welche in fremden Verh<nissen aufgewachsen, frie-
sischer Art und friesischer Sitte unkundig, die Verhaltnisse
der Grafschaft unertraglich fanden, und die nun ihrem Herrn
die Stellung zu sichern suchten, welche nach ihrer Meinung
einem Landesherrn zukam. Dies Streben nach ftirstlichem
Glanze und furstlicher Macht aber musste dem jungen Grafen
die Herzen seiner Landsleute entfremden, die unter dem landes-
v&terlichen Regiment seiner Vorg&nger von alledem nichts er-
fahren hatten. So gingen denn die Interessen von Fiirst und
Volk auseinander, welche fast ein Jahrhundert aufs engste ver-
bunden gewesen waren.
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Das Volk suchte und fand eine st&rkere Vertretung in
einer Kraftigung der Landst&nde. Diese waren bisher mehr
zurtlckgetreten, ihr harmonisches Zusammenwirken mit der
landesherrlichen Gewalt hatte eine scharfe rechtliche Abgrenzung
der gegenseitigen Rechte kaum erforderlich gemacht. Die ein-
getretene Spannung steigerte nun die Ansprtiche von beiden
Seiten. War es auf der einen Seite die reichsfiirstliche Ge-
walt und Landeshoheit, welche den Strebungen des Grafen
einen Riickhalt und Sttitzpunkt gewahrten, so fanden die Land-
st&nde ihren nattirlichen Halt in der aufkeimenden Freiheits-
bewegung der Niederlande. Mit steigender Spannung und
wachsendem Interesse richteten sich die Blicke, der gebildeten
Bewohner des Landes zumal, nach Westen. Hier entwickelte
sich ein kraftiges politisches Leben, hier begann ein freiheit-
liebendes Volk den Druck iiberspannter absolutistischer Gewalt
von sich abzuschiitteln, und sein Beispiel musste ermutigend
und belebend wirken. Kein Wunder, wenn in solcher Lage in
Ostfriesland, hier an der Grenzscheide des Reiches, die Gegen-
satze aufeinanderplatzten. Vom Reiche her klangen dem
regierenden Herrn wie Lockrufe die Worte von Fiirstenrecht
und Fiirstenherrlichkeit in die Ohren. An den Thoren des
Landes zeigte ein freies Brudervolk dem Friesenvolke, was das
Ende des fflrstlichen Absolutismus sei, und welche Krafte des
staatlichen und burgerlichen Lebens sein Sturz zu entbinden
verm6ge.
Es ist nicht schwer zu erraten, auf welche Seite es Ubbo
Emmius nach seiner ganzen Entwicklung hindrangen musste.
Dennoch trat Emmius in die Dienste Edzards II. Wohlvorgebildet
zum Predigt- wie zum Lehramt, wahlte er, als ihm nach seiner
Ruckkehr beides angeboten wurde, die Stelle als Rektor der
lateinischen Schule zu Norden. Den politischen Gegensatzen
blieb er hier fern. W&hrend die ihm anvertraute Schule unter
seiner Leitung machtig emporbltihte, fuhrte er neben seinen
amtlichen Verpflichtungen das Leben eines emsigen, rastlosen
Gelehrten; in diese Zeit fallen die ersten Anfange seines grossten
Werkes, seiner friesischen Geschichte. Aber ob er sich gleich
so weit ab hielt vom politischen Leben, so sollte er doch von
anderer Seite gar bald in die Gegensatze im Lande hinein-
gezogen werden. Sein reformierter Standpunkt, obwohl bereits
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von Anfang an nicht unbekannt, erregte plotzlich das Miss-
fallen des durch seinen Hofprediger aufgehetzten Grafen ; dieser
wollte in dem durchaus lutherischen Norden einen reformierten
Rektor nicht langer dulden, und Emmius musste 1587 sein Amt
verlassen.
Des Grafen reformierter Bruder nahm ihn auf, und bereits
im folgenden Jahre konnte er die Leitung der neugegrundeten
lateinischen Schule in Leer iibernehmen. Dass diese Wendung
der Dinge seinen Gegensatz zu Edzard II. verschftrfte, ist nur
natiirlich. Bei alledem aber darf man sich Emmius nicht als
einen grundsatzlichen Feind des graflichen Hauses vorstellen,
wie dies spater seine hofischen Gegner wohl darzustellen be-
liebten. Noch 1592 widmete er von Leer aus Edzards Sohn,
dem spateren Grafen Enno III., die erste Dekade seines Geschichts-
werkes, und die Art, wie er in seiner Geschichte selbst iiber
das grafliche Haus spricht, ist nichts weniger als feindselig.
Er bekampfte nur Edzards System, nicht die Person des Landes-
herrn, noch weniger sein Haus. Der Aufenthalt in Leer brachte
Emmius reiche Forderung, er lernte die niederlandischen Ver-
h<nisse hier aus naherer Anschauung kennen. Die treibenden
Ideen der ganzen niederlandischen Freiheitsbewegung mussten
sich ihm hier weit konkreter gestalten, als in dem dem Schau-
platz der Dinge ferner liegenden Norden. So wuchs er mehr
und mehr in den Gedanken- und Gesichtskreis des Landes hinein,
welches ihm eine zweite Heimat werden sollte. Vor allem fand
er in Leer reiche Anregung durch den Verkehr mit angesehenen
Fltichtlingen aus Groningen, mit Johann Rengers ten Post und
seinemKreise besonders. Als diese nach der Befreiung Groningens
in die Heimat zuriickkehrten, dankte er ihrer Ftirsprache einen
Ruf als Rektor in ihre Vaterstadt.
Im Jahre 1596 ubernahm Emmius dann die Leitung der
lateinischen Schule in Groningen. Hier bot sich seiner Ent-
wicklung ein Spielraum, wie er ihn in seiner Heimat nimmer
hatte finden konnen. Er selbst sah sich nun mit einem Male
hineinversetzt in das Leben des Landes, welches ihm und den
Seinen immerdar als das klassische Land der btirgerlichen
Freiheit hatte erscheinen mussen. In unmittelbarem Verkehr
mit den fuhrenden M&nnern, Wilhelm Ludwig von Nassau,
Friedrich und Abel Coenders van Helpen u. a., konnten in ihm
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nunmehr die staatlichen und politischen Ideale zu freier Ent-
wicklung gelangen, fur die sein Aufenthalt in Genf, die Be-
schaftigung mit den klassischen Vorbildern antiken Biirger-
sinnes und endlich nicht zuletzt die konkreten Verhaltnisse
seiner engeren Heimat den Boden bereitet hatten. Hierzu kam
noch die Beriihrung mit den Ideen von Hugo Grotius, wie sie
damals den Niederlandern nahe lag, vor allem aber sein enger
Freundschaftsbund mit dem damaligen Emder Syndikus Althusius.
Dieser Mann, der erste Vertreter einer neuen staatsrechtlichen
Auffassung, einer der geistigen Vater des contrat social,1) war
damals die Seele der freiheitlich gerichteten Elemente in Ost-
friesland. Seinen radikalen Anschauungen hat sich Emmius
nicht angeschlossen, er war seiner Grunduberzeugung nach
ebensowenig ein Ftirstenstiirmer, wie ein Demokrat,2) aber die
neuen staatsrechtlichen Ideen gingen doch nicht spurlos an
ihm voriiber, und die Idee des vom Ftirsten mit dem Volke ge-
schlossenen Vertrages spielt bei seiner Beurteilung der ost-
friesischen Verhaltnisse ihre Rolle. Vor allem aber sind ein
auf das Grosse gerichteter politischer Blick und eine selb-
standige Art, die Dinge anzuschauen, der bleibende Erfolg, den
auch der Historiker Emmius diesen Verhaltnissen verdankt.
Dabei bot ihm Groningen auch sonst in historischer Beziehung
Fftrderung genug.
Zu dem groninger Geschichtschreiber Eggerik Phebens,
dem Kurator der lateinischen Schule, stand er nicht nur in
amtlichen Beziehungen3) ; Rengers ten Post stellte ihm seine
historischen Kommentare zur Verfugung, und vor allem bot
sich ihm in Groningen durch das Wohlwollen der Behorden
ausgiebige Gelegenheit zur Benutzung der dort vorhandenen
!) vgl. 0. Gierke: Johannes Althusius und die Entwicklung der natur-
rechtlichen Staatstheorie. Breslau 1880, 2. Ausgabe 1902.
*) Bezeichnend ist in dieser Beziehung, was Emmius in der Historia
pag. 19 liber die Besetzung der obrigkeitlichen Aemter in Groningen sagt:
„Olim tamen ita observatum, ut ad ccmsulatum, aut ordinem senatoHum nulli
facile, nisi antiquis, partim etiam nobilibus familiis, quae complures ex agro in
civitatem concesscrant, nati, aut alioqui insignibus commendati dotibus admitteren-
tur. Quae ratio quamdiu valuit, tt pax cum vieinis, quos idem sanguis oppi-
danis miscebat, immota, et fortuna civitatis prospera fuit: Ea projecta, cuncta.
rcliqua etiam in contrarium iere."
2) Groninger Bijdragen, Jahrgang I p. 264.
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anitnum, ac populum ad commiserationem faciUime impeUebant;
maxime, cum velut tabulae subserviret, quae a consilio erat nobili-
tas, et conditionem Mam miserdbilem populo saepe ingereret; ac
populus ipse per se singular* affectu ob memoriam Edtardi, quam
omnes venerabantur, eiusce posteritatem complecteretur." Mit dem
Vertrage von Delfziel (1595) schliesst der Ueberblick ab. An-
gebunden findet sich noch eine zweite Arbeit von Emmius:
„de Frisia orientals, welche in kurzer Zusammenstellung eine
Schilderung der st£ndischen Streitigkeiten etc. von 1574 — 1694
enthftlt. Von den beiden Arbeiten ist die eine 1597, die andere
1600 verfasst, doch lasst sich nach dem Befund der Hand-
schrift nicht feststellen, auf welche die eine oder andere Zahl
zu beziehen ist.
Aus dem Jahre 1607 stammt eine kleine historisch-
polemische Schrift von Emmius' Hand: „de causa Emdana et
totius patriae" , dieselbe befindet sich, leider nicht mehr voll-
st&ndig erhalten, in der Urschrift auf dem kgl. Staatsarchive
in Aurich. Ebendort ist auch eine in genealogischer Form ge-
haltene Abhandlung iiber die dynastischen und rechtlichen Ver-
h<nisse im Harlingerlande, welche Emmius' grosser Gegner,
der Kanzler Brenneisen, spater mit der Aufschrift versehen hat:
„Nachrichten von den Rechten des Hauses Ostfriesland an
Esens und Wittmund". Die Arbeit muss aus der Zeit nach
1616 stammen, da Emmius in einem hierzu gehorenden Stamm-
baume bereits auf die Paginierung der Folioausgabe seiner
Historia von 1616 Bezug nimmt.1)
Diese letztere enthalt zum ersten Mai in vollstandiger Zu-
sammenstellung das Hauptwerk seines Lebens die „ Historia
rerum Frisicaruma, welche in 60 Btichern die Geschichte von
Ost- und Westfriesland bis zum Jahre 1664 enthalt. Dieses
Werk vor allem hat Emmius1 Ruhm als Historiker begriindet
und ihm eine bleibende Bedeutung fiir die friesische Geschicht-
schreibung bis auf unsere Tage gesichert. Demgegentiber treten
seine andern grosseren historischen Schriften, die „ Historia
*) Fur die Datierung der hierzu erforderlichen Studien macht dies
naturlich nichts aus, zumal Emm. hist. pag. 348 sich bereits ausdnicklich
auf dieselben beruft: „Sed mihi, eius aetatis cwneta dUigentius expendenti et
veterum rerum vestigia in tabulis foederwn persequenti, hoc maxime verum
occurrit." etc.
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— 11 —
nostri temporis", die Biographien Wilhelm Ludwigs von Nassau
und des Emder Predigers Menso Alting, sowie die der grossen
Folioausgabe von 1616 angefUgten wertvollen geographisch-
historischen Beschreibungen des damaligen Frieslands mehr
zurtick, so schatzbares Material sie auch im einzelnen ent-
halten. Wenn von Emmius und seiner Bedeutung fur die
gegenwartige historische Forschung die Rede ist, so ist dabei
allemal an die „Hist. rer. Fris." gedacht.
Bei Emmius waren in mehr als einer Hinsicht die Vor-
bedingungen gegeben, welche ihn zu einem Historiker machen
konnten, der die tiberwiegende Mehrzahl der zeitgenossischen
provinzialen Geschichtschreiber weit hinter sich zuriickl&sst.
Gediegene wissenschaftliche Bildung, grfindliche Kenntnis seiner
eigenen Zeit, und vor allem der warme Lebenshauch einer grossen
denkwtirdigen Bewegung, welche tiber sich hinaus die Blicke
zurucklenkt in die Vergangenheit, und welche eine aus ihr
herausgeborene Darstellung und ein von ihr aus gewonnenes
Verstandnis vergangener Zeiten immerdar wird anziehend und
reizvoll erscheinen lassen. Aber gerade hier liegt auch Emmius1
Schw&che als Historiker, und seine Gegner haben nicht ver-
saumt, sich diese Schw&che zu nutze zu machen.
In der ersten Zeit nach dem Erscheinen des Emmiusschen
Werkes freilich, zeigt sich ein Widerspruch gegen seine Ge-
schichtsdarstellung, soweit dies die Hauptsache betrifft, nicht.
Sein Gegensatz zu dem Oldenburger Chronisten Hamelmann
und seine litterarische Fehde mit den Verfechtern einer aus-
flihrlichen apokryphen friesischen Urgeschichte (vgl. cap. VIII. § 6)
gehdrt nicht eigentlich hierher. Trotzdem Emmius aufs engste
in die st&ndischen Streitigkeiten in seinem Heimatlande ver-
wickelt war, trotz seiner dem Graf en Enno gehassigen Ver-
Gffentlichung der im Geiste Machiavells gehaltenen Denkschrift
des gr&flichen Kanzlers Thomas Frantzius „Getreuwer Rath,
wie eine bestendige feste regierung in Ostfriefzlandt einzuftlhren
seyal) (1610), fwurde ein Widerspruch gegen sein gewaltiges
*) Das 1609 aus Aurich nach Emden entfuhrte, lange verschollene
und vor Kurzem im Emder Rathaus-Archive wieder aufgefundene^ Original
hat nicht den obigen Titel „Getreuwer Rath" etc.. sondern auf dem Urn-
8chlage die von spaterer, aber alter Hand herruhrende Aufschrift: .Thornae
Frantzii Instructio ahn Seine Gnaden von deren regirung alias Testamentum
Thomae Frantzii^. Eine Ueberschrift von Frantzius Hand fehlt.
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— 14 —
Ihm folgt im wesentlichen Onno Klopp im ersten Band
seiner ostfriesischen Geschichte bis 1570. Klopps Gegner
Mohlmann iibt dann zum ersten Mai wieder an Emmius scharfe
Kritik. J. H. D. Mohlmann, von Hause aus Jurist, ehedem
Auditor in Aurich und Stade, sp&ter in Emden als Privat-
gelehrter lebend,1) liess im Jahre 1862 eine Schrift erscheinen:
„ Kritik der Friesischen Geschichtschreibung (iberhaupt und der
des Dr. Onno Klopp insbesondere". Er sucht hier die ganze
bisherige friesische Geschichtschreibung nicht nur als un-
zureichend, sondern sogar als unzuverlassig hinzustellen, und
auch der grSsste aller friesischen Historiker, Ubbo Emmius,
kommt nicht besser weg als seine Kollegen. Gestiitzt auf die
Forschungen von Richthofens iiber die friesische Rechts-
geschichte, sowie auf die Schrift von Wierichs: BVersuch
einiger Anmerkungen iiber den Staat von Friesland mittler
Zeiten" (Oldenburg 1741), sucht dann Mohlmann nicht nur
Emmius1 Anschauungen iiber das Verhftltnis Karls des Grossen
zu Friesland und iiber die friesische Freiheit im Mittelalter
an der Hand der Ergebnisse spaterer Forschungen zu be-
richtigen, sondern er zieht, in seiner Kritik weit iiber das
Ziel hinausschiessend, auch Emmius1 Glaubwilrdigkeit im
einzelnen in Zweifel. Er wirft Emmius ubergrosse Abhangigkeit
von Eggerik Beninga vor (vgl. cap. VI § 1), halt ihn von
anderer Seite in vielen Fallen fiir iibel unterrichtet, ja gar fur
leichtfertig, und nimmt gelegentlich eine absichtliche, wo nicht
Verdrehung, so doch Verschleierung der Thatsachen an; ausser-
dem hat er von Emmius1 archivalischen Studien eine geringe
Vorstellung und halt die Zahl der von ihm benutzten Urkunden
fiir recht gering (vgl. dagegen cap. V § 1—5).
Mohlmanns Kritik hat bisher eine Widerlegung in ihrem
vollen Umfange nicht gefunden, und so besteht auch, was er
iiber Emmius gesagt hat, in gewissem Sinne noch heute in der
wissenschaftlichen Welt zu recht (vgl. z. B. v. Wegele: Ge-
') Ausser seiner Kritik erechienen von ihm u. a. eine Ausgabe der
Reimchronik des Grestius von Harlingerland, der Hieringschen Beschreibung
der Herrlichkeit Gddens und der Genealogie der Hauptlinge von Godens
von Alexander von Werdum, Stade und Harburg 1846, sowie: Stamm-
tafeln einiger Ostfriesischer, Hannoverscher und Westfalischer Familien,
Leer 1832.
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— IB -
schichte der deutschen Historiographie 1885 p. 415 — 17). Es
w&re zu erwarten gewesen, dass der hollandische Kritiker
Bolhuis van Zeeburgh, obschon er, was die <ere Geschicht-
schreibung anlangt, vielfach Mohlmann zustimmt, in seiner
griindlichen Untersuchung : „Kritiek der Friesche Geschied-
schrijvinga ('s Gravenhage 1873) eine gerechtere Wtirdigung der
Bedeutung unseres grossen Historikers gegeben h&tte. Nach
dem, was Bolhuis p. 207 — 208 iiber Emmius sagt, kann man
dies mit einiger Sicherheit annehmen, aber leider ist das Werk
nicht fiber diese Einleitung zu einer Besprechung des Emmius
hinaus gediehen. Dagegen hat der gegenwartig bedeutendste
Kenner unserer heimischen Geschichte, der Generalsuperinten-
dent Bartels, im Jahrbuch der Gesellschaft fiir bildende Kunst
und vaterlandische Alterttimer zu Emden (Bd. I. p. 1 ff.) in
einer griindlichen Untersuchung: „ Emmius, Mohlmann und die
Entstehung des Dollarts" den Nachweis geftihrt, dass die Vor-
wiirfe, welche Mfthlmann dem Emmius wegen seiner Dar-
stellung der Dollartbildung macht, grand- und haltlos sind,
und dargethan, wie sich Emmius bei seiner Behandlung dieser
Frage auf gute, zuverlassige Quellen griindet. Derselbe Forscher
giebt denn auch im 6ten Bande dieses Jahrbuchs p. 32, 33 in
seiner Abhandlung: „Emmius und die Historia rerum Frisi-
caium", eine Uebersicht uber einen Teil der Quellen, welche
Emmius zu Gebote standen. Durch beide Nachweise sind die
Wege gewiesen, auf denen sich eine gerechte Wiirdigung von
Emmius' Verdiensten und seiner Bedeutung anbahnen lasst.
Die stete Beriicksichtigung der von Mohlmann erhobenen Vor-
wttrfe auf der einen Seite, auf der andern die Weiterfiihrung
der von D. Bartels gegebenen Anregungen und ihre Durch-
ftihrung an dem ganzen Werke, werden die Richtlinien sein,
innerhalb deren sich eine kritische Wurdigung des Quellen-
wertes der nHistoria rerum Frisicarum^ wird zu bewegen haben.
II. Beschaffenheit der Historia rerum Frisicarum in formeller HinsichL
§ 1. Quellenangaben bei Emmius.
Eine durchgehende Angabe der Quellen findet sich bei
Emmius nicht. Ware dies der Fall, so wtirde es unserer Unter-
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— 16 —
suchung eine wesentlich andere Richtung geben. Trotzdem
findet sich bei ihm eine ganze Anzahl derartiger Angaben, so
zwar, dass sich aus denselben auch nicht entfernt ein Bild von
dem Umfange der Quellen, wie von Emmius' Verh<nis zu ihnen
gewinnen lasst. Jedenfalls aber bieten diese Angaben Finger-
zeige, welche die Kenntnis der Quellen an einzelnen Punkten
vervollst&ndigen. Dass Emmius bei diesen verstreuten Hin-
weisen sich von bestimmten historischen Grundsatzen habe
leiten lassen, wird man nicht behaupten kSnnen. Auff&llig
mag es dabei immerhin erscheinen, dass die Darstellung der
<esten Zeit in dieser Beziehung weit reicher ausgestattet ist,
als diejenige der letzten Jahrhunderte, ohne dass sich hierfur
eine Erklarung beibringen liesse. Wenn die Quellenangaben fiir
eine Periode fehlten, welche Emmius als Zeitgenosse beschrieben
hatte, oder fiir die er sich wenigstens noch auf miindliche Be-
richte von Zeitgenossen h&tte berufen konnen, so ware dies ja
leicht erklarlich. Aber davon kann hier nicht die Rede sein,
schon die Thatsache, dass der betreffende Zeitraum mehrere
Jahrhunderte umspannt, spricht deutlich genug dagegen. Zudem
wttrden selbst fiir die letzten Jahrzehnte der Historia Berichte
von Zeitgenossen kaum mehr in Betracht kommen konnen.1)
Oft ist auch die Quellenangabe durch einen allgemeinen
Ausdruck, wie „commentariia, „ annates" u. a. verschleiert.
Dabei aber handelt es sich an den betreffenden Stellen weder
um ein bestimmtes Werk, welches durch einen derartigen Aus-
druck ein fiir allemal bezeichnet wilrde2), noch auch lasst sich
*) Emmius wurde 1547 geboren, sein Werk schliesst bereits mit
dem Jahre 1664.
*) Wie wenig es sich hier um feststehende Bezeichnungen handelt,
mag z. B. ein Blick auf den Gebrauch des Ausdrucks Bannalesa bei Emmius
zeigen. Unter den Em. hist. p. 49 citierten , annates" ist Eggerik Beningas
Chronik (p. 40—42) zu verstehen, eine andere Nachricht aus derselben
(p. 51) wird aber Em. p.5G unter der Bezeichnung „nonnulli annates" ge-
geben, obschon hier von mehreren Berichten schwerlich die Rede sein
kann. Der Ausdruck ^annates patrii" Em. p. 226 kann nur auf Andreas
Cornelius zu beziehen sein, wahrend die auf p. 231 erwahnten „patrii
annates" eine Nachricht aus Sicke Benninge II p. 49 (ed.Feith) wiedergeben.
Unter der blossen Bezeichnung ^annates* giebt Em. p. 90 einen Bericht aus
Worp v. Thabor III cap. 4 ; der gleiche Ausdruck fiihrt auf p. 201 eine
Notiz aus einer Bremer Chronik ein. Ein prinzipieller Unterschied
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— 17 —
ein hinlanglicher Grund dafur finden, warura Emmius gerade
an der einen Stelle sich des allgemeinen, an der andern des
deutlicheren Ausdrucks bedient habe. Man konnte dabei auf
den Gedanken kommen, Emmius habe an der einen oder anderen
Stelle Ursache, mit der Nennung seiner Quelle zuriickzuhalten,
so etwa wenn er Nachrichten aus Andreas Cornelius bezw.
Occo von Scharrel *) unter der Angabe „annales patrii" (p. 226)
oder „autor rerum Frisiae Occiduae" (p. 114) bringt. Dagegen
spricht aber die Thatsache, dass er Cornelius gerade bei einer
Nachricht, die er durchaus nicht zu diskreditieren beabsichtigt,
bei dem Em. hist. p. 775 angefuhrten Brief des „grooten Pier"
an seine Gegner, als Gewabrsmann anfiihrt, wahrend er Cornelius
gelegentlich ausdriicklich bekampffc, ohne seinen Namen anzu-
fiihren, so p. 45 u. 256 („consarcinator quidam rerum Frisiae
zwischen Annales und Historia, wie er sonst im 16k>n Jahrhundert nach-
weisbar ist, und wie ihn z. B. Baronius (Praefatio in annales ecclesiasti-
cos p. 3) im Anschluss an A. Gellius (noct Att. IV, 18) macht, findet sich
in dieser Weise bei Emmius nicht. Nach jener Unterscheidung handelt es
sich bei einer Historia um zeitgenossische Geschichtschreibung, und zwar
in reflektierender Form („neque tantum quid gestum sit, sed etiam qua
ratione quove consilio"). Die Annalen enthalten dagegen besonders
Ereigxiisse aus fruherer Zeit, und zwar so, dass diese in der Reihen-
folge der einzelnen Jahre dargestellt werden; das reflektierende Moment
fehlt dieser Art der Geschichtschreibung. Baronius vollzieht hier eine Kom-
bination zweier von Gellius angefuhrten Anschauungen, Gellius fuhrt die
Unterscheidung, nach welcher Historia die Zeitgeschichte, Annales dagegen
die Geschichte alterer Perioden bezeichnet, auf Verrius Flaccus, die andere
Unterscheidung dagegen auf Sempronius Asellio zuriick. Dass Emmius nun
der kombinierten Unterscheidung des Baronius folgt, ist schon dadurch aus-
geschlossen, dass er sein eigenes, uber ein Jahrtausend umfassendes Werk
als BHi8toria"1 eine Zeitgeschichte wie die Chroniken der Aebte Emo und
Menco dagegen als „Annalesa bezeichnet (Em. hist. p. 118 und 129). Da-
gegen ist es im Hinblick auf die Unterscheidung des Sempronius Asellio
nicht unmSglich, dass er sein Werk mit Bewusstsein als Historia be-
zeichnet, wahrend ihm z. B. Eggerik Beninga (Em. hist. p. 960) und das
Chronicon Nordanum (Em. hist. p. 218) als Annalen gelten. Freilich muss
auch dies als unsicher angesehen werden, da er selbst gelegentlich nicht
nur auch Sicke Benninges Werk als „Historiaa bezeichnet (Em. hist. p. 841),
sondern andrerseits auch sein eigenes Werk wiederum „Commentarii*
nennt (Em. hist. p. 960), ein Ausdruck, der auch fur Eggerik Beninga bei
ihm in gleicher Weise vorkommt (Em. hist. p. 957).
l) Croniicke ende warachtige beschryvinghe van Vrieslant etc.,
Leeuwarden 1597.
Jahrbnch dor Gosellsch. f. b. K. u. vatorl. Altorttimer zu Emden, Bd. XV. 2
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- 18 —
Translavicanae"). So verfahrt man nicht gegen einen Schrift-
steller, dem man zwar offentlich widerspricht, dessen Nach-
richten man aber doch gelegentlich gern mehr oder wenigar
unbemerkt benutzt (vgl. dazu besonders Mohlmann: Kritiketc.
p. 67, 68).
Die gleiche Art der Quellenangabe findet sich bei ihm
sogar nicht selten fiir solche Schriftsteller, die er sonst recht
oft mit Namen citiert. So bringt er gelegentlich (p. 533) eine
Nachricht aus Eggerik Beninga (p. 424) uber Getreidepreise etc.
im Jahre 1495 unter dem einfachen Hinweise: „sic enim a
maioribus notatum reperioa. Irgend ein Interesse, die Quelle
zu verschweigen, kann hier unmflglich vorliegen, zumal es sich
um einen Schriftsteller handelt, den Emmius tiber 50 Mai aus-
driicklich zitiert. Das Bestreben, die Darstellung leicht und
geschmackvoll zu gestalten, wird hier, wie in vielen andern
Fallen, den Ausscblag gegeben haben. Es handelt sich um
eine Nachricht ohne grosses historisches Interesse, um eine
Thatsache, die fernab liegt von den grossen Begebenheiten der
Zeit, da ist dem Schriftsteller nicht daran gelegen, einen ge-
wichtigen historischen Zeugen aufzuftihren, er giebt sich den
Anschein, als ftige er seiner Darstellung noch eine kleine Notiz
bei, die er gelegentlich in alten Aufzeichnungen gefunden hat,
und sucht so in die Schilderung, ohne der historischen Wahr-
heit irgendwie etwas zu vergeben, scheinbar absichtslos eine
kleine Abwechselung hineinzubringen. Gewiss lassen sich damit
nicht alle Fragen beantworten, die sich iiber die Art und das
Mass der Emmiusschen Zitate erheben lassen, doch wird man
jedenfalls mit der Behauptung nicht fehl gehen, dass ihnen
eine Tendenz, sei es, durch geschickt gewahlte schillernde Aus-
drticke fiir dieselben Quellen zu glanzen, sei es, durch das
Verschweigen trtiber Quellen Schwachen zu verhehlen, allemal
nicht unterzulegen ist.
Einen Teil von Emmius1 Quellenangaben verdanken wir
seiner Gewohnheit, in zweifelhaften Fallen die Ansichten der
verschiedenen Autoren einander gegentiber zu stellen, ohne
ttber ihre Glaubwiirdigkeit eine sichere Entscheidung zu treffen.
In der Regel aber erscheint die Berufung auf seine Vorder-
manner eng in die Darstellung selbst verflochten, und die
relativ reiche Abwechselung in den Bezeichnungen zeigt Uberall,
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- 19 -
dass dem feinen klassisch gebildeten Marine die Eleganz des
Stiles vereint mit dem Streben, die Darstellung ansprechend
und lebensvoll zu gestalten, der Massstab gewesen ist, nach
dem er sich iiber seine Quellen ausl&sst. Bei alledem ist die
Zahl der von Emmius aufgefuhrten Quellen eine recht betracht-
liche, wie dies u. a. das in § 3 des Schlussabschnittes angefuhrte
Verzeichnis aller von ihm benutzten Quellen zeigt, worauf an
dieser Stelle nur hingewiesen sein mag.
§ 2. Emmius1 Verhaltnis zu den zitierten Quellen.
DieMannigfaltigkeit der zitierten Chroniken und Geschichts-
werke legt auf den ersten Blick die Vermutung nahe, es handle
sich hier vielfach nur um solche Zitate, welche aus andern
Schriftstellern ungepriift ubernommen sind, zumal wenn man
erwagt, dass die iiberwiegende Mehrzahl sich nur ein- oder
zweimal bei Emmius erwahnt findet. Eine wahre Fundgrube
hatte in dieser Beziehung fur Emmius das Chronicon Frisiae
von Worperius von Thabor *) abgeben konnen ; Worperius ist
unter den einheimischen Geschichtschreibern der erste, welcher
auswartige Schriftsteller in weitgehendem Masse verwertet
und zugleich iiber seine Quellen fast allenthalben sorgfaltig
Rechenschaft giebt. Ein Vergleich zwischen Worperius von
Thabor und Emmius zeigt aber, dass dieser iiber Worperius
hinaus selbstandig an die Quellen herangegangen ist, da er
auch an den Stellen, wo er mit jenem aus gleicher Quelle
zitiert, originale Ztige zeigt, die eine selbstandige Benutzung
deutlich erkennen lassen. Der Dienst, den Worperius dem
Emmius in dieser Beziehung geleistet haben mag, kann nur
der sein, dass er ihn vielleicht auf die eine oder andere
Quellenschrift besonders aufmerksam gemacht hat, die dann
Emmius, soweit ihm diese Schriften zuganglich waren, nach
seiner Weise genutzt hat. Inwieweit er in einzelnen Fallen
die Quellen von Worp nicht wird haben einsehen konnen,
mag bei der Besprechung seiner Benutzung der Worperschen
Chronik weiter unten deutlich werden (vgl. cap. VIII. § 1 u. 2).
Einige Beispiele mogen hier das Gesagte weiter erlautern.
') vgl. VIII § 1—3.
2*
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— 20
Em. hist. p. 41.
Itaque vix addere libet,
quod Leidensium annates
habent, idem expresse confir-
mans. Willibrordum nimi-
rum cum sociis ex Britannia
venientem in Walachriam pri-
mum appulisse atque evange-
lium lingua Frisonica quasi
Frisonem Frisonibus praedi-
casse. Et, quod iidem memo-
rant, Hengistum ducem, quern
Frisium vocant, insidiantem
Vortigerno regi, suis occulta
mandata dedisse sermone pa-
trio, quern Britones non in-
telligebant, his verbis: nimet
oure saxen. Quibus ego au-
thoritatem nee adjicio, nee
demo.
Danach scheint Emmius bereits fur die Nachricht tiber
die Landung Willibrords auf die Leidener Annalen zurtick-
gegangen zu sein, und hat dann zugleich von dorther die
Nachricht tiber den Kampf gegen Vortigernus entnommen.
Worperius I. cap. 8 (p. 37).
Dicit insuper chronica Lei-
densis, quod sanctus Willibror-
dus cum suis ex Angliaveniens
primum applicuit Walacriae
insulae Zelandiae et venit in
Westcapella, ubi Deus erat
Mercurius, ibique Evangelium
lingua Frisonica, quasi Friso
Frisonibus, praedicavit.
(Der Kampf gegen Vorti-
gernus ist bei W. bereits vor-
her (p. 36) erzahlt, die Leide-
ner Annalen werden dort als
Quelle daftir nicht angeftihrt.)
Em. hist. p. 52.
(Es handelt sich um den Zeit-
punkt der Landung Willi-
brords.)
Is eorum adventus in an-
num Christi DCXC conjicitur
ab ipso Marcellino, imperante
in Oriente Justiniano juniore
Pogonati filio, Sergio autem
apud Romanos pontificatum
tenente, in Anglia apud Nort-
humbros rerum potiente Ald-
frido
Hier geht Emmius deutlich tiber Worperius auf dessen
Worperius II. cap. 3 (p. 46).
. . . advehuntur anno scilicet
ab incarnatione Domini 690,
pontificante Romae apostolico
viro Sergio papa, anno suo III,
imperante piissimo imperatore
Justiniano.
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— 21 —
Quelle, die pseudonyme „vita Suidberti", zuruck, denn dieser
Quellennachweis liess sich nicht aus Worp, sondern nur aus
jener vita selbst fuhren. Ebenso miissen dem Emmius die p. 52
in gleicher Sache erwahnten Autoren Sigebert, Aemilius, Heda
und die annales Ultrajectini vorgelegen haben, da sie bei
Worp in diesem Zusammenhange tiberhaupt nicht erw&hnt
werden. In gleicher Weise muss Emmius auf Saxo Gramma-
ticus selbst zurttckgegangen sein, denn er spricht zwar (p. 69)
von Froto I, den Worperius I cap. 5 (p. 24) aus Saxo Grammaticus
zitiert, daneben aber auch von Harald III, bezw. seiner Er-
wahnung durch Saxo, woriiber sich bei Worp nichts findet.
Vgl. dazu noch die cap. VIII § 1 angeftihrten Stellen Em. hist,
p. 69 u. Worp I cap. 5 (p. 29). Ob sich bei alledem unter den
gegen 70 von Emmius zitierten Schriftstellern nicht dennoch
einige befinden mogen, deren Kenntnis ihm nur durch ab-
geleitete Quellen vermittelt war, muss dahingestellt bleiben.
Bei den zum betrachtlichen Teil nur zu einer einzigen Stelle an-
geftihrten Autoren ist in dieser Beziehung an einen sichern
Nachweis nattirlich nicht zu denken. Jedenfalls aber mag das
Ausgefiihrte dargethan haben, wie in keiner Weise ein Grund
vorliegt, Emmius von vorn herein bei seinen Zitaten zu miss-
trauen. Sein vielfach nachweisbares fleissiges und sorgfaltiges
Zuriickgehen auf die letzten ihm zuganglichen Quellen notigt
vielmehr dazu, ihm auch in den weniger kontrollierbaren An-
gaben dieser Art Vertrauen entgegenzubringen.
§ 3. Die Zusammensetzung des Werkes.
Emmius beginnt seine „Historia rerum Frisicarum" mit
einer Beschreibung von Land und Leuten. Er spricht von den
Produkten des Landes, von der Bodengestaltung, von den Sitten
und Trachten des Volkes und giebt vor allem eine ziemlich aus-
fuhrliche topographische Beschreibung. Ein gut Teil davon
mag auf eigener Anschauung und Erfahrung, anderes auf ge-
legentlichen Mitteilungen und Erkundigungen beruhen.1) Dabei
erzahlt er im steten Blick auf die alteste geschichtliche Zeit
und giebt eine Anzahl Zitate aus r5mischen Schriftstellern, wie
*) Einen Einblick in die Art, wie Emmius sich gelegentlich Material
fur die damals noch recht schwierig zu beschaffenden topographischen
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— 22 —
Tacitus, Caesar, Plinius u. a.1), welche besonders zur Auf-
klarung ethnographischer Verh<nisse dienen sollen. So inter-
essant und wertvoll diese Darlegungen im einzelnen sind, so
wenig sind sie geeignet, eine historische Darstellung der
altesten Zeit zu ersetzen. Eine solche zu geben liegt nicht in
des Verfassers Absicht, liber die Beziehungen Frieslands zu den
Romern schweigt er ganz, er weist es ausdrucklich ab, das,
was Plinius, Strabo, Tacitus u. a. gesagt haben, zu wiederholen,
da ja, wie er sagt, ihre Bilcher in aller Handen sind (p. 38).
Emmius wendet sich mit seinem Werke also ausdrlicklich an
Beschreibungen zu sammeln wusste, gew&hrt uns u. a. ein Brief seines
Bruders Dyke Emmen aus Greetsiel. Dieser Brief befindet sich im Origi-
nal im kgl. Staatsarchiv zu Aurich unter den Vorarbeiten zu seiner Be-
schreibung Butjadingerlands ; da derselbe bisher ungedruckt ist, mag er
hier im Wortlaut folgen:
Wetet Ubbe leve broder, dat yck yow schry vendt endtfangen hebbe
und heb woll en reyse edder tueyye myt den breff an Egbart gescbreven
tho Yennellt west, dat he nycht tho hus wer und dar na den yunge hen
geschycket, des hefft he my en sedell by den yungen geschycket, wat
syn mennynge hyr yn ys, wellcker sedell yck yow by dessen breff aver
schycke. Yck heb dyt schryvendt wadt lange vortagen um orsake halven,
dat gy my beden, yck schulde wornemen de gelegenheyt van Butyager-
landt, so synnen yck und Dyke syns west, wy wolden up dyt vorleden
Burhaver marcket gevest syn und noch na gebleven, um orsake dat wy
gen geldt fan de lude krygen kunden. So kan yck an de gelegenheyt
van Butyagerlant nycht zekers schryven dan dat yn Statlant 3 karken
man syn als Hammellvard und Goldtsvard und Rokarken, wo fell karken
yn Butyagerlandt kan yck nycht egentllyck beffragen. Ock heb yck Here
woll en reyse er tuyye anspracken umme de breve fan Pyllsmer karke
und kryge gen byschet, secht, gy hebben en dar newarrelde van secht.
Gy beden my, yck sulde na de klouven fan den fagell sen, dar ys nychtes
an um syn yogets halven. Here drut erstes dages na Styckhusen to
then, wert yow sunder tuyvell woll ansprecken. Nu godt bevallen grotet
Grete mynennet halven.
datum Gretzyll den 14 septembrys.
Dyke Emmen.
Die Aufschrift lautet: An den achtbaren und woll gelerten Ubbo
Emmen recktor tho Ler mynen leven broder tho byhandygen.
Dazu von Emmius' Hand die Bemerkung: „Ep(isto)la fr(atr)is
Dic(onis) pertinens ad Chorographiam Butyad. et Stadtl.
item de resp(onso) fr(atr)is Egb(erti)."
*) Von den betreffenden Stellen bezieht sich z. B. Em. hist. p. 10 u. 11
auf Tacitus Germ. cap. 36, Em. hist. p. 12 auf Caesar bell Gall. IV cap. 10,
Em. hist. p. 38 auf Strabo VII. cap. 1.
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— 23 —
die Gebildeten seiner Zeit, wie dies ja auch schon die Abfassung
in lateinischer Sprache andeutet. Zugleich aber wird schon
hieraus deutlich, dass es ihm hier weniger um eine abgerundete
Darstellung aller auf seinen Gegenstand beziiglichen historischen
Ereignisse zu thun ist, als vielmehr um eine Zusammenfassung
derjenigen Thatsachen, die sich in mehr oder weniger unzugang-
lichen Quellen verstreut finden (vgl. die Widmung an den Grafen
Enno, vor der Folioausgabe v. 1616 p. 3). So tritt denn dieser
erste Abschnitt fiir unsern Zweck von selbst mehr in den
Hintergrund.
Die Geschichtserzahlung selbst beginnt mit dem Berichte
der Expedition der Sachsen und Friesen nach Britannien im
Jahre 449 bezw. mit der Vorgeschichte derselben. Hauptquelle
fiir diese und die nachstfolgende Zeit ist ihm Beda venerabilis,
vom Ende des 7ten Jahrhunderts an tritt Sigebert von Gembloux
in den Vordergrund, daneben wird gelegentlich unter andern
auch Andreas Cornelius benutzt. Wenn fiir die Missio-
nierung Frieslands mehrfach auf die Marcellinus (Marchelm)
zugeschriebene „vita Suidberti" zuriickgegangen wird, so kann
Emmius ein Vorwurf daraus nicht gemacht werden, da die
Schrift unter seinen Zeitgenossen noch als zweifellos echt
gelten musste. An dem Chronicon Frisiae von Worperius von
Thabor, das schon fiir die bisherige Zeit nicht ohne Einfluss
geblieben ist, spinnt sich vom 11 ten Jahrhundert an der eigent-
liche Faden der Erzahlung fort. Besonders das dritte Buch
dieser Chronik hat dem Emmius ftir die Beziehungen Frieslands
zu den Grafen von Holland und ahnliches eine Fiille von Stoff
dargeboten. Daneben erscheint dann ausser der Chronik von
Wittewerum und andern mehr gelegentlich benutzten Schriften
Olivers Geschichte des Zuges nach Damiette als Quelle fiir die
sich hierum gruppierenden Ereignisse. Die Kunde der Gescheh-
nisse in den Nachbargebieten vermitteln, soweit hier die ge-
nannten Quellen nicht ausreichen, bremische, oldenburgische und
niederlandische Chroniken, die Utrechter Bischofschronik u. a.
Den Anfang des dritten und weitaus umfassendsten Ab-
schnittes des Emmiusschen Werkes konnen wir fiiglich ins Jahr
1264 setzen, denn hier beginnt Eggerik Beninga als Haupt-
quelle fiir die ostfriesischen Ereignisse einzusetzen. Wohl ist
bereits vorher eine Anzahl verstreuter Nachrichten aus ihm
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— 24 —
geschopft,1) doch erst etwa seit der zweiten Halfte des
13ten Jahrhunderts findet sich bei Eramius eine zusammen-
h&ngende Reihe aus Eg. Beninga entnommener Thatsachen,
und gerade mit dem Jahre 1264, mit der Griindung des
Dominikanerklosters in Norden, beginnt auch der zusammen-
hangende Text des in § 2 des Schlussabschnittes besprochenen
lateinischen Auszuges aus Eg. Beninga. Seitdem etwa reihen
sich bei Emmius die ostfriesischen Ereignisse an die Beningasche
Erzahlung an, die dann ihrerseits wieder im einzelnen durch
die von Emmius ausserdem noch benutzten ostfriesischen
Chroniken, sowie durch die auch etwa seit dieser Zeit in urn-
fassenderem Masse benutzten Urkunden richtig gestellt bezw.
erg&nzt wird. Fiir die Ereignisse westlich der Ems behaupten
Worp von Thabor bezw. seine Fortsetzer noch eine Zeit
lang ihre Stelle, bis diese dann, wenigstens fiir die Geschichte
Groningens und der Umlande, mit der Mitte des 15ten Jahr-
hunderts wesentlich durch Sicke Benninge eingenommen wird,
dem eine ganze Anzah] groninger Chroniken und die von
Emmius trefflich ausgebeuteten Urkunden des Groninger Archivs
an die Seite treten. Die Ftihlung mit den ausserfriesischen Er-
eignissen dieser Periode ist vor allem hergestellt durch die
Werke von Krantz (vgl. cap. IV § 4), nachstdem auch durch die-
jenigen von Emmius' Lehrer David Chytraeus. Ausserdem
liegen auch hier als spezielle Quellen fiir derartige Nachrichten
bremische, jeversche, oldenburgische und hollandische Chroniken
vor (vgl. cap. IX). Nicht zu gedenken der fiir alle Perioden recht
zahlreichen anderweitigen Chroniken und Geschichtswerke, aus
denen Emmius gelegentlich Nachrichten oder Berichtigungen
entnommen hat, ohne dass dieselben auf den eigentlichen Gang
der Erzahlung nennenswerten Einfluss ausgeubt hatten. Die-
selben werden nach Art und Mass ihrer Einwirkung bei der
Einzelbesprechung der Quellen zur Geltung kommen.
III. Historische Grundanschauungen von Emmius.
Schon die erbitterten Streitigkeiten, welche sich zur Zeit
der standischen Wirren in Ostfriesland, zu Anfang des 18tenJahr-
*) So u. a. bei den in § 1 dieses Abschnittes berQhrten Stellen Em.
hist. p. 49 u. 56.
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— 25 —
hunderts, an den Namen des Emmius ankniipften, scheinen
seiner Objektivitat kein gutes Zeugnis auszustellen. Emmius
selbst war zu seinen Lebzeiten personlich in die Konflikte der
Stande mit dem Grafenhause verflochten, er war, wie nach
seinem Tode das Orakel, so zu Lebzeiten der Vorkampfer der
standischen Partei, und es versteht sich von selbst, dass dieser
politische Standpunkt bei der Abfassung der Historia seine Rolle
spielen musste.
Die ostfriesischen Stande zur Zeit des Emmius wollten
nicht etwa, in Ausnutzung einer giinstigen politischen Kon-
stellation der Dynastie neue Volksrechte abringen, sondern sie
stellten sich bei ihren Forderungen mit Bewusstsein auf den
Boden eines historisch gewordenen Volksrechtes. Sie hielten
nicht sich selbst fur die Neuerer, sondern vielmehr das re-
gierende Haus mit seinen absolutistisch territorialen Be-
strebungen. Was das letztverflossene Jahrhundert unter der
Herrschaft der ersten Cirksena anlangt, so mochten die Stande
mit dieser Auffassung nicht ganz Unrecht haben, aber ihre
historisch begriindeten Pratensionen wurzelten tiefer, und der
Stand der damaligen Geschichtschreibung kam ihnen hier zu
Hulfe. Schon seit Jahrhunderten war in Friesland ein sogenanntes
Privilegium Karls des Grossen bekannt, in dem dieser den Friesen
ihre Freiheit garantierte und ihnen vor allem eine selbstandige
republikanische Verfassung unter selbstgewahlten sogenannten
Potestaten zuerkannte. Die Urkunde selbst, unstreitig ein
Machwerk des spateren Mittelalters, war in zahlreichen Ab-
schriften verbreitet und in die Chroniken jener Zeit vielfach
ubernommen. Sie wurde trotz offenbarer historischer Widfcr-
spriiche in Beziehung auf Datierung, Zeugen etc. von Emmius*
Zeitgenossen Cornelius Kempius, Suffrid Peters, Furmerius u. a.
in vollem Umfange als echt anerkannt. Die Falschung aber
war zu plump, um auch in einer wenig kritisch veranlagten
Zeit unwidersprochen zu bleiben.
Albert Krantz1) war der erste, welcher auf die Unechtheit
der Urkunde hinwies; dass dieselbe auch Emmius nicht ver-
borgen bleiben konnte, versteht sich von selbst. Mit einer ein-
fachen Ablehnung der Urkunde ware aber zugleich das letzte
') Saxonia IX cap. 6.
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- 26 —
und vornehmste Glied in der Beweiskette fur die angestammten
Rechte eines freien Volkes dahingefallen, wie sie in Emmius ja
gerade ihre systematische und historisch fundierte Ausbildung
gefunden haben. So verf&llt Emmius denn auf einen Ausweg.
Er giebt die Echtheit des unhaltbaren Privilegs preis,1) sucht
aber zugleich seinen Inhalt auf andere Weise sicherzustellen.
Einmal lehnt er, von der an sich ganz richtigen Erw&gung aus,
dass bereits Karl Martell die Friesen unterworfen habe und
erst spater auf Karl den Grossen als auf den bedeutenderen
alles zurtickgefiihrt sei, eine alleinige Privilegienverleihung durch
Karl den Grossen ab. Dieser habe nur vollendet und weiter-
gefuhrt, was unter jenem bereits begonnen sei.2) In Betreff des
von Karl dem Grossen erlassenen Privilegs aber nimmt er an,
dass dieses zwar im Original langst verloren und spater durch
die vorliegende ungeschickte Falschung ersetzt sei, doch so,
dass sich jene Falschung materiell wesentlich mit dem ver-
lorenen Privileg decke. Hiermit handelt es sich in Grunde urn
eine willkurliche Annahme, durch welche Emmius einen ver-
lorenen Posten zu halten sucht. Die Ansatze zur Kritik sind
hier vorhanden, aber er scheut sich, die letzten Konsequenzen
zu Ziehen, und so ist denn nach dieser Seite hin letztlich seine
ganze historische Auffassung auf eine willkurliche Hypothese
gebaut. Denn jenes verlorene Privileg Kaiser Karls ist natiir-
lich nach Emmius' Anschauung nicht ohne Wirkung geblieben,
es bildet ihm in seinen Hauptziigen die staatsrechtliche Grund-
lage der friesischen Verfassung im Mittelalter. Auf ihm erhebt
sich, in dem romantischen Helldunkel langst verflossener Jahr-
hunderte, das Idealbild eines demokratischen Freistaates, im
Rahmen der altfriesischen 7 Seelande, mit dem Upstalsboom
als dem Palladium der Freiheit. Ueber die Geschichte jener
Tage ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, bei den spar-
lichen Quellen wird vielleicht vieles fur immer dunkel bleiben
miissen. Die Emmiussche Annahme einer durch Jahrhunderte
hindurch bestehenden Demokratie aber muss, schon nach der
Untersuchung von Wierichs,3) vor allem aber seit denjenigen
*) z. B. de antiquitatibus etc. (Folioausgabe v. 1616) p. 14.
2) Emmius hist. p. 71.
8) Versuch einiger Anmerkungen uber den Staat von Friesland
mittler Zeiten. Oldenburg 1741.
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— 27 —
von Richthofens,1) in dieser Form als unhaltbar bezeichnet
werden.
In Konsequenz der einmal eingeschlagenen Bahnen, iiber-
tragt Emmius seine demokratischen Grundanschauungen end-
lich auch auf das Ostfriesland der Dynastie Cirksena. Das
Recht des Volkes auf Freiheit bleibt ihm durch das ganze
Mittelalter hindurch ungebrochen, ob es gleich zur Zeit der
Hauptlinge im 13ten und 14ten Jahrhundert etwas zuriick-
gedrangt schien. Durch freie Entschliessung iibertragen die
ostfriesischen St&nde Ulrich I. die Oberherrschaft iiber das
Land, und obschon diese im Cirksenaschen Hause erblich
wird, so behalt doch die jedesmalige Succession das Aus-
sehen eines durch die Stande vollzogenen Wahlaktes, und die
Territorialhoheit der Dynastie ruht auf einem zwischen dem
freien Volke und dem Hause Cirksena geschlossenen Vertrage.
Die letzten Gesichtspunkte waren fur die Stellung des Emmius
in den politischen Kampfen seiner Zeit ausschlaggebend. Die
Thatsache der Belehnung des Hauses Cirksena mit Ostfriesland
durch den Kaiser tritt hier einseitig zurtick.2) Fur die anfang-
liche Machttibertragung an Ulrich I. waren beide Faktoren be-
deutungsvoll, und zwar war hier die Zustimmung des Volkes und
seiner Vertreter neben der thatsachlichen Machtfiille des Hauses
das Primare, die kaiserliche Belehnung gab nur den Rechts-
titel. Nachdem diese aber einmal geschehen war, bildete die
Succession im Reichslehn die legitime Grundlage fiir die Rechts-
nachfolger Ulrichs L, und das standische und demokratische
Element musste in steigendem Masse zuriicktreten. So baut
also Emmius auf einer falschen Voraussetzung zwei wesentlich
falsche Folgerungen auf, so dass dieselben fast den ganzen
von ihm geschilderten Geschichtslauf, von den Tagen Karls des
Grossen an bis zu dem letzten in der Historia berichteten
Regierungswechsel im Jahre 1540, umspannen.
Es konnte demnach einen Augenblick scheinen, als ob die
„ Historia rerum Frisicarum" damit von vorn herein gerichtet
*) Friesische Rechtequellen, Berlin 1840; Untersuchungen uber Frie-
sische Rechtsgeschichte, Berlin 1880/82.
2) In der Vorrede zur 3t®» Dekade seines Werkes (hist p. 315) heisst
es: „ principalis populi voluntate, Jmperatoris assensu constitutes. a
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— 28 —
ware. Dies scheinen denn auch ihre Bestreiter aus der Brenn-
eisenschen Periode, wie ihr neuerer Kritiker Mohlmann anzu-
nehmen. Ein Blick in die Historia aber muss uns zeigen, wie
verkehrt ein derartiges konstruierendes Verfahren ist. Es stellt
sich thatsachlich nicht so, dass jene Grundideen, wie man wohl
von gegnerischer Seite behauptet hat, die Historia durchweg
beherrschen. Die wenigen Stticke, welche jene Anschauungen
begriinden sollen bezw. ihnen unmittelbaren Ausdruck leihen,
lassen sich mit Leichtigkeit ausscheiden, es sind neben den
Naehrichten iiber das karolingische Privileg die sparlichen An-
gaben aus der Potestatengeschichte,1) einige Nuancierungen der
sonst im Anschluss an die leges Upstalsbomicae und die
Chronik von Wittewerum gegebenen Naehrichten iiber den
Upstalsboom, und endlich die Bemerkungen iiber eine st&ndische
Mitwirkung beim Regierungswechsel im graflichen Hause, welche
an die Stelle eines Huldigungs- und Anerkennungsaktes eine Art
Wahlakt setzen.
Abgesehen davon kann aber ftir uns der Gang der Unter-
suchung nur der sein, dass wir die einzelnen Naehrichten des
Emmius selbst auf ihre Quellenmassigkeit priifen, bezw. iiber
Wert oder Unwert dieser Quellen ein Urteil zu gewinnen suchen.
Hier ist nun im Blick auf die oben entwickelten Grund-
anschauungen ein doppeltes Ergebnis moglich. Entweder hat
Emmius von diesen Anschauungen aus seine Geschichte kon-
struiert und dem entsprechend ihnen zu Liebe seine Quellen ge-
falscht, bezw. ihm unbequeme Naehrichten verschwiegen. Oder
aber, er hat das ihm vorliegende Quellenmaterial, ohne Ab-
zweckung auf jene Grundanschauungen, in rein sachlicher
Weise verwertet, so dass sich jener Rahmen, in den das Ge-
schichtsbild eingespannt ist, mit den oben charakterisierten
Naehrichten ohne Schwierigkeiten ablosen lasst. In diesem
letzten Falle wiirde die Darstellung des Emmius, von den ge-
nannten wenigen Ausnahmen abgesehen, voiles Vertrauen ver-
dienen. Es erhellt somit ohne weiteres, dass fiir uns die Frage
nach den Grundanschauungen aus der Untersuchung vorlaufig
ganz auszuscheiden hat, solange uns diese Anschauungen nicht
etwa wiederum selbst aus den von uns untersuchten Nach-
*) vgl. cap. VIII § 6.
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— 29 —
richten entgegentreten. Tritt dieser Fall nicht ein, so bleiben
beide Gebiete reinlich geschieden, und die Frage nach jenen
Grundanschauungen ist aus der Quellenuntersuchung in ein
anderes Gebiet zu verweisen, wo sie als historiographisch und
staatsrechtlich gleicherweise interessantes Problem eine ge-
sonderte Behandlung finden mag.
Das Verhaltnis des Emmius zu den einzelnen Quellen.
IV. Allgemeine Quellen.
§ 1. Beda.
Von den drei historischen Schriften Bedas konnten fur
Emmius von vorn herein nur zwei in Betracht kommen, da
seine dem „liber de temporibus" eingereihte kleine Weltchronik1)
keinerlei fiir eine friesische Geschichte verwendbare Nachrichten
bringt. Aber auch die grossere Chronik2) Bedas hat fiir die
von Emmius erzahlten Ereignisse nur verhaltnismassig kurze
Angaben, so iiber den Einfall der Angeln und Sachsen,3fdie
Bekehrung Konig Ethelberts durch Augustin,4) die Missionierung
Frieslands durch Willibrord5) u. a., welche sich alle in der
Kirchengeschichte in weiterer Ausfuhrung vorfinden. Letztere
kommt somit allein als Quelle der Historia in Betracht. Bei
der Besprechung der Worpschen Chronik6) wird es sich noch
weiter zeigen, wie Emmius fiir die Zeit vom 5ten bis 7ten
Jahrhundert sich vielfach auf Beda griindet. Er selbst be-
zeichnet ihn gelegentlich als einen „scriptor diligentissimus"7)
und lasst dementsprechend seinen Berichten iiber die Ein-
wanderungen in England wie iiber die Missionierung Frieslands
vor andern eine durchaus gerechte Wiirdigung zu teil werden.
*) Migne: Patrologiae latinae Tom. XC p. 288— 292.
2) Migne: T. XC. p. 526—571: Chronicon sive de sex huius saeculi
aetatibus (cap. 66 der Schrift: de temporum ratione).
a) a. a. 0. p. 561.
4) p. 565.
5) p. 569.
•) vgl. cap. Vm § 1.
7) Emmius hist. p. 48.
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— 30 —
Die Art, wie Emmius den Bericht iiber die Einwanderung
der Angeln und Sachsen benutzt, macht dies deutlich : Andreas
Cornelius und die Seinen suchten zum grosseren Ruhme des
Vaterlandes die Fiihrer des Zuges von 449 Hengist und Horsa
als Friesen hinzustellen. Emmius beruft sich demgegeniiber
auf Beda, und macht u. a. auch den von Beda1) erwahnten
Namen des Vaters dieser beiden Fiihrer dafur geltend, dass
nach Beda beide Sachsen gewesen seien. Die Thatsache, dass
Beda iiber die Teilnahme der Friesen an dem Zuge schweigt,
sucht er dadurch zu entkr&ften, dass er aus einer anderen
Stelle desselben Schriftstellers einen indirekten Beweis fiir die
Teilnahme der Friesen erbringt. Wo Beda von der versuchten
Missionsreise Egberts2) berichtet, nennt er unter den zu be-
kehrenden VOlkern die Friesen an erster Stelle und sagt dann
zugleich von jenen Volksst&mmen : „nationes, a quibus Angli
et Saxones, qui nunc Britanniam incolunt, genus et originem
duxisse noscuntur". Es ist deutlich, wie Emmius hier Beda
als die sichere Quelle ansieht, von der aus alle iibrigen sp&teren
Berichte tiber jene Zeit orientiert werden mtissen. Dasselbe
zeigt sich auch bei der Datierung des friesischen Konigs Alde-
gillus. Aus Beda3) steht fest, dass der vertriebene englische
Bischof Wilfrid unter diesem Kdnige in Friesland gewirkt habe.
Von da aus ist Emmius im stande, seine Regierungszeit urn
das Jahr 679 anzusetzen, und weist auf Grund dessen ein
paar falsche Datierungen von Cornelius zurtick,4) wie er denn
an diesem unter Berufung auf Beda, als auf einen Zeitgenossen,
in wirksamer Weise Kritik zu iiben vermag.
§ 2. Sigebert von Gembloux.
Die Chronik des Monches Sigebert5) von Gembloux wird
in der Historia 5 mal angefiihrt.6) Mehr noch als diese That-
sache, lasst die haufige Erwahnung in den Kollektaneen zu
*) historia ecclesiastica I, 10.
*) hist. eccl. V, 9.
8) hist. eccl. V, 19.
4) Emmius hist. p. 45 und 48.
8) Monumenta Germaniae, Scriptores VI, p. 268— 374.
n) Emmius hist. p. 52, 57, 85, 92, 96.
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— 31 —
Worp von Thabor und Andreas Cornelius auf eine eingehende
Bekanntschaft des Emraius mit dieser Chronik schliessen.
Trotzdem ist der positive Ertrag fur den Inhalt der Historia
nicht eben hoch anzuschlagen. Einige Nachrichten freilich sind
nachweislich auf Sigebert zurttckzufuhren, so jedenfalls das-
jenige, was Emmius iiber Pipins Sohn Grimoald berichtet.
Eggerik Beninga1) hat hier nur die Nachricht von seiner Er-
mordung, und auch diese unter der wenig genauen Angabe,
Grimoald sei: rde havemester des Konings van Franckryck"
gewesen. Dagegen tritt bei einem Vergleich zwischen Emmius
und Sigebert die Abhangigkeit jenes deutlich hervor :
Sigebert p. 328 (an. 699).
„Drogo filius Pipini dux
Campanensium moritur. Gri-
tnoaldus frater eius a Patre
Pipino in aula Hildeberti regis
maior domus statuitur, eique
filia Rabbodi Fresonum ducts
in uxorem despondetur."
p. 329 (an. 713).
„Grimoaldus maior domus
Leodii ante altare Sancti
Lamberti orans a Raingario
satellite Rabbodi, ducis Freso-
num, perimitur, et Theodoaldus
filius Drogonis o5 avo suo Pi-
pino maior domus statuitur.il —
quae Lamberto episcopo, quindecim ante annos illic a Dodone Mar-
telli avunculo ob concubinatum Alpaidis sororis suae cum Pipino
reprehensum occiso, erecta erat, a satellite Radbodi Rangario,
homine Frisio, per insidias interemptus fuit.u Die hier ein-
geflochtene Notiz iiber den heiligen Lambertus fand Emmius
gleichfalls bei Sigebert. Zum Jahre 698 berichtet dieser2):
^Sanctus Lambertus Pipinum principem increpare ausus, quod peli-
cem Alpaidem suae legitimae uxori Plictrudi superduxerit, a Do-
Emmius hist. p. 53.
»Radbodi quoque filia Theo-
dosinda, quamvis in impietate
pater persisterct, ad Christum
accessit: nee multo post Grimo-
aldo Pipini Crassi e legitimis
minori filio, quern parens aulae
regiae Theodoberti recens prae-
fecerat, nupsit, Francicamque
gent em Frisiis arctius conjunxit.
Invitone patre Radbodo, an
sponte eius hoc fecerit, incertum
est, nisi quod f acinus multo post
secutum adversam eius volun-
tatenx arguerc videatur. Nam
decimo quarto a nuptiis his anno,
Grimoaldus Leodii ad aram.
J) Eg. Beninga p. 47.
2) Mon. Germ. Script. VI p. 328.
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— 32 —
done fratrc ipsius Alpaidis Leodii martyrisatur. u Den Namen der
Tochter Radbods, sowie den veranderten Namen fiir den
frankischen Konig muss Emmius dagegen aus einer andem
Quelle hinzugeftigt haben.
Obgleich Emmius den Sigebert gelegentlich als einen
„bonus auctor" bezeichnet,1) ist er doch weit entfernt, dem Ver-
fasser, auf die einmal erkannte Zuverl&ssigkeit hin, unbedingt
zu trauen, sondern zeigt ihm gegeniiber stets ein besonnenes
kritisches Verhalten. Wenn Sigebert zum Jahre 935 die Nach-
rioht bringt2): nIiex Henricus Danos, qui per piraticam Fresones
incursabant, vincit et tributarios facit et Chiupam regent eorum
baptieari facitu, so setzt Emmius8) dem seine wohlbegriindeten
Bedenken entgegen: ^Sigebertus etiam prodit, Frisiis contra iniu-
rias defensis, victos Danos ad pendenda sibi tribula, ac regetn
eorum Chuipiam ad baptismum et sacra Christiana accipienda Aucu-
pem coegisse. Quod ego de Jutarum parte, ac de principe eorum,
aut regio praefecto accipiendum censeo. Nam de universa genie
Danica ad tributum adacta, nee vero simile est, nee cum historia
eius temporis, quam Saxo aliique prodiderunt, consentit. Nee Chui-
piam regem Dani in historiis agnoscunt, aut quenquam regem suo-
rum ab Henrico Aucupe Christianis sacris imbutum esse tradunt.a
Aehnlich verf&hrt Emmius4) mit der Angabe Sigeberts,5) im Jahre
1058 habe der damals erst 9jahrige Heinrich IV. einen Zug
gegen die Friesen unternommen. Beim Bericht tiber den Tod
des Herzogs Godfried von Lothringen im Jahre 1076 stellt
Emmius6) der von Sigebert7) und Worp von Thabor8) vertretenen
Auffassung, wonach der Herzog in Friesland ermordet ist, die-
jenige eines gleichzeitigen Antwerpener Berichterstatters ent-
gegen.9) Schon hier zeigt sich, dass der Worpersche Bericht
l) Emmius hist. p. 57.
*) a. a. 0. p. 347.
8) Em. hist. p. 85.
4) Emmius hist. p. 92.
R) Mon. Germ. Script. VI p. 3G0.
e) Em. hist. p. 96.
7) Mon. Germ. Script. VI p. 363.
8) Worp von Thabor III cap. 5.
•) Emmius begegnet hier ein eigentumliches MissverstS-ndnis ;
wahrend Sigebert erz&hlt: Sicarius in Presonia Godefridum ducem perimit,
findet sich bereits in den Kollektaneen zu Worp III, 5 die Bemerkung:
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— 33 -*
demjenigen Sigeberts parallel lauft, wie denn auch Sigebert
unter die Quellen Worps zu zahlen ist.1) Hierin liegt zugleich
der Grund, warum in der Historia, selbst an solchen Stellen,
wo Emmius nachweislich den Sigebertschen Bericht zu Rate
gezogen hat, eine unmittelbare Benutzung desselben nicht
nachweisbar ist. DieHauptbedeutung Sigeberts fur die Historia
liegt jedenfalls darin, dass Emmius durch ihn die Worpsche
Darstellung kontrolliert hat. Diose wird, wo es thunlich ist,
ubernommen, doch nicht ohne dass Sigebert zuvor iiber die
Stichhaltigkeit der Angaben Worps zu Rate gezogen ist.
Derart verfahrt Emmius u. a. bei der Unterwerfung der Sachsen
durch Karl Martell (Sigebert: Mon. Germ. Scr. VI. p. 331, Emmius
hist. p. 58), beim Tode Martells (Sigebert p. 331, Emmius hist,
p. 58) und bei den Sachsenkriegen Karls des Grossen (Sigebert
p. 334, Emmius hist. p. 62). So ist denn Sigebert trotz des
verhaltnismassig geringen positiven Ertrages in diesem Sinne
als eine bemerkenswerte Quelle der Historia rerum Frisicarum
etwa fur die Zeit von 700 — 1100 anzusehen.
§ 3. Nauclerus.
Aus einigen Notizen der Kollektaneen ergiebt sich, dass
Emmius auch die grosse Weltchronik des Nauclerus2) bei der
Abfassung seiner Historia zu Rate gezogen hat. Die einzige
Erzahlung aber, fur die sich, eben auf Grund von Emmius
Notizen, eine Beziehung zwischen beiden nachweisen lasst, ist
die vom Einfall Konig Gottfrieds von Danemark im Jahre 809.
Emmius lag fur dieses Ereignis ausser der Prophezeihung des
heiligen Ludger bei Worp von Thabor3) der Bericht bei Egge-
rik Beninga4) vor. Sigebert dagegen bot ihm fur das Verhalt-
„ea caedes facta ao. 1076 a Frisio quodam Richario auth. Sigeb." Der-
selbe Name wird dann hist. p. 96 wiederholt. Em. hat hier jedenfalls
da8 Wort sicarius verlesen und es dann als unubersetzbar fur einen
friesischen Personennamen gehalten.
l) Vgl. dariiber : Bolhuis v. Zeeburgh, Kritiek der Friesche Geschied-
schrijving p. 101.
») Memorabilium omnis aetatis et omnium gentium chronici commen-
tarii a Joanne Nauclero etc. : digesti in annum salutis 1600. Tubingen 1516.
3) vgl. cap. VIII § 1.
*) Eg. Beninga p. 69 ff.
J&hrbach der Oesellsch. f. b. K. u. vatorl. Alterttiraor zu Emdon, Bd. XV. 3
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— :-m —
nis zu den Dfincn wahrend der spiiteren Regierungszeit Karls
des Grossen nur zwci kurze Nachrichten. Zum Jahre 809:
»Godefridus rex Danorum mulia contra vicinas gentes abutens
insolentia, pacem ab imperatore Karolo expetit**) und 809:
vGodefrido Danorum rege mortuo Hcmingus, filius this, paean
expetit ab imperatore Karolo*.-) Vergleichen wir mit dem hier-
mit gegebenen Material die Darstellung bei Emmius, so wird
deutlich,8) dass er seinen Bericht tiber dieses Ereignis wesentlich
nach Nauclers Angaben gestaltet hat. Dorther4) stammt die
Kunde von dem anf£nglichen unglticklichen Zuge von Karls
Sohn und die Angabe der 200 Schiffe, mit denen Gottfried in
Friesland landet. Auf Grand des Nauclerschen Berichtes lasst
er den Kaiser selbst sein Lager an der Weser aufschlagen, und
wenn Emmius das Verhaltnis des d&nischen Konigs zu Fries-
land mit den Worten kennzeichnet: quam suam iam provinci-
am aestimabat", so erinnert dies deutlich an den Ausdruck bei
Nauclerus: ^Frisiam quoque atque Saxoniam haud aliter atque
suas provincias aestimabata. Dass Emmius, abgesehen von
diesem vereinzelten Falle, den Nauclerus fur seine Darstellung
nicht besonders in Betracht zieht, ergiebt sich aus dem
Charakter jener Chronik. Emmius halt sich durchweg an
speziellere Quellen, und, soweit es ihm moglich, an solche, die
den Ereignissen zeitlich naher stehen. Dagegen legt sich die
Vermutung nahe, dass er die Nauclersche Weltchronik gelegent-
lich ftir seine Ausblicke auf die allgemeinen geschichtlichen Er-
eignisse benutzt habe. Wie weit dies zutrifft, lasst sich im
einzelnen nicht darthun, immerhin aber miissen auch fur
diese Zwecke dem Emmius noch andere Geschichtswerke vor-
gelegen haben, zumal eine Anzahl der genannten orientierenden
Ueberblicke in eine Zeit f&llt, wo ihm der mit dem Jahre 1500
bezw. 1503 abbrechende Nauclerus nicht mehr als Ftihrer
dienen konnte5).
») Sigebert a. a. 0. p. 336.
«) p. 337.
a) Emmius hist. p. 70.
*) Nauclerus II., Gen. XXVII, Fol. 115.
*) so z. B. diejenigen auf p. 887 und 797.
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— 35 —
§ 4. Albert Krantz.
Kein auswartiger Schrifts teller wird in der Historia so
haufig citiert wie Albert Krantz.1) Wir verdanken diesem, einem
Hamburger Geistlichen und Staatsraanne aus der Reformations-
zeit, umfangreiche historische Werke, welche fur die Geschichte
undKirchengeschichteNorddeutschlands, besonders im 14ten und
15ten Jahrhundert, von grundlegender Bedeutungsind: Wandalia,
Koln 1519; Saxonia, Koln 1520; Chronica regnorum aquilonarium
Daniae Sueciae Norvagiae, Argent. 1546; Metropolis s. historia
de ecclesiis sub Carolo M. in Saxonia instauratis, Basel 1548
ed. Joachim Moller. Emmius hat alle vier Werke gekannt und
benutzt, wenngleich „Saxoniaa und ^Metropolis" fur ihn vor
allem als Quellen in Betracht kommen mussten.
In ihrer historischen Auffassung stehen beide Manner in
einem principiellen Gegensatz zu einander. Dem Hamburger
Dekan und Doctor juris canonici ist der Freiheits- und Un-
abhangigkeitsdrang des friesischen Volkes ein unverstandliches
und unberechtigtes Streben ; er ist eher geneigt, die Friesen als
Rebellen wie als Vork&mpfer der Freiheit anzusehen. Dazu
kommt noch der Gegensatz des hansischen Burgers gegen das
Volk, welches Jahrhunderte lang die Handelstrassen der See-
stadte unsicher gemacht hat, gegen das Land, dessen entlegene
Gestade den gefurchteten Vitalienbrudem immer wieder will-
kommenen Unterschlupf boten. Grund genug fiir Emmius, um der
Geschichtschreibung dieses Mannes von vornherein nicht eben
sympathisch ge geniiberzustehen. Krantz ist ihm ein: ^obtrectator
ingens maiarum nostrorum" ,2) er ist ein Geschichtschreiber :
nqui magna invidia in gentem nostram laboravit, ne quid dicatn
gravius"*) Dies bedingt von vornherein eine entschieden
kritische Stellung zu den Krantzschen Angaben. Wenn Emmius
gleich gegen die Behauptung, dass die Ditmarschen keine Friesen
seien, wohl mit Unrecht polemisiert,4) so widerlegt er anderer-
seits doch die von Krantz in Verwechselung des Namens auf-
gestellte falsche Behauptung, der heilige Suidbert, der Begleiter
») so z. B. Emmius hist. p. 30, 58, 66, 91, 93, 100 etc.
*) Emmius hist. p. 106.
*) Emmius hist. p. 300.
*) Emmius hist. p. 30.
3*
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— 36 —
Willibrords, sei mit dem ersten Bischof von Verden identisch.1)
Emmius steht nicht nur den Angaben von Krantz unabhangig
gegeniiber,2) sondern er geht auch, um ihn zu kontrollieren, auf
seine Quellen zurilck.3)
Es liegt auf der Hand, dass die Nachrichten, welche
Emmius den Krantzschen Werken entnahm, sich nicht auf das
Gebiet der inneren friesischen Verhaltnisse beziehen konnen.
Obwohl Krantz auch in dieser Beziehung manches bringt,
konnte er doch hier einem einheimischen Schriftsteller keine
Erg&nzungen bieten. Das einzige Mai, wo Krantz nach dieser
Seite hin eine originale Nachricht bringt, wird er von Emmius
energisch zurflckgewiesen. Die betreffende Stelle, welche den
Tod des Ritters Ocko ten Brok, seine vermeintlichen Ursachen
und n&chsten Folgen behandelt, ist zugleich fur die Beurteilung
friesischer Verhaltnisse durch Krantz charakteristisch genug;
dieselbe (Saxonia X, 14) lautet: ^Phrisii interea superbum genus
hominum, et quod sibi tnultum arrogat de Ubertate, Ockonem virum
in eis primarium, quod inter Germanos militans, militarem cingulum
acceperit, f actus eques auratus, occiderunt: arbitrati ilium a patria
libertate degenerasse, cui peregrinam inducere tentaverit nobilitatem.
Mira hominum temeritas palustrium: caeca superbia, quae insolentiam
inde concipit, quod non facile armis ad iuga coguntur. Uxor autem
Ockonis, viri necem vindicatura, ad Comites de Aldenborg et Delmcn-
horst profecta, arma comparat in tumultuantes. Non contemnenda
manus erat, quae ducit in Phrisiam: ecclcsiam, quam de more gent is
incastellavere1 oppugnant: deiectaque Phrisones ibi repertos ad
ducentos iussit capite plectia. Emmius weist die hier gegebene
Erklarung fiir die Ermordung Ockos mit Recht zuriick, da sich
hierftir auch nicht der leiseste Anhaltspunkt finden lasst4), und
glaubt auch die letzte Nachricht ablehnen zu miissen, weil sie
") p. 58.
2) p. 100: quamquam anticipare rem quadriennio Crantzium haud
ignorem.
») So p. 105 auf Helmolds Slavenchronik und p. 93 auf Adam
von Bremen.
4) Die von Klinkenborg: Gesch. der ten Broks Beil. I. p. 6 f. fur
die Auffassung von Krantz angefuhrten Argumente sprechen wohl fiir eine
Erbitterung der Friesen gegen Ocko, doch tritt die bei Krantz gegebene
Beziehung auf seine Ritterwurde dort nirgends hervor.
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~ 37 -
den sonst aus jener Zeit berichteten Thatsachen widerstreitet,
er schliesst mit den Worten: „w falsis, ut multa eiusdetn (sc.
Crantzii) de rebus nostris, duco".1)
Ftir die ausw&rtigen Beziehungen Frieslands stellt sich
das Verh<nis von Emmius und Krantz bei weitem anders.
Hier ist Emmius oft durch den Mangel an einheimischen Nach-
richten auf auswartige Schriftsteller angewiesen, und Krantz
bietet hier eine, wenn nicht unbedingt zuverlassige, so doch jeden-
falls die beachtenswerteste der Emmius zur Verftigung stehenden
Quellen. Ausgiebige Nachrichten boten sich bei Krantz in
dieser Beziehung, neben solchen tiber das Vorgehen der Hansa-
stadte gegen die friesischen Seerauber,2) besonders tiber die
Feldzfige der benachbarten Gewalthaber zur Unterwerfung ein-
zelner friesischer Gebietsteile Bereits beim Vernichtungskriege
gegen die Stedinger, fur den Eggerik Beninga3) nur eine kurze
Notiz bietet, musste ftir Emmius4) neben dem Berichte Emos5)
fiber die Aufnahme der Kreuzpredigt in Friesland Krantz6) als
Vorlage dienen. Dasselbe ist der Fall ftir den Kampf Christians
von Oldenburg gegen die Rtistringer 1366 (Metrop. X, 26., Em. hist,
p. 207), ftir die Personalien der 1421 bei Detern geschlagenen
auswartigen Verbtindeten (Metrop. XI, 31, Em. hist. p. 300),
den Kriegszug gegen die Wurstfriesen 1499 (Metrop. XII 25, 26,
Em. hist. p. 587), bis hin zum Raubzug der verbtindeten Ftirsten
gegen Butjadingerland 1501 (Em. hist. p. 614, Saxonia XIII, 29).
Auch fur Oldenburgische Angelegenheiten dient Krantz einige-
male als Quelle. Die Fehde zwischen Konrad von Oldenburg
und dem Grafen von Diepholz, Em. hist. p. 212, wird im An-
schluss an Saxonia IX, 40 berichtet, ebenso steht es mit den
Oldenburgischen Fehden von 1462 und 1476, Em. hist. p. 338
und 419, welche Metrop. XI, 44 und XI, 52 entsprechen. Ein
Bericht der Chronica Daniae7) dient als Quelle ftir die Nieder-
lage, welche Sueno von Danemark den an der danischen Grenze
') Emmius hist. p. 222.
2) vgl. z. B. Emmius hist. p. 456 und Sax. XIII. 14.
») Eg. Beninga p. 110.
4) Emmius hist. p. 144 if.
*) Mon. Germ. Script. XXm, 499 if.
•) Metrop. VII, 47.
7) p. 208.
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— 38 —
wohnenden Friesen beibringt,1) die dem vertriebenen Knut
Aufnahme gewahrt haben.2) Wo Emmius bei diesen Berichten
andere Quellen nicht zu Rate Ziehen konnte, sind sie in der
von Krantz gegebenen Fassung in der Weise hertibergenoramen,
dass Emmius, fiir dessen Darstellung diese Dinge mehr an der
Peripherie lagen, die bei Krantz oft recht ausfuhrlichen Er-
z&hlungen wesentlich kiirzt und nur den Hauptinhalt heraus-
stellt.
§ 5. Chytraeus.
Als Fortsetzung der Wenden- und Sachsenchronik des Albert
Krantz schrieb David Chytraeus eine „Vandaliae et Saxoniae
Alberti Cranzii continuations 3) dieselbe umfasst die Zeit von
1500— 1541. 4) Emmius hat sich mit dem Werke seines Lehrers
eingehend besch&ftigt und manche Nachricht daraus ftir die
Historia fruchtbar gemacht, wie er sich denn auch im Verlauf
derselben einigemal auf Chytraeus beruft.6) Dieser bietet eine
iiberraschende Fiille von Angaben uber friesische Verhaltnisse
und zeigt sich auch im allgemeinen in friesischen Dingen ver-
h<nism&ssig gut unterrichtet. Mehr als 50mal werden im Ver-
l) Emmius hist. p. 106.
*) Emmius zitiert hist. p. 105 und 106 die Slavenchronik Helmolds
und zwar als Quelle der Darstellung von Krantz in seiner Wandalia. Das
geschilderte Ereignis fallt in das Jahr 1147, es handelt sich um einen
Ueberfall friesischer Ansiedler, welchen Adolf von Holstein die fruheren
Wohnsitze der Wenden fiberwiesen hat, durch einen wendischen Heer-
haufen. Aus Krantz (Wandalia IV, 3) konnte Emmius nicht entnehmen,
dass dieser hier Helmold folge; es wird also an dieser Stelle deutlich,
dass er Krantz auf seine Quelle verglichen haben muss. Im ubrigen
aber hat die betr. Stelle bei Helmold (Chron. Slavorum I, 64) auf die Dar-
stellung bei Em. nicht selbst&ndig eingewirkt. Ein paar genauere An-
gaben, wie die Zahlenangaben fur die angreifenden Slaven und die Be-
merkung, dass kurz vorher 300 Friesen abgezogen seien, fehlen gleich-
massig bei Krantz und Emmius. Fur erstere Nachricht haben beide
„aliquot millia".
3) Wittenberg 1686.
*) spater hat er dieselbe bis 1599 fortgesetzt (D. Chytraei Op. Tom. IV.
Lipsiae 1599); uber die Entstehung des Werkes vgl. 0. Krabbe, David
Chytraeus, Rostock 1870, Bd. II p. 357 ff.
B) Emmius hist. p. 676 und 779.
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lauf des Buches friesische Verhaltnisse beruhrt, wir erfahren nicht
nur von Edzard dem Grossen und seinem Geschlechte, von der
sachsischen Fehde und dem wechselvollen Schicksale Groningens,
auch von Edo Wiemken und den Seinen, sowie von Balthasar
von Esens ist die Rede, und endlich werden auch noch die
Geschicke der benachbarten Butjadinger, wie diejenigen der
Wurstfriesen mit in den Kreis der Betrachtung gezogen. Natttr-
lich schopft aber Emmius seine Kunde tiber innere friesische
Verhaltnisse nicht aus Chytraeus.
Die orientierenden Ueberblicke uber die Entwicklung der
geschichtlichen Verhaltnisse in Ostfriesland,1) in Groningen2) oder
Jeverland3) konnten Emmius nichts Neues bieten, ebenso wenig
die im Anschluss hieran erzahlten weiteren Ereignisse aus der
ersten Halfte des 16ten Jahrhunderts. Eine Ausnahme macht
hier nur der Bericht iiber Reibereien zwischen dem Grafen
Edzard und den Bremern im Jahre 1509,4) iiber welche Emmius
in keiner friesischen Quelle etwas fand, und die er daher mit
Konstatierung dieses Thatbestandes unter dem notigen Vor-
behalt wiedergiebt.5) Anders stellt sich auch hier wieder das
Verhaltnis zu den Nachrichten, welche die Beziehungen der
Friesen zu ausw&rtigen Machthabern betreffen. Hier konnten
dem Chytraeus Quellen zu Gebote stehen, iiber welche Emmius
nicht verfugte, jedenfalls aber war Emmius dem Chytraeus hier
nicht durch einheimische Quellen von vornherein iiberlegen.
Am deutlichsten tritt dies hervor bei den Kampfen der Wurst-
friesen gegen die Bremer Erzbischofe; hier sieht sich Emmius
durchweg auf Chytraeus angewiesen. Einmal allerdings, beim
Zuge des Erzbischofs vom Jahre 1524,6) tritt Sikke Benninge als
erganzende Quelle hinzu, sonst aber pflegt Emmius die hierher
geh5renden Berichte einfach aus Chytraeus heriiberzunehmen.
Ein Beispiel mag das Verhaltnis beider Schriftsteller an dieser
Stelle deutlich machen.
') Chytraeus (Wittenberg 1586) p. 86 f.
*) p. 117 f.
«) p. 140 f.
*) p. 133.
») Emmius hist. p. 676.
•) Chytraeus p. 223, Emmius hist. p. 823.
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Chytraeus p. 158. Emmius hist. p. 778.
In Bremensi dioecesi Christo* Anno eodem Worstenses in
phorus Frisios Wursatos armis dioecesi Bremensi ab archiepis-
ad mandata ipsis officia hacte- copo suo hello pressi fuere.
nus neglecta, et amplius ex tarn Archiepiscopus enim Christo-
fertili et amoeno agro annul tri- phorus ex familia animos gerens
buti vectigal sibi pendendum, (Brunsvigius quippe erat, Hen-
adducere instiiuit. Hactenus rico seniore natus, ferocis pa-
enim superbi, feroces ac indomiti tris ferox atque inquies animo
titulotenus magis, quam verae filius) haud ferendum putans,
subjectionis officiis, archiepis- populum rusticum, angustos fines
copum dominum recognoverant. habentem, mandata sua tem-
Wursatipro defensione libertatis nere, tributa ultra modum ma-
patriae a maioribus acceptae jorum recusare, nomine, non
artna capientes, non viri solum, re in obsequio esse, arma in
sed etiam foeminae. . . . eum cepit. At Mi eo cognito,
quamquam paucitatem suam nossent, tamen quoniam de libertate
agebatur, resistendum fortiter, et in pugna potius moriendum sibi,
quam servitutem subeundam judicarunt. Nee viri solum, sed etiam
foeminae in hoc pulcherrimum consilium conspirarunt. Die Ab-
h&ngigkeit wird unmittelbar deutlich, dabei weiss sich aber
Emmius nicht nur die Eigenart der Diktion zu wahren, sondern
er fiigt auch uber den Erzbischof eine erkl&rende Bemerkung
hinzu und versteht die bei Chytraeus angedeuteten Gedanken
weiter zu entwickeln und auszugestalten, ohne doch tiber den
Rahmen des Gegebenen hinauszugehen.1)
In ahnlicher Lage, wie hier bei den Wurster Ereignissen,
befand sich Emmius in Bezug auf das Quellenmaterial fiir die
Streitigkeiten zwischen der Stadt Bremen und dem Junker
Balthasar von Esens. Eg. Beninga geht einige Male hierauf
ein,2) doch liegen ihm diese Ereignisse zu fern, als dass er dartiber
genauere Nachricht geben konnte.3) Chytraeus aber zeigt sich
hier auf Grund bremischer Quellen gut unterrichtet, so be-
') Ein ahnliches Beispiel bietet der Krieg zwischen dem Erzbischof
und den Wurstfriesen im Jahre 1525, Chytraeus p. 226, Emmius hist p. 830.
*) Eg. Beninga p. 725 und 728.
8) So ist z. B. die Nachricht von der 1539 erfolgten Gefangennahme
der in Balthasars Diensten stehenden Seerauber durch die Bremer, Eg.
Beninga p. 722, erst vom Herausgeber Harkenroht anmerkungsweise
hinzugefugt.
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sonders p. 312 ff. und 336 ff., auch hier schliesst sich Emmius,1)
welchem ausser Eggerik Beninga einheimische Quellen fiir diese
Dinge nicht vorlagen, an Chytraeus an.2) Das Gleiche ist endlich
der Fall fiir einen Teil der burgundisch-geldrischen Ereignisse,
soweit hier die westfriesischen Quellen keinen zureichenden
Aufschluss boten. Besonders ist dies beim Kampf zwischen
dem Herzog von Geldern und Karl V., sowie bei den Utrechter
Wirren von 1528 geschehen. Emmius hat fiir die letzten Ereig-
nisse zugleich die Geschichte der Utrechter Bttrgerkriege von
Lambertus Hortensius*) zur Hand gehabt, doch scheint ihm
diese mehr zur Kontrolle und zu gelegentlichen Erg&nzungen
gedient zu haben. Fiir die Darstellung schliesst er sich an die
weniger ausfiihrlich gehaltenen Berichte bei Chytraeus an, dies
zeigt sich u. a. beim Friedenschluss zwischen Burgund, Geldern
und Utrecht im Jahre 1528. Nachdem Emmius zuvor nach
Chytraeus p. 252 f. von der Einnahme von Utrecht und der
Bestrafung der Aufriihrer gesprochen hat, geht er auf den Ab-
schluss der Friedensverhandlungen tiber:
Chytraeus p. 254. Emmius hist. p. 845 f
Jnterea comitia principum Turn actio de pace instituta
Gorichi habita sunt, ubi solida Gorichemi intercessione princi-
pax inter Augustissimum Caesa- pum, ac pax convenit his legibus,
rem Carolum et Geldriae ducem ut Gelder sine haerede sua mori-
atque ipsos denique Trajectinos ens omnes ditiones suas Caesari,
tnediocribus conditionibus firma- domuique Burgundicae relin-
ta est, restitutis Geldrio oppidis, queret, Caesar ei vicissim oppi-
quae Hit iamdudum comes ade- da omnia hoc bello in Geldria
merat, et vicissim promittente se occupata Geldro restitueret,
mortuo sine haeredibus omnes di- Praesul Ultrajectinusf ordinibus
tiones suas in Domus Burgun- dioeceseos iuramento sibi dato
dicae potestatem fore". (Darauf solutis, imperium suum totum
folgt der Bericht tiber die Ein- eidem Caesari et successoribus
nahme von Utrecht durch den eius permitteret. Hoc factum die
Kaiser.) XIII Cal. Nov. huius anni.a
l) so hist. p. 897, 907, 908.
*) Ein kleiner Aufsatz von Emmius uber den Krieg zwischen Bal-
thasar und Bremen (Kgl. Staatsarchiv zu Aurich Msc. A. 51) tragt die Unter-
schrift : „Haec omnia ex supplements historiaeCrantzianae" (also Chytraeus).
•) Lamberti Hortensii Montfortii secessionum civilium Ultraj. etc.
libri VH. Utrecht 1642.
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Die Aenderung des Ausdrucks „comitia principum* in „actio
intercessione principum" ist auf den Einfluss von Hortensius
zurtickzuftihren, der die Namen derjenigen Gesandten nennt,
welche die Verhandlungen im Namen ihrer Ftirsten abgeschlossen
haben;1) ebenso wird Emraius hierher2) das bei Chytraeus nicht
erwahnte Datum des Vertrages entnommen haben.
Spezielle Quellen.
V. Urkunden.
§ 1. Ostfriesische Urkunden.
Man ist von jeher geneigt gewesen, wo man glaubte
der Darstellung des Emmius entgegentreten zu mtissen oder
seinen Angaben die Glaubwurdigkeit absprechen wollte, seine
Verwertung urkundlichen Materials als durchaus unzureichend
hinzustellen. Schon der Kanzler von Ludewig macht Emmius
hiertiber einen Vorwurf, und Emmius1 letzter Kritiker MShlmann
hat den Umfang seiner archivalischen Studien recht gering an-
geschlagen. Nachdem dieser, nicht ohne einen Anflug von Ironie,
den Bericht des Emmius tiber seine Thatigkeit im Groninger
Archiv wiedergegeben hat, bemerkt er:3) „Insbesondere aber ist
der umstandlichen Angabe tiber seine Bemuhungen im Stadt-
archive (sc. zu Groningen), sowie dem gewissenhaften Schweigen
tiber Slhnliche Institute zu entnehmen, dass seine archivalischen
Forschungen auf jenes beschrankt blieben." Etwas weniger
streng scheint er diese Beschrankung an einer anderen Stelle4)
aufzufassen, wo er zugiebt, es konne „nicht geleugnet werden,
dass den Emmiusschen Berichten vielfach archivalische Zeug-
nisse, die aber doch nur auf Groningische Verhaltnisse oder
') a. a. 0. lib. VII p. 169.
a) a. a. 0. lib. VH p. 172.
3) Mohlmann: Kritik p. 66.
4) a. a. 0. p. 98.
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— 43 —
eigentlich nur auf die der Stadt sich beschranken, zu Grunde
liegen, auch lasse sich nachweisen, dass in einzelnen Fallen
noch sonstige, wie wohl sehr sparliche Urkunden benutzt seien."
Die richtige Antwort auf diese allgemein gehaltenen Bemerkungen
wird nur das Resultat einer genauen Einzeluntersuchung geben
konnen. Dagegen werden wir bereits hier auf diejenigen Ein-
wendungen Bezug nehmen miissen, welche Brenneisen gegen die
Urkundenbenutzung des Emmius erhoben hat. Dem Charakter
seines auf urkundlicher Grundlage beruhenden Werkes ent-
sprechend, beschrankt sich der ostfriesische Kanzler nicht auf
Redensarten, sondern sucht an der Hand bestimmter Urkunden
darzuthun, wie Emmius dieselben absichtlich falsch benutzt,
bezw. wie er andere absichtlich tibergangen habe. Einige
Beispiele mOgen zeigen, was es mit diesen Vorwiirfen auf
sich hat.
Brenneisen (Ostfr. Historie und Landesverfassung, 2 Bde.,
Aurich 1720) Tom. I libr. Ill Nr. 36 p. 82, macht Emmius einen
Vorwurf wegen seiner Verwertung der Cessionsurkunde ttber
2/3 der Burg und Herrschaft zu Emden durch die Junker Abco
und Gerhard an Graf Ulrich I. (Ostfriesisches Urkundenbuch I,
763). Brenneisen wirft hier Emmius vor, dass er die Sache so
darstelle, „als wenn dies Werk nur zum Schein geschehen ware,
die Leute desto mehr zu betriegen." Sodann, dass er damit
„ das Zeugnis so vieler vornehmen Personen nicht nur in
Zweifel ziehe, sondern sie gar vor unehrliche Leute declarieren
diirfe." Er bemerktdazu: „Dieser locus des Emmii ist einer
der merkwtirdigsten Oerter, woraus man sehen kann, wie
Emmius sich unterstanden habe, aus blinder Passion gegen
die Stadt Emden, wider alle Principia iuris naturalis et gen-
tium, klare Siegel und Brieffe anzufechten". Endlich fiigt er
noch den Vorwurf hinzu „Emmius habe die gemeine Rechts-
regel nicht gewusst: quod omne instrumentum publicum habeat
praesumptionem veritatis et solemnitatis, adeo ut ille, qui tale
instrumentum pro se habet, habere dicatur, tangere me noli".
Es wird damit also Emmius eine Urkundenbenutzung
Schuld gegeben, welche gerade das Gegenteil von dem bedeutet,
was man in dieser Beziehung von einem Historiker verlangt;
denn jene Urkunde hat dem Emmius wirklich selbst vorgelegen,
wie sich nicht nur aus ihrer Behandlung, hist. p. 385, sondern
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— 44 -
auch aus dem betreffenden Regest im „Catalogusmagistratuumal)
ergiebt. Der historische Befund des in Frage stehenden Er-
eignisses rechtfertigt aber die Auffassung des Eramius durchaus.
Ein thats&chliches Recht der beiden Agnaten auf Emden war
nicht vorhanden. Der Jurist Wiarda giebt dafiir die rechtliche
Begrttndung,2) freilich ohne dabei auf die fiir ihn bereits gegen-
standslosen Brenneisenscben Vorwilrfe gegen Emmius irgendwie
Bezug zu nehmen, was seine Aussagen vielleicht noch um so
bedeutsamer macht. Dass zudem der ganze Vorgang etwas
Operettenhaftes hat, ist ohne Zweifel: Zwei Landjunker ohne
nennenswerte Machtmittel tibertragen dem thatsachlichen Herrn
des Landes 2/s ihres Anrechtes auf dessen bedeutendste Stadt,
bloss weil sie aus einer, nicht einmal erbberechtigten, Linie
Nachkommen eines ehemaligen Besitzers jener Stadt sind. Der
Grund ist durchsichtig genug, Ulrich musste gegen die drohende
Pr&tension der Hamburger einen Rechtstitel haben, und mochte
er noch so haltlos sein. Der ganze Vorwurf, den man nun
Emmius bei der Behandlung der Sache machen kOnnte, ist der,
dass er mit klarem Blick diesen Zusammenhang der Verh<nisse
erkannt hat. Er schildert die ganze Inscenierung nicht ohne
Ironie, und das mit Recht: difficile est, satiram non scribere.
Dabei giebt er den Inhalt des Vertrages richtig wieder, das
Einzige, was er den Kontrahenten zum Vorwurf macht, ist : „Ita
nova iuris species velut larva quaesita, datumque quod non
habebant qui dabant, tenebat autem, cui videbatur donari".
Einen Betrug wirft Emmius hier niemandem vor; es handelt
sich bei diesem Scheinmanover um eine papierene Stiitze fiir
den thatsSchlichen Besitzer Emdens gegenttber den Hamburgern,
die sich einst selbst der Stadt auf unrechtm&ssige Weise be-
ra&chtigt hatten; diese miissten also schon nach Brenneisen
die Leute sein, welche desto mehr betrogen werden sollten,
wovon natiirlich bei Emmius nicht die Rede ist.
Wenn Brenneisen weiter im Namen der Zeugen den Beleidig-
ten spielt, so denkt doch kein Mensch, am wenigsten Emmius,
daran, diese als unehrliche Leute hinzustellen. Es konnte ja
*) vgl. fiber denselben die Ausflihrungen im weiteren Verlauf dieses
Paragraphen.
*) Wiarda, Ostfriesische Geschichte II, p. 46.
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vielleicht bei einigem guten Willen jemand diese Konsequenz
aus ihrer Mitwirkung bei der ganzen Sache Ziehen, aber selbst
dann kann doch die Rucksicht gegen all diese Wiirdentrager
den beiden Hauptlingen ein positives Recht nicht zusprechen.
Am unsinnigsten ist der dritte Vorwurf gegen Emmius; eine
Sache, die fur sich nicht zu Recht besteht, kann es doch
durch Brief und Siegel, welche lediglich ihre Thatsachlichkeit
bezeugen, nimmermehr werden, und wenn zehnmal ein „in-
strumentum publicum" dariiber aufgenommen wird!
Brenneisen, Tom. I lib. Ill Nr. 37, bringt den Vertrag zwischen
Ocko von Loquard und Graf Ulrich I. vom Jahre 1460 (Ostfr.
Urkundenbuch I, 753) und bemerkt dazu: „Von diesem Kontrakt
meldet Emmius auch kein einziges Wort und wird dadurch
seine grobe Beschuldigung, lib. 22 p. 337, destomehr1) widerlegt."
Dass Emmius dies nicht erwahnt, wird einfach daran liegen,
dass ihm die betreffende Urkunde nicht zuganglich war.2) Jene
grobe Beschuldigung wird aber auch durch die in der Urkunde
ausgesprochene Thatsache eines giitlichen Vergleichs in keiner
Weise bertihrt. Sie besteht darin, dass Emmius, hist. p. 337,
nachdem er vom Tode Ocko ten Broks im Jahre 1435 berichtet
hat, bemerkt, sein rechtmassiger Erbe ware Brunger von Loquard
gewesen, obwohl Edzard Cirksena die ten Brokschen Gtiter auch
jetzt noch zurtickgehalten habe; er setzt dann hinzu: „Verum
tot praesidia pro Edsardo stabant, potentia, possessio, favor
publicus, consensus multitudinis, ut inter ea perrumpere sola
iuris specie Loquerdani non possent". Nun beweist aber gegen
diese Behauptung der von Brenneisen angeftihrte spatere Friedens-
vertrag von 1460 gar nichts, ebensowenig der dabei erwahnte
vorhergehende Vertrag mit Brunger von Loquard, da dieser auch
bereits mit Ulrich, also nach Edzards Tode (1441), abgeschlossen
ist und somit ftir die Zeit um 1435, um die es sich bei Emmius
p. 337 handelt, nichts besagt. Ausserdem war es Emmius aus
!) Brenneisen verweist auf dieselbe Stelle Tom. I lib. I. cap. 5 § 5.
*) Den gleichen Vorwurf macht Brenneisen dem Emmius haufig,
und zwar teils bei Urkunden von geringem historischen Wert, die Emmius
vielleicht, wenn er sie gekannt hat, als unwichtig ubergangen hat, so
Tom. I lib. Ill Nr. 19 u. 20, Tom. I lib. Ill Nr. 42, Tom. I lib. IV Nr. 4 etc.,
zum Teil auch bei wichtigeren Stucken, die Emmius jedenfalls nicht ge-
kannt hat, wie etwa Tom. I lib. IV Nr. 35 oder Tom. I lib. V Nr. 5.
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einer Urkunde, welche er im „Catalogus magistratuum" erwahnt
(Ostfr. Urkundenbuch I, 495), bekannt, dass Brunger von Loquard
noch 1438 ausdriicklich den Titel „hovetling tho Broke" fuhrte,
also seine Anspriiche auf die ten Broksche Erbschaft noch
keineswegs hatte fallen lassen.
Brenneisen, Tom. I lib. I cap. 9 p. 212, fuhrt den Revers an,
welchen die Emder 1601 dem Grafen Enno dariiber ausstellten,
dass durch die Wasserbauten bei Nesserland seine Rechte in
keiner Weise sollten benachteiligt werden, und macht dann
Emmius den Vorwurf, dass er zwar (Descriptio chorogr. p. 44)
diese Bauten erwahne, nallein von diesem an den Landesherrn
ausgegebenen Revers, der ihm doch nicht unbekannt sein konnen,
gedenket er seiner Gewohnheit nach mit keinem Wort." Selbst
wenn Emmius diesen Revers gekannt hat, was ja gem zu-
gegeben werden mag, so hatte er doch schlechterdings keine
Veranlassung, an jener Stelle darauf einzugehen. Er giebt dort
eine einfache Beschreibung jenes Bauwerkes (das dazu dienen
sollte, die Ems in ihrem alten Bett zu erhalten) und seiner Be-
deutung fur die Stadt, auf irgend welche rechtliche Erorterungen
dabei einzugehen, liegt kein Grund vor, dies wtirde im Gegen-
teil die Einheitlichkeit der Beschreibung nur storen. Der weitere
Vorwurf Brenneisens (Tom. I lib. I cap. 9 p. 214), dass Emmius den
Wappenbrief der Stadt Emden von 1495 verschweigt, weil
daraus die rechtliche Stellung der Stadt zum Grafen von Ost-
friesland hervorgehe, ist nicht zutreffend. Da Emmius die Ur-
kunden niemals im Wortlaut bringt, so hatte er, falls dieser
Grund fur ihn ausschlaggebend gewesen ware, die anstossigen
Worte „unter dem Grafen zu Ostfriesland gelegen" sehr leicht
umgehen konnen.
Brenneisen, Tom. I lib. Ill Nr. 14 p. 61, bringt die Urkunde,
durch welche Edzard von Greetsiel die Norder alten Lande in
seinen Schutz nimmt (1436) (Ostfriesisches Urkundenbuch I, 456),
mit dem Zusatz „womit die Erzahlung des Emmii lib. 22 p. 337
widerlegt wird", und redet dann weiter noch von den „Ver-
falschungen des Emmii". Und das alles, weil aus der Urkunde
hervorgehen soil, dass bei der Huldigung nichts „singulares*
bedungen und keine „special-Zusagetf gemacht sei. Nun lautet
die betreffende Stelle bei Emmius: „Nordani omnes magno
suffragiorum consensu Rectorem ac iudicem perpetuum, vivente
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etiam tunc Hima, hunc eundem (sc. Edsardum) sibi constitue-
runt.a Emmius setzt dann noch die Bemerkung hinzu: „Semper
haec virtutis natura est, ut ament earn homines atque iraperia
ad ipsam deferant." Nach dem Wortlaute der Urkunde selbst
nimmt Edzard jene Lande „ under myne beschermynghe", so
zwar, dass die Einwohner ihr Erbe sollen „unbekummert van
myner wegen vry unde velich myt ghemake bruken." Endlich
verpflichtet sich Edzard, keine Briefe unter des Landes Insiegel
auszustellen ohne Vorwissen der „gude mans". Ausserdem fand
Emmius im Chron. Nord.1) als alteste chronistische Notiz ttber
dies Ereignis: „Anno 1437 concessa est iurisdictio antiquae ac
novae terrae Nordensis Edsardo Ydsinga (Circsena) quoad vita
ei suppeteret", so dass also die Darstellung bei Emmius in
keiner Weise als eine Verfalschung betrachtet werden kann.
Brenneisen, Tom. I lib. V Nr. 26 p. 189 f., giebt einen Ver-
trag zwischen der Grafin Anna und dem Grafen Johann von
Ostfriesland von 1550 wieder, welcher sich ehedem, wohl als
ein Stftck aus der Auricher Beute von 1609,2) in Emmius' Be-
sitz befand. B. macht hier Emmius den Vorwurf, dass er, ob-
wohl im Vertrage nur von einer Besprechung der Grafin mit
ihren R£ten die Rede sei, die Sache so dargestellt habe, als
ob Deputierte aller St&nde zugezogen seien. Nun werden zwar
nach dem Befund von hist. p. 144 f. dem Emmius fiir diese
Verhandlungen jedenfalls auch noch andere Quellen vorgelegen
haben, aber auch abgesehen davon, ist ein Verstoss gegen die
vorliegende Urkunde keineswegs zuzugeben. Wenngleich hier
mehrfach von der Besprechung mit den R&ten die Rede ist, so
wird doch auch von der Grafin ausdriicklich gesagt, sie ver-
handele wegen „Oerer Kinder und Landschup", und letztere wird
mehrfach erwahnt. Dass aber hierbei an irgend eine st&ndische
Mitwirkung zu denken ist, wird deutlich aus dem Ausdruck:
„also dat oere Gnaden und die Rehde Orsake mogen hebben
die Landschup sulckes vorthostellen: Alsdann willen und belaven
Oere Gnaden und die Landschup S. H. thor Dankbarheyd" etc.
Aus dem Gesagten geht zur Geniige hervor, dass man
Emmius den Vorwurf eines unkritischen oder gar unaufrichtigen
l) vgl. cap. VI § 2.
a) vgl. daniber im weiteren Verlauf dieses Paragraphen.
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Verfahrens in der Behandlung des ihm zu Gebote stehenden
urkundlichen Materials nicht machen kann. Wir werden also
hiervon abzusehen und einfach Umfang und Art der von ihm
benutzten archivalischen Quellen festzustellen haben.
Der nachste Eindruck, den wir aus der Historia gewinnen,
lftsst vermuten, dass Eramius zu seiner Darstellung im weit-
gehendsten Masse Urkunden benutzt habe. Die Zahl der im
Texte erw&hnten Urkunden, deren Inhaltsangaben in der Regel
durch den Druck kenntlich gemacht sind, betragt mehrere
Hunderte. Zwar handelt es sich hier zu einem nicht geringen
Teile um solche, welche Emmius aus Chroniken iibernommen
hat,1) doch steht dem auf der andern Seite eine betracht-
liche Anzahl solcher Urkunden gegeniiber, welche zwjir ihrera
wesentlichen Inhalte nach ftir den Gang der Geschichte belang-
los sind, aus denen sich aber doch ein Name, eine Angabe iiber
die Lebenszeit eines bedeutsamen Mannes oder fthnliches ent-
nehmen liess. Ftir den Umfang des Materials, welches Emmius
zur Verfiigung stand, spricht weiter die Thatsache, dass eine
Anzahl der im Ostfriesischen Urkundenbuch (ed. Friedlaender,
Emden 1878) enthaltenen Stiicke uns nur durch Abschriften
von Emmius1 Hand erhalten ist,2) ausserdem ist noch bei vielen
neben andern wenigstens auch auf eine Abschrift oder ein
Regest von Emmius verwiesen.3)
Wie das Groninger Archiv seine Hauptquelle ftir die frie-
sischen Lande westlich der Ems bildete, so lag in Ostfriesland
der Schwerpunkt seiner archivalischen Studien in Emden. Hier
standen ihm zwei umfangreiche Archive zur Verfiigung, das
Ratsarchiv, wie dasjenige der Grossen Kirche. Beide hat er
in weitgehendem Masse benutzt. Ein sch5nes Zeugnis seines
Forscherfleisses bildet ein im Besitz der landschaftlichen Biblio-
thek zu Aurich befindliches Manuskript4) von der Hand des
Emmius, welches die Aufschrift tr>: ^Catalogus, in quo nomina
magistratuum plerorumque, qui apud Emdanos ah anno Christi 1312
rebus praefuerunt, praecipue consulum ac praefectorum, turn etiam
l) vgl. § 4.
*) so Ostfr. U. B. I, 305, 371, G79, II. 951 etc.
3) U. B. I, 254, 278, 390, 403 etc.
*) Mac. Fol. 92.
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civium nonnullorum per seriem annorum ordine digesta sunt, et
Utteris sigUlo munUis aut foederum tabulis similibusque instrumen-
ts, coUectus ab Ubbone Emmio anno aerae Christianae 1591 mense
Novemb.* Hier finden sich die Namen der Ratsglieder, Amt-
leute, Drosten und sonstiger angesehener Personen x) wesentlich
auf Grund der Bestande der beiden genannten Archive zu-
sammengestellt. Haufige Hinweise auf die Urkunden, denen
die betreffenden Namen entnommen sind, lassen uns von dor
Fiille der zu diesem Zwecke verwerteten Archivalien ein deut-
liches Bild gewinnen. Die im Catalogus gegebenen Regesten,
sowie gelegentliche Hinweise, lassen mit Sicherheit auf 224
Originalurkunden schliessen. Ausserdem sind in 77 Fallen auf
Grund urkundlicher Nachrichten Namen angefilhrt, doch ohne
dass sich fiir diese bestimmte Urkunden als Quellen nachweisen
lassen. Von ersteren aber lassen sich, soweit sie in die Zeit
vor 1500 fallen, auf Grund des Ostfriesischen Urkundenbuches,2)
16 mit Sicherheit auf das Emder Ratsarchiv, bezw. das Emder
Stadtbuch, was in diesem Falle dasselbe besagen will, zurttck-
fiihren, 46 dagegen auf das Archiv der Grossen Kirche zu
Emden.3) Bei der uberwiegenden Mehrzahl aber lasst sich die
Herkunft nicht mehr feststellen, weil sich die betr. Urkunden
jetzt nirgends mehr, weder im Original, noch in der Abschrift,
vorfinden, doch werden wir im Ganzen schwerlich fehlgehen
mit der Annahme, dass sich auch diese vorwiegend auf die
beiden genannten Emder Archive werden verteilt haben. Manche
von diesen, sonst nicht mehr nachzuweisenden Urkunden sind
f) Diese urkundlich feststehenden Namen und Daten bildeten dann
das Gerust fur seine Geschichtsdarstellung jener Zeit. Nach ihnen be-
stimmt er die Glieder der Emder H&uptlingsfamilien, die Emder Biirger-
meister, die Hamburgischen Amtleute in Emden etc. Ueber ein kleines
Versehen, das ihm bei der Namensbestimmung eines der letzteren be-
gegnet, vgl. Nirrnheim, Ostfriesland und Hamburg in der ersten Hftlfte
des 15ten Jahrhunderts, p. 89.
*) U.B.I: 319, 489, 512, 658, G91. II: 899, 1096, 1114, 1116, 1117,
1162, 1227, 1314, 1398, 1414, 1545.
*) U.B.I: 496, 553, 554, 555, 582, 598, 612, 656, 693, 703, 707, 724,
756, 787, 799, 800, 803, 821, 822, 826, 839, 866, 877, 888. II: 907, 934, 963,
975, 1000, 1034, 1085, 1119, 1120, 1153, 1172, 1175, 1206, 1211, 1248, 1258,
1281, 1.331, 1337, 1392, 1579.
Jahrbnch der Gosellsch. f. b. K. u. vatorl. ^ttertumdr zu Emden, Bd. XV. 4
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in den von Emmius im Catalogus gegebenen Regesten in das
Ostfriesische Urkundenbuch tibernommen;1) warum dies nicht
bei alien der Fall ist, erhellt nicht.
Bei der damaligen Lage der Dinge musste dem Emmius
das gr&fliche Archiv verschlossen bleiben, und er h&tte damit
eine Anzahl der wichtigsten Dokumente zur Geschichte des
Landes und seines Herrscherhauses entbehren mflssen. Nun
kam ihm nach dieser Richtung ein ausserer Zwischenfall zu
Htilfe, welcher ihm gestattete, wenigstens in einen Teil jener
sorgsam verschlossenen Urkundenbest&nde Einblick zu ge-
winnen. Im Jahre 1609 hatten im Verlauf der st&ndischen
Wirren Emder Truppen die Auricher Burg eingenommen und
als Kriegsbeute nicht nur das Inventar jener Burg, sondern
auch einen nicht unerheblichen Teil des dort aufbewahrten
graflichen Hausarchivs mitgenommen. Die Urkunden kamen
zun&chst in den Besitz des Emder Magistrats. Nun wurden
dieselben zwar spater zum grossten Teil dem rechtm&ssigen
Besitzer zurtickgestellt, doch reichte die Zwischenzeit immerhin
aus, um Emmius, dem Vertrauensmanne des Emder Magistrats,
einen wertvollen Einblick auch in die spater zurflckgegebenen
Stiicke gew&hren zu kdnnen. Es ist bereits darauf hingewiesen,
dass Emmius aus den in Aurich geraubten Archivalien die den
damaligen Kanzler Thomas Frantzius schwer kompromittierende
Staatsschrift „Getreuwer Rat etc." ver6ffentlichte. Dass aber
bei Emmius neben dem politischen Zwecke auch die Gelegen-
heit zur Vervollstandigung seiner historischen Arbeiten nicht
unbenutzt blieb, versteht sich von selbst. Wie weit sich aber
diese Benutzung des graflichen Archivs erstreckt haben mag,
ist schwerlich genau nachzuweisen.
Einen festen Ausgangspunkt mogen uns hier ein paar Briefe
des Grafen Enno von Ostfriesland an seinen Vater bieten.2) Der
eine ist datiert Friesoythe den 23. August 1686 und ent-
h< die Nachricht, dass die beabsichtigte Zusammenkunft mit
») U. B. I: 284, 286, 332, 369, 374, 378, 404, 424, 462, 479, 495, 575,
579, 606, 616, 617, 631, 666, 694, 708, 859. II: 909, 945, 966, 1083, 1126,
1181, 1301, 1340.
*) Dieselben finden sich unter den zu Mscr. A. 4. des kgl. Staats-
archivs zu Aurich gehdrenden Notizblattern des Emmius.
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- 51 —
dem Grafen von Oldenburg nicht stattgefunden hat, Graf Enno
vermutet, dass sie durch Hajo Manninga vereitelt worden sei.
Der zweite Brief, vom 1. November 1591 aus Halle, spricht von
eincr Reise nach Polen, sowie von der Moglichkeit, dorther in
einer nicht naher bezeichneten Angelegenheit Hiilfe zu erhalten.
Der Charakter der Briefe spricht dafiir, dass sie nur auf dem
beschriebenen Wege aus dem graflichen Archiv in Emmius'
Hande gelangt sein konnen. Es ist demnach anzunehmen,
dass auch die mit diesen Schriftstucken zugleich gegebenen
Abschriften und Regesten auf dieselbe Quelle zuriickzufflhren
sind. Eine Abschrift des Vertrages zwischen Gustav Wasa
und der Grafin Anna vom 28. Januar 1557 l) ist von fremder
Hand geschrieben, enthalt aber Ueberschrift und Bemerkungen
von Emmius1 Hand. Weiter finden sich hier von Emmius selbst
einige Angaben aus dem Testamente des Grafen Christoph von
Ostfriesland, d. d. Rastede 22. Juni 1566, mit der Bemerkung :
nHaec notavi ex authographo origincUi in patenti charta scripto, ita
ut chartae latus utrimque sit scriptura cotnpletum etc.u Dazu
kommen noch Regesten von einigen Urkunden: 1415 Vertrag
zwischen Keno ten Brok und den Groningern; 1442 Friede
zwischen den Oestringern und Ulrich I., sowie kaiserliche
Lehnsbest&tigungen ftir verschiedene Glieder des Hauses Cirk-
sena aus den Jahren 1495, 1521, 1528, 1558 und 1592, und
endlich ein Vertrag der Grafen Enno und Johann mit der
K5nigin Maria vom 17ten Oktober 1536. Dass ihm ausserdem
noch viele aitere Originalurkunden aus dem graflichen Archiv
vorgelegen haben, ist durchaus wahrscheinlich. Wenn es
gilt, einige derselben zu bestimmen, werden zun&chst alle die-
jenigen auszuscheiden sein, welche ihm durch Eggerik Beninga
bekannt sein konnten.2) Wo sich Notizen aus derartigen
Urkunden finden, muss unerGrtert bleiben, ob sie auf die
Originale oder auf die genannten Kopien zuriickzufiihren
sind. Einige hiernach von Emmius jedenfalls im Original be-
nutzte Urkunden mogen hier nach der Numerierung des Ost-
friesischen Urkundenbuches folgen : U. B. I Nr. 299 (Em. hist.
l) Emmius hist. p. 954.
') so z. B. U. B. I 513 = Eg. Beninga p. 309 (Emmius hist p. 349),
U. B. I 791 = Eg. Beninga p. 359 (Emmius hist. p. 388).
4*
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— 52 -
p. 286), 658 (Em. hist. p. 370 f.),1) 763 (Em. hist. p. 385), ,
790 (Em. hist. p. 389), U. B. II Nr. 1054 (Em. hist. p. 420).
1361 (Em. hist, p/461 f.),2) 1447 (Em. hist. p. 529), 1490 (Em. hist,
p. 535). Ausserdem wird Emmius wohl auch hierher den Schutz-
brief Ocko ten Broks fur das Klosterlhlo vom Jahrel378 erhalten
haben. Da dieser Emmius noch im Original vorlag,8) zu Wiardas
Zeiten aber bereits verloren war,4) so wird er unter die Schrift-
stticke zu z&hlen sein, welche seiner Zeit bei Ruckgabe der Archi-
valien an den Grafen Enno zurtickbehalten sind.5)
Schon die genannten Best&nde stellten Emmius ein far
jene Zeit ungewohnlich umfangreiches urkundliches Material
zur Verftigung. Eine nennenswerte Erganzung aber erfuhr dies
noch dadurch, dass Emmius durch Beziehungen zu verschiedenen
ostfriesischen Adelsgeschlechtern in den Stand gesetzt wurde,
auch deren Archive zu verwerten. Die deutlichste Spur weist
uns hier nach Grimersum. Durch das Entgegenkommen zweier
Glieder des Beningaschen Hauses6) war ihm bereits die damals
noch ungedruckte Chronik Eggerik Beningas zur Benutzung
!) u. *) Fiir beide standen Emmius auch Abschriften auf dem Emder
Ratsarchive zur Verfugung, doch muss er auch die Originale zur Hand
gehabt haben, da er in den Kollektaneen eine Beschreibung der Siegel giebt.
•> Emmius hist. p. 214: quae etiam nunc superest.
4) Wiarda, Ostfr. Gesch. I p. 331.
• 5) Ausser den genannten Stucken besass Emmius u. a. noch, wahr-
scheinlich gleichfalls aus der Auricher Beute, einen Brief, welchen Menso
Alting am llten Dezember 1592 an den spateren Grafen Enno III. ge-
schrieben hatte. Alting bittet hier den Grafen urn seine Verwendung bei
Edzard U. in Betreff der durch die Predigten des Lutheraners de Prato
auf der neuen Miinze aufs neue entfachten konfessionellen Wirren in
Emden. In der ungedruckten Brenneisenschen Kirchengeschichte findet
sich zur Inhaltsangabe dieses Briefes die Bemerkung: „ dieser Brief ist
unter Emmius' Briefschaften gewesen." (p. 817 des auf dem Staatsarchiv
in Aurich befindlichen Exemplars.) Immerhin kflnnte es sich hier auch
um eine von Alting selbst an Emmius iibersandte Abschrift handeln.
Hierfur wiirde vielleicht die Thatsache sprechen, dass Emmius auch die
beiden zwischen Alting und Selneccer gewechselten Schriften — - doch
jedenfalls durch Alting — besass, vgl. dariiber Tiaden, Gel. Ostfr. I p. 158;
die hierfur als Quelle angefuhrte Stelle aus Brenneisen findet sich ubrigens
in dem Mscr. des Staatsarchives zu Aurich an dem entsprechenden Orte
p. 781 (nach dem von Tiaden citierten Exemplar p. 955 56) nicht.
•) M5hlmann (a. a. 0. p. 01) scheint dies mit Recht aus der Vorrede
zur ereten Dekade von 1592 (Em. hist p. 3) zu folgern. Wahrscheinlich
sind Eggerik und Jost B , des Chronisten Enkel, gemeint.
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— 53 —
uberlassen. Ein direktes Zeugnis fiir die Benutzung einer Ur-
kunde auf dem Grimersumer Hause giebt Emmius1) selbst bei
der Nachricht, dass Jmel von Osterhusen im Jahre 1426 Grimer-
suiii, Wirdum und Jennelt in Eid und Pflicht genommen habe.2)
Er fiigt hier die Bemerkung hinzu: „extantibus ea de re etiam
nunc solennibus litterarum tabulis, quae apud posteros Jmelonis
conservantur.* Dass Emmius sich nicht auf die Einsicht in
diese einzige Urkunde beschrankt hat, ist naturlich. Es lasst
sich denn auch in der That unter den von Emmius benutzten
Urkunden eine ganze Anzahl auf das Grimersumer Archiv
zuriickfiihren. Ein Verzeichnis der im Jahre 1732 auf dem
Hause zu Grimersum vorhandenen Urkunden8) giebt uber die
damaligen Bestande des Grimersumer Archivs besseren Auf-
schluss, als solcher in der Regel von anderen Archiven aus jener
Zeit zu gewinnen ist. Hiernach lasst sich die Identitat einer
Reihe von Urkunden, welche Emmius benutzt hat, feststellen.
In der folgenden Uebersicht sind dieselben nach den Nummern
des Ostfriesischen Urkundenbuches und den Nummern jenes
Verzeichnisses einander gegenubergestellt: U. B. I, 340 = Fasc. I
Nr. 8 (Em. hist. p. 297); U. B. I, 395 = Fasc. II Nr. 17, U. B. I,
475 = Fasc. II Nr. 20, U. B. I, 501 = Fasc. II Nr. 21, U. B. I,
366 = Fasc. I Nr. 11 (Em. hist. p. 306); U. B. I, 373 = Fasc. I
Nr. 12 (Em. hist. p. 318); U. B. I, 385 = Fasc. I Nr. 14. Die
drei letzten Urkunden finden sich in einer Sammlung von
Urkundenabschriften bezw. -auszugen, welche, obschon sie sich
nach dem Verzeichnis als Grimersumer Urkunden nicht fest-
stellen lassen, doch fast ohne Ausnahme Beziehungen zur
Allena-Beningaschen Familie aufweisen. Es sind dies folgende:
U. B. I 137 (Em. hist. p. 216), 205 (Em. hist. p. 249), 558 (Em.
hist. p. 352), 336 (Em. hist. p. 295 f.), 344 (Em. hist. p. 302 f.),
362 (Em. hist. p. 302), 390 (Em. hist. p. 323). Es liegt somit
die Annahme nahe. dass Emmius auch diese Stiicke auf
dem Grimersumer Archiv benutzt hat. In welche Zeit diese
Benutzung f&llt, lasst sich nicht feststellen, zumal auch die
zwei Briefe von Emmius1 Freund Aeibo Jnen,4) welche Nach-
') Em. hist. p. 297.
*) U. B. I 340.
3) Im Besitz des Verfassers; vgl. Jahrbuch Bd. XIV p. 515.
♦) vgl. cap. X § 3.
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— 54 —
richten iiber FamilienangehOrige der Burgherm von Grimersum
enthalten, undatiert sind. Einen sicheren Hinweis in dieser
Beziehung enthalten dagegen einige Urkundenabschriften, die
oflfenbar aus dem Archiv der Oldersuraer Burg stammen. Von
diesen tr> eine die Bemerkung: ndescr. verbotenus ex principals
in mtmbr. ezar. ao. 1591 d. 17. Sept." Es handelt sich hier im
Ganzen nur um 7 Urkunden, und zwar: U. B. I 773 (Em. hist,
p. 387), 774 (Em. hist. p. 387), U. B. II 979, sodann der Vertrag
der Gr&fin Theda mit den Kindern Wiards von Oldersum 1465
(Em. hist. p. 390), die Testamente Wiards des Jiingeren 1506
und Ailts von Oldersum 1508, und endlich eine Urkunde
Edzards des Grossen vom Jahre 1524, in der er sich seiner
Ansprttche auf Oldersum begiebt.
Es ist mGglich, dass Emmius auch einige Urkunden aus
der Kankenaschen Burg zu Dornum benutzt hat. Hierauf scheint
besonders der Umstand hinzudeuten, dass ihm zwei auf Dornum
beziigliche Schriftstiicke: U. B. I 576 und 634 nach seiner eigenen
Bemerkung im Original vorgelegen haben. Ausserdem hat er
einige Klageschriften von Gliedern der Kankenaschen Familie
iiber das ihnen von den H&uptlingen von Esens zugefugte Unrecht
vor sich gehabt. Diejenige des Hicco von Dornum beschliesst1)
er mit den Worten: nHaec omnia ex authographo Hicconis Dor-
numani." Hieran schliesst sich eine Abschrift des Vertrages,
den Onna von Rietberg, die Erbin von Esens, im Jahre 1540
mit der Stadt Bremen abschloss, dieser aber tragt die Be-
merkung: „descripsi ex authographo adiuncto scriptis superioribus
Hicconis Dornumani" Da nun aber das Original jenes Ver-
trages sich schwerlich in Dornum befunden haben kann, so
werden wir es auch bei den Klageschriften mit den nach Esens
eingesandten Exemplaren zu thun haben. Ob dem Emmius
nun diese Schriftstiicke in Esens zuganglich waren, oder ob
sie etwa sp&ter als ein Teil der Auricher Beute von 1609
in Emmius1 Hande gelangt sind, mag dahingestellt bleiben.
Dass Emmius ausserdem noch Urkunden anderer ostfrie-
sischer Burgen benutzt hat, beweist ausser den zahlreichen Ur-
kunden, deren Herkunft sich nicht mit Sicherheit feststellen lasst,
u. a. der Umstand, dass Emmius eine Urkunde Ulrichs I. aus dem
l) Emmius entnimmt ihr besonders genealogische Notizen iiber die
beteiligten H&user aus der Zeit von 1457—1543.
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- 55 —
Jahre 1466 l) mit der Bemerkung anfiihrt nex authographo Midlu-
mano.u Nun lasst sich tiber eine sonstige Benutzung von
Midlumer Urkunden nichts nachweisen, zumal uns auch die
Kunde dariiber fehlt, was damals auf der Burg zu Midlum
vorhanden gewesen sein mag. Jedenfalls aber erweckt doch
diese gelegentliche Angabe den Eindruck, dass die archivalischen
Quellen, welche Emmius in Ostfriesland zu Gebote standen, auch
mit den genannten schwerlich erschOpft sein werden. Wenn
endlich Bartels 2) unter den archivalischen Quellen des Emmius
BBriefschaften der adligen Hauser Upleward und Loquard" an-
ftihrt, so findet sich zwar ein direkter Hinweis auf diese weder
in der Historia, noch in den Kollektaneen, doch wird in letzteren
eine Anzahl von Nachrichten aus Urkunden gegeben, welche
zu den genannten Hausern deutlich in Beziehung stehen.8)
Aber auch abgesehen von diesen immerhin nicht direkt nach-
weisbaren Quellen beweist dasjenige, was sich mit Sicherheit
uber Emmius1 Verh<nis zu den verschiedenen Ostfriesischen
Archiven darthun lasst, dass die Urkundenbenutzung der Historia
eine wesentlich andere ist, als uns etwa Brenneisen und Mohl-
mann glauben machen wollen.
§ 2. Das Langener Copialbuch.
Von den Chroniken der zahlreichen ostfriesischen Kloster
ist uns ausser einem Bruchstiick der Chronik des Norder Domini-
kanerklosters nichts Wesentliches erhalten. Dagegen ist wenig-
stens etwas der Art auf uns gekommen in dem Kopialbuche
des Klosters Langen oder Blauhus, welches ausser zahlreichen
Urkundenabschriften und -auszttgen zugleich auch chronistische
Notizen enthalt. Da es einzig in seiner Art dasteht, ist dies
fiir die ostfriesische Geschichtsforschung nattirlich um so wert-
voller. Das Buch findet sich auf dem Kgl. Staatsarchiv zu
Aurich.4) Nachdem bereits Suur5) auf dasselbe verwiesen hatte,
') U.B.I, 840.
') Jahrbuch der Gesellschaft fiir bildende Kunst etc. zu Emden
Band VI, Heft 1, p. 32.
•) so z. B. die aus Emmius* Angaben iibernommene Urkunde U: B. 1, 284.
*) Mac. A. 88.
*) Hemmo Suur: Die Kloster Ostfrieslands p. 43.
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— 56 —
ist es mit einer entsprechenden Einleitung auszugsweise in
der historischen Zeitschrift ftir Niedersachsen Jahrgang 1862
p. 262 ff. verSffentlicht worden. Die in der Handschrift ent-
haltenen Urkunden bis zum Jahre 1500 sind im Ostfriesischen
Urkundenbuch abgedruckt. Bei der Einzigartigkeit des Buches
ist die Thatsache, dass Emm i us dasselbe gekannt und ver-
wertet hat, um so bedeutsamer. Vielleicht war es schon zu
seiner Zeit neben dem Gtiterverzeichnisse jenes Klosters l) und
der erw&hnten Norder Chronik der einzige Rest von derartigen
Aufzeichnungen ostfriesischer Klosterangehoriger.
Emraius bezeichnet das Copialbuch als ^registrwn litterarum
coenobii Langensis sen Blauhus." Er scheint es auch in der That
ausschliesslich als registrum litterarum, als Urkundensammlung,
angesehen zu haben. Folgende auch im Urkundenbuch wieder-
gegebene Stficke sind bei ihm tibernommen bezw. benutzt:
U. B. I Nr. 77, 79, 124, 164, 513, 608. U. B. I 1072, 1312,
1326, 1580. Von anderweitigen Nachrichten dagegen hat er
nur die vom Tode des Hauptlings Enno von Larrelt im Jahre
1407 tibernommen,2) wahrend er dagegen die zwischen den Ur-
kunden eingestreuten Nachrichten fiber die Pest von 1335, die
Befestigung von Oldersum, den Brand von Larrelt, die Hungers-
not des Jahres 1492 u. a. unberticksichtigt lasst. Auf welche
Weise die Handschrift dem Emmius tiberhaupt zug&nglich ge-
wesen ist, wird sich kaum feststellen lassen.
§ 3. Das Archiv zu Groningen.
Bei seiner Uebersiedelung nach Groningen eroffnete sich
Emmius ein neuer weiterer Gesichtskreis. Die Beziehungen
zu geistig hervorragenden und wissenschaftlich bedeutsamen
M&nnern boten ihm Anregungen, welche ihm sein Heimatland
und vor allem der kleine Flecken Leer nicht zu geben ver-
mochten. Auch an Geschichtsquellen stand ihm hier ein ganz
anderes Material zur Verfugung. Namentlich aber war es das
l) abgedruckt im Jahrbuch der Gesellschaft f. b. Kunst etc. in Emden
Bd. II, Heft 1, p. 19.
a) Emmius hist. p. 249.
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— 57 —
Groninger Archiv, welches fiir den Fortgang seiner historischen
Forschungen von der grossten Bedeutung werden sollte. Hier
genoss er zum ersten Mai den Vorteil, an der Statte seiner
Wirksamkeit selbst eins der fiir die Landesgeschichte wichtig-
sten Archive zur Verfugung zu haben. Der Groninger Magistrat
gab ihm die Erlaubnis zu uneingeschrankter Benutzung, und
Emmius hat die fiir seine Zeit bewundernswerte Liberalitat
jener Behorde durchaus gerechtfertigt. Er selbst kommt ein-
mal in der Historia auf seine Thatigkeit im Groninger Archiv
zu sprechen1) und bemerkt, nachdem er eine Urkunde dorther
angefuhrt hat: »Quae ut reciiata a me sunt, ita in vetustis tabulis
comprehensa servantur in reip. Groninganae chartophylacio, unde haec,
ut plurima alia, cum fide transscripta.u 2) Besser aber als dieser
bescheidene Hinweis des Verfassers zeugt fiir die Art, wie Ubbo
Emmius die Schatze des Groninger Archivs zu nutzen ver-
standen hat, der Inhalt der „ Historia rerum Frisicarum" selbst.
Es ist eine erfreuliche Thatsache, dass gerade die neuesten
Forscher, welche ihr Studium auf das Verhaltnis zum Gro-
ninger Archiv fOhrte, sich iiber diesen Teil von Emmius1 Thatig-
keit durchaus anerkennend aussern. Sperling bemerkt in seiner
Schrift „Herzog Albrecht der Beherzte von Sachsen als Guber-
nator Frieslands"3): „Gerade fur imsere Zeit ist Emmius ein
glaubwlirdiger Gewahrsmann, um so mehr, als er auch die in
Groningen vorhandenen Archivalia benutzt hat." In gleichem
Sinne spricht sich Nirrnheim in der Vorrede zu seinem Buche
jjOstfriesland und Hamburg in der ersten Halfte des 15ten Jahr-
hunderts" aus: „Von letzteren (sc.friesischenGeschichtschreibern)
war besonders Emmius heranzuziehen. Fiir die hier behandelte
Periode wenigstens kann ich durchaus nicht dem harten Urteil
') vgl. dazu ausserdem noch die bei Mohlmann a. a. 0. p. 04 f. an-
gefuhrten Stellen.
»j Ebenso weist Emm. hist. p. G84 auf seine Benutzung des Gro-
ninger Archivs hin, wenn er dort eine Reihe von Nachrichten mit den
Worten einleitet: Ex cliartis reip, huius cognosco. Die betr. Nachrichten be*
Ziehen sich auf den bei der Verhaftung einiger angeblichen Verrftter zu
Leeuwarden'1512 entflohenen Tiardus Moccama und setzen die Bekannt-
schaft mit einigen in dieser Sache von dem sachsischen Statthalter, dem
Grafen von Bentheim, und dem Kaiser Maximilian an den Groninger
Magistrat gerichteten Schreiben voraus.
*) Programm des Kgl. Gymnasiums zu Leipzig 1892 p. 1 Anm. 1.
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— 58 —
beistimmen, welches Mdhlmann in seiner Kritik der friesischen
Geschichtschreibung liber diesen Mann gefallt hat. Sehr oft,
wo ich seine Berichte mit urkundlichen Nachrichten vergleichen
konnte, erwies er sich als vollkommen zuverl&ssig; besonders
hinsichtlich der Verhaltnisse Groningens, dessen Archiv er
fleissig benutzt hat, wird man ihm im allgemeinen durchaus
trauen dflrfen."
Da auf der einen Seite in den Papieren des Eramius
Urkundenabschriften und -regesten aus dem Groninger Archiv
nicht eben h&ufig sind und uns dazu nattirlich sichere Kunde
fiber das, was zu Emmius' Zeiten im Groninger Archiv vor-
handen war, fehlt, so ist ein stringenter Nachweis fur einzelne
bestimmt benutzte Urkunden nur in beschranktem Masse zu
ftihren. Es wiirden hier etwa folgende Sttlcke in Betracht
kommen: Ostfr. Urkundenbuch I, 301, 302, 367, 745, ausserdem
die Best&tigungsurkunde filr die Rechte Groningens durch Albert
von Baiern 1364 (Em. hist. p. 207: quod testantur litterae cum
sigillo etiatn nunc incolumes), der Vertrag zwischen Ocko ten Brok
und Genossen und den Schieringern vom 15. Sept. 1420 (Em.
hist. p. 281); derselbe findet sich zwar auch bei Eg. Beninga
p. 208, sowie bei Worp v. Thabor IV und Sicke Benninge, doch
giebt ihn Emmius in den Kollektaneen mit dem ausdrflcklichen
Zusatz: „ Litterae aputl Gron. conservantur" , ferner: Vertrag
Ulrichs I. mit Groningen 1457 (Em. hist. p. 376: „lit. orig. vidia);
Vertrag zwischen Groningen und Hamburg 1437 (Em. hist. p. 341);
Vertrag zwischen Albert von Sachsen und der Stadt Groningen
vom 21. August 1500 in einem Transsumpt von 1552 (Em. hist,
p. 601: nextat Groningae in curia"); gedrucktes Exemplar der
Reichsacht ftir Groningen 1505 (Em. hist. p. 635: „Extans in
curia Groningana"). Ausserdem ein Schreiben Edzards des
Grossen von 1524, wegen rttckstandiger Steuern: „L#. sunt in
curia Gron.u, sowie zwei Urkunden Karls V. ftir Groningen, Zoll-
streitigkeiten mit Emden betreffend, von 1551 u. 52: „vwK origi-
nalia in curia.11
Nun hat aber bereits Sperling darauf hingewiesen, dass
fiir Groninger Verh<nisse nach dem Ausweise der Historia eine
ganze Reihe von Korrespondenzen und Urkunden benutzt sein
mttsse, welche sich in seinen Quellen nirgends finden, also
wohl mit Sicherheit auf das Archiv zu Groningen werden zuruck-
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— 59 —
zufuhren sein, obgleich sie sich zum Teil in den auf unsere
Tage gelangten Best&nden desselben nicht mehr vorfinden. Er
fuhrt von derartigen Schriftstiicken an: zwei Briefe Edzards
an den Groninger Magistrat1) d. d. Cal. Dez. 1495 und IX Cal.
Feb. 1496 (Em. hist. p. 547), die Berichte der beiden Gesandten
Hermann Held und Egbert Koning, sowie des Rats der Stadt
Kampen2) fiber die im Jahre 1497 gegen Bolsward heran-
ziehenden fremden Knechte (Em. hist. p. 551). Weiter den
Brief des Erzherzogs Philipp an die Groninger Gesandten, so-
wie einen gleichzeitigen von Albrecht von Sachsen an den
Bischof von Utrecht von 1499,8) welchen wir noch das an
gleicher Stelle von Emmius erwahnte Begleitschreiben fiir beide
Briefe an den Groninger Magistrat hinzufugen konnen (Em. hist,
p. 576). Endlich ist dahin wohl auch der Brief Maximilians
an die Groninger4) vom 14ten April 1500 zu z&hlen (Em. hist,
p. 595). Ferner erwahnt Sperling an Urkunden die Instruktion
fiir den bald nach Absendung dieses Briefes in Groningen an-
langenden Gesandten Georg von Thurn5) (Thorenius), Em. hist,
p. 595, den Vertrag der Groninger mit ihrem Feldhauptmann
Ulrich von Dornum 1599 6) (Em. hist. p. 584), und sodann ein
noch jetzt in Groningen im Original vorhandenes Stack, den
Bericht Schaumburgs an den Grafen Edzard iiber die Verhand-
lungen zu Vullenhove7) am 9ten August 1498 (Em. hist. p. 567).
Dies Verzeichnis von Urkunden, welche Emmius aller Wahr-
scheinlichkeit nach auf dem Archive zu Groningen benutzt hat,
lasst sich leicht auch iiber den von Sperling bearbeiteten Zeit-
raum hinaus ausdehnen. Eine Aufzahlung im einzelnen wtirde
hier zu weit fiihren, es mag daher lediglich durch Angabe der
Seitenzahl in der Historia auf eine Anzahl von Urkunden uber
Groninger Verh<nisse verwiesen werden, welche jedenfalls
hierher werden zu zahlen sein. Es sind dies u. a. folgende:
Emm. hist. p. 191, 204, 206, 214, 217, 219, 223, 225, 248, 262,
a. 0. p. 5.
') Sperling a.
*)P.
7.
»)P.
23.
4)P.
43.
ft)p.
43.
•)P.
36.
OP-
19.
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- 60 —
208, 270, 309, 310, 335, 342, 345, 353, 357, 369, 364, 365, 381,
392, 399, 403, 404, 429, 431, 433, 441, 453, 455, 463, 481, 484,
485, 486, 494, 496, 515, 522, 523, 542, 543, 569, 572, 573, 624,
733, 745, 755, 762, 780, 827. Die gegebenen Zahlen vermogen
natiirlich nur ein annaherndes Bild von dera Umfang der bei
Emmius verarbeiteten Groninger Urkunden zu geben. Die An-
zahl liesse sich noch bedeutend vermehren urn viele Urkunden,
deren Benutzung gleichfalls moglich ist, wenngleich fiir sie
nicht derselbe Grad von Wahrscheinlichkeit besteht, wie bei
den genannten. Bei den genannten ist es natiirlich auch nicht
ausgeschlossen, dass Emmius die eine oder die andere nur
durch Vermittelung einer fiir uns verlorenen Groninger Chronik
erhalten hat, docb wiirde es sich hier wohl immer nur um
einzelne Stiicke handeln konnen, im allgemeinen kann das
Resultat der Untersuchung dadurch schwerlich alteriert werden.
§ 4. Aus Chroniken ttbernommene Urkunden.
Dass Emmius tiberhaupt aus Chroniken Urkunden tiber-
nommen hat, deren Originale ihm nicht vorgelegen haben, ist
schon angesichts der Thatsache, dass er in der Historia mehrere
Hundert Urkunden ihrem Inhalte nach anfiihrt, durchaus wahr-
scheinlich. Bei den damaligen Verhaltnissen war es, trotzdem
Emmius eine relativ so grosse Anzahl von Originalurkunden
benutzen konnte, ein Ding der Unmtiglichkeit, dass er sich Ein-
sicht in die Originale aller von ihm verwandten Urkunden ver-
schafft hatte. So musste er sich fiir manche Urkunden mit
dem Texte begntigen, welchen ihm die Chroniken seiner Zeit zu
bieten vermochten. Da Emmius in der Regel nur den wesent-
lichen Inhalt, niemals aber den Wortlaut der Urkunden wieder-
giebt, so tritt jener Nachteil kaum hervor.
Wo Emmius aber imstande war, zu der Abschrift aus einer
Chronik auch das Original zu vergleichen, hat er dies sorg-
faltig gethan. Einen Beleg hierfur bietet der Vertrag Albrechts
von Sachsen mit der Stadt Groningen vom 21. August 1500.
Der Wortlaut desselben war Emmius nach Sicke Benninge1)
bekannt. Nun fand er bei Durchsicht des Groninger Archivs zu-
*) ed. Brouerius v. Nidek p. 61.
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- 61 -
nachst ein Transsurapt jenes Vertrages vom 27. Juni 1552 ; er
erganzte hieraus den bei Benninge fehlenden Passus iiber die
Verbfindeten Albrechts, besonders den Grafen Edzard. Am
21. Februar 1598 endlich hat dann Emmius auf dem Groninger
Archive auch das Original in Handen gehabt und bemerkt
dariiber: „quod istic vidi et cum his contuli, respondent omnia."
Zudem war auch in Groningen noch die erste Festlegung
der Vertragspunkte vorhanden, tiber welche Emmius in den
Kollektaneen folgendes bemerkt: »Extat Groningae in curia
charta, in qua capita transactionis nuda his ipsis verbis sine prae-
fatione ac conclusione in mundum relata continentur, sigillo parvo
et manu ipsius Alberti iuxta sigillum, qui rudibus characteribus
nomen solum suum Albrecht cxaravit, item nominibus Groningensibus,
qui cum eo nomine reipubl. egerunt propriis quoque manibus script is
subsignata} primae fidei causa hoc modo:
Albrecht Egbert Koning
(L S) Koleff Ulger.
* ' Luddeke Hornken.
Ex hac charta deinde instrumentum confectum. Subsignatio in
charta habetur eodem die, qui in instrumento principali notatus,
scil 21 Aug. an. 1500*. Auf Grund dieses Schriftstiickes be-
richtet Emmius dann auch in der Historia von einer doppelt.cn
Ausfertigung des Vertrages.
Fiir Emmius kommen, soweit sich dies noch feststellon
lasst, als Quellen fiir Urkunden hauptsftchlich drei Chroniken
in Betracht, diejenigen von Eggerik Beninga und Sicke Benninge,
sowie die Chronik von Worp von Thabor. Auch hier hat
er, wo ihm eine mehrfache Ueberlieferung fttr eine Urkunde
zu Gebote stand, die Texte unter einander verglichen, um so,
in Ermangelung eines Originals, wenigstens eine moglichst zu-
verl&ssige Textrezension zu erhalten. Es mag hier eine kurze
Uebersicht tiber die von Emmius aus Chroniken iibemommenen
Urkunden folgen, und zwar in der Weise, dass zur Bezeichnung
derselben die betr. Seite der Historia angegeben ist, wo sie
sich vorfindet, w&hrend die Quelle in Klammern daneben ge-
setzt ist: Em. hist. p. 71 (Eg. B. 74 f.), 149 (Worp III), 174
(Eg. B. 122), 180 (Worp III), 192 (Worp III), 216 (Eg. B. 157),
247 (Eg. B. 173), 249 (Eg. B. 177), 253 (Worp IV), 258 (Worp IV),
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— 62 —
268 (Eg. B. 195, Worp IV), 281 (Eg. B. 208, Worp IV, Sicke B. 103),
290 (Eg. B. 225), 295 (Eg. B. 235), 297 (Eg. B. 231), 302 (Eg.
B. 249), 306 (Eg. B. 253), 318 (Eg. B. 256), 320 (Eg. B. 258),
322 (Eg. B. 265 u. 277), 323 (Eg. B. 262), 328 (Eg. B. 282), 332
(Eg. B. 288), 332 (Eg. B. 289), 346 (Eg. B. 303), 349 (Eg. B. 309),
352 (Eg. B. 312), 360 (Worp IV), 373 (Eg. B. 334), 388 (Eg. B.
359), 394 (Sicke B. p. 6), 427 (Eg. B. 377, Worp IV), 439 (Worp IV),
475 (Worp IV), 480 (Worp IV), 489 (Worp IV), 550 (Worp IV),
556 (Eg. B. 438, Worp IV, Sicke B. 38), 562 (Eg. B. 456), 601
(Sicke B. 51), 636 (Sicke B. 90), 663 (Eg. B. 501), 668 (Sicke B.
177), 683 (Worp V, Sicke B. 198), 696 (Sicke B. 209), 743 (Worp V),
805 (Worp V, Sicke B. 349), 806 (Worp V), 811 (Worp V), 903
(Worp VI), 903/904 (Worp VI).
Ausserdem werden einige von Emmius angefflhrte1) kaiser-
liche Lehnsurkunden wahrscheinlich auf die Historia episcoporura
Ultrajectensium von Wilhelm Heda (p. 128— 131) 2) zurttckzu-
ftthren sein. Was von dem urkundlichen Material der Historia
mftglichenfalls sonst noch auf Chroniken zunickzuftthren ist,
muss dahingestellt bleiben, da uns unter den von Emmius be-
nutzten Chroniken weiter keine8) mit eingestreuten Urkunden
erhalten sind.
') Emmius hist. p. 96.
*> Die Citate sind nach der Utrechter Ausgabe von 1642 gegeben;
die betr. Urkunden vgl. bei BShmer : Regesta chronologico - diplomatic*,
Frankfurt 1831, und zwar p. 89 unter Nr. 1779 und 1780.
*) Dass Emmius von den in Rengers' Chronik (vgl. cap. VII, § 9)
angefuhrten Urkunden etwas Ubernommen hat, ist nicht wahrscheinlich.
Die Quellen desselben, Worp v. Thabor, Eg. Beninga und das Groninger
Archiv, standen ihm ebensogut wie Rengers zur Verfugung. So lag ihm
z. B. die von Rengers I p. 83 f. mitgeteilte Urkunde nach seiner eigenen
Bemerkung (hist. p. 198) im Original vor, bei dem von Rengers I, p. 124 ff.
mitgeteilten Vertrage war dies gleicherweise der Fall, ausserdem hatte
er hier noch den Text bei Worp von Thabor und Eggerik Beninga. Ent-
scheidend ist aber der von Emmius hist. p. 278 angefuhrte Vertrag zwischen
Groningen und den Fivelgoern, hier hat Emmius nicht das von Rengers I,
p. 117 Uberlieferte Datum „up aller hilligen dag", sondern „die tertia a
natali Domini ", was nach der Anmerkung von Feith zu Rengers I, p. 117
mit einer aus dem 16ten Jahrhundert stammenden Abschrift auf dem
Groninger Archiv ubereinstimmen muss.
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— 63 —
§ 5. Anderweit benutzte Originalurkunden.
Inwieweit Emmius, abgesehen von den oben genannten
Archiven, sich nocb Einsicht in Originalurkunden verschafft
haben mag, lasst sich mit Sicherheit nicht umgrenzen. An-
zunehraen ist jedenfalls, dass er etwas aus dem Leeuwardener
Archiv benutzt hat. Obwohl ihm hier anfangs der Zutritt ver-
weigert wurde,1) scheint doch eine von ihm zum Jahre 1477 be-
richtete Notiz2) aufeine, vielleicht spftter gestattete, Benutzung
hinzudeuten: „2ft circiter Calend. Septembr. eifisdem huius anni
Leoardiae diuturnam litem, quant habuit cum vieinis agricolis de
jure quatuor cataractarum, finivit, descriptis ccrtis legilms, quae
etiam nunc apud eos $ervantur.u Hierfiir wttrde vielleicht auch
das hist. p. 446 erwahnte Schreiben des nsacerdos Goutumannus"
an die Leeuwardener vom Jahre 1487 sprechen.
Unerkl&rlich konnte es auf den ersten Blick erscheinen,
dass Emmius Kunde hat von zwei zu seiner Zeit im Miinster-
schen Archive vorhandenen Klageschriften des von den Ham-
burgern gefangen genommenen Hauptlings Jmel von Emden.
Die von Emmius hinzugefiigte Bemerkung: „flas litteras Mona-
sterienses ao. 1572 in actionecum Emdensibus Aschendorpii, ni fallor,
pertulerunt, juris sui demonstrandi causa", sowie die als Quellen-
angabe beigeftigten Buchstaben wH.G.a machen es wahrscheinlich,
dass Emmius diese Nachricht seinem Freunde, dem Emder Stadt-
sekretar H. Gerdes,8) verdankt, welcher iiber diese Dinge wohl
unterrichtet sein konnte. Einem andern Emder Freunde scheint
er sogar eine Anzahl von Originalurkunden zu verdanken, wenig-
stens tragt ein Auszug aus der im Ostfriesischen Urkunden-
buch I, 384 abgedruckten Urkunde die Unterschrift: ^Extat
exemplar inter chartas Nicolai Frese.u
Aus Ostfriesland haben ihm endlich mOglichenfalls auch noch
st&ndische Akten vorgelegen. Hierauf deutet eine Nachricht4)
iiber die Beantragung einer Steuer zur Ausstattung der Comtesse
Elisabeth6) im Jahre 1555 und die Beantwortung des Antrages
l) vgl. „Vrije Fries" IX p. 343 u. ^Ostfriesisches Monatsblatt" III p. 101 .
*) Emmius hist p. 427.
*) vgl. fiber denselben cap. X § 2.
*) M8C. A. 4. des kgl. Staatsarchivs zu Aurich.
*) Emmius berichtet uber diese VorgEnge hist. p. 952.
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- B4 —
durch die Ritterschaft bin. Emmius sagt hier: vvidi exemplar
integrum in volumine actorum temporis huius nostri ad annum 1604
ct.l605.a Endlich hat Emmius sich einigc Aktenstucke uber
den geldrischen Krieg zu verschaffen gewusst, deren Her-
kunft sich schwerlich wird erklaren lassen. Es handelt sich
um den Vertrag zwischen dem Grafcn Enno, Junker Balthasar
von Esens und dem Herzog von Geldern vom 20. Marz 1534,1)
sodann um eine Ratifizierung und Erweiterung desselben Ver-
trages vom 27. M£rz und eine Vollmacht der Grafen Enno und
Johann fiir Omco Ripperda, um die Burg Greetsiel aus den
Handen der geldrischen Besatzung wieder in Empfang zu
nehmen. Emmius hat diese Urkunden nach einer von R.
Dybbets aus den auf der „Rekenkamera zu Arnheim befind-
lichen Originalen genommenen Copie abgeschrieben, und zwar
bereits am 18.— 20. Januar 1594.2) Dazu hat ihm noch ein ge-
drucktes Exemplar des Manifestes vorgelegen, welches Balthasar
von Esens am 6ten Oktober 1533 von Arnheim aus3) gegen den
Grafen Enno erlassen hat.4)
Schon der Umstand, dass wir die Kunde von den hier
besprochenen Quellen zum Teil nur ganz gelegentlichen Notizen
verdanken, Iftsst darauf schliessen, dass ihre Reihe mit den
genannten keineswegs erschopft ist. Immerhin aber mag das
Besprochene hinreichen, um einen Eindruck zu gewahren von
der Mannigfaltigkeit und Vielseitigkeit der von Ubbo Emmius
benutzten archivalischen Quellen.
1) Emmius hist. p. 880.
2) M8C. A. 121 des kgl. Staatsarchivs zu Aurich.
8) Emmius hist. p. 874.
4) Emmius hat derartige zeitgeschichtlich interessante Drucke mehr-
fach benutzt, so ausser der bereits erw&hnten AchtserklSlrung gegen Gro-
ningen die vom Herzog Georg im Jahre 1513 gegen den Grafen Edzard
und die Stadt Groningen veroffentlichte Druckschrift, ferner den gedruckten
Bericht der Oldersumer Disputation (Wittenberg 1526; Em. hist. p. 837) u. a.
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— 65 —
Chroniken.
VI. Aus Ostfriesland.
§ 1. Eggerik Beninga.
Unter all den zahlreichen Schriftstellern, die von Emmius
benutzt sind, hat keiner auf seine Darstellung einen solchen
Einfluss gewonnen, wie Eggerik Beninga1) durch seine Chronik
von Ostfriesland. Wie diese den Grundstock seiner historischen
Arbeit bildete, so ist sie auch das eigentliche Ruckgrat der
gesamten Darstellung der Historia, soweit sie die ostfriesischen
Ereignisse des 14., 15. u. 16. Jahrhunderts umfasst. Als der
Norder Rektor 1587 die Ausfuhrung seiner historischen Arbeit
begann, legte er sich in lateinischer Uebersetzung einen Auszug
der Beningaschen Chronik an, beginnend mit dem Jahre 1264,
bis hin zum Sterbejahre Eggerik Beningas 1562. Diesem Aus-
zuge fiigte Emmius dann die Erganzungen und Verbesserungen
bei, welche ihm aus anderen Quellen zuflossen; so ward ein
wesentlicher Teil der Historia rerum Frisicarum. Und so muss
denn ftir die Darstellung der ostfriesischen Geschichte durch
Emmius vor andern sein Verhaltnis zu dieser seiner Haupt-
quelle iiber Wert und Unwert entscheiden.
Emmius selbst sagt von Eggerik Beninga gelegentlich:
nAnnales rerum Frisicarum congessit, rudes illos quidem, sed fidos,
et diligentiae ac amoris in patriam indices certissimos: in quibus
mediae aetatis pactorum, foederum, transactionum tabulas, ceu nau-
fragae navis fragmina sparsim fluitantia actorum saeculi istius testi-
monia infallibilia singulari studio collegit, atque ita obscuris rebus
lucent non parvam affudit" (hist. p. 960). Bei alledem ist er
weit davon entfernt, sich auf eine blosse Wiedergabe der
Beningaschen Nachrichten zu beschranken. Er hat sich viel-
mehr mit sicherem kritischen Urteil in der Hauptsache auf die-
jenigen Jahrhunderte beschrankt, ftir die dem alten Drosten
wirklich glaubwiirdige Quellen und sicher tiberlieferte Nach-
richten zuganglich waren. Bis iiber die Mitte des 13ten Jahr-
l) vgl. fiber denselben Bartels im Jahrbuch der Gesellschaft fur bil-
dende Kunst und vaterlandische Altertiimer zu Emden, Bd. I Heft 3 p. 1—3.
Jahrbuch dor Getellsch. f. b. K. a. rater I. Altertiimer zu Emden, Bd. XV. 5
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— 66 —
hunderts hinaus sind Bertihrungen zwischen Eggerik Beninga
und Emmius immer nur an einzelnen Punkten aufzuweisen, in
der Gesamtdarstellung der Geschichte zeigt sich Emmius hier
von seinem Vorg&nger nichts weniger als abh&ngig. Nicht
ohne Ankl&nge an Eggerik Beninga (p. 14 u. 15) ist die Be-
schreibung der Erzeugnisse des Landes, der Sitten des Volkes etc.
bei Emmius (hist. p. 7 u. 8), doch ist die Anordnung bei beiden
verschieden genug, urn Emmius1 Selbstandigkeit ohne weiteres
erkennen zu lassen. Noch deutlicher ist dies bei dem zweiten
Parallelbericht, der Beschreibung der 7 friesischen Seelande
(Eg. B. p. 16, 17; Em. p. 12 ff), diejenige des Emmius ist in
Anlehnung an Cornelius Kempis (vgl.VII§ll) bedeutend weiter
angelegt und eingehender durchgeffthrt. Die folgenden zwanzig
Kapitel bei Beninga (ibergeht Emmius, der seinem Plane gemass
auf die Verh<nisse Frieslands zur Romerzeit nicht eingeht
und auf diese Weise eine Fiille abenteuerlicher Erz&hlungen bei
Eggerik Beninga aus dieser Zeit vermeidet, wenngleich er sich
nicht veranlasst fuhlt, die authentischen Berichte romischer
Schriftsteller an ihre Stelle zu setzen.
Wie selbst&ndig Emmius aber seinem Ftihrer Beninga fur
die aiteste Zeit, auch da noch, wo er mit ihm Gleiches be-
richtet, gegenttbersteht, zeigt schon diejenige Erzahlung, mit
welcher die zusammenh&ngende historische Darstellung bei
Emmius beginnt, der Zug nach Britannien im Jahre 449. Eggerik
Beninga (p. 36) setzt diesen nicht nur in das Jahr 435, sondern
macht Hengist auch zu einem friesischen Konig, w&hrend von
den Sachsen bei ihm tiberhaupt nicht die Rede ist ; ebensowenig
wird der Name Horsa erw&hnt. Emmius nun versetzt den Zug
in die richtige Zeit und berichtet auch von den Ftihrern als
von Angehorigen des sachsischen Stammes; er nimmt nur an,
dass auch Friesen bei dem Zuge beteiligt gewesen sind, dabei
schliesst er sich eng an den Bericht Bedas an und weiss sich
von Beningas Irrtiimern fern zu halten. Wie hier, so folgt er
auch in den tibrigen Nachrichten der alteren Zeit durchweg
ausw&rtigen, mflglichst gleichzeitigen Schriftstellern, ohne sich
viel um Beningas Erzahlungen zu kiimmern. So datiert er u. a.,
trotzdem Eggerik Beninga noch 688 den Kdnig Ritzerd regieren
lasst, von ca. 680 an die Regierung des KOnigs Radbod, wohl
im Anschluss an Beda.
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— 67 —
Eine der wenigen Nachrichten, die Emmius unmittelbar
aus Beninga tibernommen hat, ist die von der Schlacht bei
Tours und den dort verrichteten Heldenthaten eines Poppo von
Wirdum, den Beninga als seinen Ahnherrn zu reklamieren sucht.
Hieriiber muss sich denn Emmius auch von einem neueren
Kritiker recht harte Worte sagen lassen.1) Nun lasst sich ja ge-
wiss Emmius trotz der Einkleidung der ganzen Erzahlung in die
Worte: „tn nonnullis annalibus invenio" ein Vorwurf dariiber nicht
ersparen, dass er eine derartige Fabel aufgenommen hat, die
mehr geeignet ist, dem Familienstolze eines edlen Geschlechtes
zu schmeicheln, als der historischen Wahrheit zu dienen. Selbst
die Thatsache, die auch Mohlmann ausdriicklich zugiebt, dass
er jenen Poppo nicht wie sein Vorganger als einen Beninga
hinstellt, will hiergegen wenig besagen. Bei alledem aber sind
wir es der Wahrheit schuldig, Emmius gegen einige der grobsten
Vorwiirfe, welche ihm um dieses Missgriffs willen gemacht
worden sind, in Schutz zu nehmen. Wenn Mohlmann die Zuriick-
datierung der Schlacht bei Tours um zwei Jahre Bfiir einen Pro-
fessor der Geschichte nicht weniger stark" findet, als dieBehaup-
tung des Professors der Rechte S. Peters, „das Kollegium der 7
Kurfursten sei bereits von Karl dem Grossen angeordnet", so ist
das ja seine Sache. Jedenfalls aber folgt Emmius hier nicht
ganz so kritiklos, wie Mohlmann uns glauben machen will,
seinem Vorbilde, da ihm, wie aus seinen handschriftlichen
Kollektaneen hervorgeht, zugleich die Datierung jenes Ereignisses
ins Jahr 730 durch Sigebert von Gembloux2) bekannt war. Ein
Versehen konnte hier um so leichter sich einschleichen, als
auch sonst Sigebert von Emmius fiir diese Zeit zu Rate ge-
zogen wurde. Eben dorther entnahm Emmius auch die Nach-
richt von dem unsern Ereignissen unmittelbar vorhergehenden
Zuge Martells gegen die Friesen, dem dann ein rascher Friedens-
schluss folgen musste, eine Thatsache, von der Beninga nichts
wusste, und deren Einftigung durch Emmius Mohlmann, der bei
Emmius fiir diese Zeit ausschliessliche Benutzung Beningas an-
nimmt, den harten Vorwurf entlockt: „Aber Emmius verfahrt
arger als seine Gegner, indem er mit seiner Quelle willktirliche
*) M6hlmann, Kritik etc. p. 108.
*) Mon. Germ. Scriptores VI p. 330.
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- 68 —
Veranderungen vomimmtu etc. Ein solcher Vorwurf fur die
Leichtsinnigkeit, dort von Krieg zu sprechen, wo die Quelle
nur den tiefsten Frieden kennt, ware in der That berechtigt.
wenn — Emmius nicht gelegentlich ausser in seinen Eggerik
Beninga auch noch in andere Quellen hineingesehen hatte.
Man wiirde Eramius aber uberhaupt bitter Unrecht thun,
wollte man allein nach seiner Erz&hlung von der Schlacht bei
Tours uber sein kritisches bezw. unkritisches Verhalten zur
Darstellung der ftlteren Zeit bei Beninga aburteilen. Dass
Emmius solche Fabeln, wie den von Beninga (p. 64) berichteten
Zug Karls des Grossen nach Jerusalem, oder etwa (Beninga
p. 117) die Erzahlung von den 365 Kindern der Grafin von
Henneberg in grosser Anzahl ubergeht, bedarf kaum des Hin-
weises. Aber auch, wo er bei Eggerik Beninga Berichte uber
wirklich historische Ereignisse der friiheren Jahrhunderte vor-
findet, weiss er sich seine Selbstandigkeit und seinen freien
Blick durchaus zu wahren. Ein Beispiel dieser Art bietet der
Einfall des danischen Konigs Gottfried im Jahre 809 (Eg. Beninga
p. 69 ff., Em. hist. p. 69 f.). Gleich zu Anfang der Erzahlung
fugt Emmius, uber Beninga hinausgehend, hinzu, dass der Konig
von Danemark durch sachsische Fluchtlinge zu dem Zuge an-
gereizt worden sei. In der Beschreibung der Art des Angriffes auf
Friesland widerspricht er Beninga sogar direkt; dieser sagt, er
sei geschehen „meestlich tho Landea, Emmius dagegen im An-
schluss an Worperius von Thabor: nin Frisiam a mari incubuit*.
Ferner halt Emmius den genannten Zug ftir die erste Unter-
werfung Frieslands durch die Nordlander, Beninga dagegen
weiss auch schon von andern Kriegszugen derselben nach Fries-
land, so 585 (p. 38) und 690 (p. 42). In grundsatzlichem Wider-
spruch aber stehen beide wegen des Erfolges des danischen
Eroberungszuges. Zwar ist bei beiden der Danenkftnig Sieger,
und es gelingt ihm, sich in Friesland festzusetzen, aber nach
Eggerik Beninga schliessen die Friesen mit dem Konige von
Danemark einen hochst annehmbaren Vertrag, und der KCnig
verpflichtet sich: „/<e tvullde se ock by alle ore Privilegien und
Freyheiden laeten blieven", sie sollten ihm nur „m# eenen seckeren
Penning* verpflichtet sein. Emmius dagegen sagt von dem
danischen Konig: nin turpem miseramque servitutem populum adegit.
Tributum quoque annuum iniunxit, quod insolentis animi eius ac con-
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— 69 —
tumclia victorwn gaudentis manifestum argumentum est." Dies ist
zugleich ein Beweis dafiir, wie bei Emmius, trotzdem in diesor
Richtung sonst gerade seine Schwache liegt, doch die freiheit-
lichen Neigungen der historischen Wahrheit gegeniiber zurtick-
treten. Fiir Eggerik Beninga steht es von vornherein fest,
dass auch der fremde Herr die unantastbare Freiheit des Volkes
respektieren muss, Emmius aber geht nicht auf diese seinen
Neignngen sonst so sehr entgegenkommende Darstellung ein,
sondern folgt den ihm vorliegenden danischen Annalen. Ausser-
dem scheint hier auch die Schilderung des Normannenzuges,
welche der Prophezeihung des heiligen Ludger zugeschrieben
wird,1) und die als ein „vaticinium post eventum" wohl nicht
ganz ohne historischen Wert ist, auf Emmius eingewirkt zu
haben.
Dieselbe Beobachtung einer selbstandigen Feststellung des
Thatbestandes, auch Eggerik Beninga gegeniiber, konnen wir
bei der Schilderung der von beiden berichteten Belagerung und
Eroberung von Damiette machen (Eg. Beninga p. 108, Em. hist,
p. 122 ff.). Beninga giebt hier wesentlich einen Auszug aus
Worperius von Thabor (III cap. 20, 21), doch bringt er, iiber
diesen hinausgehend, den Namen des einen der beiden frie-
sischen Helden, Hinrich, sowie Angaben iiber den Wohnort
beider in Friesland. Letzteres ubernimmt Emmius, doch geht
er im Uebrigen fiir die ganze Schilderung der Belagerung nicht
nur iiber Eggerik Beninga, sondern auch iiber dessen Quelle,
Worperius von Thabor, hinaus auf Olivers „historia Damiatina"
zuriick, wie dies ausser der ganzen Anlage des Berichtes, aus
den ausfiihrlich erzahlten Friedensanerbietungen von sara-
zenischer Seite vor der Einnahme der Stadt hervorgeht. Die
mit Beninga (p. 117) genau tibereinstimmende Nachricht von
dem Erdbeben in Wittewerum 1262 (Em. hist. p. 164), lasst
sich auf eine von beiden benutzte Quelle, auf die Chronik des
Abtes Menco von Wittewerum zuriickfiihren, auf deren Be-
nutzung Emmius auch in seiner Historia kurz vor der ge-
nannten Notiz ausdriicklich hinweist.
Wenn etwa vom Jahre 1264 an, mit dem der oben er-
wahnte Auszug des Emmius aus Eggerik Beninga beginnt, die
l) Worperius von Thabor II cap. 26 p. 87.
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— 7G —
Beningasche Chronik in ausgiebigerem Masse als Emmius' Quelle
betrachtet werden muss, als dies nach dem Gesagten fur die
frtihere Zeit der Fall ist, so ist darum doch auch hier an ein
einfaches Ausschreiben nicht zu denken. Wenn z. B. Beninga
(p. 119) von einer Schirmherrschaft Ludwigs des Heiligen iiber
Friesland fabelt, so giebt Emmius (p. 165) demgegeniiber die
richtige Fassung jener Thatsache, welche sich auf die von
Ludwigs Sendlingen auch in Friesland ausgefuhrte Kreuz-
predigt reduziert. Fttr die spezifisch ostfriesischen Ereignisse
findet sich zwar von jetzt ab grossere Uebereinstimmung
zwischen beiden, doch ohne dass Beninga in den meisten
Fallen als alleinige Quelle angesehen werden kann. Es handelt
sich hier, wie schon bei der zum Jahre 1264 berichteten
Grttndung des Dominikanerklosters zu Norden, zunachst um
Nachrichten, welche Beninga der von Emmius selbstandig
benutzten Norder Chronik (vgl. § 2 dieses Kapitels) entnommen
hat, so 1277 die Wahl der Friedensmanner (Beninga p. 134,
Em. p. 175), 1285 die Errichtung einer Burg zu Norden (Ben.
p. 139, Em. p. 178) etc. Die westfriesischen Ereignisse werden,
auch wo Eggerik Beninga iiber dieselben berichtet, nach wie
vor im Anschluss an Worperius von Thabor erz&hlt. Nach
Eggerik Beninga (p. 139) kommen die Friesen dem in Muiden
belagerten Grafen Floris V. von Holland zu Hiilfe, Emmius
(p. 179) dagegen berichtet im Anschluss an Worperius (III cap. 33)
wie Floris, als die Friesen durch die Flut von 1287 in eine
bedrangte Lage geraten waren, diesen Zustand ausgenutzt und
Brederode in feindlicher Absicht nach Friesland entsandt habe.
Fur die sp&tere Zeit, fur welche Eggerik Beninga als
Hauptzeuge in ostfriesischen Dingen gilt, legt sich die Frage
nahe, welcher Art denn diese Benutzung gewesen ist, bezw. wie
eng sich Emmius an den Wortlaut seiner Vorlage anschliesst,
wo er sachlich mit ihr tibereinstimmt. Die Frage liesse sich
schon bei einem oberflachlichen Vergleiche beider leicht er-
ledigen, doch macht eine merkwtirdige Behauptung des mehr-
fach erwahnten Kritikers MOhlmann hier ein naheres Eingehen
wunschenswert, welches uns zugleich einen Einblick in Emmius'
Art zu arbeiten tiberhaupt gewahren kann. Mohlmann (Kritik
p. 100) sucht das Verhaitnis beider dahin zu bestimmen, dass
Emmius den Eggerik Beninga „meistens nur wortlich tibersetzt."
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— 71 —
Die Bemerkungen der beiden Harkenroht, welche er dazu an-
fuhrt, besagen gar nichts, es erhellt ohne weiteres, dass dort
sachliche und nicht wortliche Kongruenz gemeint ist. Nun soil
ja gewiss nicht geleugnet warden, dass Emmius gelegentlich
ganze Satze aus Eggerik Beninga einfach ins Lateinische tiber-
tragen und so in sein Werk tibernommen hat, wie dies ja schon
bei seiner mehrfach erwahnten Arbeitsmethode (lateinischer
Auszug aus Beninga mit Zusatzen) ohne weiteres wahrscheinlich
ist. Dies beschrankt sich aber eigentlich immer nur auf ein-
zelne herubergenommene Satze. Gerade, wo Emmius ganze zu-
sammenhangende Erzahlungen aus Beninga tibernimmt, ist ihm
diese Art der einfachen Uebersetzung durchaus fremd. Man
kann im Gegenteil weit eher von einer freien, oft reichlich
freien Reproduktion der Beningaschen Berichte sprechen, welche
Emmius in intuitivem Erfassen des Wesentlichen, zugleich mit
den jeweils in Betracht kommenden Elementen seiner histo-
rischen Gesamtanschauung verbindet, um so in klassischem
Latein wie aus einem Gusse eine schone in sich harmonisch
abgerundete Darstellung der Thatsachen zu geben, die nichts
weniger ist, als eine wortliche Uebersetzung des Chronisten
Beninga. Bei alledem mag man den sicheren historischen Takt
bewundern, mit dem Emmius es versteht, seinen Darlegungen,
wo sie sich in der That nur auf Beninga griinden und griinden
sollen, alle fremden Elemente und alles eigene Beiwerk, soweit
es etwa den Sachverhalt verwirren konnte, fern zu halten.
Doch lasst sich dieses alles an den Beispielen selbst am deut-
lichsten aufweisen.
Es handelt sich um Streitigkeiten zwischen zwei ost-
friesischen H&uptlingen im Jahre 1356; daruber berichtet Beninga
und im Anschluss an ihn Emmius folgendes:
Eggerik Beninga p. 145. Em. hist. p. 204.
Anno Christil356 is Folckmer Erat turn, cum ista agebantur
Allena tho Osterhuesen undHintc inter primos nobilium, qui in
etc. lloevetlink, mit Boinck tho Amasana Frisiae regione domi-
Suiderhusen etc. Hoevetlink um cilium habebant, adolescentiae
erve und goeder twistigh ge- annos vixdum egressus, sed acer-
tcurden. Daar over heft Folck- rimi ingenii Folcmarus Allenius
met Allena den geroerden Boinck Osterhusanus, cujus parens Alio
sinen jungen mit gelde daer tho etiam tunc superstes, aetate ad-
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— 72 —
gekofft, dot he ohne de poorten hue firma Osterhusae et Hintoe
up eene beschedene tyt apenen arces ac praetorium imperitim
schulde etc. — tefiebat. Huic ad annum 1356
lis ae contentio vehemens nata fuit cum Boijngo Suderhusano nobili
cum in haereditate herciscunda, quae ipsis forte obvenerat, consentire
non possent. Erat vera Folcmarus, ut adolescentiae vitio fervidior,
it a natura quoque inimicitiarum acerrimus persequutor: judicabatque,
nullam in vindicando inimico rationem inhonestam esse. Itaque,
cum injuriam sibi fieri omnino putaret, ac nocere se Boijngio vi
aperta, qui arcem bene munitam tencbat, posse dififideret, ad ddlum
se vertit etc.
Schon hier zeigt sich, wie Emmius es versteht, die
trockenen Notizen seiner Vorlage lebensvoll zu gestalten. Die
Bedeutung der Familie Folkmar Allenas, dessen Alter zur Zeit
jener Ereignisse, sowie seine Charakteranlagen, waren ihm aus
anderweitigen Nachrichten, die er iiber jene Zeit hatte, wohl
bekannt, die Kenntnis derselben verstand sich fur einen einiger-
massen genau mit der Geschichte jener Zeit vertrauten Mann
von selbst. Ausserdein hatte er sich, wie aus seinen Kollek-
taneen hervorgeht, aus dem Langener Kopialbuche (vgl.cap.V§2)
iiber Alio notiert, dass derselbe noch 1365 und 1370 sich am
Leben befunden habe, er konnte also wissen, dass jener damals
nicht nur noch am Leben, sondem, als mindestens 14 Jahre vor
seinem Tode, sogar noch in riistigem Alter gewesen sein miisse.
Aus dem alien versteht er dann seine oben mitgeteilte Dar-
stellung zu gestalten.
Noch deutlicher und auffallender mag uns ein anderer Ver-
gleich zeigen, wie Emmius seine Quelle „tibersetzta hat. Es
handelt sich urn den zweiten Einfall des Bischofs von Munster
in ostfriesisches Gebiet im Jahre 1495, wahrend Edzard der
Grosse Jever belagerte:
Eg. Beninga p. 417. Em. hist. p. 530.
De Bisschup .... heft sick . . . ipse Mudensi in coenobio
thor Mude int Closter gelecht. castra posuit. Is locus in ex-
Als nu an Grave Edsart de tremo angulo est agri iUius, in
tidinge to Jever int leger is gc- confluente Amasi et Laedac, ex
Jcamen, is he mit eenhelligen adverso arcem Orthanam intuens,
raede vor Jever upgebrahen, und solo Laedae alveo non amplo
leet Otto Papen und Wilhelm ab ea diremptus: qui castris
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de bede Voegede toh Stickhusen occupatus speciem obsessae arcis
und Langen mit ohren luyden praebere videbatur. Ejus rei
in de richte over dat Hapseler1) nuncio commotus, Edsardus ab-
tnoer und vort door Overledinger- jecta pacis cogitatione, quo suis
lant, om den Bisschup tho Vollen etiam suppetias ferret, vocatos
vor tho kamen, tehen, desgelycken ad se Ottonem Papium Stick-
toech oock Grave Edsart mit husanum, Guilhelmum Hattenum
ruiteren, knechten und voet- Lenganum,praefectos viros acres
gangern in der nacht stracks et belli gnaros, cum sua utrum-
na den Ort9 und als he mit que cohorte rustica, quam maxi-
punten sick tegen Esclum und mis itineribus per palustria Ho-
Heringeborch wulde oversetten peliana, Lengana, Mormeria,
laten etc. — Translaedana eniti et Vollam
contendere jubet; hortatur, ut pro patriae salute laborent ac festi-
nent quam maxime: rem summi momenti futuram, non ad commoda
solum sed quoque ad gloriam, si episcopum, tot bellis defunctum,
patriae tarn infestum, ad Vollam possint exitu prohibere: se diverso
itinere cum reliquo exercitu adfuturum, et a tcrgo, a latere hostem
invasurum. Mox, exposilo in corona consilio suo cunctisque vir-
tutis admonitis, paucis ad Jeveram relictis, qui castra tuerentur,
cum caeteris copiis pedestribus et equestribus festinus via Bacban-
dina, ne noctu quidcm intermisso itinere, per Heselanos, Brincanos,
Loganos Leram pervolat: eademque statim node magno silentio e
regione Herenborgi ct Esclumi trajicere flumen pontonibus aliisque
navigiis, quae fors dabat incipit etc.
An dieser Stelle fallt vor allem auf, wie Ernmius seine
topographischen Kenntnisse in der Darstellung zu verwerten
versteht, so schon gleich bei der Schilderung der Oertlichkeit
des Klosters Mude, durch welche die Lage des Bischofs erheb-
lich an Anschaulichkeit gewinnt. Sodann bei der Beschreibung
des von Edzard, bezw. von seinen Drosten eingeschlagenen
Weges, welchen er dem Leser auf diese Weise deutlich vor
Augen stellt, wahrend nach der Schilderung Beningas die
Situation einem mit den einschlagigen geographischen Verhalt-
nissen nicht ganz vertrauten Leser einige Schwierigkeiten be-
reiten konnte. Als eine auffallende Differenz beider Berichte
kann auf den ersten Blick die von Emmius eingefugte Rede
l) so Harkenroht statt: Hopelser.
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Edzards an seine beiden Drosten erscheinen. Hier zeigt es
sich, wie Emmius durchaus an klassischen Vorbildern geschult
ist. Wie es der antike Historiker ftlr vSllig erlaubt, ja so-
gar filr geboten h<, gelegentlich eine der Lage der Dinge ent-
sprechende Rede des Truppenftihrers oder sonst bedeutsamer
PersSnlichkeiten frei zu konzipieren, so halt auch Emmius dies
ftir sein gutes historisches Recht. Gerade in derartigen Reden
zeigt sich bei Emmius, n&chst der Eleganz des lateinischen
Stiles tiberhaupt, der Einfluss klassischer Vorbilder am deuk
lichsten. Es ist hier, wie wenn wir bei Caesar etwa oder bei
Livius einen Feldherrn vor uns h&tten, der vor der Schlacht
eine ermunternde Ansprache an die Seinen halt. Ja sogar eine
doppelte Ermahnungsrede lasst Emmius den grossen Grafen
halten, wie bei romischen Schriftstellern wohl der Heerfuhrer
erst zu seinen Offizieren und sodann zur gesamten Mannschaft
spricht. Die Bemerkung Beningas, der Graf sei „mit eenhel-
ligen raedea aufgebrochen, gentigt Emmius, um ihn an seine
Rate eine besondere Ermahnungsrede halten zu lassen. Zu
beachten aber ist, bei der Rede an die Drosten zumaJ, wie
Emmius, trotz dieser Freiheit in der Komposition, nicht ins
Fabulieren gerat. Aus Beninga lasst sich entnehmen, dass der
Zug der „in de richtea geschickten Drosten ein eiliger wird ge-
wesen sein, deshalb l&sst Emmius in seiner Rede den Grafen
die Seinen zur Eile ermahnen. Den Gedanken, von welch weit-
tragender Bedeutung es gewesen ware, wenn man den Bischof
wirklich dort uberrumpelt hatte, legt die Sachlage dem denken-
den Leser unmittelbar nahe; statt sich nun hier in eine lang-
wierige Erwagung mit wenn und aber einzulassen, legt Emmius
diesen Gedanken seinem Grafen frischweg in den Mund. Und
endlich versteht er es, in geschickter Verkniipfung hier zugleich
noch den von Beninga berichteten eigenen Feldzugsplan des
Grafen anzubringen, so dass wir glauben, aus dem Munde
Edzards selbst hieriiber unterrichtet zu werden. Man mag iiber
derartige Reden bei Historikern denken, wie man will, soviel
wird man Emmius hier immer zugestehen miissen, dass er an
keinem Punkte die Linie des in sich Wahrscheinlichen tiber-
schreitet, geschweige denn zu einer schiefen Auffassung der
historisch feststehenden Thatsachen verleitet. Dabei ist fest-
zuhalten, dass dem Emmius, ausser Beninga, eine Quelle ftlr
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diese Ereignisse nicht vorgelegen hat; es geht vielmehr alles
letztlich auf Beningas Bericht zuriick, mit Ausnahme des Namefts
des einen Drosten, den Emmius aus irgend einer urkundlichen
Notiz, wie dies bei Feststellung von Namen seine Gewohnheit
war, sich wird verschafft haben.
Eine andere Rede Edzards des Grossen bringt Emmius auf
p. 611. Der Graf ist in Oterdum bezw. Termunten gelandet (1501),
um von dort aus das bedr&ngte Appingadam zu entsetzen. Nach
der Landung l&sst er die Schiffe vor den Augen seines Heeres
zuriicksegeln und wendet sich nun an die Seinen mit folgen-
den Worten: ^Abnavigat, en, classis nostra, commilitones, qua vecti
hue sumus. Id consilio et iussu factum meo, ne quis nostrum in fuga
praesidium ponat. Omnes eadem sorte tenemur: nee mea melior
quam vestra fortuna est. In terra aliena consistimus universi, in
qua nisi vicerimus, aut mori, out vincula, ludibria, insolentiam
superborum hostium captivi perpeti cogemur. In victoria nobis sola
salus: ea nisi fortibus animis et factis parari non potest Fuga
omnis inter clusa, nisi in carceres hostiles. Hostis Groninganus is
est, quern majores nostri (vobis hoc Frisiis me is dico), Foccone
proavo meo et ante eum Kenone Broectnerio duce, saepe ceciderunt,
nos hactenus ab eo superati non sumus. Neu vos, milites, talibus
commilitonibus in caedes et vulnera promptis, de virtute et fortuna
desperare vestra contra hostes debetis. Hoc quoque expendendum
nobis fuerit, non nostra solum capita ab animis manibusque nostris
pendere, sed vitam quoque illorum, qui Dammonae obsidentur, viri
fortissimi, nobis sanguine, ajfinitate, amicitia juncti: qui fiducia
nostri tantos labores et pericula etiam supra vires sustinuere, ut
patriae nobisque consulerent. Nee vos verba spectare mea volo.
Nisi ad pericula praeivero, damnate me et fortia detrectate, fugae-
que consilium capessite. Me due em, non mandatorem habete. Mi hi,
si quid acciderit, patriae et causae publicae quam mei rationem
majorem ducite. Denique vestrum nunc est, exemplum prodere,
quam proba posteritas admiretur, imiteturque.
HierfOr haben Emmius 3 Quellen vorgelegen: Worperius
von Thabor, Sicke Benninge und Eggerik Beninga. Worperius V
p. 46. berichtet tiber Edzards Landung einfach : nAls Ghronningers
ten tvyle voer den Dam hadden geleegen ende Chraeue Edsart ver-
nam dat inden Dam groet gebreck was, alsoe datse den Dam niet
langer moehten holden sonder ontset, soe heuet dye Qraue al syn
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Vriesen in Eemderlant met dye botjagers vergaedert, ende is den
15. dach Juny ower dye Eems gecomen met al syn macht, omden
Dam toe ontsetten." Sicke Benninges Bericht (ed. Brouerius
v. Nidek p. 56) lautet : „ Daer nae op St. Vyts avondt quam Grave
Edzert van Oostfrieslandt over mit een grote macht, tot over de
summa van viertyn hondert knechten en dardehalf dusent syner
buren om den Dam te ontsetten." Am ausfiihrlichsten wird die
Sache bei Eggerik Beninga erz&hlt, er sagt (p. 486) : nAls nu
Grave Edsard aUe syn kriegesvolck, geschut und alles, wes he tho
der slacht nodich, nth den schepen hadde, leet Grave Edsard aUe
de schepen, up dat sick nemant daer up vertroosten schulde, tceder
van dat lant leggen, hielt doch mit den gantsen hoop gemeen, gaff
voor wat noot ohne daer hen drunge, als dat de Groningers syne
arme lueden daer in den Dam so schwarlick belecht und tho tweemalen
bestormet, nochtans van den Almachtigen gereddety weer nu der-
halven daer, um se van de Groningers tho untsetten, begeerde se dat
beste by ohne wullen doen, waar door de knechten, de by 20000 sterk
alle lustig, und sick tegen ohre viande tho bruken gencget tcerenr
Somit ist auch hier Eggerik Beningas Bericht fur die von
Emmius konzipierte Rede die einzige Quelle gewesen. Aber nicht
nur fur die Thatsache einer von Edzard gehaltenen Ansprache,
sondern auch fast fiir alle in der Rede bei Emmius beriihrten
Gedanken giebt Eggerik Beninga Anhaltspunkte. Nur der Hin-
weis auf die Niederlage der Groninger durch Keno ten Brok
und Focke Ukena ist von Emmius frei erganzt. Emmius ver-
wertet hier ausserst geschickt eine historische Reminiscenz.
welche der Darstellung selbst an dieser Stelle nur forderlich ist.
Wir haben auch bei dieser Rede die Feinheit der Conzeption,
die geschickte Benutzung des gegebenen Materials und die weise
M&ssigung zu bewundern, mit der sich Emmius hier durchaus
im Rahraen der historisch gegebenen Situation zu halten weiss.
Man wiirde fehlgehen, wollte man annehmen, Emmius habe
nun Eggerik Beninga ftir die Zeit und far die Nachrichten, fiir
die er als glaubwilrdiger Zeuge in Betracht kommen muss,
blindes Vertrauen geschenkt und seine Angaben unbesehen
iibernommen. Fast iiberall zeigt er vielmehr auch hier Eggerik
Beninga gegentiber eine besonnene Kritik. Verh<nism&ssig
zahlreich sind diejenigen Stellen, in denen Beningaschen Nach-
richten im einzelnen abweichende Angaben, insbesondere Zahlen-
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angaben gegeniiberstehen. Wo sich fur diese ein glaubwiirdiger
Gewahrsmann findet, stellt Emmius sie den Beningaschen ein-
fach gegeniiber, ohne sich selbst bestimmt fur den einen oder
den anderen zu entscheiden. So erzahlt Emmius z. B. im An-
schluss an westfriesische Quellen, ira Kampfe Edzards gegen
Groningen 1501 seien 250 Burger und 400 Soldaten gefallen,
daneben aber giebt er die Notiz: ^Grimershemius solus ad ter
mille in universum cecidisse diversis casibus memorat* (p. 612). Die
1514 von Edzard nach Geldern abgelieferte Geldsumme betragt
nach geldrischen Quellen 14,000, nach Eg. Beninga 18,000
Rheinische Gulden (Em. hist. p. 719). Graf Edzard wirbt zu
den 1515 aufgebotenen Bauern aus dem Emsgau, Brokmer-
und Reiderland nach Beninga noch 800 Soldaten an, nach
andern 600 (Em. hist. p. 739).
Haufig stehen sich auch die Angaben Eggerik Beningas und
die des Sicke Benninge gegeniiber, so giebt ersterer z. B. die
Zahl der 1514 von Edzard auf seinem Zuge nach Lengen mit-
genommenen Leute auf 800 an, Sicke dagegen auf etwa 100 (Em.
hist. p. 726). Bedenklicher schon ist die Differenz zwischen
beiden, wenn in dem Seegefecht bei Delfziel (1514) Eggerik den
Ostfriesen, Sicke dagegen den Sachsen den Sieg zuschreibt (Em.
hist. p. 713). Immerhin ist es ein Zeichen der Unparteilichkeit
des Emmius, dass er hier nicht einfach auf die Seite Eggeriks
tritt, sondern statt dessen beide Auffassungen einfach registriert.
Ausserdem zeigt sich Emmius, auch wo er Beninga folgt,
manchmal iiber den Sachverhalt im einzelnen besser unter-
richtet, 30 dass er diesen zurechtzurucken imstande ist. So
tibernimmt er aus Beninga (p. 151 f.) die Erz&hlung tiber Ocko
ten Broks Aufenthalt in Neapel, allerdings nicht, ohne sich
betreflfs der Verbiirgung dieser seltsamen M&r mit den Worten
zu verwahren: »Quae ego, ut damnare falsi simpliciter nolim,
ita temere credere omnia sane non ausimu (hist. p. 213). Dabei
zeigt er sich aber tiber die PersOnlichkeit der Konigin Johanna
von Neapel und die Verhaltnisse an ihrem Hofe weit besser
unterrichtet, als Beninga. Wahrend dieser sie zur Witwe eines
erst kiirzlich verstorbenen K5nigs macht, weiss Emmius tiber
sie zu bemerken: „quae maritos et concubinos in annos et
menses mutabat." Auch eine von Beninga selbst empfundene
Liicke ist Emmius imstande auszuftillen. Nachdem Beninga
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(p. 265) berichtet hat, wie der gefangene Ocko ten Brok seine
reiderl&ndischen Unterthanen ihres Eides entl&sst, ftigt er hin-
zu: „So veele ick averst der olden schribenten gelesen, kan ick
nicht gruntlich vornemen, wo lange he daerna gelevet, wo he
umme gekamen und waer he gesturven is*. Emmius berichtet
wahrscheinlich auf Grand der ihm zur Verfttgung stehenden
Tab. Geneal. (vgl. cap. VI § 5), welche tiber Begebenheiten
der Art gute Nachrichten bringen: ^Occonem Brockmerium septenni
career e r teens liber atum Nordae mors subita abstulit.u
So bedeutsam und zahlreich nun aber solche Er-
ganzungen auch sind, so ist damit doch fiir die von Beninga
-flbernommenen Nachrichten ein eigentlicher, auf kritischer
Forschung beruhender Fortschritt noch nicht gegeben. Nach
den Ausfiihrungen Mohlmanns (Kritik p. 129) tiber das Verh<nis
unserer beiden Geschichtschreiber in dieser Beziehung, die in
dem Satze gipfeln: „durchgehends aber ist ihm (sc. Emmius)
in Beninga die alleinige Wahrheit personifiziert", kOnnte es
allerdings so scheinen, als ob Emmius den Standpunkt Beningas
kaum iiberschritten h&tte. Nun ist ja gewiss Mdhlmann in
sofern recht zu geben, als es Emmius vermeidet, mit Ausnahme
einiger weniger F&lle, Eggerik ausdrOcklich zu widerlegen. Ihm
aber daraus einen Vorwurf zu machen oder gar zu behaupten,
es geschehe dies „um auf die Ehre der Beningaschen Chronik
nichts kommen zu lassena, ist durch nichts gerechtfertigt. Es
ist eben nicht jedermanns Sache, tiberall gegen seine Vorgftnger
zu polemisieren ! Es w&re falsch, wollte man hier einwenden,
Emmius habe doch die Polemik gegen S. Peters und Genossen
oder etwa gegen Hamelmann nicht gescheut; dort handelt es
sich um prinzipiell zugespitzte Gegens&tze, hier aber um ein-
zelne Versehen eines auf objektiver Grundlage arbeitenden
Chronisten.
Dass aber Emmius' Kritik an Beningaschen Angaben sich
auch auf die ostfriesischen Berichte der letzten Jahrhunderte,
also auf Eggerik Beningas ureigenstes Gebiet erstreckt, tritt
bei einem Vergleiche beider deutlich genug zu Tage. Beninga
(p. 151) berichtet, dass Imel ten Brok im Jahre 1376 nach
seinem Vater Keno „eenes natuerlichen doodesa gestorben sei.
Emmius dagegen weiss zu erz&hlen, dass dieser Imel vielmehr
schon 1372, also vier Jahre vor seinem Vater infolge eines
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Sturzes mit dem Pferde umgekommen sei. Es handelt sich da-
bei nicht etwa um die willktirliche Bevorzugung einer anderen
in diesem Sinne gehaltenen Bemerkung Eg. Beningas (p. 147),
sondern Emmius geht hier mit gutem Recht auf seine genea-
logischen Tabellen zuriick, zumal Eggerik Beninga dabei inter-
essiert war, Imel nach seines Vaters Jode sterben zu lassen.
War namlich das Ableben der beiden ten Broks in dieser von
Beninga angegebenen Zeitfolge geschehen, so musste damit
notwendig auch Imels einzige Tochter Adda, die Ahnfrau des
Beningaschen Hauses, als rechtmassige Erbin der ten Brok-
schen Gtiter und der thatsachlich succedierende Ocko ten
Brok als Usurpator gelten.1) Ferner setzt Beninga (p. 478)
die Erwahlung Ulrichs von Dornum zum Ftihrer der grossen
Garde und seinen Zug gegen die Wurstfriesen in das Jahr 1500,
Emmius (hist. p. 587) datiert dagegen diese Dinge richtig ins
Jahr 1499. Das sichere Datum, von dem aus er die Ereig-
nisse berichtigt, bietet ihm die Schlacht bei Hemmingstedt
(17. Febr. 1500), von da aus ist eine Verlegung des Zuges
gegen die Wurstfriesen in das vorhergehende Jahr unvermeid-
lich. Aehnliche Beispiele bieten noch die Nachrichten von der
Aufnahme der Piraten durch die ten Broks : Eg. Beninga p. 147 f.
und Emmius hist. p. 244 u. a. m. Was endlich die Abweichungen
des Emmius von der Beningaschen Darstellung der Entstehung
des Dollarts betrifft, so mag dafiir nur auf die Abhandlung von
Bartels im Jahrbuch der Emder Gesellschaft fiir Kunst und Alter-
tlimer verwiesen werden, Bd. I p. 1 ff. : Emmius Mohlmann und
die Entstehung des Dollarts, wo zugleich die Nichtigkeit der
Mohlmannschen Vorwtirfe gegen die Geschichtschreibung des
Emmius an diesem Punkte nachgewiesen ist. Zusammen-
fassend konnen wir tiber das Verhaltnis von Eggerik Beninga
und Emmius sagen, dass unser Historiker die Beningasche
Chronik, einige wenige Falle ausgenommen, nur da benutzt,
wo der ostfriesische Edelmann des 16ten Jahrhunderts, der
Freund und Ratgeber des graflichen Hauses, der Besitzer des
reichhaltigen Grimersumer Familienarchivs, der eifrige Sammler
alter Urkunden und Vertrage, als durchaus glaubwtirdiger Zeuge
erscheint. Emmius1 Verdienst ist es, den besonders im ersten Teile
') vgl. Klinkenborg: Geschichte der ten Broks, Norden 1895, Beil. L
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der Chronik aufgeh&uften sagenhaften StofF einfach iiber Bord
geworfen zu haben. Wo er dennoch die eine oder andere Er-
z&hlung dieser Art iibernimmt, thut er es nicht, ohne sich
wegen der Glaubwilrdigkeit des Berichteten ausdriicklich zu
verwahren. Wo er Beninga aber in seinen Angaben folgt, thut
er dies allemal mit gutem Bedacht und nicht ohne eine be-
sonnene Kritik, die dem Historiker Emmius alle Ehre macht.
§ 2. Das Chronicon Nordanum und die v. Wichtschen
Annalen.
Eine Anzahl Angaben bei Emmius1) lasst annehmen,
dass ihm liber die Norder Verhaltnisse besondere Quellen zur
Verftigung gestanden haben. Das Nachstliegende ist, hier an
die Annalen von Ernst Friedrich von Wicht zu denken, deren
Benutzung uns durch die Kollektaneen hinlanglich bezeugt ist.
Mohlmann2) vertritt denn auch die Annahme, dass sich die
Kunde des Emmius tiber Norder Ereignisse mit dem decke,
was Eggerik Beninga und von Wicht der Norder Chronik ent-
nommen haben. Er sagt iiber die nach seiner Meinung aus
Eggerik Beninga tibernommenen Norder Nachrichten: „Die
Stellen betreffen samtlich Norden und sind von Beninga
wahrscheinlich der von ihm benutzten, jedenfalls erst nach
1457 und zwar plattdeutsch abgefassten Norder Chronik ent-
nommen, weshalb Emmius, auch wenn er sie benutzt hatte,
von einem sehr alten Jahrbuche nicht wohl sprechen konnte.*
Weiter behauptet er: „Wenn nun durch Obiges zwar nichts
weniger als eine direkte Benutzung der Norder Chronik durch
unsern Verfasser bestatigt wird, so ist doch zu benicksichtigen,
dass er von einigen seit 1200 zu Norden gefeierten Capiteln
spricht, woriiber bei Beninga vergeblich gesucht wird, doch
findet sich, einige Emmiussche Zusatze abgerechnet, alles wQrt-
Uch in den ihm mitgeteilten v. Wichtschen (Badeschen) Annalen,
und durch diese klart sich die Berufung auf das sehr alte Jahr-
buch hinreichend aufa.
l) so z. B. hist. p. 204, 212, 218 etc.
a) a. a 0. p. 131 f.
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— 81 —
Diese Annahme M5hlmanns ist schon dadurch widerlegt,
dass sich unter den auf dem Konigl. Staatsarchiv zu Aurich
befindlichen Manuskripten aus Emmius1 Nachlass auch ein
Exemplar der Norder Klosterannalen findet, welches durch
eigenhandige Randbemerkungen von Emmius1 Hand die Be-
nutzung durch diesen zweifellos macht. Auf jene Hand-
schrift verweist bereits Dr. Pannenborg im Jahrbuch der
Emder Gesellschaft fur bildende Kunst etc. vom Jahre 1897. l)
Da der an jener Stelle in Aussicht gestellte Abdruck der
Annalen bisher nicht erfolgt ist, so ist hier ein n&heres
Eingehen auf dieselben notwendig. Das sauber geschriebene
Manuskript entstammt dem Anscheine nach der ersten Halfte
des 16ten Jahrhunderts, es umfasst auf 14 Quartseiten An*
gaben aus der Zeit von 1270 bis 1530. Hierauf folgen
dann nochT von anderer Hand geschrieben, zwei Seiten mit
Nachrichten aus dem 15ten und 16ten Jahrhundert, besonders
solchen Daten, welche das grafliche Haus betreffen; diese
sind unterschrieben: „Broder Gerrit van Norden.tf Die
Annalen stammen, wie bereits Pannenborg bemerkt, aus
dem Dominikanerkloster, es geht dies aus einzelnen Nach-
richten zur Genxige hervor. Der Inhalt ist zum iiber-
wiegenden Teil durch von Wicht verwertet, manches ist sogar
wortlich von ihm ubernommen. Dies ist gleich bei der ersten
Nachricht der Fall, sie zeigt zugleich, wie v. Wicht den Worten
der Dominikanerchronik aus seinen anderweitigen historischen
Kenntnissen Erweiterungen und Erlauterungen hinzuzuftigen
pflegt:
Annalen des Dominikaner- v.Wichts Annalen.
klosters.
Anno 1271 Dominus Heidel- Anno 1271 Eildeboldus ar-
boldus Bremensis archiepiscopus chiepiscopus Bremensis, filius
invisitFrisiamOrientalem. Apud comttis a Brockhusen, invisit
monachos Nordae diversatus est, Frisian* Oricntalem, et Nordae
pueros confirmavit et missam sol- apud monachos diversatus est,
lenniter celebravit. pueros confirmavit et missam
l) Bd. XII p. 4, 8 und 17 ; in dem Artikel : Eilart Loringa und seine
Genealogien, vorher aber schon in den G5ttinger Gelehrten Anzeigen vom
Jahre 1879, Stack 90, S. 940.
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. E. a. raterl. Alterifimer zu Elm den, Bd. XV. 6
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— 82 —
solcnni ritu celebravil. Moritur hie archiepiscopus anno 1273, cum
15 annos rezisset, ei successit in gubernatione Gisebertus a Brunc-
horst, qui Frisios Katellones1) hello domuit.
Beiden gegeniiber zeigt der Emraiussche Bericht eine ge-
wisse Selbst&ndigkeit (Em. hist. p. 172): y,Post quae Hildcbcldus
Bremensis praesul Monasteriensium exemplo monitus, ne quid sibi
a Frisiis suae dioeceseos simile accideret, Nordam ipse venit, extre-
mam provinciae suae in sacrorum cura, et Broecmeriis Amasa-
nisque confinem. Ibi coram omnibus inspects et causis offensionum
ac tumultuum sublatis, censura sacri ordinis, quam res inquirebat,
acta, Dominicanae familiae, ad quam diverterat, collegio et institute
confirmato, missa decant at a, denique populo officii admonito, et
pietate commendata, ad suos rursus discessit." Selbst, weim man
annimmt, Emmius habe die Kombination der Reise des Erz-
bischofs mit den munsterschen Wirren eigenmachtig vollzogen,
so mtissen doch jedenfalls die Nachrickten iiber die in Norden
geschlichteten Streitigkeiten und iiber die Bestatigung des
Dominikanerklosters auf eine Quelle ausser der erhaltenen Norder
Handschrift und den von Wichtschen Annalen zunickgehen.2)
Auch die Berichte v. Wichts zeigen, selbst wo dieser der
Norder Chronik augenscheinlich Colgt, gelegentlich originale
Ziige. So stimmt zwar die Nachricht uber die 1277 erwahlten
Friedensmanner bei beiden genau tiberein, doch schon bei der
dritten Nachricht der Norder Annalen, derjenigen von der Flat
im Jahre 1277, weicht v. Wicht ab :
Annalen des Dominikaner- v. Wichts Annalen.
klosters.
ContradictiovideturannilJ277. Huius anni initio, nimirum
Ob varia dissidia vicinorum, ne- 23. Jan., et sub finem huius anni
glectis aggeribus et catarrhactis, 29 Decembr. die lunae circiter
25. die Decembris absorbuit 33 horam undecimam horribilis in
pagos ditissimos Orientalis Fri- Frisia inundatio maris fait, quae
siae,sito'sadGroningensium fines, in Eeidergonia 33 pagos ab-
inundatio infestissima. sorpsit. Sequentibus enim tribus
l) Kadeloni (Kadeleni) ist bei v. Wicht und Worp die Bezeichnung
fOr Kedinger.
s) Dass hier etwa das von Wiarda I. p. 229 unter andern fur diese
Bi8chofsreise citierte alte Manuskript einer „ Historic von Ostfriesland*
Emmius' Quelle gewesen sei, ist nicht anzunehmen, da jenes die Reise ins
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annis post, cum mare iterum valde exaestuaret et aggeres restourari
non poterant, limo maris paulatim obruti stmt, locumque istum mise-
rabilem de Dullerth nominarunt.
Die iiberwiegende Mehrzahl der Nachrichten, welche die
Norder Handschrift enth<, ist durch v. Wicht mit geringen
Abanderungen und Zus&tzen tibernommen. Es handelt sich
hier urn folgende:
1288 Stifbung der St. Andreaskirche in Norden und Ein-
weihung des neuen Kirchhofes; 1296 Brand in Norden; 1300
Generalkapitel der Dominikaner in Norden1); 1314 Besuch des
Erzbischofs von Bremen; 1318 Besetzung des Dominikaner-
klosters, Einsturz der Kirche; 1321 (1323) 2) Versammlung am
Upstallsboom; 1337 Kapitel der Dominikaner; 1344 (1345)
Kriegszug Wilhelms von Holland; 1349 Pest; 1350 Kloster
Marienkamp wiederhergestellt ; 1353 Zerstflrung der Aldersna-
schen Burg in Lintel; 1358 Besetzung des Dominikanerklosters,
Abschaffung der Friedensm&nner in Norden; 1360 die Pest in
Norden; 1361 Marcellusflut; 1367 Niederlage des Graf en von
Oldenburg; 1368 Bau der Briicke beim Minoritenkloster in
Emden; 1372 Imel Kenesna und Evenardus Jtzinga f; *373
Bedden (Boder) erobert, Niederlage Ulrich Cirksenas; 1374 (73)
Dionysiusflut, 1377 Ocko ten Brok und Christian von Olden-
burg erobern zwei Burgen (nach den Norder Annalen in
Wittmund, nach v. Wicht in „Wymodiaa3), Keno Keensna,
Remboldus Elenga und Boyo Martesna ermordet, zweite
Dionysiusflut; 1378 Kempo von Emden f&llt; 1389 (84) Pro-
vinzial - Kapitel in Norden; 1390 Ocko ten Brok ermordet;
1400 die Pest in Ostfriesland ; 1407 (1408) ZerstSrung von
Norden und Pilsum durch die Hamburger und Ltibecker; 1411
Einsturz des Norder Turms, Ermordung vieler Vornehmer,
Sturm in Nesse und Dornum; 1413 Keno ten Brok erobert
Jahr 1273 setzt Das genannte Mskr. kann eher von Emmius abhangig
sein, zumal gerade durch Em. wegen der hist. p. 171 am Rande stehen-
den Jahreszahl 1273 jener Irrtum in der Datierung leicht entstehen konnte.
') Die Norder Annalen haben hier 1309, doch ist dies jedenfalls nur
ein Schreibfehler,
*) Die eingeklammerten Zahlen etc. bedeuten Angaben v. Wichts.
*) Nach der Herrn Dr. Klinkenborg in Berlin gehSrigen Abschrift,
die MShlmann im Jahre 1827 von dem jetzt verlorenen Originale nahm.
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- 84 —
Emden; 1414 Evenardus Jtzinga f; 1415 Groningen erobert;
1417 (18) Keno ten Brok f; 1420 Eroberang von Stavoren;
1422 Heirat der Hyma Jtzinga; 1426 Treffen bei Detern; (1427)
Schlacht auf den wilden Aeckern ; 1430 Besetzung des Domini-
kanerklosters in Norden mit Htllfe der Bremer und Oldenburger ;
1437 (34) Focko Ukena f; 1438 Besetzung von Larrelt; 1441
Tammo Kankena gefangen, Edzard und Hajo Hartema (Har-
relda)8) f; 1442 Hajo Elstena von Nesse f; 1448 Abfall Wanger-
lands von Ulrich; 1449 (47) Wiederherstellung der Auricher Burg;
1452 Sibo von Esens schl> die Hamburger bei Osterhusen ; 1454
Ulrich I. heiratet Theda Ukena; 1457 Zug Sibos von Esens
gegen Oldenburg; 1459 Turm zu Marienhafe erbaut, grosse
Hungersnot; 1462 Erbauung der Schleuse in Greetsiel und der
Burg in Wittmund; 1464 Ulrichs I. und Sibos Standeserhohung;
1466 Ulrich I f; 1474 (73) Sibo von Esens f; 1477 Reepsholt
erobert, Btindnis Thedas mit dem Erzbischof von Bremen, Flut
an Petri Kettenfeier, 1491 Graf Enno f; 1492 Einfall des
Bischofs von Miinster, Teuerung im Lande; 1494 Grafin Theda f;
1495 Edzards Zug gegen Jever; 1497 Treffen bei Westerholt;
1499 Junker Fox f; Edzards Einfall in Groningerland, Alberts
Ankunft in Friesland, Heinrich von Sachsen in Franeker be-
lagert ; 1500 die grosse Garde zieht gegen die Dithmarsen, 1501
Schlacht Edzards gegen die Groninger; 1505 Klosterkirche in
Sielmonken vollendet; 1507 Graf Uko f; 1509 grosse Flut;
1514 die s&chsische Fehde, Edzard weigert den Groningern die
Eidesentlassung, Edzard schlagt die Braunschweiger, 2200 (2000)
Mann fallen, Niederlage der Ostfriesen bei Stickhausen; 1515
in vigilia Martini (circa festum Michaelis 1517), Edzard erobert
Friedeburg; 1515 (1517) Edzard erhalt Stickhausen zurfick;
1516 (1517) Edzard sohnt sich mit dem Kaiser aus ; 1528 Graf
Edzard f; 1529 Verlobung des Grafen Enno; 1530 Heirat des-
selben; 1530 Zug Ennos gegen Balthasar von Esens.
Aus dieser Zusammenstellung erhellt leicht, dass weitaus
die meisten Nachrichten aus der nur 14 Seiten umfassenden
Norder Handschrift in die von Wichtschen Annalen tiber-
gegangen sind. Dabei ist aber bei von Wicht immerhin noch
einiges unberiicksichtigt geblieben. Es sind dies zun&chst die-
jenigen Notizen, welche sich auf allgemeine Weltereignisse be-
ziehen und auf einen gewissen weiteren Blick des Verfassers
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— 85 —
schliessen lassen. Der Norder Chronist verzeichnet an der-
artigen Ereignissent die nicht nur iiber seine Klostermauern,
sondern auch uber die Grenzen seiner engeren Heimat hinaus-
reichen, folgende: 1292 Thronbesteigung Adolphs von Nassau;
1366 Einnahme der Stadt Bremen durch den Erzbischof; 1378
Beginn des Schismas. Ferner auch eine Anzahl Nachrichten
von ausgesprochen lokaler Farbung, fur deren Uebergehung
durch von Wicht sich eine zureichende Erkl&rung schwerlich
wird beibringen lassen: ^Anno 1345 arcta fames urgebat nostros,
ac tanta fuit annonae caritas, ut modicus constant ac emeretur
400 solicits sterlingiorum (ea autem moneta Anglica est) ac multa
hotnimtm millia fame et peste perirent*. Zu der Nachricbt tiber
die zweite Dionysiusflut wird noch hinzugeftigt : nEadem hyeme
naufragia innurnerabilia facta stmt. Hie annus quoque pestUentia
infamis fuit in Frisia Orientali. — Anno 1378 translatae sunt soro-
res de Jlada ad S. Margaretam in Diclchusen". 1392 vergeblicher
Zug des Graf en von Holland gegen die Friesen. [9Anno 1420
nobilis et strenuus Dn. Ocko Keensna armis et valido exercitu ex-
pugnavit castrum in Jariz.al)\ — ^1422 gravi pestUentia conflictati sunt
Frisii. — Anno 1434 multi foederati in mari mersi, interfecti ac capti
sunt in portu, qui dicitur Jade, a strenuo capitaneo Sibodo. — Anno
1435 in die Marthae virginis interempti sunt nobiles Dns. Sibodus
et Udo a strenuo ac fortt mro Edzardo et foederatis Brockmanno-
rum et Hamburgensium et in choro fratrum praedicatorum sepulti. —
Anno 1437 concessa est iurisdictio antiquae ac novae terrae Norden-
sis EcUtardo Ydzinga,2) filio Evenardi, quoad vita ei suppeteret. —
Anno 1439 Bna. Hebe*) Yteinga defuncta est, sepultaque iuxta
maritum in choro. — Anno 1441 proscripti occuparunt LarUh, qui
tamen post paullo in manus victorum devenerunt. — 1441 Quibus
(sc. Edzard Cirksena et Hajo Harles) mortuis pax ac tranquillitas
magna consecuta est, cum summa imperii penes Ulricum filium
Edgar di YcLsinga2) esset. — Anno 1444 Ulrico dynasta dido rerum
praeside et indicia legesque administrante in pace fuit Frisia. — 1456
*) Diese Lesung teilt mir auf eine nachtr&gliche Anfrage Herr
Archivrat Dr. Wachter freundlichst mit und erkennt darin, sicher mit
Recht, „ Jaueris" (Jever), vgl. Beninga S 207 und v. Wicht z. J. 1420, deren
Quelle an dieser Stelle bhne Zweifel die Norder Annalen waren.
•) Emm. korr.: ,Circzena".
*) Emmiii8 korrigiert: .Hyma*.
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— 80 —
Coenobium Appinge occupatum est a carmelitis monachis" — Bei
einigen dieser Nachrichten, wie bei den letzterw&hnten, ist die
Nichtbenutzung durch von Wicht vielleicht dadurch zu er-
klaren, dass sie dem nachsten Zwecke seiner Annalen ferner
lagen ; andere, wie die liber den Frieden zu Ulrichs Zeiten, hat
er vielleicht nicht ausdriicklich zu konstatieren fur notig be-
funden. Jedenfalls bleiben aber auch dann noch einige ubrig,
fur deren Fehlen es schlechterdings keine Erkl&rung giebt,
doch sind diese nicht von derartiger Wichtigkeit, dass man
darum annehmen mtisste, v. Wicht habe die Nachrichten der
Norder Handschrift gar nicht in dern uns vorliegenden Um-
fange gekannt.
Fur die Datierung bietet die Norder Handschrift selbst
wenig Anhaltspunkte dar. Pannenborg1) nimmt an, dass die
Nachrichten bald nach dem Jahre 1530 zusamraengestellt seien.
In Bezug auf das uns vorliegende Exemplar trifft das gewiss
zu, es reicht bis zum Jahre 1530. und wir haben alien Grand,
seine Anfertigung nicht zu weit uber dieses Jahr hinabzu-
setzen.2) Nun handelt es sich aber bei unserm Exemplar
sicherlich um eine Abschrift bezw. einen Auszug. Schon die
gleichmassigen Schriftzuge sprechen dafiir, dass nicht etwa
die Nachrichten der letzten Jahre parallel mit den Ereignissen
selbst erst hinzugefugt sind. Ausserdem aber sprechen einige,
wie bereits bemerkt, von Emmius korrigierte Fehler deutlich
fiir einen Abschreiber. So konnte ein Mann, der diese immer-
hin von einigen historischen Kenntnissen zeugenden Annalen
zusammenstellte, nicht wohl schreiben. Die Thatsache, dass
die Nachrichten vom Beginn der sachsischen Fehde etwa aus-
fuhrlicher und eingehender werden, scheint deutlich daranf
hinzuweisen, dass wir hier gleichzeitigen Aufzeichnungen gegen-
iiberstehen. Von dieser Fehde selbst heisst es: ^bettum durissi-
mumprincipi nostro, comiti Edeardo* Auch dieses deutet auf eine
zu Edzards Lebzeiten geschriebene Nachricht hin, da man sich
!) a. a. 0. Bd. XII. p 4.
*) Hierfur spricht nicht nur die auasere Beachaffenheit der Hand-
schrift, sondern vor allem der Umstand, dass sich, wie bereits erwShnt,
am Schluss der Annalen noch offenbar eigenhftndige Eintragungen eines
„Broder Gerrit van Norden", also jedenfalls eines Norder Dominikaner-
monches finden.
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87 —
nach seinem Tode wohl etwas anders wiirde ausgedruckt und,
wollte man iiberhaupt dann noch von ihm als dem „ princeps
nostera sprechen, einen Hinweis auf seinen Tod schwerlich
wiirde unterlassen haben. Das Weitere iiber das Alter und die
Vorlage der Annalen wird der Befund des v. Wichtschen Werkes
ergeben. Jedenfalls aber enthalt unsere Handschrift, auch wenn
man eine Entstehung der Nachrichten erst nach 1530 annimmt,
die alteste zeitgenossische Charakteristik Edzards des Grossen.
Dieselbe ist zum tiberwiegenden Teil in die v. Wichtschen An-
nalen iibergegangen, doch zeigt sie trotzdem diesen gegeniiber
noch einige originale Ztige, die bei der Bedeutung des Gegen-
standes eine Gegenfiberstellung beider Berichte wohl der Miihe
wert erscheinen lassen:
Annalen des DominiJcaner-
klosters.
„Anno 1528 14. February c
vita decessit generosus dn. ac
princepsFrisiae Orientalis Comes
Edmrdus, totius Frisiae dectts
ac lumen, princeps hello acer-
rimus, virtute eximius, sancti-
tate praecipuus ac nulli secun-
dns sui seculi, vel fortitudine
animique magnitudine adversus
hostes, vel fide in amicos, vel
iustitia, lenitate, dementia erga
subiedos. Quod autem omni
studio animoque contenderit ac
omni ope operaque enisus sit,
niaxumasqtie res gesserit, id
libertatem Frisiae tueretur, id
perspicuwn est constatque inter
omnes. —
v. Wichts Annalen.
„Anno 1528 Edzardus comes
Frisiae Orientalis aetatis suae
66 Emdae e vivis excessit d.
14. Febr. totius Frisiae dents
et gloria. Princeps bello acer-
rimus, ac nemo fere illi secun-
dus fortitudine et animi magni-
tudine vel fide in amicos vel
iustitia lenitateque et dementia
erga subditos. Amplectebatur
veram Evangelii lucem a Luthero
divinitus restauratam, eiusque
libros diligenter legebat, unde
certum est, fulsisse in ipso veram
fidem et agnitionem fili Dei})
l) Fur den Lutheraner v. Wicht versteht es sich von selbst, dass
er auch der Stellung Edzards zur Reformation gedenkt, charakteristisch
fur die Reformationspraxis, wie fur die PeraSnlichkeit des grossen Grafen
ist es dagegen, dass auch der Klosterbruder ihn als „sanctitate praecipuus K
bezeichnen kann.
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— 88 —
Dann berichtet v. Wicht von den letzten Ermahnungen des
sterbenden Grafen ... vet ut subditi e fUiis suis unum sibi dige-
rcnt dominum, qui ipsi in gubernatione succederel, instanter rogavit.*
Abgesehen von dem letzten Passus fslllt die nahe Verwandt-
schaft zwischen den v. Wichtschen und den Annalen des
Dominikanerklosters wiederum deutlich in die Augen ; v. Wicht
hat in der Charakteristik Edzards einen grossen Teil einfach
iibernommen. Trotz dieser engen Beziehungen steht er aber
doch an mehr als einer Stelle zu Angaben der Norder Hand-
schrift in direktem Widerspruch. So berichtet diese zum Jahre
1430: vEodem anno destructum est ac solo aequatum castrutn in
Lehr a sociis et foederatisuy w&hrend v. Wicht, offenbar im An-
schluss an Eggerik Beninga p. 279, angiebt : ^Arx Lerhana feme
ad deditionem compulsa capta est11, und dieses Ereignis zugleich
richtig ins Jahr 1431 setzt. Auch in Beziehung auf die Herkunft
des ungetreuen Drosten Engelmann widersprechen sich beide,
statt „natus in dioecesi Trajectensi", giebt v. Wicht richtig an:
„in dioecesi Monasteriensi natus".
Am deutlichsten aber tritt der Gegensatz der beiderseitigen
Berichte zu Tage beim Tode Albrechts von Sachsen ; hier lehnt
sich v. Wicht offenbar wiederum gegen den Norder Bericht an
Eggerik Beninga p. 475 an. Die Norder Handschrift weiss von
einer Verwundung des Herzogs zu erzahlen, der er erlegen istr
eine Auffassung, die uns auch in einigen westfriesischen Quellen
entgegentritt. Es ist dies um so bemerkenswerter, als wir es
hier mit einem Zeugnis zu thun liaben, welches den Ereignissen
zeitlich noch ziemlich nahe steht. Der Bericht lautet: ^Caeterum
dictus dux Albertus cum muUis principibus postea suscepta expe-
ditione adversus Groningenses bombardae globo ictus, ut fertur,
morte occubuit, intestina autem eius Emedae in templo sepulta sunt*.
An dieser Stelle, und wo er sonst mit seiner Vorlage in Wider-
spruch steht, ist v. Wicht anscheinend mit Bewusstsein von
derselben abgewichen, da ihm, in der Regel mit Recht, die
Beningasche Auffassung glaubwtirdiger erschien. Dabei liegt
kein Grand vor, anzunehmen, dass v. Wicht etwa die ent-
sprechenden Berichte der Norder Annalen nicht gekannt habe.
Befremden aber muss es, dass er an der Stelle, wo er aus-
driicklich einer Norder Chronik gedenkt, dieser gerade eine
Nachricht zuschreibt, die mit der uns erhaltenen Norder Hand-
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— 89 —
schrift in direktem Widerspruch steht. Es handelt sich urn
den Kampf Ulrichs I. und Sibos von Esens gegen Jever im
Jahre 1457. Die Annalen des Dominikanerklosters berichten
zu diesem Jahre: „ai eodem anno eos vicit praelio Tanne up
Sendorper Zill.a v. Wicht dagegen erz&hlt: ^Brevi tamen post
Tammo restauratis viribus iterum cum iUis congressus est up Nen-
dorpersyl vel, secundum Nordanum Chronicon, apud Campeschlott
victoriam obtinuit, quamvis ea non diu duravit." Eine Verwechse-
lung der beiden Ortsbezeichnungen durch v. Wicbt ist aus-
geschlossen, da auch Eggerik Beninga (p. 340) zu den genannten
Ereignissen bemerkt: „De Norder Chronica meldet, dat idt tho
Camper Schloet sol geschehen, und aldaer Hero Mauritz mil mehr
anderen gefangen syn.u
Es ergiebt sich demnach, dass v. Wicht, oder doch jeden-
falls Beninga, eine Norder Chronik vorgelegen haben muss,
welche mit den uns erhaltenen Annalen nicht wohl identisch
sein kann. Ffir diese Annahme spricht zugleich der Befund
der v. Wichtschen Annalen. Es finden sich namlich in diesen
zahlreiche Nachrichten von spezifisch lokaler Farbung, die in
den Norder Klosterannalen in der uns erhaltenen Form fehlen,
dabei aber doch auf die Herkunft aus einer diesen gleichartigen
Quelle deutlich genug hinweisen. Die Nachricht von der in-
folge innerer Unruhen erfolgten Errichtung einer Burg in Norden
im Jahre 1285 freilich kann wohl aus Eggerik Beninga (p. 139)
tibernommen sein, wenngleich dann dieser doch wiederum auf
die Norder Quelle wird zurflckzufllhren sein. Dagegen lasst
sich ftir die Nachricht v. Wichts zum Jahre 1350: „Sw& idem
tempus templum in Ostringfelde restaur atur ordinaturque et donatur
ibi coenobium virginum ordinis praedicatorum Nordensium, quod
78 annos devastation fuerat* weder eine Beziehung zu Eggerik
Beninga noch sonst eine bestimmte Quelle nachweisen. Das-
selbe ist der Fall bei folgenden Nachrichten v. Wichts: 1422
„/n festo autem nativitatis virginis Mariae celebratum est capitulum
prindpale quartum Nordae.* 1430: ^Hoc anno Vdo Itzinga Cap.
Nordanus destruit munUissimam turrim templi Arreliae, quam hostes
eius occuparant et praesidiis munierant. Hie Vdo vir strenuus ac
fortis fuit, ac Nordae propriam monetam cudit, et submerso Westelae
pago novum aggerem exstrui sternique curavit ab aquaeductu Nordano
Ostelam usque. Fuit ille Fochonis filius et patri praedictis praeliis
5*
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— 90 —
cum Nordanis fidelem operant tulit.* Nach Analogie des oben
angeftthrten Berichtes fiber den Besuch des Erzbischofs in
Norden im Jahre 1271 und anderer aus den Annalen des
Dominikanerklosters bei v. Wicht wiedergegebener Nachrichten
kdnnte dieser auch hier den ersten Satz aus einer bestimmten
Quelle tibernommen und dann die Bemerkung von „Hic
Udou ab selbstandig hinzugefiigt haben. Hierher gehoren
ferner die Nachrichten der v. Wichtschen Annalen: vAnno
1449 celebraium est capitulum principale quintum in Norda ipso die
Jacobi apost. i. e. die 25 Jtdii. Sub idem iempus agger iste Achner-
dam dictus a Nordensibus et Harlingensibus exstrui coeptus est. —
Anno 1502 Coenobium Praedicatorum Nordensium in praesentw
duorum Comitum, duorum Abbatum, 4 Doctorum aliorumque praeda-
rorum virorum est reformatum." Zum Jahre 1509: 9Hoe anno
horribile fuit incendium Nordae, quod in aedibus cuiusdam tonsoris
prope coemiterium fratrum Praedicatorum ortum, ventis mirum in
modum saevientibus per septentrionalem fori partem perque plateam
coenobialem ac molarem usque ad longam plateam, quae nova via
nuncupatur, omnes civium aedes conflagravit ac in cinerem redegU*
Weiter gehOrt dahin wohl noch die Normannenschlacht bei
Norden und die ErzShlung vom Bremer Erzbischof Rembert,
die Grtindung des Dominikanerklosters 1264 *), sowie die Ein-
richtung desselben durch Gerhard, den Abgesandten des Konigs
von Frankreich 1268, etc.
Nach alledem liegt die Annahme nahe, dass v. Wicht
sowohl wie Eggerik Beninga eine grosse Norder Chronik
vorgelegen hat, welche an Umfang des beschriebenen Zeit-
raumes wie auch an Ausdehnung der Nachrichten weit uber
den Inhalt der uns erhaltenen Norder Handschrift hinausgeragt
haben muss. Die Rolle, welche der Dominikanerorden und seine
Geschichte auch in diesen Nachrichten spielt, l&sst weiter darauf
schliessen, dass es sich bei dieser urspriinglichen Norder Chronik
gleichfalls um eine Chronik aus dem dortigen Dominikaner-
kloster gehandelt habe. Das Verhaltnis der grossen Chronik
zu den uns erhaltenen Annalen wird sich im Wesentlichen
dahin bestimmen lassen, dass wir in jenen einen Auszug
bezw. Abschriften von einzelnen Nachrichten der Chronik vor
*) benutzt von Eggerik Beninga p. 118.
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— 91 —
uns haben. Ausser den Momenten, welche die Annalen-
handschrift als Abschrift charakterisieren, l&sst noch eine Be-
merkung in denselben darauf schliessen, dass es sich nur um
Ausziige aus einer grdsseren Chronik handeln kann. Zu dem
Zuge des Grafen Wilhelm von Holland im Jahre 1345 wird
bemerkt: v Quanta auiem ilia victoria fuerit nostrorutn, satis facunde
ac lueulenier Froscardus ac reliqui Gallic* historiographi celebrarunt
in monumentis annalium suarwn, cttm interim Qermamci historici
emu pugnam et helium satis frigide, immo veto falso tnaligneque me-
moriae prodant ac perscribant.u — So hatte wohl ein Mann,
welcher die kurzen geschichtlichen Notizen unserer Annalen
zusammenstellte, kaum geschrieben. Dagegen erklart sich
diese sonst dem Gesamttenor der Annalen fremde Reflexion
leicht, wenn wir annehmen, dass es sich hier um eine aus der
grosseren Chronik zufallig mit tibernommene Erw&gung des
Chronikschreibers handelt.
Ueber den Zeitraum, welchen jene ursprtingliche Domini-
kanerchronik umfasste, lassen sich unbedingt sichere Angaben
nicht machen. Die aitesten Nachrichten, welche wir mit ziem-
licher Wahrscheinlichkeit auf die Chronik werden zurtickfuhren
dtofen, sind die ins Jahr 882 gesetzte Normannenschlacht
und die Erw&hnung der Missionierung Frieslands unter Karl
dem Grossen; von dort an wird die Chronik dann jedenfalls
bis auf das Jahr 1530 hinabgereicht haben. Die erw&hnte
Nachricht von der Missionierung Frieslands unter Karl dem
Grossen, wie wir sie aus v. Wichts Annalen entnehmen konnen,
bietet zugleich eine Handhabe ftir die Datierung der Norder
Chronik. An jener Stelle bei v. Wicht ist davon die Rede, wie
die Bewohner von Reidergo, Emsgo und der Insel Bant Ge-
sandte an Karl geschickt h&tten, mit dem Versprechen der
Unterwerfung ftir den Fall, dass er ihnen Missionare senden
wtirde, die der Landessprache machtig wiiren: ^Carolus hortmi
precibus commotus, misit eis Ludgerum, qui Frisonicam linguam
perfecte novit, uti Friso ex utroque parente natus ac in Frisia nu-
tritus, ac insuper latinamy anglicam, gallicam el germanicam per-
pulchre calluit, qui brevi idolatricos cultus abolens, multum sacra
condone et ecclesiarum reformations ibi profecit, itaque exinde credo
hudgerum apud Nordanos patronum ecclesiae coli ac celebrari, ubi
et templum in eius memoriam eonstructttm est, quod Ulricus comes
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— 92 —
nostro seculo condito excelsae ibidem magnitudinis choro restauravit.*
Nun ist dieser Chorbau vom Grafen Ulrich im Jahre 1445
ausgefflhrt,1) es konnte also v. Wicht, der etwa urn 1600
schrieb, von sich aus nicht wohl behaupten, dieser Bau sei
„nostro seculo" ausgefflhrt, er muss vielmehr den ganzen Passus
wflrtlich aus einer Quelle, welche fiir ihre Zeit so sprechen
konnte, tibernommen haben. Der Schluss aber, dass hier, wo
es sich urn Norder Angelegenheiten handelt, die grosse Norder
Dominikanerchronik, deren Vorhandensein wir im Vorhergehen-
den nachwiesen, die Quelle gewesen sei, ist nur natftrlich.
Von da aus wflrde sich uns dann ergeben, dass der Verfasser
bezw. Zusammensteller jener Chronik in dem Zeitraume zwischen
1445 und 1600 gelebt haben muss, denn nach dem genannten
Jahre konnte er den Chorbau des Grafen Ulrich nicht mehr als
„nostro seculoa aufgefflhrt bezeichnen. Dabei werden wir die
Abfassung nicht allzu nahe an das Jahr 1445 heranzuriicken
haben, da ein Schriftsteller in einem der auf den Bau zu-
n&chst folgenden Jahrzehnte wohl nicht von einem in seinem
Jahrhundert, sondern vielmehr von einem in seiner Zeit oder
seinen Tagen ausgefiihrten Bau wflrde gesprochen haben. Es
ergiebt sich uns demnach als mutmassliche Abfassungszeit der
Chronik das letzte Drittel des 15ten Jahrhunderts. In wie weit
dann die Chronik wiederum im einzelnen auf zeitgenossische
Aufzeichnungen zuruckgeht, wird sich schwerlich nachweisen
lassen. Jedenfalls aber haben wir dann in den Nachrichten
nach dem Jahre 1500 mit Sicherheit solche vor uns, woftLr
uns auch bereits oben der Befund der Nachrichten der Norder
Annalenhandschrift aus der s&chsischenFehde zu sprechen schien.
Hat nun Emmius jene Chronik des Dominikanerklosters
zu Norden benutzt, oder beschr&nkt sich seine Kenntnis von
derselben auf das, was ihm v. Wichts Annalen und der aus
seinem Besitz erhaltene Annalenauszug vermittelten? Der
sicherste Aufschluss hierflber ware aus den Emmiusschen
Kollektaneen zu erwarten. Dort bringt Emmius eine Anzahl
von Nachrichten unter der ausdrflcklichen Quellenangabe „Chron.
Nord.a, und eine Vergleichung darflber, ob diese lediglich dem
uns erhaltenen Annalenauszuge entstammen oder nicht, mflsste
') Em. hist, p, 357.
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— 93 —
uns in unserer Frage einen entscheidenden Schritt weiterfiihren.
Nun liegen die Dinge zwar so einfach nicht. Einmal sind die
Nachrichten, welche Emmius unter der Bezeichnung „Chron.
Nord.a bringt, wenig zahlreich, und sodann lasst sich auch
aus den 7 so bezeichneten Nachrichten eine solche nicht nach-
weisen, die in den handschriftlichen Annalen nicht eventuell
eine Vorlage k6nnte gefunden haben. Dies wiirde aber auch
nach der negativen Seite immerhin noch nichts mit Sicherheit
beweisen konnen. Hierzu kommt noch, dass es bei 2 Nach-
richten nicht eben wahrscheinlich ist, dass sie in der Form,
in welcher sie sich in den Kollektaneen vorfinden, auf die uns
bekannten Annalen zuriickgehen, wennschon sich materiell in
denselben Anhaltspunkte fiir beide Nachrichten finden. Emmius
berichtet in seinen Kollektaneen zu Eggerik Beninga, er f&nde
in einigen Exemplaren der Norder Chronik: ^Focconem ao. 1437
obtisse et Edzardum a Nordanis in magistratrum electum esse"
Lasst es nun schon der hier gegebene Hinweis auf mehrere
Exemplare der Chronik unglaubwtirdig erscheinen, dass Emmius1
Kenntnis sich auf die uns erhaltenen Blatter beschrankt habe,
so bestatigt dies vollends der Wortlaut unserer Nachricht in
den Annalen. Dort wird vom Tode Fockos ausfuhrlich be-
richtet, iiber Edzard aber heisst es : ^Anno 1437 concessa est iuris-
dictio antiquae ac novae terrae Nordensis Edzardo Ydzinga, filio
Evenardi, quoad vita ei suppeteret* Das Verhaltnis beider Nach-
richten legt die Vermutung nahe, dass sie auf eine gemein-
same Quelle zunickzufuhren sind, deren allgemeiner gehaltener
Ausdruck die beiden vorliegenden Fassungen ermoglicht hat.
Emmius selbst wiirde diese Nachricht, h&tte er sie unmittel-
bar aus seinem Auszuge der Norder Annalen iibernommen,
kaum derart abgeandert haben.1) Ahnlich liegen die Dinge bei
*) Dass demEmmiu8 gerade bei dieser Nachricht eine ausfuhrlichere
Fassung, als die der uns erhaltenen Annalen vorgelegen habe, scheint
auch noch aus einer anderweitigen Notiz von ihm hervorzugehen. Er
bemerkt zu einer Urkundenabschrift (Ostfr. Urkundenbuch I Nr. 427):
Anno eodem hebben de olde und nye Norder Landers Junker Edzard, Enno
Sirtzena tho Oretzill soen, vor ehre owerheit und Bichter syn Uventtang over te
tho regeren angenommcn, ut prolixius Chronicon Nordanum." Auf die uns er-
haltene Nachricht der Norder Annalen kann damit jedenfalls nicht an-
gespielt sein. Auch hier bietet die Annahme einer grosseren von Emmius
benutzten Norder Chronik die einzige zureichende Erkiarung.
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- 94- —
den beiden beztiglichen Nachrichten zum Jahre 1444, fiber die
voil Ulrich Cirksena ausgetibte Oberherrschaft in Ostfriesland.
Emmins fuhrt hier aus der Norder Chronik an: „ Anno 1444 Ulrichus
Circsena ab Ordinibus Fr. Or. Dominus Fr. Or. electus est, pax
in Frisia fuita, w&hrend unsere Annalen von einer solchen Wahl
nichts wissen und einfach zust&ndlich berichten: ^Anno 1444
Ulrico dynasta dido return praeside et iudicia legesque administrante
in pace fuit Frisia.* Einen zwingenden Beweis, dass Emmius
die von uns oben nachgewiesene urspriingliche grosse Norder
Dominikanerchronik benutzt habe, vermogen zwar diese an-
gefiihrten Stellen nicht zu liefern, doch lasst sich nicht ver-
kennen, dass ihr Befund diese Annahme wahrscheinlich zu
machen geeignet ist. Die eigentliche Entscheidung hieruber
muss uns die „Historia rerum Frisicarum" selbst liefern.
Es ist bereits darauf hingewiesen, wie die Wiedergabe
der ersten in der Annalenhandschrift uberlieferten Nachricht
bei Emmius so deutlich originale Ziige aufweist, dass hier die
Annahme einer anderweitigen umfassenderen Quelle unvermeid-
lich scheint. Eine Anzahl von Nachrichten uber spezifisch
Norder Verhaltnisse aber findet in unserer Handschrift, und
zum Teil auch bei v. Wicht, tiberhaupt keine Anhaltspunkte
und drangt somit entschieden zu der Annahme, dass Emmius
jene grosse Norder Chronik in ihrem ganzen Umfange benutzt
haben muss. Auf p. 191 der Historia berichtet Emmius:
»Atque eodem isthoc anno (sc. 1322) reperio Jlensi coenobio, quod
scholam Dei vocabant, protectionem a Nordanis promissam esse, cum
civitatis eius consules aut advocati essent Tyrlingus Addinga, Poppo
Jdringa, Thyo Addana et eorundem orator Hero.u Die Erwahnung
der Magistratsglieder weist deutlich auf die Verwandtschaft mit
den tibrigen uns erhaltenen Norder Nachrichten hin.1) Ein An-
haltspunkt bei Eggerik Beninga lasst sich hier ebensowenig
finden, wie bei dem Berichte uber den 5ten Dominikanerkonvent
l) Einen deutlichen Parallelismus im Ausdruck weist z. B. die Nach-
richt der Norder Annalen uber den ersten dort abgehaltenen Dominikaner-
konvent auf. Die betr. Stelle lautet: „Anno 1309(1300) cclebratwn est capi-
txdum generate Nor doe, constdibus et advocatis terrae Nordensis Martino Ald&a,
Kenone Kenesna, Menone Mogena, oratore consilium Sytato Hayena"; ebenso ist
auch die Nachricht uber einen solchen Konvent im Jahre 1337 abgefasst
Moglich ist es freilich auch, dass Emmius die vorliegende Nachricht aus
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— 95 —
in Norden im Jahre 1449. Dort heisst es l) : nInter quae anti-
stiies collegiorum familiae Dominicanae conventum pro more egerunt
Nordae sub exttum Julii mensis, statueruntque multa de rebus com-
tnunibus. Is eonventus apud Nordanos quintus futi. Deinde aver-
Undo maris aestui, qui multum incommodi vicinis agris afferebat,
rivus Aecumanus in primo Harlingiae aditu coniuncta Nordensium
et Harlingiorum opera obstructus, et ingentium aggerum initia iacta:
utile opus, si perfectum fuisset. Sed discordia oborta, quod bene
eoeptum erat, paulo post pessumdedit." Fiir letztere Nach-
richt findet sich, wenn auch in weniger ausftihrlicher Form,
eine Parallele bei v. Wicht. Dagegen berichtet Emmius iiber
den Tod von Edzard Cirksena in einer Form, die nicht nur
deutlich auf das Norder Dominikanerkloster hinweist, sondern
auch weder bei v. Wicht oder in der Norder Annalenhand-
schrift noch auch bei Eggerik Beninga (p. 314) ihre Vorlage
k5nnte gefunden haben. Es heisst fiber dieses Ereignis hist.
p. 351: nEum secutus est eadetn lue correptus Edsardus Gre-
ihanus mense Septembri una cum coniuge Frouwa Berumana,
quae pridie maritum antecesserat. Horum corpora Nordae apud
Dominicanos sepulta, non procul ab Ddonis et Sibeti tumults. u
Danach muss es als sicher betrachtet werden, dass Emmius
Norder Aufzeichnungen vorgelegen haben, welche in dieser
Form ffir uns verloren sind. 1st nun andererseits die Existenz
einer grosseren Norder Dominikanerchronik zweifellos, so liegt
es unmittelbar nahe, zwischen beiden Thatsachen die Ver-
bindungslinie zu Ziehen. Wir werden es somit als im hochsten
Grade wahrscheinlich bezeichnen miissen, dass jene uns ver-
lorene Norder Chronik unter die Quellen der Historia rerum
Frisicarum zu zahlen sei.
Mit dieser Frage ist diejenige nach dem Verhaltnis des
Emmius zu den v.Wichtschen Annalen aufs engste verkniipft.
Bei der von uns angebahnten Losung ist der iiberwiegende
Teil der Parallelberichte von v. Wicht und Emmius nicht als
aus jenem iibernommen anzusehen. Diese sind vielmehr, so-
einer Urkunde entnommen hatte, zumal ihm, wie bereits cap. VI § 1 er-
wihnt ist, eine andere Ihloer Urkunde aus dem Jahre 1378 vorgelegen
hat; doch hat dies wegen der erwahnten Aehnlichkeit unserer Nachricht
mit den Norder Annalen wenig Wahrscheinlichkeit fur sich.
*) Em. hist. p. 366.
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— 96 —
weit sie in der Norder Dominikanerchronik enthalten waren,
von beiden Verfassern unmittelbar aus dieser gemeinsamen
Quelle entnommen und tragen daher bei beiden einen durch
die Eigenart der betreffenden Werke bedingten Charakter.
Trotz der damit gegebenen Beschrankung aber bleibt dennoch
eine Reihe von Nachrichten iibrig, die Emmius seiner Benutzung
der v. Wichtschen Annalen verdankt. Die Schilderung der
Schlacht bei Bargerbuhr im Jahre 1433 giebt Emmius1) im
Anschluss an Eggerik Beninga,2) doch tritt an einer Stelle der
Einfluss der v. Wichtschen Darstellung dieses Ereignisses deut-
lich hervor. Von der Flucht des H&uptlings Ino Kankena so-
wie von der Gefangennahme des Norders Hajo Aldersna weiss
Eggerik Beninga nichts. Emmius erw&hnt beides und zeigt
dabei hinlanglich seine Beziehungen zu v. Wicht:
v. Wichts Annalen (ad. an. 1433). Emmius hist. p. 330.
. . . Jnone Kankena a Wittmund In reliqua fuga non magna
et Dornum capitaneo fuga ela- caedes facta, plures capti. Inter
bente Hajo Aldersna in Linthell quos Haijngus Aldersenius non
etreliquioptimates terras Norda- ignobilis inter Nordanos cm
nae, qui in manus Hamburgen- compluribus aliis notarum fa-
stum venerunt, captivi Bam- miliar urn. Jnonem Kanhenim
burgum deducuntur. fuga eripuit.
Hier konnten v. Wicht, welcher in der Nahe von Norden lebte,
sehr wohl selbst&ndige Nachrichten zur Verfugung stehen,
ebenso fiir die Thatsache, dass Norden im Jahre 1514 nach
der Eroberung von Dornum durch eine Abteilung des ver-
bundeten Heeres gebrandschatzt wurde, was Emmius8) gleich*
falls hierher iibernimmt. Ausserdem hat Emmius die Annalen
auch noch fiir einige anderweitige ostfriesische Nachrichten ver-
wertet. So weiss v. Wicht ad. an. 1451 von einer Einnahme
der Burg zu Hinte durch die Hamburger. Emmius4) Iiber-
nimmt dies, versetzt das Ereignis aber zugleich ins folgende
Jahr, um es dem bei Eg. Beninga6) gegebenen Zusammen-
') Em. hist. p. 330.
2) Eg. B. p. 284.
•) Em. hist. p. 717 f.; bei Eg. Beninga p. 559 ist dies nur kura
angedeutet.
4) Em. hist. p. 369.
•) Eg. B. p. 328.
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— 97 —
hange der Dinge eingliedern zu konnen. Gleichzeitig verdankt
er den Wichtschen Annalen die Kunde von den Raubziigen der
Groninger ins Reiderland, bezw. nach Bunde im Jahre 1501 *)
u. a. m. Dass es sich bei dem alien immer nur um kleine
Erganzungen oder um minder wichtige Dinge handelt, ent-
spricht durchaus der Thatsache, dass dem Ernst Friedrich
v. Wicht, als einem Zeitgenossen und Freunde des Emmius,
wohl kaum umfassendere Quellen zur Verfiigung gestanden
haben, welche diesem unbekannt oder verschlossen geblieben
waren.
§ 3. Die Biographie des Priors Arnold von Creveld.
In seiner Besprechung der Quellen der Historia macht
Mohlraann,2) nachdem er auf das Verh<nis des Emmius zu
Eggerik Beninga eingegangen ist, die Bemerkung: „Andere ost-
friesische Chroniken, die ihm bekannt gewesen sein mtfgen,
konnten schwerlich von besonderer Bedeutung sein,8) nur
macht davon das Fragment einer Geschichte des Klosters
Marienkamp bei Esens, welches 1707 mit Emmius' handschrift-
lichem Nachlass fur das Provinzialarchiv angekauft wurde,
eine riihmliche Ausnahme". Das hier erw&hnte Fragment4) ent-
halt einen Teil der Lebensbeschreibung des 2ten Vorstehers jenes
Klosters, Arnold von Creveld. Wenn Mohlmannn mit den an-
gefuhrten Worten auf die Bedeutung der Schrift selbst hin-
weisen will, so ist er vollig im Recht. Es handelt sich nicht
nur um die Lebensbeschreibung eines fur das Ordenswesen in
Ostfriesland hochbedeutsamen Mannes, welcher die infolge der
Reformbestrebungen4) von Konstanz bezw. Petershausen in das
alte Benediktinerkloster Marienkamp versetzten Chorherrn in
ihren Rechten zu schutzen und zu sichern verstand, sondern
*) Em. hist. p. 614.
*) a. a. 0. p. 67.
*) vgl. dagegen besonders § 2 dieses Abschnittes.
4) Herausgeg. von Sauer im Jahrbuch der Gesellschaft fOr bildende
Kunst etc. zu Emden Bd. Ha. p. 47— 83; vgl. auch Mohlmann: ,Hironimus
Gre8tius's Reimchronik von Harlingerland" etc., Stade u. Harburg 1845,
Einleitung p. IV f.
8) vgl. H. v. Wessenberg: Die grossen Kirchenversammlungen etc.
Bd. II p. 238 f.
Jahrbach der Oosellsch. f. b. K. u. vaterl. Altertiimer ra Emden, Bd. XV. 7
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auch das Werk selbst, wenige Jahre nach 1450 abgefasst,
bietet eine Reihe sch&tzenswerter Nachtichten fiber die ost-
friesischen Verhftltnisse in der ersten H&lfte des 15ten Jahr-
hunderts.
Anders aber steht es, wenn wir das Werk als eine der
besten Quellen der Historia ansehen wollten. Der Umstand, dass
das uns erhaltene Fragment aus Emmius1 Nachlass stammt,
mag MOhlmann diese Annahme nahegelegt haben. Eine Spur
der Benutzung unseres Fragments scheint sich denn auch in der
That in der Historia zu finden. Nachdem Emmius von der
Besetzung der bisherigen BenediktinerklSster SylmSnken and
Marienkamp mit regulierten Chorherrn gesprochen hat,1) setzt
er in Bezug auf letzteres hinzu: net primus collegio praefectus
Arnoldus datus Creveldius, opinion* pietatis et virtutum apud pasteros
scriptis celebrates.* Schon dadurch, dass er den Namen des
Priors nennt, geht er deutlich fiber Eggerik Beninga hinaus.2)
Die Erw&hnung von Schriften, welche die Tugenden Arnolds
preisen, scheint vollends auf unsere Biographie hinzuweisen.
Dagegen entspricht das ganze Verh<nis des Fragments zur
Historia durchaus nicht der Art, wie Emmius sonst seine Quellen
zu verwerten pflegt. Dass er Arnold als den ersten Prior des
Klosters bezeichnet, obwohl fol. 2 und fol. 9 ausdrftcklich von
seinem ^antecessor* die Rede ist, mag insofern erkl&rlich sein,
als fol. 19 Arnold selbst gelegentlich als ^primus prior* be-
zeichnet wird, so dass sein Vorganger 3) nur die Stellung eines
„ rector" bekleidet h&tte. Die Datierung der Klosterreformation
ins Jahr 1444 aber, wie sie Emmius im Anschluss an Eggerik
Beninga giebt, ist einfach unverst&ndlich, wenn Emmius bei
Abfassung der Historia die Biographie Crevelds wirklich be-
nutzt hSLtte. Nicht nur, dass das Jahr seines Todes 1431 fol. 18
ausdrticklich angegeben ist, selbst wenn Emmius diese Zahl
tlbersehen haben sollte, h&tten ihm doch schon die Beziehungen
Crevelds zu Udo von Norden (fol. 2) sowie zu Engelberg, der
s) Em. hist. p. 357.
*) Eg. Beninga p. 323.
*) Sauer nennt als solchen Rembert ter List, welcher aber wohl
mit Pannenborg (G5tt. gel. Anz. 1879, Stack 32, p. 1020—23) als Arnolds
Nachfolger anzusehen ist. Der Name von Arnolds Vorg&nger ist dann
wahrscheinlich Arnoldus Huls.
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- 99 -
Qemahlin des jiingeren Ocko ten Brok (fol. 16), und endlich der
ganze historische Hintergrund der Biographie liber die Zeit, in
der Arnold lebte, eines besseren belehren miissen. Dazu kommt
noch, dass Emmius keine von den fiir die ostfriesische Geschichte
wichtigen originalen Nachrichten, welche das Fragment ent-
hait, verwertet hat. Ebensowenig ist er auf ein paar gelegent-
liche charakteristische Bemerkungen eingegangen, welche als
zeitgenossische Zeugnisse von besonderem Werte sind. Von der
Verbrennung von Esens durcb Itze ten Brok, den Halbbruder
des jiingeren Ocko ten Brok (fol. 16), weiss Emmius nichts. Die
kurze Charakteristik Udos von Norden: ^omnino non parum tutni-
dus et turgidus* (fol. 3) lasst er sich entgehen,1) ebenso die
Notiz tiber die Reckengestalt Focke Ukenas, den der Verfasser
mit Saul vergleicht (fol. 16) 2). Es ist daher anzunehmen, dass
dem Emmius bei Abfassung der Historia die Biographie Crevelds
noch nicht vorgelegen hat. Moglichenfalls war ihm das Vor-
handensein derselben und damit der Name des Priors bekannt,
wahrend es ihm erst nach Abfassung seines Werkes gelang,
die Handschrift selbst zu erwerben.8) Wir werden die Bio-
graphie Crevelds somit nicht unter die Quellen der Historia zu
zahlen haben,4) eine Besprechung derselben an dieser Stelle
schien aber um der eingangs erwahnten Bemerkung Mohlmanns
willen geboten.
*) An andern Stellen giebt er selbst gelegentlich derartige kurze
Charakteristiken, so hist. p. 350 fur Hayo Harles.
2) Dieselbe findet sich zuerst verwertet bei Wiarda : Ostfr. Gesch. I p. 465.
8) vgl. dazu auch Herquet: Geschichte des Landesarchivs von Ost-
friesland, Norden 1879, p. 14 Anm. 1.
4) In gleicher Weise ist auch ein aus Emmius* Nachlass stammender
Aufsatz uber die Emder Ereignisse von 1536—80 nicht zu den Quellen der
Historia zu zahlen. Derselbe findet sich unter Emmius' Papieren auf dem
kgl. Staatsarchiv zu Aurich (Mscr. A. 17a). Die teils lateinische, teils
plattdeutsche Schrift ist in hochdeutscher Uebersetzung abgedruckt in
Buerens .Jahrbuchlein zur Unterhaltung und zum Nutzen, zunachst fiir
Ostfriesland und Harlingerland. Auf das Jahr 1837« (Emden 1836), p. 87
bis 105. Von den fur uns in Betracht kommenden Nachrichten ist, soweit
dieselben hier original sind, in der Historia keine verwertet. Berichte,
welche bei Emmius den hier vorliegenden Nachrichten parallel erzahlt
werden, gehen deutlich auf anderweitige Quellen zuruck. Ueber die
Teuerung des Jahres 1557 weiss der Verfasser der Notizen zu berichten,
7*
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— 100 —
§ 4. Das Protokoll des Amtmanns Ubbo Emmen in
Leerort.
In den Kollektaneen zu Eg. Benniga bemerkt Emmius ge-
legentlich: ^Toto tempore belli Saxonici avunculus meus magnus
M. Ubbo Emmen fuit scriba praefecturae Orthanae, a quo exara-
tum protocollum adhuc exstat in arce ab ao. 1503 usque ad annum
1518.* Das Protokoll selbst ist uns nicht erhalten, es ist somit
fiber seinen Umfang wie fiber seine Bedeutung fttr die Historia
schwerlich noch etwas Genaueres festzustellen. Wenn wir an-
nehmen, dass jene Nachrichten sich auf die Ereignisse in Leer-
ort beschr&nkt haben, so wiirden ftir uns wesentlich 2 Stellen
in Betracht kommen: Anfang Februar des Jahres 1514 empf&ngt
Edzard der Grosse auf der Burg zu Leerort den Abgesandten
des Herzogs Georg von Sachsen, welcher ihm die bereits er-
offnete Fehde in aller Form ansagen l&sst. Emmius berichtet
iiber die Aufnahme des Ueberbringers und die Botschaft des
Grafen an den Herzog von Sachsen. Hier k5nnte eine Notiz
des Leerorter Amtmannes vorgelegen haben, aber Emmius be-
ruft sich ausdrucklich auf Eg. Beninga1) und giebt lediglich
das bereits bei diesem Gesagte wieder. Die iiber Beninga
hinausgehende Bemerkung Edzards: ^egregie veto et ex disciplina
mxlitiae% ubi bellum iam dudum geritis, nunc demum verbis id
denunciatisa , kann sehr wohl von Emmius nach seiner Ge-
wohnheit aus der Situation erg&nzt sein.
Am wichtigsten ftir unsere Frage ist nattlrlich diejenige
Stelle, wo Leerort im Mittelpunkte der gesamten historischen
Entwicklung steht, die Belagerung durch den Herzog von Braun-
schweig im Jahre 1514. Auch hier schliesst sich Emmius2)
wieder durchaus an die Beningasche Darstellung8) an. Dass
dass in Emden eine Tonne Roggen im Monat April 80—90 Thaler ge-
kostet habe. Emmius schliesst sich (p. 955) an Eg. Beninga an (p. 843 f.),
da er die Teuerung vom Februar an datiert und die Preise fur Ende Mai
anfuhrt. Das letzte Ereignis, welches Emmius berichtet, dass noch am
Peterstage 1664 gegen 1000 Menschen bei Emden auf dem Eise gewesen
seien, wird auch hier erzahlt, doch ist die viel anschaulichere Darstellung
bei Emmius unbedingt selbstandig, zumal er noch hinzusetzen kann
(p. 962): „quorum ego quoquc, qui turn Emdae dcgcbam, unu$ fui.u
l) Em. hist. p. 693, Eg. B. p. 626.
») Em. hist. p. 710 ff.
») Eg. Beninga p 647 ff.
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— 101 —
sich die Wiedergabe durch Emmius, tibrigens eine der schOnsten
Schilderungen in der Historia, besonders durch Lebhaftigkeit
und Anschaulichkeit auszeichnet, brauchte an sich fur die Be-
nutzung einer besonderen Quelle noch nicht zu sprechen. Da-
gegen zeigt dieser Bericht gegen Eg. Beninga einige, wenn
auch nicht eben bedeutsame selbst&ndige Ziige. Vom Herzog
von Braunschweig wird bereits aus den ersten Tagen der Be-
Jagerung berichtet: ^ipse ubique adesse, urgere, festinare opera dies
nodesque, cophinos ingentes hie illic statuere, tormentorum ma-
gistris praecipue instate? Die Ermahnungen des Drosten und
des Kommandanten der Burgbesatzung an ihre Leute k5nnen
vielleicht frei erganzt sein, ebenso die Bemerkung, dass man
im ostfriesischen Lager jenseit der Ems, als man sah, dass
sich die Belagerer zum Sturm anschickten, die schweren Ge-
schiitze auf den Wall und Graben der Burg gerichtet habe.
Dagegen berichtet Emmius iiber das Verhalten der Belagerer
beim Tode des Herzogs in einer Weise, fur die sich im Beninga-
schen Berichte jedenfalls kein Anhaltspunkt wiirde finden lassen:
9Perempto Principe concursari illuc, corpus palpitans erigi, cere-
brum craniumque dispersum colligi, solum quoque cruentum tolli, cum
corpore ferri in castrisu etc. Nun konnte es allerdings befremdlich
erscheinen, dass Emmius dem Berichte des Augenzeugen nur
diese wenigen Ziige sollte entnommen haben, w&hrend er
Beningas Darstellung so grosse Beachtung schenkt. Das Ver-
haltnis zu beiden Quellen wird sich am besten dadurch auf-
klaren lassen, dass man annimmt, das Protokoll Ubbo Emmens
habe auch Eg. Beninga bereits als Quelle vorgelegen. Dies ist
um so eher zu vermuten, als sich jenes Schriftstiick zu Emmius1
Zeiten auf der Burg Leerort befand, welche einst Eg. Beninga
als graflicher Drost befehligte. Es ware demnach vielmehr im
Gegenteil verwunderlich, wenn Eg. Beninga von jenem Proto-
koll keine Kunde gehabt haben sollte, und die ausfuhrliche
Darstellung jener Belagerung bei ihm wiirde wohl fiir die Be-
nutzung einer derartigen Quelle sprechen. Emmius hat dann
die Schilderung seines Oheims sowohl, wie die auf jener be-
ruhende Eg. Beningas vor Augen gehabt und sich aus beiden
seine Anschauung der Vorgange von Leerort gebildet.
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— 102 —
§ 5. Die Tabella genealogica.
Ebensowenig wie iiber das Leerorter Protokoll lasst sich
liber eine andere ostfriesische Quellenschrift etwas Sicheres aus-
machen, welche Emmius in seinen Kollektaneen als „Tabella
genealogica" bezeichnet. Bartels1) charakterisiert dieselbe auf
Grand der una aus ihr ttberlieferten Notizen als: „ Nachrichten
eines Ungenannten liber die Familien Cirksena, Ukena, ten Brok,
Oldersum, Esens und Norden." Die Nachrichten reichen von
1389 — 1499. Nach dem Zeitraum, welchen sie umspannen, wie
auch nach der betr&chtlichen Anzahl der hier beriicksichtigten
Familien zu urteilen, scheint es sich um ein ziemlich umfang-
reiches Werk gehandelt zu haben. An eine blosse Aufz&hlung
von kurzen genealogischen Notizen, wie dies der Titel vielleicht
vermuten liesse, wird kaum zu denken sein. Nachrichten,
wie diejenigen uber einen Deichbau Udos von Norden, sowie
iiber die Thatsache, dass er eigene Mlinzen hat schlagen lassen,
scheinen auf eine etwas weiter angelegte Darstellung hinzu-
deuten. Der Verfasser wird, wie zumal aus den beiden letzt-
genannten Nachrichten hervorgeht,2) als Quelle u. a. die Norder
Chronik benutzt haben, wie Emmius denn auch einige Nach-
richten giebt mit der Bezeichnung: »Auth. Tab. Geneal. ex Chronica
Nord.u Die Quelle zeigt eine sehr unsichere Chronologie. Das
Treffen bei Detern zwischen Focke Ukena und dem Erzbischof
von Bremen nebst seinen Verbiindeten (1426) wird um 9 Jahre
zuriickdatiert; Focke Ukenas Tod fallt nach der „ Tabella
genealogica" ins Jahr 1431, wogegen Eg. Beninga p. 294 und
Emmius p. 337 das Jahr 1435 als Todesjahr angeben. Auch
die letzte aus dieser Quelle gegebene Nachricht, uber die Be-
lagerung und Entsetzung von Appingadam im Friihjahr 1500,
wird f&lschlich in das Jahr 1499 verwiesen. Nur fiir die Be-
lagerung von Jever 1495 giebt der Verfasser gegen Eg. Beninga8)
die richtige Datierung, worin ihm Emmius folgt.4) In einem
andern Falle, beim Zuge der mit Keno ten Brok verbiindeten
l) Jahrbuch der Gesellschaft fur bildende Kunst etc. zu Emden
Bd. Via. p. 32.
") vgl. § 2.
") Eg, Beninga p. 412: 1494
4) Em. hist. p. 527.
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— 103 —
Hamburger and Liibecker gegen einige ostfriesische Edelleute
im Jahre 1407, entnimmt Emmius1), obschon er der „Tabella
genealogica" in der Datierung widersprechen muss, aus ihr die
Nachricht, dass auch die Pilsumer Burg auf jenem Zuge mit-
erobert sei, was Eg. Beninga2) nicht erw&hnt. Alles in allem
werden wir uns die Ausbeute aus der Tabella genealogica
nicht eben gross vorzustellen haben, wennschon es nicht aus-
geschlossen erscheint, dass Emmius ihr einige selbstandige,
zumal genealogische Nachrichten ttber die in der „ Tabella" be-
handelten Familien verdankt.
[Die Fortsetzung erscheint im n&chsten Bande des Jahrbuches.]
l) p. 249.
*) Eg. Beninga p 178.
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Ein Hausbueh Eggerik Beningas.
Von Dr. C. Borchling in GSttingen.
Schluss.1)
Beilage IX.
Die Protokotte der Auricher Hexenprocesse von 1543, nebst einem
Deberblick ilber die Hexenprocesse in Ostfriesland.
bo segensreich und befreiend die Reformation in vielen
Punkten fiir unser deutsches Vaterland gewirkt hat, das letzte
und verderblichste Geschenk des absterbenden Mittelalters, die
grosse Hexenverfolgung, hat sie uns nicht fernzuhalten ver-
mocht. Hexenglaube und Hexenwesen spielen ja schon im
klassischen Altertum eine bedeutende Rolle und sind seitdem
bis auf den heutigen Tag nicht auszurotten gewesen. Sie stehen
als Teil des allgemeinen Zauber- und Aberglaubens in zu enger
Verkniipfung mit den niedrigen und bornierten Trieben im ge-
wohnlicben Menschen. Die grosse Hexenverfolgung des 15. bis
17. Jahrhunderts aber erscheint in dieser ganzen Bewegung wie
eine ungeheure Flutwelle, vor deren plotzlichem Auftauchen
und rasend schnellem Anwachsen man bis vor Kurzem wie vor
einem unlosbaren Ratsel stand. Erst das neuste Werk uber
die Geschichte der Hexenprocesse2) hat erschopfend nach-
gewiesen, dass das um die Mitte des 15. Jahrhunderts ohne
jeden erkennbaren &usseren Anlass einsetzende Wiederaufleben
der Hexenverfolgungen nicht etwa, wie man geglaubt hat, auf
x) Vgl. Jahrbuch XIV (1902), S. 177 ff.
8) Jos. Hansen, Zauberwahn, Inquisition und Hexenprocess im
Mittelalter und die Entstehung der grossen Hexenverfolgung. Munchen
und Leipzig 1900.
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— 105 —
irgend einem zuf&lligen Ereignis, wie z. B. dem ersten Auf-
tauchen der Zigeuner in Europa, beruht, sondern in Wahrheit
nur das Ergebnis einer fast zweihundertjahrigen systematischen
Vorarbeit bildet. In den Kreisen der scholastischen Wissen-
schaft ist in langer miihevoller Arbeit mit all der Griindlichkeit
und spitzfindigen Grtibelei, die dieser Schule eigen ist, das voll-
standige System des Hexenglaubens wie seiner Behandlung im
canonischen Rechte, des Hexenprocesses, bis in die aussersten
Details ausgearbeitet und festgelegt worden. Dem fertigen
Systeme gab Papst Innocenz VIII durch die Bulle „Summis
desiderantes affectibus" vom Jahre 1484 die kirchliche Weihe,
und von einem der 3 Hexenrichter, die er in dieser Bulle fur
Deutschland einsetzte, Jacob Sprenger, erschien drei Jahre
sp&ter (Coin 1487) der Katechismus der neuen Lehre, der Malleus
maleficarum (Hexenhammer), der mit seinen schweren Schlagen
das Gliick von Tausenden und Abertausenden zermalmt hat. Der
Hauptunterschied zwischen diesem durch scholastische Specu-
lationen construierten Hexenglauben and dem naiveren Volks-
glauben friiherer Jahrhunderte liegt in der starkeren Betonung
des Teufelsbiindnisses, das jetzt durch die fleischliche Ver-
mischung der Hexen mit dem Teufel und die Orgien der
Hexensabbate zum Ausdruck gebracht wird. Mit der Ausmalung
dieser beiden Punkte beschaftigt sich die Theorie des Hexen-
glaubens und die Praxis der Hexenprocesse von nun an mit be-
sonderer Vorliebe und Ausfiihrlichkeit. Hat eine Angeklagte
den Verkehr mit dem Teufel eingestanden, so ist sie damit eo
ipso gerichtet, und es ist nicht weiter von Belang, ob sie
ausserdem auch durch Zauberei, Gift u. a. ihren Mitmenschen
wirklichen Schaden gethan hat. Die Betonung des religiosen
Momentes also, der Abfall von Gott, der in dem Umgange mit
dem Teufel zum Ausdruck kommt, charakterisiert den Hexen
glauben des ausgehenden Mittelalters. Diese enge Verbindung
des Hexenwahns mit dem damals zu ebenso hoher Entwicklung
gebrachten Teufelsglauben erklart aber auch, weshalb die Re
formation hier keine Besserung brachte. Luther selbst ist ja
bekanntlich ein iiberzeugungstreuer Anhanger des Teufels-
glaubens gewesen, und durch die Vermittlung dieser Anschauung
hat sich denn auch der Hexenglaube in den Kirchen der Re-
formation eingenistet. So lange freilich die religiosen Parteien
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— 106 —
in einer Landschaft noch miteinander um die Herrschaft k&mpfen,
hOren wir wenig von Hexenverbrennungen. Sobald sich aber
die Besitzst&nde der einzelnen Kirchen gesondert und consoli-
diert haben, beginnt auch bald die erste Kunde von Hexen-
processen aufzutauchen.
Im Gebiete des alten Ostfrieslands beginnen die sicheren
Nachrichten von solchen Processen mit den vierziger Jahren
des 16. Jahrhunderts : 1542 werden die ersten Hexen zu Jever
verbrannt, im folgenden Jahre spielt der grosse Process, der
uns hier besch&ftigen soil, und nun folgt das ganze 16. Jahr-
hundert hindurch eine l&ngere Reihe von Hexenprocessen, wozu
das eigentliche Ostfriesland, Groningerland, Jeverland und But-
jadingen in gleicher Weise beitragen. Im 17. Jahrhundert wird
es aber merkwttrdig still, wir h6ren nur noch von 6iner Hexen-
verbrennung 1615, auch diese wieder in Jever. Allein es wSLre
falsch, aus diesem Mangel an Nachrichten voreilige Schlusse zu
Ziehen und wegen der immerhin nur geringen Zahl der ost-
friesischen Hexenprocesse Ostfriesland auf Kosten anderer Teile
des deutschen Vaterlandes herauszustreichen. Gerade in den
Hexenprocessacten ist hier zu Lande m&chtig aufger&umt
worden. Man hat sich friih genug dieser barbarischen Justiz
einer SJteren Zeit zu sch&men angefangen; es kommt hinzu,
dass gerade die Hexenprocessprotokolle, bei der Formlosigkeit
des ganzen Verfahrens, auch im juristischen Sinne mangelhaft
genug gefflhrt wurden und schon deshalb ihre Erhaltung
dem Fachjuristen, der tiber ihre Einstampfung zu entscheiden
hatte, nicht am Herzen lag. Wir sind somit fttr die Hexen-
processe fast ganz auf die gelegentlichen Nachrichten der Ge-
schichtsschreiber und an anderen Orten verstreute Notizen an-
gewiesen. Von all den Hexenuntersuchungen aus dem jetzt
oldenburgischen Teile Ostfrieslands, die Sello, Studien zur Ge-
schichte von Oestringen und Rtistringen (1898), S. 76 f. u. S. 81
anfuhrt, haben sich nur zu zweien die ausftthrlichen Protokolle
erhalten. Aus Groningen1) ist mir auch nur eine summarische
2) Vgl. Mr. J. S. G. Koning, Oude aantekeningen over Heksen-Pro-
ceesen in de Ommelanden en het Oldambt, in den Bijdragen tot de Ge-
schiedenis en Oudheidskunde i. z. van de provincie Groningen, Deel 7
(1870), S. 262 ff. Dazu Feiths Nachtrag S. 318 und Bartels Besprechung
im Ostfries. Monatsblatt, Bd. 1 (1873), S 294 ff.
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— 107 —
Aufz&hlung von derartigen Processen bekannt, die gerade weil
sie nur die kurze Spanne Zeit von 1647—1557 umfasst, durch
die hohe Zahl der Falle einen erschreckenden Riickschluss auf
die Gesamtsumme von Hexenprocessen in den Ommelanden
und dem Oldambte gestattet. Im Bezirk des heutigen Ostfries-
lands endlich sind die Acten der Beningaschen Handschrift
das erste und, wie es scheint, einzige Beispiel eines Hexen-
processprotokolls. Sonst sind auch hier die kurzen Angaben
der Chronisten unsere einzige Quelle. Zu der Zahl der ost-
friesischen Hexenprocesse, die nach Wiarda HI, 12 u. 205 im
Ostfriesischen Monatsblatt I, 208 ff. und nach Abel Eppens
Chronik ad 1586 ibid. S. 300 f. behandelt werden, weiss ich
keine weiteren hinzuzufiigen,1) es geniigt also, kurz die prim&ren
Quellen der einzelnen Nachrichten zu besprechen. Von den
beiden Processen oder richtiger Processgruppen von 1543 und
1547 giebt Beninga selbst in seiner Chronik die ersten Nach-
richten, die durch gleichzeitige Notizen im Rechnungsbuche
der Grafin Anna bestatigt werden. Ich setze die Stellen aus
dem Beninga hierher:
1) 1643. Beninga ed. Harkenroht, S. 736 f.: „Woe itliche
Toverschen tho Aurick vorbrant. CXI. In dussen winter
(1543) wurden in lange Ripe in den Ampte to Aurick
vele Toverschen, de sick den duyvel avergegeven, mit oene to
doende als mit oeren echten menneren, angegrepen, dat de
meerer deel aene pine bekent hebben, so dat up eenen dach
een man und een vrouwe, de van den grooten thoern doot viel,
verbrent. Darna umtrent midvasten wurden noch 9 up eenen
dach verbrent. Nicht lange daerna noch vyf, de vele groulicke
dingen mit den duivel verschaffet, belyet hebben. a — Auf
Beninga beruht im Wesentlichen die Angabe E. F. v. Wichts in
seinen Annales Frisiae ad 1543 (Manuscript der Ostfries. Land-
schaft zu Aurich No. 15 in 4°, S. 293, abgedruckt im Ostfries.
Monatsblatt 1 [1873], S. 209 Anm. 1). Doch muss v. Wicht auch
noch andere Nachrichten gehabt haben, da er den auch in unseren
Acten wiederkehrenden Einzelzug hinzufttgt : diaboli monstrum in
coitu frigidae fuisse complexionis. Wenn er aber diesen Zu-
satz mit den Worten einleitet: Confessae enim hae bestiae
l) Aber siehe jetzt unten zu 1591/92!
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— 108 —
per torturam, so bezieht sich die Erw&hnung der Folter
nattirlich nur auf diese eine Aussage, und der juristische Ver-
fasser des Artikels im Monatsblatte hatte daraus keinen Gegen-
satz zu Beningas Worten: „dat de meerer deel aene pine be-
kent hebbena construieren dtirfen. Aus unsern Protokollen
ersehen wir, dass wirklich nur ein Teil der Aussagen durch
die Folter erpresst ist.
2) 1547. Beninga S. 799 f.: „Woe idtliche Toverschen tho
Norden gebrant wurden. CLI. In dussen jaer (1547) wurden
itliche Toverschen to Norden angegrepen, dat door tweMoller
knechte int licht quam, de vele andere gemeldet, de vele grouwe-
licke dingen mit den Duivel bedreven hadden. Daer van 2 den
6. Augusti up den dach Sixti na oere bekentenisse int vuyr to
pulver gebrant sinnen, dewyle im olden Testament verbaden,
datmen de Toverschen nicht schal by sick laten leven." Hier
ist Beninga bisher die einzige Quelle.
Kurz, aber schwerwiegend ist die Notiz in v. Wichts An-
nalen ad 1590 (Mscr. der Landschaft S. 356): Multae veneficae
hoc anno (1590) combustae sunt: in Knipens 20, Wittmundae
2, Auricae 2, Lehrae1) 2, Pewsumae 2 et Nordae 3 ex
insula Juist. Welch ein Jammer in den wenigen Zeilen!
Uebrigens ist dieser Kniphauser Hexenprozess mit seinen 20
Opfern in Sellos Aufzahlung a. a. 0. noch nachzutragen.
Weniger blutig sind die umfangreichen Hexenverfolgungen
des Jahres 1586 verlaufen. Wir horen von ihnen nur durch
die Chronik des Ommelanders Abel Eppens (Original-Manuscript
im Provinciaal-Archief zu Groningen, No. 7b in Folio2). Er be-
richtet zum Jahre 1587: „We verleden jaar (also 1586) in Oest-
vreslant tho Esens vnde vp meer plaetsen niet allene geruchte
erschal van Touerschen, dan ock voele to Auwerick, Bierum
ingetogen vnde to water laten swemmen torn proue etc. vnde
*) [Die jetzt im Besitze des Herrn Dr. M Klinkenborg zu Berlin be-
findliche MOhlmannsche Abschrift der verlornen Original-Handschrift der
v. Wichtschen Annalen hat an dieser Stelle die richtigere Lesart ,Lyror-
thae". R.]
2) Vgl. S. Muller, Lijst van Noord-Nederlandsche Kronijken (= Werken
van het Historisch Genootschap te Utrecht. N. S. No. 31), Utrecht 1880,
S. 61. — Die angezogene Stelle ist hier nach Feiths Abdruck, Bijdragen
tot de Geschiedenis . . . van . . . Groningen, Deel 7 (1870), S. 318 gegeben-
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— 109 —
nochtans gr. Edzard myt syn reden die straffe vnde nasoeck liet
verbliuen. Want die sake so wydt vnde breet vthstreckede
sonder nootwendich bewysz, woe to Ossenbrugge mer dan 80
personen verbrant worden, rycken vnde wal benoempt wale be-
ruchtiget, vnde daer na is verbleuen." Unter der von Eppens
an erster Stelle erwahnten Esenser Affare ist gewiss an den
aus der politischen Geschichte bekannten Criminalprocess
wegen der mutmasslichen Vergiftung der Grafin Walpurgis, der
Gemahlin Graf Ennos III, zu denken, vgl. de Vries, Ostfries.
Monatsblatt 1 (1873), S. 419 f . Die neueren ostfriesischen G eschichts-
schreiber1) behandeln die Sache zwar nicht als Hexenprocess,
sondern als ein gewShnliches Criminalverfahren wegen Gift-
raischerei. Aber die Aussagen der gefolterten Uebelth&terin
enthalten doch einen Zug, der das Biindnis der Angeschuldigten
mit dem Teufel feststellt, und dass die Mitwelt in dem Ver-
fahren gegen Christine Evken und ihre Tochter einen veritablen
Hexenprocess erblickte, zeigt deutlich die Notiz, die der Norder
Pastor Bernhard Elsenius damals in seine Hauschronik (Original
im Kgl. Staatsarchiv zu Aurich, Manuscript A 10) eintrug. S. 292
unter dem 26. Juli lesen wir dort: „Anno 1586 Is Stine Effcken
ein opentlicke Touersche vnnde ehbreckersche mit 2 Doch-
teren Anna vnd Hille geslepet vnd vorbrant worden, Darummo
dat se frouwe Walproch, Grefinne van Ritbergen, Graue Enno
sine gemale, mit vorgifft vmme gebracht vnd gedodet hadde.
Der Sathan hadde ere dat vorgifft gebracht in der gestalt eines
engels, we se suluest bekennet." Viel diplomatischer druckt
sich v. Wicht, Annalen S. 349 f. uber diesen Fall aus. Er weist
darauf hin, dass die Aerzte der Verstorbenen in bestimmter
Form ausgesprochen hatten, sie sei eines naturlichen Todes
gestorben, und beh< sich deshalb sein Urteil vor. Dann er-
zahlt er ausftihrlich den Verlauf des Processes: „Capta tamen
est pestifera ilia Anna cum sorore et matre Stina Evken,
Johannis Evken consulis quondam Esensis vxore, et diris tor-
mentis subjecta mater confessa est, se veneficam esse, et dia-
bolum praeparasse quoddam, quod in formam angeli trans-
figuratum2) sibi tradiderit, ut filiae Annae daret. Anna vero
>) Vgl. Wiarda HI, 163 und 0. Klopp II, 2G.
*) Mfthlmanns Hs. : transfiguratus.
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— 110 —
pet torturam rogata se quiddam1) aliquid a matre accepisse
respondet, quod Comitissae bibendum dederit, an venenum vero
fuerit, necne, sibi non constare, atque ita mater cum duabos
filiis ad fiammam condemnata est et d. 27. Julii ad patibulum
Esense miserabili spectaculo sunt combustae." —
Erst nach dem Abschlusse dieser Arbeit, als ihr Anfang
bereits dem Drucke entgegenging, bin ich durch einen glticklichen
Fund des Herrn Archivrats Dr. Wachter zu Aurich mit einem
bis dahin ganz unbekannten ostfriesischen Hexenprocesse be-
kannt geworden, der durch das Local der Handlung besonders
erw&hnenswert ist. Er bietet n&mlich das erste sichere Zeug-
nis ftir einen Hexenprocess in einer reformierten Gemeinde
Ostfrieslands und schliesst zugleicb die Reihe der ostfriesischen
Hexenprocesse, von denen wir wissen, zeitlich ab. Im Mscr.
A 164 des Kgl. Staatsarchivs zu Aurich fand Dr. Wachter
die Abschrift eines Decrets des Grafen Edzards II vom 1. Juni
1591, das den Biirgermeister von Emden Claes Horn erm&chtigt,
den gr&flichen Scharfrichter zur Justifizierung zweier Hexen
nach Rysum zu entsenden. Bei weiterem Nachforschen gelang
es Dr. Wachter, in den Acten der Herrlichkeit Rysum auf dem
Kgl. Staatsarchiv auch noch den Wortlaut des Urteilsspruches
in diesem Rysumer Processe, nebst dem Executionsbefehl an
den Scharfrichter und der Beglaubigung der vollzogenen Exe-
cution durch einen kaiserlichen Notarius publicus, alles in einer
Abschrift des 18. Jahrhunderts, zu entdecken. Fur die Mit-
teilung dieses wertvollen Materials und die Ueberlassung einer
Abschrift der beiden Actenstticke bin ich Dr. Wachter zu be-
sonderem Danke verbunden.
Erst jetzt gewinnt der alte Volksreim, der die Rysumer
als Hexenmeister verspottet,
Lookert dat ligt heel verkehrt,
Ris'mer Buren hebben't Hexen lehrt,2)
') M8hlmanns Hs.: quidem.
«) Siehe Ostfr. Monatsbl. 1880, S. 120. Der freundlichen Mitteilung
des Herrn Pastor Lupkes in Marienhafe verdanke ich nachtraglich noch
folgenden Reim: Tiisken de Rysmer un de Wir(du)mer Toren hebben de
Hexen een Line schoren. — Wie Rysum gait als „Hexenlooga auch
Thunum im Harlingerlande („De Thunumer Bockhexen", Kern u. Willms,
Ostfriesland wie es denkt und spricht, 3. Aufl., 1870, Nr. 84).
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— Ill —
einen greifbaren Hintergrund; dieser letzte bekannte ostfriesische
Hexenprocess wird also auch wohl wirklich einer der letzten
gewesen sein, weil er sich so lange im Volksbewusstsein er-
halten hat. Der Gerichtsherr unseres Processes ist Sweer (Ahas-
verus1) van Deelen, zu Harskamp, Rysum, Loquard und in den
Ham Hauptling, wie er sich selbst nennt. Vgl. fiber ihn Harken-
roht, Oorsprongkelykheden (Emden 1712), S. 199 u. 194 f. Er
stammte aus der hollandischen Provinz Overyssel (daher Herr zu
Harskamp) und hatte mit der Hand der Erbtochter Tetta Frese
die Herrlichkeit Rysum erheiratet. Ihre beiden Namen werden
noch heute auf einer Inschrift des Rysumer Kirchturms, den sie
im Jahre 1585 erbaut haben, bewahrt. In dem bekannten Oster-
huser Accord von 1611 wird Sweer im § 15 als einer der neu
eingesetzten Revisoren des Landrechtes und der Niedergerichte
aufgefahrt, neben ihm sind aus der Ritterschaft noch Wilhelm
von Inn- u. Knyphausen und Eger Beninga dazu erw&hlt. Sweer
van Deelen war damals schon ein alter Herr, wie Harkenroht
bezeugt. Er ist aber auch friiher schon in der politischen
Geschichte Ostfrieslands hervorgetreten. Ubbo Emmius erw&hnt
ihn in seiner Historia nostri temporis (Groningae 1732) unter
dem Jahre 1607 an mehreren Stellen, vgl. SS. 251. 255 u. 276.
Mitte October 1594 ist er Mitglied der Gesandtschaft, die von
den ostfriesischen St&nden an den kaiserlichen Hof nach Prag
geschickt wurde, um gegen Graf Edzard Klage zu ftthren, aber
unverrichteter Sache wieder abziehen musste, da ihr der Graf
mit einer eigenen Gesandtschaft zuvorgekommen war. Wir
erfahren davon in v. Wichts Annalen ad a. 1594 u. 1595, be-
sonders aber in Christ. Funcks Ostfries. Chronik, Teil 3 (Aurich
1785), S. 80. Dass Sweer im selben Jahre auch auf dem Land-
tage zu Aurich als tapferer Verteidiger seiner Gerichtsherrlich-
keit gegen Uebergriffe des Grafen Edzard aufgetreten sei, giebt
Houtrouw I, S. 354 an. Ueber die der Herrlichkeit Rysum
damals noch zustehende peinliche Gerichtsbarkeit scheint er
Hberhaupt eifersiichtig gewacht zu haben, das lehren uns auch
*) So wird Sweer v. Deelen Sfter mit gelehrter latinisierender Um-
bildung seines Namens genannt. In Wahrheit hat nattirlich der Name
Sweer nichts mit dem alttestamentlichen Namen des Perserkflnigs zu
thun, sondern ist eine Zusammenziehung aus alterem Sweder.
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— 112 —
unsere Acten: beide Teile, der Graf sowohl wie Sweer van
Deelen, behalten sich alle ihnen zustehenden Rechte ausdruck-
lich vor.
Ueber den Verlauf des Processes erfahren wir weiter nichts,
als dass die beiden Angeschuldigten, Bileke Doden und Dedde
Ubbens, ihre Schuld sowohl in gtitlichem Verhor wie unter
der Folter eingestanden haben. In der feierlichen Schlusssitzung
des hochnotpeinlichen Gerichts am 23. Juni 1591 (1592) sind
ihnen daraufhin noch einmal alle ihre „ wider Gott, sein heiliges
Wort und Christliche Liebe ihres Nachsten begangene zaube-
rische Missethaten" vorgelesen worden, sie haben noch einmal
„ungebunden und ungezwungen offentlich unter dem freien
blauen Himmel in Gegenwart vieler ehrlicher und redlicher
Leutea ihre Schuld bekannt, und der Gerichtsherr spricht das
Urteil aus. Die gesetzmassige Strafe des Feuertodes mildert
er in Hinrichtung mit dem Schwerte des Scharfrichters. Ge-
rade einen Monat vorher, am 23. Mai 1591, *) hat sich Sweer
van Deelen an den Emder Btirgermeister Claes Horn gewandt.
urn von ihm den Scharfrichter zu Emden, Meister Heinrich
von Gellern, zu erhalten. Dieselbe Bitte richtet er nur wenig
spater an Graf Edzard, und der eriullt seine Bitte durch folgen-
des Decret, das ich nach der Auricher Abschrift (Kgl. Staats-
arch., Mscr. A 164, S. 11 — 12) wiedergebe:
„Extractus Protocolli vom 1. Juni 1591.
Als Schweer von Deelen zu Harschamp, Risum und in
dem Ham hauptling erstlich den 23. Maji Claes Horn, Burger-
meister und Ambtsverwalter zu Emden, jetzo aber wiederum
Ihr. Gnaden selbst um Erlaubung des Scharff-Richters zu
Embden zu justificirung zweyer Hexen, so er in seiner Herr-
lichkeit gefangen hielt, bittlich angehalten, ist uff Ihr. Gnad.
Befehl folgendergestalt an Claesz Horn geschrieben worden.
Edzard etc., Erbahr, lieber getreuer, Demnach Uns der
Ehrenveste Unser auch lieber getreuer Schweer von Deelen zu
Risum hauptling bittlich angelanget, Ihme zu justificirung
l) Unsere Abschriften divergieren in den Jahreszahlen, das Decret
spricht von 1591, die Rysumer Acte von 1592 ; dass nur ein Jahr gemeint
sein kann, ergiebt sich mit Notwendigkeit aus den Acten selbst, welches
Jahr aber das richtige ist, vermag ich nicht zu entscheiden.
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— 113 —
Zweyer Hexen Unsern Scharfrichter folgen zu lassen: als haben
Wir Ihm solchs tanquam Precarium aus Gnaden erlaubet and
zugelassen; doch Unser habender Hoch-, Ober- and Gerechtig-
keit unvergreiff lich und dasz Wir Ihn zu angemaszten Gericht
keinen Eingang oder BekrSLfftigung dardurch erstatten wollen.
Befehlen Euch derowegen hiermit in Gnaden, dasz lhr Ihme
gedachten Unsern Scharfrichter uff sein Ansuchen im Beyseyn
Notarien und Zeugen, so obberuhrtermaszen hievon prote*
stiren sollen, folgen laszen, immaszen Wir hiebevor an Euch
deszwegen Meldung gethan, daran beschicht Unsere Meinung
und Wir seyn Euch mit Gnaden gewogen. Datum uff Unserm
hause Behrumb. d. 1. Juni Anno 91.*
Dass Meister Heinrich in Rysum seines Amtes gewaltet
hat, erfahren wir aus den Zusatzen zum Urteilsspruch, die zu-
nachst den Wortlaut des mtindlichen Executionsbefehls an den
Scharfrichter und dann die notarielle Beglaubigung der voll-
zogenen Hinrichtung geben. Als Ort der Hinrichtung wird
„meine gewOnliche gerichtsstedt" genannt, nach Houtrouw I,
S. 366 lag der Rysumer „Galgenberga damals ausserhalb des
Deiches, bis er von den Fluten verschlungen und ein neuer
Galgen im Jahre 1717 auf den Burglanden errichtet wurde.
Dass die Leichname der beiden Frauen beerdigt werden sollen,
wird ausdriicklich hinzugeftigt.
Zum Schluss gebe ich den Text des Urteils und der An-
h&ngsel im Wortlaute nach der allein erhaltenen Abschrift des
Kgl. Staatsarchivs Aurich, Acta 0. A. Herrlichkeit Rysum No. 9.
Sie stammt aus dem Jahre 1742, wo der damalige Regierungs-
rat und Amtsverwalter Grems zu Norden auf Veranlassung
des Fflrsten Karl Edzard die gesamten Criminalacten des Pro-
cesses gegen Bilke Doden und Dedde Ubbens wegen ange-
schuldigter Zauberei an den Hof nach Aurich gesandt hatte.
Grems fiigte die Bitte hinzu, ihm die Acten, die zum Rysum-
schen Gerichte gehorten, bald zuriickzusenden, damit er solche
seinem Bruder, dem Gerichtsverwalter zu Rysum, restituieren
konne. Man hat damals in Aurich leider nur das Urteil selbst
abgeschrieben und dann die Acten zuriickgeschickt, ihr weiteres
Schicksal ist unbekannt.
„Ich Schwer von Dehlen zu Harszkamp, Risum, Loquartt
und in den Ham Heubttlingk
Jahrboch der Geullsch. f. fc. K. u. yaterl. Altertttmer zu Emden, Bd. XV. 8
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— 114 —
Demnach Bileke Doden (u.) Dedde Ubbens l) sowol in der
guette als auch etzlicher zimblicher angelegtter Pein solche
itzo abgelesene, wieder Gott, sein heiliges Wortt und Christliche
Liebe ihres negsten begangene zauberische miszethaedten al-
hier vor meinem hochnottpeinlichem mit Urtheil und Recht
gehegtem Halsgerichte freywillig ungebunden und gezwungen
offentlich unter dem freyhen blauen himmel in Kegenwertig-
keitt vieler ehrlicher und redlicher leuthen bekandt, und mir
von ungedencklichen Zeitten her wegen wolerlangten und Krafft
ersessener Jurisdiction dieser Allodial und freyen herligkeitt
Risura gebuehrett, solche und andere abschewliche miszthaetten
nach Gottes befehlich und des RSmischen Reichs peinliche
Halsgerichtsordnung zuvolge des 109. Articuls andern zum ab-
schreckenden Exempel und zu erhaltung Rechtens und gerech-
tigkeit mit feuer vom Leben zum tode zu bringen
So will doch ausz genugsam mich dazu bewegenden Ur-
sachen solche fewerstraffe vor dieszmahl einstellen, Erkenne
derentwegen und spreche vor Recht, dasz Bileke Doden (u.)
Dedde Ubbens sol an meine gew6nliche gerichtsstedt ausge-
fuehrett und von dem Scharffrichter mit dem Schwerdt vom
Leben zum Tode gebracht und hernacher beerdigtt2) werden.
Darmit mein hochnottpeinlich halsgericht hierdurch gesterckett
und nicht geschwechet werde. Von Rechtswegen. Pronun-
ciatum Risum den 23. Junii Ao. 92.
Nach dieser auszgesprochener Sententz sol mundtlicb die
Execution anbefohlen werden wie volgett:
Zu Volstreckung dieser gesprochener Urtheil wirdt euch
M. Heinrich als dem Nachrichtern ausz befehlich des obge-
meldten gestrengen und edlen Jungkern als dieses orts unge-
miettelter Obrigkeitt gebotten, lautt itzo abgelesener Sententz
die wirckliche Execution zu thuen und ins werck zu richten:
darbenebenst gebotten und8) erstlichen verbotten, dasz nie-
mandt ihn M. Heinrichen an solcher Execution wider mitt
Handt noch mundt soil eintrag oder behinderung thuen: bey
Leibstraf.
2) Der Name der Dedde Ubbens ist hier und unten am Rande nacb-
getragen.
f) „u. h, b/' am Rande nacbgetragen.
8) „geb. und" am Rande nachgetragen.
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— 116 —
t)asz diesz Urtheil ausz obgemelten Acten gesprochen, in
die wirkliche Execution ohne jemandts Verhinderung und ein-
sperrung durch M. Heinrichen von Gellern Scharffrichtern zu
Embden, welchen der wohlgeborner Herr Herr Edzartt, Graf
und Herr zu Ostfrieslandtt : zu Sterkung desz Jungkhern
peinlich Halsgeright1) hatt erlaubett, gerichtett worden ist,
bekenne ich 0. Brinen2) manu propria imperatoriae Majestatis
autoritate notarius publicus.
Dieses ich nach dem Original mit seinen Marginalzus&tzen
und strichen abgeschrieben und facta collatione damit concor-
dirend befunden.
in fidem
Detmers F. 0. Regierungs-Secretarius."
Damit haben wir die Reihe der aus Ostfriesland bezeugten
wirklichen Hexenprocesse durchmustert; wollten wir dazu nun
auch die sonstigen Zeugnisse fiber Hexenglauben und Bezaube-
rungen durch Hexenmeister mannlichen und weiblichen Ge-
schlechts sammeln, so wtlrden wir freilich nicht so schnell zu
Ende kommen.8) Werfen wir jetzt einen Blick auf die n&heren
Umstande des Processes von 1543, wie wir sie aus Beningas
Aufzeichnungen in der Bonner Handschrift kennen lernen.
Zun&chst ergeben die Acten, was aus Beningas Worten
in der Chronik nicht hervorgeht, dass wir es mit zwei ver-
') wzu Sterkung — Halsg." am Rande nachgetragen.
") Qemeint ist Oswald Brinner, vgl. Jahrb. XIV, 299.
•) Man vergleiche z. B. die Verhandlung des reformierten Coetus
Anno 1579 gegen den Prediger Hermannus zu Jemgum, der zu einem im
tteftngnis zu Wedde eingekerkerten Teufelsbanner gegangen war, um von
ihm flat far seine durch Bezauberung erkrankte Frau zu holen. Siehe
Meiners, Oostvrieschl Kerkel. Geschiedenisse II, 151 ff., Bartels im Ostfries.
Monatsbl. 1 (1873) 431 u. 437 Anm. 9; 2 (1874) 121. Oder aus einer etwas
spateren Zeit die Beschuldigung gegen den angesehenen 1591 verstorbenen
Ocko Frese (Staatsarchiv zu Aurich, Reichskammergerichtsacten, 2. Ab-
lieferung No. 106 = Appellation in Sachen Garlichs Erben contra Kruminga,
darin PunktSO [Mitteilung Dr. Wachters]): „Wahr dass Ihm Ocko Friesen
auch in Zeit seiner abgelegten disposition, ein gemein leuenth {Leumund?]
vnnd sage, alss das er ein Zauberer sein sollte, nochgegangen, vnnd er
desshalber bei menniglichen anrUchtig worden, auch tali sinistra hominum
opinione afficirt, veratorben.* Ueber das Treiben der Pul-Hille in Leer
um 1730 vgl. Ostfries. Monatsbl. 1 (1873) 432 ff. etc. etc.
8*
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— 116 -
schiedenen Processen zu than haben, die sich zwar raumlich
und zeitlich nahe berfihren, aber ganz verschiedene Gruppen
von Angeklagten aufweisen. Bei dem ersten Processe
kftnnen wir uns aus den Acten ein genauea Bild von dem
Gange der Verhandlung machen: Montag den 29. Januar 1643
dringt die erste Kunde von dem Treiben der Hexen in den
Ripen zu den Ohren der Amtleute in Aurich, ein M&dchen
aus Riepe beklagt sich, dass ihr eine jOngere Frau namens
Froutet immerfort nachsteUe und sie zur Zauberei verleiten
wolle. Sofort lassen die Amtleute durch die Gerichtsdiener
die beiden Frauen nach Aurich holen. Froutet leugnet zu-
nftchst, als ihr aber die Folter angedroht wird (wt bedruwynge),
legt sie ein umfassendes Gest&ndnis ab. Unter der langen
Reihe von Mitschuldigen, die sie aufz&hlt, ist auch ein Mann,
Junge Diude aus Riepe, ein Greis von 80 Jahren, dem aber
die unfl&tigsten Sch&ndlichkeiten zugeschrieben werden. An
ihm wird die Justiz mit der grossten Beschleunigung vollzogen.
Am Donnerstag vor Esto mihi, den 1. Februar, wird er pein-
lich befragt, zum Feuertode verurteilt und am andern Tage
hingerichtet. Die Nacht zuvor balgen sich Katzen und Hunde
auf dem Eise um die Auricher Oberburg. Als Junge Diude
zum Tode geffthrt wird, sttirzt sich eine der beiden Ridels-
fiihrerinnen (sie werden die Schulmeisterinnen der flbrigen
genannt), Ocke Ippe Waelken Frau, bei diesem Anblicke oben
aus dem Fenster des Turms, in dem sie gefangen sass. Ihre
Genossin, Ocke Frederick Dayen, sieht ihrer Entbindung ent-
gegen und wird deshalb bis auf Weiteres interniert; die
Protokolle iiber ihre sp&tere Vernehmung fehlen. Nachdem so
die drei Hauptangeklagten beseitigt sind, folgt die Vernehmung
der abrigen „criminis socie et conscie". Von zweien, Amke
Heynen und Ette Poppe Harmens, horen wir, dass sie eben-
falls bereits am 1. Februar ausgesagt haben. Von ihnen scheint
Ette durch die Gnade der Gr&fin losgekommen zu sein, wir
horen weiter nicht mehr von ihr, und die sie belastenden
Aussagen sind in den Acten flberall getilgt worden. Amke
dagegen erscheint auch bei den spftteren VerhSren wieder.
Diese finden am 7. und 8. Februar (Donnerstag und Freitag
nach Esto mihi) statt und bringen die Aussagen von weiteren
sechs Angeklagten: Moeder Hilmers, Bauwe Bilfeldes, Grete Sun-
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— 117 —
neken, Bauwe In den Wolde, Wibbeke Galtetz and Ewke Ubbe
Poppen. Bei den moisten erw&hnt das Protokoll ausdrttcklich,
dass sie gefoltert seien, dabei haben sie dann noch 4 Frauen
genannt, die sofort geholt and ebenfalls peinlich befragt wer-
den. Ihre Namen sind: Gele Jelscen, Bauwe Aepke Tyan stif-
moder, eine alte Frau, mit ihrer Schwiegertochter Hebe Tyan
and endlich Hayke Agen aus dem Hammeryk. — Nachdem der
Process diese Ausdehnung gewonnen hat, beruft Gr&fin Anna,
der es wohl etwas schwttl dabei geworden sein mag, ihre Rate
and bittet sie am ihren Rat. Doch diese wissen auch nichts
anderes als erneute VerhOre zu empfehlen, damit noch mehr
Personen genannt werden mSchten. So findet denn am
13. Februar (Dienstag nach Invocavit) an einem Tage die 3.
and 4. Vernehmung der ganzen Schar statt. Sie geschieht in
der feierlichsten Form: die Vorsitzenden sind jetzt die Rate der
Grafin Eggerik Beninga and Itze van Grimersam, der Drost
von Aurich Eylert Deetloffs, Hermen Lent, der Haasschreiber
Hermen Prycker und Herr Albert, Pastor zu Aurich, mit seinem
Cappellaen. Bei dem 2. Verhdr werden die Angeklagten ihren
Ehemannern oder sonstigen nachsten Verwandten gegenflber-
gestellt, und es kommt zu einigen riihrenden Scenen. Alle be-
kennen ungepeinigt ihre Schuld, nur bei zweien fiigt Beninga
selbst am Rande hinzu: „den scharprichter eder Geve-pyne vor
Eren ogen gestelt, dar se syck vor ffruchten dorste".
Jetzt wird der Pastor zu den Unglttcklichen geschickt,
aber als der ihnen erdfifnet, dass sie der Tod erwarte, wider-
rofen sofort sieben der Verurteilten alles was sie bekannt haben
and erkiaren sich fiir unschuldig. So ist denn das peinliche
Gericht gendtigt, die Angeklagten samtlich noch zum 5. Male
zu verhdren. Das geschieht am 16. Februar (Freitag nach In-
vocavit), zu den schon genannten Vorsitzern des Gerichtes
kommen noch die beiden Bttrgermeister von Aurich hinzu.
Znerst leugnen einige der Halsstarrigen hartnackig, aber am
Ende hat das bis zum andern Tage veriangerte VerhSr doch
seine Schuldigkeit gethan: nach gdtlicher Ermahnung gestehen
schliesslich alle ihre voile Schuld ein. Es ist ein widerwar-
tiges Schauspiel, wie dabei eine die Schuld des Widerrufes auf
die andere abwaizt, oder wenn einige ihre Schuld nur unter
der Bedingung zugestehen wollen, dass auch alle anderen
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— 118 —
schuldig gesprochen wttrden. Auf Sonntag den 18. Februar
(Reminiscere) werden die Manner noch einmal nach Aurich ge-
laden. In Gegenwart der Vorsitzenden, der beiden Biirger-
meister und zweier „frommena Burger aus der Stadt werden
ihnen die protokollierten Bekenntnisse ihrer Frauen vorgelesen.
Beninga ftigt ausdrucklich hinzu, dies sei geschehen, damit sie
sich sp&ter nicht beklagen kdnnten, wie sie es bereitsver-
sucht h&tten. Am folgenden Tage sind dann 9 von den Ver-
urteilten hingerichtet worden.
Damit schliessen die Acten des ersten Processes in un-
serer Handschrift. Was mit den iibrigen Frauen geschehen
sei, erfahren wir nicht. Da nun Beninga in der Chronik be-
richtet, bald nachher seien noch 5 verbrannt, so liegt es nahe,
dabei an die noch iibrigen Angeklagten des ersten Processes
zu denken, der einschliesslich Froutet und Ocke Frederick
Dayen, aber ohne Junge Diude und die andere Ocke, gerade 14
Personen umfasste. Aber dass nicht alle Frauen aus Riepe
verurteilt worden sind, haben wir schon oben bei Ette Poppe
Harmens vermutet; es wird bewiesen durch eine Notiz im
Rechnungsbuch der Grafin Anna (Aurich, Staatsarchiv) S. 4
unter den Einnahmen des Jahres 1543: „die frunde van Leher
wegen der frowen wth den Ripen veneficii accusata botz bliuen
noch schuldig 100 g(ulden) up michaelis — 50 E(mbder) g(ulden)
— noch 50 E g botz vnnd darmede quitierdt." Daraus geht
hervor, dass doch ein paar von den Riepster Hexen mit einer
Geldbusse davongekommen sein mussen. Es wird deshalb die
Angabe, dass noch weitere 5 Hexen verbrannt seien, wohl auf
den zweiten Process des Februars 1543 zu beziehen sein. Ftlr
die Hinrichtungen erhielt der Scharfrichter, laut dem Rech-
nungsbuch der Grafin Anna Bl. 73 a (Ausgaben sub 1543: Dem
Scharprichter pro puniendis facinerosis et Incantatricibus) 40
Embder Gulden in Gold.
Weniger l&sst sich iiber den zweiten Process aussagen.
Er spielt in dem Theen und der Woldengegend am Grossen
Meere, an deren jenseitigem Ausgange Riepe liegt. Das Jahr
ist hochstwahrscheinlich ebenfalls 1543, doch fehlt in dem Er-
haltenen eine ausdriickliche Bezeugung, Die angegebenen Ter-
mine schliessen 1543 nicht aus, lassen vielmehr ebenso wie die
enge locale Beziehung diesen zweiten Process als unmittelbaren
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— 119 —
Ausfluss des Riepster Processes erkennen.1) Wir erfahren von
4 Verh5ren, die sich vom 14. Febr. bis zum 23. Febr. erstrecken.
Dem vierten praesidieren dieselben Manner wie im vorigen Process
mit Eggerik Beninga an der Spitze, aber ohne Itze von Grimer-
sum und denPastoren; in den friiheren VerhSren wird nur der
Drost und der Schreiber genannt. Die Hauptangeklagten, deren
Gest&ndnisse wir allein besitzen, sind Gaelke Galtetz Onneken
und Hayke Nonneken; sie nennen aber noch 5 andere, von denen
Hisse Haren vielleicht identisch mit einer der unten in der
Anmerkung erw&hnten Uphuser Hexen ist. Folterung ist nach
den ausdrticklichen Angaben des Erhaltenen nirgends ange-
wandt, beide Frauen widerrufen aber nach dem 2. VerhSr alles,
um bei dem n&chsten wieder umzufallen und die Gnade der
Gr&fin anzuflehen. Ueber den Ausgang des Processes erfahren
wir nichts mehr; ob auch am Anfange der Acten eine LOcke
zu constatieren ist, bleibt zweifelhaft. Moglicherweise hat
Beninga hier bei dem Copieren der Originalacten gekiirzt. —
Das Bild, das uns nun die Aussagen der Hexen von ihrem
unheimlichen Treiben entwerfen, ist in beiden Processen im
Ganzen das gleiche, wie das ja bei dem gemeinsamen Milieu
gar nicht anders zu erwarten ist. Ich kann mich also im
Folgenden wohl auf beide Processe zugleich beziehen, indem
ich daneben das jedem Eigentttmliche besonders hervorhebe.
Wie ich schon oben als gemeinsames Charakteristicum
der Hexenprocesse dieser Periode ausgefuhrt habe, so tritt auch
hier der Verkehr mit dem Teufel, insbesondere der Hexensab-
bath, durchaus in den Vordergrund des Interesses. Die Scha-
digung der Menschen, des Viehes und der Aecker wird nur
kurz beriihrt, im zweiten Process erscheint das Bezaubern und
Toten von Tieren iiberhaupt nur als ein Mittel, um dadurch die
ndtigen Requisiten fiir das Hexenfest zu beschaffen. Wohl lockt
die Aussicht, das Zaubern zu lernen, noch manche Unerfahrene
in den Bund, aber die meisten werden doch duroh das Ver-
*) Im Verlaufe des ersten Processes werden an zwei Stellen noch
weitere Frauen der Hexerei beschuldigt, ohne dass wir nachher etwas da-
Ton hSrten. Junge Diude nennt eine gewisse Meinste, die frfiher in Riepe
wohnte, spater aber ins Greetmer Amt verzogen ist, und Wibbeke Galtetz
giebt gar ein ganzes Consortium von Hexen aus Uphusen an, deren Spur
indessen, soweit wir sehen, nicht weiter verfolgt wird.
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— 120 —
langen, an den Ausschweifungen des Kesselritts teilnehmen zu
dtirfen, verfiihrt, sie sollen eitel Lust und Freude davon haben,
wie es einmal heisst. Solchen Vorspiegelungen, die sich in un-
abl&ssigen Bemflhungen und listigen Nachstellungen immer
wieder an das Opfer heranmachten, konnten die Wenigsten
widerstehen. Andere werden von Junge Diude oder den beiden
Ocken aber auch mit Gewalt zum Kesseltanz mitgeschleppt:
Hayke Agen und Moder Hylmers sind beim Kindelbier durcb
eine Schale Biers, in die Junge Diude ein Zaubermiltel gethan
hatte, gewonnen, Geele Jelscen und Wibbeke Galtetz direct
aus ihrem Bette herausgeholt und zum Tanzplatz geschleppt
worden, „als mit enem wintflage" heisst es bei Wibbeke.
Alle, die sich der schwarzen Kunst ergeben wollen, mttssen
zun&chst Gott abschwSren und sich dem Teufel ergeben. Erst
dann dtirfen sie als Novizen mit auf den grossen Hexensabbath,
den Kesseltanz. Sobald der Teufel oder, wie es im ersten
Process heisst, ihre Scholmestersche Ocke Frederick Dayen mit
einer Pfeife das bestimmte Zeichen giebt, stehen ihnen schwarze
Katzen oder ein schwarzes Pferd mit einem ungeheuer langen
Bucken zur Verfiigung, um sie nach dem abgeredeten Versamm-
lungsplatze zu bringen. Die Pfeife, mit der das Signal gegeben
wird, ist „so swart, dat se glinstert"; ihr Ton dringt iiberall
hin, die weit entfernte Bauwe in den Wolden hort sie so gut
wie die Frauen in Riepe selbst. Aber nur, wenn eine Genossin
des unheimlichen Bundes sie blast, hat die Pfeife diese Kraft.
Vers&umt eine Hexe es, dem Signal Folge zu leisten, so wartet
ihrer eine schwere Strafe, sie hat ihr Liebstes an Menschen oder
Vieh zu opfern; Gaelke Galtets im 2.Processe bekennt ausfiihr-
lich liber diesen Punkt. Zu sechs Malen im Jahre kommen
die Hexen zum Kesselritt zusammen, genannt werden haupt-
s&chlich Christnacht, Michaelisnacht und Mainacht; dazu kom-
men Pfingstnacht, Johannisnacht und Vastelabend. Zu der
n&chsten Fastnacht hatten sie sich bereits wieder verabredet,
als der Process dazwischen fuhr. Der Ort ihrer Zusammen-
kiinfte wechselt, ist aber immer in der Nahe ihrer Wohnsitze
gelegen. Die Riepster Toverschen versammeln sich, soweit wir
davon erfahren, zweimal in Riepe selbst, einmal aber „in den
velde van Bancstede dael vp die acker". Die aus Theene
Ziehen auf den Egelsser Warf (bei der jetzigen Bauerschafb
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— 121 —
Ekels) „by den Theen upa. Kurz gestreift wird auch eine Ver-
sammlung der Uphuser Hexen „by Reindseel van Uphusena,
einem einsamen Warf in der N&he von Uphusen.
In der Mitte der mancherlei Ceremonien und Gebr&uche
des Hexenfestes steht der Kesseltanz; er bildet gleichsam den
gottesdienstlichen Teil des Festes. Eine genauere Beschrei-
bung davon haben wir im ersten Process, wo sich in der Christ-
nacht 1542 die Schar der Teufelsgenossinnen auf Frederick
Dayen Warf zu Riepe in der Kiiche versammelt. Zunachst
mftssen die Neulinge sich einer sch&ndlichen Procedur unter-
ziehen, ihnen werden die Schamteile geschoren. Nur die junge
Froutet bleibt davor verschont, weil sie noch zu jung ist.
Sp&ter mOssen sie es jedes Jahr einmal wiederholen. Dann
wird der geheimnisvolle Kessel zugerichtet, der dem Feste den
Namen giebt. Seinen wesentlichsten Inhalt bilden die geraubten
Genitalien eines Stiers oder eines Hengstes, im Notfall geniigt
auch das Herz einer Kuh. Im 2. Processe erfahren wir eine
ganze Anzahl von Schaden, die die Hexen nur, um diese uner-
l&sslichen Dinge zu erhalten, bei ihren Nachbarn angerichtet
haben. Was sonst noch in den Kessel kommt, wird nicht
naher bezeichnet, aber es heisst einmal: „dat yn den Ketel ge-
saden wert, was kort als kaff — vnd geen flescka, und die-
selbe Person sagt etwas weiter: „se gripen dat mit der hant
van den acker up, dat se in den ketel (don), vnd wat se nicht
up eten, dat warpen se weder up den ackera. Das Gebr&u,
das in dem Kessel aus diesen teuflischen Ingredienzien zu-
sammengebraut wird, dient dann zu allerlei Zaubereien, zur
Anreizung der Wollust, beim Abschiede schmiert der Teufel
damit den Hexen die Fiisse, so kommen sie nach Hause,
ehe der erste Hahn kraht. Legen sie von der Materie
aus dem Kessel etwas den Rindern zwischen die Horner,
so siechen die Tiere dahin und konnen nicht gedeihen u. &. m.
Ist das Gebr&u im Kessel fertig gekocht, so wird der
Kessel von den Hexen dreimal oder auch ftinfmal umtanzt;
die ftlteren Hexenmeisterinnen haben den Vortanz, die Neulinge
treten bescheiden zurttck. Inzwischen erscheint nun auch ihr
Gebieter, der Teufel, den sie Reinke nennen, mit einigen seiner
Unterteufel. Jetzt beginnt das Schmausen und Trinken und
dazu die wtisteste Orgie. Der Teufel wird beschrieben als ein
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— 122 —
feiner Jiingling, er singt ihnen mit heiserer Stimme ein Vorlied
zum Tanze. Es wird besonders hervorgehoben, dass sein „dyncka
(= membrum virile) grosser sei als das eines Menschen, der
Same, der von ihm geht, ist kalt. Dazu hat er Pferdefusse
und vierkantige Hande. Im Riepster Process ist an die Seite
dieses Buhlteufels die ekelhafte Gestalt des alten Junge Diude
getreten; die unflatigsten Einzelheiten erzahlt das Gestandnis
der Bauwe, selbst Beninga schreibt hier plStzlich Lateinisch.
Am Schlusse des Banketts fahren alle Hexen auf Katzen
zum Schornstein hinaus auf die Aecker, tanzen und tollen dort
umher und bezaubern die Aecker ihrer Feinde, bis sie sich
endlich trennen.
Wer die Unholdinnen bei ihrem Tanz sehen will, der setze
sein ganzes Vertrauen auf Gott und krumme dann den Daumen
der rechten Hand, so wird er sie alle sehen. Gegen ihren Zauber
sich zu schtitzen, ist es gut, ein Messer bei dem Bette hangen
zu haben, noch besser aber, sich von ganzem Herzen auf Jesus
Christus zu verlassen.
Der Stil der Bekenntnisse ist ja oft kraus genug, aber
gerade dadurch ein getreueres Abbild der Wirklichkeit, als wenn
Beninga ihn gestutzt und abgeschliffen h&tte. Das ist auch
sonst nicht seine Sache, ihm war es nur urn das Material zu
thun, das er sich hier aus den Originalen schopfen und aus
der eigenen Erinnerung noch vermehren konnte. Daher die
vielen Randnotizen und Zusatze im Contexte, die kleinere Zfige
nachtragen, aber nirgends etwa den Stil verbessern sollen. Ich
habe die Bekenntnisse genau so wie die Handschrift sie bietet
zum Abdruck gebracht, nur die Eigennamen uberall gross ge-
schrieben. Durch Hinzuftigung einer einfachen Interpunction
habe ich das Verstandnis zu erleichtern gesucht; dass auch
mir manche Stellen der Bekenntnisse unklar geblieben sind,
muss ich hier vorweg bemerken.
(Bl. 162a) Bekenteniffe der touerfchen to Aurick
vorbrant,1)
(Bl. 163ft) Anno etc. 1543 den 29 January is den
amptluden to Awrick yn erfarunnge gekamen, woe ene
l) Bl. 162 der Hs. entMlt nur diesen Titel, wie das Folgende von
Beningas eigener Hand.
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— 123 —
Junge maget yn den Ripen geclaget heft, dat ene Junge fruwe
vanxj eder xij Jaren1) Froutet geheten vnderftunden2) fe yn
bofer gefelfchup to vorforen vnnd leren ore touerye to gebruken,
vorgyft to maken, dar fe Mynfchen vnnd beefte muchte medo
wmme bringen vnnd myt qwynender fuke vordaruen laten an
line vnnd goede. Jn fulcher geftalt hadde fe or allwege myt
lift nae gegaen vnnd kunde orer nicht werden entflagen, er fe
fulches meldede.
Sulches wyder to erfaren hebben de Amptlude dat mege-
deken vnd de Junge frawe Froutet dorch de deneren to Aurick
laten halen. dar fulueft heft dat Megedeken de fruwen vor-
claget vorberorter maten, de fulches vor erft gelochenet vnnd
dennoch wt bedruwynge alles bekant foe vorgefcreuen.
Als nu de Junge fruwe fcarper darwmme gefraget, wat or-
fake fe dar hen bewagen heft, dat fe de maget fo hebbe nae
gegaen, dar up heft fe geantwort, Dat Ocke Frerick Dayen wyff
yn den Ripen oer dar to hadde gedwungen. fe hadde or ock
de boefe kunft als fe vngeferlich van xj eder xij Jaren was
gelert, hadde fe dar to myt druwen genodiget, „oft fe wulde my
wmme bringen myt vorgyft".
Dar nae is dat Junge wyff Froutet wyder gefraget, woe
fe duffen handell driuen, dar fe dat toueren van gelert vnnd
woe dat to gegaen vnnd wat lude dar by plegen kamen, up
wat ftede vnnd tyt.
Dyt heft fe up fryen voeten beliet, wat fe dar
bedreuen, wat perfonen dar geweft, welche tyt
vnnd ftede fampt anderen wmftende als hyr nae
uolget.
To den Erften wurt er8) vorgeftelt, vnd de dar Erfte by
gebracht werden, dat fe Got moeten vorfaken vnnd vp one
nicht dencken de wyle fe de kunft bruken, vnd muften fyck
den duuel den fe Reynke nomden auergeuen, de hadde one
*) Diese Altersangabe kann nicht stimmen, da es gleich darauf
heisst, Froutet sei 11 oder 12 Jahre alt gewesen, als sie zum ersten
Male in die Zauberei eingeweiht worden sei ; seitdem muss aber eine
langere Zeit vergangen sein. Offenbar gehoren die Worte „van xj eder
xij J.** in die ?orige Reihe hinter „Junge maget".
V n ganz verldscht, aber noch deutlich erkennbar.
■) D. i. Froutet.
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— 124 —
alien to gefecht1), he wulde fe rick maken. (Bl. 163 b) Vor erft
heft fe gemeldet vnnd vortelt, wat fchande vnd grufame dynge
fe gewarket hebben.
Jn der Chriftnacht negest vorgangen fyn de touerfchen
up Frederick Dayen warf tofamen gekamen vnd yn fyne koeken
tofamen geweft,2) Dar fulueft eynen ketel myt fich gebracht,
up de delen gefett, dar wurpen fe Mentulam taurij in, den fe
Poppe Harmens fteer affgefneden, myt ander materij. dat rorden
fe wmme vnnd dantzeden dre mael dar wmme her. Als dat
gedaen was, nemen fe wt den ketell etwas vnnd fmerden Junge
Dyuden Admiffarium fuum fyn gebortlit dar mede. dar nae ple-
gede he fchentliche bofe luft vnnd vnkufkheyt myt fe, vnnd
dar nae de duuell fulueft myt fe alle gelick. wanner fe dan myt
dem Junge Dyuden vnnd dem duuell fulches hadden gefchaffet,
foe hadden fe dar nae to Dyfcke gefeten vnnd van den bullen
fchacht wmme gefneden vnd gedeelt8).
Dar nae fynnen fe up katten torn fchorfteyn wtgefaren up
de Acker, eyn deel dar her gedantzet vnnd hebben touerie up
den felde gebruket, De ackeren vnfruchtbar gemaket, de materij
ruggewartz auer gewurpen, de fe dar to hadden bereyt, Vnnd
wunderlick gefpenft bedreuen vnnd alfo van den anderen
geflagen4).
5)Vnnd als Junge Dyude fynen wyllen myt Froutet wulde
fchaffen, hadde fe gefcreyt vnd weygerde em. Doe hadde Ocke
*) Handschr.: gefcht.
*) Am Rande hat Beninga hinzugeftigt, sp&ter aber wieder durch-
strichen: de pipe dar fe mede tof amende gefloitet werden is by 1V» fpanne
lanck vnd is fo fwart dat fe glinftert.
*) Wieder durchstrichener Zusatz am Rande: want fe ock enen
bullen krygen, den tehen fe fo lange an fyn Mentulam dat em wat vnt-
geyt. dat nemen fe up vnnd wart tae, foe warpen fe dat ouer eyn hue,
den fe betoueren wyllen, foe qwynen de mynfen vnd beefte, fo lange dat fe
ftaruen.
4) Randzusatz : fe nemen ock Materie wt den ketell vnnd leden dat
den beeften tufchen de home, fo qwyn(d)en de beefte vnd kunden nicht
dyen wat dat was wufte fe nicht.
5) Die zweite H&lfte von Froutets Aussage, von hier an bis zum
Ende des dritten Absatzes (by den and. byscheden) ist in der Us. durch-
strichen. Obwohl diese Abs&tze mehrere Zuge der ersten H&lfte einfach
wiederholen, bringen sie im Ganzen doch wertvolle Erg&nzungen and
vieles Neue.
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— 125 —
Fredericks or dar to gedwungen, oft1) fe wulde oer doeden oft©
er myt touerie wmme bringen.
De Junge fruwe Froutet beliede vnd clagede ock, dat
Jonge Dyude vnnd2) Ocke Frericks oeren grotevader vnnd
ore grotemoder doet getouert hadden •), de fe dar nae upge-
tagen vnnd alle boefheit gelert hadden, vnd darum4) dat fe
Ocke5) up eren hert wanen wulde5), als dar nae gefcheen is.
(Bl. 164 •) De Erste yn ore7) orden angenamen werden, de
laten fyck de pudenda fcheren; ouerft fe was noch to Junck geweft.
Ock wanner fe toueren wyllen, fo flaen fe de har wt den nacken
ouer dat angefycht. Se beliede ock, dat fe vnfen heren Jefum
Chriftum muften vorfaken vnd fyck den duuel ouergeuen, de
wnlde fe rick maken8). Poppe Harmens fteer hadden fe wt
gefneden fyn genitalia9), Dar hadde Ette Poppen wyff fulueft
mede geweft; vnnd doe dat was gefcheen, hadde fe anderen
luden ouer fulchen fchaden geclagt. dat heft Ette ock fulueft
alfo beliet10). up duffen vaftelauent hadden fe fyck weder by
den anderen byfcheden. —
Hyrnae volgende parfonen eder Criminis focie
et confcye, vnnd wat eyn Jder bekent heft, beyde
eyn deel frywyllich vnnd eyn deell gepiniget.
Vp fulche u) anzuginge vnd praefumption hebben de ampt-
lude van beuelfwegen vnnd ordenynge des rechten wyder to
') Uebergeschrieben: eder.
*) „Junge dyude vnnd" sind in der Hs nachtraglich fur „ock dat"
eingesetzt.
•) Nachtraglich in .hadden" verbessert.
*) ,orfake" fibergeschrieben.
•) .Ocke" spater hinzugefligt.
•) Die Hs. hatte zuerst: to wanen quam; das „quamB ist dann in
, wulde* corrigiert, so muss jetzt auch das „to" fallen. Der Sinn ist:
Ocke hat die Grosseltern der Froutet getCtet, um sich selbst auf deren
Hofe einzunisten und das junge Ding zu verfuhren.
*) In der Hs. ist aus „yn" nachtraglich ein ,oreu gemacht worden.
•) Zusatz am Rande : De duuel hadde ock vaken ynden dantz yn
einna Jungelinges gestalt by fe geweft, myt fe gegeten vnd gedrunken,
als fe menden.
•) Die folgenden Zeilen sind noch einmal jede fur sich durchstrichen !
*•) Am Rande hinzugeffigt: vor myn g(nedige) ft^ruwen) vnd er
g(naden) wm vorgiffeniffe gebeden.
») Handschr.: fulfche.
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— 128 —
vnderfoeken, vnnd de befechten perfonen, foe Froutet dar ge1
meldet, angrypen laten vnd fe dar wyder wmme laten fragen.
Ton Erften:
Junge Dyudo van lxxx Jaren vngeuerllch yn den Ripen
waenachtych is Erfte goetlich vormaent de warheyt to be*
kennen. ouerft he wulde nicht toftaen, derhaluen he pinlich
gefraget, vnnd nae der marter weder fry gelaten, vnnd bekende
dat alfo waer to fyn, Dat he myt oer vnd myt den anderen
fruwen als gemeldet fulche boefheit vullenbracht hadde, als
Froutet hyr beuoren heft bekant. Vnnd dat he fulches funder
pine nycht hadde gefecht vnd beliet, dat wer wm des wyllen
gelaten, dat he fo vele fruwen, de darmede befchuldyget
(Bl. 164 b) vnd angrepen weren, nicht wmme bringen wulde.
men fulde one doch fo wterlich nicht fragen, men kunde wol
gedenken, dat fe1) nicht goedes gedaen hadden. De beyden
Ocken, Noemlik Frederick Dayen wyff vnd Ippe Waelken wyff,
dat weren de fchoelmefterinnen, de de anderen lerden vnnd al
dat fpill dreuen; vnnd de Froutet gemeldet hadde, De weren
alle fchuldych der fuluige miffedaet. Junge Dyude heft bekent
dat Ocke2) Frericks Froutetz grotevader vnd grotemoder allene
doet getouert heft vnd fyck dar van entfchuldyget. Dar up is
Junge Dyude vorordelt torn ffur vnnd meldede noch ene frwwef-
perfone Meynfte geheten, de yn den Ripen plach to waenen
vnd nu ynt ampt to Gredt. Actum des donderdages vor
Efto michy. 8)des nachtes to voren als he ftaruen fulde,
fynnen de katten wm de ouerborch up den yse gelopen, de
hunde vnd wynde myt fe Jaget.
Amke Heynen wyff heft ock des fuluen dages beliet
vnnd bekent, dat fe yn der Chriftnacht vnnd vorhen up
Michelis nacht mede yn der bofen felfchup geweft is, nomlich
yn der Chriftnacht up Ocke Fredericks warff vnnd yn fyne
koeken. dar fulueft fe alle fchande vnnd boefheit heft helpen
vulbryngen, als hyr vor van Froutet vortelt angetekent is;
Vnnd dat J. Dyude ock fynen wyllen myt fe gefchaffet hadde,
vnd dar nae tor fuluen tyt de duuell des geliken.
') Fur „feu ist „he myt den anderen" eingesetzt.
2) Die Ha hat hier und an mehreren anderen Stellen deutlich die
Form Ocko.
a) Der Schluss des Absatzes etwas spater hinzugefQgt.
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— 127 —
^Ette Poppo Harmens wyff heft ock up den fuluen
dach dat alles yn geliker maete beftaen myt vullenkamener
daet, ok dat fe (eren egen)2) fteer alfo mede hadde verduruen
als vorgefcreuen.
(Bl. 166*) Ocke Ippe Waelken is ock up den fuluen
dach der daet mede befchuldyget Vnnd van den anderen foe
hyr nae uolget als eyn principael auertuget is. vnnd als fe heft
gefehen dat Junge Dyude hen wt wurt gefort torn doede, ys
fe to den venfter bauen wten torn geuallen vnnd fyck foe
fulueft wmmegebracht.
Ocke Frederick Dayen wyff8) is ock wm der boefen
gruwelyke daet wyllen to Aurick gehaelt vnd wart angeholden,
foe lange fe vorloft is van den kynde etc.4)
(Bl. 165b) Moeder Hilmers hefft na der pynen dat fulue
gelyker maten bekant vnd is van den anderen alle eynerley
myffdaeth alff voerfchreuen fculdich auertuegeth.
Bauwe Bylfeldes heft ock na den pinigende oher
fculdich gegeuen, den gruwelyken fcande alff de anderen myt
Jonge Diuden vnd den duuel gefcaff haet alf vorfcreuen.
Grete Sunneken hefft oic na den pinigende oher boef-
heyt belyt, wo dat fie met Junge Diuden vnd den duuel onkuif-
heit bedreuen alff die anderen jnder gruwelyker fcanden.
Bauwe Jn den wolde is Cryftnacht daer nicht manck
geweft, auerft vp Mychaelis had fie alles mede gedaen all de-
nials (!) Jm velde voer thouery gebruyckten6). vnd alff fie ge-
fraget, wie fie jn der nacht fo konden to famen komen, fede
fie, wanneer Ocke Frederycs floytede myt der pypen, dat kondc
fie horen in den wolde, fo weren6) die katten bereyt, Daer vp
reden7) fie to der plaetz, daer fie fyck befteeden hadn. —
*) Der Rest der Seite durchgestrichen.
•) Das Eingeklammerte nur zu mutmassen.
*) Das Folgende etwas spater hinzugefugt.
*) Rest von Bl. 166* leer, mit Bl. 165«> beginnt die zweite Hand.
") Zusatz am Rande : Bawe rogata quonam modo Diudo ille ad-
musarius falacitate fua fatiffacere pofset fenis omnibus, respondet vnam-
quamque dumtaxat vnico ictu ilium folere fubagitare veluti pafser.
•) Die folgenden Worte sind, z. T. von Beninga selbst, verbessert
in: was de duuel yn den katten gestaltcn dar bereyt.
T „reden" in „red" verb.
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— 128 —
[Hier hat Beninga selbst 2l/t Zeilen tind davor und dahinter
je eine langere Randbemerkung eingeschaltet :
^Bawe fecht ock, dat fe eren handel vor mydnacht driuen,
vnd Eer de hane kreyet fo is eyn yder yn fyn egen Hus, woe ver
fe ock vanden anderen wanen. — 2)fe fede ok, dat yn den
ketel gefaden wert, was kort als kaff van') ander dynge Dat fe
touerden vnd geen flefck was dat fe eten. — 4)fe gripen dat
myt der hant van den acker up, dat fe yn den ketel (don)6), vnd
wat fe nicht up eten, dat warpen fe weder up den Acker, dyt hort
by Bawen.6) Se fecht ock, 7)(d)e duuel begript en dat harte,
foe lange als he dar is foe konen fe nicht fcreyen eder tranen
laten. de ock yn er vorbunt (ni)cht is, wan de rede myt (d)e
pipe floytet, foe kamen (f)e nicht.
wan ock ener gerne feehen wulde, wan fe yn dem dantz
fynnen, de fchal fyn gantz vertruwent fetten yn den heren vnd
krummen den dumen yn de rechter hant vafte to geholden, de
fchal fe alle fehen, de yn den dantz fynnen.]
Wybbeke Galtetz befteyt des gelyken vnd gyfft fick
fculdich der myffdaeth alff die anderen alle, die fie auertuegen8).
Ewke Wbbe Poppen na der marter vnd pynigende
hefft oic bekent in gelyker maten vnd gyfft fie fculdich alff
die anderen.
Duffe vpgemelten fynt malcanderen onder ogen geftelt
vnd hebn fie onder eyn ander auertneget, eyn yder voer fyn
angefychte vnd hebn dat alle to geftaen. actum Donredages
vnd frydages na Efto michi. In der pynen hebn fie duffe
navolgende oec gemelt vnd fynt gehaelt vnd pynlick gevraget:
Gele Jelfcen, Bauwe Aepke Tyan ftieffmoeder, Hebe
Tyan, Hayke Agen.
(Bl. 166 a) Hier vp hefft myn gnedige vrouwe Den raeden
daer van to erkennen gegeuen vnd oher confultacion vnd
*) Erate Randbemerkung.
*) Zwischen den Zeilen des Contextes.
») „va" verschrieben fur ,vn" (= vnd)?
4) Zweite Randbemerkung; ihr Anfang apater durchatrichen.
*) Fehlt in der Handschr.
•) Kein Absatz!
7) Von hier an am ausseren Rand etwas verloren.
8) dar wulde fe up ftaruen, fiigt Beninga hinzu.
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— 129 —
guede meyninge begeert, vm ordentlich myt den pynliken ge-
rychten om te gaen.
Daer vp oher goet bedunckent was, dat men fie alle wol
examineren folde, meer dinge van fie to erfaren vnd meer an
anderen oerden to melden.
Daer vp fynnen fie alle den 13. Februarij des dyng(f)e-
daechs na Jnvocauit weder om thorn derden vnd iiij. mael twie
mael Jnden enen dage fie voergenomen, onn alle gelegentheit,
omftende der daeth gevraget, eyn yder funderlich vp fryen voeten
int gemeyn, vnd oeck in Jegenwoerdicheit oher echte menner
voer den Erentvheften Eggerick Benynga raedt, Ytfe van Gry-
raerfum, Eylert Deetloffs Drofte, Hermen Lent vnd Hermen Prycker
huyffcryuer vnd heer Albert Paftoer to Auryck vnd fyn Cappellaen.
AmkeHeynen heff vp fryen voeten1) voer die benoempte
perfonen bekant, dat fie fulke gruwelyke fcande vnd boefheit
alff voerfchreuen alfo mede gewerckt hebbe vnd van Ocke2)
Frederycks daer by gebracht weer. Vnd heft oerhn echten man
Heynen oher gueder gegeuen vnd ohen om vergyffnys 8) gebeden
fdyt is ock up den fuluen dach van er yn tegenwordicheit
ores Echten man Heynen bekent].4)
Grete Sunneken hefft gelyker maten vrymoedich to-
geftaen vnd daer na in Jegenwoerdicheit oers echten mans, dat
fie in die boefen gefelfcap mede geweft vnd die boeffheit alff
voer hen ontdeckt is, tot ij mael dat mede gedaen hadde
vnd van Ocke Frederychs daer to gevord, bidnde oeren man,
dat he dat befte by den kynder wolde doen.
(Bl. 166b) Wybbeke Galtetz hefft oic ffrywillich vp
vryen voeten togeftaen vnd dair na oic vp den fuluen dach in
iegenwoerdicheit ohers echten mans Galtet, dat fulcke voer-
bemelte gruwelyke fcande ij mael inden Rypen mede gedaen
hadde vnd fie heff ohern man Galtet gebeden, dat he oer myt
gelde wolde wt loffen, dat fie eer truwe mochte geneten, fo fe
ohene bewyfet. heff hie oer geantwort: konde he fe myt enen
wytten lofen, he wolde nicht. Se bekend oic, dat Jonge Diude
*) Beninga f> am Rande hinzu: den fcharprichter eder geue-pyne
vor Eren ogen gefbelt, dar Te fyck vor ffruchten dorfte.
*) Handschrift: Ocko.
•) Handschr. : vergyffmys.
*) Zusatz Beningas im Contexte.
Jtkrbttck d«r Q«ullich. f. b. K. a. yaterl. Altertttmer zu Emden, Bd. XV. 9
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— tao —
in Rypen vnd Ocke1) Fredrichs oer in der felfcap had gefoert.
fe bekand oic, dat fie voer hen oic eyn mael vp Meynacht by
Reyndfeel van Vphuefen Jn dat ketelrith geweft weer, dat4)
fie to Vphufen woende, daer fulueft fie gemelte vier perfonen
Tette Aylken, Elfke Hermens, Jde Menneken, Hyffe Haren tho
Vphufen.
Hayke A gen Jn de hammeryck hefft ok vp fryen voeten3)
togeftaen vnd jn Crutz gefallen, vmb genade gebeden vnd be-
kant, dat fie ij mael daer mede is geweft, vnd Junge Diude
had fie verfoert myt eyn Scael byers, daer he wat in geworpen
had, fie vullenkamen fculdich der myffedaeth als die anderen.
[Se bekende ock, dat fe up ene katte gereden hadde by dat
ketelridt.]4)
Mo der Hylmers hefft togeftaen vnd jn bywefend oers
mannes Hylmer, dat fie in Emke Diuden kyndelbyer van Junge
Diuden myt eyn Drunck dair by gebracht fey, vnd der foluigen
daeth fculdich. fie hedde alle mede gedaen alff die anderen
vnd meende voert eerft, dat es fcymp waer geweft.
Hebe Aeptet Thyan hefft oic vnbedwungen frywyllych5)
belyet vnd daer nach in funderheyt voer oheren echten man, dat
fie ij mael daer mede geweft is, alle die gruwelike fcande
mede gedaen als die anderen vnd van Junge Diuden bedragen;
vnd den man oher kynder beuolen. (Bl. 167 a) Daer vp die man
geantwort, dat eyn kynt weer by oher Sufter, die wolde dat
nicht verlaten. fo ouerft die fturuen, wolde he oher Jngebrachte
guet oeren eruen laten volgen. [als fe mede yn dat ketelrit ge-
weft fulde hebben, doe was fe man achte dage yn den kraem
geweft.]4)
Bauwe Aeptet Thyan ftyeffmoeder hefft wt fryen
willen vngedwungen vnd ongebonden belyt, dat fie van Jonge
Diuden verfuert Ty vnd ij mael daer mede gewefen vp wynachten
vnd Mychaelem alff voerfchreuen, eyner daeth mede fculdich vnd
hefft gnade begeert, iij Styge g(ulden) bodent voer dat leuendt
*) Handschrift: Ocko.
*) Lies: daer.
8) Beninga ffigt am Rande hinzu: vnd ore doe geue-pine vor ogen
geftelt, dar fe fyck doer ffruchten dorfte.
4) Zusatz Beningas iin Contexte.
s) „frya von B. ubergeschrieben.
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— 131 —
vnd dat men oer olde knocken nicht wolde verbernen. vnd wat
fculde fie had by den lueden, hefft fie onhe quyt gefculden.
Dit hefft fie an den fuluen dage voer Aeptet oheren ftiefffone
togefthaen.
Alff defe bekentnyffe alfo van fie gedaen is, hefft men
den Paftoern by fie gefcycet van fulchen dingen, fie tho ver-
nhemen vnd vnderrychten, der fie vermarckt dat de doetftraffe
ouer fie fcolde gaen, hebn duffe weder gelochent vnd gefecht,
dat fie van fruchte wegen der pynen fulchs bekent hedden,
alff Ewke Vbben, Bauwe Bylvelfce, Moder Hylmers, Hayke Agen,
Bauwe Aepke Tyan ftyeffmoeder, Gryete Sonneken, Amke Heynen.
(Bl. 167b) Am Frydage na Jnvocauit hefft men duffe
nagefcreuen thorn vyfften mael vp vryen voeten wederom voer
den gedachte gerychts perfoen Jn Jegenwoerdicheit der beyder
Borgemeyfteren to Auryck to examynacion voergenomen, vnge-
bunden vnd fie gevraget, offt fie beharden wolden Jn ohere
confeffion eder belynge.1) hefft men gefraget, wat fie daer tho
verorfakende, myt voelen vermaning, dat fo ftarcke bewifing
antzeiging vnd getuechniffe der ander tegen fie weren, dat fie
fich nicht vnfculdigen konden. So hebben voergeuen voir eerft:
Amke Heynen bekende, dat Wybke vnd Hebe Aeptets
die gene weren, die fie vnd die anderen geraden hadden weder
to roepen. Ouerft fie geue fie nu fculdich der angetagen myffe-
daeth vnd wolde die ftraffe des doetdes, wan fie van ftonden
an oer vorordelt folde werden, dair vp ontfangen, dat die
anderen alle fo voer hen angetekent fculdich weren der fuluige
myffedaeth, van namen to namen alff voer gefchreuen.
Gryete Sonneken, wo wol fie thom eerften mael ver-
faken wolde, dan cort dair na hefft fie gemeldet vnd bekent,
dat Hayke Agen fulcks oher geraden hadde, vnd bleue nu by
die eerfte bekenttenyffe vnwederroeplick, dat fie vnd die anderen
alle fculdich fynd; vnd bekende vorder, dat Ewke Vbben vp
mychaelis nacht vnd vp Cryft nacht daer mede gewefen vnd ge-
daen alff fie vnd die anderen.
Hayke Agen verfakede oeck, ouerft fie is van Gryete
Sonneken vnd die anderen alle auertueget in oher Jegen-
woerdicheyt, dat fe fich des faterdages na Jnvocauit fulueft
*) Dahinter „geweken* wieder getilgt.
9*
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- 132 -
fculdich gaff vnd bekende oec, dat Ewke fo fculdich melde
were alff Tie vnd die anderen alle fampt, behaluen Bauwe
Billeveld, die en had fie nicht fyen.
(Bl. 168*) Bauwe Aeptet Thyan ftieffmoeder had
oec wederroepen, ouerft fie bekende, dat fie van crancheits
wegen fulchs gedaen hadde. fie wold oher voryge1) bekentnyffe
voer wairachtich hoi den, vnd die anderen alle fo fie voer hen
angetekent fo fculdich weren alff fie.
Moeder Hylmers, woe wol fie oio van Hayke Agen to
wederroepen geraden wort, fo wold fie dan noch ftantafftich
blyuen in oher voryge bekenttenyffe, dat fie vnd Ewke Vbben
fampt die anderen voer benoempden alle gedaen hebn die falue
boeffheyt.
Bauwe Jn den wolde blyff beftendich wat fie gefecht
hefft, vnd fo veel meer togeftaen, dat voer 4 Jaren Junge Diude
vnd Ocke2) Jppe Waelken eer dair by gebracht, vnd drie mael
had fie dair mede gehandelt, eerft vp Mey nacht, vp Mychaelis
nacht vnd Vaftelauont, Jn den velde weren fie to hope geweft
van Bancftede dael vp die acker, want die pype angynck van
eer Scoelmefterfce Ocke2) Fredrichs. Vnd fie befculdichde Ewke
gelyck fie fulueft vnd die anderen alle fo angetekent weren.
Hebe Aeptet Tyan befteyt vullenkamlych alff fie voer-
hen gedaen, dat fe vnd die anderen alle fculdich weren, vnd
Ewke Vbben is vp Mychaelis nacht vnd Cryft nacht daer mede
geweft vnd myt Junge Diuden vnd den Duuel gehandelt alf fie.
Geele Jelfken hefft oic am Sonauende na Jnvoca(uit)
togeftaen vnd bekende, dat fie twie mael daer mede geweft
weer, vnd fie weer van Junge Diuden vnd Ocke2) Fredricks
daer by gebracht vnd verfoert, die fie van oheren bedde ge-
haelt hadde vnd oer to der dantzplaetz gevoert, dair Jonge
Diude vnd de duuel myt fe alle boefheit vnd die gruwelycke
fcande gewerckt hebn.
(Bl. 168b) Wybbeke Galtetz blyff beftandich by oheren
vorygen woerden vnd bekende noch meer, dat fie van Ocke2)
Fredricks wt erem egen hufe gehaelt vnd hen gefoert was alfl
myt enen wyntflage to der Stede vnd keteldantz vp Frederick
>) „o« aua „a".
*) Handschrift: Ocko.
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— 133 —
Dayen werff Jn Cryftnacht, eyn mael vp Mychaelis nacht vnd
voer hen eyn mael to Vphufen, allT fie noch to Vphufen waende,
vp Mey nacht by Reynfeel alff voerfchreuen ; vnd befculdicht
Ewken vnd Bauwe Bylevelds gelyc fie fulueft vnd die anderen
alle fo angetekent fynt, Dat fie die gruwelycke fcande myt Jonge
Diude vnd den duuel gedreuen hebben.
^Des fondages reminiffere fynnen de menner alle
meftelich fampt etlich ere fruntfehup wederumme to Aurick
boefcheden vor de vorordente richteren vnnd de beyden borge-
mefteren vnd ij frame borger to Auricke. dar em noch eyn
mael alle de bekenteniffe erer fruwen vorgelefen, dar mede fe
fehen muchten, dat myn g(nedige) ff(ruwe) nicht anders doen
wurde als recht wert dat ock dar nae fyck nicht dorften be-
clagen, als fe rede eyn geruchte gemaket hadden.
2)Am Maendage na Reminifcere fynd ix van defen
voerfcreuen perfonen maleficis voer dat gerychte gefordert vnd
fynd van wegen keyferliker Maiestat, des hilligen Rycks Ord-
ning vnd van wegen der E. wolgeboerne vnfe gnedige frouw
to Oeftfr(eesland) wedue, defer tydt vnfe oirdentliche Ouerychey t,
vmb oherer begangen myffedaeth, der fie fculdich erkant, ver-
ordelt worden thorn vuer, dat alfo dorch Scarprychter nach
gewaenheit defe Grauefcap vullenfoert is woerden.
ZweUer Process.3)
(Bl. 169a) Des midwekens nae Jnvocauit heft Gaelke
Galtetz Onneken wyff yn den Teheen mit fryen wyllen
bekent, dat fe eyn mael up karftesnacht4) up Egelffer warff
tegen den Theen up yn der touerf(chen) gefelfchup mede ge-
weft is vnnd vm den ketell mede gedanfet, vnnd clagede dat
Hayke Nonneken vnnd Hyffe Haren or dar by gebracht hadden.
fe bekende ock, als de beyden wyue or dar by gebracht hadden,
ftelden fe or vor, dat fe erfte got mufte vorfaken vnd fyck den
duuel ouergeuen. Als dat gefcheen was, hadde de duuel vorder
•dore yn eyn geftalt enes perdes fwart van varwen, dar fe alle
') Dieaer Absatz von Beningas Hand.
*) Hand 2.
*) Von Beningas Hand, aber etwas fluchtiger geschrieben.
*) Am Rande hinzugefugt: fe weren achte dage to voren by er, oft
fe mede an den keteldantz wulde.
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— 134 —
dre up gefeten vnnd doer de lucht to der plaetz dar de anderen
gekamen, gelik de anderen gedaen. vnnd Hayke Nonneken,
Beetke Ynen vnd Hyffe Haren hadden den vordans; dar negeft
is Gaelke geuolget vnnd Rewende, doch de wer man eyn mael
dar mede geweft; vnnd hadden foe vyffmael wm den ketel ge-
danfet. ock heft fe bekent, dat fe alle de dar erfte ankamen
moten fyk befcheren laten als vorgefcreuen, vnnd dar nae
alle Jaer eyn maell. vnnd ore bykumft fynnen up mey nacht,
pinxter nach, funte Johane nacht, mychelis nacht vnd karftes
nacht, want1) fe ere touerien driuen. Se bekende ock, dat fe
fulfachte by den ketel yn den dantz geweft, dan de iiij wulde
fe nycht nomen. vnd hadden by der tauelen gefeten, gegeten
vnd gedrunken, dan mydler tyt myt den duuelen gehandelt als
myt eren menneren; de fyck yn enes fynen Jungelinges geftalt
hadde laten fehen. fyn dynck we(r)2) om3) groter als einns
mynfchen; dat van em geyt is kolt; he heft perde vote, fyne
hende fyn(d) verkant. fe bekende ock, dat fe Beetke Ynen
b(e)fcharen hadde4). de duuel hadde em eyn vorleet yn den
dantz gefungen myt heefk(er) ftemme.
(Bl. 169b) Hayke Nonneken yn den Tehen heft ock
up den fuluen dach vngebunden vngedwungen beliet vnnd to-
geftaen, Dat fe de touerie x Jaer heft gebruket yn aller mate
als Gaelke vorhen bekent heft, vnnd fede de duuel de er ouerfte
wer, de leet fyck nomen Reynke. Als ock Gaelke yn er tegen-
wordycheit vorfaken wulde, dat fe man eyn mael dar mede
geweft wer, doe fede Hayke vnnd ftraffede fe vnd fede: heftu
dar nycht mer mede geweft els eyn maell?
Des faterdages vor reminiffere5) heft Gaelke
noch torn anderen mael vor den droften vnd fcriuer bekent,
dat fe vnd Hayke Noneken dat wt fruchten hadden beliet, alles
wederropen.
Den 21. dach Februarij, is geweft des mydwekens nae
reminiffere, heft Gaelke Galtet Onneken torn darden mael
*) Aus B dar" corr.
*) Diese und die nachstfolgcnden Reihen haben am Rande etwas
verloren.
8) Hinter Bom" hat die Handschrift noch ein „em" oder „ein*.
*) Am Rande hinzugesetzt: vnd Riwende hadde oer befcharen.
•) Handschrift: remiffeniffere.
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— 135 —
up fryen voeten vngepiniget beliet vnd togeftaen dorch goedige
vorraanunge dorch den droften vnnd fcryuer, vnnd er gefraget,
oft fe ock de voryge belyinge wulde toftaen als fe bekennet
hadde. dar up fe heft geantwort, fe wulde gerne belien, dat
Hayke Nonneken vnd Hyffe Haren or dar erfte hadden by ge-
bracht. Se bekende ock, dat fe eyn perdes fchacht yn den
ketel gehat; dat pert horde yn Emfige lant, weren dar
geweft torff to halen up karftes auent; Vnnd Rewent Hycken
vnnd Howe Wylleuen vnd Hyffe Haren, Dyure Aylften (we)ren l)
dar mede geweft, als fe dat pert den fchacht afffneden, vnd is
doet liggen bleuen. Se bekende noch, dat Hayke Nonneken,
Hyffe Haren vnd fe to hope up eyn fwart pert hadden gefeten,
doe fe er dar erfte anbracht hadden, vnnd Hyffe vor, Hayke
dar nae, vnd fe achter upt pert. Gaelke vnd Hayke Nonneken
beden ock, dat fe vor vnfe genedige fruwe vor er g(enaden) eyn
mael up ere kne wm genaden muchten bydden.
(Bl. 170a) Den 23. Februarij, is geweft des frydages nae
rerainiffere, heft Gaelke Galtetz Onneken noch torn verden
maell frywillich vngebunden ane pynliche frage beliet vnd to-
geftaen vor den Eerentueften Achtbaren wolgelerten Eggerick
Beenyngha Ac, Eylart Deetleff drofte, Harmen Le(nt)2), Har-
mannij Pricker huffcryuer, dat fe 3 Jaer de touerie gebruket
vnnd van Hayke vnd Hyffe Haren erfte dar an gefoert myt
fchonen worden, dat fe luft vnd froude dar van hebben
fchulde. Doe maels hadde fe eyn fwart wagenpert to Hynte
up Omke Ripperdes ftall wt gefneden fyn mentulam eqwij vnd
dat harte wt den liue dorch den hals genamen, dat fe wt heten
des duue(ls) hadde myt den (dyu)ell3) aff gefneden. dat nemen
fe mede vnd brachten dat yn den ketell, dar fe den dantz
hebben4) fchulden up den Egelfer warf by den Tehen up, vnd
Gaelke hadde wt beuell des duuels da fulueft geheten, nae
dem fe de ftarkefte was. dat hadden fe gefaden vnd ge-
bra(den)5), darwmb gedantzet vnnd dar van gegeten. der duuel
') Das Eingeklammerte ausgelassen, die vorhergehende Silbe „ften8
wieder durchgestrichen
*) Dorch einen Klecks unleserlich gemacht.
*) Das Eingeklammerte unsicher.
*) Aus „hadden8 verb
ftj Durch einen Klecks verwischt.
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— 136 —
weren iiij, van de achten de fe nycht kennen wulde, de deden
nae dem dantz alle eren wyllen vnd vor den bancket yn un-
kufheyt myt fe geplegen. vnd fe bekende ock, wan de duuel
ropt, foe moten fe alle to f amende fyn, vnd we dan nicht kumpt,
de moet fyn befte eder fyn leuefte vorlefen, yd fye eyn mynfche
eder eyn beeft, als wyder vorftendiget fall werden. Se bekende
ock, dat fe des Jares vj mael to famende qwemen, up pynxter
nacht was gefordert, fchulde fe mede geweft fyn; doe muchte
fe van eren Jungen kynde nicht wt, darwmme wart er de pene
van den duuell upgelecht vnd den koer gege(uen), oft fe oren
beddynck eder ere befte koe tor ftraff vorlefen wulde. foe hadde
fe fulueft mede ore befte koe wmmebracht vnd dat harte dar
wt genamen. Se bekende noch, dat fe noch dar nae twe ma(el)
eyne koe vnd eyn pert fyck fulueft foe wmmegebracht hadde
vnd tor ftraff mufte geuen.
(Bl. 170 b) up funte Johannes nacht als fe to famende to
ketel ryden wulden, doe hadden fe Dyure Tengen yn den Theen
ene koe gedoedet vnnd dat harte dar wt genamen, yn den
ketel gefaden, daruan mydler tyt myt den duuelen foe vor ge-
rort gebruket. Vnd dar nae noch up eyn ander mael ene koe
Rike Hylmers gedoedet, als vor gefecht in dyuerfis temporibus.
up Mychaelis nacht hadden fe Ryke Bawen yn den Teen enen
fteer afftouert wm de harten wyllen, daer mede fe bancketeren
wulden als vor.
Vp Chrift nacht leftmal leden hadden fe Swyger Hycken
yn den Theen eyn pert yn den flote ftortet, den fchacht aff-
gefneden, er koken dar mede geftelt, er touerye dar dan mede
gedreuen. Want fe foe vj mael ym Jaer to famende kamen, foe
moeten fe alle mael an den befte vnnd perden fchaden doen.
wanner fe1) van de duuelen aff fcheden, vnd eyn yder weder2)
nae fyn hus tut, foe fmert de duuel em de voete.
Gaelke fede ock, De fyck up den heren Chrifto vor-
truwede, den kunden fe nycht befchedygen; wan men ock eyn
meft by dem bedde hangen hadde, des geliken. —
Von Bl. 171 ist die &ussere H&lfte der LSnge nach ab-
gerissen und verloren, es sind nur folgende Zeilenanfange
*) Hinter „se" ist „to deB getilgt.
*) „weder" steht doppelt.
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— 137 —
erhalten geblieben. Bl. 171a: Hayke Nonneken| torn verden
maej vngepyniget bekent vnde t| Gaelke wanner Jomantj lynge
blift de wort fyck| gaen laten an dat leu| he heft Darwmme
ha| van x Jaren vor der fa| bracht fe hadden ene vatej ge-
namen vnd yn ene| hadden one alfo yn| to karckhaue gedragen|
dar ynt hus upft| hadde de Junge h| he ftarff. — Der Rest der
Seite und das ganze Bl. 171 b ist leer geblieben.
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Kleinere Mitteilungen.
I.
Beitrftge zur Geschichte der Armenpflege und des Gasthauses in Norden.
Vom Archivdirektor Dr. P. Wagner in Wiesbaden.
Der Armen zu warten, ist ein Gebot der Menschenliebe,
(lessen Beobachtung alle hoher stehenden Religionen ihren
Gl&ubigen zur Pflicht gemacht haben. Namentlich die christ-
lichen Kirchen leisteten friiher und leisten noch heute Grosses
und Ruhmwurdiges auf diesem Gebiete. In der Armenpflege
liegt aber neben dem religiosen zugleich auch ein soziales
Moment, und darum haben sich auch die weltlichen Gewalten,
seien es politische, wie Staaten und Gemeinden, oder wirt-
schaftliche, wie Grundherrschaften, Ziinfte usw., mit ihr befasst,
zumal unter dem Einfluss und dem Druck religioser Anschau-
ungen. Die Art, wio das Armenwesen in cinem Zeitalter oder
einer offentlichen Gemeinschaft gehandhabt wurde, und der
Umfang, in dem es geschah, wild immer in gewisser Hinsicht
als Gradmesser fiir die Kultur angesehen werden konnen, und
die Kenntnis dieser Dinge ist sicher ein nicht uninteressantes
Stuck in der Entwicklung jedes Zeitalters oder Gemeinwesens.
Es ist nicht mein Vorhaben, die Geschichte der Armen-
pflege in Ostfriesland zu schildern. Nur einige Bausteine
mochte ich dazu liefern durch die Mitteilung der unten ab-
gedruckten Briefe, die das Armenwesen der Stadt Norden be-
treffen und einen lehrreichen Einblick darein gewahren, die aber
auch sonst noch einige fur die Kenntnis Norder Zustande im
16. Jahrhundert interessante Nachrichten enthalten.
Norden war eino der altesten und nachst Emden die wich-
tigste Stadt Ostfrieslands. Leider hat sie bisher noch keinen Ge-
schichtschreiber gefunden, der ihr Entstehen und Wachsen, ihre
Verfassung und ihre Institute im Zusammenhang geschildert
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— 139 —
hatte. Sie tritt darum neben Emden vielleicht mehr, als sie es
verdient, in den Hintergrund, obwohl niemand leugnen kann, dass
in ihr ein eigenartiges, selbst&ndiges Leben vorhanden gewesen
ist. Man braucht zum Beweise dafiir nur an die Tatsache zu
erinnern, dass sich die Norder Biirgerschaft aus eigener Kraft
eine Pfarrkirche erbauen konnte, die Andreaskirche, die nach
den erhaltenen Beschreibungen die ansehnlichste von ganz
Ostfriesland gewesen ist.1) Und erw> man die Stellung,
die Norden in den kirchlichen Streitigkeiten am Ende des
16. Jahrhunderts eingenommen hat, in denen es als Haupt-
sitz des strengen Luthertums gegenliber dem reformierten Ost-
friesland erscheint, so wird man, mag man liber diese Kampfe
denken, wie man will, nicht verkennen dtirfen, dass die Stadt
eine charakteristische Rolle darin ebenso gespielt hat, wie in
den standischen Streitigkeiten der folgenden Zeit.
Wtirde man von der Einwohnerschaft der Stadt, ihren
sozialen und Skonomischen Verhaltnissen wahrend der ver-
gangenen Jahrhunderte nahere Kenntnis haben, so wurde sich
daraus wohl ihr Eigenleben und ihre Geschichte genauer er-
klaren lassen, da diese mit jenen in Wechselwirkung stehen.
Aus einer solchen Kenntnis wurden sich auch erst die richtigen
Gesichtspunkte fur die Beurteilung des Armenwesens der Stadt
ergeben.
Einige Bemerkungen uber lotzteres mogen den unten folgen-
den Briefen vorausgeschickt werden. Es kann sich dabei jedoch
nur um das offentliche, organisierte Armenwesen handeln, nicht
urn die private oder von einzelnen Korporationen, wie den
Klostern, ausgeiibte Armenpflege. Leider fliessen uber jenes
fur die altere Zeit unsere Quellen nur sehr sparlich.
Man hat behaupten wollen, dass bereits im Jahre 1278
ein Gasthaus in Norden bestanden hat.2) Allein das in einer
Urkunde dieses Jahres erwahnte convivium s. Petri, auf das
man sich hierfiir sttttzte, ist, wie man aus Friedlaenders Er-
klarung zu dieser Stelle im Ostfriesischen Urkundenbuche, 1680
(II, S.48), h&tte ersehen konnen, nur eine Bruderschaft gewesen,
kein Gasthaus. Aus so friiher Zeit sind Nachrichten uber Gast-
>) Emmius, Rerum Frisic. hist. S. 179.
*) Mithoff, Kunstdenkmaler und Altertiimer im Hannoverschen, VII,
160, dem Houtrouw, Ostfriesland II, 237, seine Angaben entnommen hat.
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— 140 —
hauser in Ostfriesland tiberhaupt nicht vorhanden. Erst in Ur-
kunden vom Ende des 15. Jahrhunderts wird das Gasthaus in
Emden genannt1), das im Jahre 1514 als das „alte" bezeichnet
wird2). Sein Ursprung wird jedoch schwerlich ttber das 15. Jahr-
hundert zurftckreichen. Dass auch Norden damals schon ein
solches besessen hat, soil nicht geleugnet werden, aber Zeug-
nisse sind dafftr nicht vorhanden. Den Armen von Norden
vermachte Graf Ulrich in seinem leider nicht erhaltenen letzten
Willen ein Legat, das seine Gemahlin Theda in ihrem Testament
vom Jahre 1494 best&tigte, indem sie bestimmte, dass ihnen
aus den Manslagter Heuern alljahrlich vier Stiegen Am-
heimscher Gulden zu ihrer Kleidung gegeben wftrden.*) Ob
man dabei an Gasthausarme oder die sogenannten „haus-
sitzenden" Armen zu denken hat, ist nicht zu ersehen; es
konnen beide darunter verstanden werden. Das Legat setzt
bereits eine gewisse Organisation des stadtischen Armenwesens
schon am die Mitte des 15. Jahrhunderts voraus. Bestimmungen,
wie die von Ulrich und Theda getroffenen, sind nicht zu denken
ohne das Bestehen einer bestimmten Behorde, etwa eines Kol-
legiums in der Art der im 16. Jahrhundert vorhandenen Armen-
vorsteher, dem die Empfangnahme der Gelder, die Beschaffung
und Verteilung der Kleider, die Auswahl der Armen obgelegen
haben wird. Ulrich und seine Gemahlin werden aber vermut-
lich nicht die einzigen gewesen sein, die den Armen Zuwendungen
machten. Wohlhabende Einwohner dttrften gleichfalls Gelder zu
diesem Zweck geschenkt haben. Gewiss sind auch Almosen
eingesammelt worden. Nach Analogie der spateren Verhaltnisse
ist anzunehmen, dass ein Armenfonds vorhanden war, der ver-
waltet werden musste. Alles dies wird Sache jener Behorde
gewesen sein. Gern erftihre man etwas Naheres fiber ihren
Charakter, ob sie, wie anzunehmen, kirchlichen, oder ob sie
weltlichen Ursprungs gewesen ist ; doch keine Nachricht ist
dariiber aus der Zeit vor der Reformation vorhanden. Erst
mit deren Einfuhrung treten die Verhaltnisse sch&rfer hervor.
Die Kirche der Reformation wurde sehr wesentlich ge-
stiitzt und getragen von der weltlichen Gewalt, ohne die sie
J) Ostfriesisches Urkundenbuch 1142 (II, S. 217).
*) Harkenrohte Ausgabe des Beninga, S. 802, Anm
») O.U.B. 1395 (U, S. 412).
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— 141 —
kaum zu denken ist. Der Staat verhalf ihr erst zu selb-
st&ndigem Leben, er schuf ihr eine Verfassung, gab ihr Ord-
nungen trad lieh ihr Macht zur Durchfuhrung ihrer Gesetze.
Wie das in den protestantischen L&ndern uberhaupt der Fall
war, so auch in Ostfriesland. Die neue Kirche war auch hier
in ihren ersten Anfangen aus volkstihnlichen Stromungen hervor-
gegangen, die jedoch nur den Zusammenbruch der alten Zu-
st&nde herbeizuflihren vermochten. Als es sich darum handelte,
aus den Triimmern Neabildungen zu schaffen, war dies nur da-
durch moglich, dass die Bewegung von der weltlichen Gewalt
in die Hand genommen wurde, die ihrerseits gern dazu bereit
war, weil sie selbst dadurch eine erwtlnschte St&rkung ihrer
Macht erfuhr.
So ist es nicht auff&llig, dass auch das urspriinglich wohl
rein kirchliche Armenwesen unter staatliche Aufsicht kam, ge-
wiss nicht zu seinem Schaden. Weiss man doch, dass die
Grafen bald nach Einfiihrung der Reformation unausgesetzt auf
die Untersttitzung und Pflege der Armen in ihren Kirchen- und
Polizeiordnungen hingedr&ngt haben. Damit aber erfuhr das
Armenwesen nicht etwa bloss in den einzelnen st&dtischen
Gemeinden, sondern im ganzen Lande, auch in den Dor fern,
Forderung. Es sollten liberal!, d. h. in alien Kirchspielen, von
Amts wegen zu diesem Zweck Organisationen geschaffen werden,
die, wie alle menschlichen Einrichtungen, gewiss sehr ver-
schiedenartig gewirkt haben mogen, deren Anordnung aber be-
weist, wie ernst die unter dem Einfluss der neuen reformato-
rischen Lehre stehende Obrigkeit ihre Pflichten genommen hat.
Graf Enno bestimmte 1629 in einer Ordnung, die zwar keine
Gflltigkeit erlangt hat, aber doch den Geist bezeichnet, in dem
er seine Regierung fOhrte: fremde Bettler sollten in den Kirch-
spielen nicht geduldet werden, es sei denn, dass sie l&ngere
Zeit darin Aufenthalt gehabt h&tten oder alt und krank seien.
Zum Unterhalt der einheimischen Bettler sollte an die Pastoren
von jedem Haus Almosen (husdelinge) gegeben werden. Jedes
Kirchspiel sollte zwei redliche Manner w&hlen, die darauf s&hen,
dass Bettler innerhalb ihrer H&user, nicht vor den Thiiren,
noch auf den Strassen, ihren Lebensunterhalt erhielten.1)
*) Meiners, OostYrieschlandts kerkelyke Geschiedenisse, I 575.
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— 142 -
Aehnlich verordnete derselbe Graf Enno 1535, dass in
alien DOrfern gottesfurchtige Manner angestellt wiirden, die
Arinen zu pflegen, sowie Almosen zu sammeln und auszuteilen.1)
Seine Gemahlin Anna ermahnte in der sogenannten Polizei*
Ordnung von 1545 die Pastoren und Kirchendiener, dat ji ene
flietige upsicht hebben up ju hussiltende armen, die in juwer stadt,
fleck oder dorp gebohren und wohnhaflig sinnen, die sick des brodes
schamen tho bidden, und die dorch oltheit und hranchheit mit ihren
leden nichis verdeenen konneti, dat diesiilvige mit nothdurftiger Met dung,
och vor hunger und dorst moegen versorget werden; dar men dat mit
die upgemelte broecke nicht kan uhlrickten, [sal man] die gtmeene
darom versoecken, van den predigstohl vacken vermahnen na gemeene
christlicke ordnunge, so idt in alien landen geholden werdt.2)
Zweierlei ergibt sich aus diesen Verordnungen : erstens, dass
die Armenpflege eine ttber das ganze Land hin organisierte
Einrichtung sein, und zweitens, dass ihre Organisation sich an
die Kirche anlehnen sollte; die Kirchspiele bilden die Armen-
verbande, Pastor und Kirchendiener oder zwei gew&hlte,
gottesfiirchtige Mftnner sollen Armenpfleger sein. Wer ge-
wftnne hieraus nicht eine giinstige Vorstellung sowohl von dem
Erwachen und dem Aufschwung des religiosen Lebens in Ost-
friesland, wie auch von der Kultur des Landes, in dem so ein-
dringlich den Menschen die Barmherzigkeit gegen die Armen
zur Pflicht gemacht wurde! Die Verordnungen stimmen in-
sofern gut zu allem, was wir sonst iiber die Kultur Ostfries-
lands in jener Zeit wissen, z. B. zu der Tatsache, dass auch
das Schuhvesen eine derartige Forderung erfuhr, dass um die
Mitte des 16. Jahrhunderts in sehr vielen, vielleicht den meisten
Landgemeinden bereits Schulen vorhanden waren.8)
Freilich sind es zwei verschiedene Dinge, Verordnungen
zu erlassen und sie durchzufuhren. Inwieweit Graf Enno und
Grafin Anna die ihrigen in alien Stticken zur Ausfuhrung ge-
bracht haben, muss hier, wo es sich nur um die Gestaltung
des Armenwesens in Norden handelt, ununtersucht bleiben. In
*) Meiners, a a. 0. S. 155.
*) Polizei-Ordnung der Gr&fin Anna von 1545 (Druck von 1710), S. 25.
8) 8. Bartels, Abriss einer Geschichte des Schulwesens in Ostfries-
land, S. 5.
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— 143 —
Beztlg attf letzteres ist es nur der erste der Unten abgedruckten
Briefe, der uns einen Einblick in die Verhftltnisse um die
Mitte des 16. Jahrhunderts gestattet.
Wir sind iiber die Einwohnerzahl Nordens um jene Zeit
nicht genau unterrichtet; sie kann aber unmoglich gar gross
gewesen sein und wird einige Tausende kaum tiberschritten
haben. Die Skonomischen Zustande waren keine gl&nzenden,
die Armut iiberwog den Reichtum.2) Haupterwerbszweigo
scheinen neben etwas Landwirtschaft und Schiftfahrt nur das
Handwerk und der Handel gebildet zu haben. Irgend ein gllick-
licher Umstand, der der Stadt Nutzen bringen und zu ihrem
Aufschwung beitragen konnte, war nicht vorhanden.8) Trotz-
dem war Norden damals ein auch iiber die Grenzen Ostfries-
lands hinaus bekannter Ort;4) denn gar mancher von denen,
die um ihres Glaubens willen aus den benachbarten Landern,
den Niederlanden und England, fliehen musste, wandte sich
hierher und fand da Schutz und Sicherheit. Hier wirkte z. B.
seit 1554 als Pastor der bekannte Micronius aus Flandern, einst
Prediger der niederlSndischen Gemeinde in London, bis das Regi-
ment Marias der Katholischen ihn zwang, England zu verlassen,
um sich eine neue Heimat erst in Danemark, dann in Ostfries-
land zu suchen.6) Unter den Fliichtlingen war aber begreiflicher-
weise auch viel armes Volk, das dann, wie wir grade von
Norden hSren, der einheimischen Armenpflege zur Last fiel.6)
So war denn um die Mitte des 16. Jahrhunderts, im be-
sonderen wahrend des Jahres 1555, viel Not in der Stadt vor-
handen und der Armenverwaltung eine grosse Aufgabe gestellt.
Diese lag in der Hand von vier Armenpflegern, diaconi pauperum,
die von der Gemeinde gewfthlt wurden und ihr Amt als Ehren-
amt verwalteten. Sie hatten die zu unterstutzenden Armen aus-
zuw&hlen, die Art und H6he der Untersttitzungen zu bemessen,
') . . . den foel mer armoedcsz cdsz ryckedoenisz . . . S Beilage I.
*) . . . aenghe8en dot ydt aernte stedelyn Nordenn joe ncn mnderlych
foerfael edder ander foetiuen en hefft . . . Ebenda
*) . . . tcanthe unsae stedelyn Norden ynz wael soe hoechberoemeneth bnethen
juutr gnaden laendesz, doer god loeff wide daenck joe foell gudesz van gesecht
verth . . . Ebenda.
*) J. H. Gerretsen, Micronius, zijn leven, zijn geschriften, zijn geestes-
richting. Nijmegen, 1895.
») S Beilage I.
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— 144 -
die Interessen der Armen nach aussen zu vertreten, das Armen*
vermdgen zu verwalten und dartiber Bach zu ftihren. Neben
ihnen gab es noch der armen amptluyde, die Besoldung erhielten.
Ich vermute, dass es Aufseher im Armenhause waren oder
Leute, die die Armenvorsteher untersttttzten, das Austragen
der Untersttltzungen, das Anschaffen der zu verteilenden
Naturalien besorgten.
Die Armenverwaltung besass ein nicht ganz unbetracht-
liches VermOgen, das in Grundbesitz, L&ndereien und Warf-
stellen angelegt oder auf Zins ausgeliehen war. In den Kirchen
wurde sonnt&glich kollektiert. Wohlhabende Btirger spendeten
Alraosen an Geld, wie an Naturalien. Unter den Efnnahmen
spielten noch die aus dem Legat des Grafen Ulrich herrtihren-
den Heuern eine Rolle, die allj&hrlich der Rentmeister von
Greetsiel auszahlte. A Is Gasthaus hatte man das alte Torfhaus
des Klosters Mariental eingerichtet, wo durchschnittlich 20
kranke oder verarmte Leute untergebracht waren, die hier
ausser Wohnung nattirlich auch Kost und Kleidung erhielten.
Neben den Gasthausarmen waren in der Stadt wahrend
des Winters noch ungefahr 80 Hausarme vorhanden, eine nicht
unbetrachtliche Menge, wenn man die nicht sehr bedeutende
Einwohnerzahl berticksichtigt. Jeder von ihnen erhielt an
jedem Feiertage in der Woche ein Pfund Butter und ein ftinf-
pftindiges Brot. In den Sommermonaten sank ihre Zahl auf
etwa 30, die dann an Almosen ungefahr ebensoviel erhielten,
wie im Winter. An jeden Hausarmen wurde im Sommer etwa
2 — 3 Fuder Torf und ein gewisses Mass Laken zur Kleidung
verteilt. Arme Kranke und W5chnerinnen erhielten Geldunter-
stiitzungen, ebenso arme Kinder, die etwas Ordentliches
lernen sollten.
Um die Armenpflege in diesem Umfange ausiiben zil
konnen, waren jithrlich folgende Ausgaben notwendig: 200 Emder
Gulden fiir die wSchentlichen Spenden an die Hausarmen, 4 Last
Roggen fttr die Gasthausarmen, 9 Fass Butter, 26 Tonnen
Gerste, 5 fette KClhe, 10 Emder Gulden zu Fischen, 8 fette
Schweine, 10 L&mmer, 30 Gulden zu Feuerung, 30 E. Gulden
zu Tuch, 16 E. Gulden zu Fuhrgeld, 30 E. Gulden zur Besoldung
der Armenaufseher (to der armen amptluyde mede to voersoelden),
20 E. Gulden an sonstigen Unkosten und 50 E. Gulden zu Laken.
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- 145 —
Den Ausgaben standen die Einnahmen gegeniiber, die in
regelmassige und unregelmassige zerfielen. Die st&ndigen waren
folgende: 61 E. G. u. 51/2 Schap Rente aus verpachteten Landereien,
30V2 E. G. aus verpachteten Warfstellen, 49 E. G. weniger 1/2
Schap Geldrente von ausgeliehenen Kapitalien, ferner an Oster-
rente (Paessckenrente) 80 E. G. weniger 8V2 Schap, an Teelrente
durchschnittlich 25 E. G., an Ertragen aus den sonntaglichen
Sammlungen in den Kirchen durchschnittlich 66 E. G. Die Ge-
samtsumme aller dieser Einnahmen betrug 31lV2 E. G. Will
man nun den Tauschwert des E. Guldens in damaliger Zeit
mit 20 Rm. berechnen, was nicht zu hoch sein dfirfte, so
wurden die standigen Einnahmen der Armenkasse etwa 6220
Mark betragen. Allerdings gingen sie keineswegs regelmassig
ein. Die Armenvorsteher hatten im Jahre 1555 zu klagen, dass
von den Zahlungspflichtigen mancher zu arm sei, urn zahlen
zu konnen, mancher verlaufe, mancher nicht zahlen wolle. Ihr
Wunsch war deshalb, von ihrer Landesherrschaft ein Mandat
zu erhalten, das sie ermachtigte, die Summen beizutreiben.
Sie hielten das umsomehr Mr nfttig, als sie zu der Ueber-
zeugung gekommen waren, die regelmassigen Einnahmen der
Armenverwaltung mtissten, wenn alien Anforderungen genflgt
werden sollte, um 250 E. G. erhfiht werden. Die unregel-
massigen waren nicht mit Sicherheit anzugeben, sie waren
naturgemass erheblichen Schwankungen unterworfen.
Grosse Sorge bereitete den Armenvorstehern damals das
Gasthausgeb&ude, wie erwahnt, das alte Torfhaus der Monche
von Mariental, ein zwar grosser, aber unbequemer, elender Bau,
der bei Regenwetter keinen trockenen Aufenthalt gestattete und
den Einsassen taglich tiber den Kopfen einzustiirzen drohte.
Eine grttndliche Aufbesserung des baufalligen Geb^udes wtirde
aber flber 400 E. Gulden gekostet und die Armenmittel auf
2 Jahre in Anspruch genommen haben. Unter diesen Um-
standen kamen die Armenvorsteher auf den Gedanken, das in
der Nahe der Torfscheune stehende Klosterbrauhaus als Gast-
haus einzurichten. Der damals schon verstorbene Abt, der
letzte des Klosters, G. Snell, hatte es noch gebraucht, jetzt
aber stand es leer. Die Vorsteher wandten sich daher an einen
der noch vorhandenen M5nche, Pater Vincenz, und wiinschten
es von ihm vorl&ufig zu mieten. Der Pater lehnte den Plan
Jahrbach iw Qesellsch. f . b. K. a. rater] . AltertUmer zu Emd«n, Bd. XV. 10
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— 146 -
nicht gradezu ab, wollte aber erst mit dem Abt von Kloster
Thedinga Riicksprache nehmen. Schliesslich mochten die Monche
das Haus doch nicht hergeben, und es wurde aus dem Miet-
vertrage nichts. Nunmehr wandten sich die Armenvorsteher
an die Regentin des Landes, die Gr&fin Anna, und baten, den
Armen ein Haus anzuweisen oder sonst eine Zuwendung aus
dem Klostergute zur Unterhaltung des Gasthauses zu machen.
Ihr Verlangen ist iiberaus charakteristisch. Offenbar beschaftigte
die Verwendung des Besitzes der Monche, deren Tage ja ge-
zahlt waren, die Gemtiter in Norden lebhaft, seit die Gr&fin das
Klostergut hatte verzeichnen lassen. Ein Gedanke, der ja allent-
halben nahe lag, tauchte auch in den Norder Kreisen auft
dass, wie dieses Gut durch Almosen und Bettel zusammen-
gebracht und fiir Arme bestimmt war, es auch jetzt nur fiir
Arme verwandt werden dtirfte. Sehr bezeichnend driicken sich
in dieser Beziehung die Armenvorsteher aus: wanthe toy hebben
foersstaen, dot ydt joe alle in gadesz eeren yse ghegeven aver ytlycke
jaeren, aettenth, waeth de cloessteren hebben, woewael nth eyn myss-
brueck, insunderheyt de predygeroerde, de doech van anfanghe hebben
gebeddelt to daeth oeffertorium, welcher voer den armen soelde syn,
unde sze daeruth en bedeleroerde oeffte cloessler hebben gemaecketh;
soe weren wael de armen nae gaedese bevel eere rechte arven (ho
dot oeffertorium. Man h6rt aus den Worten deutlich die erregte
Stimmung der Anhanger der neuen Lehre gegen das MSnchtum
heraus; aber sie klingen doch auch wie eine Missbilligung des
Volkes fiber die Konfiskation des Klostergutes durch die welt-
liche Gewalt der Grafen und sind insofern merkwiirdig genug.
Die Vorsteher beantragten bei der Grafin die Absendung
eines Kommissars zur Untersuchung ihrer Wiinsche und
Klagen und zur Berichterstattung. Ihr Schreiben1) ist ein
iiberaus interessantes Schriftstiick, lebendig und beweglich im
Ausdruck, durchsetzt von geistlichen Gedanken und Anschau-
ungen, ein Merkmal, wie die Lehren der neuen Kirche solche
Gedanken auch in den Biirgerkreisen volkstiimlich gemacht
hatten, fiir das Empfinden und Denken dieser Kreise ausser-
ordentlich bezeichnend, wenn anders man nicht annehmen
muss, dass der Brief unter Mitwirkung der damaligen glaubens-
l) Beilage I.
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- HI —
eifrigen Geistlichen, vor allem des Micronius, geschrieben ist.
In ihrem Sinne und nach ihren Lehren werden sie ohne Zweifel
geschrieben sein.
Es ist nicht bekannt, welche Aufnahme das Gesuch der
Armenvorsteher bei der Gr&fin gefunden hat. Einige Ver-
mutungen dariiber gestatten ' uns nur die Zustande 24 Jahre
spater, fiber die wir, wenn auch nur oberflachlich, durch
einige Briefe aus dem Jahre 1579 unterrichtet werden.1) Diese
Schriftstftcke haben freilich das Armenwesen der Stadt nicht
zum Hauptinhalte, sie gehoren eigentlich in einen ganz anderen
Zusammenhang, namlich in die konfessionellen Streitigkeiten
zwischen Lutheranern und Reformierten in Norden im letzten
Viertel des 16. Jahrhunderts. Da aber in einer Episode dieses
Streites das Gasthaus eine gewisse Rolle spielt, so enthalten
die jene Episode betreffenden Aktenstiicke auch Mitteilungen
iiber dieses und das Armenwesen iiberhaupt.
Bekanntlich brachen konfessionelle Zwistigkeiten in Norden
schon in den fiinfziger Jahren aus. Damals gelang es noch,
sie zu ersticken, aber zwei Jahrzehnte spater hub der Hader
von neuem an, heftiger und erbitterter, denn zuvor.2) Es kam
zu einer Trennung der Gemeinde. Die Reformierten vermochten
ihren Gottesdienst nicht oflfentlich in der Stadt abzuhalten, son-
dern besuchten die Kirche in Liitetsburg, wo Uniko Manninga
sie mit Freuden aufnahm. Der Zwiespalt wurde dadurch noch
starker, dass auch die damaligen Landesherren konfessionell
getrennt und unter sich uneins waren. Jede der Parteien fand
bei einem derselben Unterstiitzung, die Lutheraner bei Graf
Edzard II., die Reformierten bei Graf Johann. Die Verhaltnisse
wurden im ganzen Lande unertr&glich ; kein Mensch wusste,
woran er war, da die Befehle und Anordnungen des einen
Landesherrn durch den andern wieder aufgehoben wurden. In
den Norder Vorg&ngen tritt uns die heillose Verworrenheit der
ZustSnde anschaulich entgegen.
Mitte Oktobor 1579 erschien namlich der Sekretar des
Grafen Johann, Hilliger, in Norden und installierte im Namen
seines Herrn den reformierten Prediger von Liitetsburg, Heinrich,
') Beilage n, HI, IV.
') Wiarda, Ostfriesische Geschichte III, 133.
10*
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— 148 —
mit seiner Familie und Bedienung im Gasthause. Das Be-
ratungs- und Verhandlungszimmer der Armenvorsteher musste
ihm als Wohnung eingerichtet werden; er lebte auf Kosten der
Armen und schaltete mit den Materialien des Gasthauses nach
seinem Belieben, anfangs ohne Wissen, dann gegen den Willen
der Vorsteher, so dass die Armen sich dariiber klagend an
letztere wandten. Die Absicht des Grafen Johann war klar:
es sollte ein reformierter Gottesdienst in Norden eingerichtet,
dem reformierten Bekenntnis dadurch Raum zur Entfaltung ge-
boten und das Gasthaus fiir diesen Zweck benutzt werden.
In dem iiberwiegend lutherischen Norden erregte dieses Vor-
haben begreiflicherweise die grSsste Unruhe und Erbitterung.
Es ist hier nicht der Ort darauf naher einzugehen ; die Verh<-
nisse k5nnen nur erwahnt werden, insoweit dabei das Gast-
haus in Frage kam. Da dasselbe unmittelbar bei der An-
gelegenheit beteiligt war, so wandten sich die Armenvorsteher
wenige Tage nach dem erwahnt en Ereignis an den Grafen Johann
mit der Bitte, die Armen mit jenem „widerwartigena Prediger
zu verschonen. Dieser aber liess ihr Schreiben unbeantwortet.
Da sich jedoch inzwischen gezeigt hatte, dass das von dem
Prediger benutzte Zimmer im Gasthause fiir ihn und seine
Familie zu klein war, so befahl der Graf kurzer Hand den
Vorstehern am 29. Oktober, ohne im geringsten auf ihre Vor-
stellungen Rucksicht zu nehmen, dass die unterste Boene des
alten Klostergeb&udes zur Wohnung fiir den Prediger her-
gerichtet wiirde. Die Vorsteher waren dazu entfernt nicht ge-
neigt, ersuchten vielmehr den Grafen urn Zuriicknahme seines
Befehls (31. Oktober).
Mittlerweile war der Vorfall von der Norder Gemeinde
dem Grafen Edzard II. gemeldet worden, und dieser hatte die
sofortige Entfernung des Predigers aus dem Gasthause an-
geordnet (9. November). Doch weigerte sich letzterer zu
gehorchen, worauf ein neuer Befehl des Grafen erging
(29. November). Aber auch jetzt noch blieb der Prediger
bei seiner Weigerung, indem er sich darauf berief, dass
er im Dienste des Grafen Johann st£nde. Erst am 15.
Dezember wurde er gewaltsam aus dem Gasthause entfernt
und letzteres den Armenvorstehern wiedereinger&umt. *) Dies
>) Wiarda HI, 164.
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— 149 —
die ausseren Vorgange, in die die unten abgedruckten Briefe
hineingehSren.
Ftir die Verhaltnisse des Norder Armenwesens ergeben
sich aus diesen Schriftstticken die folgenden Tatsachen.
Die Mittcl waren auch nach 24 Jabren sehr beschrankt.
Man klagte, dass sie in Folge der Trennung der Gemeinde noch
beschrankter als frtlher waren, weil die sonntaglichen Kollekten
wegen des Fernbleibens der Reformierten durftiger ausfielen.
Da die jahrlichen Einnahmen sich jetzt auf 350 Gulden beliefen,
so waren sie zwar in Wirklichkeit etwas hOher als frtiher, aber
die Anforderungen an die Armenverwaltung waren gestiegen;
die Vorsteher klagen, dass die an die Armen zu leistende Htilfe
sich t&glich mehre. Insofern war allerdings eine Verschlechterung
der Verhaltnisse eingetreten. Verbessert hatte sich indessen
seit 1555 der Zustand der Gebaulichkeiten des Gasthauses. 1579
befand sich dasselbe nicht mehr in der alten Torfscheune, son-
dern in einem stehen gebliebenen Teile des Klostergebaudes,
wo in der untersten Boene (Stockwerk) die Zellen der Monche,
wie es scheint, zu Schlafstellen ftir die Armen hergerichtet
worden waren.1) Die Vorsteher hatten aber ausser den ver-
armten Einwohnern auch arme Schiller der seit 1567 neu be-
grttndeten Lateinschule aufgenommen und gew&hrten ihnen in
jenen Zellen ebenfalls Schlafstellen und Unterhalt.2) Sie selbst
hatten sich ein Gemach eingerichtet, in dem sie ihre Sitzungen
abhielten, sowie ihre Rechnungen, Register, Siegel und Urkunden
aufbewahrten.
Von Interesse ist noch die Tatsache, dass eine Zeit lang
ein frtiherer Prediger Aufnahme und Unterhalt im Armenhause
gefunden hatte, der daftir den Armen eine Predigt halten
musste nach seinem VermSgen, ein Umstand, der es den Armen-
*) Ein anderer Teil war 1556 abgebrochen und zum Bau eines
Zwingers der Burg in Aurich verwandt worden. Wiarda n, 354.
*) Graf Johann hatte 1575 angeordnet, dass armen Schulern Woh-
nang in dem zur Schule geschenkten Kloster, d. h. dem Dominikaner-
kloster, gegeben wurde. Daraus scheint nichts geworden zu sein; wol
aber zeigen die oben abgedruckten Briefe vom 17. und 31. Oktober 1579,
dass arme Schuler ins Gasthaus aufgenommen worden waren. Vergl.
Babucke, Geschichte des Kgl. Progymnasiums in Norden, S. 176—177,
dem ubrigens die letzte Nachricht entgangen ist.
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— 150 —
vorstehern noch besonders uberflilssig erscheinen liess, den vom
Grafen Johann im Gasthause eingesetzten Praedikanten daselbst
zu belassen.
So viel von dem Armenwesen der Stadt Norden auf Grund
der unten folgenden Briefe; seine weitere Entwickelung wiirde
uber den Rahmen hinausgehen, den sich diese Mitteilungen
gesteckt haben.
Beilagen.
I.
Die Armenvorsteher zu Norden an Anna, Grcifin von Ostfriesland,
1555, Januar 10.
Der edelen unde woelgeboerenn frouwe frouwe Anna
vann Oeldenboerch unde Delmenhoersst graevynne
tho Oesstfresslanth, weduwe, unsse aendechtyghe
gnedige frouwe.
Edele unde woelgheborenn gnedige frouwe, naechdem de
aelmechtyge ewyger god in alien laenden syne lythmaethen
Christi hefft unssz naeghelaeten, unde wy joe stedesz de sulven
lythmaethen Christi synth schuldich to underhoelden nae den
bevel unssesz hoechsstenn gadesz, soe de hylge schryfft daer
van ryckelych tugeth: waeth gy ene vann myne mynssten
doenn, jae daet doe gy my sulvesst etc., unde waer nu sulcke
upsycht unde oerdenynghe der lethmaethen Christi synth in
der gheme[wte] unde werden myth gaedesz hulpe flytygen
underhoeldenn, daer wyl de aelmechtyghe ewyghe god stedesz
wedder umme syne goetlycke szegenn unde gnaede aver sulcke
laende unde luyde laethen ersschynen, welcker oeck hyr in
juwer gnaden graevesscup tho Oesstfresslaennth, god loeff unde
daenck, woel tho gheyth.
Aenghesen dath soe voele ghebreckesz stedesz by den
armenn Christi bevoendenn werth, szoe geve wy foersstendereim
der armen Christi to Norden juwer gnaden demoeddychlycken
to erkennen der armen1) to Norden er noeth saeckenn unde
') d. a. vom Schreibcr ausgelassm und in dem ZwUchenraum zwischen
dieaem und dem vorhergehenden Absatze eingefUgt.
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— 151 —
begerrenn alle szaemtlyckenn voer ersst, juwer gnaden woelde
unssen clenen dennsst der armen unsz nycht to unguede aeff
nemenn.
Aemm ersstenn wylle wy juwer gnaden nycht bergenn, woe
daeth wy hyr to Norden in juwer gnaden laennde unsse armenn
foersstaenn unde underhoelden. Wy gheven daeth hele jaer
doer aelle frygdage ungheferlych 80 husszarmen eyn yderen en
punt boetteren unde en broeth van 5 punndenn desz wynthersz ;
oversst desz soemmersz gheve wy hen to 30 oeffte mer hussz-
armen eyn yder oeck soe foele, underwylen mer, underwylen
rayn, daernae dat koernn unde de hotter dar ysz. Daerto
underhoelde wy oeck unsse gaesthuss myth ytlycke kraenckenn
armen boergersz alsz ummthrennth 20, underwylen myn oeffte
mer, daernae alsz ydt god foegeth, myth koesst unde cleye(!).
Daerbeneven soe gheve wy ytlycke hussarmen desz soemmersz
2 foer toerffesz, ytlycke en foer, szummae hen to 30 foeren to,
aene waeth sze in unssen gaessthusze bedarven. Daerbeneven
soe gheve wy oeck ytlycke laeckenn myth juwer gnaden hulpe
alsz ungeferlich 8 laecken; hyrmede werden de hussarmen be-
cledet. Daerbeneven soe geve wy oeck ytlycke husshoelfe,1) waer
husszarmen vorsstorven synth. Daerbenevenn soe geve wy
oeck ytlycke kraenckenn, alsz arme kraemfrouwen unde arme
kynderkensz to baethe er aempthe to lerren unde ander
kraencke luyde, den en hyr en stuecke gheldesz, den ander
daer en stuecke geldesz. inth husz ghesenth nae ghelegenheyt
der armoeth, daernae dat unsz foele werth ghegeven. Summae
in allesz werth unsz foele ghegevenn, soe koenne wy oeck
ryckelych wedder gheven.
Oeck soe wylle wy juwer gnaden nycht bergen, waeth
renthe edder upkumpsst wy hyr to Norden hebben to unsse
mene armen, daer myth wy unsse armen wael soelden under-
hoelden (soe ydt wael moegghelyck wer), de doech cleyn ysz
tyegen sulcke groethe unkoessten, alsz de armen hebben, unde
szoe jaemmerlycke foele armen, alsz wy hyr hebben, unde
daegehelyckesz mer to faellenn, unde woelden oeck gernne van
der armen guder ghetroessteth syn.
l) So die Handschrift; vielleicM sind Rhusshoeltea (Sarge) gemeint
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— 152 —
Aem erssten soe hebbe wy van lannthrenthe 61 Emder
gulden unde bl/2 schap, wyss unde unwysse.
Daernae szo hebbe wy van warffrenthe 3072 Emder gulden,
ghewyss unde unwysse.
Daernae szo hebbe wy vann de gheltrenthe 49 Emder
gulden myn en halv schap, wyss und unwyss.
Daernae de Paessckenrenthe ysz toszaemen 80 Emder
gulden myn 8V2 schap, wyss un unwysse. Daernae de thel-
rennthe ysz toszaemenn 25 Emder gulden, faecken myn und
selden mer.
Daernae dat soendaeghesz ghelt in der kaercken ghe-
saemmelt, ysz toszaemenn 66 Emder gulden, wyss unde un-
wysse, daernae dat hyr foele foelckesz toer kaercken kumpth.
Desse voerghescreven renthe der armen beloepth jaerlixesz
300 Emder gulden unde 11V2 gulden, to 10 schap den gulden;
unde desse gemelten gulden werden unssz noch neth aelle be-
taelt, waenthe de ene ysz eyn arm ghesselle, unde de ander
ysz voerloeppen oeffte foerfaeren, unde de daerde ysz eyn
husszaerme unde1) kaen nycht geven, unde de ferde kaen wael
betaelen unde wyl neth. Hyrto wer wael ser van noeden, dat
unsse armen hadden eyn staerck maendaeth van juwer gnaden,
daermede de voersstenderenn2) de armen guder moechten voer-
maenenn, wanthe se unssen flyth weynnych achten, aelsszoe
dat wy noch nouwe 2x/2 hundert gulden ghewysse renthe aver-
kaemen koennen. Dewyle nu juwer gnaden eyn underychtynghe
der armen ghegevenn werth van der armenn upkumphft van
renthe unde van allesz (woe foergheroerth ysz), soe wylle wy
juwer gnaden oeck nych bergen, waertho wy desse armen renthe
bruecken und beleggen nae unssen bessten vormoegen.
Thoem erssten soe moethe wy jaerlixesz hebben to unsser
kaessten 200 Emder gulden ungheferlych, daervan de hussarmenn
uth der kaessten alle frygdaege werden spende geven dat hele
jaer dor, god loeff unde daenck (welcker eyn groeth goedlyck
werck ysz); unde wer wael groeth vann noeden, dat men de
spende voermerde myth gadesz hulpe unde gude luyde raeth;
l) u. doppdt gescliriebtn.
*) d. v. doppeU gewhrkben.
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— 153 —
oeck waeth jaemmersz unde wenensz unde clagensz wy moethen
horen *), waenner wy desse spende uthdelen, dat ysz erbarmme-
lyck tho horenn, wanthe de armoeth ysz soe groeth, unde wy
koennen se alle neth geven.
Wy moethen alle jaer hebben ungheferlich 4 laesst roeggen
to unsse mene armenn.
Wy moethen alle jaer hebben 9 faeth boetteren to unsse
mene armen.
Wy moethen alle jaer hebben 26 tunnen gaerssten to der
armen moeltkorenn.
Wy moethen alle jaer hebben to unssen gaessthusse 5 fetthe
koenn und 10 gulden to fyssck.
Wy moethen alle jaer hebben 8 fetthe swyne unde
10 laemmere.
Wy moethen alle jaer hebben to der armen furynnge 30
Emder gulden.
Wy moethen alle jaer hebben to der armen lynth tuech
30 Emder gulden.
Wy moethen alle jaer hebben 16 Emder gulden tho der
armen foergelt.
Wy moethen alle jaer hebben 30 Emder gulden to der
armen aemmpthluyde mede to voersoelden.
Wy moethen alle jaer hebben 20 Emder gulden voer ander
unkoessten.
Wy moethen alle jaer hebben 50 Emder gulden to laecken.
Hyrto hebbe wy2) van unssen gnedigen hern szaelyger grave
Edzaerth hoechmylder dechtnysse 30 gulden, aed 8 schap den
gulden, welcker ghemelten gulden syn gnade den armen Christi
to Norden ghegeven hefft to ewyghenn daegen nae syn gnaden
bevel (woe ick recht foersstaen hebbe); unde desse 30 gulden
hefft unssz de renthemesster alle jaer ryckelych behaendeth,
daen dyt jaer synth sze unsz nycht ghegeven; he secht oversst,
dat juwer gnaden wyl de hure sulven boerenn van de Greth.
Van der hure plaech he unssz de pennynge [to] geven. Unde
') tibergcBckrieben.
*) Hbergeschrieben.
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— 164 —
waeth oversst \vy mer geven, alsz der armen renthe beloefth, dat
kurampht her van dat unghewyssz, alsz waenner ener rycker
sterveth, de gyfft den armen en sumraae geldesz, de ander
beesste, de darde husse unde oeck aender tylbaer gueth. Dyt
sulve ysz eyn foerfael, waeruth wy mer geven, alsz de armen
renth strecken.
Desse pryncipael noeth stuecken der armen moethen wy
alle jaer to unssen menenn armenn hebben, unde noch foele
mer unkoessten, welcker juwer gnaden nycht alle dennth to
voorhaelenn; daenn unsse protecoel sael wael ryckelych voer-
melden, woe desse armen guder ghebruecketh werdenn, unde
waeth se1) jaerlyxesz voerteren, waer tho wy faecken moethen
voerleggen uth unssen buydel myth ein 60 oefft 70 gulden,
daernae dat eyn yder voermaeck. Hyrto moethe wy faeckenn
foele laessterwoerde hoeren, unde van foelen schelden unde
smaelen aver unssz her gheyth, waer wy de armen guder soellen
foerdengen nae unssen bevel. Myth waeth groethe moyge unnde
laesst wy de armen denen, ysz god bekaenth.
Oeck szo koenne wy juwer gnaden nycht berggen, waeth
en grothe laesst unde averloeppennth dat wy hyr to Norden
hebben van de armen, insunderheyt de fremmde armen, de
van buethen her indryngen. Wy geven em nycht gernne, aversst
wanner sze hyr eyn tyth laenck by unssz gewesst hebben, soe
maecken se ander gude borgeren uth, foer sze to bydden, unde
synnen eynnsz delsz in kraenncheyt gevaellen, eynsz delsz in
ander swaere ghebrecke: jae, leven foersstenderen, gy moethen
den unde den to hulpe kamen, dat he uth syner smerthe
kumpth. Ysz he eyn fremmdelynnck, wy moethen ghedencken,
dat wy aeltomaele froemdely[n]ge synth gewessen (alsz oeck
waersz ysz), daen wy geven em en mael edder 5 mael. Oversst
wanner se de spende hebben gheproeveth, szoe wyllen se neth
wedder wech, sunder daer by blyven unde lyggenn unsse armen
in den voerfaenck ; wy wyssen sze faecken wedder aeff, welcker
unssz swaerlyck ysz.
In desse voergerorthen oerdenynnghe der armen Christi
to Norden, soe juwer gnaden inth korssthe worth foergedragen,
') 8. iibergeschricben.
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— 155 —
waerin juwer gnaden maech erkennen, waerto unde myth
waeth wysse de armen guder werden uthghedelt, desz wy daen
joe voerhaepen aen, juwer gnaden werth eyn woelgevaellent
daer aen hebben, naechdem de almechtyge ewyge god hefft
ghegevenn sulck eyn cleyne rennthe to szo foele armodesz hyr
to Norden in juwer gnaden gravesscup to Oesstfresslanth, in
soe eyn aerm stedelyn oeffte flecke, daermyth sulcke eyn loeff-
lycke ordynanncie der armen werth ghehoeldenn, aengheesen dat
ydt aerme stedelyn Nordenn joe nen sunderlych foerfael edder
ander foertuen en hefft, daen foele mer armoedesz alsz rycke-
doemsz; wanthe unsse stedelyn Norden ysz wael soe hoech-
beroemmeth buethen juwer gnaden laendesz, daer god loeff
unde daenck joe foele gudesz van gesecht werth, daeruth daen
foele foersoeckesz warth unde alsszoe foele armoedesz inede
bryngheth.
Wyder geve wy foersstenderen der armenn Christi to
Norden juwer gnaden demoeddychlyckenn tho erkennen eyne
noethwendyge saecke, daer den armen insunderheyt groeth aen
ghelegenn ysz, soe men bewyssen kan1), angaende van der
armen gaessthussz, welcker hussz ytsundesz ser boufellych ysz,
wanthe de armen koennen daer neth lenger droegge under
lyggenn, unde unssz alle daege aver en hoep moechthe faellen,
unde den armen groethen marcklycken schaeden moechte to
kaemen, jae daer god moethe foer wessen, oeck ytlycke armen
moechten under to dode faellenn; desz wy sorge draegen, unde
wy wethen nenenn troesth, daermyt wy muechten sulck eyn
buwenth sturen, waenthe juwer gnaden ysz felychte wael-
bewusst, waeth eyn groeth, wyth, unbequemmlyck huss dat
ydt ysz, wanthe ydt hefft waendaegesz der moencke torffhuss
ghewesst; de armen hebben daer wael eynnen gudesz(!) plaesz
van hove edder tuyrne,2) daen dat groethe swaere huss daerby
ysz unssz nycht moeggelyck to bouwen. Hyrto were wy wael
chrysstylyck begeren van juwer gnaden, gy woelden unssz doech
juwer gnaden groethgunstygen raeth voerlenen, darmyth wy
szoedaenen huss moechten redden unde hoeldenn, waenthe ydt
ser noedych ysz. Schoelle wy soedaene huss bouwen, soe
*) tibergeschrieben.
*) So das Original; ob tdne (Garten)?
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— 166 —
moethe wy de kaesste 2 jaer oeffte 3 tosluethen unde den huss-
armen nycht geven, unde daerto schoelle wy 200 gulden up der
armen schaede nemen, desz wy nycht doen wyllen, ydt sy juwer
gnaden hoechgesste beveloerszaecke, dat men sporen maech,
waeth ydt wulde koessten al awer 400 Emder gulden. Oeck
soe hebben see daer eyn bruwhuss aen staen, welcker de
s[alige] aebbeth plaech to bruecken, und nu toer thyt wuesste
lycht, und nemaenth bruecketh; wanthe se hebben nen foelck
darmede to bessethen. Wy hebben den paeter Vyncennth daer-
urame begroeth und hebbent van em tor hure begert; daen he
woelde syck darup beraeden myth den erwerdyghen aebbeth van
Tenynge1); de raeth waesz, sze woelden ydt nycht myssten.
Dewyle nu de armen foele synth unde weynnych renthe hebbenn,
szoe koenne wy daer neth foele vann tymmeren. Soe were wy
wael demoeddychlycken van juwer gnaden begeren van wegen
unsse armen, juwer gnaden woelde doech den armen eyn
hussz edder eyn ander gave uth den cloesteren towyssen,
daermyth dat gaesthussz jaerlixesz underhoeldenn moechte
werden. Wanthe wy hebben foersstaen, dat ydt joe alle in
gadesz eeren ysz ghegeven aver ytlycke jaeren aellenth, waeth
de cloessteren hebben, woewael uth eyn myssbrueck, insunder-
heyt de predygeroerde, de doech van anfanghe hebben ghe-
beddelt to daeth oeffertorium, welcker voer den armen soelde
syn, unde sze daeruth en bedeleroerde oeffte cloesster hebbenn
gemaecketh. Soe weren wael de armen nae gadesz bevel eere
rechte arven tho dat oeffertorium. Summae in aellesz, wy be-
geren, juwer gnaden woelde doech ersstesz dagesz eyn fulmacht
stellenn, de aelhyr to Norden queme unde besege myth unsz
de gheleggenheyt van denn husse unde allesz, woe jaemmer-
lycken woennynge unsse armen hebben, alsz men sen maech,
unde fulmaecht maech juwer gnaden alszdaen eyn under-
rychtynghe geven van allesz, dat den armen noedych ysz.
Desse voerghescreven artyculenn der armenn Christi to Norden
begere wy foersstender umme Crysstus wyllen. Juwer gnaden
woelde ydt unssz joe nycht voer ungudt aeffnemen, wanthe ydt
synth alle gadesz szaecken unde nycht unsse. Unde wyllen
hyrmede juwer gnaden und juwer gnaden kynder saempth unssen
') Thedinga.
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,— 157 —
jungen gnedigen hern den aelmechtygen ewygen god bevaelen
hebben to ewygen tyden, de juwer gnaden unde juwer gnaden
kynnderen wyl in lueckszaelygen reymennthe unde in laenck-
wylyger ghesuntheyt wyl sparenen to der ewygen szaelicheyth,
amen. Datum Norden den 10. January anno 1555.
Juwer gnaden w. g.
diaeconi pauperi (!)
Original, Papier, ohne Siegel, im St.-A. Aurich.
Luyr Poellynck
Ulben Haellen
Johan Eylars
Hylwerth Kremer
■I.
Die Armenvorsteher in Norden an den Grafen Johann von Ost-
friesland. 1579, Oktober 17.
Wolgeborner grafe, gnediger herr, wy undergeschreven
e. g. undertanen, vorstendere der armen Christi zu Norden,
konnen obligenden amptes halven, umme unse gewissen zu
fryen, nicht lenger ummegeben, e. g. der armen not und andren-
gende beschwerunge klechlichen zu vermelden. Anfenklichen
dewyle e. g. gnediglich woll bewust, dasz wir zu vortbouwunge
der lateinischen scholen etliche arme scholer im gasthuse under-
holden, de hantreckunge unde zulage durch de (leider gades)
getrennede gemeinte zu Norden dachliches ja mehr vorringert,
der armen nothdruftige hu[l]pe sich averst dachlichs vormehret,
also dat wy kume platz genoch hebben, deselbigen zu beher-
bergen, geschwige den nottruftichlich zu underhalten. Js uns
baven zuvorsicht der Lutzborger predicant mit wieb und kinder
sampt sein gantz husgesinde vor weinig dagen durch e. g.
secretarium Hilliger ut der armen guter zu underhalten in-
gefuret, de unse kamer und gemach, dar wy der armen rech-
nunge, register, segel und brieve in verwarunge, ock unse bi-
samenkump8t wegen der armen haben, ingenommen; ock be-
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— 168 -
reit im anfange sich undernimpt, der armen guiter, holtz
und andere dinge sines gefallens ane unse furwissend zu
merchlichen schaden und nachteil der armen zu vertimmeren,
auch baven der armen disch mit wasser und ander vuilnissen
also zu regieren, dasz de arme ire spiese und trank ane seine
vorletzunge nicht mugen zu sich nehmen und geniessen, welches
de betrubten armen uns mit wenenden augen geklaget, und
wir solches e. g. henferner zu vermelden nicht lenger vorbergen
mochten. Dewile nu, gn. herr, de armen dieses prediger dienst
nicht bedarven, sunder van den ordentlichen predicanten der
kaspelkarcken Norden genuchsam werden bedenet, ock ehr vor-
mogent nicht is, denselbigen zu underhalten mit sinem ge-
sinde und also zu herschen lassen aver der armen guiter, wo
he sich undernimpt, angesehen der armen jarliche inkament
men alleine am de 31/2 hundert gulden ungefehrlich streckent,
ehr ock ein junger man und ergens eine ander kaspelkerke
in dieser grafschaft, dar men predigers bedarf heft, woll kan
bedienen, und also sinen koste gewinnen, dat he desselvige
mit merklichen vorderf und schaden der armen nicht bedarft
to socken. Und obwohl hiebevorn ein alder vorlameder armer
mann, de ehrtides ein prediger gewesen, ein jar oder 2 de al-
mussen im gasthuse genaten und na sinem vermogen sum-
tides den armen ein predige gedaen, darus mag ja nicht folgen,
dasz de armen solten verbunden sein, einen unnotigen predi-
canten mit wieb, kindt und husgesind zu underhalten. Bitten
derwegen gantz undertenichlichen, e. g. wollen de armen Christi
mit diesem widerwertigen prediger und sinen gesinde gnedig-
lichen vorsohonen und zu verbreidunge der lateinischen scholen,
ock underhaltunge derselvigen armen scholers de armen mit
salige suster Swanen nachlassenschaft und den gebrauch der
hofstede gnediglichen erfrouwen. Darvor werden e. g. ein
himmelsche belonunge bekamen, und de armen werden sulches
in gemein mit irem gebet zu dem hogsten got umb e. g.
dachliches vorschulden. E. g. gnedige negunge und grafliche
gemote jegen den armen hiruff undertenichlich erwartend.
Anno 1579 den 17. Octobris
E. g. gehorsame underthanen
furstender der armen Christi
zu Norden.
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— 159 —
Abschrift in Joachim Christ. Jhering's Auserlesener Extract
und auszng aus dem in der Noorder Pastorey zu Norden vor-
handenen und von M. Franc. Henr. Hoyero aufgerichten Parochial
und Kirchen-Archiv . . . 8. 107 — 110. St. Archiv Aurich, Mscr.
A. 93.
III.
Graf Johann an die Armenvorsteher z* Norden. 1579, Oktober 29.
Lieben getreuwe, dweil wir vorstehen, dasz in dem alten
kloester das underste gemach gar zu klein und ungelegen zu
der predige, als befehlen wir euch gnediglich, dasz ir die
underste boene darzu bequem lasset zurichten. Daran ge-
schicht unser meinung. Behrum am 29. Octobris anno 1579
Adresse : Unseren lieben getreuwen semptlichen vorstehren
der armen zu Norden.
Abschrift von J. C. Jhering in Auserlesener Extract usw. S. 111.
IV.
Die Armenvorsteher in Norden an Graf Johann von Ostfricsland.
1579, Oktober 31.
Wolgeborner gnediger herr, wy, e. g. undertenige under-
tanen und vorstender der armen to Norden. hebben den
17. October e. g. . . supplication wegen der armen Christi in
alle underdenicheit . . . e. g. schriver togestellet, darinnen
der armen . . . angetogen, wo die armen mit den Lutz-
borgischen predicanten beschwert, wy ut unse platze, der wy
unse bieinkumpsten, gespreck wegen der armen, ire breven
und seegel und registeren notwendigen holden und hebben
musten, utgedrungen werden na ferneren der supplicationis
inholt. Hebben nicht alleine gein antwort von e. g. bekommen,
sondern is noch den 30. Octobris ein bevelschrift von e. g.
behandet, dat wy den understen boene im gasthuse to ein
predighues bequeme solten verfertigen laten; waerup wy in
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— 160 —
alle undertenicheit e. g. unvermeldet nicht mogen laten, dat
dusse angemeldte boene voll cellen oder kameren, daerin die
armen scholaren und sunst etliche arme luide ehre slaepstede
hebben, also dat dieselbige kameren nicht allein mit merklichen
schaden der armen solten weggebrocken werden, sundern es
moesten oeck die armen schoeler (deren eine temelichen an-
zal dar ist) irer underholtung und slaepstede darsulvest im
gasthuse gantz und gar berovet sein, welches den armen gantz
beschwaerlichen, erbarmlichen . . . derwegen ungetwivelder
hopenunge sin, dat . . . welck e. g. mit gravelichen ripen . . .
ehnen, den armen christenen, to ere woenunge . . . genedig
verordent, in genen anderen ge . . . laten, sunder der armen
liideken und ... ere arme ruweplatzen . . . unverstoret laten.
Ock, g. herr, konnen wy e. g. undertenichlichen nicht bergen,
wo dat e. g. frundliche lieve broeder grav . . . dagen unsz
erenstlichen bevolen, soe enige . . . g. disfals utgebracht,
dat wy uns nichtes schulden . . . noch dem folge leisten . . .
gn. her mit bedroflichen gemoete erwegen, dat balde beide
unse gnedigen herren mit ungenade jegen uns muchten be-
wagen werden. Soe willen wie doch to e. g. als einen hoch-
verstendigen herren uns aller gnaden versehen, nicht twivelnde,
e. g. werden to gemoete voeren, dat uns armen undertanen
unmogelichen verscheidenen bevelichschriften gehorsam to
leisten, daer hiide van e. g. herr broeder dit, morgen van e. g.
ein anderes manderendt und bevolen. E. g. wollen oeck in
genaden erwegen, dat nicht unbilligers, noch ungotlichers
konne sin, dan den denaren, de mit schaden hoerer guederen
mit grote moyselicheit den armen Christi bedeenen, mit so-
danigen mandaten beschweren, welk se mit guder conscien-
tien unde ane merklichen nadeel der armen Christi nicht
konnen gehorsamlichen verrichten. Bidden derwegen aver-
mals, e. g. wollen den armen luiden und schoeleren hoere
schlaepstedekens unverandert gnediglich laten holden und unser
unschuld in gnaden annehmen. Solches werden de armen mit
hoere gebet . . . e. g. voerschulden . . . 1579 den laesten
Octobris.
E. g. underdenige gehorsame underdanen
de voerstendere der armen Christi to
Norden.
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— 101 -
Abschrift von J. C. Jhering in Auserlesener Extract usto.
S. 111—114, mit folgender BemerJcung: Diese supplication war
wegen Alter gerissen, daher einige Liicken sich hierinnen befinden.
II.
Mitleilungen Ober das Schiffswesen Ostfrieslands im XVI. Jahrhundert.
Von P. van Rensen, Sekret&r der Handelskammer in Emden.
»Wir wissen zur Zeit weniger von der Schiflfahrt unserer
Ahnen, als es sich zierat." Dieses Wort, das Gustav Freytag
in seinen Bildern aus der deutschen Vergangenheit mit Be-
ziehung auf die Hansa ausgesprochen, hat, wie ich glaube, auch
seine Berechtigung, wenn von der Schiffahrt der Bewohner des
ostfriesischen Kiistenlandes in alter Zeit die Rede ist,
Unsere Kunde von den Fahrzeugen, die im Mittelalter die
hiesigen Gew&sser befuhren, entstammt in der Hauptsache den
Nachrichten iiber kriegerische Unternehmungen der Hansast&dte
gegen die zahlreichen Seer&uber, die vor der friesischen Ktiste
ihr Unwesen trieben, sowie gegen die befestigten Hafenpl&tze
der ostfriesischen H&uptlinge, die den Seeraubern vielfach Zu-
flucht boten und sie nicht selten in den Fehden mit ihren
Nebenbuhlern verwendeten. So weit bei diesen Kriegsziigen
ostfriesische Schiffe in Betracht kommen, wird man wohl nur
an Fahrzeuge zu denken haben, die ftir gew5hnlich dem fried-
lichen Handelsverkehr dienten und bloss zeitweilig mit dem
ftir Kriegszwecke erforderlichen Angriffs- und Verteidigungs-
material ausgertistet worden waren. Zur Unterhaltung einer
standigen Kriegsflotte war in Ostfriesland doch wohl Niemand
im Stande.
Die sog. Emder Kontrakten-Protokolle (seit 1852 im Auricher
Archive), aus denen ich die nachfolgenden Mitteilungen fiber
das Schiffswesen Ostfrieslands im XVI. Jahrhundert geschdpft
habe, geben ttber kriegerische Unternehmungen, wie tiberhaupt
tiber grosse geschichtliche Ereignisse keinen Aufschluss. Siie
Jahrtmch d«r Goselltch. f. b. K. u. raterl. Altertflmer zu Ertden. Bd. XV. H
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— 162 —
bestehen hauptsachlich aus Kauf- und EhevertrSgen, sowie letzt-
willigen Verfiigungen und ahnlichen das Privatleben betreffen-
den Urkunden. Die in ihnen erw&hnten Fahrzeuge sind zweifel-
los in erster Stelle fiir den friedlichen Handelsverkehr benutzt
worden, obgleich auch sie ihrer n&chsten Bestimmung, wie die
Zeitverh<nisse nun einmal lagen, haufig genug untreu ge-
worden sein mflgen. In den Urkunden ist dartiber nichts ge-
sagt worden. Ich muss dieses hervorheben, urn von vornherein
anzudeuten, dass von meinen Mitteilungen lebensfrische Bilder
aus dem Schiffahrtsbetriebe und dem Schifferleben damaliger
Zeit nicht erwartet werden dtirfen. Auch ist aus den Kontrakten-
protokollen eine n&here Beschreibung der einzelnen Schiffsarten
nicht zu eutnehmen; und ich werde meinerseits eine solche
nicht zu geben versuchen. Es soil bloss hie und da dasjenige
eingeflochten werden, was ich dartiber sonst in der mir zu-
gangig gewesenen Litteratur gefunden habe. Ich habe meine
oft recht dtirftigen Notizen bloss aus dem Grunde so ausftihr-
lich gehalten, weil sie einen Blick tun lassen in die damaligen
Verh<nisse, die vor allem auch, was die Knappheit der baren
Geldmittel betrifft, in der Regel recht bescheidene waren.
Unter den Schiffen, die uns bei den vorerw&hnten hansi-
schen Kriegsztigen zu Anfang des XV. Jahrhunderts genannt
werden, nehmen sog. Koggen eine hervorragende Stelle ein.
Wir h6ren, dass die hansische Expedition gegen die auf dem
Emsstrome hausenden Seerauber vom Jahre 1400 elf Koggen
und einige Begleitschiffe mit insgesamt 950 Gewappneten urn-
fasste. Im Jahre 1408 mussten die Hamburger wieder mit
zwei Koggen und drei kleinen Schiffen, die 300 Gewappnete
an Bord hatten, auf der Ems erscheinen, und ihnen sind mit
drei Schiffen noch weitere 150 Mann nachgesandt worden.
Zur Ersttirmung der den Seeraubern als Zufluchtst&tte dienen-
den Burg Faldern musste Hamburg den Belagerern noch weitere
200 Mann zu Htilfe schicken. Auch unter der Flotte, mit der
es Hamburg im Jahre 1433 gelang, die Stadt Emden zum
Mittelpunkt seiner Herrschaft in Friesland zu machen, befanden
sich mehrere Koggen, von denen jede neben einer Schiffs-
besatzung von 28 Mann etwa 100 Schwerbewaffnete an Bord
gehabt haben soil. Kleine Fahrzeuge kSnnen das nicht ge-
wesen sein.
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— 163 —
In den durch mich eingesehenen Kontraktenprotokoilen
habe ich nur ein einziges Mai Koggen erw&hnt gefunden und
zwar beim Jahre 1559 (p. 237), wo ein Foppo Rewertz dem
Emder Biirger Gerrith van Norden ein „Koggenschip umtrenth
12 Lasten groeth wesende", fur 284 Gulden corr. verkauft.
Ich muss es dahin gestellt sein lassen, ob man ein Jahrhundert
friiher auch bereits Koggen von so geringer Grosse hatte, so-
wie ob die hier erw&hnte Kogge mit den zu den Kriegsztigen
benutzten von gleicher Bauart war. Die von mir nach-
geschlagenen Schriftsteller sind dartiber einverstanden, dass
„Koggena breite, rundliche Fahrzeuge waren, die trotz des
mangelnden Kiels eine gute Seettichtigkeit besassen. Man darf
somit bei dem durch Gerrith van Norden angekauften Koggenschiff
wohl eine gewisse Ahnlichkeit mit den noch jetzt von Scheve-
ningen zur Hochseefischerei benutzten Bomschuiten voraus-
setzen, die mit vollen Segeln auf den flachen Strand steuern, um
ihren Fang zu landen. Derartige Fahrzeuge waren ttbrigens auch
als Transportschiffe fiir die Beforderung von Landungstruppen
an unserer flachen Kiiste sehr wohl zu verwenden.
Foppo Rewertz bekam den Kaufpreis seiner Kogge nicht
bar ausbezahlt; es wurde vereinbart, dass die Kaufsumme
bis zum Jahre 1564 durch sechs j&hrlich um Michaelis f&llige
Terminzahlungen abgetragen werden sollte. Von Zinsen ist
nicht die Rede; es werden aber ftinfBtirgen gestellt, die s&mt-
lich die unbezahlten „penninghe als eigen schulth tho betaelen
angenomen hebben"; und der K&ufer stellt das Schiff und seine
sonstige Habe zum Unterpfande.
Foppo selber erfreute sich anscheinend eines grSsseren
Kredits. Zehn Tage sp&ter (p. 245) kaufte er von dem Emder
Biirger Gerth Backer zwei Schiffsparten, n&mlich V20 in ^Hermann
Mesmakera und V* in „Iseren Hindrich" und konnte sich aus-
bedingen, den Kaufpreis von 350 Gulden mit j&hrlich 25 Gulden,
also innerhalb der langen Frist von 14 Jahren, abzutragen, ohne
weitere Sicherheit als die der gekauften Schiffsanteile und
seiner sonstigen Habe anzubieten. Auch hier ist von einer
Zinsvergiitung nicht die Rede. Welcher Art die Schiffe waren,
von denen hier Anteile verkauft wurden, sowie ob die namentliche
Bezeichnung der Fahrzeuge auf diese selbst oder auf deren Eigen-
tiimer oder Ffthrer zu beziehen ist, muss ich unentschieden lassen.
11*
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— 164 —
An die Stelle der Koggen traten in der zweiten H&lfte
des XV. Jahrhunderts, wie wir aus den Nachrichten tiber die
hansischen Expeditionen wissen, sog. Kraffelen, cravele oder
caravel e. Heyse (FremdwSrterbuch) leitet das spanische Wort
Karavela oder Carabela, als Verkleinerung von caraba, welches
ein grosses Fahrzeug bezeichne, von dem mittellateinischen
Worte carabus = Meerkrebs ab und lslsst es in Spanien und
Portugal als Bezeichnung eines schnellsegelnden Schiffes tiblich
sein. In Frankreich bezeichne man damit kleine zum Herings-
fange dienende Schiffe und in der Ttirkei kleine Kriegsschiffe.
Nach R6ding (Wflrterbuch der Marine, Hamburg 1793) ist
Karavella ein portugiesisches Fahrzeug, welches lateinische
Segel fiihrt und 100—140 Tonnen laden kann. Vasco de Gama
soil sich ihrer zuerst in Indien bedient haben. Die franzSsischen
Karavellen sind nach ihm Fischerfahrzeuge von 12—15 Tonnen.
Auch die Fahrzeuge, die Columbus zu seinen Entdeckungs-
reisen benutzte, werden Karavellen genannt. Die vorhandenen
Abbildungen dieser Fahrzeuge zeigen vorne und hinten hohe
Autbauten bei geringem Freibord in der Mitte; nach den
Leistungen der ktihnen Entdecker mflssen sie aber doch ziem-
lich seetflchtig gewesen sein, jedenfalls waren es verhiltnis-
m&ssig gute Segler, da in des Columbus Tagebuch Fahr-
geschwindigkeiten von 15 italienischen Meilen oder etwa 11
Knoten angegeben werden.1) Ich komme auf die Bauart der
Karavellen spftter noch zuriick.
Fahrzeuge dieses Namens werden in den Emder Kontrakten-
protokollen der Jahre 1557, 1558 und 1559 auffallend oft er-
w&hnt. Ich muss aber zuvor noch auf einen Umstand aus
frtiherer Zeit zuriickgreifen. Beim Jahre 1537 (p. 766) erscheint
als Besitzer eines Hauses an der Nordseite der Schulstrasse
zu Emden ein „Clawes van Ossenbrtigge mitten Kravelea, der
in den beiden Jahren 1548 (p. 7) und 1551 (p. 289) einfach
„Clawes myt dat Kravhell" heisst. Beim Jahre 1539 (p. 945
u. p. 1141) finden wir einen „Johan mitten Kravele" als Mit-
vormund der Kinder von sal. „Clawes mitten Kravelea. Dass
die Entstehung dieses Namens urspriinglich mit dem Besitz
*) vergl. hierzu: Allgemeine Maschinenlehre von Dr. Moritz Riihl-
mann, Leipzig 1896, V. Band: Ruder-, Segel- und Dampfschiffe, S. 206.
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— 165 —
eines Kravelschiffes in Verbindung gebracht werden muss, ist
wohl zweifellos. In dem Testamente des Johan mit dat Kar-
viele vom Jahre 1559 (p. 292) findet sich dafiir insoferne eine
Bestatigung, als dessen VermSgen nicht bloss „Hues, Hoff,
Landt, Sandt" usw., sondern auch „Schepea umfasste. Zu
einer Zeit aber, wo der Besitz eines solchen Fahrzeuges in der
Stadt Emden als ausreichendes Unterscheidungsmerkmal ftir
die Tr&ger der so sehr h&ufigen Personennamen Johan und
Clawes gelten konnte, waren die Kravel- oder, wie sie meistens
genannt werden, Karvielschiffe daselbst schwerlich in grosser
Anzahl vertreten. Sp&ter ward der Name ein st&ndiger Erader
Familienname, der sich bis zum Jahre 1637 durch mich nach-
weisen l&sst. In diesem Jahre ward n&mlich Eltgen mit dat
Carveel, Tochter des zeitigen Ratsherrn Jacob mit dat Carveel,
unter die lidmaeten der evangelisch - reformierten Gemeinde
aufgenommen.
Auffallend ist immerhin, dass im Jahre 1557 (p. 16) erst-
malig in einem Kaufvertrage von einem Karvielschip die Rede
ist. Remmer van Esens hat dem Johan van Hasselte ein
solches verkauft, und auf den Kaufpreis hat Gerd van Geldern
als Btirge 177* Ridergulden bezahlt. Weiteres tiber Gr6sse
und Kaufpreis ist nicht angegeben.
1557 (p. 117) wird der Preis eines 6 Jahre alten Karviel-
schiffes von „16Lasten up 5 Voeth Waters" zu 330 Gulden brab.,
p. 137 derjenige eines solchen von 12 Last und 5 Fuss Tief-
gang „mit all sein thobehorige Reetschup" ebenfalls zu 330
Emder Gulden zu 10 sch., und endlich wird (p. 145) fur ein
Carfelschip von zirka 15 Lasten der Preis zu 200 Karolsgulden
angegeben. Diese drei Notizen, die wohl zu einigen Fragen
Anlass geben kSnnen, verdanke ich den Aufzeichnungen des
sel. Rektors de Vries, der sich weitere Einzelheiten nicht
notiert hatte.
1558 (p. 30) verkauft Jacob Pieters dem Emder Btirger
Peter Wandscheer ein „Karvelschip van 16 Lasten groot" ftir
360 Gulden zu 20 Stbr. brab. Die H&lfte des Kaufpreises ist
bar bezahlt, die andere H&lfte soil in zwei Terminen bezahlt
werden; das Schiff bleibt dafiir verpf&ndet.
1558 (p. 75) verkaufen Gerdt Smit in „de S16tela und
Gerdt Smit „by dat Karkhoffa dem Johan Pricker ein halbes
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— 166 —
Karvelschip fiir 205 Gulden zu 10 sch. Ihr Bruder bezw.
Schwager Abel Smit hat den Schiffsanteil ehemals unter ihrer
Bilrgschaft gekauft, aber nicht bezahlt; sie sind fiir den Kauf-
preis in Anspruch genommen und darauf durch Erkenntnis von
Biirgermeister und Rat in den Besitz des Kaufobjektes ein-
gesetzt worden. Verkaufer haben „dat vorgenante Part Schepes
up alle Havinghe unnd Strome vry verdich tho leveren be-
laveth", also gegen Ansprilche dritterGewS.hr zu leisten. Otto
Smit, der Eigentttmer der anderen Halfte des Schiffes, iibertrug
solche dem Frerich von Aurich far 185 Gulden zu 10 schap.
Weshalb diese letzte Uebertragung „uth bevel consulis Med-
manni", d. i. des Bilrgermeisters, geschah, ist nicht ersichtJich.
Der Kaufpreis, der in beiden Fallen erst nach drei bezw. vier
Jahren zu zahlen war, betrug fiir das ganze Schiff also 410
bezw. 370 Gulden.
1558 (p. 96) verkaufte Otto Kannegeter dem Mense Hayncks
van Werdenn uth Esenner Gebede ein halbes Karvellschip zu
15 Lasten Grosse fiir 150 Gulden zu 10 sch. Der Verkaufer
besitzt das Schiff gemeinsam mit Johann van Esens und hat
es selbst eine Zeitlang gefuhrt. Es scheint, dass diese Art
Fahrzeuge meistens im Besitze zweier Personen war und
von beiden Partnern gemeinsam befahren wurde.
1558 (p. 137) verkauft Sybranth Deddens van Oesterzehe
dem Thies Jacobsen, zu Lewerden wohnhaf t, sein halbes Karveel-
schiff, ungefahr 12 Lasten gross, fiir 228 Karollsgulden zu 20
stbr. brab. Bedingung ist, dass der Verkaufer, falls er nicht
selber mitfahren wolle, „in seine stede ein ervarenn Knecht
substitueren moeghea. Der Kaufvertrag war also zugleich ein
Dienstvertrag ; denn wenn der Verkaufer verpflichtet war, event,
fiir sich einen Ersatzmann zu stellen, so ist anzunehmen, dass
er fiir seine Arbeiten an Bord nicht besonders bezahlt wurde.
Der Verkaufer musste ferner dafiir garantieren, dass das Schiff
nicht wegen Anspriiche Dritter irgendwo angehalten werde.
Es heisst namlich: „Sall ock Sybranth up alle strome und
Havenn nha Schepesrecht dath vorgemelte Schip gueth-
warenth wesena.
1558 (p. 151) : Daniel Sywertz verkauft dem Hans van
Emeke ein halbes Karveelschip „ungeverlich by 25 Lasten
groeth, „die Rode Lewea gehetena, fiir 310 Gulden zu 10 schap.
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— 167 —
Der Kftufer zahlt 50 Gulden bar und hat den Rest bis Michae-
lis 1560 in drei Terminen zu zahlen. Von den gestellten
Biirgen zahlt Hermann Arendes am 31. Dezember 1560 von
den noch unbezahlten 100 Gulden den halben Betrag, und
Daniel bescheinigt den Empfang, zugleich Hermann „van
seine borchtucht qwyterende". Die Saumigkeit des Schuldners
ist vielleicht auf seine Unsoliditat zurtickzufiihren. Er ist
namlich wahrscheinlich identisch mit dem Hans van Emeke
up Valdern, gegen den nach dem Emder Kirchenratsprotokolle
vom 17. Januar 1558 wegen Misshandlung seiner Ehefrau die
Kirchenzucht ausgeiibt wurde.
1558 (p. 165) kauft derselbe Daniel Sywertz von Johan
Timmermann buten die Valderporte, also wohl einem Schiffs-
baumeister, fiir die Summe von 380 Gulden ein anderes „Karveel-
schip van 20 Lasten ungeverlichtf. Er zahlt 200 Gulden bar und
verspricht, indem er das Schiff und „vorth sein allinghe guedere
tho ein express Hypoteek" bestellt, die iibrigen 180 Gulden um
Michaelis 1559 „deger unnd woll sunder enige wedderrede fry
schadeloss geldt" zu bezahlen. Wohl infolge des Ausbleibens der
Abschlagszahlung, die Daniel um diese Zeit von dem K&ufer seines
Anteils im Schiff e „de Rode Lewea zu beanspruchen hatte, ist
er dazu nicht im Stande. Wir erfahren n&mlich, dass Hans von
Emick erst am 29. Januar 1560 den noch ausstehenden Rest
des Kaufpreises zu 100 Gulden fur Daniels Rechnung einzahlt.
1558 (p. 169) verkauft Garleff Mailer tho Lier (d. i. Leer)
dem Emder Burger Meus Kindt ein Karveelschiff von 10 Lasten
fiir 245 Gulden zu 10 sch. K&ufer zahlt 60 Gulden bar und
stellt fiir den Rest des Kaufpreises 7 Biirgen, von denen 5 fiir
je 27 Gulden und 2 fiir je 25 Gulden haften. Die Vermogens-
verh<nisse des K&ufers scheinen nicht besonders gut gewesen
zu sein. Von friiher her (1558 p. 64) schuldete er dem Hinrich
Herkes „van geschepede penninghe, ock van vordeenth Loena
15 Daler. Letzterer hatte wohl bei dem Meus gefahren und
ihm zum Ankauf seines Schiffes Geld geliehen. Auch scheinen
bei den Zahlungen fiir das neuerdings angeschaffte Karvielschiff
die Biirgen mit in Anspruch genommen zu sein. Wir erfahren
1560 (p. 821), dass zwei derselben 36 Gulden, die sie von einem
Dritten eingezogen hatten, an Garrelt Moller auf die riick-
st&ndige Summe entrichteten. Meus wird in dieser letzteren
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— 168 —
Urkunde als „unse gewesene Borger" bezeichnet, hatte also in-
zwischen seinen Wohnsitz von Emden verlegt.
1559 (p. 229) verkauft Johann Lambertz van Leiden, jetzt
zu Emden wohnhaft, dem Emder Bflrger Fye van Awrich fur
250 Gulden zu 10 sch. ein halbes Karvelschiff „groet wesende un-
geverlich 6 brow Biers". Unter brow (auch bruw, bruwede, bruwel,
bruwelse) = Brau ist die Menge Bier zu verstehen, die auf ein-
mal gebraut wird. Schiller und Liibben fiihren in ihrem WSrter-
buche eine braunschweigische Urkunde an, nach der zu einem
bruwelse Bier nicht raehr als 4 Scheffel Malz genommen
werden durften. Ferner erwahnen sie aus einer Hamburger
Chronik zwei sog. Bojer, „die jder mit 5 bruwel berstt beladen
waren. Der im Jahre 1725 erschienene Arithmetische Ged&cht-
niss-Spiegel des Auricher Kantors Jost Ihnen giebt 1 braute
Hamburger Bier zu 30 Tonnen an. Rechnet man die Last Bier
zu 12 Tonnen, so ware das in unserer Urkunde erw&hnte Schiff
15 Last gross gewesen.
Ein 1559 (p. 255) von dem Emder Bflrger Johann Dirkz
an seinen Mitbilrger Hermann Stuteneter verkauftes Karviel-
schiff von etwa 14 Lasten Gr5sse brachte 470 Gulden zu
10 sch. auf.
1559 (p. 259) verkauft der Emder Bttrger Johann v.
Esens dem Jiirgen van Aurich die Halfte eines Karviel-
schiftes, dessen Grosse nicht angegeben ist, ftir den Preis von
158 Gulden. Vielleicht war es dasselbe Schiff, dass Johann
nach der fniher erw&hnten Urkunde (1558 p. 96) gemeinsam
mit Otto Kannegeter besessen hatte. Letzterer verkaufte seine
HSLlfte fur 150 Gulden. Johan v. Esens kauft nach der Urkunde
vom Jahre 1559 (p. 259) gleichzeitig von seinem Mitbiirger Wibbe
Jacobzen ein KarvielschifT von 14 Lasten fur 237 Gulden zu
10 sch. Er iiberweist dem Verk&ufer die durch drei „rechte
warborge" sicher gestellten, ihm selber bis Ostern 1561 durch
Jiirgen v. Aurich in drei Terminen zahlbaren 158 Gulden. Die
ferneren 79 Gulden soil er dem Wibbe an den beiden n&chst-
folgenden Michaelistagen je zur Halfte entrichten.
1559 (p. 264) verkauft der Emder Burger Willem van Utert
dem Allert van Jever ein KarvielschifT von 15—16 Lasten fiir
565 Gulden. Der K&ufer beurkundet, dass er das Schiff „mit
seine Uthrtistinge als idt Sewarth gevarena empfangen habe
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— 169 —
und den Kaufpreis in vier bis rVastelavenda 1662 sich er-
strcckenden Terminen bezahlen wolle Seine Frau Wibbeko
stellt daftir eine von ihrem Vater geerbte Kammer „up die
Butfenne" zum Unterpfande.
1559 (p 269) kauft der Emder Burger Herman Backer von
dem uns schon oben als Verkaufer einer Kogge bekannt ge-
wordenen Foppo Rewertz ein Karviell von 16 Lasten GrSsse
fur 450 Guld. corr. zu 10 sch. Kaufer zahlt ein Drittel des
Kaufpreises bar und verpflichtet sich, unter Btirgschaft des
Junge Johan van Amsterdam, die beiden anderen Drittel Licht-
mess 1560 und 1561 zu zahlen. Ihm stellt aber der Verkaufer
seinerseits wieder einen Bttrgen in der Person des Berenth
Habben, der daftir haften will, dass das Schiff „up alle Havene
unnd Strome na Schepes (ausgelassen : Recht) vry verdich vor
Jdermannichliche Anspraketf geliefert werde. Mit dieser Bttrg-
schaft muss wohl einiges Risiko verbunden gewesen sein, denn
es (ibernehmen Cornells Gerritz und Tonnis Huegen die Rtick-
biirgschaft, indem sie erkl&ren. nals getrouwe waerborgea ftir
alien Schaden aufkommen zu wollen, den Berenth Habben oder
seine Erben aus der Burgschaft fur Foppe erleiden mSchten.
Die Lieferung eines verkauften Schiffes ging nicht immer
glatt von statten. 1559 (p. 275) wird der Emder Btirger Johann
van den Grave von Thomas Kock Engelsmann und cons, be-
vollm&chtigt, „kegen und wedder Herman Hoykena, der ihnen
ein Schiff verkauft, aber nicht geliefert hatte, „mit Recht oder
Frtintschup" vorzugehen. Auf der anderen Seite hatte der Ver-
kaufer eines nicht sogleich bar bezahlten Schiffes neben den
finanziellen Verhaltnissen des K&ufers auch noch andere ins
Auge zu fassen. Als 1559 (p. 273) Johan van Diepholt von
seinem seitherigen Partner, dem Herman van Ruill (oder van
Ruele, wie er 1561 genannt wird), die zweite H&lfte des ihm
bereits zur H&lfte gehSrigen Karvielschiffes ftir 140 Gulden zu
10 sch. kaufte, musste er ftir den im Januar der beiden folgen-
den Jahre je zur H&lfte zahlbaren Kaufpreis neben dem Schiffe
unter Zustimmung seiner Ehefrau auch sein Haus und Gut
verpf&nden. Der Verkaufer hat sich die grossere Sicherheit
wohl aus gutem Grande geben lassen. Hans van Diepholt
konnte namlich ftir einen an Symon Sygers thom Delfzyl be-
gangenen Totschlag verantwortlich gemacht werden. Vielleicht
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— 170 —
hat van Ruele, der Verkaufer, es auch veranlasst, dass dariiber
eine Stihne zu Stande kam. In einer Urkunde vom Jahre 1560
(p. 589) wird auf Erfordern des Hans van Deffholt durch den
Btirgermeister M. Petrus Medman und Johannes Witte ein-
bezeugt, dass Hans sich wegen des an dem Erschlagenen be-
gangenen „Ungeluka mit dessen Kindern versohnt und den
Vormiindern derselben das Stthnegeld bezahlt habe. Diese
haben vor dem genannten Btirgermeister „aller Ansprake vor-
latunge gedaen" und Hans des Unfalls halber far ewige Zeiten
freigegeben. Im Jahre 1561 quittiert van Ruele far den ganzen
Kaufpreis.
1559 (p. 366) verkauft Sywert Albertz, Burger zu Amster-
dam, dem Emder Bflrger Dirck Wantscheer ein neues Karviel-
schip „mit sein thobehoff, 15 oft 16 Last Roggen groeth seiende"
fur 514 Gulden zu 20 stbr. brab. Der Kaufpreis soil Pfingsten
1560 und 1561 jedesmal mit 257 solcher Gulden „binnen Amster-
dam ane Sywertz Schaden", also franko, bezahlt werden. Der
K&ufer stellt far die eine H&lfte den Emder Burger Johan
Roleffs, der selbst Schuldner sein will, zum Btirgen, als „rechte
waerborge" ; ftir die andere Halfte verbiirgen sich Dirck Gerdes
und Mette Pannebackers. Diese beiden haben ein Schiff von
Dirk Wantscheer gekauft und sollen die riickst&ndigen
Termine dagegen „affslaen moegenn". Es ist wohl dieses
letztere Schiff gewesen, welches Dirk Wantscheer und seine
damalige Frau Anna im Jahre 1558 (p. 52) dem Johan van
Lingen ofte Duerkoep ftir ein von diesem empfangenes Darlehn
von 400 Gulden zu 10 sch. mit noch 5 Grasen Landes in
Valder Hammrich verpfandet haben. Dirk Wantscheer war
nicht etwa Tuchwirker, wie sein Name besagt, sondern Schiffer.
Als er sich in zweiter Ehe mit Swaneke, der Tochter des Johan
Northmoer verheiratete, ward in dem 1560 (p. 651) eingetragenen
Ehevertrage das eingebrachte VermSgen des Mannes auf 350
Gulden bar und 100 Gulden, „de he in ein Schip, dat he sulvest
voereth, betaleth" angegeben. Dass er bis dahin auf das an-
gekaufte Schiff nicht mehr als 100 Gulden angezahlt hatte, hing
wohl damit zusammen, dass er den Ankauf eines Hauses
plante. Wir erfahren n&mlich aus einer Urkunde vom Jahre
1561 (p. 143), dass er von Mamme von Esens ein Haus in der
Dykstrate far 1000 Gulden zu 10 sch. gekauft hat. Auch hier
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— 171 —
wird bloss eine Anzahlung von 200 Gulden gemacht, und fttr
den Rest werden acht j&hrliche Abschlagszahlungen von je
100 Gulden vereinbart.
1559 (p. 525) verkauft der Emder Biirger Hillebranth Jeger
seinem Mitbftrger Jiirgen Wechter ein neues Karvielschiff mit
seinem Zubehflr, so wie Hillebranth es selbst ausgeriistet hat.
Der Kaufpreis betr> 355 Emder Gulden zu 10 sch. nebst
einem dem Verk&ufer schon iibertragenen Schiffsanteil, n&mlich
„ein Vierdeparth Schepes in einem „Boyera, den Clawes
Tamesen itzund foreth". Boyer habe ich sonst in den Kon-
trakten-Protokollen nicht erw&hnt gefunden, obgleich diese
Fahrzeuge sich als Tonnenboyer noch bis zur Neuzeit erhalten
haben. Fiir die Tonnenlegung scheinen sie nach den Mittei-
lungen des Vereins fur Hamb. Geschichte Jahrgang 1885 p. 117
schon im 15. Jahrhundert benutzt worden zu sein. A/,Nach der
ebendaselbst gegebenen Beschreibung sind es kleine einmastige
Fahrzeuge gewesen, die urspriinglich bloss ftir die Kilstenfahrt
bestimmt waren. Deswegen ist es auch in Hamburger Chroniken
als ein unerhortes Wagnis bezeichnet worden, dass im Jahre
1525 ein Hermann Evers auf einem Boyer mit einem Smak-
segel nach England und weiter gefahren sei. Bojer wurden
iibrigens auch mit Kuttertakelung, d. h. mit einem Grossmast
und einem kleinen Besahnmast, ausgestattet1) und im Seekriege
verwandt. Wir erfahren, dass im Jahre 1535 ein Tonnenbojer
mit zwei Ewern ausgesandt wurde, um Seer&uber einzufangen.
Im Jahre 1547 sandte Hamburg (wie oben p. 118) zum Entsatz
der vom Herzoge Erich von Braunschweig belagerten Stadt
Bremen sieben Bojer auf die Weser, wie denn auch schon an dem
im Jahre 1525 auf der Osterems stattgefundenen Seegefechte
mit den Freibeutern2) auf Hamburgischer Seite zwei Smack-
bojer beteiligt waren.
Auch noch in spaterer Zeit wurden, wie wir aus anderen
Quellen wissen, Bojer als Kriegsfahrzeuge auf der Ems benutzt.
In der Geusenzeit liess Graf Edzard zu gleicher Zeit drei grosse
Boyer zu je 70 Lasten in Emden und vier andere in Norden
und Greetsiel ausriisten, auf den drei grOsseren Fahrzeugen
*) vgl. Wislicenus, Deutechlands Seemacht, S. 47 ft
*) Klaus Kniphof, vgl. Wiarda m. 321.
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— 172 —
sollen sich 200 Mann befunden haben 3) Gegen den Freibeuter
Douwe Glins wurden im Jahre 1570, von Greetsiel aus, 2 Bojer
und vier kleine Schiffe, die zusammen 100 Mann Besatzung
hatten, ausgesandt. Ich will hier noch erw&hnen, dass der in
den Baltischen Studien (45. Jahrg, S. 310) erw&hnte Ritter
Lupoid von Wedel, der im Jahre 1578 in Begleitung eines Arztes
Bernhardus Paludanus aus Friesland, vielleicht eines Verwandten
des im Jahre 1561 (p. 60) in Etnden ans&ssigen Johann Palu-
danus, eine Reise nach dem Heiligen Grabe unternahm, im
Jahre 1584 nauf einem Schiffgen, so zu Amsterdam daheim
und ein „boggerta genannt wurde", von Hamburg nach Amster-
dam fuhr.
Auch Karvielschiffe sind in der Geusenzeit auf der Ems
vielfach als Kriegsschiffe benutzt worden. Sie scheinen aber
tiber das eigentliche Flussgebiet nicht weit hinausgegangen
zu sein.
Ich komme auf die Bauart dieser Schiffe zuriick. In
einem Vertrage vom Jahre 1559 (p. 265) verpflichtet sich der
Emder Biirger Johan Stipel, seinem Mitbtirger Wibbe Jacobsen
fur die Summe von 390 Gulden zu 10 sch. ein „Holl Schepes
Karveelswark vry verdich tho leveren". Diese Urkunde ist in
mehrfacher Beziehung interessant. Zu beachten ist zunachst,
dass ein „scheepshola Gegenstand des Lieferungsvertrages ist;
scheepshol ist aber sowohl nach holl&ndischer als nach hiesiger
Ausdrucksweise der blosse Rumpf eines Schiffes ohne Takelage.
Es ergiebt sich hieraus die interessante Tatsache, dass der in
den sechziger Jahren des XIX. Jahrhunderts in Emden, wie
tiberhaupt an der Ems noch herrschende Brauch, mit dem
Schiffsbaumeister bloss iiber die Lieferung des kahlen Schiffs-
rumpfes ohne Eisenbefestigung usw. zu kontrahieren, bereits im
Jahre 1559 in Emden bestand. Ferner ist der Ausdruck „Karveels-
warka zu beachten. Ich mSchte denselben dahin verstanden
wissen, dass der Rumpf nach Art der Karvielschiffe gebaut
werden soil. Wenn ich nun den heutigen Sprachgebrauch in
Betracht ziehe, wonach der karveelartige Bau eines Schiffes
darin besteht, dass die Planken der Aussenhaut scharfkantig
aneinandergelegt und die Nahte durch Kalfatern gedichtet
») vgl. Jahrbuch XI, S. 310 ff.
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— 173 —
werden, so glaube ich annehmen zu dlirfen, dass diese Bauart
zuerst bei den Karvielschiffen zur Anwendung gelangte und von
ihnen ihre Bezeichnung bekommen hat. Sie ist in der Folgezeit
bei den holzernen Schiffen derartig zur festen Regel geworden,
dass eine entsprechende Vorschrift aus den Baukontrakten jetzt
ganz geschwunden ist. Ob damit auch der sp&tere Nicht-
gebrauch des Gattungsnamens „Karvielschiffea in Verbindung
gebracht werden muss, lasse ich dahin gestellt sein. Vor-
stehende Ausftihrungen wurden der Begrundung entbehren,
wenn Johann Stipel, der die Lieferung eines karvielartig ge-
bauten Schiffsrumpfes ubernahm, nicht Schiffsbaumeister ge-
wesen ware. Dafiir ist aber aus den Kontraktenprotokollen
der Beweis zu erbringen. In seinem Ehevertrage vom Jahre
1559 (p. 351) giebt ein aus Edam gebiirtiger Johan Claesen
an, dass er mit Johan Stipel zusammen Schiffsbauholz aus dem
„Busch by Meppen gekoft, darann hie vor sein parth 800 Gulden
tho 10 sch. sein huesgerath darmit ingerekent, angelecht" habe.
Ferner erklaren in einer Urkunde vom Jahre 1560 (p. 714) sechs
Personen ftlr sich und ihre Mitreeder in Johan Bouwens Schiff,
dass Johan Stipel ihnen dieses Fahrzeug, ein Karvielschiff, far
516 Gulden „tho dankea, also zu ihrer Zufriedenheit geliefert
habe. Wie dieser Ausdruck auf einen von Stipel ausgefuhrten
Neubau schliessen l&sst, so steht auch nichts im Wege, ihn
auf die Lieferung des blossen Rumpfes zu beziehen. weil der
Preis von 516 Gulden fiir ein Schiff, das einer Reederei von
mehr als sechs Teilhabern gehoren sollte, doch sonst zu gering
erscheinen wilrde. Die Urkunde wirft auch einiges Licht auf
das damalige Rechtsverh<nis der Mitreeder eines Schiffes
unter sich und zu einem Dritten. Sie gew&hrt n&mlich dem
Baumeister Johann Stipel die Berechtigung, nach seinem Be-
lieben zwei der Reeder fttr den ganzen Baupreis zur Verfallzeit
in Anspruch zu nehmen, „de vor denne andere alien sich des-
falls obligieren, und erne desuluige (d. i. die Schuldsumme)
tho verschaffen angenomen. Doch dat de andern Mitverwandten
densuluigen von alien Schaden tho releveren beloven". Eine
Mehrheit von Mitgliedern hat also unter Eingehung von Solidar-
haft den Vertrag vollziehen mtissen; und ich mochte daraus
folgern, dass sich das Institut der Korrespondontreeder in da-
maliger Zeit noch nicht so herausgebildet hatte, wie wir es
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— 174 —
heute kennen. Leider ist in den beiden vorerwahnten Lieferungs*
vertr&gen die GrGsse der Schiffe nicht angegeben. Zu der Zeit,
als der Bau holzerner Schiffe hier noch in voller Bltite stand,
berechnete man den Kostenpreis eines seefertig ausgertisteten
neuen Schiffes, indem man zu dem Baupreise des Rumpfes, den
der Schiffsbaumeister zu empfangen hatte, noch eben so viel
hinzuz&hlte. Wendet man diese Praxis, auf die ich spater
noch zurtickkomme, auf die hier vorliegenden Daten an, so er-
geben sich als Baupreis filr das fertige Schiff im ersten Falle
780 und im zweiten Falle 1032 Gulden. Nach Massgabe des
in der bereits erwahnten Urkunde 1559 p. 366 fur ein neues
ganz fertiges Karvielschiff von 15 bis 16 Roggenlasten an-
gegebenen Preises von 514 Gulden wtirde die Gr6sse der beiden
oben erwahnten Schiffe sich auf etwa 24 bezw. 32 Lasten
stellen. Von einem grSsseren Karvielschiffe ist in den Kontrakten-
Protokollen bloss 1558 p. 156/57 die Rede, wo Sywert Brogel-
man in Emden und seine Reeder ein solches von 76 Last
Roggen GrSsse, 4 Jahre alt, filr 1525 Gulden zu 20 stbr. brab.
an Godeke Tylber in Bremen verkauften. — Ich kann diese Aus-
ftthrungen iiber Karvielschiffe nicht schliessen, ohne daran zu
erinnern, dass auch ein mit der Abbildung eines dahinsegelnden
Einmasters und der Inschrift „Dit is int kreveel anno 1590a
versehener Sandstein am Giebel eines Packhauses in Emden
(Comp. 1 N.52 = Pelzerstrasse N. 56) die Kunde von den Karviel-
schiffen auf unsere Tage gebracht hat. Es ist wohl moglich,
dass dieses Geb&ude seine Bezeichnung einem Nachkommen
des oben erw&hnten „Johann mit dat Kalviella verdankt, der
nach der Urkunde aus dem Jahre 1561 p. 25 in der Flaken-
strate, also in dem unteren Ende der Pelzerstrasse, ein Haus
besessen hat. Vielleicht war es Berendt int Kraveel, der unter
den im Jahre 1589 gew&hlten Vierzigern der Stadt Emden ge-
nannt wird. Sollte ist auch der plattdeutsche Ausdruck, „dat
is een krawelle gasta, womit man einen anspruchsvollen,
rucksichtslosen Menschen bezeichnet,1) mit den Karvielschiffen
in Verbindung zu bringen sein?
Dem kraveelartigen Bau der Schiffe steht die heute
fast nur noch bei Bdten angewandte Klinkerbauart gegen-
*) Einen „Krawallmacher"?
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— 175 -
tiber. Diese besteht darin, dass die Bretter der Aussen-
haut nicht scharfkantig nebeneinander, sondern schindel-
massig aufeinander gelegt und durch Klinkbolzen befestigt
werden. Es ist anzunehmen, dass diese Bauart gewissen Fahr-
zeugen den Namen gegeben hat. In einer Urkunde vom Jahre
1557 p. 30 ist von einem Schiffe die Rede, „ein Klinckardt
wesende" 3 bis 4 Jahre alt, von 100 Last „Danziger maethe".
Bei einem Schiffe dieser Grosse wird man sich das Ueber-
einanderliegen der Planken wohl in der Weise zu denken haben,
dass die einzelnen Bohlen je mit ihrer halben Starke oder
schr&g auf einander gelegt waren. Ausser dem hier erwahnten
Falle habe ich Klinkerschiffe in den Kontrakten-Protokollen der
fraglichen Zeit nicht gefunden. Man begegnet ihnen jedoch
h&ufig in anderen Geschichtsquellen, in denen von Seekriegs-
ziigen und von der Schiffahrt im Allgemeinen die Rede ist.
Aus dem Vorhandensein einer Schuitemakerstrasse, die
zu Anfang des XVII. Jahrhunderts auch „Schuitemakersgang bi
de lienbaan" genannt worden zu sein scheint, sowie aus der
hauflg vorkommenden Personenbezeichnung „ Schuitemaker a
lasst sich ableiten, dass der Bau der unter dem Namen
„Schutena vorkommenden Fahrzeuge in Emden heimisch ge-
wesen ist. Eine bei Friedlaender unter N. 691 abgedruckte
Urkunde vom Jahre 1455 berichtet von einem Clawes Schuite-
maker, dessen Haus durch einen in Brand geratenen Topf mit
Teer, den Johan Starke, Hermanns Sohn, beim Teeren seines
Schiffes gebraucht hatte, Schaden erlitt. Letzterer wird durch
Erkenntnis der Domdeler vom Schadenersatz befreit, weil er
den Teertopf an den von Clawes selbst bestimmten Ort ge-
stellt hatte. Das Schiff muss daher auf einer dem Clawes ge-
h5renden Schiffswerft gesessen haben, als sich der Unfall zu-
trug. Auch in den Kontrakten-Protokollen des XVI. Jahr-
hunderts kommt der Personenname Schuitemaker h&ufig vor.
Ich Gbergehe zwei Urkunden aus friiherer Zeit, in denen von
verkauften Schuten die Rede ist, die aber in ihrem Zusammen-
hange nicht zu entziffern sind. 1548 (p. 9) verkauft der Emder
Bflrger Luetke van Meppen dem Wylm, Johan Wilms Sohne zu
Meppen, een darde Part Schepes in een Schute mit Zubehor,
wie sie jetzt ist und „thor Sehe vaerta, far 120 E. Gulden.
Das macht far das ganze Schiflf 360 E. Gulden zu 10 sch. In
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— 176 —
tier Urkunde wird bemerkt, dass Luetke das Schiff von Hinderk
Mtiller zu Haren angekauft habe. Auch fiber diesen Kauf liegt
1548 (p. 9) der Vertrag vor. Darin wird als Kaufobjekt „een
Holt Schepes, ghelyk idt van den Stapel gekomen ystf, und als
Kaufpreis 170 Ridergulden zu 11 sch. angegeben. Aus dem
Unterschiede zwischen dem Baupreise von 170 Ridergulden oder
187 Emd. Gulden zu 10 sch. und dem obigen Kaufpreise von
360 E. Gulden mochte ich feststellen, dass bei ersterem nur
an den Preis des kahlen Rumpfes („holla miisste es dann
richtiger heissen) zu denken ist, und dass die Kosten der
weiteren Ausriistung des Sehiffes bis in See 173 Gulden be-
tragen haben. Das ware beinahe ebenso viel, wie der Schiff s-
baumeister filr den Rumpf erhielt. Dass von dem Preise des
fertigen Sehiffes ein Gewisses fUr die an Bord befindliche La-
dung gerechnet werden miisste, erhellt aus der Urkunde nicht ;
es diirfte daher die Annahme gerechtfertigt sein, dass der vor-
hin fiir Emden um 1659 nachgewiesene Brauch der Anbestollung
des kahlen Schiffsrumpfes in Haren bereits im Jahre 1548 be-
stand, sowie dass das Verhaltnis zwischen dem Baupreise des
Rumpfes beim Schiffsbaumeister und den Kosten des seefertig
ausgeriisteten Sehiffes schon damals ein ahnliches war, wie
bei den in neuerer Zeit gebauten holzernen Segelschiffen, nam-
lich wie 1 : 2. Mir liegen die speziellen Daten vor, wonach
ein irn Jahre 1861 in Emden eisenfest gebauter hfllzerner
Schooner von 81 Roggenlasten Ladef&higkeit fertig in See
Rth. 10863 gekostet hat, von welcher Summe die Schiffswerft
ftir die Lieferung des kahlen Schiffsrumpfes ohne Eisen-
befestigung und ohne Tischlerarbeit Rth. 6136 empfing. Inter-
essant ist an der Urkunde des Jahres 1548 auch noch, dass
als Bauort der hier fraglichen Schute Haren an der Ems an-
zusehen ist, also der Ort, der noch heute den bekannten Harener
PUnten ihren Namen verleiht. Es ist nicht unwahrscheinlich,
dass die in Haren gebauten Schuten des XVI. Jahrhunderts ganz
rlhnliche Fahrzeuge gewesen sind, wie die heutigen Piinten, zu-
mal diese nur ein grosses Raasegel ftihren und die alten
Schuten auch unter der blossen Bezeichnung „Raesegella er-
w&hnt werden. Beim Jahre 1559 (p. 277) ist von einem solchen
die Rede. Hans Vos „van Rensborch in dem Lande tho Holsten"
verkauft dem Herman Ruiter als Schiffer, sowie Wolter Hilling,
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— 177 —
Dirck Gerdes und Koerth van Meppel „mit oire Consorten eine
Schute oflfte Rae Segell van drie Jaren, welch 60 Last Roggen
sail voeren k6nnena, fur 412 Gulden zu 10 sch. Von dem Kauf-
preise werden 212 Gulden bar bezahlt; der Rest soil mit je
100 Gulden in den Jahren 1560 und 1561 up Lichtmess „dem
Brenger der Certen vry schadeloss gelth" gezahlt werden. Die
genannten drei Reeder verbttrgen sich fOr die Zahlung, wahrend
Hans Holste und Albert Plagge sich wiederum dafQr haftbar
stellen, dass Hans Vos seinen Verpfiichtungen beztiglich der
Lieferung und freien Fahrt des Schiffes nachkomme. Es ist
hier von einer holsteinischen Schute die Rede ; auch von anderen
Gegenden werden Schuten nach hier geliefert. Nach einer Ur-
kunde von 1558 (p. 102) machen 2 Leute aus Osteel mit Hein-
rich Teissen, Biirger zu Monkedam, einen Vertrag ftber die
Lieferung einer Schute von 14 bis 15 Lasten Grdsse. Er
empf&ngt dafflr ein ungef&hr 6 Lasten grosses Schiff und eine
Geldsumme von 106 E. Gulden, wovon l/5 bar und die iibrigen
4/3 in zwei Jahren in Harlingen zu zahlen sind. Dabei ver-
sprechen sie sich gegenseitig, „oirhe Schep die eine den anderen
nha Schepes Recht up alle Stroeme guet warendt tho wesena.
Es scheint, dass die Schuten in der Bauart soweit von
einander abweichen, dass sie nach dem Orte ihrer Erbauung
verschieden bezeichnet werden konnten. 1558 (p. 114) bekennet
Eltke Ockens up den Ulse wohnhaft, dass ihm Thye Harmens
zu Groningen eine Groninger Schuite geliefert hat, und
dass er diesem dafttr 75 Ridergulden, zu je 30 Groninger Sttibern
gerechnet, schuldet. 1661 (p. 67) giebt Dirck van Stickhausen
in seinem Ehevertrage ein Schiff, „eine Zegelther Schuthe
genometh, ungeverlich 40 Gulden tho 10 sch. werth syndetf als
sein Eigentum an.
1559 (p. 321) wird ein Kaufvertrag geschlossen, der zwar am
14. Juni 1561 mit den Worten: „noneret, derwegen wthgedaen
orkunde Johans handt: yck Johan.", wieder annulliert worden
ist, hier aber trotzdem nicht tlbergangen werden darf. Es ver-
kauft darin Joban van Reen dem Engelke van Esens ,,itzundt
up Falleren wonachtig, ein Stflcke Schepes van sdven
Borde, umbtrent negen Lasten groeth wesenth", ftir 160
Gulden zu 10 sch., die in fttnf j&hrlichen Terminen bezahlt
werden sollen. Ich glaube, dass es sich hier urn eine Schute
Jahrbuck d«r Qewilgch. f. b. K. u. ratwl. AltertUmer jtu Emd«n, Bd. XV. 12
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— 178 —
gehandelt hat, weil man die Grosse dieser Fahrzeuge nach der
Anzahl der Borde, d. h. der Bretterg&nge, welche die Aussen-
haut bildeten, zu bemessen pflegte. Nach einem Rechnungs-
buche der Grossen Kirche zu Emden wurden im Jahre 1676
fttr Sand, welcher vom sog. Paap in der Ems geholt wurde,
und zwar fur die Ladung einer viffbordet Schute 2 Gulden
bezahlt. Gleichzeitig kostete ein Schipvoll Lierer von der Ober-
ems geholter Sand 4V4 Gulden. Ich will noch eine andere Notiz
fiber die Bezeichnung von Schuten hier anfugen. Im Jahre 1590
wurde in der Stadt Emden eine sogen. Rulle, d. h. ein Statut oder
Verordnung far „alle Vehrschepen nnd Steigerschuten" nach
Delfzyl, Leer, Weener, Jemgum, Ditzum und Bunde erlassen,
womit erwiesen sein dtirfte, dass die Schuten, welche wir
noch in der Neuzeit als sogen. Treckschuiten im Verkehr
zwischen den St&dten Emden und Aurich gekannt haben, schon
im XVI. Jahrhundert zur regelmassigen Beforderung von Per-
sonen gedient haben.
Obgleich sich unter den im Jahre 1637 neu aufgenommenen
Gliedern der evang.-ref. Gemeinde zu Emden die Ehefrau eines
Johan Gerdes Ewerenmaker befindet, habe ich doch in den
von mir durchgesehenen Kontraktenprotokollen aus der Zeit
bis 1663 Nachrichten tiber Ewer-Fahrzeuge nicht entdeckt.
Das Vorkommen eines Emder Burgers Albert raytten Jachever,
der nach den Urkunden 1513 (p. 139) und 1630 (p. 146) ein
Haus an der Westseite der Dykstrate besass, deutet aber
darauf hin, dass diese Fahrzeuge in Emden nicht unbekannt
waren.
In seinem 1663 (p. 632) niedergeschriebenen Ehevertrage
bekundet Tdnnis van Canum, dass er weiter kein VermOgen in
die Ehe mitbringe „dan eine Snicke, darmede he seine Kost
vordenet". Diese flachbodigen mit Schwertern und einem oder
zwei Masten versehenen Fahrzeuge werden schon in der
K&mmereirechnung der Stadt Hamburg fiir das Jahr 1360 er-
w&hnt. Wir finden sie im XVI. Jahrhundert auf der Eras als
Begleitschiffe der gegen die Seerauber ausgertisteten grosseren
Fahrzeuge; in der Mitte des XVII. Jahrhunderts dienen sie als
F&hrschiffe im Verkehr zwischen Fahnsterbrttgge, Riepe, Marien-
have usw. und der Stadt Emden, und wir kennen sie noch
heutzutage als Fischerfahrzeuge.
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— 179 —
Ich komme damit auf eine andere Art Fahrzeuge, die uns
an die frtther zum Heringsfange benutzten sogen. Bui sen er-
innern. Als im Jahre 1558 (p. 65) der Emder Bttrger Clawes
Schomaker, in Verbindung mit seinem letzten Willen, den
Stand seines VermOgens, wie er sich aus Zuwachs und Ver-
lust gebildet, aufmachte, ftihrte er an, dass er in „ein Slap-
buisse, welcke Mathesius gevordt", 44 Gulden zu 10 sch.
verloren habe.
1559 (p. 398) verkaufte Popke Edsen van Uphusen dem
Andreas Pawels „y4 Part Schepes in de Jemger Buise", wie
er solche mit Zubehor jtingst kauflich an sich gebracht
hatte, filr 100 E. G. und 1560 (p. 658) dem Albert van Jennelt
„ein Vierdeparth Schepes in de Buese, als Popke van de van
Jemgum" gekauft, fttr 1333/4 Gulden. Popke hatte zur Zeit des
Verkaufs den von ihm selbst ausgelobten Kaufpreis noch nicht
bezahltt denn Albert wird von ihm beauftragt, die beiden
vereiubarten Terminzahlungen zur Zeit der Falligkeit an den
„Prinzipal", d. i. an Popke's Vorbesitzer, filr ihn abzuftihren.
Es ist wohl zweifellos, dass hier in beiden Fallen eine Part in
demselben Schiffe verkauft worden ist; unklar aber bleibt es,
weshalb der Preis das zweite Mai so viel hoher war, als etwa
ein halbes Jahr fruher. Schiller und Ltibben beziehen den Aus-
druck „busea oder „butzea ausschliesslich auf kleine Fahrzeuge
zum Heringsfang und zitieren dabei eine Stelle aus einer Ltibischen
Chronik, wonach die Hollander „do in der z§ weren up den
Herynk vank, wol mit 300 busen, 5 vredeschepen darbi4'. Wir
dtirfen bei der in unserenKontraktenprotokollen erwahnten Buese
wohl um so eher an ein Fischerfahrzeug denken, als Beninga
uns erz&hlt, dass im Jahre 1553 „de van Embden etlicke
Herinckbusen um den Hering tho fangen thogerichtet". Loesing
weiss uns in seiner Geschichte der Stadt Emden (p. 113) filr das
Jahr 1555 sogar den Preis der mit Emder Schiffen gefangenen
Heringe~anzugeben; allerdings in der auffallenden Weise, dass
die zuerst angebrachten Heringe die Last zu 125 Arendgulden
(d. i. den Gulden zu 3 sch. gerechnet = 37 1/2 Gulden) verkauft
wurden, w&hrend im Herbste, als die letzte Buise ankam, die
Last 72 Ridergulden (d. i. den Gulden zu 11 sch. gerechnet =
79V5 Gulden) gekostet haben soil. Buerens Jahrbtichlein auf
das Jahr 1837 (p. 87 ff.) giebt den Preis einer Last Heringe
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— 180 —
fUr das Jahr 1556 rait 150 Emder Gulden an. Aus den Kon-
traktenprotokollen des Jahres 1557 (p. 18) ist urkundlich zu
entnehmen, dass im December dieses Jahres
die Last vullen stiveren Heringk zu 78 Gulden corr.
die Last Visch (Laberdan) zu 70 B „
und die Last Mackrellen zu 40 .„ „
notiert wurden.
Beim Jahre 1558 (p. 134) finden wir noch eine andere
Art Fahrzeuge erw&hnt. Galtet Oeiken zu Groteholm bevoll-
m&chtigt den Emder Bflrger Ede van Esens zur Ftthrung seiner
Angelegenheiten „wegen ein Stiicke Schepes, ein Hochboeth
geheten", gegen Remmer van Jever, der jetzt Emder Btirger ist.
Er soil gegen diesen im Wege Rechtens oder „fruntlicher Wysea
vorgehen k5nnen. Galtet hat dem Remmer „ermalsa ein
solches Fahrzeug „vorhueretha und dieser hat es „thor Zee-
varth verloren". N&here Angaben, die auf die Art dieses
Schiffes schliessen lassen kflnnten, fehlen. Ich vermute, dass
der Ausdruck ein hochbordiges Fahrzeug bezeichnen soil, wie
sie aufgekommen sind, als die Ruderer von der Segelkraft als
Fortbewegungsmittel mehr und mehr verdr&ngt wurden. In
der ersten H&lfte des XVI. Jahrhunderts ist wiederholt von
hochbordigen Kriegsschiffen die Rede. Im Uebrigen ist in den
durch mich eingesehenen Kontraktenprotokollen bloss im AU-
gemeinen von Schiffen und Schiffsparten die Rede. Die Unter-
scheidungen, wie sie nach der verschiedenen Art der Betakelung
und des Baues der Schiffe uns gelaufig geworden sind, gehftren
einer sp&teren Zeit an.
Ich will schliessen, indem ich noch der Reederei eines
Schiffes gedenke, worttber uns eine Urkunde vom 15. M&rz 1561
(p. 64) interessante Auskunft giebt. Das Schiff ist namlich
eines von den wenigen, deren Namen uns in den Kontrakten-
protokollen aufbewahrt sind. Es heisst „dat Meerwyff a und wird
geftthrt von dem Schiffer Clawes Horen, einem Schwiegersohne
des Eppe van Oterdum (van Gelder). Clawes hatte mit seiner
Frau Wyke van Gelder BVe4 V9^ Grundes unde warves, in
denBoenesstf ausserhalb des Faldernthors belegen „unvordeletha,
als Heiratsgut tiberkommen und iibertragt nun mit Zustimmung
seiner Frau alle Gerechtigkeit und alles Eigentum dieses Grund-
stticks an die gn&dige Frau Grafin Anna zu Ostfriesland Witwe.
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— 181 -L-
Er empf&ngt dafflr — und das ist, was uns hier interessiert —
von der Gr&fin 5/16 Anteile in dem von ihm gefuhrten Schiffe.
Wir lernen also hier die Gr&fin Anna als Mitreederin eines
Emder Schiffes kennen. Den Wert dieses Schiffes kflnnen wir
daraus ableiten, dass fiir 1662 (p. 216) zwei Urkunden vorliegen,
in denen zwei gleiche Grundstftcke up den Bonness durch
Johan Ticheler tho Coldeborch fur den Preis von je 400 Embd. G.
zu 11 sch. angekaufb wurden. Der Wert des ganzen Schiffes
stellt sich hiernach auf 1280 Gulden zu 11 sch. oder 1408 G. zu
10 sch. Aus dem Beispiele der Gr&fin Anna dtirfen wir schliessen,
dass das Interesse fttr Reederei und Schiffahrt in damaliger Zeit
alle Kreise der Bevftlkerung durchdrang. Dieses Interesse hat
sich Jahrhunderte hindurch in der Stadt Emden lebendig er-
halten, in unserem Zeitalter des Dampfes ist es aber bis auf
das tiefste Niveau herabgesunken. Der durch den Kanal von
Dortmund nach den Emsh&fen herangezogene Schiffahrtsverkehr
wird hoffentlich die Grundlage sein, auf der es sich abermals
zu neuem Leben entwickelt.
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Verzeichnis der Mitglieder 1903.
I. Ehrenmitglieder.
Bartels, Dr. theol., reform. General-Superintendent in Aurich.
Berghuys, Kaufmann in 's Gravenhage.
fFriedlaender, Dr., Kgl. Geh. Staatsarchivar u. Geh. Archivrat in Berlin.
fKlopp, Dr., Hofrat in Wien-Penzing.
fKusthardt, G., Bildhauer in Hannover.
Merkens, Franz, Rentner in Koln.
Rassau, Oskar, Bildhauer in Dresden.
Rose, Amtssekret&r a. D. in Lintel b. Norden.
Stare ke, £., Fabrikbesitzer in Melle.
II. Korrespondierende Mitglieder.
t Babucke, Dr. phil., Direktor d. Altstadt. Gymnasiums in Konigsberg i. Pr.
Blok, Dr. phil., Professor an der Universitat Leiden.
Borchling, Dr. phil., Privatdozent in Gottingen.
Boschen, Bildhauer in Oldenburg.
Fabricius, Dr. juris, Senatsprasident am Oberlandesgericht in Breslau.
Grevel, Rentner in Dusseldorf.
Holtmanns, Rektoratsschullehrer a. D. in Cronenberg bei Elberfeld.
Klinkenborg, Dr. phil., Hilfsarbeiter am Kgl. Geh. Staatsarchlv zu Berlin.
Liebe, Dr. phil., Kgl. Staatsarchivar in Magdeburg.
Nanninga Uitterdijk, Archivar der Stadt Kampen.
Pannenborg, Dr. phil., Professor in Gottingen.
Peters, Reichsbaumeister in Haag.
Rose, Burgermeister in Barth.
Sello, Dr. jur., Grossh. Archivrat in Oldenburg.
Siebs, Dr. phil., ord. Professor an der Universitat Breslau.
Sundermann, Lehrer in Norden.
Wagner, Dr. phil., Archivdirektor in Wiesbaden.
Winkler, Jon., Arzt in Haarlem.
III. Wlrkliche Mitglieder.
a. Einheimische.
Bauermann, H., Kaufmann.
Bertram, Fr., Rentner.
Brons, A., Niederlandischer Vize-Konsul, Senator a. D.
Brons, B., Niederlandischer Konsul, Senator a. D,
Brons, Bernhard J. S.t Kaufmann.
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— 183 —
Br ons, P., Schwedischer Vize-Konsul.
Br on 8, Herm., Kaufmann.
Br oris, Y., Kaufmann.
Bunnemann, Fr., Kaufmann.
Butenberg, 0., Partikulier.
Dekker, Oberlehrer.
van Doornum, C, Kaufmann.
v. Frese, Landrat.
Fiirbringer, Oberburgermeister.
Qeelvink, H., Kaufmann.
Qeelvink, P., Kaufmann.
Qeelvink, Dr. med.
Gi Hermann, L., Bankvorsteher.
Graepel, Senator a. D.
Hay n el, Buchhandler.
Haenisch, Pastor.
Herrmann, Apothekenbesitzer.
van Heuvel, beeidigter ostfr. Auktionator.
Hflpken, Dr., Oberlehrer.
Kappelhoff, A., Senator.
Kappelhoff, H., Kaufmann.
Klug, Landschaftsrat.
Kool, Dr., Direktor der Fischereigesellschaft „Neptun\
Koppel, Bankier.
Laarmann, Lotsen-Kommandeur.
Lindemann, Russischer Vize-Konsul.
Loosing, J., Kaufmann.
Lohmeyer, Dr. med., Sanitatsrat.
Mahlmannn, Dr., Apothekenbesitzer.
Medenwald, Pastor.
Metger, C. H., Kommerzienrat, Senator.
Metger, R., Rechtsanwalt.
Mustert, J., Kaufmann.
Pape, Kommerzienrat
Penning, T. Dreesmann, Senator.
Philippstein, W., Kaufmann.
v. Rensen, P., Sekretar d. Handelskammer f. Ostfriesland u. Papenburg.
Richard, Amtsrichter.
Ritter, Dr., Professor am Gymnasium.
R u y 1 , Fischereidirektor.
Schnedermann, Kommerzienrat.
Schnedermann, M., jr.
Schulze, Regierungs- und Baurat.
Schussler, Dr., Professor, Gymnasial- Direktor.
Schwalbe, Buchhandler.
Schwitzky, Weinhandler.
Smidt, Joachim, Kaufmann.
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— 184 —
Stracke, G., Weinhandler.
Tergast. Dr. med., Medizinalrat.
Thiele, C, Kaufmann.
Thiele, Fr., Kaufmann.
Thomsen, Amtsgerichtsrat.
Tillmann, Dr. med.
Trflger, N., Photograph.
Valk, K., Belgischer Konsul.
ter Vehn, A., Kaufmann.
Zorn, Dr., Buchdruckereibesitzer und Redakteur.
b. Ausw&rtige.
KOnigliche Bibliothek in Berlin.
Ausschuss des Kreises Wittmund.
Alber8, Dr. med, Hooksiel.
Bakker, W., Apothekenbesitzer auf Borkutn,
Bayer, Landrat in Norden.
Becker, Biirgermeister in Esens.
Becker, D., Kaufmann in Esens.
de Boer, Pastor in Siegelsum.
BCning, 0., Kaufmann in Bremen.
Brons, Th., Gutsbesitzer in Groothusen.
Brugmann, P., Holzhftndler in Dortmund.
Bruns, Kaufmann und Konsul in Papenburg.
Conring, Dr., Amtsgerichtsrat in Aurich.
Dammeyer, Rentmeister in Petkum.
Dieckhaus, L., Fabrikbesitzer und Senator in Papenburg.
Dirks en, C, Lehrer in Meiderich, Reg.-Bez. Dusseldorf.
Ditzen, Superintendent in Blumenthal.
Doornbosch, P. H. Meekhoff, Baflo, Pro v. Groningen.
Doornkaat Koolman, Gutsbesitzer in Gross-Midlum.
Drost, Pastor in Marburg.
Dunkmann, A., Buchdruckereibesitzer in Aurich.
y. Brucken Fock, Dr. juris, Middelburg in Holland.
v. Brucken Fock, H. J., Kgl. niederl. Premierleutnant a. D. in Middelburg.
Frerichs, Pastor in Nortmoor.
v. Frese, V., Landschaftsrat zu Hinta.
Georgs, Gutsbesitzer, Landschaftsrat zu Damhusen.
Goedel, Marine-Oberpfarrer, Konsistorialrat, Wilhelmahaven.
Grasshoff, Steuerrat a. D. in Nauen.
Haase, J., Lehrer in Wirdumer Neuland.
Habben, C, Apothekenbesitzer in Muhlhauaen i. Th.
Heeren, N., Gutsbesitzer in Canum.
ter Hell, beeidigter ostfr. Auktionator in Norden.
Hesse, Superintendent in Larrelt.
Hessler, Kgl. Wasserbauinspektor in Husum.
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— 185 -
Heuer, J., cand. min. in Schkeuditz bei Halle a. S.
H6fker, Pastor in Wybelsum.
Hofmeister, Telegraphen-Direktor a. D. in Hameln.
Hoogestraat, Betrieba-Inspektor derKonigl. Munitionsfabrik in Spandau.
Houtrouw, Pastor in Neermoor.
van Hove, Gutsbesitzer in Larrelt.
van Hove, Apothekenbesitzer in NeustadtgSdens.
Huhnstock, Holzhandler in Papenhurg.
van Hiilst, Gutsbesitzer in Lintel bei Norden.
John, W., Kaufmann in Papenburg.
Juzi, Senator a. D., Direktor der Geestemunder Bank.
Kappelhoff, H., Kaufmann in Hamburg.
Kieviet, T., Gemeinde- und Ortsvorsteher in Borkum.
E. Furst Knyphausen auf Liitzburg, Durchlaucht.
Klinkenborg, Amtsgerichtsrat in Norden.
Klumker, Dr., Sekretar des Instituts fiir Gemeinwohl in Frankfurt a. M.
Kohl, D., Dr., Oberlehrer in Oldenburg.
Kohlschiitter, Hiitten-Direktor in Norden.
Kok, Dr. med., Badearzt in Borkum.
Landmann, Hiitten-Direktor in Norden.
f Lantzius-Beninga, Oberforster a. D. in Aurich.
Lantzius-Beninga, S., Gutsbesitzer auf Gut Stikelkamp.
Liipkes, Pastor in Marienhafe.
Meyer, U., Pastor in Pilsum.
Meyer, Lehrer in Visquard.
Meyer, Josef L., Schiffswerftbesitzer in Papenburg.
Meyer, R. D., Senator in Norden.
Pleines, Professor zu Sch5nberg in Mecklenburg-Strelitz.
Pleines, Pastor in Canum.
Pleines. Dr., Oberlehrer in Otterndorf.
Potior, Dr. 0. Baron, Wien.
Reichensperger, Landgerichtsprasident in Aurich.
Remmers, Konsistorialrat in Harburg a. d. Elbe.
Rigts, Pastor in Woltzeten.
Rulffes, beeidigter ostfr. Auktionator in Pewsum.
Rykena, Weinhandler in Norden.
Saathoff, Kandidat des Predigtamtes in Stickhausen.
Sasse, beeidigter ostfr. Auktionator in Hage.
Schaer, Pastor in Rysum.
Schelten-Peterssen, Geh. Baurat a. D., Schloss Nordeck bei Hage.
Schweckendieck, C, Wirklicher Geh. Ober-Regierungsrat in Berlin.
Schweckendieck, E.t Hiitten-Direktor in Dortmund.
Schwerdtfeger, Forstmeister in Friedeburg.
Schwiening, Landschaftsrat, Burgermeister in Aurich.
Soltau, Buchdruckereibesitzer in Norden.
Sluyter, Pastor in Borkum.
Sundermann, H., Schriftleiter d. Dtsch. Landwirtschaftsgesellsch. i. Berlin.
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— 186 —
Suur, Direktor des Realgymnasiums zu Iaerlohn.
Tarn men, Dr, Oberlehrer in Aurich.
Ulferts, beeid. ostfr. Auktionator in Esens.
Ulferts, Dj., Gutsbesitzer in Upgant.
Victor, Landgerichtsrat in Hildesheim.
Victor, Bleske, Pastor in Hinte.
Victor, Pastor in Greeteiel.
Vocke, Biirgermeister in Eschwege.
Wachter, Dr., Archivrat in Aurich.
Wo If 68, Dr., Rechtsanwalt in Dortmund.
Wychgram, N., Oekonomierat in Wybelsum.
i
Jahrbuch
der
Gesellsehaft ftir bildende Kunst
und
vaterlandisehe Alterttlmer
zu
Emden.
FOnfzehnter Band. — Zweites Heft.
(S. 187—576.)
Mit einer Tafel Abbildungen.
Emden 1005.
Ei gen turn der Gesellsehaft.
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Inhatt
des funfzehnten Bandes.
Heft I.
Seite
Die Quellen der „Rerum Frisicarum Historia" des Ubbo Emmius. I.
Von Dr. H. R e i m e r 8 in Aurich 1
Bin Hausbuch Eggerik Beningas (Schluss). Von Dr. C. Borch-
1 i n g, Privatdozent in GSttingen 104
Kleinere Mitteilungen:
I. Beitrage zur Geschichte der Armenpflege und des
Gasthauses in Norden. Vom Archivdirektor
Dr. Wagner in Wiesbaden 138
II. Mitteilungen fiber das Schiffswesen Ostfrieslands
im XVI. Jahrhundert. Von P. van R ens en,
Sekretar der Handelskammer fur Ostfriesland
und Papenburg, in Emden 161
Heft II.
Geistliches und Weltliches in mittelniederdeutscher Sprache nach
der Emder Handschrift No 64. n. Vom Geh. Regierungs-
rat Prof. Dr. A. Reifferscheid in Greifswald ... 187
Kleine Beitrage zur Geschichte der Ulrichsschule zu Aurich. Vom
Gymnasialdirektor Prof. Dr. H. v. Kleist in Aurich . . 272
Die Quellen der „Rerum Frisicarum Historia" des Ubbo Emmius. II.
Von Dr. H. Reimers in Aurich 333
Kleinere Mitteilungen:
I. Nachtr&ge und Berichtigungen zum Ostfriesischen
Urkundenbuche. A. Zur Geschichte des Vor-
werks Miinkewarf in der ehemaligen Herr-
lichkeit Dornum im XV. Jahrhundert (1467/8).
B. Urkunden des Cistersiensernonnenklosters
Liliental im Kreise Osterholz bei Bremen, be-
treffend den St. Peterszehnten in Norden
(1240-1328). Vom Archivrat Dr. Wachter
in Aurich 379
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n. Ulrich von Ostfriesland ale Kammerherr Karls V.
(1523). Von Dr. H. Reimers in Riepe ... 388
HI. Zur Geschichte der Hauptlinge von Werdum und
der taufgesinnten Martyrerinnen Maria v.
Beckum und Ursula v. Werdum (1638—1552).
Von Dr. F. Ritter in Emden 390
IV. Edzard II. und sein Bruder Johann am schwe-
dischen Hofe (1560). Von Dr. H. Reimers. 411
V. Hollandisches Wiegenlied aus Emden auf die
letzte Prinzessin von Ostfriesland (1740—1742).
Mitgeteilt von Prof. Dr. Deiter in Hannover. 417
VL Ein Versuch, die Rechtsgultigkeit der Branden-
burgischen Anwartschaft auf das Furatentum
Ostfriesland anzufechten (1740-1741). Vom
Archivrat Dr. Wachter 420
VII, Bericht des Kanzlers Homfeld wegen der Behand-
lung der ostfriesischen Affaire auf dem Kon-
gress zu Soissons (1745). Von demselben . . 425
Vin. Eriass des kflniglichen Kabinetts-Ministeriums zu
Hannover an den Regierungsrat von Gruben
in Aurich betr. das Verhalten der Beamten
in Ostfriesland den Eingeborenen gegenuber
(1818). Mitgeteilt von demselben .... 427
IX. Der Ortsname Manslagt und die Grenze zwischen
Emsgau und Federgau. Von Pastor F r e r i c h s
in Nortmoor 429
X. Die Grenze zwischen den Bistumern Mtinster und
Bremen in Ostfriesland. Von demselben . . 441
XI. Die Grenze zwischen den Bistumern Munster und
Osnabrftck in Ostfriesland. Von demselben . 453
XII. Boekzetel und Broekzetel. Von demselben . . 464
XUI. Noch einmal die Glocken von Nortmoor. Von dem-
selben 466
XIV. Die Emder Rustkammer im 18. und 19. Jahr-
hundert. Vom OberburgermeisterFurbringer
in Emden 467
XV. Zu den Handschriften des alten Ostfriesischen
Landrechts. Vom Privatdozenten Dr. Borch-
iing in G6ttingen 481
XVI. Ostfriesische Handschriften und Akten in Neuwied
und Bonn. Von demselben 490
XVH. Die Ausgrabung des Rabbelsberges bei Sud-Dunum.
Vom Archivrat Dr. Wachter. (Hierzu die
Tafel am Schlusse des Jahrbuches) .... 493
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XVIU. Nachtrfcgliches zu S. 203 und 220 des Jahrbuches
Bd. XIV (Dr.Hayo Hompen, Otto v. Diepholt, Jon.
van Lingen). Vom Handelskammer-Sekret&r
P. van Ren 8 en.
XIX. Nachtrag zu Nr. HI S. 390 ff. (Maria und Ursula
v. Beckum) 504
XX. Zur Geschichte der Emder Josep-Handschrift. Vom
Privatdozenten Dr. Borchling in GSttingen 520
XXI. Berichtigung zu S. 312 (Kleine Beitrage zur Ge-
schichte der Ulrichschule zu Aurich). Vom
Gymnasialdirektor Prof. Dr. H. v. Kleist in
Aurich 526
Bericht uber die Gesellschaft 526
Zuwachs der Sammlungen 535
Rechenschaftsbericht 567
Verzeichnis der Mitglieder und der Vereine usw 570
Drack von Anton Gerhard, Emden.
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Geistliehes und Weltliehes
in mittelniederdeutscher Spraehe naeh der Emder
Handsehrift No. (139) 64.
Schluss.1)
Das geistliche Gegenstiick zu den Lehren, die das Gemein-
wohl betreffen, ist von milder, wahrer Frommigkeit durchweht.
Es zeigt eine solche Vertiefung, dass es die Bekanntmachung
wohl verdient. Es unterscheidet sich von der vorhergehenden
weltlichen Prosa vor allem durch den Mangel jedes gelehrten
Beiwerkes: es fehlen alle Zitate. Es hat eine allgemeine Ten-
denz, es richtet sich nicht ausschliesslich an Geistliche, sondern
an alle, die andern zu befehlen haben, und berticksichtigt neben-
bei auch Priester und geistliche Leute. Auch hier spricht sich
deutlich die voile Achtung vor dem gemeinen Wohl aus, aber
ohne jede Bezugnahme auf die Pflichten und das Leben des
niedern Volkes. Der Verfasser denkt nur an Gebildete, denn
or giebt den Rat, nie mussig zu sein, sondern die Zeit, in der
man keine anderen Pflichten zu erfullen habe, mit Beten,
Lesen, Schreiben, Reden und Horen von heiligen Dingen
und frommen Betrachtungen hinzubringen.
f. 151* De ere der hemmelsohen ovinghe.2)
To deme ersten hebbe lef god vnd dynen negesten sotliken,
wisliken vnd kreftliken. Proue vnd bekenne dy suluen in alien
dynghen. Hebbe vrede in dynem herten vnd myt dy suluen
l) vergl. Jahrbuch XIV (1902) S. 1-38.
*) tJber diesem rot geschriebenen Titel stehen mit schwarzer Tinte
von der Hand des Schreih-ers dieselben Worte, am aussersten Rande, so dass
einzelne Buchstaben beim Beschneiden zur Halfte fortgeschnitten worden.
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. Alterttlmer zu Emden, Bd. XV. 13
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— 188 —
vnd ok myt anderen luden, wor du konst, vnd slit aller lude
sede Leue endrachtichliken. Wenne du wat plichtich byst
vnd gheuen scholt, dat gif vnd do dat io vroliken vnd lefliken.
Iegenwardige dingh schicke vnd do klokliken. Tokommende
dingh betrachte vorsichliken. Du schalt louen alle lude achter
orem ruyge vnd eren de iegenwardig synt. Wes dy suluen
karch vnd dynem negesten milde, to gode innich. Wes nicht
homodich, wan id dy wol geyt, nicht vnduldich, wan id dy
ouel gheyt. Wes metlik in alle deme, des dyn licham behouet,
innich in dynem herten, sachtmodigen geystes, kusch in dynem
lichamme, lutter in den danken. Metighe dynen tome, sture
dyner tunghen. Wes sachtmodiges vnd othmodiges herten,
wes milde den armen, duldich in lidende, Wes nicht idel in
dynen worden, in clederen, in f. 151b handelinghe, in gesichte
vnd in alle dynem donde. Wes sedech vnd giff gude bilde.
Wes ernst vnd nicht bitter. Vnderwilen wes vrolik; sunder
nummer schaltu wesen lichtuerdich, De enrcholt nicht vor-
sumen de weysen. Ok scholtu vnder tyden wat by dy hen
laten ghan vnd to velen dinghen beren, eftu des nicht beter
enwetest edder prouest. Ok schaltu vnder tyden wes vorgeten,
sunder yo myt bescheydenheyt. Du scholt wesen rowich, sunder
nummer leddich, du en begast yo wat gudes. Du scholt node
butene wesen, sunder gerne inne. Inwendich rowelik in guden
danken, vthwendigh schemelik vor den luden. Bekenne dyn
eghene ghebreke vnd iamercheyt. Vorsma dy suluen vnd alle
wertlike ere vnd wollust vnd vorsma nicht dynen euenen
mynschen. Wes bequeme in dynen worden, sote in antworde,
bescheden in anwisinghe. Du scholt dy moyen vnd wenen, dat
du wo ghesundiget hefst vnd bis ghetreden van deme ewigen
gude vnd bist in dessen jammerdale vnd elende vnd weyst
nicht, eftu werdich syst godes tomes edder syner gnade vnd
noch verne bist van deme ewigen rike. Du scholt hungeren
f. 152a vnde dorsten na diner vnd dynes negesten rech-
uerdicheyt, dogeden vnd salicheyt, tytlikes gudes vorsmainge
vnd na begheringhe des ewigen gudes. Wes barmhertich in
medelidinge myt otmodicheyt. Wes yo stedes eynes reynen
herten, vlitich in guden werken, rechtuerdich in guder andacht,
afgescheyden van quaden danken vnd werken, stede an hilghen
vnd beschowelliken danken. Wes vredesam vnd nicht hetesch.
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— 189 —
Make nene twedracht mank den luden, wes vnderdanich dynen
ouersten vnd eren boden. Briktstu an weme, du scholt gherne
beteren vnd vrede soken. Brikt an dy we, deme scholtu gerne
vorgheuen. Vnd de vnder enander entwey dregen, de scholtu
gerne to vrede vnd to endracht bringen, wor du konst. Du
scholt hebben den geyst der sterke wedder to stande den sunden
vnd den bosen vnd den vnrechtuerdigen, dat se so vele arges
nicht endon, alse se1) wolden, vnd wulborde nicht in ere
sunde. Bescherme de warheyt vnd de rechtuerdicheit, wor du
mochst. Ok schaltu vor de rechtuerdicheyt steruen, eft des
not were. Sustu wat gudes vnd gude sede, de merke und lere.
152b Sustu wat arges, dat vorsma vnd vie. Bose lude lyt
vnd slyt. Gude lude de ere vnd volge. Kum io nicht myt
ydelcheyt tho den luden vnd wes mank en nicht lichtuerdich
myt worden edder werken. Entfange und lere dar ok2) nene
ydelcheyt noch lichtuerdicheyt, de du myt dy enwech nemest.
Wes mank dynen geliken ere ghelik, mank den heren en knecht,
mank den klenen vnd den lutteken de aldermynste. Holdet dy
de lude vor wat, holde dy suluen yo vor nicht. Holden dy de
lude vor den hogesten, du scholt dy suluen holden vor den
sydesten. Du enscholt nicht soken wandelinghe der sede.
Scholtu ander lude vorstan, so wes sote an dynen worden vnd
doch io ernst in straffinge. Wes leflik in gebere, milde in deme
herten, lutter in dem danken. Se, wo du to der vorsten dinge
komen bist, vnd wo du suluen leuest, vnd wo du ander lude
regerest, vnd betrachte in alleme donde den ende. Wes eyn
spegel den leuendighen, eyn trost den doden, eyn hulpe den
arm en, eyn medelider den bedroueden. Bystu eyn prester,
betrachte vnd richte dyn eghene leuent, wes eyn gud
bilde den luden, bedenke, wes dener du bist. Se, wat
du offerst vnd vor weme du offerst, wente du offerst f. 153 a
gode vadere synen eynborne sone vor de salicheyt der
leuendighen vnd der doden. Bystu eyn geystlik mynsche,
beware dyne kuscheyt, holt dynen horsam, vorlad dynen
eghenen willen, vorsma tytlik gud, soke nicht dyne tytliken
vrunt, sunder hebbe lef vnd ere dyne geystliken vrunt. Holt
l) Die Handschrift hat nur Balse wolden".
l) Die Handschrift hat „lere dat ok". Da nichts zu fehlen scheint,
war wohl, wie oben geschehen ist, zu bessern.
13*
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— 190 —
vrede myt den, dar du mede vmme geyst. Vorvolget dy we,
deme wik. Offere dy suluen, alle dyne danken vnd alle dyne
werke in otmodicheit vnd innygher andacht deme allemechtigen
gode, in steder bewaringe des ewigen leuendes. Bydde vlit-
liken vor alle leuendigen vnd doden. Vorsume nene gude
werke. Wes nicht sunderik vnd van eghenem willen. Wat to
der menen nud horet vnd to deme menen gude drapet, dar wes
vlitich to vnd truwe ane, vnd do alle dingh myt beschedenheyt in
deme vruchten godes vnd diner ouersten. Hebbe neyn vnrowich
herte, wes nicht murraftich vnd vordretlik, so mochstu hebben
vrede Volghe nicht dynem egene willen, noch dynem egenen synne,
f. 153b sunder leue io na rade guder lude vnde dyner ouersten.
Hebbe lef in gode alle lude, beyde gud vnd boze. Leue also,
dat du alien luden behaghest in gode, vnd nement van dy er-
gheringe entfangen konne edder moge, so hefstu vrede vnd dult
an dy suluen, vnd leuest ok vredesam myt anderen luden, vnd
werst eyn kynt des leuendighen gades. Du scholt wesen war-
aftich in dynen worden, truwe in dynen werken, vorsichtig in
alien gude, erbar in alien seden. Bistu mank luden, wes yo
ersam in dynem herten, vnd wes so in der sammelinge, dat du
nicht getoghen werdest in den danken, vnd dat hemmelsche gud
nicht entrede vte dynen begheringen. Bistu wor butene, wes
nicht lichtuerdich vnd snelle dy yo to hus, wante de werlt
vnd der wertliken lude handelinghe tud den guden mynschen
van den dogheden vnd bevlecket ene myt sunden. Wor du
bist, wes yo schemelik in dyme sichte, temelik in dyme
gelate, vorsichtich vnd kort in dynen worden, cluk in
dade, endich in werue, tuchtich in denste. Du scholt ok
wesen stark in deme louen, vulherdich in hopene, vullenkomen
in der leue. Wan du byst ledich van vtwendighen f. 154*
werken, so schaltu nummer ledich wesen, du scholt beden,
lesen, scriuen edder van hilghen dinghen spreken edder horen
vnd myt jnnyghen danken vnd hemmelschen danken dy be-
kummeren. In dynem gande, in dynem stande, in clederen, in
seden, in worden vnd in alle deme, dat du deyst hemelken vnd
openbar, schal wesen vnd schinen sedicheyt, othmodicheyt,
bescheydenheit, mildicheit, gude vnd erbaricheit. Vnd yo schal
in dynem munde de vurighe e godes wesen, dat is de recht-
uerdicheit myt der warheyt, der du nicht swygen scholt, vnd
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— 191 —
alle vnredelicheyt scholtu straffen, vppe dat nement in dyner
ieghenwardicheit dore spreken edder don, dat vntamelik sy.
Seldene schaltu straffen, sunder bequemeliken schaltu anwisen
dat beste anderen luden. Du scholt nemende vorsmaden vnd
ok nemede vornichten dor synes gebrekes edder sunde willen.
Du scholt alle arch myt deme besten vorwinnen. Du schalt
alle tyd wesen en strenge richter alle dyner wort vnd werke,
vnd en ernst vorvolger dynes sulues. De vnwilligen schaltu to
gode reytzen, den vndanknamen gud don. De dy vorsman, de
schaltu eren, de bedroueden schaltu trosten, den kranken vnd
den armen to hulpe komen. Dynen licham schaltu allewege
temmen1) f. 154 b vnde metighen vnde hoden dy vor syner be-
dreginge, vnd volge nicht syner begeringe. Du2) scholt vlen vnwar-
heit vnd logene vnd vnnutte wort, vnd hebbe van nemende bosen
wan. Hebbe roke dyner wort, vnd denke nemenedes ouele achter
synem rugge. Se, weme du dynes heymelken rades erloues
vnde als weme nicht openbarest, vnd dynen guden vrunt
schaltu nicht lichtliken vortornen. Vlyte dy dar na, dat du
alien luden gerne wiliest vromen vnd nemende schaden. Wroge
dy suluen vnd entschuldige ander lude vnd vorgif den, de gegen
dy don. Alle tyt begynne vnd do wat gudes, vnd hebbe eynen
vortgank darane, vnd begher eyn wllenkomenheyt, vnd vie in
alle dynen werken ydele ere vnd dat lof der lude, wultu Ion
hebben van gade. Wes nicht alto sorchuoldich, eft du an
dinen guden werken nicht werst gelouet, vnd eft se anderen
luden missahaget(I), darvmme schaltu nicht aflaten, sunder blif
io vulherdich in guden werken vnd in godes loue vnd in syner
leue, vnd do alle ding myt beschedenheit vnd in gantzer othmo-
dicheit vnd in duldicheit mit stedicheit, so gift dy god de
ewigen salicheit.8)
') Versehentlich ist dieses Wort auf der Riickseite des Blattes noch
einmal wiederholt.
*) Die Hs. hat „De*.
») Hier schliessen diese geistlichen Lebensregeln. In der Hand-
schrift folgt eine langere Ermahnung, die sich aber an Mehrere richtet,
die „myne alderleuesten1' angeredet werden. Zum Ueberflass beginnt diese
Ermahnung mit emem grosseren Anfangsbuchetaben als etwas Besonderes.
Sie lautet;
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— 192 —
Endlich stehen wir vor den wertvollen Kern des Ganzen,
vor dem ersten Teile der zweiten Handschrift, der Josepes
Gedicht enth<.
Nach Babucke ist „das Ganze von zwei Handen geschrieben
die zweite beginnt mit v. 3494. Die erste Hand schreibt mit
blasserer Tinte und ist von einem andern Schreiber an vielen
Stellen korrigiert. . . Von v. 3494 beginnt die zweite Hand
mit dunkelschwarzer Tinte, fast ohne eine einzige Korrektur,
und geht bis zu Ende . . . Der erste Schreiber schrieb (das Ori-
ginal) aus Fliichtigkeit und Unkenntnis fehlerhaft ab. Dies ist
vielleicht der Grand gewesen, warum man die Arbeit einem
sorgf<igeren Schreiber anvertraute".
Myne alderleueste, betrachtet vnd bedenket alle tyt de groten
barmherticheit godes, dat he vns heft geschapen na synen
gotliken belde vnd heft vns gelonet vnd wil vns geuen f. 155* dat
ewige leuent, myt erne thowesende in der ewigen vmbegripelken
vroude, isset dat wy hir synen willen don. Merket ok, wo drogen-
aftich vnd yammerlik der werlde achte is, vnde wo krank de
licham is to guden werken, vnd wo berede he is to deme argen
vnd to sunden, wo kort unse leuent, dat wi hebben, is, vnd vnwis
vnse ende hir is, vnde wo bitter de dot is, vnd wo greslik dat
strenge richte godes is. Denket ok myne alderleuesten, wo wyt
vnd bret de wech to der helle is, vnd wo vele lude den gan, alse
dat ewangelium secht. Betrachtet ok de mannichuoldicheit iuwer
sunde vnde de vorsumnisse vele guder werke, vnd dat gy de saligen
tyt der gnade so yammerliken vorsumet vnd vorspildet hebben.
Denket ok der vnsprekelken bitteren pyne, de de sunder ane ende
schollen myt duuelen liden, de so mennichuolt vnd grod is, dat id
neyn herte vuldenken kan, vnd denet yo vlitichliken deme ;alwel-
digen vnd barmhertigen gode, so moge gy de pyne vormyden vnd
de ewigen ere vnd vroude myt gode vnd synen vtverwelden be-
sitten. Amen.
Da hierroit die Seite noch nicht gefullt war, benutzte ein Spaterer
den freien Raum zu folgender Eintragung, die als unberechtigter Zusatz,
aber nicht als Schluss der Lebensregeln anzusehen ist:
Zunachst in roter Schrift:
Wultu gan to der scholen der hemmelschen ouinge etc., dann der
eigentliche Zusatz:
Wultu gan to der scole der hemmelschen ouinge, so schaltu leuen
na desser vorscreuen wise vnd lere, vnd scholt de alle tyd ouerdenken,
vnd dy dar mede ouen, vppe dat du mogest in sekerheit dynes herten
leuen alle tyd, dyt vorlene vns de almechtige, ewige god. Amen.
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— 193 —
Mit diesen Behauptungen haben wir uns zun&chst aus-
einanderzusetzen.
In der Tat beginnt mit v. 3494 ein anderer Schreiber, der
aber doch nicht der zweite ist. Ohne Faksimile ist es freilich
schwer, die verschiedenen Schreiber deutlich zu unter-
scheiden, aber man kann doch auch in dieser Beziehung liber
Babucke hinaus kommen, nur nicht auf Grund der gr5sseren oder
geringeren Schwarze der Tinte, der grosseren oder geringeren
Sorgfaltigkeit der Schreiber, sondern mit Hiilfe graphischer
Eigentumlichkeiten, die grftssere Sicherheit versprechen. Nur
eine sei hier angefiihrt. Gleich beim ersten Blick fallt im An-
fang der Gedichtes auf, dass das auslautende n meistens wie
ein ij geschrieben ist, d. h. so dass der zweite Strich weit unter
die Zeile reicht. Entsprechend ist es beim m, das am Schlusse
eines Wortes steht. Diese Zeichen verschwinden dann auf
weiten Strecken und zwar so, dass entweder w oder « erscheint,
das heisst, dass entweder der zweite Strich des n ganz dem ersten
gleicht, ohne jede Biegung nach Rechts, oder dass der zweite
Strich sich durch diese Biegung nach Rechts, wie etwa bei dem
f% der sogenannten deutschen Schreibschrift, charakterisiert.
Das Vorkommen dieser verschiedenen Zeichen fur denselben
Konsonanten und entsprechend dem verschiedenen Schreib-
gebrauch eine Verschiedenheit der Schreiber lasst sich aus den
folgenden Zahlenangaben erkennen, bei denen der Vereinfachung
wegen von den verschiedenen Formen des m ganz abgesehen.
Die Zahlen unter den Gestalten des n geben an, wie oftmal
auf der genannten Seite das betreffende Zeichen im Auslaut
erscheint.
V
n
n
f.
1»
36
4
—
f.
lb
44
2
2
f.
2»
16
5
9
f.
2b
44
—
—
f.
3»
28
4
—
f.
3b
25
2
3
f.
12 •
34
17
3
f.
12 b
13
29
—
f.
13 •
5
37
—
f.
13 b
2
37
—
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— 194 —
V
t»
»
f. 45 »
—
28
13
f. 45 b
1
31
21
f. 47 »
—
24
38
f. 61"
—
17
9
f. 64"
11
17
4
f. 71 a
—
18
5
f. 71 b
—
17
5
f. 73"
—
29
5
f. 85"
3
22
6
f. 97 •
—
25
6
f. 109"
—
18
4
f. 122"
1
29
1
f. 133*
3
50
—
Vor Babuckes zweiter Hand, die auf f. 63 b einsetzen soil,
waren also mindestens schon drei verschiedene Schreiber t&tig.
Viel wichtiger ist die Frage nach der Sorgfalt der
Schreiber und nach den Korrekturen in der Hand-
schrift. Man kann Babucke zugeben, dass in dem Teile von
f. 1 bis f. 63 viel mehr Korrekturen vorkommen als in dem
sp&teren, ohne damit auch zuzugeben, dass der spaterer Teil
fehlerloser sei; vielmehr sind die zahllosen Fehler dieses
Teiles nur nicht verbessert worden. In dem fruheren Teile
haben sehr oft die Schreiber ihre Versehen gleich selbst
verbessert. Mehrere Male spricht die verschiedene Tinte
dafur, dass das Auslassungszeichen von einem andern her-
rtihrt als der war, der das Ausgelassene nachgetragen hat.
Ersteres ist mit heller, letzteres mit dunkler Tinte ge-
schrieben. An vielen Stellen rtihren die Korrekturen deut-
lich von spateren Handen her, die ganz willkurlich, hoch-
stens nach Massgabe des folgenden Reimausganges geandert
haben, so dass die Anderungen in den meisten Fallen Schlimm-
besserungen sind. Sie haben unzweifelhaft nicht nach einer
anderen Handschrift die Versehen der Schreiber verbessert.
Andererseits sind durch das ganze Gedicht sehr viele und
zwar recht grobe Verderbnisse von den Korrektoren, die tiber-
haupt nicht planm&ssig gearbeitet haben, gar nicht bemerkt
worden. So haben sie, ebensowenig wie Babucke, erkannt,
dass sehr oft ganze Reimzeilen, ja sogar ganze Reimpaare aus-
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— 195 —
gelassen worden. Die meist sinnlos entstellten lateinischen
Zitate sind fast imraer unangetastet geblieben. Die alten
Benutzer der Handschrift verstanden offenbar ebensowenig
Latein wie die Schreiber und Korrektoren.
Da sich Belege ftir alle diese Behauptungen bei den Proben
aus dem Gedichte ganz von selbst einstellen, fuhre ich hier
keine Einzelheiten an, sondern gleich eine l&ngere Stelle, die
besonderen Aufschluss tiber dieUeberlieferung des Josepe-
schen Werkes giebt.
Um Raum ftir Wichtigeres zu gewinnen, gebe ich sofort
den berichtigten Text und verweise die Angaben tiber Ver-
derbnisse und Verschreibungen der Handschrift in die An-
merkungen. Um des Metrums allein willen nehme ich keincr-
lei Veranderung vor.
Ich beginne mit der Stelle von der Unvollkommen-
heit des Menschen.
f. 4b Des mynschen bedrif is mennigherleye, (201) *)
Eyn islik kumpt myt synem dele to reye,
0 quam varia sunt hominum studia et diuersa exercitia,
et occupatio magis labor et dolor et spiritus afflictus.2)
Dat vordenst volghet den daden.
We8) hyr konne alzo don vnd alzo raden,
Dat he worde rekent vnd screuen alzo,
Dat de boze syner nummer worde vro,
De mynsche hadde hyr wol ghewezen.4)
Lofflik is gode denen, zinghen vnd lezen,
Dar mach me mede vordriuen quade danken,
Den nouwe kan mannych wol entwanken.5)
Alzo dar van vele screuen steyt:
Under deme hemmel is nement ane arbeyt.
l) Links stehen die Verszahlen, die Babucke in der Handschrift
beigeschrieben.
*) Hs.: Bafflixu8".
f) ,We* von derselben Hand hinzugefflgt.
*) Hs.: „ghezen".
*) „entwenken" verbessert eine spatere Hand durch iiberge-
schriebenes ,a".
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— 196 —
f. 5 a Non est quidquam sine labore sub sole et sine defectu
sub luna, sine uanitate1) sub tempore.
Under den2) manen is neen dink vullenkamen.8)
Der werld droch het mennyghen namen
*)
Beyde lif vnd de vulwerden zele syn.
Des mochstu louen, leue sone myn,
Dat alle mynschen synt in groter last,
Dat dede en jamergrepe, en enych6) tast
Na deme bedrouenden6) appels twyghe.
Dannede quam de vrede7) tho wyghe
Vnd de borde wart vpgelecht,
De en islik hir noch drecht
Vnd steyt an dem8) mynschen in der bort9)
l) Hs.: „nauitate". f. 3* ist ebenso unverbessert geblieben „vanitas
uanitatum et omnia natiuitas".
*) „den" fiigt dieselbe Hand uber der Zeile hinzu.
8) Hs.: „wullenkomen". So hat die Hs. sehr oft ,w" im Lautwert von
„v", ohne dass einer der Korrektoren daran Anstoss genommen hatte.
Manchmal zeigt sich freilich vor Bv" eine Rasur, es war zuerst ein „w"
gewesen. An einer Stelle hat eine spatere Hand verbessert, aber uber-
trieben zaghaft der Verbesserung ein „uela voraufgeschickt, f. 16b stand:
„Io mer bedrif, io grawer har
Io schoner wif, io groter war."
Dazn findet sich am Rande: „uel var" von spaterer Hand.
*) Hier fehlt mindestens ein Reimpaar, in dem auch das Verbum
stand, von dem die Accusative „lif vnd de vulwerden zele" ab-
hangig sind.
5) Hs.: „ynnich".
6) Hs.: „bedrouedenu.
*) „ vrede" der ersten Hand von einer sp&teren durch svn" uber der
Zeile verandert, aber nicht verbessert, sondern verderbt.
•) „dem" von einer spateren Hand uber der Zeile nachgetragen.
9) Eine noch spatere Hand setzte unter Bder bort" Punkte und
fugte Beynem swaren bende" hinzu, jedenfalls ohne Kenntnis derVorlage,
nur bestrebt den durch Nachlassigkeit des ersten Schreibers verderbten
Reimausgang nach dem Reimwort der folgenden Zeile zu bessern. Es war
nur eine Schlimmbesserung, in Wirklichkeit fehlten zwei Reimzeilen, die
zweite des vorhergehenden Reimpaares und die erste des folgenden.
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— 197 —
Vnd waret wente an synen ende,
Alzo is bescreuen in den olden boken.1)
Iugum graue super filios Adam a die exitus de ventre2)
matris eorutn, vsque in diem sepulture omnium nostrorum.
We sik wyl vppe deser erden cloken
Vnd sine sele wol beraden vnd bestellen,
De mot syk van anbeghyn Snellen
Vnd mot de borden matighen to tyden,
Wyl he nicht de beswarynghe der zele lyden.
De erffsunde kan de dope afdwan,
Wygwater vnd vmme den kerkhof ghan.
De anderen sunde, de dar vntstan,
Vnd werden myt8) berade dan,
Dat is de borde, we de langhe dricht,
Behut, bedecket vnd vorswycht,
De wert io lenger io mer vorswaret.
f. 5 b Wan sik de sunde lenghet vnd paret,
De drudde sunde kumpt dar to,
De verde, vefte, de soste deit alzo.
Kump denne de souende sunde ok in den tal,
Zo besteit deme bedregher gherne de val,
Wil he de borden nicht vorlichten,
Syne bote vntfan, de sunde bichten.
Ok, leue sone, vntfa myne lere,
Bekummere dy nicht alto vele vnd sere
Myt des hemmels hoghe, der werlde breyde,
Des meres dupe, des waters leyde,
Myt godes wesende eft syne anbeghinne.
Brynk nicht to myt danken4) dyne synne.
Dar en is nen dynk so kleyn5) edder licht,
Dat to grunde konne werden vtericht.
We kan eynes ymmeken nature vt drucken,
*) Im alten Testament, n&mlich Ecclesiasticus 40, 1, wo nach „sepul-
turae" „matrem omnium" stent.
*) In der Handschrift fehlt, wohl nur durch Schuld des Abschreibers,
„exitus de ventre".
8) „werdem myt".
*) Hs.: ,aller danken".
5) ,kleyn" von anderer Hand uber der Zeile nachgetragen.
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— 198 —
Dat kan dat honnych vt der heyde rucken,
Vnd kan dat to hope bringhen.
Myt also danen vnd anderen dinghen
Bekummere dy, kynt, nycht alto ho : l)
Vele danken maket dat houet vnvro.2)
Non est quicquam tarn vile, tarn futile*), quod ad plenum
intelligere et ad profunditatem.4)
Vele dink synt, de me nycht vtgrunden kan,
Des is myn tuch de wyse man.5)
Cuncte res difficiles*) homo non potest eas explicate
ratione etc.
Nym eyn exempel van dem propheten
Esdras,7) des mach me dar to neten.
De was bekummert myt der hilghen drevaldicheyt,
f. 6a Alzo noch mennych dore vp erde deyt.
God sande erne synen hilghen enghel zo,
De sede esdras, de here but dy alzo,
Dat du eme meten scholt des windes eyne elen
Vnd en punt de lochghen,8) de dat vur kan telen,
Ok rop wedder den dach, de ghisteren was.
Esdras sede, neyn mynsche kan don das,9)
l) H8.: ,hoch", vorhergehendes „8erea durcbstrichen.
*) Hs. : „alto vnvro", „alto" aus der vorhergehenden Zeile wiederholt.
») Hs. : ,fatile\
*) Das Zitat war wohl von Anfang an unvollstandig. Babucke las :
„quis est quicunque tarn vile tarn facile potest ad plenum intelligere et
ad profunditatem".
*; Ecclesiastes 1, 8: „cunctae res difficiles, non potest eas homo
explicare sermone".
9) Hs.: difficilis. 7) Hs.: BEsdras8, spater „Eldras\
8) „ch" von spaterer Hand iiber der Zeile nachgetragen.
9) Auffallend sind die hochdeutschen Formen „zo* und Bdas". Das
Ganze ist wohl einer hochdeutschen Quelle entlehnt. Ich kann die Ge-
schichte nur in folgender Gestalt aus der Hs. E. 5, 36 der Nikolaikirchen-
bibliothek in Greifswald, f. 122 nachweisen:
„Nota tre8 questiones esdre scribe propositas.
Prima fuit. Pondera in statera pondus ignis. Secunda: Mensura flatum
uenti. Tercia. Reuoca diem, que preteriit. Primo pondera in statera pon-
dus ignis, id est amorem Christi pone in statera et pondera, vtrum eum
plus dilexisti, vtrum magis uel minus. Si magis, tunc bene ponderasti,
si minus, remoue istum amorem, quern tu habes respectu mundi, et
conuerte te ad amorem dei, qui est diligendus super omnia".
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— 199 —
De gie was vnd noch schal werden,
Vnmoghelik synt de dynk vp erden.
De enghele1) sede, dunket yt2) dy3) nich moghelik syn,
Dusse dink, de by dy synt, so vornym de rede myn,
So is vorlaren to male dyn arbeyt,
Wente nicht to grundende is de gotheit.
0 kint, yo mer kunst is, yo4) mer danken.
De kunst wil vnter wylen wanken
Ouer maten, wente se is vorheuen,
Vnd bringhet mod wyde vnd maket sneuen5)
De ghenne, de se to markede brynghet
Wan sik de meyster von kunst giudet6),
Alle wisheit sik so vorwydet,
Alle vorborghene schedelike sake
Roghen de meystere in hate vaken,
Had, nyd, tome vnd afghunste
Telen sik van der meyster kunste.
Eyn wyl dem anderen nich vntwyken,
Homod kumpt7) dar to ghesliken.
In der vorborghene vorheuenicheit
De hilge kerke vnde gheyt8)
Vnd de rechte warheit werd bedecket
f. 6b Vnde de leygen van dem meyster0) ghecket.
l) In der Hs.: nach „De" und „enghelea Spur einer Rasur, der
Schreiber hatte 8Den enghelen" geschrieben.
f) »7^ von <*er ©raten Hand nachgetragen.
8) „dy* aus „mi" vom Schreiber verbessert.
*) *Y°* von derselben Hand iiber der Zeile nachgetragen.
•) Hs.: „snauen*, daneben von anderer Hand die Schlimmbesserung
,sweuen*.
•) Hs.: „gindet". Ohne Zweifel iet , giudet* zu lesen und Ausfall
der vorhergehenden Reimzeile anzunehmen. Auffallend ist hier wiederum
die hochdeutsche Form, die ebenfalls wieder auf Entlehnung hindeutet.
7) wkumpt" verbessert von derselben Hand aus „kupa.
8) In der Hs. „vnde gheyt" von anderer Hand unterpunktiert, die
daneben ?vaken an bulghen gheit" schreibt, offenbar eine ganz will-
kUrliche Anderung. Ich halte „unde gheit* ffir richtig, nehme aber die
Auslassung eines bezeichnenderen Verbums, das vorhergegangen, an.
•) Hs.: 8wedder ghecket".
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— 200 -
Vmme gud is nycht alzo grote ghiricheyt,
Alzo de ghenne heet, de na kunsten1) steyt.
Io swarer val, io hogher grad,
Io ghirigher man, io hogher stad.
Deficiunt scrutantes scrutinio, quin homo accedat ad cor
alt urn, et exaltabitur deus.2)
Io mer kunst, io mer arbeyt,
De hemmel den otmodighen apen steyt,
Io groter vnd vaster louen, io ringher kunst,
Dat wracht8) des hilghen geistes gunst.
Quo quis ad prudenciam vilior, eo preciosior, quantum
ad*) fidem ambitiosior*)
De grote kunst heet mennyghen boghet,
Der vromen8) stumpen is vele vorhoghet,
Sunte peter, andreas vnd ere kumpane,
De weren ane kunst van gudem wane.
Hillich,7) salich se alto male synt.
Des helpe vns cristus ihesus, marien kynt,
Dat wy hillich, salich werden alle.
De grote kunst brynghet menghen to valle.
Quimagis intelligit, dubitat, qui plus sapit, plus decipitur*)
Dat mach me merken an den van praghe.
De twedrach entsteyt van mennigher vrage,
Der mankt den meysteren vele schach,
Den dudeschen bestunt de slach,
Dar wunnen de bemen den seghe,
f. 7 a De meste hupe wynnet alle weghe,
Do se beghunden de wapen to roghen,
Do mosten de9) cristinen de conclusien doghen.
l) ,kunsten* verbessert von der ersten Hand aus skunstem8.
') Ps. 63, 7: „defecerunt scrutantes scrutinio. accedet homo ad
cor altum: et exaltabitur deus".
•) „wracht* verbessert durch dieselbe Hand aus „vracht".
*) „ada fQgt die erste Hand hinzu.
8) Hs.: wambi08iu88.
6) vor „vromen*c eine Rasur, „vu wohl aus „w" verbessert.
7) ,.Hillichu durch die erste Hand aus „Hilkichu verbessert.
§) Hs.: „decipit".
•) „deu von anderer Hand hinzugeffigt.
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— 201 —
Se beghunden sik mennychliken to teren,
Myt den vusten vnd wapene concluderen.
We den doren straffet vmme myssedaet,
Sleghe, toren he wedder vntfaet.
Der geringe Wert der Korrekturen in der Hs. lasst sich auch
an mehreren Stellen der folgenden Geschichte deutlich erkennen :
von den zahlreichen Fehlern des Schreibers ist ein einziger,
leicht erkennbarer, richtig, ein anderer ebenso entschieden
falsch verbessert, die meisten sind gar nicht erkannt worden.
f. llaWe godes lident in sinen lesten vorghit, (563)
Syn ewyghe rike he nicht besyt.
Merke, sone vnd here my,
En ander exemplum1) dar ok by.
En groper an dem drecke lach,
Eyn morder in dem holte den jamer sach,
De em2) vormanede des gropers armot.
De morder dor3) god wolde eme helpen vt
Vnd lep to dem groper, dar he lach.
De groper ghaf den morder enen slach,
He sloch ene dot myt ener runghen,
De groper hadde var, dat he ene4) dwunge.
Dar was en klusener, de er morde,
f. llb De klusener und de groper horden,
Dat de hilghen enghele6) de sele entfenghen,
Vnd wolden de to dem hemmel bringhen.
Do de klusener des wart enwar,
He hadde dar wanet dertich jar
l) von anderer Hand dafur „Miraculum", was unzweifelhaft falsch ist.
f) Hs.: „Deme em".
8) von anderer Hand aus „der" verbessert.
*) In der Hs. folgt auf „ene" „wolden", eine andere Hand durch-
streicht „wolden11 und schreibt daf&r „doden wolde'4, ohne auf den Reim
zu achten, vielleicht durch „horden" veranlasst. Dann hat die Hs. „Dar
was en klusener vnd de groper horden". Es fehlt eine n&here Bestim-
mung zu „klusener" und mindestens das Reimwort zu „horden". Ich
nehme also ein Abirren von ein em ersten auf ein zweites „klusener" und
die Auslassung des dazwischen stehenden an, das ich oben wieder ein-
gesetzt habe.
B) Nach „engheleu eine Rasur.
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— 202 —
Vnd den morder ok langhe bekant,
He stech vp enen hoghen bom altohant
Und wolde en morder weder werden.
In dem slape vil he up de erden
Vnd brak sik den hals entwey,1)
Des wart syn arme sele fey.
De nemen de duuel altohant
Vnd brachten se in der helle brant.2)
Syne gude werke weren vorgheten.
Dat deit vns de wyse man to weten:
Qui in uno offendU, multa bona perdit*).
Selbst die Versehen, die wahrend des Abschreibens vom
Schreiber bemerkt wurden, sind von ihm nicht vollstandig be-
richtigt worden. f. 8b hatte der Schreiber dieses Teiles ge-
schrieben :
„De prince almerbe gunde vreden und daghen" (422)
die folgende Zeile „De twisken dauite vnd saule hadden stana
Hess ihn erkennen, dass er die beiden ersten Worte gegen die
Vorlage zugefiigt, die beiden folgenden verlesen und das Objekt
ausgelassen hatte. Er strich daher die ganze Zeile durch und
schrieb darauf:
„Abner beghunde alle vnwillen to"
ohne zu bedenken, dass er „vreden und daghen" auch ge-
strichen hatte. Die drei Worte fugte erst eine sp&tere Hand
hinzu.
Anders ist es bei einer andern Stelle f. 12 b. Dort heisst es:
„Ad colocenses dar van screuen steyt: (640)
Turpis sermo non procedit de ore vestro*)
Snode vnd schentlike rede ensprik nicht,
Des mynschen redelicheit in den worden licht,
Eyn mach sik er vorspreken, wen vorwerken.
Dat mach men in den boken merken."
An „procedita nahm der Korrektor keinen Anstoss, die funfte
Zeile hielt er fur unvollstandig und fugte gegen den Sinn nach
*) Nach „en" in „entwey" eine Rasur.
•) Hs.: ngrunt4-.
8) Ecclesiastes 9, 18: „qui in uno peccaverit, multa bona perdet".
*) C0I08S. 3, 8: „nunc autem deponite et vos omnia: iram, indig-
nationem, malitiam, blasphemiam, turpem sermonem de ore vestro".
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— 203 —
„vorsprekenB „kantt ein, obgleich „macha das, was er vermisste,
ausdrflckte. Er hatte „eyna mit „macha, das er wohl als
Substantiv auffasste, verbunden, beachtete also nicht den Ge-
brauch des selbstandigen »eyna, das sich auch f. 44 b „de eyn
schal eren vnd anropen to alien stun den u findet, vgl. am
Schlusse „van den dobeleren".
Aus all diesem ergiebt sich, dass die Ueberlieferung des
Gedichtes in der einzigen Handschrift, die es uns erhalten hat,
eine verhaitnismassig schlechte ist. Das ist wohl kaum die
alleinige Schuld der Schreiber nnserer Handschrift, die Vorlage
mochte schon vieles der Art enthalten haben.
Ober diese Vorlage lasst sich nur weniges mit Sicherheit
ermitteln. Aber dieses Wenige ist nicht ohne Interesse. Wir
milssen dafiir die Disposition des Gedichtes in unserer Hand-
schrift naher betrachten.
Einleitung v. 1—356
I. Superbia, allgemeines 357—?
(schloss auf einem der ausgerissenen Blatter)
1. Tochter ? (begann auf einem dieser Blatter) —1964
2. „ Contemptio 1965—2018
3. „ Presumptio 2019—2558
II. Avaritia, allgemeines 2559—3509
1. Tochter Fallacia 3510—3620
2. „ Rapina 3621—3682
3. „ Periurium 3683—3803
4. „ Usura 3804—3996
5. „ Tristitia 3997—4096
6. „ Symonia 4097—4438
III. Luxuria, allgemeines 4439—4956
[I. Superbia, 3. Tochter, Ende der Presumptio 4957—4998
4. „ Iactantia 4999—5108
5. „ Pertinacia 5109—5182
6. „ Novarum rerum inventio 5183—5782]
1. Tochter Cecitas mentis 5783—5886
2. „ Inconstantia 5887—5930
3. „ Heresis 5931—5958
4. , Amaritudo 5959—6074
JArbneh d«r OtitllMh. f. b. E. u. rmtwL Altort&ratr ra Emdtn, Bd. XT. 14
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— 204 —
IV. Invidia, allgemeines 6075—6440
1. Tochter Odium 6441—6518
2. „ Afflictio in prosperis alieni 6519—6565
3. „ Discordia 6566-6652
4. „ Simulata equitas 6653—6752
V. Gula, allgemeines 6753-7139
1. Tochter Immundicia 7140—7205
2. ,, Inepta letitia 7206—7258
3. „ Multiloquium 7259—7290
4. „ Ebitudo 7291—7303
VI. Ira, allgemeines 7304-7494
1. Tochter Contumelia 7495—7525
2. „ Blasfemia 7526—7562
3. „ .Clamor 7563—7579
4. „ Tenacitas 7580-7602
VII. Accidia, allgemeines 7603—7898
Tochter Desperatio 7899—7936
Schluss 7937—7958
Diese Verwirrung, dass nach Vers 2558 die Verse 2559
bis 4956 kamen, Avaritia ganz und das Allgemeine von der
Luxuria enthaltend, und dann erst der zweite Teil der Superbia
v. 4957 — 5782, erkl&rt Babucke damit, dass einige lose Blatter
des Originals an die unrechte Stelle gekommen, was der Ab-
schreibende, der ganz mechanisch abgeschrieben, nicht bemerkt
habe. Um einige lose Blatter kann es sich hier nicht gehandelt
haben. Die Verse 4957—5782 ftillten drei Sexternionen, 2659
bis 4956 neun Sexternionen, 5783—6074 einen Sexternio. Die
Verwirrung entstand dadurch, dass in der Vorlage, die nicht
das Original gewesen zu sein braucht, die Lagen keine Be-
zeichnungen hatten, so dass die drei Sexternionen, mit den
Versen 4957 — 5782, die urspriinglich vor den neun Sexternionen
mit den Versen 2559—4956 standen, vor den Sexternio mit den
Versen 5783—6074 geraten waren, und die Lagen vielleichf
auch in dieser Reihenfolge eingebunden worden. Das wichtigste
Ergebnis ist, dass, wie die Abschrift, so auch die Vorlage aus
Sexternionen bestand.
Die oben gegebene Disposition mit den Verszahlen ftir die
einzelnen Abschnitte legt noch eine andere Erwagung nahe.
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— 205 —
Auf die Superbia kommen 3048 Verse
„ „ Avaritia ,. fiir das Allg. 951, fiir das Besondere 929,
im Ganzen 1880 Verse
„ „ Luxuria „ fiir das Allg. 518, fiir das Besondere 292,
im Ganzen 810 Verse
„ „ Invidia „ fiir das Allg. 366, fiir das Besondere 312,
im Ganzen 678 Verse
„ „ Gula „ fiir das Allg. 377, fiir das Besondere 174,
im Ganzen 551 Verse
„ „ Ira „ fur das Allg. 191, fiir das Besondere 108,
im Ganzen 299 Verse
„ „ Accidia „ fiir das Allg. 296, fiir das Besondere 38,
im Ganzen 334 Verse.
Was folgt daraus? 1st der Dichter miide geworden und
hat sich deshalb immer kiirzer gefasst? Oder hat der Ab-
schreiber je langer je weniger aus den einzelnen Abschnitten
mitgeteilt? Ich wage keine Entscheidung, bemerke aber, dass
das Gedicht thatsachlich immer diirftiger wird. An dem Stoffe
liegt dies nicht. W&hrend die Emder Hs. bei der Superbia
und Avaritia je 6, bei der Luxuria, Invidia, Gula und
Ira je 4 Tochter und bei der Accidia nur 1 Tochter hat,
kennt der Antidotarius des Nicol. Salicetus, auf den Babucke
hingewiesen, bei der Superbia 7 Tochter: Ambitio, Presump-
tio, Ingratitudo, Curiositas, Adulatio, Derisio, Iudicium teme-
rarium, bei der Avaritia ebenfalls7: Obduratio vel Inhumani-
tas, Violentia vel Rapacitas, Inquietudo i. e. Nimius appetitus
lucri, Fallacia, Periurium, Fraus, Proditio, bei der Luxuria 8:
Cecitas mentis, Precipitatio, Inconsideratio, Inconstantia, Amor
sui, Odium dei, Amor presentis vite, Horror future beatitudinis,
bei der Invidia 5: Odium, Exultatio in adversis, Tristitia in
prosperis proximi, Susurratio, Detractio, bei der Gula 6:
Scurrilitas, Inepta leticia, Hebetudo mentis, Multiloquium,
Iramunditia, Ebrietas, bei der Ira 9: Indignatio, Murmuratio,
Tumor mentis, Clamor, Contumelia, Maledictio, Blasphemia,
Rixa, Seditio, bei der Accedia 6: Malicia, Rancor, Pusillani-
mitas, Desperatio, Torpor, Evagatio mentis.
Damit ist die Geschichte der Oberlieferung, wie sie sich
aus der Emder Hs. feststellen lslsst, noch lange nicht erledigt.
14*
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— 206 —
Die Emder Hs. hat mehrfach Stellen im Texte, die sich als
ursprtingliche Bandbemerkungen erkennen lassen. Das ist,
wie sp&ter gezeigt werden soil, bei vielen lateinischen Zitaten
der Fall. Es finden sich aber auch deutsche Randbemerkungen
im Texte der Emder Hs. So z. B. in der folgenden Stelle f. 105 a :
Vnstedicheyt so het dat kint. (6890)
0 wat me der vele vint,
De van mangen danken zyn.
Vnstede sint de vrowen, kint myn,
De vrowen wyllen stede zin,
Wat men des vint, des wert wol schyn.
Die Hs. hat nach dem ffinften Verse die Worte „so willen
ok de man*. Wenn keine Lticke darnach anzunehmen ist,
was nicht wahrscheinlich, so sind diese Worte von einem
Manne der Vorlage der Emder Hs. beigeschrieben. Vor dem
funften Verse mflchte ich allerdings eine Lticke annehmen.
Ursprtinglich folgte wohl eine n&here Ausffihrung der Unst&te
der Frauen.
Der Text der Emder Hs. ist an vielen Stellen, wie sp&ter
gezeigt werden soil, so verkttrzt und verstttmmelt, dass
man nur an Absichtlichkeit denken kann: man nahm Anstoss
an dem Freimut Josepes und strich die anstdssigen Stellen.
Gelegentlich anderte man auch die Worte des Dichters, ohne
Rficksicht auf den Zusaramenhang, so z. B. f. 105 * , vgl. unten.
Alle diese Anderungen kflnnen nicht von den Schreibern
der Emder Hs. herrfihren, die dazu nicht bef&higt gewesen
w&ren, sondern nur aus Qedankenlosigkeit von ihrer Vorlage
abwichen. Diese Vorlage enthielt schon den ver&nderten und
verkfirzten Text.
Sehen wir nun, was sich fiber den Dichter demWerke
entnehmen l&sst. Bekanntlich nennt er sich am Schlusse mit
den Worten:
Biddet vor den Josepe den heren, (7953)
Dat he eme syne gnade wille to keren
Vnd geven eme Ion vor syn arbeyt,
Dat eme syn rike nicht werde vorseyt
Vnde den, de dyt lezen horen tosamen,
In Jhesus Christus unses heren namen.
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— 207 —
W&hrend er hier von Mehreren, die das Gedicht zusammen
vorlesen h6ren, redet, wendet er sich in dem Gedichte selbst
immer an einen Einzelnen z. B. :
f. 1 b 0 kynt, denke alle tyd vnd betrachte (38)
Vnd hebbe vppe der wysen lere achte.
Bedenk dat anbeghin vnd den ende dyn,
Wultu eyn godes mynsche wesen vnd zyn:
Wat is eyn mynsche wen aske vnd drek!
Myt deme duldighen manne sprek:
Memento, quaeso, quod sicut lutum feceris me et in
puluerem reduces me,1)
0 leue here, denke, wo du hest gemaket my,
Rechte alzo drek. hore, leue here, ik danke dy,
Vnd werde ghewandelt in vnreyne stubbe,
Wan my vntfaet des dodes krubbe,
Wente, leue here, du secht to my openbare,
Denke, mynsche, du bist assche vnd werst ware
In de erden vnd in asschen wandelt drade.
0 leue kint, bydde to gode gnade
2)
f. 2 * Dat du nicht komest in dat varlike loch,
Dar me synghet: o we, dat gy mynsche wart.
So findet sich die Anrede8) „o kint", „kinta, f. 2\ 5\ 6*,
8\ 13 \ 40*, „o leue kint{| f. 1\ 2* (zweimal), 15 \ „min
leue kint" f. 45 b, „o mynschen kint* f. 3*, „o mynsche44 f. 2b
(zweimal). Deutlicher ist die Anrede „sone44 f. 3b, 10 b, 14 b,
16*. 47 \ „sone min44 f. 40*, ,,o leue sonea f. 3\ 5b, 12b,
41*, 46*, „sone min vnd leue kintu f. 7*, „o leue sone vnd
min leue kint44 f 8*. Vollen Aufschluss erhalten wir erst
durch die Form f. 11* „merke sone vnd here my'4, mit der wir
die Anrede an den Dichter f. 7* „Vader leue vnd meyster myn44
zusammenbringen mflssen: der Dichter ist ein Geistlicher, der
Lehrer eines Jttngeren, beide stehen in geistlicher Verwandt-
schaft, der Jttngere hat aber ein Recht „here myn44 angeredet
l) Job 10, 9.
*) Hier fehlt eine Reimzeile.
*) Ich berQcktichtige hierbei nur die ersten ftofzig Blatter.
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— 208 —
zu werden, ist also wohl ein Vomehmer. So nennt auch in
der Erz&hlung von dem Hofmann und dem Abte der Abt seine
Monche „meine Herren", vgl. f. 80b:
We sik na godes denste rycht, (4421)
Also hyr myne heren don alle,
Den kan de bose nicht bryngen to valle.
Es handelt sich dort also urn ein Kloster, in dem Adlige
Aufnahme fanden. So ist es auch zu verstehen, wenn ,,den
leyen" ,,die heren" gegentibergestellt werden, z. B. f. 46* :
De tid vordriuen in vrolicheyt (2508)
Ane sunde, dat spyl wol henne gheyt,
Sunder ede vnd sunder torn,
Dar nen ghelt wert ouer vorlorn,
Dat spil kan nemant vorkeren
Noch den leygen efte den heren.
Wir lemen an dieser Stelle zugleich, dass Josepe kein
Eiferer ist, er gestattet frohe Spiele, bei denen es sich nicht
urn Geld handelt, bei denen man weder schwort noch in Zorn
gerat, Laien und Geistlichen.
Vor den tiichtigen Gelehrten hat er alle Achtung, zu ihnen
soil man sich halten, wenn man selig werden will, vgl. f. 41 * fg.:
Wltu, leue sone, salich werden,
So holt di to den vromen lerden, (2270)
f. 41b Consilium semper a sapiente perquire,1)
Also lerde de olde tobias syn leue kint.
De suluen lere me bescreuen vint
In regimine principum deme boke.
Also lerde Allexandrum aristotiles de cloke:
Insuper decet regem sapientes sullimare?) doctos honore,
cum eris confusus*) honesto interrogare, discrete respondere.
Dat4) he scholde to alien tyden gherne eren
») Tobias 4, 19. In der Hs. fehlt diese Zeile.
•) Hs. : „decet tea, „sapienter sublunare", so auch f. 28 b in der Stelle
aus Luc. 11, 43 : „vae vobis, qui diligitis prunas chatedras et salutaciones
in foro et plateas".
8) Hs.: „cu eris conferretus".
4) Hs.: „dc", Abkurzung fur „daz" in hochdeutschen Hss.
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— 209 —
De kloken vnd sik to gym keren,
Vraghen se, wan em des1) luste,
Vmme sake, de he nicht enwuste,
Vnd gym wedder gotlike antwerde gheuen,
So mochte he langhe in vreden leuen.
Wolde he auer na den vele horen,
De hide vnd lande wolden vorstoren
Vnd vp nenen vrede vnd salicheit dachten,
Vnd ere gud2) alle tid ouel to brachten,
Dar auer mochte he lif vnd land vorlezen
3)
Er warnt vor unfruchtbarer Gelehrsamkeit, vor unntitzen
Tifteleien, die nur den Kopf beschweren und Unfrieden er-
zeugen, obgleich er gut weiss, dass zu seiner Zeit sich mancher
Narr mit Fragen beschaftigt, auf die er nie eine befriedigende
Antwort finden kann, vgl. oben S. 198.
Seiner naturlichen einfachen Art entsprechen die Bilder,
die mit Vorliebe dem Alltagsleben und der Natur entlehnt
sind, so f. 76 b:
Symonia is twarn en snode brud (4198)
Vnd is der sele eyn gans bitter krud.
oder f. 106 a
Vnkuscheyt is eyn bitter crud (5965)
Vnd brynget menghen to den dore vth.
Von der Vsura heisst es f. 69 b :
De verde dochter het bose nucke, (3804)
Der moder art eyn bose stucke,
Weme de dochter kumpt vnder de deken,
Deme es en nacht wol enweken.
Von der Unkeuschheit f. 103 ft:
Vele kinder heft de vnkuscheyt, (5783)
Dar mennich mede to bedde geyt.
') Hs. : „das".
*) Nach „gud" in der Hs eine Rasur. Im folgenden Verse „hetf
fiber der Zeile nachgetragen.
*) Hier fehlt mindestens die Reimzeile.
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— 210 —
Einen Menschen, von dem man nicht weiss, ob er gut
oder schlecht ist, vergleicht er einem faulen Ei, das, bevor
es aufgeschlagen, zwischen den guten Eiern liegt. Er scheut
sich dabei nicht, die Behauptung aufzustellen, dass Mancher,
den man nach seinem Tode fiir einen Heiligen gehalten, tief
in der H811e liege, vgl. f. 39 • :
De ene het gud, de ander quad, (2150)
Mennygh het vrome ane de daet.
Inmanifesti1) sunt fUii dei et filii didboli,
Godes vrant syn vnbekent.
Me holt mennyghen hillich, de wol brent
In der depen helle grunt,
Des duuels vrunt syn ok nicht kunt.
Eyn mynsch is rechte also en vul eyg,
Er dat wert broken entweyg,
Mankt den guden dat henne gheit.
Eyn jslik mynsche ok so deyt:
Wan de mynsche steruet, dat eyg tobrikt,
So vint me wat dar ynne stykt.
Noch drastischer stellt er dem Schlechten, der seiner
Umgebung sittlichen Schaden bringt, eine Kuh gegenttber, die
im Schmutz gelegen und dann mit ihrem Schwanze alle Ktthe,
die mit ihr gehen, beschmutzt.
f.41aWan en koe in deme drecke lycht2), (2260)
Dar na den saghel wedder vprycht,
De anderen to male se besleyt,
Wo mannych dat denne by er gheyt.
Eyn islik ampt wyl selschop han,
De homodighe wyl allene ghan,
De vordomeden in der helle pyn,
Den dunket selschop vroude syn.
Oaudium est impiis societatem habere in tormentis*)
') 1. Joh. 3, 10: „In hoc manifesti sunt11. „Inmanifesti" ist nicht
vom Schreiber versehen, das folgende zeigt, dass Josepe selbst so ge*
•chrieben, wenn er tiberhaupt die lateinischen Zitate beigefflgt hat
•) H8.: „lycht", von der zweiten Hand aua „lechtu verbessert
») Am Rande rechts von derselben Hand nAugu8tinusu.
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— 211 —
Mag es regnen oder schneien, der Pflug des Wucherers
bleibt in Th&tigkeit ; seine Schiller mtissen, wahrend er bequem
beim Ofen auf seinem Stuhle sitzt, im Schlamm, Schmutz und
Regen, far ihn arbeiten, vgl. f. 70 b fg.:
Sone, du scholt vortan weten vnd merken, (3877)
Wat vsura, de dochter bedryue,
Se helpet deme manne van dem wyue.
Wor se lange wanet vnder deme dake,
Dar is de wert myt vngemake,
Wan de wokener dar in kompt gande.
Rede pennynge, efte gude twevolde pande,
Dar moet syk de wert na richten,
f. 71'Wyl he sik myt de dochter vorplichten.
0 du wokener, du varlike man,
Deue, rouer, morder latent darvan,
Wente de dre stat to male grot euenture,
Sunder du syttest in den drogen by deme wure,
Vnd hest diner kunst nene1) word.
Dat regene, dat snyge, din ploch geit vort.
Du sist by der glud vppe dynen stole,
Dyne scholer waden in deme pole,
In deme drecke, in dem reghen,
De dy ere nerynge moten to dregen.
Du slapest, du wakest, dy wasset io to.
Mannich lopet baruod al ane scho,
De mod dy bergen vnd voden,
Wo kanstu dat tegen god vorguden!
Also warliker van dy screuen steyt
Qui pecuniam non dedit ad vsuram.2)
In dem boke der salicheyt,
Dat nen wokener to gode komen kan:
Vsurarius non habitet in loco dei, sed in tabernaculo
magne nriserie.
l) Vor „nene" ein Buchstabe ausradiert.
") Am Rande von derselben Hand : „ps" = psalterium. vgl. Ps. 14, 15.
Es ist nur der Anfang der Stelle, es iehlt das Wichtigste : „non movebitur
in aeteraum". Hier ist unzweifelhaft ein Zitat vom Rande, das nicht von
Josepe war, in den Text gedrungen, das Zitat Josepes kommt ep&ter.
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— 212 —
Josepes Vertrautheit mit den Verh<nissen auf dem Lande
ersehen wir auch aus seinen Ausserungen uber die Verpflich-
tungen des Schuldners dem Wucherer gegeniiber. Er lasst bei
dieser Gelegenheit den Juden voile Gerechtigkeit widerfahren:
w&hrend der Jude selbst seinen Feind billig behandelt, nimmt
der Christ sogar von den nachsten Angehdrigen dreifache
Zinsen, f. 71 b :
De yode nympt van synen vygende (3931)
Meghelike gaue vnd gude pande,
De cristene yode dat node dede,
Dat he synen angeboren vrunt vorlede,
He mod eme treuolden woker geuen:
o
Vor achte schillynge enen schepel roghen to dem jare
Vnd syn gelt wedder ane anxst vnd vare.
Vor2) eyne mark mot he eme plogen,
Dre mark efte vere kan nement vornogen,
f . 72* He mot eme segen, plogen vnd meygen.
Dat how vppe den wysken laten weygen.
Vor teyg mark worde he syn meyger
i)
Dat is eyn wyse hir in deme lande,
God geue alien wokeneren schande.
Inferno deterior usuraritis, qui quodcunque*) iniuste
possidet, statim dimittit, usurarius non.
De stolrouer is arger wan de helle,
Wol dat he is des duuels geselle.
Wat de duuel myt vnrechte besyt,
Wedder to geuende he dat lit,
De wokenere nemende nicht wedder gift,
Dat geld eme also pek to den handen klift.
Von den Geistlichen, die des Matthaeus Lehre ^gratis date,
gratis accepistisa nicht befolgen, sagt er f. 75 b:
Mattheum den saligen, lerden man, (4147)
Den latet se achter de dore stan.
*) An beiden Stellen fehlt mindestens die Reimzeile.
*) Von deraelben Hand verbessert aus „Der".
8) Hs.: Bquicunque".
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— 213 —
Monche, die sich durch die Gesprache mit Weltlichen be-
irren lassen, vergleicht er dem Finken im Kafig, den der Ge-
sang des freien Finken alles Gute, das er in seiner Gefangen-
schaft geniesst, vergessen lasst. vgl. f. 77 b :
Eyn vinke, de in eyneme bure sith, (4247)
In deme drogen, ane arbeyt vnd sorge ith,
Wan he enen wilden vinken hort,
He cleyet, he bith, he were gerne vort,
Vnd stunde syn euenture wat he ete,
Vp dat he nicht lenger1) besloten sete.
Ein Meisterstuck realistischer Kleinmalerei ist Josepes
Schilderung der Saufer, die unverkiirzt mitgeteilt werden muss.
f.l26*Gula ok wol dochter het,2) (7140)
De ene mager, de ander vet,
Inmundicia is de dochter genant
Vnd is vor zabben wol bekant:
Vnrenlich de drunken lude zint.
De kroger de warheyt wol bevint,
Wan se dor den stol leken
Vnd aver de tungen ene elen spreken.
Deme drenker stinket munt vnd clet,
f.l26bDen drank maket eme nement let.
To alien snoden ampten wol is rat,
To deme drinkent yo nen stat,
Auent, morgen, spade8) vnd vro,
To der kannen he lopet yo.
Eyn rouer mach werden rike,
Eyn dobeler deyt des gelike,
Eyn dochter der moder entronnet,
Afflaten ze alle wol konnet,
De drenker jummer drynke4) mot
Vnd vorbringe sele, liff vnd gud.
He denket nicht vppe wiff efte kint,
1) Hs.: „leng".
2) Am Rande von deraelben Hand „prima filia guleu.
8) Hs.: „8prade".
4) In der Hs. : „dryncket", „tu von einer zweiten Hand.
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— 214 —
Wor he zine kumpane vint,
Dar kumpt he by in dat lach,
Erne schelet nicht eyn half dach.
He vraget nicht na gode,
Efte dat he holde sine bode,
He hort nicht gerne godes reden,
Wllen drinken! dat is zin beden.
Wan me eme secht van der zele vnd helle
So secht he, drink my to, myn leue gezelle!
Lat vns hir dussen drank nu delen,
We se wynt, de mach ze zelen.
He horet gerne den soten sangk:
Drink vth vnd wes nicht langk!
We1) secht kumpan, dy wert en wl,2)
So richtet he vp hals vnd krul
Und secht: du bist bestan,
In wil nicht ens van dy nu gan.
Ik wyl dy don lik vnd recht,
f.l27ftEn beerman to deme anderen secht.
Quid turpius ebrioso, cut fetor in ore, dolor in corde,
tremor in corpore?
De vulle man is ane schame,
Dat vulle wiff is ane rame.
Se weten nicht van eren zinnen,
Wat se don, efte wat se beginnen.
De redelicheyt is gym entgan,
Se willen kyuen, ropen und slan.
En swynekerl mot yo slapen,
En perdekerl myt vusten drapen,
En hundekerl wil biten vnd schelden,
En ezelkerl wil by vrouwen elden,
Alzo het de drinker tidvordryfF,
Dat sy man efte wyff.
Wan de vulle man van deme lage geyt,
Und by den wanden vallet edder steyt,
Dor lecht he alzo vake in dem stalle,
Eft wor he kumpt erst to valle,
l) Hs.: ,Me«.
») „wlu = „vul".
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— 215 —
So spyset he katten vnd hunde
Myt den lenden vnd myt den munde.
So blifft he liggende in1) dem woze,
Vor sineme munde wasset en roze,
Des is wol ener guden elen langk.
Des anderen dages is syn houet krank.
Is dat me de vullen vp eyn bedde lecht,
Dat kan he buken vppe recht.
Ebryus in corde nunquam iacet sine sorde.
De ander dochter is bereyt,
2)
Unredelike*) vroude is se heten.
Wan de stumper er ber vorgheten,
Dat se moten betale dure,
Vnd schimpen myt dem vure,
De ene den anderen beghut,
Ouer de brende he ene wedder tut.
Met stolen vnd myt benken
Kan de ene dem anderen schenken.
Vnredelik is alle ere bedryff.
Van schimpelworden wort de kyff.
Se ropen vnd singen alzo de stere.
De sangk kumpt van gudeme bere.
Des drynken ze auer grote toghe
Vnd vrouwen hunde vnd soghe.
Se vrouwen syk vnd weten nicht wes,
Ok werpen se sinke, dus, es.
Houeske wrowen (!) hebben se gerne,
Vordoruen wert des mannige derne.
De vulle mynsche syk blotet vake,
De sterke drank is des en zake.
Nachdem dann von Noe und seinen SShnen die Rede ge-
wesen und berichtet worden, dass Noe seinen Sohn Cham ver-
flucht, folgt die humoristische, aber recht sarkastische Bemerkung:
') In der Hs. „iu von derselben Hand aus „t" verbessert.
*) Die fehlende Reimzeile lautete vielleicht wie oben S. 209 „mit
menneghen se to bedde geit".
•) In der He. beginnt dieser Vera mit „Inepta leticia", was wohl
Tom Rande in die Zeile geraten.
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- 216 —
Dat was in der olden ee en sede . ., (7242)
Dat de wedder1) de benedictien geuen und neraen
Vnd den kinderen ok bequemen.
Alzo is van esau vnd jacobe screuen,
Wo gym wart de benediginge geuen
Van erne, de ere vader beyde was,
Isaac, sone, loue my das.2)
Dann kommt der Schluss iiber die Trinker:
De vullen lude willen krolen, (7250)
Lude ropen vnd eyseliken vnd lude tzolen.
Se weten nicht, wat ze bedryuen,
Efte wor se de nacht auer blyuen.
Kamen se nicht vppe dat bedde efte in de dore,
So ligghen se vp dem messe dar vore.
Vnredelik is des vullen daet
Vnd de vroude, de he haed:
Nil bene discernit hie, quern potacio sternit.
Noch an zwei Stellen beklagt Josepe die Folgen
der Trunksucht: die jungen Leute vertrinken Sinn und
Verstand, die Vollen und die Halben sind eine wahre Land-
plage, vgl. f. 82 a :
propter detestationem incontinencie mundus perijt*) (4508)
Dat crut vnd vruchte worden ane macht,
Dar wart vlisk, vlisketent van gode erst bedacht,
l) ,, wedder* = ,veddera, ^veder11, flVater*, nicht = „wiedera.
%) Vgl. oben die Anmerkung 9 auf S. 198.
8) Vorauf geht f. 81*> unter Berufung auf die Glosse (zu der Bibel )
eine merkwurdige Ansicht, die ich hier ohne weitere Besprechung folgen
lasse. Ich bemerke nur, dass keine Ubersetzung des Lateiniachen folgt:
Druttich elen was de arke hoch, (4472)
Also sede de gonne, den de wyn bedroch.
De arke was gebuwet alto sere vast,
Na bequemicheyt dede id noe sunder hast
De arke nummer mer kan vorghan,
Me kan se nicht tohowen edder toslan.
Van den leuen vrouwen de glose secht also :
Non potuit frangi aliqua vi, vel arte, nisi addito men-
struo mulierum.
Vgl. iiber das Menstrualblut als Zaubermittel Ploss, „Das Weib in der
Natur- und Vfllkerkunde" I*, 351 fg.
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— 217 —
Dat do noch vore ny was gheschen.
Ok na deme watere wyn wart erst gesen:
Esus carnis prirnitus datus est post diluuium.
Vore leveden de lude also ander rynder
Myt spise vnd dranke, nu konnet alle kynder
Drynken wullen vnd haluen, wan se komen
Erst to eren jaren, dar vmme wert en genomen
Redelicheyt, synne vnd de jungen jare.
De olden, de des nicht plagen, de leueden ane vare,
Eyn islik na syner lust, auer lange daghe.
De wllen vnd de haluen synt der lude plage.
Also de lude storuen in der watervlut,
Also konnen se vorderuen in deme bere gud.
Josepe wirft den Rich tern seiner Zeit vor, dass sie satt
vom guten Bier oder Wein in schwierigen Fallen die Ent-
scheidung treffen und mit trunkenen Zungen den Leuten und
sich Pein bereiten, f. 40 b :
Dat eyn mynsche nu nycht werliken weth, (2236)
Mogheliken he gode dat rychte leth,
Dat gheit nemende ouel, id ghink em leuer bat.
Ik^mene dat rychte, wan de lude sint sat
Van deme guden beren efte wyne,
Vnnuchter1) tunghen don der lude pyne,
Vnd sik suluen don des ghelyke.
Strenghe richtet de here van hemmelryke.
Satis periculosum est de suspicione quemquam iudicarc.2)
f. 41 * Eyn deff . de velen luden wat stelet,
Vnd blift de vndaet vorhelet,
Dar mede me wol mannighen wewracht,
De dar ny hadde vp ghedacht
Vnd ok wul node hadde dan,
De schuldighe mach wol in den hupen ghan
Vnd vp den vnschuldighen mede schelden.
We kan der lude herte melden!
!) In der Hs beginnt dieser Vers, offenbar verderbt: „Vnd nicht
der tunghen".
') Am Rande links von derselben Hand nGregorius".
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— 218 —
Dar vmme mach eyn jslik vp syne sunde trachten
Vnd enen anderen also nicht vorachten.
Nullum indices suspicionis arbitrio,
IUud quod nescis diuino committe iudicio.1)
Auch sonst spricht Josepe sich scharf gegen die S c h a d e n
des Gerichtswesens seiner Zeit aus. Die Verbrechen der
Machtigen werden an den Armen gebftsst. Straflos kOnnen jene
viel stehlen, w&hrend diese ftir einen geringfiigigen Diebatahl
in Fesseln vor Gericht gezogen werden, f. 40 b :
Wan eyn rike sik suluen vorwracht, (2228)
Dar mede werden de armen bedacht,
Dat de rike weldighe wul ouel deit,
Wrake vnd ruchte ouer de armen gheit.
De ryken deue leth man ghan,
De armen bunden vor gherichte stan.
Me leth dat to, dat de ryke langhe vele stelet,
De arme enes cleynen vnd2) wert ghequelet.
Alle Tage kann man sehen, dass man vor Gericht auf
die Klage der Armen wenig achtet, nur wer Geld geben kann,
findet Gehflr, wer das meiste Geld in der Tasche hat, gewinnt
seine Prozesse, vgl. f. 48 b :
Dat gud is lef knechten vnd heren (2683)
Vnd kan dat recht wol vmme keren:
Acceperunt munera et peruerterunt iudicia*)
f.49aDat is in der olden ee gheschen,
Vnd dat mach me alle daghe seen,
Dar der armen sake is nowe hord,
Vnd de, de geuen mach, de kumpt vord.
We den gennen, de also rychten
Vnd syk mit der gaue vorplichten,
*) Am Rande rechte von dereelben Hand „Augustinus". Diese Worte
des Augustin passten besser oben, wo die Worte Gregors nur den ereten
Teil des Gedankens treffen. Jedenfalls stehen sie nicht an der richtigen
Stelle. Ein neuer Anlass, die UrsprOnglichkeit der lateinischen Zwischen-
satze zu bezweifeln.
*) Diese Stelle ist verderbt, ich weiss aber keine Besserung.
») Vgl. 1. Reg. 8, 3, wo aber judicium" steht.
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— 219 —
Na bede efte na vrunden raden.
Vnrechte rychten kan wol den schaden
Vnd bryngen de rychten in schande vnd in last.
Dorch gaue wert recht vnvast.
Ve vobis, qui corrupti estis prece aut precii1) amove
aut odioyl) qui non iura, sed munera, non iusticiam, sed
pecuniam, non quod ius dictat, sed quod mens cupiat,
qui non indigenti, sed habenti1) casus iudicatis.
We den gonnen, de des rechtes breue
Vorkeren dorch gaue, hat efte leue,
Vnd de de keren vnd wenden dat recht
To den, de de mest in der tasken drecht.
De grote gaue wol kan maken
Recht vnrecht in alien saken.
Paues, meyster vnd ander vorsten,
De na gelde vnd gude dorsten,
Selden se horen der armen sake.
Dar vmme vake godes wrake 4
Mede auer de vnschuldigen geyt.
Deshal b richtet er die strenge Mahnung an die Richter,
ohne Unterschied der Person zu richten, die M&chtigen nicht
zum Sitzen zu nStigen, dagegen die Armen draussen im Regen
stehen zu lassen, f. 50 a :
0 gy rychter richtet recht (2774)
Heren, vrowen, maghet vnd knecht,
Dat gyk dat ruchte nicht volge na,
Dar islik vmme to straffene sta,
Latet de ryken sytten ghan
Vnd de armen in deme regene stan.
Wylle gy den rechten weg wanderen,
So rychtet den enen also den anderen.
Rychtet den armen, horet syne sake,
Waret gy vor godes wrake.
Den Fttrsprechen, Anw<en und Juristen wirft er vor,
dass sie die Zunge, das edelste Glied des Menschen, verkaufen,
um das Recht zu kriimmen. Gott werde sie beim letzten Ge-
richt zur Verantwortung Ziehen, vgl. f. 14 a :
') H8. „precio" — „odeo" — „habente".
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. Alterttlmer zu Em den, Bd. XV. 15
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— 220 —
Gy vorspraken, pladerer vnd juristen, (725)
Gy sint nowe recht cristen:
Gy vorkopen dat eddelste let van dem live,
(Dat vneddelste vorkopet de wyue,)
Dar gy mede scholden lauen vnd eren
Jhesum cristum, vnsen leuen heren,
Dar mede spreke gy recht van krum
Vnd maket de rechtuerdighen slichten stum,
De dat recht nicht wol vornemen.
Gy moten gyk des vor gode schemen.
Alle de myt der tunghen kyuen
Vnd den luden schade to driuen
Van vorkopen wynt vnd wort,
De beghan rof vnde mort.
Wat wyllen se vor dem rychter spreken,
De alle vnrecht wyl swarliken wreken,
Dar alle sunder scryget: o we, o wach!
Vnd bidden vmme den donreslach,1)
Vnd dat de blixeme se wille vorswynden,
Vorbernen vnde alle vorblinden,
Vppe dat se nicht droften to rechte ghan
Vnd to schanden vor alle der werlt stan.
f. 14b Mallent fulgore incendi in iudicio impii.
Von vornherein kSnnte man geneigt sein anzunehmen,
dass Josepe auch auf die Frauen schlecht zu sprechen sei und
ihnen alles bose nachrede, wie es z. B. f. 64* geschieht:
De gyricheyt tochter hefft sosse.2) (3510)
De synt truwe also de roden vosse.
De erste is fallacia genant
Vnd is alien landen bekant.
Also de moder is, also is dat kynt,
Valscheyt3) me by den gyrigen vynt.
De dochter is den vrowen recht,
Den is bedregynghe tolecht.
Spynnen, wenen vnde bedreghen,
l) In der Hs. von derselben Hand verbessert aus „donredachu.
*) Am Rande von derselben Hand „Prima filia auaricie".
•) „su aus „1" von derselben Hand verbessert.
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— 221 —
Dat is den wyuen gheuen eghen:
Fallere, flere, nere statuid deus in muliere.
De rede synt war vnd vngeloghen,
De vrowen hebben menghen bedroghen
Adam, sampsonem, lod, david et sdlomonem
Femina decepit, quis modo1) tutus erit.
Aber diese Vorwiirfe sind, wie die lateinischen Verse be-
zeugen, althergebrachte ohne jede individuelle Farbung, ja auch
ohne die Ausfuhrlichkeit, die wir tiberall da bei Josepe finden,
wo er ganz bei der Sache ist. Selbst an der Stelle, wo er
auch nach alten Vorgang vor zu grosser Vertraulichkeit gegen-
iiber dem Freunde und der Frau warnt, darf man nicht an-
nehmen, dass sich seine Warnung gegen die Frauen tiberhaupt
richtet, er mahnt nur zur Vorsicht gegenuber „den snoden
wiventf, den feilen Dimen, vgl. f. 104 b:
Noli credere amico, noli confidere in came, que (5870)
dormit in sinu tuo, custodi claustra oris tui.2)
0 kint, loue nicht to alien stunden
Noch deme wyue, npch den vrunden;
Wltu hebben raak vnd vrede,
So slut dyner tungen stede,
Openbare den snoden wyuen nicht,
Dar dy ere vnd lif ane licht.
Vnder tyden wol kumpt eyn stunt,
Konde se spreken dy in der helle grunt,
Nicht beter, nicht arger were eyn wyff,
Se vorbrynget vnd reddet sele vnd lyff :
Conatus carnalis inclinat*) animum ad corrupcionem
et inducii corporis ruinam.
In regimine principum me dat vint:
Ware dy vor snoden wyuen, leue kint,
De vnkuscheyt vorblindet sere
Den volger vnd bringet to were:
Mens excecatnr, que luxurie famulatur.
l) Der Schreiber hatte mit „nou angefangen, das er dann durchstrich.
*) Micheas 7, 5: „Nolite credere amico, et nolite confidere in duce :
ab ea, quae dormit in sinu tuo, custodi claustra oris tui11. Die Hs. hat
tincino tuo".
•) Hs : 8inclinant*.
15*
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— 222 —
Aus demselben Grande k5nnen hier nicht in Betracht
kommen Verse mit weit verbreiteten Gedanken, z. B.:
f. 45a Dobelspel vnd vrowen leue (2469)
Maket manghen man to deue,
f. 83b De twe vorbrynghen herte vnd zynne (4589)
Vullicheyt vnd vrowen mynne.
Vinum et mulier apostate faciunt sapientem.
Josepe richtet seinen Tadel nur gegen diejenigen Frauen,
die ihn wirklich verdienen, z. B. gegen die Putzsiichtigen,
Babucke S. 32 fgg., und gegen die, welche ihre Manner be-
stehlen, f. 79 a:
Eyn deff in eynem closter bewracht, (4353)
Eyn scholer het der maget macht,
f. 79b Eyn vrowe, de to des mannes tasken geyt,
Desse dre konnet maken arbeyt,
sowie gegen diejenigen, die ihre Kinder nicht stillen, f. 107 a :
Eyn jewelik dar vodet sin kint, (6017)
Wat der in der werld sint,
Sunder de visk vnd mennich wyff.
Leider bricht der Gedanke damit ab, es fehlt jedenfalls mehr
als die blosse Reimzeile. Auch das darauf folgende muss
versttimmelt sein, wahrscheinlich infolge absichtlicher Aus-
lassungen. Der Gedankengang lasst sich erraten. Der Stifter
der heiligen Ehe ist Gott selber. Ihre Wtirde lasst sich aus
der Bibel nachweisen. Jesus Christus ehrte durch seine Gegen-
wart die Hochzeit zu Cana, Maria und Joseph lebten in der
Ehe. Alle MGnchsorden sind nur von Menschen gegrttndet, sie
stehen bei weitem nicht auf der Stufe des Ordens der Eheleute.
Das Konkubinat hat nicht diese Bedeutung. Wer die heilige
Ehe, das liebe Sakraraent, recht kennt in Rechtfertigkeit und
wahrer Liebe, der darf selig heissen. Wem Gott die Gnade
gegeben, dass er der heiligen Ehe anhing und sich ihrer wtirdig
gemacht, der hat nicht vergebens gelebt. Man wird zugeben,
dass diese Gedankenreihe nicht alien Ordensleuten gefallen
mochte. Auf ihr Missfallen fiihre ich die schlechte tiberlieferung
in den folgenden Versen zuriick, die durch absichtliche Aus-
lassungen teilweise unverst&ndlich gemacht sind. Ich bezeichne
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— 223 —
nur diejenigen Lticken, die durch fehlende Reimzeilen deutlich
erkennbar sind. f. 107 a :
Dat hilge echte is geschapen (6020)
Den leygen, ritteren vnd knapen,
Dat se mogen lefliken spelen,
De werlde meren, kindere telen,
Dar vmme is dat hilge echte vunden
Van deme heren to twen stunden.
Vmme kinder telen dat is geschen,
Dit mach me in den boken sen:
Quia dicitur premium nupciarum, propter quod nupcie
celebrantur et carnalis cogiiatus excusatur.
Eyn bewysinge is des dat, leue kint,
Dat sine elderen in der echte zint,
De bykindere dat nicht tugen kont,
Wor de krans van rosen1) is vorront,
f.l07bWol dat se to malen wol digen,
De kinder kamen sunder vrygen
Vnd werden alzo drade boren,
Also roret is to voren.2)
Alle orde de me hir nu vint
Van hilgen luden maket sint:
Sunte bernardus makede den grawen orden,
Benedictus den swarten vnd is gheworden
l) Vgl. in der Geschichte Amons und Thamars f. 84* :
Is dat syk dat mach themen, (4618)
Du mocht my to der ee wol nemen.
Tamar hadde gerne van eme wesen,
Amon begunde tosamende lesen
Ane dank ere juncvrowelike cleyt.
Dat was tamar to male leyt,
Se konde eme myt nichte vntkomen,
De rosenkrans was er benomen.
Se bat, dat se mochte syn maget blyuen
Vnd er vngelucke so vordryuen.
Amon was eyn modink in der hut,
Myt wait dref he thamar vth.
') Eine solche Stelle findet sich in der erhaltenen Fassung des
Gedichtes nicht.
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— 224 —
Dominicus1) makede de predekere,
Sunte franciscus makede de bedelere
Dat hilge echte, dat leue sacrament,
Salich is de gonne, den dat is bekent
In rechtverdicheit vnd in rechter leue.
Weme god de gnade geue,
Dat he dat hilge echte anhenghe
Vnd de cronen des echtes entfenge,
De hadde hir wol gewesen.
Ein Erganzung findet diese Auseinandersetzung durch die
Ausserungen iiber die Ehe und iiber den jungfr&ulichen Stand
f. 102 *, die Babucke a. a. 0. 35 vollig missverstanden, zum Teil
in ihr Gegenteil verkehrt hat. Nicht von der Unkeuschheit
der Geistlichen ist die Rede, sondern von der hoffartigen Jung-
fr&ulichkeit, die sich hoher bewertet als den Ehestand. Sie
scheinen auch nicht mehr vollstandig erhalten, sondern durch
absichtliche Kurzungen verstummelt zu sein. Eingeleitet werden
sie durch Ansichten iiber die Praedestination, die nichts weniger
als kirchlich sind, die aber ausmiinden in eine Erklarung, die
wenig zu dera Vorhergehenden passt.
f.lOlb0 quam incomprehensibilia sunt indicia et investigabiles (5690)
vie tuey domine.2)
Godes werkynge nement wol kan
To grunde weten, vrowe efte man.
Eyn del is der lude vterkoren,
Eyn del to vngelucke boren.
De vterkaren al wat se dut,
Arch wert gym ghewandelt al in gud.
In des heren gnade se synt
Hir vnd dar, wor me se vint,
predestinacio est preparatio grade in presenti et in future
Al wat se don, dat is wolgedan.
Nummer kan id gym ouel gan.
*) Hs. : „Diminicu8a. Vorher fehlt mindestens ein Reimpaar.
*) Hs. : „0 quam incomprehensibilia et investigabiles sunt iudicia et
vie tue domine11. R5m. 11, 33.
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— 225 —
Se sint in saliger tid geboren,
Hir vnd dar to deme hemmel koren:
Et quicquid faciunt, perire non possunt, quia omnia eis1)
cooperantur et in melius conuertuntur.2)
Dusse dink to male merlik synt
An den, de vterkoren sint:
Jacob de was der vterkoren io en,
Esahu de was der nu nen:
Jacob dilexi, hesau odio3) habui*)
De sulue Jacob hadde twe wif vnd amyen twe
Der werlde to male brukede he,
Twe vnd souentich kynder was he vader
Vnd noch dryer to male to gader.
Dat en wert em nu vorkeret,
Efte van nemende do beweret.
De here let dat sulue tho.
Dar vmme mochten se leuen alzo,
f.l02aSe wosten6) wol, se weren dar to karen,
Dat de here wolde werden van gym baren.
Dar vmme vrygeden se vt eren slechte nicht.
Dat is de zake, dat sy nu bericht,
Esau de nam van buten en wyff,
Dar vmme hatede ene dat erlike wyff,
Rebecca, de moder, vnd vader syn.
Dusse sake merke, leue sone myn,
Dat echteleuent do bauen alle stede gink.
Nu is de juncvrowelike stad bauen.
Dat mach me nu bauen alle lauen,
Is dat se nicht in deme vnderbliuen,
Also de juncvrowen moten alle tid kyuen:
Castitas continua pugna, rara*) victoria.
l) Hs.: „eiu8" verbessert von derselben Hand.
') Hs.: „convertantur"; vgl. Rom. 8, 28: „8cimus autem, quoniam
diligentibus deum omnia cooperantur in bonum, iis, qui secundum pro-
positum vocati sunt sancti".
•) Hs.: „odie". Vor Bhesau* eine Rasur.
4) Malachias 1, 3.
6) Hs.: 8mo8ten*.
•) Hs.: „raro".
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— 226 —
De kuscheyt heft steden kyff,
Dat sy man effte wyff ;
Selden dat de kuscheyt wynnet.
We syk auer rechte besynnet,
Vnd steyt der begheringe wedder
De danken gan vp vnd nedder.
Houerdich juncvrowelike stad
De myndert der kuscheyt eren grad
Vnd is des duuels notstal:
Superba1) virginitas est nisi prostibulum dyaboli,
Bose danken is der sele val.
Einige Schwierigkeiten macht es, mit diesen Anschau-
ungen eine Stelle f. 105 a in Einklang zu bringen, die ihnen
direkt zu widersprechen scheint, in Wirklichkeit sie noch deut-
licher hervortreten l&sst. Es ist von der Unstate die Rede.
Wie die Kaufleute sind auch die Verliebten in steter Sorge
die Liebe ist nie ohne Gefahr, der eine bangt urn den andern.
Die Liebe, die sich offen hervorwagen darf, die unwandelbar
ist, steht immer in Ansehen und ist ungefahrdet. Unter Be-
rufung auf eine Stelle in den Sprichwortern, die die eheliche
Liebe feiert, heisst es darauf vollig nnvermittelt: unser Herr
Christus pflegt die rechte (hSfische) Liebe. Nach der Bibel-
stelle kommt, durch eine Anrede an den Zuhorer eingeleitet
und verscharft die Bemerkung, dass Chorherren, Prediger und
Priester, wenn ihr Gebet erhflrt werden soil, sich nicht damit
beschaftigen dtirfen. Jetzt erst wird die Liebe zu Gott mit
der weltlichen Liebe verglichen. Der Dichter kommt dabei
auf seine erste Ausserung zurtick. Die Worte »unse here
Christus" rtihren nicht vom Dichter her, sondern von einem
allzufrommen Leser, der in dieser Weise die ihm allzufrei
diinkende Meinung Josepes berichtigen zu miissen glaubte.
Vielleicht hiess es urspriinglich:
Me dan de levet hovesche leve.
l) He.: „Superbia".
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— 227 —
Vnstede is alle copman1) (5901)
Und de gonnen, de mit amor vmme gan.
Var vnd anxt is gym alle by,
Vnd sorge werden se nummer vry.
De kopman sorget vor syn gut,
Deme anderen steyt danke vnd mud,
Wor de leue henne wonet twar.
De leue is nummer mer ane var,
De ene vor den anderen sorged.
Wor leue is al vnvorborged,
Dar nen wandel mede geyt,
De leue myt eren lange steyt.
De leue de de is vast vnd stede,
De heft lust vnd guden vrede,
Vnse here christus leuet houesche leue,
Also is gescreuen in salomones breue,
Ok schal vroude dar wesen by.
f.l06bS# vena tua benedicta, et letare cum muliere adolescen-
cie tue.2)
0 leue sone, des nu loue my,
We nu schal singen, predeken vnd lesen,
De mach dusser dinghe anich wesen,
Schal sin beth to gode komen.
De leue to gode de mach vromen,
De wertlike leue is alzo de wint,
De me vp enen wesende nicht lange vint.
So is de hir, so is de dar,
He brynget mengen in Hues var,
So is he warm, so is he kolt,
Vele danken maket de lude olt.
jE&8) leuior vends, quern agit distractio4) mentis.
Dasselbe freimiitige Urteil finden wir in alien Teilen des
Gedichtes. Nach f. 38 b sieht Gott der Herr nicht auf das
Kleid, sondern auf das Herz, das darunter schl>. Ein frommes
*) Hs.: ,copmam".
*) Proverbia 5, 18.
») Hs.: „Sum\
4) Hs.: tdi8tracus".
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— 228 —
Herz findet man oft unter einem goldgeschmtlckten, feinen
Kleide, w&hrend die unscheinbare graue Kutte eines Cister-
ciensers oft ein boshaftes Herz deckt:
De cledinghe is des mynschen ere, (2129)
De bur enen sak, syden de here,
Eyn jewelik na sinem state.
Non licet regem induere sacco, nee rusticam vestire serico.1)
De hogheste doghet to alien dinghen mate,
De here richtet nicht allene dat cleyt,
Mer dat herte, dat dar ynne sleyt.2)
Eyn jnnych herte me vint vaken
In eneme ghuldene stucke, in guden saken,
An eyneme grawen rocke en herte vorbolghen,
f. 39aWan eme de wait mochte volghen,
He scholde sik an homode ouen.
An der cledinghe kan me ouel prouen
Des mynschen danken efte syn herte,
Den anderen richten brynghet smerte,
Dat an ruchte vnd an ere gheyt.
Eyn gud ruchte is dat alderbeste cleyt,
Dat me dreghen kan vp erden,
Nen beter cleyt nummer kan werden.
Eyn gud ruchto is beter wen golt,
Wan eyn mynsche de werkynghe mede holt.
Schon hieraus ergiebt sich, dass Josepe sich auch den
Geistlichen gegeniiber die voile Unbefangenheit des Urteils
gewahrt hat. Das lasst sich noch genauer nachweisen.
Babuckes Beispiel zeigt, dass die Gefahr nahe liegt, Josepes
Ausserungen vSllig misszuverstehen. Man muss nicht bios seine
Urteile iiber Ordensleute und tiber Weltgeistliche sorgfaltig aus-
einanderhalten, sondern auch bei den Ordensleuten scharf auf
alle Einzelheiten achten, um zu erkennen, welche Orden Josepe
im Auge gehabt. Nach Babucke S. 5 bezeichnet er ganz all-
gemein das Leben in den Klftstern als voller Missbrauche und
die Mftnche als zum grossen Teil rohe, zuchtlose und faule
Gesellen. Das ist durchaus nicht der Fall.
') Am Rande links ein Stern eingekratzt, um auf diese Stelle auf-
merksam zu machen. ■) Hs.: „steyt\
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— 229 —
In Wirklichkeit richtet Josepe seinen Tadel gegen ganz
bestirnmte Orden. Er hebt hervor, dass die Schaden, die sich
in den K15stern zeigen, von jeher bestanden, dass es stets
neben Monchen wie Petrus solche wie Jeze, Judas und Ananias
gegeben habe. Wer sich urn des guten Lebens willen einen
Platz in einem Kloster oder Stifte erkaufe, begehe Simonie, wenn
er das Geld auch nicht dem Abt in die Hand gebe, sondern
es als Opfer auf den Altar lege. So komme mancher ins
Kloster, der sich hSchstens dazu eigne, dieSchweine zu htiten.
Das lateinische Zitat urteilt viel scharfer als die darauf fol-
genden deutschen Verse, ohne dass hier an eine absichtliche
oder zufallige Ausslassung gedacht werden muss. Man hat den
Eindruck, als sollten nur die des Lateinischen Kundigen^die
ganze Wahrheit verstehen. Es ist sicher nicht Reimzwang,
wenn den Monchen vorgevvorfen wird, sie lebten wie weltliche
Kanoniker. Kinder durfen nicht eingekleidet werden, die,
wenn sie zu Verstand kommen, lieber wie Knechte hinter dem
Pfluge gehen wtirden. Was hat die Verwandtschaft von einem
M5nche zu erhoffen! Die Kutte ist das gierigste Kleid. Der
ftberfluss beim Nichtstun erzeugt Hass und Feindschaft in den
Klostern, wie auch ein untatiges Pferd, das zuviel Futter be-
kommt, um sich beisst und schlagt.
Es handelt sich hier offenbar nur um die reichen Kloster
und Stifter, die den jungeren Sohnen der Adligen offenstanden,
und deren Insassen, ohne sich an Ordensregeln zu binden, wie
weltliche Kanoniker lebten.
Horen wir nun Josepe selbst, f . 76 b :
Me vint symoniam in alien orden, (4200)
Vnd dat is nu nicht erst geworden,
Dar hebben de poeten van bescreuen:
In templo dornini sunt semper quatuor isli,
Cum jesi judas, cum petro fur ananias.
By jeze nimpt me symoniam vp, (?)
Myt iuda stan de valschen broder an,
Myt petro de rechtuerdigen gat stan,
Myt anania de deue betekent synt,
Dusse vere me in alien klosteren vint.
De gonnen, de syk an eyn kloster^ geuen,
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- 230 -
Dar vmme dat se mogen wol leuen
Vnt eten vnd drinkent alle tyd sat,
f. 77aGheuen se vor de prouen wat,
So is symonia myt ene1) ane var,
De dat gift, de nympt beyde par.
Hore, wo dar van is bescreuen:
Ab intrantibus nil debet exigL2)
Wyllen se nicht in de hant geuen,
So wert dat vp dat altar lecht.
Dat schal offer syn, de abbet secht.
Wor vmme offerden se nicht er also,
Er se den monnik makeden yo?
Mannich mot de kappen dregen,
He mochte leuer den swynen plegen.
Cappam accipiunt, non vt voluntati2) diuine
obediant, sed vt sine labore commessationes
Et ebrietates exerceant et sine cura delicate viuant.
Dat en sint nicht rechte monnike,
De dar leuen in den vollen also ander kanonyke.
Cappa non facit monachum, sed obediencia et vita
Regulares, et qui secundum regulam debite viuunt.
Kynder werden in kappen geuen,
De vele leuer de ploch dreuen,
Wan se tho syk suluen kamen.
Wat kan den vrunden de kappe vraraen,
De de nement vullen efte4) saden kan!
5)
De kappe is dat girigeste clet
Vnd mer vul hat, wan ik jenich wet.
Wat is, dat nu telet afgunst vnd had
Mank luden, de besloten ghat,
Nycht wen der spise ouervlud.
f. 77b Dar van wasset herte vnd mud.
l) H8.: ,eme',
*) Am Rande rechts: „Raymundus\
•» Hs.: „voluntate", im folgenden „obediunt", viuunt".
«) Hs.: vor ,efte« „ef".
5) Vielleicht sind auch hier absichtlich die Reimzeile und weitere
Verse ausgelassen.
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— 231 --
Eyn perd dat in dem selen tuth,
Vnd seldene gude haueren suth,
In groter bequemicheit dat pert vorgeyt.
Dat vulle pert ane arbeyt, dat bit vmme vnd sleit.
Nach der oben S. 213 angefiihrten Stelle f&hrt Josepe
fort f. 77 b : Kutte und Herz leben in Zwietracht zum Schaden
der Seele. Auch die alten Leute, die ins Kloster gehen, urn
dort bequem zu wohnen und zu leben, begehen Simonie. Dann
bespricht er die Klosterleute, die sich dem Judas vergleichen,
Laienbriider und Laienschwestern, sowie M5nche und Nonnen
zusammenfassend.
Wan twidracht heft cappe vnd herte, (4254)
Dat bringet der armen sele smerte:
Habitus corporis sine corde periculum videtur anime.
De olden de1) syk in de clostere geuen,
Vmme dat se mogen ane sorge leuen,
Vnd hebben wonynge vnd wys brot,
Vnd cledinge vnd wes gym is noet,
Ik loue, dat se symoniam sterken.
Dat mach me in den boken merken:
Non enim deus, qui seruiunt ewangelio, ordinat querere2)
delicias, sed tantum denote viuere2) et querere eternas
diuicias etc2)
By iuda sint de valschen brodere vpgenomen,
De nicht van doget in de cappen kamen,
Leygen, prester, vrowen, we se synt,
f. 78a Eyn islik synen del wol vynt.
Judas hadde syk to den heren geuen,
He hadde beter8) van eme bleuen,
Do he sik nicht wolde bekeren
Vnd don na deme worde des heren
Und na den teken vnd wunderwerken.
De valschen broder mach me merken,
*) In der Hs.: vor „dea durchstrichenes wf4.
*) Hs.: „querera", im folgenden „devote viuere1* fiir „deu mit
dariiberatehendem „teu und „vuleu der Hs., am Schlusse hat die Hs. die
Abk&rzungen „du „hea, mit denen ich nichts anzufangen weiss.
•j Hs.: „bet".
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— 232 —
De de abbet vnd pryor schal dwyngen,
Dat se lesen, arbeyden vnd syngen,
Vnd dat se to kapittel ghan,
Beden, vasten, correction entfan.
De1) me in ouertredinge vnhorsam vint,
Merke, eft dar nicht welke mede synt.
Hadden se des macht vnd konden vorraden
Den abbet, vnd mochten se den den pryor braden,
Ik vrage, wer dat nicht schege.
Ok eyn de de lange ynne leghe
Dorch vnhorsam edder ander ouele daet,
Also ere penitencie to gaet,
Myt al den de syk ouel theret,
Judas sin myt gym regeret.
De ouerste des closters is in nod,
De gym besorget'spise vnd brod:
In periculo magno versatur, qui in religione sublimatur.2)
Wo kan en man van alien vordenen dank,
Dar sovoge kragen synt mank?8)
We velen denet, de denet nemen4)
Qui communitati seruit, netnini seruit.
Auer vele lude denet wol enen.6)
De stat nicht lange in vrede steyt,
Wor radet de gantze menheyt.
f. 78b Vele lude radet mer wan en,
Turba multa melius iudicat quam vnus tantum*)
Wan dat se enen korden then.
To lange endracht nowe besteyt,
Wor wait ouer den ouersten geyt,
De de schal en stichte vorstan,
Vnd alle dink schal rechte dore gan.
Vele lude, de vnvorvaren synt,
Cleynen rad me dar by vynt.
>) Hs.: „den".
*) Am Rande rechte: ,,gregoriu8".
») Hs.: .,manktu.
*) „nemen" in der Hs. verbessert aus „nement".
5) Hs.: „enem".
•) Am Rande rechte: „philosophusu.
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— 233 —
Wan de vngenanten scholden raden,
So sint de vorsochten sere vorladen,
Selden dat deme bleke ere schut,
Vbi multitudo, ibi confusio, ubi confusio, ibi nulla
certitudo, scilicet in1) iudicando et regendo,
Also me dat in alien enden suth,
In steden, in closteren, in alien enden,
Wor syk de lude henne wenden.
Wor her omnis rate reth vnde geyt,
In eren dat stichte nicht langhe steyt.
Ausdriicklich erklart Josepe, er hoffe, dass die Zahl der
ttichtigen, treuen M5nche, die nach Petrus sich richten, die
aller tibrigen tibertreffe. Die Stelle ist wieder verktirzt, viel-
leicht fehlt mehr als die eine Reimzeile.
By sunte peter synt genant (4315)
De vromen, truwen broder bekant,
De dem ouersten vnderdanich synt.
Dat me, also ik hope, mest vnde mer vint,
Wan alle de anderen alto male
Hore, vrunt, sunte anthonius rede,
Wo he to synen kumpane sede:
Wy sint alle van gode schapen vnd worden,
Van deme heren koren in den orden,
Vnd sint monnike vnd prestere heten.
Wylle wy nu des namen neten,
f. 79a So mote wy vnderdanich syn den heren
Vnd vns van der werlde keren:
Filii mei, vocauit nos in ordinem monachorum2)
Dotninus et sacerdotiutn, we8) videatur falsum nomen
id in nobis, fiat in orando el obediendo etc.
De vramen broder volget anthonius lere,
De wyl hoghen christus, vnse here,
Vor al den, de nu vp erden sint,
Also me darvan bescreuen vynt:
') „in" habe ich hinzugefugt.
*) Am Rande rechts: „Antoniusu.
») Hs.: „videatur neu . . ,,fit".
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— 234 —
Ponatn eutn excelsum pre omnibus regibus terre.1)
Vnse leue here syne dener nicht vorleth,
De sines namen vnd lidendes nicht vorgeth.
Unvollst&ndige ftberlieferung muss man wieder annehmen
bei den Bemerkungen Josepes fiber die falschen, un-
getreuen M5nche, die Diebe in den KlQstern, die sich
nach dem Ananias richten. Es sind, was aus den erhaltenen
Worten des Dichters nicht mehr hervorgeht, diejenigen MSnche,
die ihre selbst&ndige Stellung im Kloster benutzen, urn aus
den Mitteln des Klosters ihre Verwandten zu unterstiitzen.2)
By ananyan den vntruwen merk, (4337)
Valsk vnd vntruwe was sin werk.
Deue me in den klosteren vynt.
Wol dat se begeuene monneke synt,
Noch droueget se de gyricheyt,
Dat se komen in grot herteleyt.
My wundert, wor vmme de leuen heren,
De de sitten vnd sint in groten eren
Vnd hebben nenerleye brak
Vnd maken syk vnd den heren vngemak,
8)
Ok weten se ere bote vnde plage,
Dat se seten lif, sele vnd de ere to wage,
Vnd weten wol ere bote vnd scrift:
Quia paratus expectat te interitus*)
') Am Rande rechts: „psalterium", vgl. Psal. 88, 28: „et ego
primogenitum ponam ilium excelsum prae regibus terrae".
*) Vgl. in den Predigten uber das Vaterunser Hs. E. 65, IV der St.
Nikolaikirchenbibliothek zu Greifswald (siehe meine Mitteilungen aus den
H8S. dieser Bibliothek, Greifswald 1902, S. 16) f. 123* : „quartum in quo
consistit vana supersticio i. e. falsa religio, est habitus religionis, quando
accipitur non causa serviendi deo, sed causa habendi securitatem de
victu cotidiano, sicut in multis filiis nobilium, qui monachantur et canoni-
zantur, ut victum habeant et hereditatem fratrum suorum non diminu-
ant, et si ad dignitates ordinis pertingant, de rebus pauperum parentes
suos repleant".
*) Hier ist eine Lucke anzunehmen, die mehr als ein Reimpaar
umfasst.
*j Am Rande rechts: „andreas".
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— 235 —
....... .*)
Eyn def mot hebben twygerleye var,
Hyr vor dat lif, vor de sele dar.
Darauf folgen die oben S. 222 mitgeteilten Verse. t)er
Abschnitt schliesst dann f. 79 b mit einer allgemeinen Bemerkung,
die den Gedanken S. 230 wieder aufnimmt.
Stelen, haten vnd grote afgunst (4357)
Is der valsken monnyke kunst
Vnd aller begeuener lude
fere omnis religiosus videtur esse odiosus.
Wan de hat vnd afgunst dede,
So hadden de begeuenen to male guden vrede.
Die Geschichte von dem Hofmann, der in ein Kloster strenger
Observanz treten will, bildet den Schluss der ganzen Auseinander-
setzung fiber die Monche : sie soil zeigen, dass es auch ganz un-
tadelige KISster giebt, wo alle vom Abt bis zum letzten MQnch
der strengen Ordensregel folgen. Es ist unzweifelhaft ein adeliges
Kloster, aber eines, das reformiert worden, vgl. S. 208.
f . 79b De bose geyst vorvolget se alle (4363)
Vnd brynget se, wor he kan, to valle.
Dar van eyn mirakel1) steyt.
Eyn haueman sochte salicheyt,
In en kloster dat he quam,
Enen strengen orden dar he annam.
Wor de monnike stunden efte gyngen,
De kappen gym wul duuele hyngen.
Deme hauemanne wart ser banghe,
He mende, dar nicht bliuen langhe.
Io he hilger was de man,
Io mer bosen hengen em an.
Deme abbete dede de haueman clage
Vnd sede, ik hebbe rouet myne dage,
Mer duuele ik ny werlde sach,
Ik wyl vnd mot vp eyn ander lach.
') Es fehlt eine Reimzeile
*) Am Rande links „iraculum", vom „m" ist der dritte Strich er-
halten, das ubrige beim Beschneiden fortgefallen.
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. Altertamer za Emden, BU. XV. 16
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— 236 —
De abbet sede, o leue man,
Lat desse dyng twe dage vore gan.
Do de twe dage vmme quemen,
Twe heren den haueman to syk nemen,
Se voren hen to ener stad,
De haueman vppe deme wagene ?at.
f. 80* Do se vor dat dor dar1) quemen,
De abbet dede deme manne enen remen,
Vnd sede, wat du sust, dat knutte dar jn,
Dar mede kumpt dy dat in den syn.
En duuel vp den dore sat,
De haueman wol sach dat,
Dat knuttede he an sinen remen.
Do se by den market in de stat quemen,
Dar was eyn stolt dans wol na kore,
Eyn wanschopen duuel de sprank vore.
De bose schickede dar den dans,
Achter, mydder, vore, algans,
He was achter, vore, hir vnd dare
Vnd he nam des volkes gude ware.
Vateme, dusynge, guldene smyde,
Suluerne stucke, enge vnde wyde,
Mannichualt was de cledynge dar,
Eyn jslik nam des synes enwar,
Dar he wyllen vnd leue to droch.
Do se des dantzes hadden noch,
De abbet in de herberge vor,
De haueman knuttede in synen snor
Al dat wunder, dat he dar sach.
Des morgens betalede de abbet dat lach.
Do se wedder to hus quemen
Vnd myt worden syk vndernemen,
Do sede de haueman, wat he hadde sen.
De abbet sede, alle heyl mote dy schen.
f. 80b De duuel, de vp den dore sat,
De regeret de2) gantzen stat
Vnd alle, de in dat dor dar komen,
*) H8.: „dat dar41. *) Nach „de" eine Rasur. In der folgenden
Zeile fehlt in der He. .dar".
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— 23? —
By deme dantze hestu ene vornomen>
De dans is des duuels vromen.1)
Al dat volk was vnderdan
Dem bosen alien sunder wan.
De deme bosen denet, den deyt he nicht,
We sik na godes denste rycht,
Also hyr myne heren don alle,
Den kan de bose nicht bryngen to valle.
Dar vmme gym also vele totuth,
Dat me nowe ere kappen edder schepeler sut,
Dat se menen, se wyllen se to valle bryngen,
Vnd wyllen gym vorstoren lesen vnd syngen.
Do de haueman de dyng horde,
Do sede he, my haget wol de orde.
Hyr ynne wyl ik in godes namen steruen
Vnd wyl myner sele gnade weruen.
Dat my myn here wyl tovoghen,
Dar ane schal my to malen wol nogen.
Alle myne sunde synt my leyt:
Ik laue gode vnd gy vnderdanicheyt.2)
Ungew5hnlich scharf findet Babucke die Ausserungen
Josepes gegen die Kloster bei Besprechung der „Usuraa. Zwei
Stellen kommen hier in Betracht, die zweite sch&rfer als die
erste, was Babucke gar nicht bemerkt hat. Ich lasse Josepe
das Wort, f. 69 b:
Vsura8) is de dochter gen ant, (3808)
Mankt leygen vnd papen is se bekant.
De gestliken vnd werliken orden
Synt gekomen, telet vnd worden
Von der dochter,4) na myneme wane.
Wan wokenere vnd gyrige kumpane
*) Diesen Vers halte ich fur einen Zusatz des frdmmelnden Be-
arbeiters, vgl. S. 226.
*) Zum Schluss erinnert der Dichter noch daran, dass er im letzten
Abschnitt von Simonia gesprochen:
Nu de symonya, de dochter secht,
De godes gud vorkoft vnd vorkopen plecht:
Vendere non timeo, quae sunt grata deo.
*) Vorher geht die S. 209 angefuhrte Stelle.
*) Vor „dochter" ein ,,rlt ausgestrichen.
16*
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— 238 -
Den klosteren vnd den kerken geuen,
Wan se hir nicht kont lenger1) leuen,
So komen se in des stichtes bok.
Mennich arm sent gym na synen vlok,
Den se hebben hir betogen,
Afgewokert vnd bedragen.
De girigen riken grot arbeyt doet
To sammelnde dat tidlike gud,
Des he ane synen dank entberen mod.
2)
Aldus driuen de ryken herteleyt,
. Vnd de arme ane sorge to bedde geyt.
Diues*) diuicias non congregal absque labore,
Non*) tenet absque meiu, non deserit absque dolore.
Wan den kumpt der sorge5) dach,
Dat de rike karge nicht mer enmach
f. 70* Vnd mod denne ane synen dank steruen,
So erst schal me erne vrede weruen:
De monnike efte de leuen bagynen,
Dat ene de duuel nicht enpynen,
Se schollen vor erne bidden den heren,
Dat he syne gnade wyl to em keren.
Syne schult wyl he enen anderen bevalen,
Suluen enwolde he nu betalen.
Merke de lere darvan bescreuen:
Fac bonum, dutn vivis, post mortem viuere sy vis?)
Wy schollen don gud de wyle wy leuen,
Den heren vnd de lude betalen.
Mannich vorsumet dat erne is beualen.
Die andere Stelle findet sich f. 72 b. Wahrend im alten
Testament kein Priester von einem Wucherer ein Opfer nahm,
sondern ihn aus den Tempel wies, ist die Auffassung in der
neuen Ehe eine ganz andere:
0 In der Hs.: „lenku.
') £8 fehlt mindestens die Reimzeile.
*) Am Rande links von derselben Hand npoetice".
4) In der Hs.: „non" noch in der vorhergehenden Zeile.
5) Vor „sorge" Spur einer Rasur.
e) Am Rande rechts „metrice".
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— 239 —
Nu buwen se kerken vnd cluse, (3967)
Wyuen vnd kinderen grote huse:
De nyge ee vorsmad nicht,
Den wat gloyendes in dem wure licht.
Die Priester der neuen Ehe nehmen, was sie kriegen
kSnnen, nur was im Feuer gliiht, lassen sie liegen. So konnen
die Wucherer jetzt Witwen- und Waisenhauser, Kirchen und
Kapellen bauen, ja sie werden eingetragen in die Totenbticher
der Kloster und Stifter. Der Grimm Josepes richtet sich also
wieder gegen die Stifter und Klftster, die auf tlbermassigen
Reichtum ausgehen, sowie gegen die Weltgeistlichkeit.
Die Stellungnahme Josepes gegen die letztere, womit
wir uns jetzt zu beschaftigen haben, wird uns auch lehren, in
welchem Orden wir ihn selbst suchen miissen. Betrachten wir
zunachst sein Verhalten gegen die Weltgeistlichen tiberhaupt.
Ganz allgemein gehalten sind die Vorwtirfe, die Babucke
als heftigen Tadel der Ausschweifungen und tiblen Sitten der
Geistlichen bezeichnet. Wirklich harmlos sind die Bemerkungen
bei der Luxuria f. 102 b :
De prestere, de bose bilde geuen, (5770)
Vnredelike myt den leygen leuen
Vnd don wat se suluen vorbeden,
Der lude zele se vorleden
Vnd ere eghen se suluen vordomen,
De ouel don vnd sik des vorromen . . .
De prestere ere zunde vake bichten,
Wan se hebben de zunde erst getan,
To hant se to der bicht gan,
Dar vmme kan me se nicht richten
Den leygen lich vnd ander wichten.
Und erst recht f. 81 a , wo „leygen und papen" nur formelhaft
flir Jedermann steht.
Luxuria, vnkusheyt is de sunde nant (4444)
Vnd is leygen vnd papen bekant,
De gantze werld is dar mede bestrowet,
De duuel is der der1) sunde vrouwet.
*) Hs.: „is der sunde". Der Teufel freut sich dieser Sunde.
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— 240 —
Starker sind diejenigen fiber die Teilnahme der Geist-
lichen am Wiirfelspiel, bei dem sie das, was in der Kirche als
Opfer gegeben, vergeudeten, f. 44 a, vgl. nachher „van den
dobeleren". Vielleicht handelt es sich hier nur urn „lant-
papen", wie der „pastora im Buschmann „mit sinen geburen
to krughe ginga, vgl. dieses Jahrb. XIV, 13.
Vornehmen Geistlichen wird vorgeworfen, dass
sie wie weltliche Herren sich kleideten und zwar wie Ritter
auftraten, mit dem Schwerte in der Hand. Die schlimmste
Schuld haben ihre Vorgesetzte, die sie durch Bestechungen von
dem Einschreiten dagegen abhalten, f. 75 b :
Noch sind vnlimplike mere, (4158)
Dat de gestliken nu achten sere
f. 76aLeygen werf, cledinge vnd stat,
Vnd myt den leygen dregen ere gewaet.
Myt den ritteren vnd myt den knapen
Holden se tho, vnd godes wapen
Dat wert van gym vndertreden,
j)
An beyden syden se gans vordullen.
De platte is gym allene bevolen,
Nu wyllen se vechten vnd slan mit den swerden.
Anders sunte peter de here lerde:
Styk dyn swert in dyne schede, he sede.
Dar gaf de here to vorstande mede,
Dat de prester scholden holden vrede
x)
Nemo militans deo inplicat se negociis secular (bus1):
predica, obsecra, increpa*) etc.
Also secht paulus ad thimotheum,
Dat de lerden mogen gan ad chorum
Vnd denen deme almechtigen gode,4)
Vnd leren den leygen vnses heren bode.
*) Es fehlt die Reimzeile.
*) Paulus ad Timotheum n, 2, 4, in der Hs. Bseclaribus" in der
folgenden Zeile.
8) Ebenda II, 4, 2: „praedica verbum, insta opportune, importune,
argue, obsecra, increpa in omni patientia et doctrina".
*) Vor „gode" durchstrichenes „d".
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— 241 —
We nu dusseme anders deyt
Eft eme dar auer vnwylle besteyt,
Dat he wert gegrepen vnd geslagen,
Qui amat periculum, peribit in illo,1)
Weme wyl efte mach he dat clagen!
Nu wyllen de lerden ouen hauewerk.
Rechte twyuelere darby merk,
Se hebben platten vnd rydders gewade,
To beyde komen se alto spade.
Se ouen syk nicht in presters ampt,
f. 76b Efte an rydderscop, also tosampt
Verderuen se an beyden delen.
Clerici2) in habitu militum vagan(z) et neutrum proficiunt,
quia non vt miliies pugnant, nee vt clerici ewangelisant.
Runde wnden wilt node helen
*)
De lange helen ere vnde bat.
De gonnen, de also dane sake scholen richten,
Ik vruchte, dat se sere plichten
Myt der dochter vnd myt der moder:
Symon magus was ere broder.
De wat hebben, den wert gegeuen,
Gaue vrarae gaue maket euen:
Symonia is twarn en snode brut
Vnd is der sele eyn gans bitter krud.
Gegen die ho he re Geistlichkeit richtet sich auch
der Vorwurf der Gier nach zeitlichem Gut, weil sie Kanonikate
an Kinder verkaufe : in den Stadten fande man viele Wiegen-
priester, w&hrend die Verweser der Stellen in Armut ihr Dasein
fristeten. Wenn die Wiegenpriester reich und alt genug ge-
worden, werden sie verheiratet, denn nur Geldgier hatte ihnen
die Kanonikate verschafft, f . 48 a :
') Am Rande rechte „Jeremias8. In Wirklichkeit Ecclesiasticus
3, 27 „qui amat periculum, in illo peribit".
'j Am Rande links „gregoriu8".
8) Hs.: ,vagunt".
4) Wieviel fehlt, l^lsst sich nicht einmal vermuten. Sicher fehlt die
Reimzeile.
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— 242 —
Van des tidliken godes leflicheyt (2630)
In den olden boken bescreuen steyt:
Omnes1) munera diligunt2) et rede non agunt*)
Ik enwet nen warliker dyng,
We ouer mate lef het den penning
Vnd dar vp lecht to malen sinen syn,
Dat is der armen sele vnghewin.
Wor is de ghiricheit af ghekomen?
Van den lerden, hebbe ik vornomen,
Simon maghus vnd balaam,
Ere grote ghiricheyt en ouel bequam.
Symon is eyn anbeghyn vnd vader,
Na eme volghet de ghestlike acht4) alle gader,
Dat se de lene verkopen vnd vormedden.
Wor sik eyn jslik kan mede redden,
Dat sy moghelik, gotlik efte nicht,
Symon se alle vruchten, de wycht,
Gar cleyne. Wat me dar bitter vint:
To kanonike me maket mannich kint,
Dat nummer wert efte dyget.
6)
Weghenridder sint in bemerlande,
Weghenprester in dem wyndelbande
In den steden me nu vele vint:
Symon maghus het mannich kynt.
f. 48b De kinder hebben de len, de prester hebben den namen.
Des moten syk de lener schamen,
De sodane handelinghe driuen.
Wor schollen arme prestres bliuen,
Den de almissen synt bedacht!
Vnwylle god van hemmel wracht
*) H8.: ,omni8", darauf eine Abkiirzung, die nur ale Verschreibung
fur das folgende Wort, das dann kommt, angesehen werden kann.
*) Vgl. Jesaias I, 23 : „principes tui infideles, socii furum : omnes
diligunt munera: pupillo non iudicant et causa viduae non ingreditur
ad illos*.
*) Dem Sinne nach fiir die Bibelworte.
*) Hs.: „ach".
*) Es fehlt mindestens die Reimzeile.
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— 243 —
Myt den junghen vnd myt den olden,
De1) godes denst also vnderholden.
Also me dat vake vnd vele sued,
Dat gym ouergheyt vnd schud
Godes vrake, dat is bekand,
De dat ghestlike gud hebben vmmehand.
Gode louen de kinder de vrowen,
Dat kont de ryken wiue bruwen,
Dar mede brenghen se de lenware2)
Vnd bruken der wol twyntich jare
Efte druttich jar, mer efte myn.
Wen se ryke efte olde noch8) syn,
So maket de moder myt gude kyf
Vnd ghift dem vortruweden sone en wyf,
Den se heft gode louet vnd secht,
Den4) sone, welk selden digen plecht:
Alsodane werke telet ghiricheyt,
Dat nement dem anderen lik deyt.
Ghiricheyt is aller sunde en anbeghyn,
Radix omnium malorum cupiditas,6)
Vnd eyn wortel vnd bringhet yn
Groten jamer vnd sware plaghe
Den junghen vnd olden alle daghe.
Mit bewunderungswiirdigem Geschick verfahrt Josepe bei
der Avaricia. Die Gier nach zeitlichem Gute, die Leib und
Seele schadigt, bringt grossen Kummer jedem, der von ihr be-
fallen. Die Gier der Geistlichen bringt der ganzen Welt
Schaden. Das b5se Beispiel von denjenigen, die die Laien be-
lehren sollen, da sie berufen sind, den Gotteshausern vor-
zustehen, ja die heilige Kirche selbst zu leiten, wirkt hftchst ver-
derblich auf alle Schichten der Geistlichkeit bis zu den letzten
Dorfpastoren. Ganz besonders geldgierig sind die hQchsten
WiirdentrSLger der Kirche, nicht bios diePatriarchen und die
l) Hs. Bdes".
*) Hs.: „len wader*.
*) Hs.: ,oldenoch".
*) Hs : „Der".
•) Paulus ad Timotheum I, 6, 10: ,radix enim omnium malorum
est cupiditas".
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— 244 —
Kardin&le, sondern auch der Papst selbst. Gleich am
Anfange seines Gedichtes f. 2b hatte Josepe das Wort des
weisen und demiitigen Mannes, Hiob, der sich der Asche und
dem Staube vergleicht: „dat he sy der asschen vnd dem drecke
liktf, auf Papst, Kaiser und alle Machthaber angewendet „also
is pawes, keyser und alle mann rika. So scheut Josepe sich
nicht, dem Papste die Slrgste Geldgier vorzuwerfen. In Rom
erreichen nur die Reichen ihr Ziel, denn die grossen Pfrttnden
und Kanonikate sind nur fttr Geld feil. Selbst Unrecht wird
in Rom durch Geld zum Recht.
f. 46b De ander dotlike sunde is ghenant auaricia. (2560)
Auaricia est immoderatus amor habendi?) auaricia est
insaciabilis rerum cupiditas, auaricia est inquietudo,
appetitus lucri temporalis.2)
De ghiricheit na dem tidliken gude
Is vnrowelik in des mynschen mode
f. 47a Vnde is eyn vnsatzerae leuent des herten
Vnde bringhet sele vnd lif in smerten.
De ghiricheit weme de is rechte by,
De is nummer sorghe vry.
Ghyricheit is des herten plaghe
Vnde gheit bouen alle wedaghe.
Der ghestliken achte ghiricheyt
Der gansen werlde we deyt.
De ghonnen, de nu scholden leren
De leygen, dat sint de nu mest vorkeren
De werlde vnde de slichten lude.
Wan vele dinghes nicht enschude
Van den lerden vnd van den wysen,
So mochten sik de leygen prysen,
Na guden werken vnd ok daden.
Vele selen werden vorraden.
Dat maket mannich bose exempel
Van den ghonnen, de godes tempel
Vnde de hilghen kerken scholden regeren,
!) Hs.: „habende\
*) Hs.: .temporalium".
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— 245 —
x)
Wan de syk vnuogeliken2) theren
Vor den leygen in den kroghen
Vnde8) me se nicht kan vornoghen,
Dat ere ghiricheyt is auer mate grod:
En snode herde is der schapen doed.
Paues, patrierchen vnd de cardinalen,
Ghirich na gude synt se to malen,
Na gude steyt erer aller syn.
Eyn islik denket vppe synen wyn.
Dat harde gholt vor rynghe word,
Der armen ropent is cleyne hord.
f. 47b Nym, gryp, taste snelle tho,
Des pawes rede luden also:
Accipe, sume, rape, sunt verba placencia pape.
We to rome ducaten nicht gheuen kan,
De mot bliuen der lude gumpelman.4)
Dar ghift men cleyne vmme gode
Vnd vraghet nicht na godes bode.
Gheuet, vrunde, so wert gy gheuen,
Ghaue vmme ghaue dat maket euen.
De kran to rome, de synghet also:
Qui tnichi dat, Mi do,
Des werden de armen selden vro.
De nicht kont geuen gholt vnd ducaten,
De mogben sik wol alleen laten.
Vornyra, sone, vnde merke euen:
We my ghift, dem wyl ik gheuen.
De armen is to rome seldene dygen,
De grote prouen vnd canonyen,
') Da die, welche die h. Kirche regieren sollen, sich unmoglich in
den Dorfwirtsh&usern in ihrer Geldgier zeigen konnten, fehlt wol eine
grSssere Stelle. Zu den , kroghen" gehdren nur die „lantpapen", die
Dorfpastoren.
*) H8.: ,vnuogelken".
8) Hs.: ,Vnde de".
4) Vor .gumpelman" in der Hs. eine Rasur.
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— 246 —
Dar to konnet se ouel komen
x)
En leen wert wol teygnen vntheten,
Wor de hof des wille nicht neten.
We to rome kumpt beschoren,
Al is he klok vnde wol gheboren,
Is he vp der syden licht,
Vnd het he ok in der taschen nicht,
He wert nicht sere dar ghetouet
Vnd wert also eyn dore ouet.
Hore vord das cranes sang:
Qui nichil dat, nichil sibi reddo.
2)
Wan he hort des gholdes clang
f. 48a Vnde des ludes groten soticheyt,
De bouen alle basunen nu gheyt,
Fiat, de pawes to hant scryft
De klang des gholdes vele bedrift
To rome in manghen hoghen saken,
He kan wol vnrecht to rechte maken3) ....
f. 49* De grote gaue wol kan maken (2701)
Recht vnrecht in alien saken.
Paues, meyster vnd ander vorsten,
De na gelde vnd gude dorsten,
Selden se horen der armen sake.
Dar vmme vake godes wrake
Mede auer de vnschuldigen geyt,
Alse van konynge dauite screuen steyt:
He sede, ik hebbe de sunde dan,
Io here, lat de vnschuldigen ghan.
Versteckter sind die Vorwtirfe bei der Simonia, obgleich
das bisher getadelte Verfahren der hochsten kirchlichen
*) Es fehlt mindestens die Reimzeile.
*) Der Gesang, auf den besonders aufmerksam gemacht wird, fehlt.
Das Lateinische zwischen den beiden Reimzeilen geniigt allein sicherlich
nicht. Ob die LGcke vorher oder nachher anzusetzen, ist freilich ungewiss.
8) Hierauf folgt die S. 242 angefGhrte Stelle, darauf die auf S. 218
mitgeteilte.
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— 247 —
Wtirdentrager schon Simonie war. Scheinbar ist jetzt nur von
den Pralaten, oder nach der Emder Hs. sogar nur von den
Tonsurierten, d. h. den Geistlichen iiberhaupt die Rede, die
sich lange in Welschland aufgehalten. Sie wissen, wie man
durch Kauf in den Besitz der Kanonikate, der guten Kirchen
und der geistlichen Lehensgliter gelangt. Nicht umsonst wird
auf das Verhalten S. Peters hingewiesen, an das die Herren
mit den kurzen Gewissen nicht denken. Ebenso wenig ist es
zufallig, dass diese ganze Gedankenreihe mit einem lateinischen
Verse schliesst, der viel deutlicher mit der Wahrheit heraus-
tritt, als es die vorhergehenden deutschen getan.
f . 74b De leste1) dochter hir na is de soste, (4097)
De brynghet mengen vppe koste,
Und is den prelaten2) wol bekant,
De de wesen hebbet lange in wallant.
Simonia is de dochter dofft,
De kanonien de werden verkoft
Vnd de guden kerken vnde lene.
Dat is nu twaren gantze mene,
Vnde de gestliken dat konnet driuen,
f. 75* De nicht wyl vnder twysken kyuen.
Eyn recht sake is des de gyricheyt,
De gestliken achte dar vppe steyt:
Sacrilegia committit, symoniace vendit et emit3)
Symon magus gestlike wait wolde kopen,
Ane he enwolde nicht entfan cresem vnd dopen.
Do he sach de wald der apostele grot,
Golt vnd suluer he en do both,4) .
Dat se em wolden de macht geuen,
Dat he de doden konde laten leuen,
Dat he de doden konde vplaten,
(Syn gaue konde eme nicht baten,)
Ok dat he konde van den sunden losen
Vnd van den luden vordryuen de bosen:
*) Hs.: „808te8. 8) Hs.: „ platen", aber mit einer Rasur fiber „p«
also eine fromme Schlimmbesserung.
8) Am Rande rechts ist als Subjekt „Auaricia" genannt.
*) Am Rande rechts: „Actuum".
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— 248 —
Date michi per manus impositionem dandi gratiam
spiritus sancti.
Date michi, inquam, tantum, mortuos potestatem resus-
citandi et graciam spiritus sancti demonia fugandi.1)
Sunte peter eme en antworde sede.
Wan noch eyn jslik also dede,
Wan de koplude sodane gud veylen
Vnd wylt de gaue godes also deylen,
Vnd de ene myt dem anderen dure,
Eft he sy also driste, kone vnd thure,
Dat he eme dor laten sine kanonien,
Wan he den kopman also sunte peter konde wygen,
Vnd sede dem anlager sunte peters word:
Pecunia tua sit tibi in perdicionem,2)
To dinen pennigen sla dy de mort,
f. 75b Wan he em anrichtede sunde peters worde,
Efte also eliseus synen knechte sede,
Also hir vore is bescreuen,
De gestliken almissen wol vnvorkoft bleuen.
Nen sodane anwort nement secht.
De gyrige syne oghen by syn houet lecht,
Wan he van den pennigen hort,
He denket, de wedde geyt al vord.
De ene weddet vmme hundert ducaten,
Eft he eme de kanonien dore laten.
De myt den korten conscientien
Denken vp de terynge vnd penscien,
De laten de wedde to ghan
Vnd menen suluen, dat sy wolgedan.
De anderen legghen dat vppe boteryge,
To geuen se gelt eft gaue, dat is kumpenyge.
Matheum den saligen lerden man,
Gratis date, gratis accepts tisy
Den latet se achter der dore stan:
l) Actus apostolorum 8, 19: „Date et mihi hanc potestatem, et
cuicunque imposuero manus, accipiat spiritum sanctum8. Ha. an der
zweiten Stelle: „spiritu sancti".
*) Actus ap. 8, 20: „Pecunia tua tecum sit in perditionem". Am
Rande rechts von spaterer Hand: „Sanctus petrus".
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— 249 —
Is dy geuen, so gyf vort an,
De wyle dy god der gnade gan,
Geuet vrunde, so wert iw gegheuen.
Van den gestliken dynghen is bescreuen:
Spiritualia non debent emi neque vendi.
We nu de gestliken ere vorkoft,
Syne sele he dar mede vorbrocht:
Ad baratrum tendit, qui spiritualia vendit.
Diese Polemik gegen die vornehmen und reichen Stifter
und KlOster, gegen die kirchlichen Wtirdentrager bis hinauf
zum Hochsten, dabei die Vorliebe ftir strenges Klosterleben,
weisen uns auf einen M8nch, der einem strengen oder refor-
mierten Orden angehort haben muss. Bringen wir damit die
S. 209 fgg. nachgewiesene eigenartige Bildersprache Josepes,
seine Vertrautheit mit den Verhaltnissen auf dem Lande in
Verbindung, so ergiebt sich als grosse Wahrscheinlichkeit, dass
er einCistercienser war. Dem entspricht es, dass er nach
mittelalterlicher Denkungsart, bei der Aufzahlung der Manner,
die Orden gestiftet, den Stifter des eigenen Ordens an erster
Stelle nennt, vgl. S. 223. x) Seine freimtitige Bemerkung, dass
FrGmmigkeit oft im goldgeschmtickten Rocke eines Vornehmen
zu linden sei, wahrend die graue Kutte eines Cisterciensers
oft ein zornerftilltes Herz decke, vgl. S. 228, gewinnt jetzt
noch tiefere Bedeutung.
Nirgendwo findet sich dagegen bei Josepe eine Stelle,
die ihn uns als Angehftrigen eines Bettlerordens verriete. Er
hat sein Mitgefiihl ftir die Armen, die tiberall benachteiligt
werden, oft genug zum Ausdruck gebracht, soS. 218 fg., 245 fg.
Aber tiberall so, dass man dort ebenso wie in der folgenden
Stelle, nur das nattirliche Mitgefiihl des erfahrenen vornehmen
Mannes mit den Unterdrtickten tiberhaupt erkennt.2) Nirgendwo
l) Es ist wohl nicht zufallig, dass nur Bernardus und Franciscus
das Beiwort „sunteu erhalten, Benedictus und Dominicus dagegen nicht.
Der Schreiber dieses Teiles der Emder Hs. kennt nicht einmal den Namen
des Letzteren, vgl. S. 224, Anmerkung 1.
*) Dass Josepe vornehmer Herkunft war, tritt uns tiberall in seiner
Dichtung entgegen. Die meisten seiner Urteile zeigen den Standpunkt
des Vornehmen, vgl. z. B S.226 fg.,228. Das lasst sich bis ins Kleinste auch
in seinem Sprachgebrauch nachweisen. So druckt er z. B. den Begriff
, Jedermann" f. 107* durch aritteren vnd knapen" aus, vgl. S. 223.
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- 250 —
verr&t er ein besonderes Verstandnis far die Not der Bauern,
der Leibeigenen, deren Unfreiheit ihm selbstverst&ndlich er-
schienen sein mag. Ganz anders trat uns der Verfasser des
Buschmann entgegen, vgl. dieses Jahrbuch XIV, 16 fg.
So ist auch der folgende Abschnitt ganz allgemein ge-
halten, er wendet sich gegen die Oberhebung, Gewaltt&tigkeit
und Eidbriichigkeit der Ftirsten, ihre Finanzkttnste und dergl.
Am Schlusse tadelt er die Ehrgeizigen, die sich immer vor-
dr&ngen, in ihrem Alter aber so scbwach sind, dass ihnen auf
ihren Polsterbetten ein Kind Hiilfe gewSLhren kann.
f. 27* Sunte lucas, de lerer vnd godes vrunt, (1481)
Deyt uns in synen ewangelio kunt:
De synem nabuer eyne borden vplecht,
Also swar, dat se ene vorwecht,
Vnde helpet de eme nicht dreghen mede,
De begheyt der valschen yoden sede,
f. 27b De cristo den balken1) vpleden
Vnd eme nene hulpe myt dracht deden,
Sunder en ringhe, krank, olt man,
De moste de borden myt cristo dran.
Myt dwanghe moste he, myt gude dreghen.
2)
De vorsten myt erer vpsate,
De weldighen, de des hebben mate,
In steden, to lande, wor se synt,
De nyge vunde vnde mate vynt,
Dar de armen mede in last komen.
Dem lantmanne wert syn gud nomen,
Efte he mot gheuen vnrechte schad,
Swar schot de borgher in de3) stad.
De armen simpellen lantpapen4)
l)-In der Hs. nur der untere Teil des „b8 und .en* erhalten.
*) Es fehlt die Reimzeile, die wohl mit „moghen bedreghen" schloss,
dem Verbum zu dem Nominativ ,de voraten".
•) In der Hs. von sp&terer Hand „der", so auch in der vorher-
gehenden Zeile „vnrechtenu.
*) Da diese Zeile mit der in der Hs. folgenden das Gegenteil von
dem aussagt, was man hier erwartet, fehlen mindestens zwei Zeilen.
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— 251 —
Konnet de prelaten to mate1) maken,
Ok de bischop vnd syne toyegher.
Manny ch am t man, mannich arm dregher,
Den werd de borde vpgelecht.
Weder de2) bordenbinder mede dregeth,
Efte de borden myt den vingheren roret.
De8) houetman, de to hope voret
Vnd de soppen maket heft vnd begud,
Dar he mannighen suluen to tud,
De moten de soppen vp supen vnd eten,
Suluen id he nicht enen beten.
VeA) vobis, qui oneratis vicinos5) oneribus, que portare
nequeunt, ipsi uno digito non tangitis sarcinas ipsas*)
De seckel7) moghen de vorsten voren,
Myt der zekelen se de borgher vmmeroren,
f. 28* Konnet se af howen der vorsten sate.
Dar vmme is tzise vnde de nyge mate,
De mannych man auer mate nu ghift,
Eyn vntid de anderen vordrift,
(Nycht is id schande,8) sunde efte wunder:
l) „mate" = „mate-, Bto mate maken", nicht, wie Lubben wollte,
„fiig8am machen", sondern sarkastisch „zu Genossen machena.
■) H8.: „we de", die zweite Hand macht durch ubergesetzten Strich
,we" zu „wena, was gerade das Gegenteil von dem herausbringt, das
hier stehen muss. Babucke nimmt an „wen" keinen Anstoss. » weder —
efte8 = „ weder — noch". Der die Bfirde bindet, hilft weder tragen, noch
zeigt die geringste Geneigtheit dazu.
•) Der Obere, der die Suppe gekocht hat und sie verteilt (eingiesst)
und viele zwingt sie aufzuessen, isst selbst nicht das Geringste davon.
4) Lucas 11, 46: „et vobis legisperitis vae, quia oneratis homines
oneribuB, quae portare non possunt, et ipsi uno digito vestro non tangitis
sarcinas". Gehflrt zu den Versen „ weder — roret*.
5) H8.: sviceno8a. •) Babucke liest ohne Grund ^ipsorum".
') H8.: B8ekelen*. Der Schreiber veratand das Wortspiel nicht:
„Die Seckel (Geldbeutel) nehmen die Fursten fur sich in Anspruch, mit
der Sichel (mit Gewalt) halten sie die Burger in Aufregung, sie ver-
stehen es, damit die alten Vertrage und Satzungen zu zerhauen.
®) H8.: ,8chade*. In der Parenthese wird ironisch die Anschauung
der Fursten ausgedriickt: solches Verfahren ist weder Schande noch
Sunde, noch uberhaupt auffallend, sondern ganz naturlich: das Fett
schwimmt ja immer oben.
Jahrbnch der Gesellsch. f. b. K. u. vatorl. Altortiimor za Emden, Bd. XV. 17
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— 252 —
Dat vette bouen, dat water vnder,)
De1) nygen pennynghe dat olde golt:
Vele asschen bernet de wolt.
De steder vnd breraer sware
Weren des raenen volkes ware,
De walen schicken eren wyn.2)
De nyge grave3) was eyn zyn
Vor den beraen, dem snoden dede,
Wan god wyl, so wert he rede.
De beraen kont vnd wyllen den louen krenken.
Me scholde se in den grauen senken,
De sodane wait driuen
Vnd myt den kranken kyuen,
De syk nicht kont efte doren weren:
De groten vische de lutken vorteren.
De bouen sitten, den wert we,
To male, wan nicht konnet se
Eren wyllen vnd vpsat wllenbrynghen
Vnd de, de vor gym stan, to sate dwyngen.
Wat is varliker wen sodane rad,
De den ghemenen so na gad.
De gonnen, de de armen vorheren4)
Dat me se vp deme markede grute,
*) Die neuen Pfennige vertreiben das alte Gold, d. h. das alte
bessere Geld, wie viele Asche den ganzen Wald zerstdrt. In dem folgen-
den Reimpaar verbietet das Praeteritum, die neuen Pfennige mit den
Stader und Bremer vollgiiltigen Munzen zu identifizieren. In Wirklich-
keit bedeuten diese auch keine Schadigung (vare) des gemeinen Volkes.
Die Fursten behaupteten das bloss urn ihrer Finanzkunste willen, hatten
selbst aber auch keinen Vorteil davon, vgl. die folgende Anmerkung.
*) Die fremden Wechsler ordnen ihren Gewinn.
8) Unbegreiflicherwei8e halt Babucke den „Grabena fur einen
wGrafen8 und versucht daraufhin eine Datierung der Dichtung. Dass von
einem Graben die Rede ist, zeigt „redea und „in den grauen senken". Wenn
Josepe scheinbar unvermittelt von den Bohmen, den Hussiten, spricht,
so hat das wohl darin seinen Grund, dass er seine Meinung auf dem Ge-
biete des Glaubens den Hussiten gegenuber offen aussprechen darf,
wahrend er sich den Landesfiirsten gegenuber vorsichtiger aussern muss.
4) Es fehlt mindestens die Reimzeile. Wahrscheinlich ausserdem
mehrere Reimpaare, die zu freimutig waren.
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— 253 —
Vnd synt vp der erden sote,
De wyle se by den benken synt.
Wan me se vp den pusten dort hene vynt,
We erer vele bedorf de helpe van1) den kint.
Ve2) vobis, qui diligitis primas cathedras*) et salutationes
in foro et plateis.4)
Eine kurze Besprechung verlangen noch die „Reim-
spriiche", die nach Josepes Gedicht vor den ,.Bone doctrine
pro coramuni bono" stehen, f. 140b bis f. 141b. Sie entstammen
aller Wahrscheinlichkeit nach der Vorlage, wo sie auch auf
das Gedicht „von den sieben Todsiinden" folgten. Die Hs.
raarkiert zwanzig Abschnitte, die aus je zwei Reimpaaren be-
stehen, abgesehen von No. 4, die vier Reimpaare, und No. 17,
die zwei Bibelstellen enthalt. Nach Inhalt und Form stehen
sie in gewisser Beziehung zu dem vorhergehenden Gedichte. —
In alien treten uns Gedanken entgegen, die uns auch in dem
Gedichte begegnet waren. No. 1 findet sich die blosse Anrede,
No. 5, 6, 15, 16 die Anrede mit „sone", das in No. 16 sogar zweimal
steht. Mit verallgemeinerndem ,,we" beginnen No. 2, 3, 4, (12),
14, 18, 19, mit ebenso wirkendem „he" No. 9, 10, 11. In mehreren
ist die Form so ungeschickt, dass das Gemeinte gar nicht zum
vollen Ausdruck gelangt, so bei No. 12 und 16, wo Ltibben
durch beigesetztes „d. h.?*4 andeutet, dass er sie nicht ver-
standen. Bei No. 16 erh< die dunkle letzte Zeile ihre Er-
klarung durch die f olgende Stelle aus dem Briefe an dieColosser,
bei No. 12 variiert die vierte die dritte, beide gehen auf den
Zustand der Seele nach dem Tode, ,,de clepper", wie wohl statt
„der clepper" zu lesen, soil ^stridor (dentium)", Zahneknirschen,
ausdriicken.
f. 140b 1. Bistu wys vnd heft cleyne gud,
Dyn daed dorich wezen mod,
Hestu gud vnd bist dorich mede,
Du kumst wol in der wysen stede.5)
') Hs.: „wa".
*) Luc. 11, 43: „vae vobis Pharisaeis, quia diligitis primas cathedras
in synagogis et salutationes in foro". Diese Worte geh6ren zu dem
ersten Verse nach der Lucke.
*) Hs.: „pruna8 chatedras".
*) Hs.: wplatea8*. *) Vgl. S. 246.
17*
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— 264 —
2. We heft gud vnd kan geuen,
De mak myt den ryken leuen,
Wan eneme gelt vnd gud entgeyt,
So is de vruntschop kunterffeyt.
3. We de heft gud, de is willekome,
He sy vnechte efte vrome.
De vrome arme heft kranken grud,
Ane touent gheit he wedder vth.1)
4. We kan vrundschop ane dank
Holden, wente de ryken ane dwank
Wilt van deme armen wezen,
Wo kan de kranke des starken nezen!
Vrunt vorsman is nicht gud.
We rynge vrunde drucket vnder de voet,
De tyd mach kamen, dat he ze bederuet,
Syner vrunt, er he noch steruet.2)
5. Van truwen vrunden, sone, wat holt.
Eyn truwe vrunt is beter wan golt.
Golt vnd gud mach me vorteren,
Enes truwen vrundes kan nement enberen.8)
*) Vgl. S. 246.
*) Vgl. bei Josepe f. 17 *>, mit der Notis auf dem Rande links : „Poeta"
Homod vnd darby hoghen stat (936)
Syne arme vrunt vnd kunpane voremaet.
Comitc8 contempnit antiques et miseros non cernit amicos
et notos hesternos.
») Vgl. ebenda f. 65*:
We nu enen truwen vrunt vunde, (3566)
Weme god der gnade hyr ghunde,
Deme he syn herte mochte ane nod apenbaren,
Mit deme scholde he syk ewich paren.
Eyn gud vrunt is also eyn schylt,
Dar mannich schot wert vppe vorspilt.
Also de schilt bedecket synen heren,
Also kan en gud vrunt vnwyllen keren:
Amicus fidelis protedio fortis.
Eyn gud vrunt geyt vor alle gold.
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— 255 —
6. Twisken vrunden, sone, plenge nicht,
Vrunde orlich is rynge bericht.
Wan ome vnd vrunde zik vorgan,
So mod de plenger de borden dran.
7. Het de ryke gar vele stolen,
Syn vndat blift wol vorholen,
f. 141a Stelet en armman cleyne durch nod,
De wert gerichtet an den dot.1)
8. Myt armen deuen sterket me dat recht,
De ryken me in der tasken drecht,
De armen me henget an bome vnd stene,
De ryken in der tasschen by dem bene.2)
Gold, suluer, gud mach en dragen,
Auer syne nod kan he erne nicht klagen,
Qui inutnit Mum, inuenit thesaurum.
We nu enen truwen vrunt vint,
Der cleyne nu in der werlde zynt,
De vrunt tred bauen alle schad.
De wyse man in synen boke secht dat.
Amico fideli nulla est comparacio
Eyn gud vrunt achter rugghe,
Dat is ene vaste stalne brugghe.
Dar nicht mankt is kunterfeyt,
Wor vaste vruntschop to samende steyt,
Dar nement kan twisken kamen,
So hebbe ik beters nicht vornbmen.
Non est auri neque argenti contra bonitaUm fidei
Uliu8 digna ponder acio.
Nur bei der letzten lateinischen Stelle stent am Rande rechts: nprover-
biorum". Alle vier stehen Ecclesiasticus 6, 14 fg. : „amicus fidelis protectio
fortis : qui autem invenit ilium, invenit thesaurum. amico fideli nulla est
comparatio et non est digna ponderacio auri et argenti contra bonitatem
fidei illius".
!) Vgl. oben S. 218.
«) Vgl. S. 219.
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— 256 —
9. He is wys vnd wol gheleret,
De alle dingk to deme besten keret,
Vnd nicht- arch myt arghe geldet,
Vorborgene herte nicht enmeldet.
10. He is en dore vnd ouel leret,
De arge daet to gude keret,
De eme wol to straffende staet,
Dat ruchte lyff vnd zele anghaet.
11. Eyn gud ruchte is beter wan golt,1)
Ere lif vnd zele to samende holt,
En gud ruchte dar by de daet,
He is zaJich, de ze beyde haet.
12. To snodeme ruchte steyt wol raet,
We unschuldigh is der daet,
Dat ruchte kan de pyne korten,
Der leuen zele de clepper storten.
13. Salich wert de, de myt dult
Drecht vnrecht ruchte ane schult.
Vor den smaheyt vnde hon
Wyl eme god geuen dat ewige Ion.
14. We syne vinger in alle hole stykt,
Allent dat he hort, zued vnd beprykt,
Vnd sine vote van dem pale strecket,
Dat were nen wnder, he werde gecket.
15. Wltu leuen, sone, nu ane schult,
Swich, merke, hore vnd hebbe dult,
Vele word vnwerdighet den man:
f. 141b Ane logene vele word seldene stan.
') Vgl. S. 228.
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— 257 —
16. Wltu, sone, dy na dogeden keren,
Sone, dene myt truwen dinen heren,
To allentyden, so deystu recht,
Nycht den oghen truwe knecht.
17. *) Serui?) subditi esiote dominis in otnni titnore,
non tantum bonis et modestis, sed discolis.
Non*) ad oculum seruientes, sed quodcunque
facitis, ex anim ooperamini.
18. We nu god holt vor oghen
Vnd swigen kan vnd doghen
Vnd wil en jslik dat zin is geuen,
De mach lange in eren leuen.
19. We4) nu wil borgen
Vnd nicht sorgen,
De wil seldene
To danke gelden.
20. Drulle gaste bryngen nicht den soten schall
Vnd spreken: god grote ju heren aueral,
Wan se kamen, we wyl gym weren,
De node gelden vnd gerne theren.
Die Mehrzahl der Spriiche ist ausgezeichnet durch die
Kraft und Eigenart des Gedankens und des Ausdruckes, sie
sind sicher nicht von dem Stumper, der einfache Gedanken
nicht in Worte zu kleiden vermochte. Aber selbst die besten
zeigen nichts von der Weise Josepes. Die schlechten riihren
») Am Rande links: .apostolus*.
■) I. Petr. 2, 18 : „servi subditi estote in omni timore dominis, non
tantum bonis et modestis, sed etiam dyscolis".
•) Paulus ad Col. 3,22 fg.: „(servi obedite per omnia dominis carnali-
bus) non ad oculum servientes, (quasi hominibus placentes, sed in simplici-
tate cordis, timentes deum). quodcunque facitis, ex animo operamini
(sicut domino, non hominibus).
*) In der Hs. in zwei Zeilen.
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— 258 —
vielleicht von demjenigen her, der es sich zur Aufgabe ge-
macht, die Gedanken Josepes mSglichst von allem Eigenen
und Freien zu reinigen und so kirchlicher zu machen.
Derselbe suchte durch Beifiigung lateinischer Zitate am
Rande der Hs. den Wert der Dichtung Josepes zu erhShen, da
Josepe selbst an passender Stelle lateinische Zitate, nicht bloss
gereimte lateinische Verse eingeflochten.
Die sp&teren lateinischen Zitate waren schon in der Vor-
lage der Emder Hs. in den Text eingedrungen, wohin sie ebenso-
wenig gehftrten, wie die Bibelstellen in No. 17 unter die Reim-
sprttche. Vgl. z. B. S. 211, 215, 218, 241, 248.
Einige Belege daftir m5gen hier folgen. f. 14b heisst es
von Moses:
Vnd sede, komet1) gy vnloueghen vnd besed, (754)
6y dot dem heren vnd my vordret!
Moghe wy nu hir water nicht slan
Vte deme stene vnd laten ghan?
He sloch ens vp den suluen sten myt der rode.
Dat water wolde dar vth node.
To2) dem anderen male sloch he in godes namen,
Do konde dat water lopes ramen
Vnd lep auer mate also rechte sere,
Eft dat en reuere were.
Venite*) vos rebeUes, nunquam non poterimus proicere
aquas de hac pctra. exodo IIIL
Das lateinische Zitat musste vor ,,He sloch" stehen. Es
ist also an ganz unpassender Stelle eingefugt. Dass die Stelle
nicht Exodo HII, sondern dem vierten Buch Moses, Numeri
20, 10 entnommen, ist vielleicht nur durch Schuld der Ab-
schreiber verkannt worden, die auch den Wortlaut entstellt
haben, so dass man nach diesem Versehen nicht liber den Ur-
heber dieses lateinischen Zitates urteilen darf. Bedenklicher
ist, dass zu Anfang „et increduli" fortbleibt.
*) „ta von einer zweiten Hand hinzugefflgt.
*) Hs.: .Do-.
*) „Audite rebelles et increduli: num de petra hac vobis aquam
poterimus eiicere?"
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— 259 —
Manchmal lasst sich fiir das fehlerhafte Zitat nicht der
Schreiber verantwortlich machen, z. B. f. 17b , wo am Rande
Isaias als Urheber eines Ausspruches genannt, der sich
Ecclesiasticus 10, 7 findet. Die Stelle selbst ist freilich durch
die Abschreiber griindlich verderbt:
Der homodighen stol vnd der heren (938)
Kan god de here wol vorkeren
Van deme berge in den grunt;
Homod krenket in aller stunt.
Sedes ducum superborum destruet.
Statt des von mir eingesetzten „superborumu schrieben sie die
Abkiirzung missverstehend „scribarum". Vgl. noch oben S. 241
Anm. 1, S. 255 und auf dieser Seite Anm. 1.
Wie es gekommen, dass die lateinischen Zitate nach-
traglich beigeschrieben worden, lasst sich leicht erkennen.
Josepe selbst schien eine solche Hinzufugung zu verlangen,
vgl. die Stellen S. 195, 197, 198, 202, 207, 208, 211, 223 u. o.,
ferner noch die folgende, wo dreimal dieselbe Erscheinung sich
wiederholt: die freibearbeitete Bibelstelle schliesst mit einer
Bemerkung fiber die Stelle. an der sie sich findet, diese Be-
merkung ist aber so gehalten, dass man sie auch auf etwas,
was folgt, beziehen kann.
f.49bDe olden hebben ok golt vnd gaue nomen (2726)
Vor recht, vor lere, dar van is dat vppe komen,
De ouersten konden rychten na der gaue,
De prester lerden vnd stunden aue,
Wan men gym nycht gaf in aller stunt,
De propheten godes wyllen de don kunt
Vnde nemen ok vntyden gyft.
Michea,1) de propheta, dar van scryft.
Principes in tnuneribus iudicabant, sacerdotes in mercede
l) H8.: „Matheu8a trotz des folgenden „de propheta". Fiinfzehn
Verse vorher steht mit Recht:
Also sunte Mateus apenbar sede,
De mate, dar du mede heft ghemeten,
De is vor gode rechte vnvorgeten,
Dar metet me dy denne wedder mede.
Vgl. Matth. 7, 2: „in qua mensura mensi fueritis, remetietur vobis". Das
Lateinische fehlt in der Ha.
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— 260 —
docebant, prophete in pecunia diuinabant.1)
We den gonnen, de ere hande nicht enthen
Van der gaue, de wylt se myt den ogen seen,
Wan se de werlde moten vorlaten,
Cleyne kan de naruwe baten.
De leue prophete, de godes man,
f. 50* De secht dar to malen swarliken van.
Nunquam2) excucient manum a munere, antequam cxcludant
cupiditatem a pectore.
God vnse here raoysy8) na der ee,
Du scholt rychter sytten, sede he,
Vnd meyster, de dat volk leren
Vnd syk nicht to den ryken keren,
Eft de gym gaue konnet geuen,
Lere vnd rechte schal wesen euen
Dem armen also deme ryken.
Alle4) mate schaltu recten vnd lyken.
Dar to make euen alle wycht,
Dat de ene den andern bedrege nicht.
Rechte rychter scholtu maken,
De de weten konnet van alien saken.
Nement schal rychten na gaue edder gunst,
De meyster mogen bruken erer kunst,
Also steyt in den olden boken screuen.
In5) lege indices et magistros constttue, ut iudicent
l) Micha 3, 11: „principes eius (Jerusalem) in muneribus iudicabant,
et sacerdotes eius in mercede docebant, et prophetae eius in pecunia
divinabant".
') Am Rande rechts: „Ysaiasu 33, 15: ,.qui ambulat in iustitiis et
loquitur veritatem, qui proicit avaritiam ex calumnia, et excutit manus
suas ab omni munere, qui obturat aures suae, ne audiat sanguinem et
claudit oculos suos, ne videat malum: iste in excelsis habitabitu.
•) Hierher gehort „Deuteronomiou, was die Hs. neben „excludantu
links auf dem Rande hat.
*) Am Rande links nochmals „Deuteronomiou.
a) Am Rande links zum drittenmale „Deuteronomiou 16, 19 fg.:
„iudice8 et magistros constitues in omnibus portis tuis : ut iudicent popu-
lum iusto iudicio, nee in alteram partem declinent. non accipies personam
nee munera: quia munera excaecant oculos sapientum, et mutant verba
ustorum ".
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— 261 —
populum iusto iudicio nee in alteram partem declincnt,1)
nam munera excecant oculos2) sapientium et mutant
verba iustorum.
Gelegentlich haben die lateinischen Worte nicht die ge-
ringste Beziehung zu den zunachststehenden deutschen, z. B.
f. 17* En arich minsche, de sik boghet (908)
Na snoden werken, wol wert ghehoghet
Dorch sine snoden bosen daet
Want en bedrucht syne snode art,
So valt he wedder vnghespart.
Vidi impium exaltatum et elevatum supra cedros Libani.
transiui, et ecce non crat. quaesiui, et non est inuentus.*)
Ganz dasselbe zeigt sich auch in der Schlussrede von der
Superbia f. 46 b. Sie endigt mit Luc. 6,38 „date et dabitur
vobisa, das den Gedanken des vorhergehenden lateinischen
Verses leicht variiert. Das Folgende ist ganz im Sinne des
Oberarbeiters, der hier wieder hinzufiigte, was Josepe gar nicht
beruhrt. Das Zitat „qui d&t sua bona" verandert sogar nicht
unwesentlich die Worte, die deutsch vorhergehen, so dass man
hier dieselbe Hand des spateren „Besserersa erkennen kann.
Ubrigens spricht auch die Haufung der Zitate gegen ihre Ur-
spriinglichkeit.
Nu hebbe wy secht van deme homode, (2541)
De nemende wert de lenghe to gude,
Dar schaltu dy, leue sone, vor waren,
Dyn ghelt, dyn gud schaltu sparen,
Dat du dat nicht ouel tobringhest
Vnd den iamersank myt den arraen synghest.
Wat me den vnwerdighen ghift,
Gaue vnd Ion vorloren blift:
Quicquid datur indignis, totum deperditur illud*)
') Hs.: „declinant".
*) H8.: ,,oculuo8u.
•) Vgl Psalm 36, 36: „vidi impium superexaltatum et elevatum
sicut cedros Libani. et transivi et ecce non erat: et quaesivi eum, et
non est inventus locus eius".
*) „Illudu gegen die Hs., um den Vers vollstandig zu machen, zugefiigt.
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— 262 —
Sone, lat ghan de armen vnd blinden,1)
Vnd ghif dinen armen vrinden,2)
Des heftu lof grod vnd ok ere,
Grod Ion gift dy god, vnse here.
Qui dat sua bona tempore necessitatis indigentibus,
taliter virtuose operatur.
Qui non dat quod amat, non accipit ipse quod optat,
We sik dat he lef het to geuende wert,
Dem wart nicht wedder gheuen, dat he beghert.
Date et dabitur vobis; date temporalia, accipite eternalia.
Als Schluss lasse ich den Abschnitt fiber die Spieler
folgen, der reich ist an realistischen Seitenblicken und von be-
sonderer kulturhistorischer Bedeutung:
Van den dobeleren.8)
f. 41b Vor dem kumpanen schal me sik waren, (2290)
De de ouel wylt vnd nicht ensparen
Enes anderen vnd ere eghene gud,
Ok nemende lik efte recht doet.
Quader selschop4) vyl cleyne kan neten,
We langhe vrome wyl wesen vnde heten.
De erste schade, de mynste vnd de beste.
f. 42a Quade selschop maket grote vnreste,
Leghen, dreghen, sweren, vnnutte rede
Maket vordret vnd telet vnvrede.
De warheit is alles loues eyn anbeghyn
Vnd bringhet louen, ere vnd gude wyn.
De warheit bederf nicht sweren,
Noch de sele eft dat lif vorteren.
Veritas est radix laudabilium et materia omnium donorum.
Noch eyner leyge is jummer hate,
We syn gud vorbringhet ouer mate
Myt vnnutten vnd quaden pertygen,
l) Im Sinne Josepes wohl = die sich fttr Arme und Blinde unrecht-
massiger Weise ausgeben.
f) Hs. : „vrunden".
*) Die tJberachrift nach der Randbemerkung f. 42 * .
*) Hs.: „ selschop me".
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— 263 -
Dat se des nummermer wol dygen,
De schal nement sere beclaghen,
Efte gym de1) armod helpen draghen.
De ere gud jammerliken vorbrynghen,
Dar sesse vnd vefteyn2) vele klinghen,
Dat volk is nicht van gode.
De dobeler helt nicht godes bode,
Wan he wynt, so wil he sere teeren,
Wan he vorlust, so kan he sweren.
De duuel het dat spyl ghedicht,
Dat enis van godes werkynghe nicht.
Do de duuel dat vornam,
Dat de mynsche in syne stede quam,
Dar he was in homode van ghekomen,
Vnd de wait des hemmels was em benomen,
Mannygher leye kunst he do bedachte,
Dar3) he de lude raede to valle brachte.
f. 42b De ghestliken vromen weren em enteghen,
De konde he nerghen mede bedreghen.
He dachte: de hilghe werde dreualdicheit
Vppe dren personen vaste steyt.
Na den personen vnd anderen saken
Beghunde he dre worpel to maken.
We der bruket vnd sik mede vorplicht,
De denket vppe de dre in dem hemmel nicht,
Vnd vppe de gnade vnses leuen heren.
De worpel kan de lude van em keren,
Se vorsweren syn vlesk vnd syn blod,
Dat dunket deme duuel wesen gud,
Dar to mannich snode vnd bose word
Wert auer des duuels spele hord.
Also vele bokstaue also me in dem alphabete vint,
Also vele oghen4) vppe deme worpel synt,
Also de bokstaue werden eret,
Van den lerden, also de worpel keret.
l) „den" von anderer Hand aus „de" verbessert.
*) Nach , vefteyn" eine Rasur.
*) 9Dar" von der ersten Hand aus „Data verbessert.
4) „ oghen" auf Rasur.
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— 264 --
De phibel is dat erste kinderbok,
De duuel het myt synen scholeren spok.
De worptafeln vnde worpelsten
Wert vor des duuels altare sen,
God de here wart dar ouer bespot,
Angheropen werd der bosen god.
Hazert est idem quod astaroth et est proprium nomen
demoniorum cuiusdam principis.1) (
Wan de dopeler hasert anropt,2)
f. 43a So esket he den bosen man astrod,
De schal eme helpen de missen singhen
Vnd de worpel vmme brynghen,
Dat he wynne an synem namen.
Ik loue, dat hasert des speles wil3) ramen.
Alea et tali sunt quasi altaria diaboli, quia cristum
blasphemant et nomen demonis invocatur.
Wo mach dem jummer mer wesen,
Dat leygen vnd lerden konnet dat bok lesen
Vnd konnet de blade vakener vmmeslan,
Er se in de kerken, er se to kore ghan.
Dyabolus suos libros tradidit discipulis stm, ut pereant,
cristus libros suos prebuit, vt salui fiant*)
Dat is to male gar vnghelik spyl ; B)
We nu hasarde6) langhe volghen wyl,
Dar vmme myt vlite merke,
De wert eyn stumper vppe den werke.
Grod vorsumenisse kumpt dar van
*) Diese lateinischen Worte sind blosse Erklarung des folgenden, sie
riihren auch wohl vom Cberarbeiter her. Hierhin gehorte die folgende
lateinische Erklarung „alea et tali41, aber auch im folgenden findet sich
das Lateinische stets am Schlusse des Abschnittes.
*) In „anropt" Rasur zwischen „p" und 1ftu.
3) „wilu iiber der Zeile von der ersten Hand nachgetragen. Das
darunterstehende Auslassungszeichen ist von der zweiten Hand, die auch
dem folgenden „rameu der ersten Hand ein „nu am Schlusse hinzufiigte.
*; Diese lateinische Bemerkung, die weder mit dem vorhergehenden ,
noch mit dem folgenden Deutschen zusammenhangt, ist wohl von dem
frommelnden Bearbeiter, der keine Gelegenheit zu frommer Belehrung
vorbeigehen lassen will, hinzugefugt.
8) Am Rande von spaterer Hand : „Van den dobeleren11.
6) Hs.: whastarde".
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— 265 —
Vnd van anderen stucken, de dar by stan,
Also vns de poeten konnet bewysen,
Nen arm man kan vor den dren rysen.
Diues eram dudum, iam fecerunt me tria nudum,
Alea, vina, Venus, his tribus1) sum f actus2) egenus*)
Ik hadde lange wesen ryke,
Hadden my dre laten by lyke:
Dabelspil vnd de tauernen
Vnd dat hus der leuen dernen.
f. 43b Des worpels4) oghen de sint blint,
Also wert vaken des speles kynt.
To deme ersten en oghe he5) maket het,
Mannyghen he darmede vorreth.6)
De twe bederuet vnd werpet en,
De secht ouel vnd vor werpet den sten.
We myt eneme oghe suet,
De kantze erne en ander vnttud.7)
Al wint he noch, mod he vorlesen,
De enoghede dobeler mod vorvresen.
In primo loco mum oculum dyabolus schulpsit, per
cuius incertitudinem9) lusorem a congregatione cristiana*)
dealienare proposuit.
To dem anderen tege dat ene,10)
») Hs. : „hiis triau.
*) Hs.: „fc8" mit einem Kompendium driiber. Eine spatere Hand
anderte sinnlos „c" in „r".
8) Babucke liest beide Verse so: „Dives eram dudum, jam fecerant
me tam nudum Alea vina venus, hiis tam sum frater egenus."
*) „ worpels" von der ersten Hand aus „worpers" verbessert, es folgt
eine Rasur.
'°) Nach „heu eine Rasur
fl) Der erste Schreiber hatte diese vier Verse in folgender Reihen-
folge geschrieben:
a Des worpels oghen de sint blint
c To deme ersten en oghe he maket het
b Also wert vaken des speles kynt
d Mannyghen he darmede vor reth,
deutete dann aber durch die vorgesetzten Buchstaben die richtige Folge an
7) Hs.: „vntud".
8) Hs. : „incertitidinemu.
•) Hs.: „cong'tione alt. ,0j Hs.: „eme".
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— 266 —
Twe oghen in deme suluen stene
Het de bose dar yn ghehouwen.
Dar moghen syne lerer schowen,
De haserde, den meister, gheme seen.
Myt den twen oghen wyl he then
Den dobeler van der leue godes,
Vnd schal vorgheten sines bodes
Vnd des mynschen leue, als men vint,
In deme spele hatet de vader dat kint.
In secundo loco duos oculos1) ex opposite fixit, cupiens
lusorem a dilectione dei et proximi2) separate})
To dem drudden male dre blinde oghen
Kan he in den worpel voghen.
f. 44a Dar mede wyl he syne scholer brynghen
Van eren vnd van al eren guden dinghen,
Vnd van der4) werden hilghen drevaldicheyt,
Ere wesent in der schonen figuren steyt,
De vater, de sone, de hilghe geyst;
Hasert werd dar nomet meist.
In tercio loco figuram trium oculorum posuit, per quos
a cognitione trium per sonar um lusorem amouere studuit.5)
To den verden male in6) ver orden
Makede he, also sik dat wol borde,
Ver oghen in des duuels dabelspele,
Vp jewelken ende der oghen en.
Dar mede mende he vnd wolde wol then
De ghonnen, de de oghen wol kenden,
Dat se syk nicht sere scholden wenden
Na den ver ewangelisten vnd erer lere.
Ik vruchte, dat sik eyn dobeler cleyne kere
Na gode vnd na der ewangelisten scryft,
Mannich godesdenst van gym na blift.
De ghonnen, de dat spyl scholden straffen,
*) H8.: „oculuo8u.
') Hs.: „cupies a dilectione et proximi".
*) Hs.: „8eperariu.
4) „der11 von der ersten Hand nachgetragen
5) Hs. : „stiduit"
•) „in11 von der ersten Hand nachgetragen.
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— 267 —
Dat synt de prester, de sik laten affen,
De godes offer dar mede tobrynget
Leuer, wan se lesen efte synghet.1)
Se vorgheten der ewangelisten gunst
Vnd volghen na des duuels kunst.
In quarto loco quatuor oculos in quatuor angulos impressit,
f. 44b vt a doctrina quatuor evangelistarum operantem retraheret.
To deme veften male vort an
Makede vyf oghen ghonne bose man
In den worpel, des duuels molensten.
Dar mede wolde he gherne syne jungeren ten
Van dem lidende vnses heren vnd synen vif wunden,
De eyn schal eren vnd anropen to alien stunden,
Dar by scholde de sweren, de vorlore syn ghelt,
Vnd van deme dobelere worde syn2) blot vorquelt.
Wellen kan des duuels spil den bouen ere blot,
Dat in deme lutken tone is, dat mot bouen vt,
Godes benediede herte vnd alle sine wunden,
Deme, den de bouen smerte in des dobels stunden.
Astrot myt liste3) kan den worpel wenden,
De syner molen volghen, in dat leste gerne schenden.
In quinto loco inpressit*) oculos quinque, cum quibus
lusorem a passione domini et a quinque wlneribus cristi
retrahere gliscit.6)
To deme sesten6) male vnd to dem lesten,
We deme duuel louet, de dent nicht den besten,
In suluen sten makede he der oghen sosse,
Dar mede kan he locken vt der kisten de roden vosse.
Myt den envndtwyntich oghen
Kan de sulue astrot alle vnghelucke roghen.
Sos vloghel, also de enghel cherubyn,
Dar schal en jslik mynsche mede kledet syn
*) Vgl. im Bu8chmann : „Id is den presteren bose, eft se ere gebed
nicht endon vor dat offer myt myssen, vigilien vnd salmen". Jahrb.XIV, 14.
*) Nach „syn" eine Rasur.
») Hs.: „liae".
*) Hs.: ,In quinto inpressita. 5) Hs.: „glissitu.
•) „8e8tenu verbessert von erater Hand aus „lesten", vgl. Vera
4097 S. 247.
Jahrbach der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. Altertfimer za Eraden, Bd. XV. 18
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— 268 —
Vnd de sele mede to hemmel vleghen:
Dar makede her1) astrot ses oghen en teghen,
Dar mede scholen syne scholer der ses vloghele2) vorgheten.
f.45aWe nu is dobelsek, de enmach3) drinken efte eten,
Dobelspyl is al syn begher,
He vorghet godes naghel, cronen vnd sper.
We de kump in des worpels dwenghe,
Deme wert de wyde werld to enghe,
Deme wert lang de korte nacht,
Na nener nerynghe het he acht,
He sorghet noch vor wyf efte kint.
Wor he enen kumpan vynt,
Wol kan he eme nicht afwynnen vele,
He biddet, dat he myt eme spele.
Ik enwet nu nene sunde mer, de leuet,
Mannych vorstelt syk vnd vordeuet,
De wol bleue vrome, eyn bedderue man,
Wan he de worpele lete stan.
Dat spyl leuet vnd tud so sere to,
Dat de spylseke nowe vyndet sine scho,
Wan he selschop kan bekomen,
Syn vnd wytte wert menghem benomen.
Dobelspel vnd vrowen leue
Maket manghen man to deue,
De wol mochte bliuen eyn vrome man,
Lete he dar ghern to tyden van,
Er dat ruchte worde ouerlud
Myt deme spele vnd myt der brud.
Ik enweit nu nene varliker daet,
De vornedder alien hoghen staet,
Den4) vrowenleue vnd ouerich dobelspyl.
We den twen langhe volghen wyl,
Dat drudde is ouermate spyse vnd drank,
f. 45b De dre maken den budel vnd den auer krank
Vnd konnet de armen sele bedreghen,
*) Hs.: nmakede heu.
f) nach „vlo" eine Rasur.
*) „en" von erster Hand hinzugefiigt
*) „Der" aus „De" verbeaaert von anderer Hand.
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— 269 —
Dat se nicht kan to hemmel vleghen,
Dat cherubyn nycht by er steyt,
Wan dat rychte ouer de sele gheyt.
Nen mynsche kan to hemmel komen,
Deme der werschop cleyt wert benomen,
De sos vloghel, der sele cleyt,
Also hir na screuen van den oghen steyt:
In vltimo loco sex oculos posuit, cum quibus ludentes alts
et veste nupciali, cum quo gaudio eterno perfrui possent,
spoliare intendit.
Nu mochstu merken, myn leue kynt,
Wat vroude an den luden synt,
De sik to dem dopelspele gheuen.
Wer se dar ich1) ane bleuen!
Syk dabelt mannich vp de krucke.
Dobeler, dyn hopene, dyn lucke,
Dyn dot, dyn leuent, dyn wolwar,2)
Des nym in des dobels spele war:
Lude*) taxiUis, tamen respice, quid sit in Hits,
Res tua, spes tua, mors tua sistit in illis.
Dat spyl scholen de prester nicht ouen,
Dat mach en jslik suluen prouen,
De de scholen in der kerken denen
Gode vnd volghet den dobelstenen
Vnd legghen dar an eren vlid,
Dat se dat ouen alle tid,
De ouerste wait dat richten wyl,
Dobeln is nen ghestlik spyl:
Ludere4) cum talis non est res spiritualis.
f . 46* Non sunt ludentes presbiteri, neque studentes,
Sunt nugatores dyaboli fere basores.
Hierauf folgen die S. 208 angeftihrten Verse iiber das er-
laubte Spiel, dann heisst es weiter:
') „ich" = ,icht".
f) „wolwaru = „wolvar".
•) H8.: „ludere". Am Rande links, yon der ersten Hand: „poetice"
*) Am Rande links, von der ersten Hand: „metrice".
5) .,warliku = „varlik".
18*
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— 270 —
Worptafel is eyn nydich vnd warlik6) spyl,
We de boden bod na baden volghen wyl.
Dar vmme dat id so varliken to gheyt,
Makede de vader dem sone dat spyl leyt,
Aleam fuge, de vader to em sede.
We noch na der olden lere dede,
Dat queme eme to bate wol vnd vake,
Na dem ghelde schut de drake.
We dar to dren scheruen is gheboren,
De2) na worpt, de heft vorloren,
De wert nummer twyger pennynge here,
Van alien spelen de kopman kere.
Du vorsumest beyde kop vnd tid
Vnd werst8) diner nerynghe quid.
Wan de dobeler wynnet, so teret he sere,
So het me en juncher vnde here
Vnd wert gheheten vrome vnd klok,
Wan he vorlust, so is he en ghok
Vnd heft schaden vnd spot,
Vorarmen he ane dank mod.
Dat heft de heydensche meyster bescreuen
Vnd heft dat alexandro ghegeuen:
f. 46b Qui vltra modum fudit diuicias, cito venit ad amara
litora paupertatis.
We in homod syn gud vorbrochte,
Dar na wedder hulpe sochte
In den ghonnen, dar he dat hadde mede vorteret,
Dat eme nicht worde, des4) wer he werd.
Von einer Datierung des Josepeschen Gedichtes sehe ich
hier ab, da sie sich nur auf Grand eines genaueren Eingehens
auf die Polemiken gegen die reichen, nicht reformierten KlOster
und Stifter, gegen die hohen und hflchsten kirchlichen Wfirden-
trager, die Pralaten und den Papst geben lftsst. Ich gedenke
sie in grosserem Zusammenhang zu behandeln.
*) „dar" von anderer Hand nach „De" hinzugefugt.
9) Zwischen „vnd" und ,/weret" eine Rasur.
8) H8.: „das" von zweiter Hand verbessert aus „dat". Es folgt die
S. 261 mitgeteilte Stelle.
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— 271 —
Zum Schlusse korame ich auf die Geschichte der Emder
Hs. zuriick. Der in diesem Jahrbuch XIV, 37 mitgeteilte Zusatz
zu den ^doctrine bone pro communi bono" legt die Vermutung
nahe, dass die Hs. fiir ein Nonnenkloster geschrieben worden,
sich also wohl auch im Besitz eines solchen befunden hat. Die
von mir mehrfach nachgewiesene tendenziose Verkiirzung und
Ver&nderung des Josepeschen Gedichtes ist kaum mit Riicksicht
auf Nonnen als Leserinnen vorgenommen worden, aber es ist
nicht unmSglich, dass die Emder Hs. von Nonnen geschrieben
worden, denen dann die meisten Verschreibungen in den latei-
nischen Zitaten Schuld zu geben w&ren.
Die innere Geschichte der Hs. widerspricht also nicht den
scharfsinnigen Untersuchungen, die Herr Prof. Dr. Ritter in
diesem Jahrbuch XIV, 512 — 20 verSffentlicht hat. Er weist
aufs Oberzeugendste nach, dass die Emder Josepe-Hs. aus dem
Lftneburgischen, hQchst wahrscheinlich aus einem Liineburgischen
Benediktinerinnenkloster, in den Besitz des Landschaftsprasi-
denten und preussischen Geheimen Rates Mauritz Wilhelm
von dem Appelle und aus dem Appelleschen Nachlass in den
Besitz der Gesellschaft fiir bildende Kunst und vaterlandische
Altertiimer zu Emden gelangt ist. Es ist sehr wahrscheinlich,
dass reformierte Benediktinerinnen sich aufs lebhafteste fiir
die freien Anschauungen Josepes, eines Vorlaufers der Be-
strebungen der Bursfelder Union, interessiert haben.
Greifswald. Al. Reifferscheid.
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Kleine Beitrage
zur Gesehichte der Ulrichsschule zu Aurich.
i.
Schon lange vor dem Jahre 1646, das als das Griindungs-
jahr der hSheren Lehranstalt zu Aurich angesehen wird, ja
schon vor der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts hat es
hier eine lateinische Schule gegeben. die indes nur aus einer
Klasse bestand, und an der auch nur „eine Person unter den
Namen eines Rektors einzig und allein das Schulwerk trieb
und Kinder von allerhand Gattung" — namlich von sehr ver-
schiedenem Lebens- und Klassenalter — ^informierete".1) Der
einzige Lehrer hatte „den Unter richt der Jugend von den
ersten Elementen an in alien Fortschritten der Kenntnisse und
fiir alle Stufen des jugendlichen Alters zu besorgen".2)
Im Jahre 1646 verfugte aber Graf Ulrich II. auf Be-
treiben des lutherischen Superintendenten Brandanus Datrius
die Erweiterung der Schule zu einer d r e i klassigen Anstalt.
Der bisherige Rektor, Johann Rabe, wurde als Prediger nach
Engerhafe versetzt. Der neuernannte Rektor, Martin Ness el,
gebiirtig aus Mahren, bislang Konrektor in Minden, ein Mann,
der sich durch lateinische Dichtungen einen gewissen Ruf ver-
schafft hatte, trat seinen Dienst Michaelis 1646 an, w&hrend
als Konrektor Johann Schroder und als Kantor dessen
Bruder Sebastian Schrflder — beide iibrigens ebenfalls
aus der Fremde hierher berufen — bereits seit Ostern ihres
Amtes walteten. Der Rektor der neuen Schule war nach dem
allgemeinen Brauche jener Zeit ausschliesslicher und bleibender
Lehrer der ersten, und ebenso der Konrektor der zweiten, der
Kantor der dritten Klasse. Nessel wurde 1655 von hier als
*) Funck, 08tfriesi8che Chronik, Teil 6. S. 102.
*) Pommer, Nachricht von der Ulrichsschule in Aurich, Tapper 1821.
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— 273 —
Rektor an die lutherische Domschule zu Bremen berufen, ging
aber 1667 von dort nach Wien und trat daselbst zur katbo-
lischen Kirche tiber. Johann Schroder wurde 1652 Pastor
adjunctus in Pewsum; sein Bruder verlor 1662 seinen Dienst
wegen Unwtirdigkeit. Die Namen der Nachfolger dieser drei
„Schulkollegena bis zum Beginne des 19ten Jahrhunderts sollen
weiter unten angeftihrt werden.
Die erweiterte Anstalt erhielt, wenn nicht sofort bei ihrer
Begrttndung, so doch aller Wahrscheinlichkeit nach bald nach
derselben eine „schriftlichea Schulordnung,1) die der von
Melanchthon 1528 verfassten kursachsischen nachgebildet
war und im wesentlichen bis 1721 in Kraft geblieben zu sein
scheint. Der Lehrplan war noch ausserordentlich einfach :
Religionslehre und Latein waren die beiden einzigen Lehrfacher
der II., die erstere mit 2, das andere mit 28 Wochenstunden
bedacht; in der I. waren dem Latein 6 Stunden entzogen und
gleichmassig auf Griechisch, Rhetorik und Logik verteilt; in
der III. sollten die „lectiones im Lesen, Auswendiglernen und
Schreiben d e u t s c h und 1 a t e i n i s c h getrieben werden" . —
1721 wurde von Johann Wolrad Billstein, aus Tonna bei
Gotha gebiirtig, 1713 — 28 Rektor und Hofdiakonus zu Aurich,
darauf erster Prediger zu Esens, eine neue Schulordnung
nach Hallischem Vorbilde entworfen und zur Einfuhrung
gebracht.2) Der griechische Unterricht erfuhr durch sie eine
erhebliche Vermehrung, zu den bisherigen Fachern traten
Hebr&isch, Geschichte und Erdkunde neu hinzu. 1737 wurde
diese Schulordnung, wie es scheint, vornehmlich durch den
Rektor Georg Emanuel Schroder (1729-60, f 68 in Aurich)
tiberarbeitet ; in der ihr damals gegebenen Form ist sie dann,
freilich nicht ohne auch spatter im einzelnen abgeandert zu
werden, bis 1775 in Geltung gewesen.
In diesem Jahre wurde fiir die Ulrichsschule, die ja nun-
mehr bereits seit 31 Jahren eine Koniglich preussische Lehr-
anstalt war, eine neue Ordnung erlassen:
*) Abgedruckt bei Pommer, Nachricht von der Ulrichsschule in
Aurich, Tapper 1821, S. 7 ff. und in Heynachers Festschrift, Tapper
1896, S. 107 ff .
*) Abgedruckt bei MUcke, Beilage zum Ilf elder Jahresbericht von
1901, S. 6 ff.
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— 274 —
„Wir, Friedrich, von Gottes Gnaden Konig von Preussen,
Marggraf zu Brandenburg, des heiligen R8mischen Reiches Erz-
kammerer und Kurfurst , Fiirst zu Ostfriesland, Herr zu
Esens, Stedesdorf und Wittmund
Urkunden und bekennen hiermit: Nacbdem unsere latei-
nische Schule zu Aurich zwar schon im Jahre 1737 mit einer
schriftlichen Schulordnung versehen worden, dieselbe aber nach
den gegenw&rtigen Umst&nden einige Veranderung, Supplierung
und Verbesserung erfordert : so haben wir gut gefunden, solche
revidieren und zur kiinftigen Richtschnur folgendermassen er-
neuern zu lassen."1)
Nach des Rektors Pommer Angabe in seiner 1821 ver-
offentlichten „Nachricht von der Ulrichsschule" hatten be-
sonders der Generalsuperintendent H a h n und der Konsistorial-
rat und Stadtprediger Smid, der hier fruher Konrektor und
Rektor gewesen war, an der neuen Schulordnung Anteil gehabt.
Ungenau ist jedenfalls seine Bemerkung, dass „nach ihr die
anderen bei den tibrigen Schulen des Landes geltenden minder
oder mehr gebildet" seien. Die Auricher Schulordnung von
1775 ist vielmehr mit der schon aus dem Jahre 1773 stammen-
den „erneuerten Schulordnung fur die lateinische Schule zu
Norden"2) fast durchweg gleichlautend. Sie fiigte zu den
hier bisher gelehrten Fachern noch die Orthographia, d. h.
deutschen Sprachunterricht, und als wahlfreie F&cher Franzo-
sisch, Mathematik und Physik hinzu. Unter den zu behandeln-
den „Hauptteilena der „Historietf erscheint ausser der Chrono-
logie, Genealogie, Geographie, Heraldik und den „ Antiqui-
tatena auch die Numismatik, wozu Pommer die ausser st
treffende Bemerkung macht: „Dass Numismatik von denLehrern
gefordert wurde, war in der Tat hart, da es an offentlichen,
ihnen zu Gebote stehenden Munzsammlungen hierselbst fehlte,
und sie ttbrigens zufrieden sein mussten, wenn ihnen die im
Lande kursierenden Mtinzsorten nur zu Gesicht kamen.a
Eine wichtige Neuerung fur die hftheren Schulen Ost-
frieslands brachte das Jahr 1789: die allgemeine Einftihrung
der Reifepriifung nach einem noch vonZedlitz stammenden,
*) Schulakten des hiesigen Koniglichen Archivs 216a.
f) Abgedruckt bei Babucke, Geschichte des Progymnasiums in
Norden; Emden, Haynel 1877.
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— 275 —
aber bereits von Wollner am 23. Dezember 1788 unter-
zeichneten Reskripte.1) Es waren hiernach vier schriftliche
Arbeiten zu liefern: 1) die Beantwortung einer grossen Zahl
vonFragen aus alien Unterrichtsfachern der I., 2) ein lateinisches
Extemporale, 3) die tfbersetzung einer Horazischen Ode, 4) ein
kurzer deutscher Aufsatz. Die mtindliche Priifung erstreckte
sich nicht nur auf Latein, Griechisch, Geschichte, Logik,
sondern auch auf die wahlfreien F&oher Hebraisch und Franzo-
sisch und mitunter auch auf Mathematik und selbst Englisch.
Die Einrichtung bestand bis 1806, kam in der dann folgenden
Zeit der hollandisch-franzosischen Fremdherrschaft in Wegfall,
wurde aber 1822 auf das Drangen des Rektors Pommer —
und zwar in der durch jene altere preussische Verordnung vor-
geschriebenen Form, nicht etwa nach Vorschrift des beriihmten
Edikts vom 12. Oktober 1812 — hier in Aurich wieder ein-
geftihrt. Die allgemeine Anordnung der Reifepriifung an den
hannoverschen Schulen erfolgte erst im Jahre 1829.
Eine recht triibe Zeit musste die Schule w&hrend der
hollandischen (1807 — 10), eine noch triibere wahrend der franzo-
sischen Herrschaft (1810 — 13) durchleben.2) Im Jahre 1805
hatte der preussische Kultusminister von Massow die Schulen
Ostfrieslands besucht und dem Konsistonum einen vollig aus-
gearbeiteten Plan zu ihrer Neuordnung und Erweiterung vor-
gelegt. Doch ehe dieser Plan verwirklicht werden konnte,
brach das Unheil iiber den preussischen Staat herein, und von
einer Schulreform war nun ftir lange Zeit nicht mehr die Rede.
Die holl&ndische Regierung wollte dem Ostfriesen, um ihn zu
behobeln und zu gl&tten — „beschaavena sagte die be-
treffende Verfugung — die hollandische Sprache statt der
deutschen als Bildungssprache aufdr&ngen. IJnter Napoleons
Herrschaft sollten die ostfriesischen Schulen eine hohe, von den
Schtilern aufzubringende Abgabe, die sich ftir Aurich auf 840
Frank bei einer Gesamtzahl von 50—60 Schtilern belief, an die
Kaiserliche Universitat zu Groningen entrichten; die Lehrer aber,
„welche ihr ohnedies armseliges Gehalt nicht ausgezahlt er-
hielten", mussten ftir die Erlaubnis, ihr Amt weiter auszuiiben,
l) Mttcke a. a. 0. S. 30 ff.
>) Pommer a. a. 0. S. 31 ff.
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— 276 —
— „den Hunger in Prospekt zu haben", meint Pommer — sich
1813 zu einer j&hrlicheu Abgabe von 100 Fr. verstehen. Noch
niederschlagender freilich war fur sie das Bewusstsein, dass sie
die „blindeu Werkzeuge einer wohlberechneten, alles Edle im
Menschen ertfttenden Geistestyrannei abzugeben" bestimmt
seien. Die Erlflsung kam 1813 mit der Erneuerung der preussi-
schen Herrschaft, unter der nun auch die Lehrer ihre ruck-
standigen und laufenden Gehalter ausgezahlt erhielten. Die
seit Ende dieses Jahres erledigte Rektorstelle wurde freilich
— „aus Mangel an Fonds" — nicht alsbald, sondern erst Ende
1817, also unter hannOverscher Herrschaft. wieder besetzt, und
dieses „Gouvernement zeigte sich auch sonst bereitwillig, den
Zustand der Schule im Innern und Aussern zu verbessern".
Was Massow einst geplant hatte, sollte jetzV/wenn.aucb
nicht sofort. fiir Aurich zur Ausfiihrung kommen. Es war das
glanzende Ergebnis mehrjahriger von dem Rektor Cornelius
Pommer (1803-13; 1817—33) angeregter und mit zaher Aus-
dauer unterhaltener Verhandlungen, dass sich 1822 eine v611ige
Neugestaltung der Schule „im Innern wie im Aussern" vollzog.
Mit mindestens ebenso gutem Rechte, wie man 1896 die
250jahrige Stiftungsfeier der Anstalt begangen hat,w werden
einst 1922 die Uberlebenden unter uns mit der dann bliihenden
Jugend das hundertj&hrige Jubilaum des Gymnasiums feiern
k5nnen. Die neue Schulordnung1) bezeichnet als die Haupt-
bestimmung der Anstalt eine griindliche und vollstandige
Vorbereitung zu den akademischen Studien zu geben. Die
Unterrichtsgegenst&nde zerfallen demgemass in Sprachen,
Wissenschaften und Fertigkeiten. Die auf der Schule gelehrten
Sprachen sind Deutsch, Latein, Griechisch, Hebraisch, Franzo-
sisch, von denen die beiden letzteren wahlfrei sind. „Die eng-
lische Sprache hat noch keinen festgesetzten Lehrer; es giebt
hierselbst aber mehr denn eine Gelegenheit, sie griindlich zu
erlernen".2) An Wissenschaften werden gelehrt Religion, Ge-
schichte, Geographie, Antiquitaten und Mythologie, Rechnen
und Mathematik, Naturgeschichte, Naturlehre, Philosophie
*) Handschriftlich bei den Akten des Gymnasiums, auszugsweise
mitgeteilt von Pommer, „Kurze Nachricht von der gegenwartigen Ein-
richtung des Lycei in Aurich", Tapper 1822.
a) Pommer a. a. 0. S. 15.
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— 277 —
(empirische Psychologie und Logik); an Fertigkeiten Kalli-
graphie und Zeichnen. Die Einffihrung von Gesangunterricht
blieb noch vorbehalten. Man sieht, die Sammlung ist schon
annahernd vollst&ndig; ganzlich unerwahnt bleibt nur der
Turnunterricht.1) So hat sich denn auch die wochentliche Ge-
samtstundenzahl von 26 auf 30 und dariiber erhoht. Im iibrigen
hat das Lateinische nicht unerheblich an Stundenzahl ein-
gebiisst, das Griechische dagegen gewaltig an Ausdehnung ge-
wonnen: es nimmt sogar schon einen etwas grosseren, als den
ihm gegenw&rtig zugestandenen Raum im Lehrplane ein. Als
Hauptfacher gelten Latein, Griechisch, Geschichte.2) — Sodann
wird die Schule zu einer fiinfklassigen Anstalt erweitert
und erhalt den stolzen Naraen Lyceum. Es wirken an ihr
ausser dem Anstaltsleiter, der nunmehr den alten ehrwiirdigen
Rektortitel mit der hochst unklassischen Bezeichnung „Direktora
vertauscht, ein Konrektor, ein Subkonrektor, ein erster und
zweiter Kollaborator und ein Zeichenlehrer, also im ganzen
nicht mehr drei, sondern sechs Lehrer. — Das alte Klassen-
lehrersystem wird grundsatzlich aufgegeben: „Die Krafte des
Lehrers werden, soviel nur angeht, zu dem benutzt, worin er
sich auszeichnet und wozu er die mehrste Lust hat, dass also
in einer Klasse nicht stets ein und derselbe lehrta.3) Ja, man
nimmt jetzt auch hier eine Einrichtung auf, die schon im
18 Jahrhundert nach Hallischem Vorbilde auf vielen preussischen
Schulen Eingang gefunden hatte,4) und die uns heutzutage Un-
kundige als ihre nagelneue Erfindung anpreisen mochten: ein
und derselbe Sch tiler kann in verschiedenen Fachern ver-
schiedenen Klassen angeh5ren, beispielsweise also im Latei-
nischen in der Prima und im Griechischen noch in der Sekunda
sitzen. Hieraus aber ergiebt sich denn von selbst eine Ver-
&nderung in der Stellung des Anstaltsleiters zu den andern
Schulkollegen : er ist nicht mehr primus inter pares, sondern
der n&chste Dienstvorgesetzte. — tfbrigens setzte man voraus,
dass „bei gew5hnlichen Kraften und nicht zu grosser Vernach-
*) In Hannover allgemein erst seit 1848 eingefuhrt
*) Pommer a. a. 0. S. 8. Gegenw&rtig bekanntlich Deutsch, Latein,
Griechisch, Mathematik.
») Pommer a. a. 0. S. 8.
•) VgL Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, Bd 2, S. 151 1
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— 278 —
lassigung" ein Schiller in jeder Klasse durchschnittlich zwei
Jahre zubringe, also nach einer im ganzen zehnjahrigen
Gymnasiallaufbahn in einem Alter von 19 Jahren, „wo er in
der Regel dazu am f&higsten" sei, zu den akademischen Studien
tibergehe.1) Vor den halbj&hrlichen Versetzungsterminen hielt
der Direktor in alien Klassen eine schriftliche und mtindliche
Prtifung ab, und die Reifepriifung, die bis 1806 bestanden hatte,
wurde „ftir die zur Akademie abgehenden Schtilera, wie schon
bemerkt, wieder eingeftihrt.2)
Die Besoldung der Schulkollegen war im 17ten und 18ten
Jahrhundert recht „armseliga gewesen. Als „salarium fixum"
erhielt bis 1785 der Rektor 200, der Konrektor 100, der Kantor
60 Thaler. Dazu kamen dann freilich ausser freier Wohnung
die „Accidentiena, n&mlich die von den Schtilern unter ver-
schiedenen Titeln (Schulgeld, Einschlaggeld, Marktgeld u. a.)
zu entrichtenden Gebtihren, das „ honorarium arbitrium" bei
Leichenbegangnissen und Naturalgefalle (Torf, Getreide, ein
Schwein u. dergl.). Mehrere vor 1744 amtierende Rektoren be-
zogen iiberdies als Hofdiakonen eine Zulage von 100 Thalern,
der Konrektor an Zinsen von Stiftungskapitalien etwas tiber 21,
und endlich der Kantor als Organist der Schlosskapelle 40 Thaler.
Andererseits musste sich Rektor, wie Konrektor, falls ein „ rector
emeritus" vorhanden war, einen Abzug ge fallen lassen, der fur
den ersteren 30, ftir den zweiten 20 Thaler betrug8) Spater
wurden die festen Geh<er mehrfach aufgebessert, beliefen sich
aber noch 1806 nur auf 268, 180 und 120 Thaler. Seit 1822
erhielt nun der Rektor 700, der Konrektor 500, der Subkonrektor
450, der erste Kollaborator 250, der zweite, der den in den
Nachmittagsstunden von 5 — 7 Uhr zu erteilenden Unterricht im
Franzosischen, in der Arithmetik und Kalligraphie iibernehmen
musste, 300 Thaler. Eine freie Wohnung aber hatten jetzt nur
der Rektor und der Konrektor. — Das Schulgeld betrug
im 18ten Jahrhundert jahrlich ftir die I. nur 4, ftir die II. 3 und
ftir die III. 2 Thaler; wer aber die von 10 — 11 zu erteilende
Privatstunde besuchen wollte, bezahlte ftir diese eben so viel,
also im ganzen das Doppelte. 1822 wird nun das Schulgeld
l) Pommer a. a. 0. S. 10.
*) Pommer a. a. 0. S. 30.
*) Schulakten des Koniglichen Archive 209,
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— 279 -
fttr die I. auf 16, die II. auf 12, die III. auf 10, die IV. und V.
auf 8 Thaler angesetzt. Es geh6rt auch jetzt noch zu den
Einkiinften der Lehrer, indem ein jeder der Ordinarien, wie wir
sagen wtlrden, das von seiner Klasse aufzubringende Schulgeld
empf&ngt. „W&hrend der Vakanz einer Klasse durch Absterben
oder sonstigen Abgang eines Lehrers, sowie wahrend einer
langwierigen Krankheit eines Lehrers" haben die Kollegen
seinen Unterricht zu tibernehmen, erhalten aber auch fiir die
Zeit der Aushilfe das Schulgeld der betreffenden Klasse.1)
Ich lasse hier ganz kurz die Namen der Schulkollegen
von 1646 an folgen, da das von Pommer2) aufgestellte Ver-
zeichnis der Berichtigung und Vervollst&ndigung bedarf8):
Rektoren: 1. Nessel 1646—55. 2. Eilhardi —1665.
3. Taute —1668. 4. Ecksted —1695. 5. Betke —1711.
6. Leutholf —1713. 7. Billstein —1728. 8. Bertram —1729.
9. SchrSder —1760. 10. Meppen —1761. 11. Smid —1767.
12. Christian Jani —1769. 13. Hecht —1803. 14. Pommer
—1813 und 1817—33.
Konrektoren: 1. Johann SchrSder 1646 — 52. 2. Brawe
—1655. 3.Coner-1665. 4. Taute— 1667(dannRektor). 5. Ecksted
— 1668 (dann Rektor). 6. Meder —1683. — Hierauf blieb das Kon-
rektorat unbesetzt bis 1689. — 7. Thaw— 1698. 8.Schrader— 1706.
9. Lauffer —1707. 10. Schorf —1712. 11. Kettwig —1719. 12.
Schmid —1726. 13. SchrSder —1730 (dann Rektor). 14. Holen
—1731. 15. Spiessmacher — 1732. 16. Hermann Jani —1744. 17.
Gerhard Wideburg -1750. 18. Meppen —1760 (dann Rektor).
19. Smid —1761 (dann Rektor). 20. Janssen —1763. 21. Christian
Jani — 1767 (dann Rektor, sp&ter Generalsuperintendent der
Altmark und Priegnitz). 22. Hagius —1768. 23. Hecht —1769
(dann Rektor). 24. Gottlieb Kirchhoff —1771 (spater Super-
intendent in Norden). 25. Ortgiese 1776. 26. Karl Fastenau
—1783. 27. Mttller —1805. 28. Liiddeke.
Kantoren: 1. Sebastian Schroder 1646 — 62. 2. Strumpf
—1668. 3. Molitz —1678. 4. Grumbrecht —1697. 5. Koch
—1700. 6. Bolen —1702. 7. Johann Jani —1727. 8. Stegemann
') Hand8chriftliche Schulordnung § 42.
*) Nachricht 1821, S. 93 ff.
*) Schulakten des KSniglichen Archivs 266.
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— 280 —
- 1728. 9. Christoph Wideburg -1744. 10. Bohme —1748.
11. Balduin Georg Fastenau —1798. 12. Johann Georg Faste-
nau -1821.
Bei weitem am h&ufigsten haben also die Konrektoren
gewechselt; dieses Amt wurde eben von den meisten als ein
(Jbergang zu einem Rektorate oder Pastorate angesehen. Von
den 28 angefuhrten Konrektoren sind 10 nur 1 oder 2 Jahre
in diesem Amte verblieben, 15 sind Pastoren, 9 sind Rektoren
und zwar 7 in Aurich, 2 an andern Orten geworden. Auch
von den Kantoren haben 2 (Molitz und Koch) ein Pastorat
erlangt, und selbst von den Rektoren haben 5, darunter auch
solche, die zugleich Hofdiakoni waren, ihre Stellung sobald wie
moglich mit einem rein geistlichen Amte vertauscht. In An-
betracht der k&rglichen Besoldung und der tiberm&ssigen Arbeits-
last — es waren mit Einschluss des Privatunterrichts 30 Wochen-
stunden zu geben — darf uns diese Erscheinung nicht wunder
nehmen. Bewunderung verdient vielmehr Cornelius Pommer,
der nach 4 Jahren seine gute Predigerstelle zu Westerakkum
wiederaufgab, um aufs neue Rektor in Aurich zu werden.
Er steht in dieser Beziehung unter alien Schulm&nnern, die
Aurich gehabt hat, v511ig vereinzelt da.
Der Schulerbestand war in den ersten Jahrzehnten des
18ten Jahrhunderts hoher als spaterhin, was sich wohl aus dem
Wettbewerb anderer lateinischer Schulen erkl&rt.1) Nach den
„catalogi discipulorum scholae Auricanae" hatte die Anstalt
— III. 33 — zusammen 75 Schuler
53 „
63 ,
45 „
47 „
47 „
48 „
47 ,
Ein Fortschritt ist also seit der Mitte des Jahrhunderts
nicht erkennbar. Aber infolge der Neueinrichtung Ostern 1822
1723 in I.
21
—
II.
21
—
III.
33
1740 in I.
24
—
II.
17
—
III.
12
1743 in I.
21
—
II.
31
—
III.
11
1757 in I.
12
—
II.
15
—
III.
18
1769 in I.
8
—
II.
13
—
III.
26
1776 in I.
11
—
II.
13
—
III.
23
1785 in I.
8
—
II.
10
—
III.
30
1794 in I.
12
—
II.
12
—
III.
23
*) Dreiklassige Schulen solcher Art gab es noch zu Norden und
Emden, zweiklassige in Leer und Esens und eine einklassige in Wittmund.
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— 281 —
wurde ein Gesamtbestand von 94 Schiilern erreicht. und zwar
hatte die V. 11, die IV. 25, die III. 22, die II. 23, die I. 13 Schiller.
Die alte einklassige Schule war nebst der Rektorwohnung
in dem Hause Kirchstrasse 35 gewesen. Dieses Haus wurde
1646 zu zwei Wohnungen, fur den Konrektor und den Kantor,
eingerichtet; es ist auch noch von 1822 — 1858 Wohnung des
Konrektors geblieben. Die neue dreiklassige Schule erhielt ihren
Sitz zunachst in einem auf dem Grundstiick der jetzigen Ober-
pastorei befindlichen Hause, vertauschte aber schon im April
1647 dieses Haus gegen das damalige erste Pfarrhaus. Dieses
wurde nun zur lateinischen Schule, und das Schulhaus wiederum
zur Oberpfarre.1) Damit gelangten denn Schule und Rektor-
wohnung auf dasjenige Grundstiick, auf dem sie sich noch
heutzutage befinden.2)
Das alte Schulhaus, welches zugleich die Dienstwohnung
des Rektors enthielt, musste nun 1820, als man zur Neu-
einrichtung der Schule schritt, abgebrochen und durch einen
Neubau ersetzt werden. Es war eben, wie Pommer berichtet,3)
„im hSchsten Grade elend, baufallig, finster und ungesund" und
„legte jedem guten Plan unubersteigliche Hindernisse in den
Weg.a Die Dienstwohnung des Direktors sollte von dem neuen
Schulgebaude getrennt, dagegen die Katechismus- und Stadt-
schule, ,jUm von Anfang an den Unterricht harmonisch ein-
zuleitena, in dieses mit aufgenommen werden. „Riss und
Bestecka wurden von dem Koniglichen Bauinspektor Remmers
entworfen. Nach seinem von den beteiligten Behorden ge-
billigten Plane wurden je zwei Stuben auf der West- und Ost-
seite des Erdgeschosses fur die Katechismus- und Stadtschule
bestimmt, wahrend die mittleren Raume des Erdgeschosses
nebst dem Obergeschoss zur Verfiigung des ^Lyceums" blieben.
Der Bau begann im April 1820, die feierliche Grundsteinlegung
wurde am 31. Mai vollzogen. Die einleitende und abschliessende
Rede hielt hierbei Pommer; dazwischen erfolgte die Legung des
„ersten Steines" durch den Justizkanzleidirektor v. Vangerow,
der diese Handlung mit kurzen, aber gehaltvollen Worten be-
l) Das jetzige erste Pfarrgebaude ist an Stelle dieses alten Hauses
erst 1843/44 errichtet, das zweite 1858.
*) Heynacher a. a. 0. S. 60 ff.
») Nachricht von 1821, S. 40 ff.
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— 282 —
gleitete. Ostern 1821 war das . Werk so weit vorgeschritten,
dass die drei Klassen, welche bis dahin in Privathalusern
untergebracht waren, in das Schulhaus einziehen konnten. Die
feierliche Einweihung nebst der Einfuhrung der neuen Lehrer
und der Einrichtung von ftinf Klassen verzogerte sich bis zum
22. April 1822. „So steht denn,a ruft Pommer aus, „das Gebaude
als ein Denkmal der edlen Liberalit&t des Gouvernements, als
eines der schonsten Gebaude der Stadt von alien Einsichtsvollen
bewundert da.a Die Kosten hatten sich fiir das Schulgebaude
auf 9131t fiir das damals noch kleine Direktorhaus auf 2527
Thaler belaufen.
Von der Weihefeier hat aber Pommer einen Bericht fur
die Auricher Zeitung verfasst, den ich hier folgen lasse:
Aurich, 23. April.1) Gestern war die Weihe des hiesigen
Lycei. Um neun Uhr erschienen hierzu die Mitglieder der
Regierung, der Justizkanzlei, des Consistorii und andere hohe
Landeskollegien und Beamte, imgleichen die Kirchen- und
Gemeinde- und Vorsteher des Armenwesens, im Saale des neuen
Schulgeb&udes. Am Eingange desselben waren sie von der
sSLmtlichen Schuljugend der niederen Klassen, die auf dem
Kirchhof aufgestellt war, empfangen worden, und die Madchen
zeichneten sich vorzuglich durch ihren gefalligen Anzug aus,
indem alle weiss gekleidet und mit Blumen und Epheu ge-
schmuckt waren. Nach Absingung eines passenden Gesanges
eroffnete der Herr Kanzleidirektor von Vangerow die Feier
mit einer Rede an die sehr zahlreiche Versammlung aus alien
St&nden. Ihm folgte der Herr Generalsuperintendent Mtiller,
der in lateinischer Sprache redete, dann aber nach einer
rtihrenden Einleitung in deutscher Sprache die neuen Lehrer
durch den ihnen abgenommenen Handschlag und ftberreichung
ihrer Diplome in ihrem Amte best&tigte. Der Herr Schul-
direktor Pommer machte hierauf die Versammlung mit den
Fortschritten des deutschen Schulwesens aus den SJtesten
Zeiten her bekannt und schilderte die grossen Vorteile, welche
gut eingerichtete Schulanstalten auf die Bildung der Menschen
haben, bemerkte auch dabei, dass unter alien kultivierten
l) Auricher Zeitung. Mittwoch, den 24. April 1822, Stuck 33.
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— 283 —
Landern Europas Deutschland dasjenige sei, welches sich der
meisten und besten Jugend-Bildungsanstalten erfreute. Nach
dem Schlusse dieser Rede erschien der Herr Kant or Wi e ch-
in ann mit mehreren jungen Madchen, die iij seiner und der
Musik Begleitung das schone, von Witschel verfertigte, zu
diesem Feste aber etwas veranderte Lied „Vater, den uns
Jesus offenbaret" sangen und sich den ungeheucheltesten Bei-
fall erwarben. Die drei neuen2) Lehrert Herren Subkonrektor
Reiners8), Kollaborator Hicken4) und der Lehrer der fran-
zflsischen Sprache, Helling, drtickten teils lateinisch, teils
in franzosischer (!) Sprache ihre Empflndungen iiber den Zweck
des Festes und die Wichtigkeit ihres Amtes aus. Auch die
Primaner Pfeifer aus Reepsholt und Reimers aus Aurich
erwarben sich, ersterer durch eine lateinische, letzterer durch
eine deutsche Rede, vielen Beifall. In den verschiedenen Pausen
wurden passende Ges&nge gesungen, und zulezt ertflnte „Nun
danket alle Gott!a Die Kleinen aus den beiden niederen
Schulen versammelten sich nachmittags zu allerlei Spielen,
wobei ihnen zu essen und zu trinken gegeben wurde. Dann
gingen sie mit ihren Unterlehrern singend durch die Stadt und
erfiillten durch ihre Munterkeit aller Herzen mit Freude. Die
Schiller der hoheren Klassen versammelten sich zu einem fest-
lichen Mahle auf dem Piqueurhofe, nach welchem sie ihren
Lehrern und alien hohen Behflrden eine Nachtmusik brachten.
Bis spat in die Nacht war das Schulhaus erleu'chtet, der
Kopf des Aristo teles prangte transparent iiber dem einen,
und der des PI a ton fiber dem andern Eingange.
Seit ihrer Begriindung hatte die Anstalt unter dem Kon-
sistorium gestanden; ihr „Ephorusa war der Generalsuperint en-
dent, dem ein Konsistorialrat als zweiter „Scholarcha beigegeben
war. Dieses Verh<nis endete mit dem Jahre 1830, indem
auch die hiesige hOhere Schule, nunmehr amtlich „Gymnasiuma
1) Die alten Lehrer waren Pommer, der Konrektor Luddecke
und der Zeichenlehrer TSpfer.
*) Klassenlehrer der III.
») Klassenlehrer der IV.
*) Klassenlehrer der V.
Jahrbach der Oetellsch. f. b. K. a. raterL Altert&mer za Emden, Bd. XV. 19
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— 284 —
genannt, dem Oberschulkollegium zu Hannover unterstellt wurde,
dessen hervorragendstes Mitglied bekanntlich von 1830 — 1867
der im preussischen Staatsdienste erzogene Friedrich Kohl-
rausch war. Sfitdem hat die Anstalt an der allgemeinen
Entwickelung erst des hannSverschen *), dann des preussischen
h5heren Schulwesens teilgenommen. Ein allgemeiner Lehrplan
fiir die Gymnasien wurde in Hannover nicht aufgestellt, da
Kohlrausch der Ansicht war, dass den einzelnen Anstalten
Spielraum gelassen werden miisse, und der Behorde Raum
genug zur Einwirkung durch die Reifepriifung und personlichen
Einfluss bleibe. Immerhin stellte sich im Laufe der Zeit eine
weitgehende Ubereinstimmung nicht nur der hannoverschen
Gymnasien unter einander, sondern auch dieser mit den preus-
sischen heraus. — Zur Zeit der Einverleibung Hannovers in den
preussischen Staat hatte das hiesige Gymnasium den ansehn-
lichen Gesamtbestand von 166 Schiilern2), der sich nunmehr
bereits auf si e ben Klassenstufen verteilte : eine Vorbereitungs-
klasse ohne Latein, urspriinglich Quinta inferior, spater Sexta
genannt, war seit 1844 angefiigt, die Quarta seit Ostern 1858
in eine Gross- und Kleinquarta, d. h. in eine obere und untere
Abteilung gesondert. In zwei „Realklassena erhielten die vom
Griechischen befreiten Schiller englischen und naturgeschicht-
lichen Unterricht. Nun wurde hier Ostern 1868 der von
Wiese herriihrende preussische Lehrplan von 1856 eingefiihrt:
Die ^Kleinquarta" wurde damit zur Quinta, die bisherige Quinta
zur Sexta, die lateinlose Sexta zur Vorschule; die „Realklassen"
aber verschwanden leider nach dem Schuljahr 1868/69.8) Micha-
elis 1882 wurde sodann die Vorschule aufgehoben, Ostern 1883
die Tertia, Ostern 1889 die Sekunda geteilt; die vollst&ndige
Trennung der beiden Tertien hat sich allerdings erst Ostern
1901 vollzogen. — Die Schtilerzahl stieg bis 1875 auf 195,
nahm aber in den folgenden Jahren ab, weil in Ostfriesland
3 neue Vollgymnasien erwuchsen, erhob sich bis 1899 wieder
l) ttber die Geschichte des hannSverschen Schulwesens bietet die
beste Belehrung Geffers im 3. Bande von Schmids Encyklopadie.
*} Gerade so viel wie Ostern 1902, 4 mehr als Michaelis 1902.
*) um hoffentlich in nicht zu ferner Zeit in dem nach den neuesten
Lehrplanen neben dem Griechischen gestatteten Ersatzunterricht wieder
aufzuleben.
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— 285 —
auf 183 und ist jetzt1) wieder auf 162 zurilckgegangen. — In-
zwischen sind auch nicht weiliger als drei neue Lehrpl&ne
— in den Jahren 1882, 1892 und 1901 — zur Einfiihrung
gekommen.
Nachdem die Stadt- oder Kantorschule schon 1834 die
beiden. seit 1822 von ihr benutzten Lehrzimmer gegen eine
Abfindungssumme von 1000 Thalern an das Gymnasium ab-
getreten hatte, gelang es den Bemiihungen des Direktors
Rothert im Jahre 1861, endlich auch die Verlegung der
„Katechismusschulea, die eine landesherrliche Armenschule war,
durchzusetzen und somit dem Gymnasium die ausschliessliche
Verfiigung tiber das ganze Geb&ude zu verschaffen. — Das ein-
stockige Direktorhaus, das man 1820 errichtet hatte, wurde
1845 durch einen zweistockigen Anbau vergrossert. Die Kosten
betrugen 2430 Thaler. Ein Nebengebaude fiir den Schulw&rter,
das seit 1900 freilich nicht mehr als Schulwarterhaus dient,
wurde 1864 fttr 430 Thaler aufgeftthrt. — Der Turnplatz war
1854 (Kontrakt vom 2. Juni) angekauft worden; die Verk&ufer
waren der hiesige Obergerichtsanwalt Dettmers und dessen
Mutter, Frau Justizkommissar Dettmers, geborene Hedden.
Die Turnhalle wurde indes erst in den Jahren 1874 — 77 und
zwar fttr 9450 Thaler 20 Silbergroschen (= 28352 Mk.) erbaut
und Ostern 1877 dem Betriebe ttbergeben. — Die Badeanstalt,
schon seit lslngerer Zeit, wohl schon seit 1846 von dem Gym-
nasium benutzt, ging im August 1879 unentgeltlich in den
Besitz desselben tiber. Die beiden einzigen noch lebenden Mit-
glieder der seit 1845 bestehenden, ursprtinglich etwa 20 Mit-
glieder z&hlenden „Kanalbadegesellschafta, Obergerichtsrat a. D.
Schnedermann und Heinrich Tapper, hatten im Juli erkl&rt,
dass sie ihre Ansprttche an das Gymnasium abtraten, dagegen
aber auch sich ihrer kontraktlichen Pflichten enthoben er-
achteten. Das Badehauschen wurde 1880 mit einem Kosten-
aufwande von 442 Mark errichtet; die notige ErhOhung des
Umfriedigungswalles an der Nordseite kostete 141 Mark.
*) d. h. Michaelis 1902.
19*
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— 286
H.
Wir kehren zu der Zeit um 1775 zuriick, zu der Zeit, wo die
Grossv&ter derert die heute selber das Grossvateralter erreicht
haben, die Schulbank driickten. Kantor war hier damals Bal-
duin Georg Fastenau (frtiher „5ffentlicher Notar"), Konrektor
Heinrich Matthias Ortgiese (1776 erster Prediger zu Carolinen-
siel), Rektor Peter Christoph Hecht (1769—1803). Wie aber
die Schulkollegen der alten, „gutena Zeit, ohne besonders tible
Folgen fiir sich befiirchten zu miissen, selbst in preussischen
Landen ihres Amtes walten durften, das lehrt uns folgendes
von dem Konsistorialrat Smid entworfenes, von dem Pr&sidenten
v. Derschau unterzeichnetes Rescriptum des Konsistoriums.1)
Rescriptum
an den Rectorem Hecht und die iibrigen Schul-Collegen der
lateinischen Schule zu Aurich
die in derselben uberhandnehmende Unordnungen
betreffend :
P. P.
Wohlgelehrte Hebe getreue!
Unser Consistorium hat schon lange die laute und emp-
findliche Klage vernehmen miissen, dass bey der lateinischen
Schule hier in Aurich von Zeit zu Zeit solche Unordnungen
einreissen und iiberhand nehmen, die einen jeden, dem das
mit der Erziehung der Jugend verkniipfte allgemeine Besste
am Hertzen liegt, den Verfall, worin gedachte Schule schon
gerathen zu seyn scheint, immer mehr befiirchten l&sst. Es hat
auch aus dem, was es horet und siehet, Ursache genug zu
vermufhen, dass diese Klage nicht ohne Grund vom Publico
erhoben werde. Denn iiberhaupt hat man bemerkt, dass die
Schul-Collegen ohne Unterschied iiber die ihnen vorgeschriebene
Ordnung in den mehresten Stiicken nicht halten. Sie verstatten
sich selbst und ihren Untergebenen alle Freyheit. Statt dass
*) Schulakten des Archivs 216a,
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— 287 —
sie die Schule im Sommer um 7 und im Winter um 8 Uhr
anfangen soil ten, kommen sie des Sommers sowohl als des
Winters selten eher als gegen 9 Uhr, und so auch des Nach-
mittags lange nach der ihnen vorgeschriebenen Zeit zusammen,
unter dem nichts bedeutenden Vorwande, dass sich die Schiiler
nicht eher versammelten, die gewiss ihre Zeit wohl wahrnehmen
und nicht manquieren wiirden, wenn ihre Lehrer mit dem
gehSrigen Umsehen dariiber hielten. Mit der Sing-Stunde gehet
es insonderheit sehr unordentlich zu. Es erscheint in derselben
von den Schiilern wer da will, und dann horet man am Ende
der gantzen ersten Schul-Stunde des Nachmittags, die dem Muth-
willen der Schiiler Preiss gegeben wird, ein ordinaires und oft
genug bekanntes Kirchenlied absingen, ohne dass den Schiilern
die geringste Anweisung znr Vocal-Musik nach Noten, welche
die Schul-Ordnung doch ausdriicklich fordert, gegeben werden
sollte. Aus diesen und dergleichen Datis muss man den un-
angenehmen Schluss machen, dass es mit den iibrigen Stunden
und mit der gantzen Verfassung der Schule nicht besser aus-
sehe, und dass alles so langweilig, so trage und todt dabey
hergehe, wie es zu gehen pfleget, wenn man nicht von innen
aus durch Gewissenhaftigkeit und Lust zur Arbeit getrieben
wird, die Pflichten seines Amtes wahrzunehmen. Wir finden
Uns aus diesem Grunde, und weil Unser Consistorium seine
Nachsicht nicht l&nger missbrauchen lassen darf, genothigt,
Euch, denen Praceptoribus dieser Schule, insgemein, und einem
jeden insonderheit, Unsern Unwillen iiber die von Euch wegen
des Verfalls der Schule erregte Klagen hiermit zu erkennen zu
geben, und Euch Euer Betragen, welches so sehr wider Pflicht
und Gewissen streitet, ernstlich zu verweisen, dann aber auch
zugleich anzudeuten, dass, wenn sich nicht ein jeder von Euch
an seinem Theil von nun an bestrebt, diesen Klagen abzuhelfen
und zu dem Ende kiinftig mehr Treue, Fleiss und Eifer in
seinem Amte zu beweisen, Zucht und Ordnung wieder her-
zustellen und iiberhaupt fur die Aufnahme der Euch anver-
trauten Schiiler besstens zu sorgen, Wir solche Maassregeln
ergreifen werden, die Euch gewiss sehr unangenehm und emp-
findlich seyn werden ; weshalb Wir denn auch den Scholarchen
aufgetragen haben, die scharfste Aufsicht dariiber zu halten.
Aurich, den 31, Aug. 1774.
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— 288 —
Uns muss es auffallen, dass gerade hier in Aurich, unter
den Augen der hohen aufsichtfiihrenden BehSrde, solche Miss-
br&uche auch nur vortibergehend einmal mSglich wurden.
Dennoch dtirfte die Behauptung, dass „dergleichen in Aurich
hergebracht war", kaum zu weit gehen. 1759 mttssen die Schol-
archen, Generalsuperintendent Lindhammer und Konsistorialrat
Gossel, von dem Pr&sidenten Homfeld ermahnt werden, den
Missstanden in der lateinischen Schule entgegenzuwirken2) :
„Die in der hiesigen Schulordnung ausdrticklich verordnete
Privatstunde von 10 — 11 Uhr wird nun schon in Jahr und
Tag so wenig von dem Rectore und Conrectore als Cantore
gehalten. Zudem wird auch von geraumer Zeit her fiber den
spaten Anfang der Schularbeit, in specie des Nachmittags-
unterrichts geklaget, und fiberhaupt soil es auch an recht
fleissiger Anwendung der gesetzten Stunden mehrmalen
fehlen." — 1705 war es Sr. Hochfiirstlichen Durchlaucht (Georg
Albrecht 1703—1734) hinterbracht worden, dass die Kinder in
der Schule nicht gebtihrendermassen unterwiesen wtirden, dass
beim letzten Examen die Schuler der ersten Klasse grobe
Fehler in den ex tempore dictis exercitiis gemacht h&tten,
dass der deutsche Text fur die lateinischen Exercitien nicht
durchgesehen worden sei, dass zu selten schriftliche Ar-
beiten aufgegeben wurden. Auch hatte man tiber Unptinkt-
lichkeit im Beginn und Schluss des Unterrichts sowie tiber
Mutwillen der Schiller auf dem Schulwege und wahrend des
Gottesdienstes Klage gefiihrt.3) — Anderes der Art aus den
Zeiten vor und nach 1775 wird noch in einem anderen Zu-
sammenhange zu erwahnen sein.
III.
In den alteren Schulordnungen wurde nicht nur der Lehr-
plan im allgemeinen, namlich Gegenstand und Methode des
Unterrichts und die den einzelnen Fachern zu widmende Stunden-
zahl, sondern auch der Stundenplan, die Verteilung der
1) Schulakten des Archivs 216 a.
2) Schulakten des Archivs 219.
») Miicke a. a. 0. S. 4.
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— 289 —
Facher auf die Wochentage und Tagesstunden, genau vor-
geschrieben. Eine solche fiir eine unbegrenzte Reihe von Jahren
gtiltige Regelung des Unterrichtsbetriebes war naturlich nur
darum mflglich, weil eben in jeder Klasse samtliche Lehrstunden
von einem und demselben, nur in ihr besch&ftigten Lehrer zu
erteilen waren. Demungeachtet mussten nun die »Schulkollegena
alljahrlich zur Osterzeit eine lateinisch geschriebene Ubersicht
der an jedem Wochentage und in jeder Stunde des Tages be-
handelten Lehrgegenstande der vorgesetzten Behorde, d. h. dem
Konsistorium, einreichen. Die am 20. M&rz des Jahres 1775,
also unmittelbar vor Einfuhrung des „neuen Lehrplanesa ein-
gereichte Obersicht soil hier zunachst abgedruckt werden. Man
wird aus ihr wie aus einigen weiter unten mitzuteilenden
Urkunden beilaufig — vielleicht nicht ohne stillen Neid — er-
sehen, dass jene alten Theologi ein zwar nicht durchweg „ein-
wandfreies", aber doch im ganzen recht gewandtes Latein zu
schreiben verstanden.
Descriptio
lectionum per annum praeterlapsum MDCCLXXIIII in primo
scholae auricanae ordine pertractatarum.
Lectiones antemeridianae.
A. Diebus Lunae ac Jovis
a. Religionis christianae doctrinas duce Lappenbergio
bis absolvimus.
b. Quatuor Ciceronis orationes catilinarias et nonnullas
alias ad studium latinitatis promovendum perlegimus.
c. Ad graecam linguam addiscendam S. Paulli ad Colos-
senses nee non ad Romanos scripta epistola perlecta
est et grammatice explicata.
B. Diebus Martis et Veneris
a. In theologicis versati sumus.
b. Historiam tam antiquam et in primis successorum
Alexandri Magni quam novam Portugalliae, His-
paniae, Galliae, Britanniaeque studuimus addiscere.
c. Rhetoricis opera data est.
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— 290 —
C. Diebus Mercurii et Saturni
a. in Hebraeorum lingua nonnulli discipuli operam col-
locarunt; ceteris interea Salustii bellum Jugurthinum
nee non quasdam Ciceronis epistolas in vernaculam
linguam vertentibus.
b. Logices praecepta duce Baumeistero data et ex-
plicata sunt.
c. Exercitia domi elaborate praelecta ac vitiis purgata
latinitati accomodata sunt.
Lectiones pomeridianae.
A. Diebus Lunae ac Jovis
a. Versiones e vernacula lingua in latinam ex tempore
factae ac emendatae sunt, adiectis recte scribendi
regulis.
b. Virgilii duos priores Georgicorum libros explicuimus.
B. Diebus Martis et Veneris
a. Geographica mathematica, physica et politica Portu-
galliae, Hispaniae, Galliae, Britanniae, Belgii, Hel-
vetiae cet. oblectati sumus.
b. Nonnullas Horatii odas ac epistolas cum sensu per-
legimus.
Conspectus lectionum, quibus in ordine II scholae, quae Auricae
est, Ulricanae, a festo paschatis MDCCLXXIIII usque ad ferias
vernales MDCCLXXV operam dedit
Conrector Henricus Matthias Ortgiese.
Ante Meridiem.
Precibus et lectione sacri codicis quovis die peractis
1. Diebus Lunae, Martis, Jovis atque Veneris religionem
Christianam docere discipulorumque animis insinuare
consuevimus. Novitiorum causa omnis Theologiae
imaginem delineavimus, primum breviter; deinde
Lappenbergii illius compendium, fusius paulo, explica-
vimus, usque ad Partis II caput 11 divinam sacrae
scripturae indolem ac naturam tradens.
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— 291 —
2. Iisdem diebus Grammaticae latinae leges explicatae
sunt; voces etiam latinas, quas domi memoriae man-
dare solebant, pueri recitarunt. Porro Justini historias
Philippicas legerunt, quarum quidem libros VIII absol-
vimus.
Denique die Jovis et Lunae antiquitatum Romanarum
prima docuimus elementa.
3. Mercurii atque Saturni diebus linguae Graecae operam
dedimus. Paradigmatibus declinationum et coniuga-
tionum non solum, sed regulis etiam idiomatis Graeci
memoriae traditis, pericopas Evangelicas Epistolicasque
discipuli explicando familiares sibi reddiderunt fere
omnes.
Nee defuimus iis, quorum ad discendam Hebraeorum
linguam studia ferebantur.
4. Iisdem diebus Biischingii librum latinum perlegimus
inde ab initio usque ad particulae 1 sectionem II.
Post meridiem.
1. Die Lunae et Jovis Phaedri fabulas tractavimus. Quin-
que illos fabularum libros absolvimus; relictis modo
iis, quarum argumenti difficultas aut spurcitia maior
esset quam utilitas inde exspectanda.
2. Martis atque Veneris diebus pueris Geographiam tradidi-
mus. Daniae, Sueciae, Russiae, item Hungariae, Transil-
vaniae Graeciaeque finibus peragratis etiam Africam
atque Americam percurrimus.
3. His quoque diebus historiam universalem, praeteriti
anni spatio, absolvimus omnem.
4. Denique, ut latinam sibi linguam ludendo et aliud
quasi agendo familiarem sibi redderent pueri, quotidie
in vernaculum sermonem transtulerunt domi multa
veterum scriptorum loca.
Ex idiomate patrio in latinum saepius, me quidem
duce, historiam suavioris argumenti brevem verterunt.
Epistolis etiari! conscribendis discipulos exercuimus.
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— 292 —
Lectionum
in
Classe III ab anno LXXIIII ad LXXV pertractatarum conspectus.
Antemerid :
Preces peractas perlectumque e sacro codice caput
quovis die lunae Psalmi cuiusdam excepit recitatio. Per
id temporis, quod in hoc recitando consumitur, spatium,
reliquis diebust Martis scilicet, Jovis atque Veneris, in
explicatione Catechismi, qui Gesenii, Mercurii vero et
Saturni, qui Lutheri prae se fert nomen, occupati fuimus;
hocce utroque die et historias e sacro fonte ab Hiibnero
collectas pertractavimus.
Copiam vocabulorum tarn primitivorum quam deri-
vatorum ex libro Cellarii memoriali Superioribus dedi
comparandam : cum quorum recitatione, quae quovis die
facta est, frequentiorem declinationum et coniugationum
usum necnon intermixtas coniunxi formulas.
Voces vero primitivas tantum, eodem Cellarii libro
adhibito, Inferiores semel iterumque ediscere studuerunt.
Pars etymologica Grammaticae Langii cum regulis
et adnotationibus ediscendis Superioribus est illustrata.
Inferiores paradigmata nominum atque verborum
regularium aeque ac irregularium, adiunctis quibusdam
regulis captui convenientibus, memoriae mandaverunt.
Mercurii denique die Superioribus, Saturni Inferiori-
bus Exercitia e vernacula latine dedi vertenda.
Pomerid:
Inferiores latine legendi gratia colloquia Langii sylla-
batim perlegerunt.
Iidem et nomina V (quinque) declinationum e copia
vocabulorum Grammatices Lang. ; Superiores ea cum ver-
bis varia recitatione aliquoties edidicerunt.
Regulas Syntaxeos, notas et exceptiones, phrasibus
et exemplis Superioribus ut inculcarem studui.
Dialogicum Lang, primum expositum, dein facta a
me explicatione analytica, ore ac litteris tralatum est a
Superioribus.
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— 293 —
In Inferiorum usum Tirocinium paradigmaticum,
adiectis regulis Syntaxeos generalibus, pertractatum ivi.
Quod superest, lectio Novi Testamenti graeci per
aliquantulum temporis facta in Superiorum usum bene
successit.
Ein in mancher Beziehung verandertes Bild bietet die
entsprechende Eingabe des nachsten Jahres, die ich hierauf
folgen lasse.
Conspectus
lectionum per annum MDCCLXXV in prima classe pertractatarum.
Ante meridiem.
A. Diebus Lunae et Martis
a. Secundum theses Baumgartenianas primam fere theo-
logicae revelatae partem absolvimus (7 — 8).
b. Ad linguam latinam addiscendam quinque ex selectis
Ciceronis orationibus diligenter perlectae, voces et
sententiae accuratius explicatae et ad artis oratoriae
praecepta examinatae sunt (8—9).
e. Regulis prosodiae traditis Horatii carminum librum
quartum et quintum nee non epistolas quasdam perle-
gentes poetae suavitatem et dulcedinem percepimus
(9-10).
B. Die Mercurii:
a. Duas partes priores appendicis Rechenbergii triparti-
tae ad libros symbolicos percurrimus (7 — 8).
b. In styli latini cultioris exercitatione versati sumus
(8-9).
c. Duce Baumeistero logices tradita sunt praecepta
(9-10).
C. Diebus Jovis et Veneris:
a. Linguae graecae addiscendae opera data et utraque
Paulli ad Corinthios scripta epistola explicata est
(7-8).
b. Lectionem orationum Ciceronis selectarum continua-
vimus (8 — 9).
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— 294 —
c. Hebraeorum linguam nonnulli addiscere studuerunt,
eumque in finem triginta Davidis cantica et nonnul-
los prophetas minores perlegerunt, reliquis interim
latina quaedam in vernaculam linguam vertentibus
(9-10).
D. Die Saturni:
a. In linguae Graecae studiis perreximus (7—8).
b. Exercitationes ad linguam latinam magis excolendam
institutae ac emendatae sunt (8—9).
e. Latina in patriam linguam conversa et Hebraea lecta
sunt (9—10).
Post meridiem.
A. Diebus Lunae et Martis:
a. Curtii Rufi libros X de expeditione Alexandri magni
absolvimus (2 - 3).
b. Geographia mathematica et historica nee non politics
terrarum regi nostro subjectarum, item historia princi-
pum branden. delectati sumus (3 — 4).
B. Diebus Jovis et Veneris:
a. Lectio cursoria : centum selectissimarum epistolarura
Plini iunioris perlegimus (2—3).
b. In addiscendis antiquitatibus romanis duce Nieu-
portio operam collocavimus (3-4).
Conspectus lectionum,
quas
in ordine secundo
scholae, quae Auricae est, latinae inde a festo Paschatis
MDCCLXXV
usque ad ferias vernales
MDCCLXXVI
absolvit
Conrector Henricus Matthias Ortgiese.
I. Ante meridiem:
1. Diebus Lunae et Martis Theologiam absolvimus fere
omnem, secundum Freilinghausii illius fundamenta Beli-
gionis Christianae (7—8).
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— 295 —
2. Iisdem hebdomadis diebus ex Freyeri fasciculo po^matum
latinorum carmina quaedam Virgilii, Ovidii aliorumque
poetarum Romanorum pueri legerunt. Prosodiae etiam
latinae leges illis inculcavimus (8—9).
3. Die Lunae, Martis, Jovis et Veneris Ciceronis epistolas
selectas percurrimus omnes (9—10).
4. Mercurii die Biischingii liber latinus exercuit pueros.
Cuius libri earn particulam absolvimus, quae historiae
naturalis elementa tradit. Librorum symbolicorum,
porro Lutheranae ecclesiae historiam breviter enarra-
vimus (7—8, 9—10).
5. Linguis Graecae et Hebraeae operam dedimus iis hebdo-
madis diebus, quos publice deflnitos habemus. Gramma-
tices Hebraeae, item Graecae leges palmarias atque
formas vocum discipuli familiares sibi reddidere.
Pericopas etiam Evangelicas Epistolicasque lege-
runt idiomate Graeco alii, alii Latino.
II. Post meridiem.
1. Diebus Lunae et Martis Phaedri fabularum Aesopiarum
libros V perlegimus.
2. Romani imperii historiam inde ab Augusto usque ad
nostra tempora tradidimus; item Geographiam secun-
dum Schazzii brevem orbis terrarum delineationem.
3. Jovis atque Veneris die Universum illud de Deo Homine.
et Mundo tractavimus. Epistolographiae operam quoque
dedimus.
4. Caeterum, ut facultatem latine scribendi sibi pueri
paullatim compararent, singulis hebdomadibus e lingua
vernacula in latinum sermonem et vice conversa varia
rerum argumenta transtulerunt.
Conspectus lectionum
in classe III per annum LXXV pertractatarum.
I. Lectiones theologicae et quae cum iis cohaerent. Doctri-
nam de hominum cum Deo coniunctione ad ductum com-
pendii Freylinghausenii minoris et Catechismi illius Beroli-
nensis discipulos docuimus. Praeter ea introductione in
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— 296 —
sacrum codicem et enucleandis pericopis evangelicis
fuimus occupati.
II. Lectiones latinae.
In explicandis C. Nepotis imperatorum vitis, quantum
pro discipulorum viribus fieri potuit, versati pervenimus
ad Themistoclis vitam. Deinde semel atque iterum, quoad
Etymologiam, Syntaxin, prosodiam, praescripta inculcare
studuimus: ad quae rite adhibenda et ad stilum exer-
citandum e germanico in latinum sermonem convertendi
studium non intermisimus (habita simul et calli - et
orthographiae rati one) et ut non deesset vocabulorum
copia, Comenii, Cellarii et Langii usi sumus libris.
Denique tractavimus Universum de Deo, homine et mundo,
et ita quidem, ut non solum ad linguam, sed et ad res
in hoc libro perutili contentas respexerimus.
III. Lectiones historicae et geographicae:
Illas duce libello: „Kurze Erl&uterung der Biblischen
Geschichte" ; hasce Schazzio tractatavimus.
Demnach war der allgemeine Lehrplan bis Ostern
folgender :
1775
I.
II.
HI.
Zu-
sammen
Religion
4
4
4
12
Latein
10
12
21
43
Griechisch
2
2
1
5
Hebr&isch
2
2
4
Geschichte
2
2
4
Erdkunde
2
2
4
R6mi8che Altertumer
2
2
Logik
2
2
Rhetorik
2
2
Zusammen
26
26
26
78
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— 297 —
Der veranderte Lehrplan, der nach Ostern 1775 in Kraft
treten sollte, war dagegen urspriinglich folgender:
I.
II.
ra.
Zu-
sammen
Religion
3
4
6
13
Latein
12
13
14
39
Griechisch
3
2
5
Hebr&isch
3
3
6
Geschichte und
Erdkunde
2
2
2
6
Romische Altertiimer
2
2
1 Philosophic
1
1
Orthographie,
Oratorie
2
2
4
| Arithmetik
2
2
Zusammen
26
26
26
78
Die 26 Wochenstunden setzten sich aus 18 (6X3) Vor-
mittags- und 8 (4X2) Nachmittagsstunden zusammen. Man
erkennt schon aus diesen Ubersichten, dass auch nach der
neuen Schulordnung dem Lateinischen seine alle anderen
F&cher iiberragende Stellung gewahrt blieb. Es war nicht
ein, sondern das Hauptfach, dem die voile H&lfte der ge-
samten Stundenzahl gewidmet wurde, wahrend es sich heut-
zutage an Gymnasien mit 68 von 259 Stunden, also etwa mit
dem vierten Teile begntigen muss, und sein Anteil von 1892
bis 1901 sogar noch etwas geringer war (62 von 252). Dazu
kommt, dass auch die urspriinglich der „Arithmetiku, d. h. dem
Rechnen zugedachten Stunden, wie aus dem „conspectus"
hervorgeht, tats&chlich dem Lateinischen zugewandt, und
diejenigen Schiller, die an dem hebr&ischen Unterricht nicht
teilnahmen, wahrend der dieser Sprache gewidmeten Lehr-
stunden wiederum mit Obersetzungen aus dem Lateinischen
besch&ftigt wurden. Endlich ist nicht zu vergessen, dass
auch die in andern Unterrichtsf&chern gebrauchten Lehrblicher
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— 298 —
grossenteils, wie z. B. „Baumgartens Theses theologicae" und
„Baumeisters Elementa philosophiae", lateinisch verfasst waren.
Die damalige Schule fiihrte also ihren Titel „lateinische Schule"
noch mit vollem Rechte. Auch das Griechische erscheint da-
gegen noch durchaus als Nebenfach und zwar in ziemlich karg-
licher Ausstattung. — Es ist tibrigens bei einem Vergleiche der
damals und jetzt auf die einzelnen F&cher fallenden Gesamt-
zahl von Stunden zweierlei wohl zu beachten, zun&chst, dass
im Winter die erste Morgenstunde (von 7—8) an alien Tagen
ausflel, wodurch dann Verschiebungen im Stundenplan ver-
ursacht, und neben anderen auch die altsprachlichen Lehr-
stunden vermindert wurden, andererseits aber, dass die Schuler
in jeder der 3 Klassen mehrere Jahre zuzubringen pflegten.
Nach dem ,,Catalogusu, der dem Konsistorium am 27. Marz 1776
eingereicht wurde, schwankte das Lebensalter der iuvenum,
qui per annum 1775 primam scholaeUlricanae classem frequenta-
runt, zwischen 15 und 19, das der Sekundaner zwischen 12
und 16, das der Tertianer zwischen 9 und 14 Jahren, und
ahnliche Zahlen ergeben hier die catalogi des ganzen 18ten
Jahrhunderts. Es scheint demnach, dass auch damals die
Gesamtdauer der Schulzeit ftir diejenigen, die alle Klassen
durchliefen, im Durchschnitt 9 Jahre betrug.
Unter den lateinischen Schulschriftstellern vermisst man
noch den Tacitus; die griechische Lektfire beschr&nkte sich
1775/76 noch auf das neue Testament, spater ist daneben die
auch schon in der neuen Schulordnung unter den griechischen
Lehrbtichern aufgefiihrte Chrestomathia Graeca Gessneri —
enthaltend Stiicke aus Herodot, Thukydides, Xenophon, Theo-
phrast, Plutarch, Lukian und anderen — benutzt worden.
Rhetorik erscheint in dem Plane von 1775 nicht mehr als
besonderes Unterrichtsfach der I., wurde aber in dieser Klasse
im Anschluss an die Lektiire der Reden Ciceros behandelt.
IV.
Auch in der Obersicht von 1776 vermisst man unter den
Lehrfachern noch Mathematik (Geometrie), Physik,
Naturgeschichte und Franzosisch, die um jene Zeit
doch schon vielfach in den Gelehrtenschulen Fuss gefasst
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— 299 —
hatten (vgl. Paulsen, Geschichte des gelehrten Unterrichts, II,
150—151). tfber die beiden ersteren F&cher &ussert sich die neue
Schulordnung folgendermassen: ,,Da die meisten Schtiler, welche
bei dem Studieren bleiben, sich teils auf die Jurisprudenz,
teils auf die Medizin legen, und einige, welche nicht auf
Universit&ten gehen, entweder dieOkonomie oder Kaufmann-
schaft oder sonst ein Metier, es sei die Chirurgie oder Apotheker-
kunst und dergleichen, erw&hlen, denen ersteren aber sowohl
als den letzteren einige Erkenntnis von der Mathematik und
Physik so nStig als niitzlich ist, so ist zur Verbesserung und
zum Aufnehmen der hiesigen lateinischen Schule, wenigstens
vorerst, Gelegenheit gemachet worden, dass fahige und lehr-
begierige Schiller aus I und II des Mittwochs und Sonnabends
nachmittag in beiden Wissenschaften ganz frei und unent-
geltlich eine der Absicht und ihren Kr&ften nach eingerichtete
Unterweisung erlangen kSnnen".
So war es geplant, und wie entsprach dem Vornehmen
die Ausfiihrung? Mathematischen Unterricht — so erzahlt
Pommer (Nachrichten S. 22) — gab der Herr „Ephorus",
Generalsuperintendent H&hn, selbst denjenigen, die sich darum
bei ihm meldeten; nach seinem Tode wurde Mathematik von
dem Rektor Hecht in Privatstunden (also doch wohl nicht
mehr unentgeltlich) gelehrt; spaLter hat sie der jetzige Rektor
(n&mlich Pommer selber) ein ganzes Jahr offentlich (d. h. doch
wohl wieder unentgeltlich) vorgetragen, bedauert aber sehr,
dass er diese Arbeit hat wieder aufgeben mttssen. —
Der Unterricht in der Physik wurde spater mit dem in der
Philosophic verbunden, und aus der Physik nur dasjenige vor-
getragen, was sich in Kliigels „Vemunftkenntnissen", die an die
Stelle von Baumeisters „Elementa cet." getreten waren, daruber
findet. — Naturgeschichte, zunachst noch nach Buschingii liber
latinus behandelt, ist dem Anschein nach sp&ter als besonderes
Fach in den Lehrplan aufgenommen worden; sie wurde zu
Pommers Zeit nach dem Lehrbuche von Raff und Funk
getrieben.
In Bezug auf das Franzosische bemerkt die Schulordnung
von 1776 nur in aller Kiirze, dass es privatim erlernt werde.
Auf Veranlassung des hiesigen Magistrats sollte im Winter 1783
ein Franzose namens Y Aigle, der sich seit einiger Zeit als
Jahrbnch der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. AltertOmer zu Emden, Bd. XV. 20
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— 300 —
Sprachmeister in Aurich aufhielt, mit der Erteilung dieses
Unterrichts an der lateinischen Schule betraut werden. Gegen
diese Massnahme erlaubten sich nun der Rektor Hecht und der
Kantor Fastenau — der Konrektor Fastenau, ein Sohn des
Kantors, war in demselben Jahre gestorben, und seine Stelle
noch nicht wieder besetzt — die folgende „allerunterthanigste
Vorstellunga :
„Auf den, von Ew. K6nigs Maje. den 4ten dieses an uns,
auf Veranlassung und Bitte des hiesigen Magistrats, ergangenen
allerhSchsten und allergn&digsten Befehl, in Hinsicht des hie-
sigen franzosischen Sprachmeisters L Aigle zu bestimmen,
welche von den 3 Classen der hiesigen lateinischen Schule zur
Ertheilung eines offentlichen Unterrichts in der franzosischen
Sprache von demselben in der Stunde von 11 — 12 die be-
quemste sei, berichten wir allerunterth&nigst, dass, so ntitzlich
iibrigens auch ein solcher offentlicher Unterricht in dieser
Sprache seyn wiirde, doch in diesem Falle, in Betracht des
L Aigle, keine von bemeldeten Classen dazu bequem und ge-
schickt sey. Denn es wiirde erstlich offenbar zur Entehrung
einer von Ihro Konigs Maje. allerhuldreichst bestatigten und
bisher bei ihren Rechten geschtitzten und erhaltenen Schule,
wie auch zur Beschimpfung und zum Nachtheil unseres Amts
und Standes gereichen, wenn ein Mann von einer so nieder-
tr&chtigen, stadtkundigen Lebensart und Auffiihrung, und der
daher nicht die mindeste Achtung bey der Jugend hat, sondern
von derselben stets verspottet und gehGhnet wird, in einer der
Classen der hiesigen lateinischen Schule Offentlich lehren
und dadurch gewissermassen mit uns in eine Classe gesetzt
werden sollte. Die Jugend zweitens, die ohnedem leichtsinnig
und muthwillig ist, wiirde bey fehlendem Ansehen besagten
Sprachmeisters, auf der offentl. Schule nichts als Muthwillen
und Unfug treiben, Tische und Banke zum Nachtheil der Schul-
casse verderben und durch unbesonnenes und unverniinftiges
Einheitzen nicht nur das Schulgeb&ude und der darin wohnen-
den Leben und Sachen, wofiir besagter Sprachmeister weder
gut sagen kann, noch wird, sondern auch die ganze Stadt in
Feuersgefahr setzen, besonders da des Mitwochens und Sonn-
abends Nachmittags keiner von uns mehr auf die Schule
komt, der einer solchen etwaigen Gefahr noch in Zeiten vor-
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— 301 —
beugen konnte. Oberdem ist endlich der Aufgang zur latei-
nischen Schule, wie bekannt, so steil und schlecht, dass, wer
desselben nicht gewohnt ist, leicht fallen und Schaden nehmen
kann; und daher fiir besagten Sprachmeister, der sehr oft auf
schwachen Fiissen steht und ungewisse Tritte thut, ausserst
gefahrlich.
Unsere allerunterth&nigste Bitte an Ew. Konigs Maje. gehet
demnach dahin, Allerhochst dieselben wollen in Gnaden ge-
ruhen, uns und unsere Schule mit einem solchen Manne zu
verschonen, und den Magistrat hiesigen Orts, der selbst eine
5ffentl. Schule hat, wo dieser Unterricht von 11 — 12 eben-
m&ssig kann ertheilt werden, mit seinem Gesuch Namens des
L'Aigle in hochsten Gnaden abzuweisen. In Erwartung der
allergnadigsten Erhorung unserer Bitte ersterben wir in tiefster
Unterth&nigkeit Ew. Konigs Maje.
allerunterthanigste Knechte
Peter Christoph Hecht.
Bald. Georg Fastenau."
Man sieht wohl, dass die Herren nicht eben grosse Diplo-
maten waren. Das Konsistorium war der Ansicht, dass „man
ein solches gutes Institut durchaus nicht hindern miisste, und
dass man ohne Verantwortung w&re, falls es durch den
Sprachmeister auf eine oder andre Art verhindert wiirdeu.
Es erklarte darum jene Einwendungen fiir ungultig und be-
stimmte, dass dem Sprachmeister T Aigle, dem auch das land-
schaftliche Kollegium eine Besoldung von 100 Thalern bewilligt
hatte, die Klasse des Konrektors „wochentlich" von 11 — 12 zu
Offentlichen Lektionen einzuraumen sei. Der weitere Verlauf
dieser Angelegenheit ist aus den Akten nicht ersichtlich.
Sp&ter findet sich ein franzosischer Sprachmeister Ligou er-
wahnt, der sich 1794 entfernte und auf seine Rtickkehr ver-
geblich warten liess ; dann folgen deutsche Lehrer des Franzo-
sischen: seit 1795 Berkenkamp, der aber 1798 iiber die ihm
durch einen franzosischen Emigranten, namens Grosfils, be-
reitete Konkurrenz Klage ftihrt, seit 1807 Kriiger.
Wie stand es schliesslich mit dem Unterricht in „Fertig-
keiten", namlich im Schreiben, Zeichnen und Singen? Das
Schreiben ist in alterer Zeit, wie es scheint, nicht ganz ver-
20*
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— 302 —
nachl&ssigt worden. In dem Lehrplan von 1721 heisst es: „Es
pflegt zwar das bekannte Spriichwort docti male pingunt bei
vielen Eltern und Kindern das praejudicium zu erwecken, dass
die Zeit fast verloren sei, welche auf das Schreiben verwendet
wird. Weil aber male pingere eben keine Eigenschaft, viel
weniger ein Kennzeichen eines gelehrten Mannes ist ",
so wird Schreibunterricht fQr die III. anbefohlen, und „keiner
soil translocieret werden, der nicht ziemlichermassen darin
fortkomraen kann44. Auch in der Schulordnung von 1775 wird
unter den Sachen, so traktiert werden mtissen, die Kalligraphie
(zusammen mit Orthographie, Oratorie und Poesie) genannt,
und „in den ersten Zeiten" ist sie auch nach Pommers Angabe
(Nachr. S. 23) „5ffentlich getrieben worden44. Sp&ter aber
„wurde sie nicht mehr zu der Zahl der fSrmlichen Lehrgegen-
st&nde gerechnet, sondern wer sich darin Unterricht geben
lassen wollte, suchte ihn, wie auch den Unterricht in der ge-
meinen Arithmetik (d. h. im Rechnen), bei den Lehrern der
niederen Schulen44.
Ahnlich aber wie dem Schreiben war es dem Singen oder
„dem Unterricht in der Vokalmusik44 ergangen. „Nach alter
Sitte war er vordem von dem Kantor — und zwar am Mitt-
woch und Sonnabend nachmittag — erteilt worden44, hatte
aber zu Pommers Zeit aus Grtinden, die man bei ihm (Nachr.
S. 23) nachlesen kann, „g&nzlich aufgehSrt".
Zeichnen geh5rte w&hrend des 18ten Jahrhunderts noch
nicht zu den Lehrgegenst&nden der hoheren Schule. Privat-
unterricht im Zeichnen erteilte in Aurich seit 1811 ein gewisser
T5pfer. Diesem wurde im Jahre 1819 nach dem Tode des
franz6sischen Sprachlehrers Krtlger das bisher von diesem be-
zogene Gehalt iiberwiesen, und damit nahm der „6ffentliche4'
Unterricht im Zeichnen seinen Anfang. Nach der Neuordnung
im Jahre 1822 erscheint Topfer unter den Mitgliedern des
Kollegiums.
V.
Schon die Schulordnung Billsteins von 1721 enthalt die
Vorschrift, dass allj&hrlich — und zwar am Montage nach dem
Sonntage Judica — ein examen sollemne, eine 6ffentliche Pril-
fung, abzuhalten sei. Die neue Schulordnung von 1775 bemerkt
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— 303 -
in dieser Hinsicht : „J&hrlich wird ein ex. soil., verbunden mit
einem actu oratorio, gehalten, und zwar Dienstag nach
Laetare, so dass vormittags das examen mit alien dreien
Klassen, und nachmittags sogleich der actus oratorius an-
gestellet wird. — — Die Schulkollegen haben bei guter Zeit
sich mit den beiden Scholarchen zu besprechen, wie diese
Schultibungen von Zeit zu Zeit sowohl fiir die Schuljugend
vorteilhaftiger als auch fiir die respective Auditores, welche zu-
gegen sein wollen, vergntiglicher eingerichtet werden konnten".
Die Einladungsschriften zu diesen actus oratorii haben
sich nun fiir einige Jahre erhalten. Die Einladung zu dem am
21. Marz 1775 veranstalteten Redeakt hat folgenden Wortlaut :
Ad
Actum Oratorium
Quem in
Schola Ulricana
Juvenes Ordinis Primi Ornatissimi
Ad Diem XXI Martii MDCCLXXV
Ab Hora Prima Pomeridiana
Instituent
Omnes qui humanitatis amant studia
Fautores et Amicos
Debita Humanitate ac observantia invitat
Rector
Petrus Christophorus Hecht.
Auricae,
Litteris Tapperianis.
I. Ludolfus Christianus Antonius Tiaden, proba-
tus adolescens, rem publicam romanam post punica bella quo-
tidie in peius ruentem latina oratione describet.
II. Georgius Albertus Rodenbaek,1) iuvenis non despe-
randus, christianam religionem veram esse atque divinara, ex
divinationum ac miraculorum fide patria efficiet oratione.
l) Grossvater des Herrn Pastors Rodenbaek hier, seit 1786 Pastor
in Dunum bei Esens, hernach in Asel bei Wittmund, f etwa 1810.
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— 304 -
III. Arnoldus Rudolphus Kirchhoff, ingenii docilis
probique animi iuvenis, magnam in primis ad animi morumque
rationem formandam atque emendandam humanitatis et ele-
gantiae studia vim habere, oratione romana proponet.
IV. Joannes Carolus Sassen, iuvenis non mediocri
ingenio praeditus, intemperantiae vitium vernacula oratione
depinget.
V. Joannes Jacobus Schoenebaum et
VI. Rieke Tiaden Juhren, optimae spei iuvenes, de
terrae nostrae figura sphaerae simili patrio sermone inter se
disserent.
VII. Euke Christianus Fastenau, adolescens sagax
promtusque, latinam de C. J. Caesare orationem habebit.
VIII. Eberhardus Enno de Pottere,1) ingenio ac mori-
bus praestans iuvenis, de honestae voluptatis natura fontibusque
germana oratione quaeret.
IX. Christianus Theodoricus Carolus Langelaert
iuvenis non ingenii solum acumine, sed morum quoque comitate
insignis, Jesu Christi, servatoris nostri, mortem latina oratione
lugebit.
X. Godofredus Antonius de Halera, adolescens singu-
lari ingenii flumine vitaeque probitate ac modestia praecellens,
naturae contemplationem magna adferre coramoda, patria
demonstrare oratione suscipiet scholamque nostram et suo et
reliquorum discedentium nomine valere iubebit.
Turn demum.
XI. Gerhardus Poppo War sing, adolescens laudabilis,
de diligentia eiusque praemiis sua propria lingua aget.
Quibus peractis Rector auditoribus rite aget gratias, nee
non e schola abituros ad virtutis excitabit studium bonisque
votis prosequetur.
*) Vetter von Jacques de Pottere, dem Grossvater des veratorbenen
Herrn Kaufmanne de Pottere hier, und Bruder der Gattin des Geschicht-
schreibers Wiarda (Teelke Susanna de Pottere), f unverheiratet als
Referendarius 1783.
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— 305 —
Tm n&chsten Jahre hielt man es fiir zweckm&ssig, die
am Vormittag abzuhaltende Priifung durch Einschaltung von
Vortr&gen und Gespr&chen zu beleben. Es traten indes zu
diesem Behuf nur Tertianer und Sekundaner auf, wahrend der
Nachmittag ausschliesslich den rednerischen Leistungen der
Primaner vorbehalten blieb. Die Neuerung muss sich nicht
sonderlich bewahrt haben, da man schon im folgenden Jahre,
also 1777, auf die Heranziehung der jtingeren Schiller zu
solchen Kunstproben verzichtete und somit zu dem alten Ver-
fahren zuriickkehrte. Die Einladung zu Priifung und Redeakt,
wie sie am 26. M&rz 1776 veranstaltet werden sollten, lautet
f olgendermassen :
Ad
examinis et actus oratorii Solemnia,
quibus dies est dictus XXVI Martii MDCCLXXVI,
omnes, qui litterarum amant studia,
in
scholam Ulricanam rite invitat
Rector
Petrus Christophorus Hecht.
Auricae, typis Tapperianis.
Quo maior examini anniversario accederet splendor, cele-
britas et iucunditas, utile visum est, nonnullos tertiae et
secundae classis cives, qui propter diligentiae et morum laudes
non exiguam spem afferre videntur, inter diversas classium
lectiones ad colloquendum et dicendum producere.
E quibus igitur ex ordine tertio ante meridiem primi
Joannes Georgius Carolus Wessels et Georgius
Ludovicus Anhausen de praecipuis personis in sacris litte-
ris obviis colloquentur germanice; deinde
Henricus Frerichs et Theodoricus Plagge, tertii
quoque ordinis cives, de lunae defectione sermonem habebunt
vernaculum. Turn
Her m annus Joannes Men eke, ex secunda classe, de
Cicerone aget germanice. Porro ex eadem classe
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— 306 —
Hermannus Justus Conring1) et Joannes Ernestus
Horst et Suffridus Wiarda,2) de aeris vi et gravitate ger-
manicum inter se conferent sermonem. Iterum ex eadem classe
Joannes Theodoricus Kettler et Carolus Enno
Magott cum Friderico Georgio Braunio de astrognosia
facient colloquium gerraanicum. Denique
Joannes Ludovicus Cohlmeyer, secundo quoque
ordini adscriptus, vernacula oratiuncula superbiae stultitiam
deridebit. Postremo tertia classis sistet
Georgium Henricum Colomb et Christianum
Bernhardum Conringium,3) de variis feris animalibus dis-
putantes.
Post meridiem vero ad orationes habendas surgent
lectissimi primi ordinis iuvenes tam eximia ingeniorum indole
quam diligentiae laude conspicui, inter quos prologi locum
obtinens
Jonas Salomons ovidianum illud: didicisse fideliter
artes emollit mores nee sinit esse feros: breviter explicabit et
demonstrabit germanice. Deinde
RieckeTiadenJuhren in verae sapientiae notionem
inquiret oratione vernacula; quern turn excipient
Carolus Antonius Weber et Julius Fridericus
Conradus Praetorius, de septem Graeciae sapientibus
latine collocuturi. Post quos
Euke Christianus Fastenau Plinii iunioris laudes
celebrabit oratione vernacula. Quem porro sequetur
') Gros8onkel des Herrn Amtsgerichtsrats Dr. Conring hier, war
sp&ter Regierungsrat in Aurich, vermahlt seit 1790 mit Augusta Elisabeth
von Colomb, wurde geadelt 1796, verzog 1803 nach Berlin, lebte ab-
wechselnd dort und auf seinem bei Berlin gelegenen Landgute Beerbaum
bis zu seinem Tode 1809.
*) Jiingerer Bruder von Tilemann Dothias Wiarda, dem Geschicht-
schreiber. Suffrid studierte 1780—83 in Halle, wurde 1783 Auskultator,
1785 Referendarius hier, 1812 Notarius in Berum, f 1830 zu Hage.
*) Bruder des Hermann Justus, war sp&ter Btirgermeister von Aurich
und land8chaftlicher Administrator (Landschaftsrat), f 1844.
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— 307 —
Gerhardus Poppo Warsing, elegis latinis lugubres
matris bethleiniticae querelas fundens. Turn
Theodoricus Hermannus Tiaden et Hermannus de
Hal em de calidis nostrae aetatis potionibus sermonem institu-
ent vernaculum. Denique
Joannes Jacobus Schoenebaum de Alexandro Magno
latine dicet. Postremo
Arnoldus Rudolphus Kirchhoff suavitatem iuvenis
amabilis describet atque et suo et caeterorum discedentium
nomine scholam nostram valere iubebit.
Quibus tandem omnibus peractis Rector, epilogi persona,
academiae candidatos bonis piisque prosequetur votis, atque
debitas, ut par est, gratias aget auditorum benignitati.
Kurze, meist etwas tiberschwenglich lobende Charakte-
ristiken der Schiiler in lateinischer Sprache, wie sie die Ein-
ladungsschrift von 1775 bietet, flnden sich auch in den der
vorgesetzten Behorde halbjahrlich eingereichten Schtilerlisten.
Die am 27. M&rz 1776 ad acta genommene Liste lautete
folgendermassen :
Catalogus
iuvenum, qui per annum MDCCLXXV primam scholae ulricanae
classem frequentarunt.
Nume-
rus:
1.
2.
3.
4.
6.
Nomina:
Aetas:
Arnoldus Rudolphus 18
Kirchhoff
Euke Christianus
Fastenau
Rieke Tiaden Juhren 18
Joannes Jacobus
Schoenebaum
Gerhardus Poppo
Warsing
18
18
19
18
Morum ratio:
anni
scholastici:
5 abit diligens et mode-
stus.
5 abit Placent mores.
3 abit bonae est indolis.
3 abit probus et innocuus.
2 abit comis et facetosus.
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308 —
Nume
rus:
Nomina : Aetas:
anni
scholastici
Morum ratio:
6.
Hermannus de Halem
17
et diligentia et
moribus probatus.
7.
Theodoricus Ulricus
Sttirenburg
15
gravis; atplacidus
tamen.
8.
Jonas Salomons
17
haud displicet.
9.
Carolus Antonius
Weber
16
ob bonum ingenium
amandus.
10.
Fridericus Conradus
Julius Praetorius
15
diligens.
11.
Theodoricus
Hermannus Tiaden
17
comis et liberaJis.
Nomina et mores
discipulorum
classis II.
Nume
rus:
Nomina: Aetas:
anni
scholastici
Morum ratio:
1.
Suffridus Wiarda,
Auricanus
15
4
Puer optimae indo-
lis ac spei.
2.
Joan. Ludw. Colmeier,
Wenensis
14
3
diligentissimus,
optimus.
3.
Hermannus Joan.
Menke, Auricanus
14
3
diligentia praeditus
singulari.
diligens et morum
4.
Joan. Ernestus Horst
13
2
praecellens sua-
vitate.
5.
Joan. Theodoricus
Kettler
15
2
obsequio et in-
dustria clarus.
6.
7.
Carolus Enno Magott
Fried. GeorgiusBraun,
Embdanus
14
13
3
V.
scholam rarius
frequentans.
diligens.
8.
Herm Justus Conring,
Aurican.
12
IV.
ingenii felicissimi
puer.
9.
Gerhard Julius Leiner
16
2
scholam raro
frequentans.
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309 —
JNume
rgs:
Nomina:
Aetas:
, a,nm. . Morum ratio:
scholastici:
Morum integritate
10.
Joan. Gerh. Zurmilhlen
16
1
ac diligentia araa-
bilis.
11.
Joan. Theodor Pfeiffer
15
1
diligens ac modestus.
12.
Edo Joan. Blok,
Dornumensis
12
1
non indiligens.
13.
Joan. Laurentius
Frerichs, Auric.
Discipi
14
1
III class
ingenii infelicis
puer; sed diligens
et modestus.
ulorum
is
Nume-
rus:
Nomina : Aetas:
anni
scholastic!:
Mores :
Superiores.
1. Fastenau
11
5
obsequiosus et dili-
gens.
2.
Nordheim
11
37*
gravis.
3.
Weber
11
3V,
sedulus.
4.
Plagge
11
3
moratus.
5.
Wolters
11
37.
sedatus.
6.
Voigt
11
4
moratus.
7.
Focke
11
4%
moriger.
Inferiores.
8.
Colomb
10
2
optime moratus ac
diligens.
9.
Lammers
11
2
industrius.
10.
Wessels
11
2
verecundus.
11.
Frerichs
12
2
attentus.
12.
Anhausen
10
2
diligens.
13.
Conring
8
17.
probatus.
14.
16.
F. Schottler
C. Schottler
12
9
1)
modesti.
16.
Kappler
11
2
saepius (?) scholam
frequentans.
17.
Schmeding
14
1
discendi cupidus.
18.
Stiirenburg
10
1
diligentia clarus.
19.
Brawe
9
1
moratus.
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— 310 —
N™T Nomina Aetas: schorasiici: »«■••
20. H. SchSttler 11 »/4 attentus.
21. Timann 8 1 probatus.
haud indiligens et
obsequiosus.
23. Krigsmann 14 1/A navus.
22. Rikkers 14 l/4
VI.
Wenn jede Klasse nur einen Lehrer hatte, der in ihr den
ganzen Unterricht gab, so bestand die Einheit der Schule fast
lediglich darin, dass die Schuler nach einander die Klassen durch-
liefen, und dass der rector scholae vor seinen Kollegen und
ihnen gegemiber gewisse Rechte und Pflichten hatte, tiber die
das cap. I der neuen Schulordnung von 1775 folgendes bestimmt:
1. Die translocationes in altiorem classem soil der Rektor
nach gewissenhafter Einsicht der profectuum bei denen translo-
candis verrichten, und zwar des Jahres 2 mal (Ostern und
Michaelis).
2. Alle novitios soil der Rector examinieren, in die Schul-
matrikul eintragen und in die gehorigen Klassen introduzieren.
3. Alle Monate, und zwar des Sonnabends in der letzten
Stunde, besucht der Rektor die beiden andern Klassen, secun-
dam et tertiam, und fraget nach den Lektionen, welche in
dieser Woche getrieben worden u. s. w.
Wie misslich sich aber infolge des starren Klassenlehrer-
systems und der knapp bemessenen Befugnisse des Leiters die
VerhSlltnisse unter den Kollegen gestalten konnten, dafilr bieten
die Konsistorialakten des 18ten und der ersten Jahrzehnte des
lQten Jahrhunderts einige charakteristische Beispiele.
Am 6. Februar des Jahres 1737 war an die damaligen
Scholarchen, Generalsuperintendent Lindhammer und Konsitorial-
rat und Hofprediger Bertram, folgendes Rescript des Fiirsten
Karl Edzard1) ergangen:
i) 1734—1744.
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— 311 —
„Unser gn&digster Befehl ist an euch hiermit, dass ihr die
— euch zugefertigte Schulordnung — publicieret
und bei solcher Gelegenheit ex speciali hac commissione dem
Conrektor Jani1) wegen seines mit ziemlich starker Wahr-
scheinlichkeit verlautenden &rgerlichen Lebens und Wandels
und wegen der bei der Information vorgehenden Excessen und
Negligentz eine nachdriickliche admonition und Warnung gebeta.
Die „ nachdriickliche Admonition und Warnunga war aber
bei der am 21. Februar erfolgenden Publikation der Schul-
ordnung unterblieben. Hierdurch sah sich der Rektor Schroder2)
veranlasst, gleich nach Obergabe der Schulordnung zu „prote-
stieren" und zwei Tage darauf eine Beschwerde einzureichen,
aus der im folgenden die Hauptpunkte mitgeteilt werdeu:
„1) Erstlich bei dem hohen Leich-Beg&ngnis des weiland
Fflrsten und Herrn, Herrn Georg Albrecht,') hflchstseligen An-
denkens, hat der Conrector Jani um desswillen, dass ich die
drey Classen, absentibus reliquis collegis, auf Anzeigung des
Herrn Generalsuperintendenten von der Schule vor dessen
Thiir (in Einfalt und in Gedanken, dass etwa die andern H.
Collegae vor Ihrer Thtir mit beytreten wollten) geftihrt, mich
sehr unb&ndig angegriffen und mit grossem Ungestiim vor alien
Schiilern verweisslich vorgehalten, was ich an seiner Classe
Zuftihrung h&tte, die Classe sey seine Classe, die Schiiler seine
Schiiler, er wollte mich das anders lehren u. s. w. Eben hier-
mit hat er mich den ganzen Weg recht gemartert und ge-
qu&let, so dass ich bei einer so sollennen Trauerhandlung
nicht des gemeinen Strassenfriedens geniessen konnen: ohn-
geachtet ich so oft gebeten, er mGchte mich doch zufrieden
lassen, es k6nne ja zu anderer Zeit und Ort davon gesprochen
werden. Ob nun gleich dieses schon was altes und langst
gescheben, so ist mir doch desfalls so gar kein geniige gethan,
dass vielmehr seither das prostituieren bei aller Gelegenheit
fortgesetzt worden.
l) 1732—1744. Ausser verschiedenen theologischen Schriften hat
er eine „oratio de caussis contemti muneris scholastici" verfasst.
») 1729-60, f 1768.
»> 170&-34.
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— 312 —
Denn
2) der Conrektor Jani hat sich seine Klasse so zugeeignet,
als wenn sie gar keine Connexion mit dem Rectore hatte,
und in dieselbe aufgenommen, welche er gewollt, ohne desfalls
ein Wort zu sagen : wie denn gegenwartig noch Schiiler drinnen
sitzen, die nicht immatriculirt sind, hat sich also die Intro-
duction eigenm&chtig angemasset, die nicht Ihm, sondern dem
Rectori zukSmmt. Dass er auch noch in dem Gedanken stehe,
dass er nach dem Rectore nichts zu fragen habe, hat er
3) damit bezeiget, dass er expressis verbis gesaget: Der
Rector habe ihm nichts zu sagen, sey nur darvor, dass er sein
Amt in seiner Classe thue, wie er in seiner. Dazu kommt,
dass er noch in diesem Jahre, ohne mein Vorwissen, die Schiiler
in seinem Hause informiret und dieselben durch einen an der
Pforte bestellten Knaben nach seinem Hause verwiesen, wie
auch, dass er denselben einen Nachmittag ferias gegeben. Wie
nun dieses alles von seiner bisher fortgesetzten Unbilligkeit
zeuget, so muss ich eben solches auch aufs kiinftige besorgen,
wie aus folgendem erhellen wird.
Ich gebe aber einem jeden christlichen und unparteiischen
Richter zu bedenken, ob das nicht prostitutiones des Amtes
seyn, und ob ich nicht dringende Ursache gehabt, mich bei
der Ubergabe der Schulordnung, zu deren Custode ich allein
nach den Worten des Herrn Generalsuperintendenten gesetzet
worden, dessfalls zu melden".
Diesem Konrektor Johann Hermann Jani hat die ost-
friesische Regierung eine geradezu unglaubliche Nachsicht be-
wiesen. Auf eine Untersuchung wegen Nachlassigkeit im Schul-
amte folgte im Oktober 1736 eine Protokollaufnahme in puncto
stupri, und hieran schloss sich wieder seit Januar 1737 ein
Verfahren wegen seiner Verfehlungen in der Schule. Die beiden
letzten Angelegenheiten sollten dann — glimpflich genug —
durch eine Admonition bei Ubergabe der neuen Schulordnung
erledigt werden, aber der Generalsuperintendent Lindhammer
wusste es durchzusetzen, dass diese Admonition von der Ober-
gabe der Schulordnung getrennt und erst eine halbe Stunde
sp&ter dem Schuldigen unter vier Augen im Hause des
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— 313 —
Generalsuperintendenten erteilt wiirde. Im Juni 1737 wird
dartiber Klage geftihrt, dass Jani schon wieder einmal — unter
Nichtachtung der neuen Schulordnung — ohne Erlaubnis ver-
reist sei und mehrere Tage die Schule versaumt habe; auch
im M&rz und April 1738 zieht er es vor, sich bei Verwandten
in Esens aufzuhalten, und der Rektor SchrSder weigert sich
entschieden, ihn zu vertreten. Im Juni desselben Jahres hat
er wiederum ein Verhftr in puncto stupri und wegen gewisser
damit zusammenh&ngender Dinge zu bestehen, und im October
muss er wegen excessus in castigandis liberis verwarnt werden.
Endlich — scheint es — ist das Mass seiner Verfehlungen, zu
denen tibrigens auch haufige Trunkenheit gehSrt. zum Ober-
laufen voll geworden: im April 1739 wird gegen ihn eine
Disziplinaruntersuchung wegen Hintansetzung seiner Amts-
pflicht und anstflssigen Lebens und Wandels eingeleitet. Die
Vernehmungen und Verhandlungen Ziehen sich bis in den April
des n&chsten Jahres hin und nehmen einen Ausgang wie das
Hornberger Schiessen: Die „ finale Resolution" solle vorerst noch
aufgehalten werden, und inzwischen m6chten die Scholarchen
und der Rektor — ein wachsames Auge auf Jani haben. — Im
Juni 1741 ist der Herr Konrektor wieder einmal verreist! —
Als er vor Ostern 1744 seit mehreren Wochen, ohne verreist
zu sein, keinen Unterricht raehr erteilt hat, werden die
Scholarchen, n&mlich Generalsuperintendent Lindhammer und
Hofprediger Gossel, zu einem Berichte aufgefordert. Ihr Gut-
achten geht dahin, dass Jani allerdings an einem affectus
hypochondriacus leide — was er jedoch aller Wahrscheinlich-
keit nach durch tiberm&ssigen Genuss von Wein und and em
hitzigen Getr&nken selber verschuldet habe — , dass er aber
durchaus nicht schlechthin ausser stande sei, den Unterricht
wiederaufzunehmen. Er wird auf den 8. April vor das Kon-
sistorium geladen, reicht aber am 2. April seinerseits eine Be-
schwerde ein:
„melde untertb&nigst, dass ich durch die in
meiner Abwesenheit und ohne alles mein Wissen geschehene
Translocation aus meiner mir angewiesenen Klasse — —
ausser stand gesetzet worden, meine Amtsverrichtung anzu-
treten, weil mir, wie Eure Hochftirstliche Durchlaucht einsehen
werden, durch solche Translocation diejenige Ehre und Respect
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— 314 —
genommen werden, die Eure Hochfiirstliche Durchlaucht auf
das mir anvertraute Amt selbst geleget haben".
Auf diesen Punkt der Janischen Eingabe antwortet dann
der Rektor Schroder in einem am 6. April eingereichten Berichte
folgendermassen :
„Er ist zu der Zeit entweder in statu naturali
oder in delirio gewesen. Ist er in delirio gewesen, so hat man
es ihm ja nicht zu wissen thun konnen; ist er in statu naturali
gewesen, so hat er es ja vor sich wohl wissen kdnnen, weil
es nach der Vorschrift der Schulordnung geschehen. Allein
hie datur tertium : er hat es wol nicht wissen wollen, weil er
sich eingebildet, dass er bei seiner Abwesenheit keine Schiller
verlieren k6nnte, darum ist es ihm nur zu thun gewesen. Und
das mag die Ursache gewesen sein, warum er nicht hat
kommen wollen."
Am 8. April erscheint Jani vor dem Konsistorium, um
wieder mit einer Vermahnung und einigen Versprechungen
seinerseits davon zu kommen. Da er aber nach wie vor der
Schule fernbleibt, werden endlich am 24. April Verhandlungen
inbetreff einer auf Kosten des Konrektors einzurichtenden
„Interimsinformationa eingeleitet. Man beabsichtigt die vices
conrectoris in secunda classe zunachst einem Kandidaten
Kanold fttr 4— 41/, Gulden (= 4,50—6 Mk.)1) wochentlich zu
(ibertragen. Am 29. Mai wird aber statt seiner vielmehr ein
Kandidat Lewin Eberhard Kettwich als Vertreter in Vorschlag
gebracht. Die Akten brechen hier ab. Inzwischen war Karl
Edzard, der letzte Ftirst aus dem Hause Cirksena, gestorben,
und Ostfriesland am 24. Mai preussisch geworden. Damit hatte
denn auch fiir den beklagenswerten Rektor Schroder die Stunde
der Erl5sung geschlagen: der Konrektor Jani wurde, wie Pommer
schreibt, „wegen einer Gemiitskrankheit entlassen", wie es in
einem 1760 angefertigten Lehrer-Verzeichnis2) heisst, „wegen
Verrtickung im Haupte dimittiert" und erhielt ein BjSlhrliches
Gnadengeld" von 50 Reichsthalern (= 150 Mk.).
l) 1 Gulden ostfries.: = 10 Schaf; 1 Schaf = ll1/. Pfennig.
*) No. 266 der Schulakten des hiesigen Archivs.
•) 1777—1783.
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— 315 —
Eine Quelle arger Misshelligkeiten war namentlich — wie
auch schon aus den obigen Mitteilungen hervorgeht — der Um-
stand, dass die von den Schiilern unter verschiedenen Titeln
zu zahlenden Gebiihren den Lehrern der einzelnen Klassen zu-
fielen, w&hrend fiber die Versetzung in die nachst hohere Klasse
allein der Rektor zu entscheiden hatte. Am 1. April 1780 ging
bei dem Konsistorium eine Beschwerde des Konrektors Fastenau1)
ein, die folgendermassen anhebt:
n Hatte es mit dem unwiirdigen Verfahren des Rektors
Hecht beim Versetzen der Schiiler aus einer Klasse in die
andere nichts weiter auf sich, als dass mir ein Teil meines
Unterhaltes entzogen wurde, gern verschmerzte ich diesen
Verlust und schwiege noch langer — a
aber sein Antrag, das ius translocandi einer bei der Sache
nicht interessierten Person aufzutragen, erfolgt nattirlich nur
aus uneigennutzigen und edeln Griinden, ist namlich durch die
Befurchtung veranlasst, dass bei langerem Schweigen der ganz-
liche Verfall der Schule eintreten, und die Schiiler einen Schaden
fiir ihre Lebenszeit davontragen konnten. Der Rektor wolle
nur seine Klasse voll haben, wolle Honorar von 14 bis 15
Schiilern Ziehen; darum translociere er, wahrend er dem Kon-
rektor oft Schiiler vom Lande iiberweise, die kaum lateinisch
lesen konnten und eigentlich auf die unterste Bank der Tertia
gehOrten, die Sekundaner meist schon nach 2 Jahren, wahrend
er die Tertianer 4 bis 5 Jahre und dartiber in ihrer Klasse zu-
bringen lasse u. s. w.
Die Antwort Hechts wurde dem Konsistorium am 28. April
1780 vorgelegt. Er beschrankt sich natiirlich nicht auf die Ab-
wehr, sondern geht alsbald zum Angriff iiber, um nun seiner-
seits die schwersten Anklagen gegen Fastenau zu erheben.
Dieser werde von seinen Schiilern gehasst, verabscheut, ja ver-
flucht; die Schiiler verloren bei ihm alle Lust zu lernen, die
Eltern scheuten sich oft, ihre Sohne aus der 3ten in die 2te
Klasse iibergehen zu lassen und schickten sie lieber anders-
wohin. Insbesondere richte sich der Konrektor gar nicht nach
der F&higkeit seiner Schiiler, lese mit ihnen die lateinischen
auctores ohne geniigende Sprach- und Sacherkl&rnng, lasse
>) 1777—1783.
Jahrbnch dm GeselUch. f. b. K. a. vaUrl. AltertQmer an Em den, Bd. XV. 21
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— 316 -
exercitia domestica nicht, wie vorgeschrieben, wochent-
lich, sondern nur ausserst selten schreiben, lese oft in
den Lehrstunden fur sich ein Buch und lasse inzwischen
die Schiiler Obersetzungen machen, die eigentlich Hausarbeit
seien, u. s. w.
Von dieser Eingabe Hechts ging dem Konrektor am 3. Mai
ein ^Extract" behufs seiner Verantwortung zu, w&hrend gleich-
zeitig der Rektor aufgefordert wurde, die exercitia dokimastika
(sive exploratoria), die er vor der Translokation in der II. habe
schreiben lassen, der BehSrde einzureichen. Nun hatte Hecht
zu seinem Bedauern diese exercitia nicht aufbewahrt, zumal
er ja nicht habe erwarten konnen, von Fastenau, seinem ehe-
maligen Schiiler (auch noch!), in dieser Weise angegriffen zu
werden. Fastenaus Verantwortung aber wurde am 21. Mai
vorgelegt, und man wird es nicht gerade mit Oberraschung
vernehmen, dass er es nun ebenfalls nicht bei der Verteidigung
bewenden liess, sondern seinerseits eine Reihe neuer Be-
schuldigungen gBgen den Rektor vorbrachte. Ein Erlass des
Konsistoriums vom 21. Juni, unterzeichnet von Derschau,
machte dann dem widerwartigen Handel ein Ende. Auffallend
und unsern Gepflogenheiten wenig entsprechend erscheint es
doch, dass die Behorde nach alien diesen Anklagen und Gegen-
anklagen auf eine Untersuchung verzichtete und sich mit einer
Verwarnung an die beiden Schulkollegen begniigte. Sehr be-
rochtigt aber kann man es nur finden, dass gleichzeitig mit
dieser Verwarnung eine Vermahnung an den Konsistorialrat
Smid als scholarcham und inspectorem specialem dieser
Schule erging:
„Da wir von alien Seiten vernehmen, dass zwischen
dem Rektore und Konrektore der hiesigen lateinischen Schule
eine grosse Uneinigkeit, sowie bei der Schule iiberhaupt viel
Unordnung herrsche, und die neu revidierte Schulordnung
wenig beobachtet werde, daher sie auch beiderseits sich nicht
scheuen, bei unserm Konsistorio einander offentlich die bitter*
sten Vorwtirfe iiber Nachlassigkeit, unschickliche Lehrart,
Parteilichkeit bei Translocierung der Schiiler zu machen,
dieses aber den Verfall der Schule, welche alien andern
Schulen des Landes zum nachahmungswiirdigen Muster dienen
sollte, notwendig nach sich Ziehen muss:
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— 317 —
so haben wir zwar gedachte Schulkollegen zu mehrerer
Einigkeit und gewissenhafter Beobachtung ihrer gemeinsamen
Pflichten unterm heutigen Dato ernstlich anmahnen lassen.
Nachdem aber dergleichen Unordnungen an einer Schule un-
moglich tiberhand nehmen kSnnen, wenn der zu diesem Ende
bestellte scholarcha die ihm anvertraute Aufsicht mit gehoriger
Sorgfalt wahrnimmt, so wollen wir Euch als inspectorem
specialem dieser Schule, hiermit gnadigst und angelegentlichst
erinnern, iiber die Schulkollegen und deren Information genaue
Aufsicht zu tragen, zu dem Ende die Schule fleissig zu be-
suchen, die sich findenden Missbrauche abzustellen, die et-
waigen Differentien der Schulkollegen in der Giite beizulegen
und tiberhaupt dahin zu sehen, dass die revidierte Schul-
ordnung in alien Punkten aufs genaueste befolget werde."
Der Konrektor Fastenau starb 1783, aber auch so sollten
sich die „ Differentien" wegen der „Translocierungtf leider wieder-
holen. So kam es 1796 zwischen Hecht und dem Konrektor
Miiller und 1806 zwischen Pommer und dem Kantor Fastenau
wegen dieses Geschaftes zu Meinungsverschiedenheiten, auf die
ich hier nicht naher eingehe.
Wie gering die Befugnisse des Rektors von den Kollegen
und auch von dem Publikum veranschlagt wurden, zeigte sich
wiederum bei einem argerlichen Handel zwischen Pommer und
dem Konrektor Liiddecke:
Am 26. Juni 1811 war es dem Rektor Pommer angezeigt
worden, dass die Sekundaner Lucius von Schonemarck, Sohn
eines hiesigen Notarius, und Gerhard Schweers, Sohn eines
„Huissiersa, beleidigende Ausdriicke gegen den Kantor Fastenau
an eine Ttir auf dem Hofplatze des Rektors geschrieben h&tten.
Darauf trat Pommer in der letzten Vormittagsstunde in die
Klasse des Konrektors, zog die beiden Angeklagten, ohne erst
eine lange Untersuchung anzustellen und ohne auf ihre Unschulds-
beteuerungen zu achten, nach einander iiber den Tisch und be-
strafte sie „mit heftigen Stockschlagen". Den Stock dazu hatte
er sich von dem Konrektor ausgebeten, und dieser hatte ihm
denselben „mit einer zierlichen Verbeugung" iiberreicht. — Dieses
unmittelbare und drastische Eingreifen des Rektors in den Be*
21*
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— 318 —
reich des zweiten Lehrers hatte nun eine doppelte Folge, eine
Beschwerde Liiddeckes, zu der ihn angeblich die allgemeine
Stimme des Publikums sowie seine eigene Ehre gleich stark
aufforderten, und eine Beschwerde der beiden Vater, die nicht
nur jede Schuld der SShne bestreiten, sondern es auch far
selbstverstandlich halt en, dass selbst im Falle einer Verschaldung
die Bestrafung nur von dem „vorgesetztena Lehrer, also dem
Konrektor, hatte vollstreckt werden dtirfen. — Auf die blosse
Kunde von diesen Schritten reichte Pommer schon unter dem
28. und 29. Juni endlose Berichte ein, und ebenso Liiddecke
am 9. Juli eine Gegenvorstellung, in der er zum Schluss den
Herrn Generalsuperintendenten Mftller flehentlieh darum bittet,
einem Despotismus Schranken zu setzen, der immer ftirchter-
licher zu werden drohe, und bei dessen blosser Vorstellung
sich schon sein ganzes Geftthl empOre. — Am 12. Juli wurde
sodann der Generalsuperintendent beauftragt, dem Rektor zu
bedeuten, dass er doch besser getan hatte, den Konrektor
von dem Vergehen der beiden Schtiler zu benachrichtigen und
diesem dann die Bestrafung zu iiberlassen. Eine unmittelbare
Bestrafung durch den Rektor sei nur am Platze, wenn der
Tater in flagranti ertappt werde, oder periculum in mora an*
zunehmen sei. Andernfalls empfehle es sich, die strafbare
Handlung dem betreffenden Klassenlehrer anzuzeigen, der dann
freilich dieser Anzeige auch die gebiihrende Folge zu geben
verpflichtet sei. — Mit diesem Reskripte war indes die An-
gelegenheit noch keineswegs abgeschlossen. Pommer hatte in
seinen Eingaben, um sein Einschreiten zu erkl&ren, liber die
ganze Amtsfiihrung Liiddeckes in hochst ungiinstigem Sinne
berichtet. Die Hauptanklagepunkte waren folgende:
1. Wahrend der Lehrstunden herrscht bestandig L&rm und
Gerausch in der II., der Lehrer schwatzt mit den Schtilern, und
diese veriiben ungestflrt allerhand Unarten, graben L6cher in
die Mauer, stossen Steine heraus u. dgl. 2. Der Konrektor
pflegt morgens viel zu spat in der Schule sich einzustellen. In-
zwischen herrscht in seiner Klasse der wtisteste Unfug. Auch
haben die Iller viel von den rohen Neckereien der Her zu
leiden. Dariiber hat der Kantor dem Konrektor schon „ bitter
und stissa Vorstellungen gemacht, die aber immer vergeblich
geblieben sind. 3. Die SchUler kommen durch weg „zu schlecht
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beschlagen" aus der II. in die I., in der dann der Rektor mit ihnen
seine Not und Plage hat. Der Konrektor verdirbt viel Zeit, indem
er ein compendium geographiae d i k t i e r t u. a. d. A.
Am 5. August begab sich nun der Generalsuperintendent
um 9V2 Uhr vormittags selber in die Schule. Er fand die lte
und 3te Klasse in T&tigkeit, w&hrend die 2te uberhaupt „nicht
vorhandena war. Durch die hiemach angestellte Untersuchung
wurden die Vorwtirfe Pommers lediglich best&tigt. Auf die
Frage, warum denn die II. am 5ten keinen Unterricht gehabt
habe, gab L. die dummdreiste Antwort, es seien ja Hundstage,
und tiber den Umfang der Ferien habe er von seinen Kollegen
keine Vorschriften anzunehmen. — Der Handel endete fiir ihn
nach unsern Begriffen viel zu glimpflich, indem man ihn mit
einer in v&terlichem Tone gehaltenen „Erinnerunga davon
kommen Hess.1)
Ein andermal weigerte sich Ltiddecke, den Schltissel zu
dem Klassenzimmer der II. dem Rektor auszuliefern. Es be-
durfte erst einer Verftigung des Konsistoriums. um ihn zu der
Auslieferung zu bestimmen.
Das Verh<nis blieb auch gespannt, nachdem Pommer
1817 das Rektorat zum zweiten Male tibemommen hatte. Er
selber berichtet in der „vertraulichen Geschichte seiner Direction
fiir seine Nachfolger"2) nach allerlei schnurrigen Mitteilungen
tlber Ltiddeckes Wunderlichkeit und Unfahigkeit, seine Schtiler
im Zaune zu halten, hieriiber etwa folgendes:
„Er vermied jede Unterhaltung mit mir tiber Schulfragen,
ja sogar meine Gegenwart. Ich war einmal bereit, mit jeman-
dem im Hause des Herrn Ebermann eine Wette einzugehen,
dass ich Herrn L., der auch da war, durch eine Unterredung
iiber die Schule aus der Stube treiben wolle. Ich fing auch
wirklich eine solche Unterredung an, worauf er sich aus der
Stube schlich. — - Sah er mich auf einem Spaziergange, so bog
er aus; ging ich hinter ihm, so lief er eilig vorauf, um mich
zu meiden. So gelang es mir einmal durch die Miene, die ich
annahm, ihn erreichen zu wollen, ihn von Aurich tiber Colde-
h6rn, Sandhorst, Wallinghausen bis ins Osterthor durch ziem-
lich tiefen Schnee zu treiben".
') Schulakten des Archivs 275.
*) Das Manu8kript befindet sich bei den Akten des Gymnasiums.
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Die neue Schulordnung von 1822, die das alte Klassen-
lehrersystem beseitigte, gewahrte auch dem Leiter der Anstalt
eine grflssere Machtvollkommenheit. Es liesse sich aber leicht
der urkundliche Nachweis fiihren, dass sich hier trotzdem die
Misshelligkeiten auch in den folgenden Jahrzehnten fortsetzten
oder doch periodisch wiederholten.
Die letzten Mitteilungen kflnnten leicht das Urteil iiber
Pommer selber bis zu einem Grade ungtinstig beeinflussen, dem
ich doch vorbeugen zu sollen glaube. Pommer war ja allem
Anscheine nach eine gallige und herrische Natur, aber dabei
nicht ohne Wohlwollen und vor allem umsichtig, riihrig, tat-
kraftig, von unermiidlicher Arbeitskraft und Arbeitslust. Seinen
Schriften, gedruckten und ungedruckten, fehlt es trotz ihrer
breiten Redseligkeit nicht an einem gewissen Reize, weil sie
immer wieder scharfe Beobachtung, ausgebreitete Erfahmng,
griindliche Sachkenntnis und ein nicht gewohnliches Mass prak-
tischen Verstandes erkennen lassen. Nachdem er von 1803 bis
1813 das Rektoramt an der hiesigen Schule bekleidet hatte,
iibernahm er die Predigerstelle zu Westerackum, mit der die
fiir jene Zeit ansehnliche Einnahme von 900 Thalern nebst
freier Wohnung und der Nutzniessung eines „sehr guten"
Gartens verbunden war. Er vertauschte indes diese Stellung,
die ihm gewiss ein behagliches Leben in Ruhe und Frieden
ermoglicht hatte, einer ehrenvollen Berufung der Hannover-
schen Regierung folgend schon 1817 wieder mit dem hiesigen
Rektorate, obwohl ihm nur ein Gehalt von 700 Thalern ge-
boten wurde, und obwohl er die Sorgen und Kampfe, die hier
seiner warteten, mit Bestimmtheit voraussah. Die Schul-
ordnung von 1822, durch welche die alte Lateinschule zu
einem modernen Gymnasium umgeschaffen wurde, die Auf-
besserung der Lehrergehalter, der Neubau und noch manches
andere ist im wesentlichen sein Werk. „Es giebt keine Seite
der Schule", sagt er von sich selbst, „fiir die ich nicht ge-
arbeitet habe", und sein Interesse und Einfluss hat sich nicht
auf diese Schule beschrankt.
So reichte er im Jahre 1816 unter dem Titel „Bemerkungen
und Vorschlage die Schulen meines Vaterlandes betreffend" der
zust&ndigen Behorde eine Denkschrift l) ein, in der er sich auch
l) Bei den Akten des Gymnasiums.
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fiber den Stand des Volksschulwesens in Ostfriesland verbreitet.
Hier findet sich nun bereits die Meinung ausgesprochen, dass
den vielfafch herrschenden Obelstanden nur durch Errichtung
eines ,,Schulmeisterseminarsi4 in Aurich abgeholfen
werden kSnne. An diesem Seminar mtisse Religion und Fertig-
keit im Katechisieren, Kalligraphie, Rechnen, Musik, Deutsch,
Hollandisch, Naturkunde, Qeographie und Geschichte gelehrt
werden. Bekanntlich hat es bis zum Jahre 1852 gedauert, ehe
dieser „Vorschlagtf Pommers — in einer den veranderten Zeit-
verh<nissen entsprechenden Form — verwirklicht wurde.
Billstein, Bertram, Smid mogen als Gelehrte feiner und
bedeutender gewesen sein, aber Pommer war ohne Frage das
• bemerkenswerteste organisatorische und administrative Talent
unter alien Rektoren und Direktoren unserer Anstalt. Seine
aufopferungsvolle und erfolgreiche Wirksamkeit verdiente es
wohl, einmal in einem besonderen Aufsatze eingehender be-
handelt zu werden.
VII.
An beriihmten Schulern hat es auch der Auricher Schule
nicht gefehlt. Aus dem 17ten Jahrhundert ware zu nennen
Johann Heinrich Stamraler, der spatere ostfriesische
Kanzler, aus dem 18ten vor alien Tilemann Dothias Wiarda,
der Geschichtsschreiber. Im 19ten Jahrhundert sind aus unserer
Schule der Jurist J her in g, der Mediziner Frerichs, der Theo-
loge Ihmels (zu Erlangen), der Philosoph Eucken (zu Jena)
hervorgegangen. Aus den Akten iiber die Reifeprtifung der
beiden erstgenannten unter diesen 4 soil hier einiges mit-
geteilt werden.
Reifeprtifung zu Aurich Ostern 1836.
Der Anfang der Priifung wurde auf den 22. Februar fest-
gesetzt, und dieser Termin durch zweimalige Einrtickung in
das Amtsblatt bekannt gemacht. Mitglieder der Prufungs-
kommission waren:
1) der Kanzleidirektor Brandis als Koniglicher Kommis-
sarius,
2) der Generalsuperintendent Miiller,
3) der Konsistorialrat Ihmels,
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— 322 —
4) der Justizrat von der Osten,
5) der Gymnasialdirektor Mtiller,
6) der Rektor Siedhoff,
7) der Subkonrektor Hfllscher,
8) der Oberlehrer Reuter,
9) Dr. Hartmann „als Lehrer der Mathematik",
10) der Kollaborator Bienhoff „als Lehrer der franzSsischen
Sprache" (Protokollfiihrer).
Zu der Prtifung meldeten sich 6 Abiturienten, namlich:
1. Georg Johann Rose, Sohn eines Kaufmanns aus
Wittmund (3l/2 Jahre in I.);
2. Theodor August Steltzer, Sohn eines Justizrats zu '
Aurich (3l/2 Jahre in I.);
3. Hermann Justus Conring, Sohn des Amtmanns Conring
zu Aurich (3 Jahre in I.); *)
4. Johann Friedrich Riese, Sohn des Pastors zu Holtrop
(2 Jahre in I.);
5. Caspar Rudolph Jhering, Sohn des verstorbe-
nen Justiz - Commissarius Dr. iuris Jhering zu Aurich
(2 Jahre in I.);
6. Hieronymus Ibeling Ditzen, Sohn eines Kaufmanns in
Emden (3V2 Jahre in I.).
Der jiingste der Angemeldeten war der am 22. August
1818 geborene Jhering.
Diese Abiturienten hatten am Nachmittage des 6. Februar
unter Aufsicht des Direktors ein lateinisches Gesuch um Zu-
lassung nebst einem curriculum vitae auszuarbeiten. Diese
Gesuche wurden unter Beifugung der in der I. erteilten Zeug-
nisse zu den Akten genommen.
An dem ersten Priifungstage, dem 22. Februar, war ein
lateinischer Aufsatz anzufertigen. Die Arbeit begann um 7 Uhr
morgens und endete 1 Uhr mittags. Das Thema lautete:
imperium Romanum turn, cum Octavianus eius principem se
fecit, civitatem liberam et sui iuris diutius esse non potuisse
*) Geboren 8. Marz 1817 in Aurich, f 31. Dezember 1900 in Hildos-
heim als Geheimer Justizrat und Erster Staateanwalt a. D.
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ostenditur. Die Aufsicht ftthrte w&hrend der ganzen
Arbeitszeit der Kollaborator Bienhoff. Durchgesehen und be-
urteilt wurden die Arbeiten von dem Direktor Miiller.
Am 23. Februar war von den 30 ersten Versen der
Trachinierinnen des Sophokles eine deutsche Obersetzung nebst
lateinischer Inhaltsangabe (argumentum) und lateinischer
Erklarung zu liefern. Die Arbeitszeit betrug wiederum 6 Stunden,
die Aufsicht fiihrte vom Anfang bis zum Schluss der Sub-
konrektor H61scher. Auch diese Arbeiten sind von dem Direktor
durchgesehen und beurteilt.
Der 24. Februar war, wie es scheint, ftir die Obersetzung
in das FranzSsische bestimmt. Die Schtiler arbeiteten von 8l/2
bis 12Vi Uhr unter der ununterbrochenen Aufsicht des Sub-
konrektors HSlscher.
Darauf folgte am 25. Februar als dritte sechssttindige
Arbeit der deutsche Aufsatz, der unter Aufsicht des Rektors
Siedhoff angefertigt und von diesem auch beurteilt wurde.
Thema war: „Wodurch kann der studierende Jflngling wahre
Vaterlandsliebe beweisen? Eine Rede eines abgehenden Schiilers
an seine mit ihm zugleich die Schule verlassenden Freunde44.
Der 26. Februar war der „Litteratur", Geschichte und
Geographic gewidmet. Die Schtiler hatten eine Reihe von
Fragen schriftlich zu beantworten: 1) Hauptgedichte der
deutschen Litteratur aus den sogenannten Sagenkreisen
(V2 Stunde). 2) Der Geist der alexandrinischen Gelehrsamkeit.
3) Charakteristik des Tacitus als Geschichtsschreibers mit
Angabe seiner Werke (2 und 3 von Jhering in 8/i Stunden be-
arbeitet). 4) Welches sind die vorzflglichsten Prosaiker aus
dem Jahrhundert Ludwigs des 14ten ? In welcher Gattung
haben sie sich besonders ausgezeichnet, und welches sind ihre
Hauptschriften? (von Jhering in 21 Minuten gut bearbeitet, ein
andrer brauchte 1 Stunde). 5) Perikles und sein Zeitalter.
6) Der Kampf der Patrizier und Plebejer bis zur politischen
Gleichheit beider St&nde. 7) Die Entstehung des dritten Standes
im Mittelalter. 8) Ludwig der 14te und sein Zeitalter. 9) Fluss-
gebiet des heutigen Frankreichs nebst den wichtigsten Stadten
an den Hauptfltissen. 10) Der Umfang des romischen Reiches
unter Augustus. — Jhering hatte alle diese „litterarischen",
historischen, geographischen Arbeiten schon 10 Minuten vor
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— 324 —
12 Uhr vollendet. Er erhielt nun von dem aufsichtftihrenden
Oberlehrer Reuter noch eine besondere Aufgabe: „Gustav Adolf1,
die er in 20 Minuten, also bis 10 Minuten nach 12 Uhr er-
ledigte. Von diesen Ausarbeitungen sind die zur deutschen,
griechischen und lateinischen Litteratur von Siedhoff, die zur
franz5sischen von Bienhoff, die zur Geschichte und Geographie
von Reuter durchgesehen.
Am 27. Februar wurden die mathematischen und physika-
lischen Arbeiten in der Zeit von 7l/2 bis 172 Uhr unter der
Aufsicht des Dr. Hartmann angefertigt.
Die Aufgaben waren folgende:
1. Zu beweisen, dass, wenn man aus 2 Punkten nach
einem Punkte einer gegebenen geraden Linie 2 gerade Linien
zieht, die Summe dieser Linien dann am kleinsten ist, wenn
die beiden gezogenen Linien mit der gegebenen Linie gleiche
Winkel einschliessen.
2. Zwei Seiten eines dreieckigen Sttick Landes sind die
eine 68, die zweite 54 Ruten lang und schliessen einen Winkel
von 62° 6' ein. Wie viele Quadratruten enth< das Sttick?
3. Ein gegebenes Vieleck in ein Dreieck zu verwandeln.
5. Welches Verh<nis findet unter den Flachen der drei
auf die Seiten eines rechtwinkligen Dreiecks gezeichneten Halb-
kreise statt?
5. Zu beweisen, dass die drei aus den Mittelpunkten der
Seiten eines Dreiecks gefallten Perpendikel sich in demselben
Punkte schneiden.
6. Eine Linie, die mit zwei in einer Ebene gezogenen
Linien rechte Winkel einschliesst, steht senkrecht auf der
Ebene selbst.
7. Es kauft jemand fiir 200 Thaler Uhren,tombachene(sic!)
das Sttick zu 5 Thl., silberne zu 8 Thl. Wie viel erh< er
von jeder Sorte?
8. Die Summationsformel fiir eine arithmetische Reihe an-
zugeben, sowohl wenn n eine gerade als eine ungerade Zahl ist.
9. Die Summe zweier Zahlen heisst a, die Summe ihrer
Kuben b. Wie heissen die Zahlen?
10. Erklarung der Wirkungsart einer Leidener Flasche.
11. Was versteht die Physik unter der magnetischen
Kraft, und welche Mittel kennt sie zur Erregung derselben?
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— 325 —
Dies sind die von Jhering bearbeiteten Aufgaben. Es scheint
jedoch, dass eine noch grossere Anzahl geometrischer, arith-
metischer, physikalischer Aufgaben gleich anfangs diktiert, und
den Prtiflingen die Auswahl aus dieser Fiille sowie auch die
Reihenfolge der Bearbeitung anheimgestellt wurde. So findet
sich bei einem andern die Aufgabe verzeichnet:
Die Bevolkerung eines Landes nimmt jslhrlich um 172
Prozent zu. In wieviel Jahren wird sie um die Halfte grGsser
geworden sein?
und wieder bei einem anderen:
Zu beweisen, dass die Wurflinie im luftleeren Raume eine
Parabel ist.
Am Nachmittage desselben Tages von 4 — 8 Uhr (!) musste
einer der Pruflinge (Riese) noch eine hebr&ische Arbeit an-
fertigen. Er hatte von Samuelis I, 4, 1—10 eine deutsche Ober-
setzung und einen lateinischen Kommentar zu liefern und ent-
ledigte sich trotz der sechssttindigen angestrengten Vormittags-
arbeit dieser neuen schweren und langwierigen Aufgabe mit
solchem Erfolge, dass der Subkonrektor Holscher dieser Arbeit
das Pradikat „ausgezeichneta zuerkennen konnte. — Man kann
sich angesichts solcher Leistungen des niederschlagenden Ein-
drucks nicht erwehren, dass die damaligen Menschen, junge und
alte, tiber weit mehr Nervenkraft als wir heutigen verfiigten.
Ganz denselben Eindruck empfangt man aber, wenn man
das Protokoll der mundlichen Prtifung — rich tiger: des z weit en
Teiles der Prtifung — durchliest. Eine Befreiung von dieser
Prtifung oder von Teilen derselben gab es nicht.
Am 18. Marz um 9 Uhr morgens versammelten sich die
Mitglieder der Kommission und die Abiturienten. Das Gesch&ft
begann mit einer vom Direktor Mtiller abgehaltenen Priifung
in der Religionslehre, die von 9,10 bis 10,10 wahrte, sodass auf
jeden der 6 Priiflinge etwa 10 Minuten kamen. Darauf wurde
bis 10,30 nach dem Diktate des Rektors Siedhoff ein latei-
nisches Extemporale geschrieben, und hierauf bis 11,30 Horaz,
Epod. 2 (Beatus ille qui procul negotiis) tibersetzt. An die
tJbersetzung schlossen sich Fragen und Antworten in latei-
nischer Sprache tiber Inhalt des Gelesenen, Metrum, dichte-
rischen Sprachgebrauch, „h6here Grammatika und Alterttimer.
Nunmehr wurden die Abiturienten auf kurze Zeit entlassen, und
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die Urteile fiber die bewiesenen Religionskenntnisse und ttber
die Leistungen in der Horazlekttire festgestellt. Um 11,45 folgte
die Priifung in der lateinischen Prosalektiire, die bis 12,55
dauerte. Vorgelegt wurde Cicero, Tusc, 5, c. 1 u. 2. Die an die
Obersetzung sich anschliessenden Fragen und Antworten ge-
schahen auch hier in lateinischer Sprache und bezogen
sich auf den Sinn der einzelnen Paragraphen, den die Schuler
in andern Ausdriicken wiederzugeben hatten, sowie auf
Geschichte und hfthere Grammatik.
Darauf trat eine Mittagspause ein, nach der die Prtifuiig
um 3 Uhr ihren Fortgang nahm. Man ging zum Griechischen
fiber, liess eine Stelle aus dem 9ten Buche der Ilias (v. 225,
sqq.) und hierauf einige Kapitel (1—4) aus dem 2ten Buche des
Herodot tibersetzen. Fragen und Antworten zur Formlehre
und Syntax erfolgten in deutscher Sprache. Um 5 Uhr 10
wurde eine viertelstundige Pause gewahrt, die zur Feststellung
des Ergebnisses benutzt wurde. Es folgte dann um 5,25 franzo-
sische Poesie, um 5,55 franz6sische Prosa. Die nach der ttber-
setzung an die Schtiler gerichteten Fragen galten der sprach-
lichen und sachlichen Erkl&rung, wurden franzSsisch gestellt
und mussten franzosisch beantwortet werden. Das Gleiche
gilt fur eine sich anschliessende Priifung in der franz5sischen
Litteratur. Um 6,30 wurden endlich die Abiturienten fur diesen
Tag entlassen.
Die Fortsetzung begann fur sie am 19. Marz um 9 Uhr
morgens. Zunachst wurde Riese im Hebraischen gepriift, dann
samtliche Abiturienten in deutscher Grammatik und Stilistik,
deutscher Litteratur, griechischer und romischer Litte-
ratur, hierauf nach einer kurzen Pause in der Mathematik
(10,45—12,5) und in der alten Geschichte (12,10—1,5). Die
Priifung begann von neuem um 3 Uhr nachmittags und er-
streckte sich nun auf Mythologie und Altertiimer, mittlere und
neuere Geschichte und Geographic Damit hatte sie wirklich
ihr Ende erreicht; der Zeitpunkt des Schlusses wird im Proto-
koll nicht angegeben.
Die Kommission aber hatte noch ein wichtiges Geschaft
zu erledigen. Es wurden nun n&mlich die schrift lichen
Arbeiten, die allerdings bereits bei alien Mitgliedern der
Kommission umgelaufen waren, und die sonst erforderlichen
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- 327 -
Papiere (wohl namentlich die bisherigen Schulzeugnisse) vor-
gelegt, die Beschaffenheit derselben mit den Ergebnissen der
mtindlichen Priifung zusammengehalten, und danacb sowie
nach den Zeugnissen der Lehrer „von dem ganzen wissen-
schaftlichen Standpunkte" der Gepriiften die Urteile tiber den
Grad der Reife eines jeden Abiturienten in den einzelnen
F&chern festgestellt und in Zahlen zum Ausdruck gebracht.
Jedem dieser Urteile ist in den Protokollen eine ausftihrliche
Begrtindung beigegeben. Alsdann schritt man dazu, auf Grund
dieser die einzelnen Facher betreffenden Urteile jedem Abi-
turienten einen bestimmten Grad der Reife im allgemeinen zu-
zuerkennen. Alle sechs erhielten nur den zweiten Grad, einer
allerdings (Riese) „mit Auszeichnung". In den Maturitats-
zeugnissen, die biernach abgefasst wurden, sind die Pradikate
in den einzelnen Fachern weniger ausfiihrlich begrtindet als in
dem iiber die Verhandlung nach der mtindlichen Priifung auf-
genoramenen Protokoll. Die Zeugnisse zirkulierten im Entwurfe
bei samtlichen Mitgliedern der Kommission, und der Kanzlei-
direktor Brandis fand an der Fassung einiges auszusetzen. Es er-
schien ihm insbesondere „hart ftir die Abiturienten, wenn in
den den beschlossenen Pradikaten beigeftigten n&heren Charakte-
risierungen das Gute zum Teil wieder aufgehoben werde, was
ihnen in den Pradikaten gegeben seia. Der Generalsuperinten-
dent Mtiller war der Ansicht, dass „die Bedenklichkeiten des
Herrn Kanzleidirektors durch einige Weglassungen in der Rein-
schrift leicht gehoben werden kftnnten", und die andern Mit-
glieder der Kommission pflichteten ihm s&mtlich bei. Nach Aus-
fertigung der Reinschriften aber wurde das gesamte Material —
Antr&ge und Schulzeugnisse der Prtif linge, schriftliche Arbeiten,
Protokoll tiber die mtindliche Priifung, Reifezeugnisse in Ab-
schrift und eine Ubersicht tiber die Verh^ltnisse der Gepriiften
— dem Oberschulkollegium in Hannover eingesandt, von wo
es dann mit einem „Reskripta (das sich nicht mehr bei den
Akten der Anstalt befindet) im Januar 1837 hierher zurtick-
gelangte.
Man ersieht aus diesem knappen Berichte mit voller Deut-
lichkeit die wahrlich nicht geringen Anforderungen und Zu-
mutungen, die durch die Hann5versche Verordnimg vom 11.
September 1829 und durch die „Instruktiona vom 30. November
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— 328 —
1829 ftir die Reifepriifung vorgeschrieben waren. Diese Be*
stimmungen haben freilich im Laufe der Zeit wiederholte Ab-
anderungen erfahren. So wurde die Priifung durch eine neue
Instruktion vom 22. Mai 1839 wesentlich vereinfacht und er-
leichtert. Von 1846 — 1849 war die Priifung im Griechischen
nur ftir Theologen und Philologen (nicht auch fQr Juristen)
verbindlich.
Ich mache zum Schluss aus diesen Akten noch einige inir
ftir Jhering charakteristisch erscheinende Mitteilungen. Seine
lateinische mit einem curriculum vitae verbundene Meldung
lautet folgendermassen :
Viri amplissimi summeque colendi!
Exoptans proficisci in academiam Vos, quorum est
diiudicare, num quis idoneus sit, qui scholam relinquat, oro
rogoque, ut eadem humanitate et dementia, quam in omnes
semper discipulos praebuistis, etiam me velitis afficere. Op-
time enim mihi conscius sum, nisi accedente ad meam litte-
rarum scientiam vestra lenitate, voti illius me compotem non
esse futurum.
Natus autem sum Auricae anno MDCCCXVHI XI ante
Calendas Septembres. Mortuo post nonnullos annos patre, qui
causarum actor et doctor iuris erat, puer novem annorum in
hoc gymnasium receptus et post sex annos et dimidium, quo
quidem tempore Helling, Holscher, Bienhoff, Ude, Reiners,
Liidecke, Hartmann, Reuter, Siedhoff praeceptores habui, primo
ordini adscriptus sum, in quo duos annos nunc exacturus sum.
Per totum vitae tempus domi apud matrem fui, exceptis
tantum uno anno et tres1) mensibus, cum Siedhoffii, rectoris
optime de me meriti, disciplinae a matre traditus essem.2)
Grammaticis usus sum : Broedero et Zumptio ; Buttmannio
et Rostio; Meidingero et Hirzelio.
Legi autem in scola(sicl): Eutropium, Nepotem, Phaedrum,
Caesaris bellum civile, Virgilii Georgica et quatuor Aeneidis
libros, Horatii epistolas et carmina, Livii tres libros, Ciceronis
orationes, Taciti Germaniam et tres libros Annalium —
l) Ei! Ei!
■) Sollte die Frau Mutter wohl erkannt haben, dass der Knabe
Rudolf einer strengeren und wirksameren ,disciplinaK als der ihrigen
bedurfte ?
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Odysseam et Iliadem non totam, Xenophontis Anabasim
et Cyropaediam, Plutarchi Alexandrum, Platonis Apologiam
Socratis, Sophoclis Aiacem et Philoctetem, Thucydidis et
Herodoti primum librum non totum.
Domi autem legi: Tusculanarum primum librum, nonnulla
ex Ovidii et Tibulli operibus, quatuor Odysseae libros.
In iuris scientia studium ponere induxi in animum.
C. Rudolphus Jhering.
Die dieser Meldung beigefiigten Schulzeugnisse aus Jherings
Primanerzeit weisen durchweg einen Tadel im Betragen auf:
J. ist zum Plaudern und Vorsagen geneigt und stort dadurch
namentlich in den franzosischen und Geschichtsstunden. Im
Deutschen, Lateinischen, Griechischen erhalt er schon in dem
Zeugnisse ftir das Winterhalbjahr 1834/35 eine 1, in der Mathe-
matik eine 2 (= gut), obwohl Fleiss und Aufmerksamkeit nicht
gerade hervorragend waren. Die Handschrift, die ja nicht eben
schon, aber doch bereits fest und ausdrucksvoll ist, wird immer
nur als „mittelmassigu (4) bezeichnet. Der Schulbesuch war
zuweilen „durch Krankheit unterbrochen", und trotz des kurzen
Schulweges finden sich auch Verspatungen verzeichnet.
Das nach der mundlichen Prtifung festgestellte Urteil tiber
den Grad seiner Reife in den einzelnen F&chern hat folgenden
Wortlaut :
1. Im Lateinischen
bewies derselbe die Fahigkeit, die vorgelegten Stellen aus Horaz
und Cicero selbststandig zu verstehen, den Ideengang zu be-
stimmen, auch bei der Erklarung die notigen Kenntnisse von
der hohern Grammatik, sowie die erforderlichen Notizen tiber
geschichtliche, geographische, litterarische, mythologische Gegen-
stande beizubringen. Er sprach mit Gewandtheit und
Fertigkeit, skandirte richtig und las prosodisch richtig.
Sein freier Aufsatz zeigt, bei Mangeln in der Ausftihrung,
Fertigkeit in Wendungen und in Periodenbau und einen
schon merklich ausgebildeten Sinn ftir echte Latini-
t&t, auch grammatische Sicherheit.
Seine Gesamtleistungen erhalten das Pradikat erster
Klasse, sehr gut.
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— 330 -
2. Im Griechischen:
zeigte er geniigende Bekanntscbaft mit der Formenlehre und
der Syntax; ferner die F&higkeit, den Homer und Herodot
mit Leichtigkeit zu verstehen. Seine schriftliche
ttbersetzung und Commentar zum Sophokles war
unter den von den Abiturienten gelieferten der
vollstandigste und beste, und mit dem ersten Pradikat
bezeichnet. Allgemeine Klasse: die zweite, recht gut.
3. Im Deutschen:
hatte er geniigende Kenntnisse von der Grammatik und dem
Styl, auch von den Hauptepochen der deutschen Litteratur;
er redete zusammenhangend und ungezwungen; sein
schriftlicber Aufsatz war, ungeacbtet einiger sprachlichen und
orthographischen Mangel, da er doch Gewandtheit und
Mannigfaltigkeit im Ausdruck beweist, ftir das erste
Pradikat geeignet befunden.
Seinen Gesamtleistungen im Deutschen wurde die zweite
Klasse (gut) bewilligt.
4. In der Geschichte:
zeigte er genauere Kenntnis der aiteren Geschichte, der Alter-
tiimer und der mittleren Geschichte, geniigende Bekanntschaft
mit der neuen Geschichte und Geographie, sowie mit den
Hauptsachen der Litteraturgeschichte ; ferner genauere Kennt-
nis der vaterl&ndischen Geschichte. Seine schriftlichen Auf-
satze geniigten im Allgemeinen dem Pradikat N. 2.
Seine Gesamtleistungen wurden ebenfalls mit dem zweiten
Pradikat, gut, bezeichnet.
5. In der Mathematik:
bewies Jhering hinreichende Kenntnisse der Arithmetik, Algebra,
Geometrie und Trigonometrie. Seine schriftlichen Ar-
beiten zeichnen sich, so unangenehm auch die Un-
ordnung der Gedanken in denselben auff&llt, durch
eine grosse Beweglichkeit der Gedanken und ein
gutes VermSgen zum Combinieren aus und sind mit
dem zweiten Pradikat bezeichnet. Allgemeines Urteil: zweites
Pradikat, gut.
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— 331 —
6. Im Franzosischen:
verstand er den Dichter hinlanglich, den Prosaiker vollig ge-
niigend, zeigte einige Fertigkeit im mundlichen Ausdruck, seine
Aussprache war gut, auch seine Bekanntschaft mit den vor-
ziiglichsten Schriftstellern. Seine schriftliche Obersetzung war
frei von grammatischen Fehlern.
Seine Leistungen erhielten im Allgemeinen das zweite
Pradikat, gut.
7. In der Physik:
konnte er die Hauptgesetze der Phanomene der Korperwelt ge-
ntigend erklaren.
Seine Gesammtleistungen hierin wurden mit dem zweiten
Pradikat, gut, bezeichnet.
Als hier 2l/2 Jahre spater Friedrich Theodor Frerichs
— geboren am 24. Marz 1819, Sohn eines Gastwirts zu Aurich —
sich der Reifeprufung unterzog, war als Koniglicher Kommissar
an die Stelle des Kanzleidirektors Brandis der Justizrat von
der Osten getreten, und ausser diesem gehorte nur noch ein
Kommissionsmitglied, der Landsyndikus Telting, nicht dem
Lehrerkollegium an.
Aus der von Frerichs eingereichten Lebensbeschreibung
geht hervor, dass er Michaelis 1829 in die Quinta, d. h. die
letzte Klasse, des hiesigen Gymnasiums aufgenommen wurde
und in dieser Klasse nur lx/2 Jahre — nicht, wie die Regel
war, 2 Jahre — zugebracht hat. Mit lx/2 Jahren wird er
auch aus der Sekunda versetzt und besteht nach zweijahrigem
Aufenthalt in der Prima die Reifeprufung mit wahrhaft glanzen-
dem Erfolge. Immerhin hatte er 9 Jahre gebraucht, um den Weg
von der Quinta bis zur Universitatsreife zuruckzulegen, wahrend
Jhering in 81/2 Jahren zu diesem Ziele gelangt war. Frerichs
schliesst seine etwas iiberschwenglich gehaltene Meldung mit
den Worten: Jam diu statutum habeo cum animo ac deli-
beratum in arte medica cognoscenda omnem operam et tempus
collocare et ob earn causam Goettingam proficiscar. Die
schriftliche Prufung begann am 20. August, die miindliche fand
am 20. und 21. September statt. Ein Reifezeugnis, wie es
Jahrbach der Gesellsch. f. b. E. u. rated. Altertftmer za Ecoden, Bd. XV. 22
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Frerichs zuteil wurde, ist mir in meiner doch auch schon lang-
jahrigen Praxis noch nicht vor Augen gekommen: Betragen
gegen Mitschuler: sehr gut (lb) — gegen Vorgesetzte: vorzug-
lich gut (la). Aufmerksamkeit und Fleiss: vorziiglich. Kennt-
nisse und Leistungen in alien F&chern bis auf Physik sehr
gut und in der Physik vorziiglich. Allerdings war Frerichs
zu der Zeit, als er sich dieses Zeugnis erwarb, 2 Jahre alter
als der Abiturient Jhering Ostern 1836.
Ich breche hier diese Mitteilungen ab, indem ich mir die
Veroffentlichung weiterer kleiner Beitrage zur Geschichte der
Anstalt im neunzehnten Jahrhundert fur die Zukunft
vorbehalte.
Herrn Archivrat Dr. Wachter spreche ich fur die freund-
liche Hilfe, die er mir bei der Benutzung der Urkunden des
hiesigen Koniglichen Staatsarchivs geleistet hat, herzlichen
Dank aus.
Aurich. Dr. H. v. Kleist.
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Die Quellen der „Rerom Frisiearum Historia"
des Ubbo Emmius.
Von Dr. Heinrich Reimers in Aurich.
(Fortsetzung.) *)
VII. Chroniken aus Groningen und den Ommelanden.
§ 1. Die Chronik von Wittewierum.
(Emo und Menco).
Die alteste unter den einheiraischen Chroniken, welche
Emmius zu Gebote standen, war diejenige des Pramonstratenser-
klosters Floridus Hortus in Wittewierum. Begonnen von Emo,
dem ersten Abte dieses Klosters, enthalt sie die gleichzeitigen
Aufzeichnungen desselben von 1204 bis zum Jahre 1234. Emos
zweiter Nachfolger Menco hat das Werk dann fur die Jahre
1237 — 72 fortgesetzt, und diesem reiht sich wiederum ein un-
genannter Fortsetzer mit Nachrichten aus den Jahren 1276 — 96
an. Die Chronik bildet mit einem grossen Teile der von ihr be-
richteten Ereignisse die einzige Quelle fur diese sonst mit ge-
schichtlichen Nachrichten SLusserst diirftig ausgestattete Zeit.
So ist denn auch Emo fur den von ihm beschriebenen Zeitraum
fast Emmius1 einzige Quelle2). Bei guter Ausnutzung des von
l) vgl. Heft 1 (1903) S. 1 ff.
*) Ueber die Glaubwiirdigkeit Emos vgl. J.Gelhorn, Die Chronik Emos
und Mencos von Floridus hortus, Gottingen 1873, p. 78: „Im ganzen sind
Emos Nachrichten, sowohl uber Ereignisse, die sich in seiner Nahe, als
uber solche, die jenseits der Grenzen seines Gesichtskreises sich zutragen,
wahrheitsgetreu, ohne Uebertreibung, einfach, genau", etc. Das Urteil uber
22*
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— 334 —
Emo gebotenen Materials ubernimmt er seine Nachrichten fiber-
all da, wo ihm kein Parallelbericht zur Vergleichung vorlag,
unmittelbar, und zwar sot dass er sie dem speziellen Zweck
seines Werkes entsprechend bald kiirzend, bald erweiternd,
umgestaltet3). Emmius4) spricht sich tiber sein Verh<nis zu
Emo aus in den Worten: „Emoy primus Werumani coenobH
antistes, cui plurimum tribuo, homo illorum temporum aequdlis".
Die von Emmius tibernommenen Nachrichten lassen sich nach
4 Gesichtspunkten anordnen: Ueberflutungen und sonstige ele-
mentare Ereignisset innere Unruhen in Friesland, Klosterereignisse
und andere kirchliche Nachrichten und endlich die Teilnahme
der Friesen an den Kreuzztigen jener Zeit.
Wenn Mohlmann5) einmal tiber Emmius bemerkt: „auch
zeigt die Vergleichung mit seinen Quellen, namentlich auch mit
den aus Emo und Menco tibernommenen Nachrichten, dass ein
poetischer Anflug ihn nie verlassta, so wird er dabei besonders
an die Darstellung der grossen Wasserfluten durch Emmius ge-
die Zuverlassigkeit Mencos fallt bei ihm weniger gunstig aus. Die in
dieser Beziehung besonders wegen seiner kirchlichen Parteinahme gegen
die Hohenstaufen von Gelhorn gegen Menco erhobenen Vorwttrfe wider-
legt Wybrands: „De abdij Bloemhof te Wittewierum in de 13*© eeuw'
(Amsterdam 1883) p. 191 ff. Dieser fasst sein Urteil fiber Menco zusammen
in die Worte: „Hij is een eerlijk waarheidlievend schrijver; alleen om-
trent de buitenlandsche gebeurtenissen die hij mededeelt, was hij niet al-
tijt juist ingelicht; ook ontbreekt het hem aan nauwkeurigheit, voor-
namelijk in de chronologic a etc.
8) Matthaeus bemerkt in der Dedikation zur Ausgabe der Chronik
(Vet. aev. an., Bd. II 7*® Seite): „Usus magno cum fructu eius modi monumen-
tis et 8peciatim his chronicis, cum historiam olim conderet, dodissimus Ulbo
Emmius, ut non semel fatetur ipse". Wybrands (De Abdij Bloemhof etc
p. 179) charakterisiert das Verhaltnis des Emmius zu den Chroniken mit
den Worten: . . . „Ubbo Emmius , uit witns historischen arbeid blijkt, dot hij
onze kronieken met ijver heeft bestudeert, en ivien ook nog in onzen tijd hulde
toekomt voor de voortrefflijke wijze, waarop hij ook van den inhoud onzer kro-
nieken voor zijne studien partij heeft getrokkena. . . — Wie sorgfaltig Emmius
die Chronik durchgearbeitet hat, beweist u. a. der auf der Groninger
Universitatsbibliothek aufbewahrte Codex (Manuscr. No. 16), wahrschein-
lich das Wittewierumer Original selbst. Dort finden sich fast auf jeder Seite
als Randbemerkungen kurze Inhaltsangaben von Emmius' eigener Hand.
*) Em. hist. p. 137; ausserdem noch zitiert p. 131, 132, 133, 141,
sowie p. 118 u. 129 als „ annates".
8) Kritik p. 127.
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— 335 —
dacht haben. Hier zeigt er deutlich das Bestreben, die kurzen
Angaben des Chronisten in lebendiger Schilderung auszugestalten,
obgleich er sich dabei sachlich durchaus an seine Vorlage
halt und sich wohl hiitet, einen fremden Zug in die Darstellung
hineinzutragen. Eine Gegenttberstellung mit seiner Quelle fiir die
Berichte iiber die Marcellusflut von 1219 und die des folgenden
Jahres mag Emmius1 Verfahren in dieser Sache zeigen und zu-
gleich rechtfertigen:
Emo p. 488.1) Emmius p. 128.
. . . „die inquam Ianuarii XVI, cum „Deinde . . . ad diem XVII. Calend.
aliquot diebus precedenttbus spirasset Februarii (is XVI. Januarii MarceUo
affricus, sed non immoderate, die prae- sacer est) cum aliquot diebus continuis
fata plus solito invaluit a mane usque velut a fundo commovendo Oceano
ad vesperam". spirasset Africus eoque ipso quern
dixi die non multo post ortum solis,
levante se turn super horizontem luna, insurrexisset vehementius" etc.
Etno p. 495. Emmius p. 129.
„Anno conversionis eius XII . . . facta . . . „ecce ad initium anni sequentis
est horrenda maris diruptio et multis circiter Epiphaniae eluvies aquarum
metuenda in horrore crepusculi. Sed alia supervenit non minore vi, quam
quamvis in multa profunditate estua- prior, sed minore hominum et animan-
verity non tamen equo molimine dele- tium strage. Quippe pecudes adhuc
vit homines ut antea, quia terminos rarae in omni regione et homines
maris nondum occupare ausi sunt cautiores malo priore, ut dioci, ad
ut olimu. editiora se suaque transtulcrant" .
In fthnlicher Weise sucht Emmius auch die oft recht
knappen Angaben Emos uber die inneren Streitigkeiten jener
Zeit in Friesland auszugestalten, oder soweit dies auf Grund
der Andeutungen Emos moglich ist, verstandlich zu machen.
Emmius beklagt sich uber die Ktirze, mit der Emo diese Dinge
behandelt, bei dem durch einen gewissen Rodbernuss im Jahre
1214 hervorgerufenen Wirren, er sagt: „De quo mirum, quam
parce ac jejune annates loquantur, non causis, non progressu, non
exitu memorato. Qualia fere sunt, quae a monachis de rebus poli-
ticis annotantur* . Er giebt dann den Bericht des Chronisten in
erweiterter Form:
Emo p. 495. Emmius p. 118.
„Hic est annus Septimus ab incursu „Tantum recensent [sc. annales] Rod-
Orientalium Frisonum in Fivelgoniam bernum quendam potentem hominem
l) ed. Weiland, Mon. Germ. SS, XXHI.
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in die beati Laurentii contra Hrod- in Fivelingiis inimicitias hostile* exer-
bernum et generum suum et ceteros cuisse cum iis, qui ad orientem sunt
parentes, quorum domus incineratae Amaso flumini, nixumque esse propin-
sunt et consulum terre ex parte. Con- quorum opibus ac gratia et in parti-
tremuit tota terra propter iuratos, bus habuisse eius agri magistratus
quo8 universitas Frisonum de more plerosque: ea de causa orientates ma-
vetustissimo creaverat apud Vpstelles- nu facta repente in Fivclingios in-
bome". gruisse aut injurias aut contumaciam
Rodberni vindicaturos, ipsoque et amicis di/fugientibus, domum eius et generi et
cognatorum incendio dedisse: inde in magistratuum plerorumque aedes similiter im-
petum fectise, iisque ignem etiam ivjecissef attonito et se non movente reliquo po-
pulo: idque factum reverentia judicum juratorum ad Ubstallesbomum. Quod mihi
suspicandi occasionem suggerit, hanc orientalium manum auspiciis horum judicum
contumaciam aliquant Rodberni non parentis judicato ultum venisse, et hoc quoque
in magiatratibus . . . esse pcrsecutam".
Man kann die Auffassung von Emmius gewagt oder mit
Mfthlmann „poetischa finden, jedenfalls aber zeigt dies Beispiel,
wie er den zusammenhangslos neben einander stehenden Notizen
des Chronisten, in feinsinniger Ausnutzung der gegebenen Mo-
mente, eine Gedankenverbindung abzugewinnen weiss, die den
Vorzug der inneren Wahrscheinlichkeit unstreitig besitzt. Etwas
mehr referierend verfahrt Emmius bei den anderen auf gleicher
Linie liegenden Berichten, obwohl er es auch da an Ausmalung
im einzelnen nicht fehlen lasst. Hierher gehoren etwa die
Streitigkeiten zwischen Fivelgo und Hunesgo im Jahre 1222
welche sich an den Namen des Eppo Rembada ankniipfen
(Emo p. 496, Emmius p. 129), die Streitigkeiten zwischen Nor-
dern und Brokmerlandern in demselben Jahre (Emo p. 517,
Emmius p. 130), die Ermordung von drei Priestern im Jahre
1227 (Emo p. 511, Emmius p. 135) x) u. a. Wo ihm ausser
Emo noch andere Berichte vorlagen, benutzt er diese womog-
lich zur Erweiterung seiner Angaben und stellt notigenfalls die
widersprechenden Berichte nebeneinander. Es ist dies der Fall ,
wie den auf die Ermordung des Bischofs Otto von Utrecht in
Friesland folgenden Ereignissen; hier besass Emmius (p. 137)
*) Hier tragt Emmius einen fremden Gedanken hinein, wenn er von
den Ermordeten sagt: ^hominum scilicet in cauponis magis, quam in templis
frequentium" . Dies entspricht wohl der Beschreibung, die Emo sonst ge-
legentlich von den Priestern seiner Zeit giebt, bei den Ermordeten aber
enthalt er sich nicht nur derartiger Bemerkungen, sondern er sagt von
dem Subdiakon Hecco sogar: Juvenis satis probus*.
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— 337 —
ausser £mo p. 512 die Berichte von Worp von Thabor (III, 28),
welcher hier der Klosterchronik von Mariengaard folgt,1) Beka
(p. 141 ed. Matthaeus) und dem „Anonymus de rebus Ultrajectinis"
(cap. 22 ff.), ahnlich steht es bei dem Streite der Uthuser und
Ernerenser (Em. hist. p. 139 ff.) im Jahre 1231, wo ihm ausser
Emo p. 513 gleichfalls noch Groninger Quellen vorgelegen haben.
Dem Charakter seiner Chronik entsprechend ist Emo bei
den Ereignissen, welche sein Kloster oder auch sonst geistliche
Dinge betreffen, weit ausfuhrlicher, so dass Emmius sich hier
mehr genotigt sieht, zu kurzen, da die langatmigen Berichte
des Abtes sich einer allgemein gehaltenen friesischen Geschichte
so nicht eingliedern lassen. Die Stiftung des Klosters Floridus
hortus, uber welche Emo p. 465 ff. eingehend berichtet, bemerkt
Emmius nur ganz kurz auf p. 114; ebenso kann er auf die
Streitigkeiten Emos mit dem Probst von Schiltwolde und dem
Bischof von Munster, welche bei Emo einen betrachtlichen Teil
des ganzen Werkes einnehmen2), nicht im Einzelnen eingehen,
wennschon er den Verlauf des Streites, als einen nicht un-
interessanten Beitrag zur kirchlichen wie politischen Geschichte
jener Zeit, in seinen Hauptzugen darstellt. Die zweimalige An-
wesenheit des Bischofs von Munster in Friesland3) giebt er da-
gegen ohne wesentliche Kurzungen wieder4), wahrend er auf
die weiteren Schicksale des Bischofs, eines geborenen Grafen
Isenburg, und die damit zusammenhangende Ermordung des
Erzbischofs Engelbert von Koln5) nur kurz hinweist.
Fur die vierte Art der von Emo tiberlieferten Nachrichten
endlich, fur das, was er uber die Teilnahme der Friesen an den
Kreuzziigen berichtet, entspricht seine Ausfuhrlichkeit durch-
aus auch dem Zwecke der Emmius'schen Darstellung. So liegt
es denn auch nahe, dass Emmius hier seiner Vorlage mit der
grSssten Genauigkeit folgt. Abt Emo hat zwei Kreuzfahrten
seiner Landsleute erlebt, in den Jahren 1217 und 1227. Beide
Male predigte vorher der Kolnische Geistliche Oliver, der spatere
*) Worp. Ill, 28 = Gesta abbatum orti Sancte Marie ed. Wy brands,
Leeuwarden 1879, vita Sibrandi cap. VII— XI, p. 155—160.
*) Emo p. 500—508, Emmius p. 133.
a) Emo p. 495 und 608.
*) Emmius hist. p. 129 und 133.
8) Emo p. 509-511.
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— 338 —
Bischof von Paderborn, in Friesland das Kreuz. Fur "die Dar-
stellung des ersten Zuges stand Emo, neben seiner eigenen Kunde
uber die Vorbereitungen zur Fahrt, das Itinerarium eines der
friesischen Kreuzfahrer zur Verfiigung, welches die Hinreise
bis zur Ankunft vor Accon beschreibt. Emo hat dasselbe im
Wortlaute seiner Chronik eingefugt1). Emmius schliesst sich
hier durchaus an diese schatzenswerten Nachrichten an. Nach-
dem er2) im Anschluss an Emo3) von Olivers Kreuzpredigt ge-
sprochen hat, l&sst er4), einige notwendige Kiirzungen ab-
gerechnet, eine recht genaue Wiedergabe des Itinerariums folgen.
Fiir den weiteren Verlauf des Zuges fehlt es Emo an genauerer
Nachricht, hier findet Emmius dann einen zuverl&ssigen Fuhrer
an eben jenem Kreuzprediger Oliver, der als Teilnehmer des
Zuges die Belagerung und Eroberung von Damiette beschrieben
hat und hier der Thaten der Friesen in ehrenvoller Weise ge-
denkt5). Beim zweiten Zuge beschranken sich die Nachrichten,
welche unserm Chronisten zuganglich sind, auf die Vorberei-
tungen, an denen er selbst th&tigen Anteil genommen hat, sowie
auf die Abreise6). Auch Emmius ist hier lediglich auf diese
Nachrichten angewiesen, die er in getreuer Wiedergabe fur
seine Darstellung verwertet7).
Noch ein drittes Mai muss der Abt von Floridus hortus
von einer Kreuzfahrt berichten. Hier handelt es sich um eine
traurige Karikatur jener von frommem Eifer getragenen Ztige
ins heilige Land. Als es im Jahre 1234 den Ranken eines
herrschsiichtigen Kirchenfursten gelungen war, die p&pstliche
Approbation zu einem Afterkreuzzug wider ein freies Volk, das
1) Emo p. 478-483.
2) Emmius hist. p. 118.
8) Emo p. 473.
*) Emmius hist. p. 118-121.
5) Historia Damiatina (Eccardi corpus hist, medii aevi II); Em. hist,
p. 121— 127 berichtet im Anschluss an cap. 8, 11 u. 14. Ueber das Verhaltnis
von Em. hist, zu Olivers hist. Damiatina vgl. Matthias v. Wicht in der
Vorrede zum Ostfr. Predigerdenkmal von Reershemius (I. Aufl., Aurich 1765)
p. 13— 28; ebendort sind auch p. 24— 29 in den Anmerkungen zur Illustrierung
der Benutzung Olivers durch Emmius einige charakteristische Stellen aus
beiden wiedergegeben.
fl) Emo p. 499—500 u. 511.
7) Em. hist. p. 132 u. 135.
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— 339 —
sich seiner weltlichen Herrschaft widersetzte, zu gewinnen, da
wagte man es auch, den Friesen zum Zuge gegen ihre Stammes-
briider die Stedinger das „Kreuza zu predigen. Die Sendlinge des
Bremer Erzbischofs fanden in Friesland die ihnen gebiihrende
Nichtachtung; Emo selbst erz&hlt offenbar nicht ohne Genug-
thuung von ihrer Aufnahme und ihrem Misserfolge x). Emmius
schliesst sich hier seinen Darlegungen an2), wahrend er fair die
Ausfiihrung und den Erfolg des Zuges neben dem verhaltnis-
m&ssig kurzen Berichte Emos die Darstellung bei Krantz zu
Grunde legt8).
Die Grunds&tze fiir die Benutzung der Fortsetzung der
Wittewierumer Chronik durch Menco sind bei Emmius wesent-
lich dieselben wie bei dem ersten Teile. Emmius hebt von
Menco riihmend hervor: ncui multa in annalibus annotata debe-
wu5tf.4) Dass er die ausfuhrliche Lebensbeschreibung Emos5)
ebenso wie die inneren Vorg&nge im Kloster6) unbeachtet lasst,
entspricht der Benutzungsweise, die wir schon bei dem ersten
Teile kennen lernten. Wo er derartige Nachrichten uberhaupt
bringt, ktirzt er bedeutend, so bei dem Berichte iiber die Ein-
weihung der Kirche zu Wittewierum7); ebenso verfahrt er auch
bei der Flut von 1248 8). Im tibrigen aber iibernimmt er
die meisten der auf einheimische Verhaltnisse gehenden Nach-
richten Mencos ohne Ab&nderungen, so u. a. die Kreuzpredigt
in Friesland durch Wilibrand und Albert von Riga (Menco p. 540,
Em. hist. p. 148), die Anteilnahme der Friesen an der Belage-
rung von Aachen 1248 (Menco p. 541 — 542, Em. hist. p. 148—49),
x) Emo p. 515, 516. „Usi sunt auctoritate ligandi et solvendi quasi gladio
in manu furentis."
«) Em. hist. p. 145.
») vgl. p. 37.
*) Em. hist. p. 164; ausserdem wird Menco erwahnt p. 152 und 170;
p. 154 beklagt sich Emmius, ohne ihn zu nennen, ahnlich wie p. 118, fiber
Emo wegen der Knappheit seiner Angaben iiber innere politische An-
gelegenheiten: „In quo rursum queri libet de annalium, quos monachi condide-
runt, brevitate praepostera, tarn concise, tarn obscure ista ad posterorum memoriam
pertinentia commemorantium".
8) Menco p.
523-
-534.
•) Menco p.
534 ff .
7) Menco p.
547,
Em.
hist.
P.
164.
8) Menco p.
542,
Em.
hist.
P.
160.
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— 340 —
Aufenthalt und Wirksamkeit des Kreuzpredigers Gerhard in
Norden 1267 (Menco p. 554, Em. hist. p. 165), die Teuerung des
Jahres 1272 (Menco p. 560, Em. hist. p. 170 f.).
Selbst wenn man dem scharfen Urteile Gelhorns1) fiber
den Chronisten beipflichten will, kommen doch die dort er-
wahnten Mangel fur uns wenig in Betracht. Einmal handelt
es sich bei den von Emmius ubernommenen Nachrichten in
der Regel um Augenzeugenberichte, fur die auch Gelhorn im
allgemeinen die Glaubwiirdigkeit zugiebt. Sodann aber hat
Emmius gerade an den Stellen, wo Gelhorn dem Menco Fehler
nachweist, durch seine Kiirzungen der Berichte dieselben, wenn
auch zum Teil unbewusst, vermieden. Bei der Abreise Ludwigs
des Heiligen nach Palastina 1248 thut Gelhorn die Unhaltbarkeit
von Mencos2) Behauptung dar, dass der Kaiser den Zug zu
hintertreiben gesucht habe. Emmius3), der hier bedeutend
kurzt, ubergeht unter anderen auch diese Bemerkung seines
Vorgangers. Ferner weist Gelhorn4) nach, dass Menco5) bei der
Wahl Wilhelms von Holland zum deutschen Konige die Be-
teiligung der Fiirsten und BischSfe zu Gunsten desselben als
eine zu grosse hinstellt. Emmius6) umgeht diese Schwierigkeit,
indem er nur bemerkt: ^Huic ... a principibus Germaniae im-
perium futt delatum* und zugleich den Gedanken an eine all-
gemeine Zustimmung zu dieser Wahl durch die Worte ab-
schwacht: nSueciae domus gratia nondum in animis principum
ei populorum iota evanuerat". Fur den Bericht vom Tode des
genannten Fiirsten dagegen weicht er erheblich von Menco ab,
indem er gerade die ftir jenen charakteristischen Ziige, namlich
dass der K6nig ohne Begleiter ist und von den Friesen, bevor
er erschlagen wird, erkannt ist, zu Gunsten des Worpschen
Berichtes unbeachtet lasst bezw. in das Gegenteil verkehrt. Im
tibrigen aber ist seine Benutzung der Berichte Mencos ebenso
umfassend wie sorgf<ig.
*) Gelhorn a. a. 0. p. 106.
a) Menco p. 542.
•) Emmius hist. p. 149.
*) Gelhorn a. a. 0. p. 96.
5) Menco p. 641.
•) Em. hist. p. 148.
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— 341 —
-i
§ 2. Sicke Benninge (Johann van Lemego).
Sicke Benninge gehort zu den Schriftstellern, auf welche
sich Emmius in seiner Historia am haufigsteit beruft. Wir
finden ihn gegen 40 mal zitiert, allerdings fast ausschliesslich
fur die Zeit vom Eingreifen Albrechts von Sachsen in die frie-
sischen Verhaltnisse bis zum Jahre 1525; immerhin Grund ge-
nug, um auch die Beschreibung anderer Zeitabschnitte durch
Sicke Benninge in ihrem Verhaltnis zu Emmius zu untersuchen.
Der Verfasser, ein Groninger Burger, Mitglied der Brauergilde
und spater Ratsherr seiner Vaterstadt, ward geboren um 1465
und starb nach 15301). Er schrieb eine Chronik von Groningen
und den Ommelanden, in der er zugleich die Verhaltnisse in
den anderen friesischen Gebietsteilen nach Moglichkeit beriick-
sichtigt. Das Werk zerfallt in drei Teile: voran steht, von
Sicke selbst zusammengestellt, ein Ueberblick liber die Ge-
schichte der friesischen Urzeit bis auf die Eroberung Aachens
unter Wilhelm von Holland 1248. Als zweiter Teil folgt die
Groninger Chronik von Johann v. Lemego, dieselbe reicht bis
zum Jahre 1478. Benninge fand sie vor und reihte sie seinem
Werke mit einigen Abanderungen ein. Der letzte und wich-
tigste Teil endlich umfasst die Zeit von 1492—1527. Hier
schreibt Sicke Benninge als Augenzeuge und zum Teil als Mit-
handelnder die Geschichte seiner Zeit. Das Werk, von Sicke
als eine zusammenhangende Geschichtserzahlung von den Tagen
der Einwanderung der Friesen an bis auf seine Zeiten gedacht,
ist als Ganzes niemals gedruckt. Ein Teil des zweiten Buches
(Joh. v. Lemego) und der Traktat von den 7 Seelanden findet
sich abgedruckt in den „Veteris aevi analecta" von A. Matthaeus
(II. Aufl. Haag 1738 Bd. I. p. 67—85). Der mangelhafte Abdruck2)
liess eine kritische Ausgabe der beiden ersten Biicher wiinschens-
wert erscheinen, welche in den „Werken van het Historisch Ge-
nootschaptf zu Utrecht im Jahre 1887 erfolgt ist3), ed. Feith und
Blok. Vom dritten Buche besitzen wir einen Abdruck in den
„Analecta medii aevi", ed. Brouerius v. Nidek, Middelburg 1725.
*) Sicke Benninge ed. Feith und Blok, Inleiding p. XXII.
*) vgl.v.Richthofen, Untersuchungen uberFriesischeRechtsgesch.II.
p. 4 ff.
•) Auf diese Ausgabe beziehen sich die Zitate fiir das erste und
zweite Buch.
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— 342 —
Es liegt kein Grand vor, anzunehmen, dass Emmius das
erste Buch Sicke Benninges nicht gekannt habe1), die Be-
nutzung desselben lasst sicb aber nirgends nachweisen, und
die Art der in jenem Buche enthaltenen Nachrichten macht
die Nichtbeachtung vollauf erkl&rlich. Dass Emmius auf die
Herleitung der Friesen von Troja und auf die Geschichte ihrer
Einwanderung, von der Sicke Benninge mancherlei zu berichten
weiss, nicht eingeht, versteht sich bei seinem gesunden kriti-
schen Blick von selbst. Was Sicke ttber die Missioniening
Frieslands oder etwa fiber den Einfall der Normannen erzahlt,
tragt so wenig originale Farbung, dass Emmius diese Nachrichten,
soweit sie tiberhaupt der Wahrheit entsprechen, viel besser aus
anderen Quellen schflpfen konnte. Auch da, wo Sicke Benninge
eine ziemlich ausfuhrliche Darlegung giebt, wie etwa bei der
Beschreibung des Kreuzzuges der Friesen unter Innozenz III.2),
lagen Emmius in dem von Emo iiberlieferten Itinerarium3) und
in der „historia Damiatina" Olivers Quellen vor, welche sich mit
der ungenauen und mit fabelhaften Ziigen untermischten Er-
z&hlung Benninges nicht vergleichen lassen. Am deutlichsten
aber wird es an einer dem Sicke eigentiimlichen Stelle, dass
Emmius das erste Buch unberiicksichtigt gelassen hat. Es ist
die Rede vom Zuge Wilhelms von Holland gegen Aachen 12484)
Emmius stand hier ausser dem Berichte Mencos5) auch derjenige
Sicke Benninges zur Verfiigung. Aber Sicke setzt hier zu dem
Namen des vor Aachen gefallenen friesischen Fahnentragers
hinzu „uut Vreesland bij Groningen". Es ist anzunehmen, dass
Sicke Benninge diesen Hinweis hinzugefugt hat, um seinem
Werke auch in dieser Periode, wo von Groningen noch wenig
die Rede sein kann, den Charakter einer Groninger Chronik
zu wahren6). So kann man denn Emmius nur zustimmen,
wenn er diesen Zusatz mit Stillschweigen iibergeht.
*) Die Thatsache, dass Emmius von Benninges Enkel, Hermann
Wifering, das Original der Chronik erhalten hatte (vgl. die Vorrede zur
3ten Dekade), spricht fur seine Bekanntschaft mit alien Teilen des Werkes
*) Sicke Benninge p. 22 ff.
•) Mon. Germ. XXIII, S. 478 ff., vgl. auch § 1 dieses Kapitels.
*) S. Benninge p. 29.
5) Mon. Germ. XXIII, S. Ml f.
•) S. Benninge p. 29, Anmerkung 1.
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— 343 —
Der zweite Teil der Sicke Benningeschen Chronik hat
Emmius grflsstenteils in doppelter Rezension vorgelegen. Die
Chronik Johann van Lemegos, welche den wesentlichen Teil
dieser Chronik ausmacht, ist gegenw&rtig nur noch in ihrer
von Benninge rezipierten Form bekannt. Blok spricht sich
hiertiber in seiner Einleitung zur Utrechter Ausgabe wie folgt
aus1): „Het geschrift van den eerzamen van Lemego, zoo als
het uit zijne eigene handen is gekomen, is waarschijnlijk niet
meer voorhanden. De mss., die als „kroniek van de Lemmegea
in enkele bibliotheken afzonderlijk voorkomen, zijn steeds meer
of minder volledige reproduction van het tweede boek van
Benninge, waarin men al vroeg iets afzonderlijks meende te
moeten zien. Zulke afschriften bestonden reeds in den tijd
van Emmius, onder wiens papieren extracten daaruit ge-
vonden worden". Abgesehen davon, dass es sich in dem fiir
die letzte Thatsache angefuhrten speziellen Falle gar nicht um
ein Manuskript von Emmius handelt2), hat Emmius in der
That die Chronik von Johann v. Lemego noch in der ursprting-
lichen Fassung vorgelegen, wobei ihm naturlich die rezipierte
Form aus Sicke Benninge auch bekannt war. Unter den
Emmiushandschriften der Groninger Universitatsbibliothek findet
sich ein Chronikauszug mit der Ueberschrift: ^Rerum Groningen-
sium commentorii breves, memoriae causa excerpti e vetusto ac pene
attrito codice manuscripto. Anno 1589 Ubbo Emmen". Die Nach-
richten beginnen mit dem Bau der Groninger Stadtmauer 1110
und endigen mit den 1525 wegen der Accise in Groningen
ausgebrochenen Unruhen. Der erste Teil dieses Auszuges zeigt
in der Aufeinanderfolge wie in der Eigenart der Berichte
Uebereinstimmung mit dem zweiten Buche Sicke Benninges
bezw. mit Johann van Lemego. Die lateinischen Ausziige
*) Sicke Benninge, Inleiding p. XVI und XVII.
*) Das a. a. 0. p. XVI, Anm. 1, erwahnte Manuskript befindet sich
seit dem 1888 erfolgten Tode des friiheren Besitzers, des Notars Koning
zu Wedde, auf dem Rcichsarchiv in Groningen. Der Befund der Hand-
schrift ergiebt, wie mir Herr Reichsarchivar Feith in Groningen gutigst
mitteilte, dass es sich hier uberhaupt nicht um ein Manuskript von
Emmius handelt. Wahrscheinlich um ein solches von dem Groninger
Historiker Johann Rengers van ten Post (vgl. § 9). Das Vorhandensein
derartiger Handschriften in rezipierter Form zu Emmius Zeit bleibt damit
bestehen, wahrend die Abzweckung auf Emmius naturlich fortf&llt.
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- 344 -
lassen natiirlich eine Feststellung der Identitat bis ins Ein^
zelne nicht zu, doch bringt Emmius eine ganze Anzahl wirk-
licher Zitate, welche uns das Verhaltnis dieser nRerum Groningen-
siutn commentarii* zu Sicke Benninge auch bis auf den Wortlaut
hin kontrollieren lassen, so z. B.:
Sicke Benninge p. 46. Manuskript des Emmius.
Elide de Ommelandesclien Vresen reden und die Ommelandische Friestn reden
in ende uut der stadt, dat deden sij uth und in der Stadt woll 6 yar lang
wed VI jaer lank. Ende slogen otn und slogen suck under mclkandtrtn
onder sick doet de borgers unde de vele doet und ock vele unser borgtn
Vresen ende daer uaert geen stadt- und anders guede luide und deer trai
recht van gedaen. geen meher Stadtrecht van, und dai
bleff also.
Die Uebereinstimmung zwischen beiden Berichten ist un-
verkennbar, doch tritt eine gewisse Differenz beider, nicht nur
in der sprachlichen Auspr&gung, bereits hier hervor. Der Zu-
satz: „ und datt bleff also" , fehlt bei Sicke Benninge ganz. Die
nachste Verwandschaft zeigen die Emmius'schen Lesarten mit
dem in der Benninge- Ausgabe von Feith mit „Ba bezeichneten
Codex, einer der altesten Handschriften von Sicke Benninge1).
So hat Emmius in seinen Exzerpten fiir die im Jahre 1417 von
den Groningern gelieferte Schlacht die richtige Ortsbezeichnung:
„Oxwerdersijla statt „AwerdersijlU2), eine Lesart, die mit
Emmius die Codices B und W gemein haben3), ebenso hat er
filr den Sieg der Groninger bei Hindelopen im Jahre 1420 mit
B und W4) statt „Pancraciia : „Pontiania. Am meisten aber tritt
die Verwandtschaft zwischen dem Emmius'schen Texte und
Codex B hervor bei der Erzahlung von der Eroberung der Burg
Junker Heinrichs von Selwerd:
Sicke Benninge p. 78. Manuskript des Emmius.
(Es ist vorher berichtet, wie der . . . und oeren lichaam sind begrauen
Kommandant mit seinen Leuten to den Jacopinen in de ummegang
enthauptet wird.) . . . ende hoer daer men oer gebeente noch w»
licliamen sijn all begraven to den korte tyden gevunden hefft in de
Jacopinen in den ommeganck, dar noerdtivester sydt des utnmegangs in
men hoer gebeente noch heft gevonden de HoYne daer mester Berent van
1) vgl. Sicke Benninge : Inleiding p. XXXIV
2) S. Benninge p. 73.
•) S. Benninge p. 73, Anm. e.
*) S. Benninge p. 75, Anm. m.
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in corten tijden, in der nortwester- Dtdmen provincial und Prior van
zijde des ommeganges vorss. in der Jacopinen tvulde laten maken tin
hoernen, doer meister Bernt Dtdman, privatt tho sine Canier.
ten prior to Jacopinen, wolde maken
laten etn prijvaet to sijnen kameren.
Die Hauptdifferenz beider Berichte liegt im Namen und
Titel des erw&hnten Priors, und gerade hier zeigt B wieder
eine merkwiirdige Uebereinstimmung mit der Emmius'schen
Lesart. Codex B hat hier gleichfalls *) sowohl den Namen
in der Form Berent van Dulmen2) iiberliefert, als auch den
Titel „provinziala hinzugefugt. Nach alledem konnte man an-
nehmen, dass wir es in der von Emmius benutzten Chronik
mit einer Cod. B nahe verwandten Handschrift der Lemegoschen
Chronik in Benninge'scher Rezension zu thun haben. Nun be-
merkt aber Emmius in seinem Manuskripte zu der Nachricht
von dem oben erwahnten Siege der Groninger bei Hindelopen
1420, den sein Text auf den St. Pontianustag setzt: nAlia ex-
emplaria, ut Sicconis Beninga, habent die S. Pancratii, id est
12 Maii*. Dass Emmius sich hier auf die Originalhandschrift
Benninges3) im Gegensatz zu etwaigen Abschriften bezogen
habe, ist nicht anzunehmen, da er ja dem Originale gegeniiber
Varianten nicht zu notieren brauchte. Es steht demnach hier
Sicke Benninge dem Emmius'schen Chroniktexte selbst&ndig
gegeniiber, und von da aus ergiebt sich dann unmittelbar die
Annahme, dass Emmius in seinen vRer. Gron. commentarii
breves" den ursprtinglichen Text Johann v. Lemegos vor sich
gehabt habe. Eine Anzahl anderer Beobachtungen am Emmius-
schen Texte sind durchaus geeignet, diese Annahme zu stutzen.
Eine Differenz von dem Sicke Benninge'schen Text, welche gleich-
falls nach diesem erg&nzt wird, weist der Bericht liber den
Zug des Eppe v. Nittersum gegen die AnhSLnger Alberts von Baiern
im Jahre 1398 auf. Ein Kommandant Alberts, Peter Reiners,
halt im Namen seines Herrn die Burg zu Aldersum (Oldersum)
bei ten Post besetzt, und diese wird dann von Eppe und seinen
Leuten erobert. Emmius, der in seiner Chronik eine Angabe
*) S. Benninge p. 78, Anm. j.
*) Diese Fassung des Namens ist auch urkundlich iiberliefert, vgl.
Sicke Benninge, Inleiding p. Vm.
•) Dieselbe lag ihm nach seiner Vorrede zur Historia von 1599 vor.
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• 346 —
liber die Herkunft von Peter Reiners nicht gefunden hat, setzt
hinzu: „Hunc Petrum Hollandum fuisse alia Chronica Gron. perhi-
bent". Wahrscheinlich zitiert er auch hier wieder nach Sicke
Benninge1).
Der Text der ^Rer. Gron.com. brev.u zeigt aber auch origi-
nate Nachrichten iiber die Benninge'sche Rezension hinaus. So
wird bei Sicke Benninge iiber die Belagerung von Groningen
durch den Utrechter Bischof Friedrich von Blankenheim be-
merkt, dieselbe habe drei Wochen lang gedauert2). Nach dem
Berichte tiber das Schicksal der beiden vornehmen Gefangenen
Johann ten Hove und Folker Marissinge geht Sicke Benninge
dann auf die Belagerung nicht wieder weiter ein. Emmius
findet hier noch die Nachricht angefiigt, der Bischof habe nach
3 Wochen die Belagerung aufgeben mtissen und zwar: vdie
translations St. Marci*. Den besten Beweis aber fiir die Selb-
standigkeit des Emmius'schen Textes bietet der Umstand, dass
in diesem die einzelnen Erzahlungen eigene Ueberschriften ge-
habt haben, von denen Emmius einzelne in seinen Auszug
heriibergenommen hat, so: ^van Cortinge Huiss und Selwerder
Huiss", eine Ueberschrift, die man bei Sicke Benninge (p. 76)
vergeblich sucht. Zum Teil sind diese Ueberschriften bei
Benninge in den Text iibergegangen, wahrend sich einige von
ihnen im Codex B ihre Stellung als Ueberschriften gewahrt
haben3). Es leuchtet aber ein, dass wir da, wo diese Ueber-
schriften in grosserer Anzahl erhalten sind, eben im Manus-
kripte des Emmius, der urspriinglichen Chronik Johann van
Lemegos am nftchsten stehen.
Somit ergiebt sich uns Folgendes: Emmius hat Johann
van Lemego und Sicke Benninge neben einander benutzt. Der
verlorene Text Johann van Lemegos ist uns zum Teil in dem
Auszuge von Emmius erhalten, und zeigt unter den bekannten
Benningehandschriften die grosste Aehnlichkeit mit Codex B.
Man kann vielleicht bedauern, dass die so erhaltenen Bruch-
stucke Johann van Lemegos in der Feith'schen Ausgabe keine
Berticksichtigung gefunden haben, zumal dem Herausgeber
l) S. Benninge p. 52.
*) S. Benninge p. 57.
8) S. Benninge p. 78, Anm. 1.
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— 347 —
nicht nur die Handschrift des Emmius selbst, sondern auch
ihre Verwandtschaft mit dem originalen Johann van Lemego
bekannt gewesen zu sein scheint1).
Die Erz&hlung in den ^Rer. Gron. com." nach Johann van
Lemego reicht bis zu der Beschreibung des Groninger Stadt-
wappens und dem sich daran anschliessenden Ausblick auf
das Verh<nis zwischen Groningen und Utrecht2), genau so
weit, wie das in den »Veteris aevi analecta" verSffentlichte
Sttick der Sicke Benninge'schen Chronik3). So fehlen nicht
nur die erst von Benninge hinzugefugten Urkundenabschriften4),
sondern auch die Berichte uber die darauf folgenden spateren
Groninger Ereignisse. Die Commentare, aus denen Emmius
exzerpiert hat, sind zwar noch bis zum Jahre 1525 weiter-
gefdhrt, doch entstammen diese Nachrichten einer anderen
Quelle, deren Inhalt wir weiter unten zu besprechen haben
werden.
Emmius hat die Chronik des Johann v. Lemego bezw.
das zweite Buch Sicke Benninges nicht ohne eine gewisse
Zuriickhaltung benutzt. Bei den Nachrichten der alteren Zeit
zumal, der Lemego ja auch recht fern stand, haben Emmius,
wo er mit den in unserer Quelle gegebenen Berichten zusammen-
trifft, sichtlich auch andere Quellen vorgelegen. Gleich die erste
Nachricht von der Errichtung einer Groninger Stadtmauer im
Jahre 11105) giebt Emmius6), wennschon er hier materiell mit
Lemego ubereinstimmt, in einer erweiterten Form, die deutlich
auf andere Quellen schliessen lasst. In seinen Kollektaneen
verweist er an dieser Stelle auf Martin von Ylst (Ijlst).7) Aehn-
lich steht es um die Nachricht von der Besetzung und Er-
oberung der Walpurgiskirche in Groningen im Jahre 1193.
Wenngleich hier8) die angegebenen Namen, wie auch der Gang
der Ereignisse mit Lemego9) ubereinstimmen, so sind in die
*) S. Benninge, Inleiding p. XVII und XVm*
f) S. Benninge p. 83.
8) Vet. aev. anal., Bd. I. p. 67—86.
*) S. Benninge p. 84—119.
5) S. Benninge p. 43.
a) Em. hist. p. 101.
7) Historia factionum sub anarchia., verschollenes Mpt.
•) Em. hist. p. 193.
•) S. Benninge p. 43.
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. a. vaterL Altertiimer za Em den, Bd. XV. 23
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— 348 —
Emmius'sche Darstellung doch Ztige verflochten, wie die an-
f&ngliche Abwesenheit und sp&tere Heimkehr des Utrechter
Bischofs, welche die Benutzung einer anderen Quelle zweifel-
los erscheinen lassen. Dass dem Emmius ftir diese Nachrichten
auch ein Bericht aus Occo von Scharrel vorgelegen hat, erhellt
aus einer handschriftlichen Notiz1); ausserdem bemerkt er ge-
legentlich zu diesen Ereignissen: nId prolixius in Chron. aliis*.
Es handelt sich hier wahrscheinlich urn eine der von Emmius
benutzten Groninger Chroniken, deren Identit&t sich gegen-
w&rtig nicht mehr mit Sicherheit feststellen l&sst. Dasselbe
ist der Fall bei dem Berichte des Emmius iiber die Be-
lagerung von Utrecht durch Wilhelm von Holland im Jahre
1345 2), wo nicht Lemego8), sondern die Utrechter Chronik
von Beka4) seine Hauptquelle gewesen ist.
Ein direkter Widerspruch zwischen Emmius und Lemego
tritt zu Tage bei der Schilderung des Krieges der Ommelander
Friesen gegen Groningen, der im Jahre 1338 seinen Abschluss
gefunden hat: Johann v. Lemego5) berichtet hier ausfuhrlich
von der Einnahme Groningens durch die Ommelander, von den
6 festen H&usern, welche sie innerhalb der Stadt zerstort haben
u. s. w. Emmius §) aber weiss auf Grand der Vertragsurkunde
zwischen Groningen und den Ommelanden von 1338 von einer
solchen Zerstorung nichts. Dagegen berichtet er von einer
Einnahme der Stadt durch die Ommelander unter Vorbehalt,
doch schliesst er sich auch hier nicht an Lemego bezw.
Sicke Benninge an, sondern an den Bericht einer anderen Gro-
ninger Quelle, die er in seinen Kollektaneen zitiert. Nach
dieser Lesart wird die Stadt eingenommen und es werden
66 Burger hingerichtet; von den erwahnten Zerstorungen ist
auch hier nicht die Rede. Diese Nachricht Lemegos wird viel-
*) In der Ausgabe von 1597, Fol. 27, findet sich ein solcher nicht,
doch muss er, nach Emmius Notiz zu urteilen, in der ihm vorliegenden
Hand8chrift vor der ebendort berichteten Stiftung des Klosters Ludinge-
kerk gestanden haben.
») Em. hist. p. 201.
•) S. Benninge p. 48.
4) ed. Buchelius, Utrecht 1643, p. 118.
8) S. Benninge p. 45 f.
•) Em. hist. p. 198.
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— 349 —
mehr auf einer Verwechselung mit den in der Urkunde an*
gegebenen Bedingungen beruhen.
Bei einem anderen Versehen Johann v. Lemegos ist Emmius
ebenfalls im stande, an der Hand eines urkundlichen Beleges
zu korrigieren. Lemego1) berichtet die Namen der ostfriesischen
H&uptlinge, welche 1398 mit Albert von Baiern ein Bundnis
abschliessen bezw. sich in seinen Schutz begeben, er nennt
hier: „heer Ocko van den Brooke ridder ende sijne sone Kene
van dem Brooke ende sijn bastertzoen Wietselt". Emmius
aber weiss nicht nur, dass um jene Zeit der Ritter Ocko ten Brok
bereits gestorben war, sondern er ist2) auch an der Hand der
iiber jenen Vorgang aufgenommenen Urkunde, die er gleich-
falls mitteilt, in der Lage, die richtigen Namen, nslmlich die-
jenigen des Bastards Widzeld und Folkmar Allenas an die
Stelle der angegebenen zu setzen. Ein anderes Mai zeigt
Emmius sein kritisches Urteil bei der von Lemego3) berichteten
Eroberung Groningens durch die Bewohner von Drente im
Jahre 1426. Der Herausgeber Sicke Benninges hat (p,122,Anm.l)
die Unglaubwiirdigkeit dieser Angabe hinreichend dargethan; ob
fiir Emmius diese oder andere Grande gegen die Uebernahme
der betreffenden Nachricht gesprochen haben mSgen, ist natiir-
lich nicht festzustellen, jedenfalls macht es aber seiner Urteils-
kraft alle Ehre, dass er dieses ganze von Lemego berichtete
Ereignis in seine Historia nicht aufgenommen hat.
Wo nicht besondere Bedenken vorliegen, gilt bei Emmius
die Lemego'sche Chronik fiir die Groninger und ommel&ndischen
Ereignisse des 15ten Jahrhunderts durchweg als gute Quelle, und
die wichtigen Berichte dieser Art bei Lemego sind von Emmius
tiberaommen. Die Beschreibung der Belagerung der Onsta'schen
Burg durch die Groninger im Jahre 1400* ) weist deutliche Be-
ziehungen zu unserer Chronik auf6), so bei den Angaben iiber
die GrOssenverMltnisse der Burg, iiber ihre 5 Tiirme etc. Bei
der Darstellung der Belagerung scheint der Bericht zwar
wesentlich gekiirzt, ebenso fehlt die nahere Angabe Lemegos,
*) S. Benninge p. 60.
») Em. hist. p. 231.
») S. Benninge p. 122.
4) Em. hist. p. 239.
*) S. Benninge p. 55 f.
23*
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dass der gefangene Aepco auf der Boteringepoort zu Groningen
intemiert gewesen sei. Immerhin bleiben aber doch die Be-
ziehungen zu Lemego deutlich genug, zumal im Vergleich zu
dem verhaltnism&ssig farblosen Berichte bei Worp v. Thabor1).
Eine Ungenauigkeit l&sst Emmius sich bei dieser Erz&hlung in-
sofern zu Schulden kommen, als er den Fiihrer der Groninger,
Albert Wigbold, als ^consul oppidanus* bezeichnet. Emmius er-
g&nzt dies aus seinen allgemeinen Kenntnissen der Groninger
Verh<nisse. Nun hat aber der Genannte nach Emmius1 eigenem
Groninger Magistratskatalog dieses Amt erst 1403 bekleidet, die
damalige Fiihrerstellung verdankte er also seinem sonstigen Ein-
flusse, was Lemego ganz richtig ausdriickt: „<fe doer meest een
regient van was*. Trotzdem hat doch Emmius auch diese Be-
merkung seiner Vorlage, der noch die Worte: »ende seer man-
lick was* hinzugefiigt sind, nicht ungenutzt gelassen. Emmius
sagt vielmehr iiber Wigbold: ^cuius magna erat auctoritas, ae
peritiae rei militaris opinio apud vulgum*. Dieses Beispiel mag
zugleich zeigen, wie auch oft scheinbar nebens&chliche Be-
merkungen bei Emmius eines quellenm&ssigen Riickhaltes nicht
entbehren. Emmius schmiickt diese zwar gelegentlich etwas
aus, und vor alien Dingen, er entwickelt die Begriffe und die
gegebenen Hinweise, aber durchaus sinngem&ss und niemals
ohne Hinblick auf seine Quellen.
Dasselbe Verh<nis zeigt sich beim Berichte iiber die Er-
oberung ommelandischer Burgen durch die Groninger im Jahre
1401. Nach Lemego2) stehen die Burgen der beiden Onstas so:
„Dat ene huues dat stond aent wester ende der kercken ende dot
andere stond toe der oestersijt van der kercken*, Emmius8) berichtet:
^quae domicilia utrimque iuxta fanum oppidi sita*. Beim Sturm
auf die Ripperda'sche Burg zu Farmsum wird diese von 500
Seeraubern verteidigt: »ende slogen doer doel 16 borgers uut der
staedt ende voele Vresen*. Emmius sagt: ^repente erumpentes
non multos Groningensium, plurimos veto rusticorum occiderunt* .
Gleichfalls durch Emmius iibernomraen sind u. a. die Namen der
Anhanger von Koppen Jarges, deren Burgen nach seiner Ver-
treibung zerstort wurden: Sicke Benninge p. 71, 72, Em. hist.
*) Worp. v. Thabor IV. p. 3.
*) S. Benninge p. 60.
*) Em. hist. p. 240.
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p. 263; die 1437 in Groningen erfolgte Hinrichtung eines Falsch-
mfinzers: S. Benninge p. 126, Em. hist. p. 341, obschon hier die
der Freilassung eines Bruders des Gerichteten hinzugeftigten
Worte: nqui ob aetatem tninore in culpa esse videbatur" darauf
schliessen lassen, dass dem Emmius nebenher auch noch eine
andere Groninger Quelle fur dieses Ereignis vorgelegen hat.
Weiter tritt Lemego als Quelle hervor bei dem 1459 be-
gonnenen und 1460 vollendeten Mauerbau in Groningen: S.
Benninge p. 131, Em. hist. p. 384; vgl. ferner noch S. Benninge
p. 141, Em. hist. p. 395, Brauverbot fiir die Omraelande; S. Benninge
p. 144, Em. hist. p. 396, Einsturz und Wiederaufbau des St.
Martinsturmes ; S. Benninge p. 144/45 ; Em. hist. p. 396, Reform-
versuch des Minoriten Heinrich Stuermann etc.
Danach erhellt zur Geniige, wie Emmius die Lemego'sche
bezw. Benninge'sche Chronik als Quelle fur Groninger Ereignisse
zu sch&tzen gewusst hat. Dass er dagegen den hier gegebenen
Berichten fiber auswartige Ereignisse in der Regel nicht folgt,
ist nur natiirlich, obwohl er auch hier die Angaben der Chronik
nicht unbeachtet l&sst. So erwahnt er bei der Belehnung des
Grafen Ulrich I. von Ostfriesland1), fiir die selbstverstandlich
im iibrigen die Groninger Chronik seine Quelle nicht sein konnte,
doch die hier iiberlieferten Angaben2), Graf Ulrich habe an
Kosten fiir die Gesandtschaft und die Belehnung 18,000 Gulden
zahlen mtissen, wenngleich er, was wiederum fiir seine Ge5-
schichtsauffassung charakteristisch ist, die weitere Notiz:
ndaerumme scattede greve Ulrich al sijn umlanden" weglasst. Im
Grossen und Ganzen aber ist die Benutzung der Chronik durch
Emmius derart, dass er die Berichte kiirzt, um den wesent-
lichen Gang der Ereignisse ans Licht zu stellen, wahrend er
die in jenen Berichten bemerkten Einzelheiten von lokaler Be-
deutung manchmal fortlasst.
Die zusammenhangende Geschichtsdarstellung des 3ten
Teiles der Chronik von Sicke Benninge8) beginnt mit dem Jahre
1492 und reicht bis 1527, wahrend in den besten Handschriften
') Em. hist. p. 390.
») S. Benninge p. 133.
•) ed. Brou§rius v. Nidek 1728; hierauf sind auch die folgenden
Zitate zu beziehen.
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die Erzahlung noch urn einige Jahre weitergeftthrt ist1). Die
Benutzung durch Emmius aber l&sst sich nur bis zum Jahre
1525 nachweisen2). Diesem Buche, in dem er die Geschichte
seiner eigenen Zeit darstellt, hat Sicke Benninge als Einleitung
eine Anzahl Notizen vorangestellt, welche er mtindlichen Mit-
teilungen seines Grossvaters entnommen hat. Er geht hier
von Focke Ukena aus und giebt von dort an in ein paar
Strichen Ausblicke auf die Groninger Ereignisse bis zum Be-
ginne seiner Erzahlung. Dass Emmius auch diese Einleitung
nicht unberttcksichtigt gelassen hat, zeigt seine Bemerkung1),
dass der Streit der Groninger mit Mtinster bezw. dem H&uptling
von Westerwold im Jahre 1478 wegen Bellingwolde und Blyham
entstanden sei4). Emmius setzt dem sogar in der Historia die
Quellenangabe hinzu: n8icco Benninga in suis return Groningen-
siutn Cotntnentariis" . Fiir die ganze Reihe der von 1492 — 1525
berichteten Ereignisse gilt bei Emmius Sicke Benninge, wo es
sich um Groninger und ommelandische Dinge handelt, durchweg
als gute Quelle5). In Zweifelsfallen gilt er als schwerwiegen-
der Zeuge, und eine betrachtliche Anzahl seiner Berichte ist
einfach Zug um Zug in die Historia iibernommen, so z. B. Em.
hist. p. 783 die Reise der Groninger Abgeordneten zur Hochzeit
des Herzogs von Geldern im Jahre 1519 6); Em. hist. p. 785 f.
die Ermordung der Gaickingas nach dem Gastmahle im Kloster
Aduard 1520 7) u. a. Als Beispiel, wie Emmius in derartigen
Fallen Sicke Benninge benutzt, mag uns ein Bericht dienen,
den Sicke iiber die Streifereien der im Kloster Aduard lagernden
Sachsen gegen Groningen im Jahre 1504 giebt. Sicke Benninge
setzt den Bericht zwar f&lschlich ins Jahr 1505, worin ihn
Emmius korrigiert, wie er dies bei der oft schwankenden
*) S. Benninge ed. Feith. Inleiding p. VL
*) Das Exemplar des Emmius scheint auch nur bis hierher gereicht
zu haben, da er hist. p. 835 zum Jahre 1525 bemerkt: Hactenus Sicco qui
cum hac narratione terminat commentaries suos.
») Em. hist. p. 417.
*) S. Benninge p. 12.
*) Auf die an einigen Stellen fast wortliche Uebereinstimmung
zwischen Emmius und S. Benninge verweist bereits Zuidema, Wilhelmus
Frederici, Groningen 1888, z. B. p. 93, Anm. 2; p. 97, Anm. 1 u. 6.
•) S. Benninge p. 319.
7) S. Benninge p. 321.
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— 353 —
Chronologie Benninges auch sonst zu thun Gelegenheit hat1),
im librigen aber giebt er als Augenzeuge oder doch jedenfalls
Zeitgenosse jener Vorgange ein glaubwiirdiges Bild:
Sicke Benninge p. 67. Em. hist. p. 622.
. . . en 8oo quamen se uyt Aduart . . . pridie Pentecostes (qui dies erat
op Finxter avont, mit een vaentken VIII. (Mend. Maij) pracdandi causa
omtrent hondert knecltien omtrent castris egressi ad ipsa pent urbis
vesper tydt daeges, en brande doer een tnoenia se intuXerunt media luce, ibique
tichdtcarck by Donghorn, en der aedificium longum coquendis lateribus
Gronningen knechten, en voele van de structum ad Hunesum flumen, ubi id
Borgeren was buiten den poorten, op in unguium se flectere incipit, in-
den hoenwegh en wolden em niet cenderunt spectantibus, sed prohibere
naer so dot se doer geen weer voor non ausis oppidanis: sclopetis tamen
deeden, men daer liepen uyt botteringe certatum in eos a nonnullis rib altero
poorte an den oostersyde van de diepe fluminis latere, qui Botterana porta
welcke knechten, en Qronninger schutten excurrerant, torpentibus qui majore
onder den Dyck op des diepes wall, numero impediendis injuriis amnica
tn daer wort eenen van den Sassischen exierant mUites pariter et cives.
geschooten mit eener busse doodt van
den peerde, en dot deede en smidt de wan een schutte in Gronningen, en soo wordt
daer et weder dootgeschooten was, een schutter so voornoemt in Gronningen etc.
Eramius zeigt hier der etwas weitschweifigen Erzahlung Ben-
ninges gegentiber eine grossere Knappheit und Deutlichkeit.
Durch seine Ortskenntnis klart er in Betreff der Lage der
Ziegelei die Situation auf. Den Fortschritt des Historikers
liber den Chronisten illustriert die Weglassung der Einzelheiten
tiber den Schmied etc. Wie hoch Emmius den Wert Sicke Ben-
ninges schatzt, mag ein Beispiel zeigen. wo er ihm sogar gegen
Eggerik Beninga Recht giebt, und zwar in einem Falle, wo
Eggerik selbst Augenzeuge war. Es handelt sich urn die Ueber-
gabe der Stadt Groningen in die Gewalt des Herzogs von
Geldern (1514), und zwar um die Frage, ob Graf Edzard die
Stadt vorher ihres Treueides gegen ihn entbunden habe oder
nicht. In dieser Frage widersprechen sich Eggerik und Sicke
direkt. Eggerik Beninga behauptet, der Graf habe die Stadt
ihres Eides nicht entlassen, er sagt ausdnicklich2): ^Deme is
Ait upgemelte van de vorlatinge des eedes gelykformich alles erdichteta.
Demgegeniiber aber behauptet Sicke Benninge3), der Graf habe
*) so z. B. Em. hist. p. 768.
*) Eg. Beninga p. 569.
') S. Benninge p, 259.
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zur Uebergabe der Stadt an den Herzog von Geldern seine Zu-
stimmung erteilt. Emmius *) schliesst sich hier durchaus der Fas-
sung Sickes an; dass Emmius dieselbe, wie Wiarda2) anzunehmen
scheint, an Urkunden aus dem Groninger Archiv geprtift habe,
ist wahrscheinlich genug und konnte auf die Zuverlassigkeit
Sickes und die Sorgfalt des Emmius helles Licht werfen. Be-
deutsam ist immerhin, dass uns der weitere Verlauf desselben
Ereignisses zeigt, wie Emmius den Sicke Benninge, wo es ihm
moglich ist, an der Hand von Urkunden kontrolliert und
notigenfalls seine Behauptungen richtig stellt. Sicke weiss zu
erzahlen, die Groninger hatten damals nicht allein dem Herzog
von Geldern, sondern auch dem Konige von Frankreich den
Eid der Treue geleistet. . . . nen hebben den Maerschalk van
wegen der Coninges Majesteit en des vursten van Geller huldinge,
plicht en Eedt gedaen op soodaene conditien en articulen als voor-
geroert sintu. Emmius bringt die Notiz, dass Sicke Benninge
und ein anderer Groninger Schriftsteller3) diese Nachricht
hatten, setzt aber hinzu: ^Sed ego ex tabulis actisque publicis
deprehendo, vim earn in re fuisse, sed invidiae causa verba huius-
modi apud vulgum consulto declinatau.
Emmius lasst Sicke Benninges Nachrichten iiber Groninger
Verhaltnisse eine durchaus gerechte Wertschatzung zu Teil
werden. Sicke muss uns als ein verst&ndiger Beobachter seiner
Zeit gelten, der, wo er sich kontrollieren lasst, in wesentlichen
Stticken seine Probe besteht 4) ; und man kann Emmius nui zu-
stimmen, wenn er auch solche Berichte Sickes ubernimmt, fur
die sich eine anderweitige Kontrolle nicht mehr beibringen
lasst. Was dagegen die aussergroningischen Ereignisse an-
belangt, die Sicke zwar als Zeitgenosse miterlebt hat, iiber die
er aber doch nur durch Horensagen unterrichtet ist, so steht
es hier weit schlechter mit ihm. Man kann nicht gerade
sagen, dass er hier durchweg falsch unterrichtet ist, er hat
gelegentlich auch hier den einen oder andern bemerkenswerten
Zug, der ihm gerade zu Ohren gekommen war, iiberliefert, im
l) Em. hist. p. 724.
') Wiarda, Ostfr. Gesch. II. p. 266. Anm. n.
•) Vielleicht ist hier Sybe Jarichs gemeint; Anal, medii aevi p. 459.
4) So stimrot er in der besprochenen Eidesangelegenheit mit Sybe
Jarichs uberein.
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Ganzen aber entbehren diese Berichte aus zweiter Hand durch-
aus der originalen Farbung, und sind oft eher geeignet, die
Tatsachen zu verwirren, als sie aufzuklaren; als historische
Quellen aber konnen sie unter keinen Umstanden in Betracht
kommen. Emmius hat dies denn auch sehr wohl erkannt, und
so viel Bedeutung er dem Augenzeugen Sicke Benninge bei-
misst, so wenig lasst er sich doch zu einer Ueberschatzung
der von ihm aufgezeichneten Geriichte etc. verleiten.
Trotzdem hat er sie auf der andern Seite nicht ganz un-
beachtet gelassen und versteht aus ihnen gelegentlich Ziige,
die zur Erklarung und Beleuchtung der jeweils in Betracht
kommenden Quellen dienen konnen, zu verwerten1). Ein Beleg
hierfiir ist die Behandlung des Sicke Benninge'schen Berichtes
liber die Entsetzung von Stickhausen im Jahre 1515. Es liegt
tiber dieses Ereignis ein ausfiihrlicher Bericht von Eggerik
Beninga vor2). Dieser erzahlt, wie Graf Edzard die Belagerung
von Stickhausen beginnt, weiss seine Heerfiihrer zu nennen
und von einem bereits um Ostern stattfindenden Gefechte
zwischen Edzards Leuten und einer aus der Festung hervor-
brechenden Abteilung zu berichten und lasst dann erst die
Entsetzung der Festung durch die Braunschweiger folgen. Sicke
Benninge3) berichtet dagegen einfach: ^De Brunswycschen hadden
noch Stickhuisen in, daer lach de Grave vor tnitter macht, omme
dat wedder in toe krygen, soo quemen de Brunswyckschen mit grooter
macht" etc. Auch den entscheidenden Kampf einer Abteilung
der Leute Edzards mit dem Entsatzheer stellt der Ostfriese
Beninga lebensvoller und anschaulicher dar. Sicke sagt:
. . . ^want des Graven volk was over een brugge getogen tegen de
Brunswycken en als de vianden den androngen en veUen toe em in,
so deeden se als de buuren plegen to doende en natnen de vlucht en
liepen nae de brugge". Eggerik Beninga4) : ^Graeve Edzard averst
hadde de meeste lueden by sick to Lengen, meende de Fursten schulden
daer her in kamen hebben, und eer he by de anderen vor Stickhuesen
kunde kamen, weren de anderen in de flucht gebracht, gestagen, und
de meestendeel in dat deep, daer se eene lose brugge tegen Deter en
!) so Em. hist. p. 706 und 718.
*) Eg. Beninga p. 684 ff.
•) S. Benninge p. 293.
*) Eg. Beninga p. 586.
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overgeslagenhadden,vordrunkenil. Emmius1) schliesst sichinder
Darstellung mit Recht durchaus an Eggerik Beninga an, nicht
nur was die vorhergehenden K&mpfe anlangt, sondern auch inBe-
ziehung auf die Schilderung der Schlacht. So sagt er uber den
Bruckentibergang in richtiger Erfassung der durch Eg. Beninga
angedeuteten Situation: ^Nam pontem non valida compage in usm
militiae huius impositum rivo, dum transire pr operant segue mutuo
urgent, ut in magno timore ac fuga fit, victum pondere laxant, simul-
que cum eo in subiectas aquas, tumente turn alveo et ripas egresso,
ruunt*. Dabei l&sst Emmius doch auch Sickes Bericht nicht
ganz unbenutzt, er verbindet eine von Eggerik Beninga vor-
her tiber die bei Detern gelagerten gr&flichen Volker gemachte
Bemerkung: ndaer nicht meer dan een venelen knechten und dot
Ampt van den Ohrt vorhandena, mit den Angaben Sickes: ,soo
dot de Grave grooten schaeden leet an syn teste buuren en mannen*
und sagt: „in his cohors militum exterorum fuit, caeteri indi-
genae e praefectura maxime Orthana, honestissimorum ordinum viria.
Ausserdem fiihrt er auch zu der von Eg. Beninga auf 600 ange-
gebenen Zahl der Gefallenen an : „ S. Beninga numerum duplicate —
Wie ungenau Sicke Benninge aber im Ganzen liber aus-
w&rtige Ereignisse unterrichtet ist, beweist unter andern sein
Bericht liber den Aufenthalt des Grafen Edzard und seines Sohnes
Ulrich am Hofe Kaiser Maximilians und Karls V. im Jahre 1517.
Bei Sicke Benninge2) findet sich daniber folgendes: ^men he hadde
daer gelaeten syn soone en welch van syn goede mans toe gysele
omme toe holden en toe vullen trecken dat geene, dat he voor den
Keyser hadde geloovet en angenoomen toe doende". Emmius dagegen
hat hier, wie er ja den Vorgang aus besserer Quelle (iberhaupt
weitlaufiger berichtet, die richtige Fassung; er sagt hiertiber8)
zuerst: ^filius TJlricus contubemio aulico eius honestissvnis conditio-
nibus expetitus", und sodann weiter: vDcinde reliquis expedites, fitio
optimae indolis et corporis pulcherrimi, annum iam agente XVIII,
cum comitatu perhonesto apud Carolum relicto, domum contendit*.
Der Sachverhalt, wie ihn Emmius berichtet, stimmt genau iiber-
ein mit dem betreffenden Passus der von Karl V. dem Grafen
l) Em. hist. p. 757.
s) S. Benninge p. 313.
•) Em. hist. p. 766.
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Edzard in dieser Angelegenheit ausgestellten Urkunde1). Von
einer Stellung von Geiseln ist ausserhalb des Sicke Benninge-
schen Berichtes nirgends die Rede.
Hierdurch aber ist Benninges Glaubwiirdigkeit fur die Gro-
ninger Ereignisse in keiner Weise erschttttert ; ausser der weit-
gehenden Benutzung der Chronik durch Emmius zeigen auch
eine Anzahl gelegentlicher Aeusserungen im Text der Historia,
wie hoch er Sicke Benninge als Quelle geschatzt hat. Emmius
nennt ihn: ^fidissimus scriptor" 2), „tnr optimus ac patriae amantissi-
tnu$us). Bei einer andern Gelegenheit bezeichnet er ihn als
nCum primis fidus et harum return gnarus autor*). Als er zum
Jahre 1506 ein Groninger Ereignis berichtet, fiber das Sicke
schweigt, halt er es sogar fur notig, hinzuzusetzen : ^quamquam
non memoret hoc Sicco Beninga, alioqui diligens scriptor*5).
§ 3. Sybe Jarichs.
Unter den zahlreichen Groninger Chroniken, die Emmius
zur Verffigung standen, muss sich auch die „Corte Chronycka
von Sybe Jarichs6) befunden haben. Mit Namen wird dieser
allerdings weder in der Historia noch in den Emmius'schen
Kollektaneen angeffihrt, doch lasst sich aus letzeren mit
Sicherheit nachweisen, dass die Chronik Emmius bekannt
gewesen ist. Es sind dort einige Notizen vorhanden, die
Emmius zwar mit verschieden lautenden Quellenangaben
bringt („Com. Gron.a, „Chron. Gron.a und „Chron. Gron. vulga-
tuma), die sich aber in ihrer Eigenart zum Teil mit Sicherheit
auf Sybe Jarichs zurfickffihren lassen. Die Verschiedenheit
der Quellenbezeichnung bei Emmius ist zugleich ein Beweis
dafiir, dass wir von diesen Bezeichnungen aus eine Uebersicht
fiber Art und Umfang seiner verschiedenen Groninger Quellen
nicht gewinnen kSnnen; dieselbe muss vielmehr von dem In-
*) vgl. dieselbe bei Brenneisen, Ostfr. Historie und Landesverfassung,
Tom. I. lib. IV. p. 136.
*) Em. hist. p. 611.
») p. 809.
4) p. 706.
8) p. 663.
•) ed, Brouerius v. Nidek, Analecta medii aevi 1725, p. 436-470,
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halte und der Eigenart der Nachrichten selbst aus orientiert
werden. Emmius bemerkt in seinen Kollektaneen zu der Nach-
richt von der Schlacht Focke Ukenas bei Hindelopen im Jake
1420 auf Grand der „Com. Gron" : ^cammissa est die 5. Pancratii*.
Wenngleich er diese Datierung in der Historia nicht mit in
Betracht zieht1), so wird ihm doch zu dieser Notiz die Da-
tierung bei Sybe Jarichs vorgelegen haben, dort heisst es2):
^Int jaer 1420 sloeghen die Qronningers eene slagh tegen die van
Herilopen op sinte Pancraes dag, daer bleven veele Vriesen doot ende
gevangen". Deutlicher ist die Abh&ngigkeit an einer anderen
Stelle der Kollektaneen, welche gleichfalls in der Historia selbst
eine Verwendung nicht gefunden hat. Es handelt sich hier um
einen abweichenden Bericht. Nach dem iibereinstimmenden
Zeugnis von Eg. Beninga und Sicke Benninge8), dem auch Em-
mius folgt4), ist Herzog Albrecht von Sachsen zu Emden auf der
alten Mtinze gestorben. Einen dieser Auffassung widersprechen-
den Bericht liber Albrechts Ende ftihrt nun Emmius in seinen
Kollektaneen an unter der Quellenangabe „Chron. Gron. vul-
gatum", derselbe zeigt in seiner abweichenden Fassung eine
vollige Uebereinstimmung mit Sybe Jarichs:
Chron. Oron. vulgatum. Sybe Jarichs p. 452.
^dicit Albertum in aedibus Egberti . . . „ende corts daernae word Harto&
Konings sitis ad molam extra portam Albert geschoottn in Egbert Coninck*
Bott. tormento ictum, die inventionis huys, dot daer buyten byder mdlen
S. Stephani triduo post eum ictum stondt, ende worde cranck in Sdicert
mortuum fuisse, sed mortem eius gevoert op doge inventionis sancti
studiose occult am. Post inducias Stepliani ende die Sasssen schote*
quadrunnes ab Epo. TJltr. concUiatas griecx vuyr in die stadt, dot men nut
idem Chr. dicit.u ut doen can7 dan met dreck ende ma,
ende dry daghen nae dot Hartoch
Alhert is geschoten is hy gestorben ende dot was heymelijck: daer nae makede
Bisschop Baden een bestand 4 iaer lanck ende groeven des Hertoghen inghewcydt
toe Embden, ende dat lichaem voerden zy in Sassen in eenen loden tumbc*.
Kann es somit als erwiesen angesehen werden, dass Emmius
die „Corte Chronyck" von Sybe Jarichs gekannt habe, so ist
eine thatsachliche Benutzung derselben in der Historia wenig-
stens an einem Punkte gleichfalls mit einiger Sicherheit nach-
l) vgl. Em. hist. p. 280.
*) Sybe Jarichs p. 448.
8) Eg. Beninga p. 475, S. Benninge p. 56.
4) Em. hist. p. 602.
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zuweisen. Es ist die Rede von dem Kriegszuge der Groninger
in die Ommelande am 18. April 1514. Man hat die Miihle zu
Winsum niedergebrannt und zieht nun gegen die Kirche zu
Siidwolde heran; hier ist der Emmius'sche Bericht mit seinen
beiden Quellen fiir dies Ereignis, mit Eg. Beninga und Sybe
Jarichs zu vergleichen:
Eg. Beninga p. 537.
. . . „und vort vor de ker-
eke tho Suidwolde getagen,
desulve stormenderhant
geicunnen, den Hovet-
mann sulvest doer up
doot gestagen und 40 ge-
fangen, welcke se mede
in de Stadt Qroningen ge-
fencklich gevoert".
Sybe Jariclis p. 455.
. . . nende hebben die ker-
cke tot Zuetwolde ghe-
wonnen ende die hop-
man doot gheslaghen
self derde ende 38 ghe-
vanghen. Daer is die
vorst van Sassen wt
Essen gereyst not Aed-
wert" etc.
Emmiu8 hist. p. 701.
„Tum ex itinere impetu
in Suidwoldios verso%
qui sunt urbi proximi,
vaUum circum fanum
institutum ab hoste, sed
adhuc non perfectum in-
vaserunt, caesoque prae-
sidii praefecto cum gre-
gariis duobus vi ceperunt.
Reliquum omne praesidi-
um capitum ad XL cum tormentis minoris generis captum. Quibus auditis, qui
Essence erant Saxones, metu perculsi deserto loco in castra Adoardia postridie
se contulere".
Emmius mag hier einige Angaben, so die liber das er-
oberte Geschiitz etc. aus einer dritten Quelle (ibernommen haben,
dabei sind aber doch deutlich Beziehungen zu Sybe Jarichs
vorhanden. Auf ihn geht die Nachricht zuriick, dass ausser
dem Hauptmann, von dessen Tode auch Eg. Beninga weiss, noch
zwei von seinen Leuten bei der Eroberung der Kirche gefallen
sind, besonders aber weist die Verbindung dieses Ereignisses
mit dem Abzuge der Sachsen nach Aduard auf Sybe Jarichs
hin; Eg. Beninga weiss davon nichts, bei ihm schliesst das be-
treffende Kapitel mit den oben angeftihrten Worten ab. Dass
Emmius die „Corte Chronyck" nicht in weitgehenderem Masse
ausgebeutet hat, kann nur gerechtfertigt erscheinen. Die Nach-
richten iiber die aitesto Zeit mussten von vornherein aus-
scheiden; soweit sie uterhaupt einwandsfrei sind, haben sie
als kurze Ausziige aus anderweit bekannten Quellen keine
weitere Bedeutung, so die Notizen iiber die Missionierung
Frieslands u. a. Daneben ist die Darstellung dieser Zeit auch
mit fabelhaften Ziigen untermischt, wie etwa die Entstehungs-
geschichte von Hitzacker l) u. a. Die Groninger Nachrichten
') Sybe Jarichs (Anal. med. aev.) p. 441.
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— 360 -
sind gr6sstenteils von Sicke Benninge abh&ngig, so diejenigen
zu den Jahren 1110 x) und 1143. Fiir die sp&tere Zeit fehlt es
nicht ganz an originalen Ziigen, wie die angefiihrten Beispiele
zeigen, und es ist wohl anzunehmen, dass Emmius erlautemde
oder genauere Angaben von Sybe Jarichs nach Art des zuletzt
angefiihrten Beispiels auch sonst noch einige Male verwertet
hat. Einen entscheidenden Einfluss auf den Gang der Geschichts-
darstellung aber hat unsere Chronik an keiner Stelle gehabt.
§ 4. Tjalling Aykema.
Noch eine dritte von den durch Brouerius v. Nidek in
den „Analecta medii aevia veroffentlichten Groninger Chroniken
hat Emmius benutzt; es ist dies Tjalling Aykemas: „Chronycke
van die Ommelanden". Dieselbe giebt eine Beschreibung des
geldrischen Krieges in den Jahren 1533 ff.; ein Vergleich mag
darthun, wie Emmius fiir seine Schilderungen aus demselben
diese Quelle verwertet hat:
Tjalling Aykema p. 479/80.
. . . „ op Banthalionis dach, als nu
Meynert van den Ham overste daer
tcesende in den Dam omtrent mey
heeft ut geschicket zynen verloren hoop
not Oroninghen ende hebben die voor-
stadt gebrant inder nacht inventionis
sancte Orucis, afgaende daer die
Qronningher8 sulckes glieen vermoeden
hodden, ende hebben daer veel arme
luyden ghemaecket, doodt ghedaghen
ende onnosel kinderen op den bedde
verbrant, oock sint daer dertich schuy-
tent halven ende helenf verbrant, dot
de luden naeden tyt mosten broot bid-
den ende dat vuyr is overgheslaghen
in die peperstrate ende daer vyf huy-
sen verbrant by Wolter Zieghers huys.
Doe wort oock die vorstat buiten
Ebbinghe ende Botteringhe poorte des
daghes daer nae van sommige die
daer toe verordnet toaren verbrant".
Emmius hist. p. 886187.
„Vix quatridui vero quiete iUic add
levis armaturae manus silentio nodis
ad urbem Oroningam ab eo tnisu,
tumultu ad moenia excitato suburbi**
maximum Steentillanam et Poland*
portam praecingens diripuit, direptoqv
flammas iniicitf quibus et reliqua, qyat
auferri aut abigi non poterant, d
naves non parvo numero confiagrarwd,
et infantes quoque aliquot in terror*
illo repentino periere. Caesi etiam viri
aliquot j qui sua defendere tentabant, d
infelix plebs, cui praeter domicilia, su-
pellectUem, vestes, navigia nihil erat,
ad mendicitatem redacta. Quinimo
flammis secundo vento in ipsam urbem
tran8volantibu8f aedes aliquot prop*
moenia correptae terrorem oppidams
auxere. Et cum iam dies MuxittA
suburbium alterum Ebbinganam tt
Botteranam portam amplexum in &
dem urbis latere, igni datum, cak***'
tasque duplicata".
l) p. 442.
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— 361 —
Ein Vergleich beider Berichte ergiebt, dass dem Emmius
fiir diese Schilderung eine andere Quelle als Aykema nipht
vorgelegen hat. Die Unterschiede, welche beide Berichte trotz-
dem aufweisen, sind aus der Art und Weise, wie unser Historiker
seine Vorlagen zu verwerten versteht, leicht zu erklaren. Sein
Streben, m6glichst die Hauptmomente bei der Darstellung in
den Vordergrund treten zu lassen, veranlasst ihn, nebensach-
liche Angaben, wie die Zahl der verbrannten Schiffe und die
genaueren Angaben iiber die in der „Peperstrate" verbrannten
H£user fortzulassen. Die letztere Nachricht bietet ihm aber
zugleich die Handhabe, gestiitzt auf seine Kenntnis der ort-
lichen Verhaltnisse in Groningen, die Situation an einem wesent-
lichen Punkte aufzuklaren. Nach dem Aykema'schen Berichte
erhellt nicht ohne weiteres, welche Groninger Vorstadt von
den Feinden in Brand gesteckt ist. Die Groninger jener Tage
wussten allerdings, dass die erw&hnte „Peperstrate" in stid-
Sstlicher Richtung von der zur „Poelpoorte" fiihrenden „Poel-
strate" abbog und es sich somit nur um die Vorstadt zwischen
dieser „Poelpoorte" und der ostlich davon gelegenen '„Steen-
tilpoorte" handeln konne1). Emmius aber benutzt die hier
gegebenen Andeutungen, um auf Grand derselben die Oertlich-
keit in einer auch fiir Fremde, sowie fiir spatere Leser ver-
st&ndlichen Weise festzulegen. Ein Vergleich beider Berichte
im Ganzen aber zeigt auch hier wieder, wie Emmius es ver-
steht, seine Schilderungen anschaulicher und durchsichtiger,
geschlossener und harmonischer zu gestalten, als dieses seinen
Quellen, so nahe sie den Ereignissen selbst auch stehen mogen,
in der Regel gelungen ist.
§ 5. Die Groninger Quellen aus dem Besitz
von Hoernkens und Buttel.
Von diesen beiden Quellen erhalten wir nur durch je zwei
Notizen der Kollektaneen Kunde, in der Historia gedenkt Emmius
ihrer nicht. Es ist demnach unmOglich, sich von ihrer Be-
*) Diese topographischen Verhaltnisse ergeben sich aus einem unter
Beriicksichtigung frfiherer Zustinde verfertigten Groninger Stadtplan des
17ton Jahrhunderts, aus dem Verlag von Qebr. Lotter in Augsburg.
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— 362 —
schaffenheit und von ihrem Umfange auch nur ein annahernd
deutliches Bild zu machen. Die eine Nachricht unter der
Quellenangabe „L. Hoernkens" bezieht sich auf eine 1492 er-
folgte Eroberung von Winschoten, sodann fuhrt Emmius zum
Jahre 1506 den Wortlaut des Eides an, welchen die Groninger
den Grafen Edzard und Uko von Ostfriesland in diesem Jahre
geleistet haben. Darunter steht: ^Hoc ex codice Ludolphi Hoern-
kens Gron.u. Wer jener Ludolph Hoernkens gewesen sein mag,
wird sich kaum feststellen lassen; jedenfalls entstammte er
einer alten und bedeutenden Groninger Patrizierfamilie, in
deren Besitz sich wichtige Nachrichten iiber die Geschichte
Groningens befinden konnten. Schon im Jahre 1301 wird ein
Groninger Biirgermeister Bernhard Hornekingh genannt, welcher,
zumal nach dem spatter ofters wieder vorkommenden Vornamen
zu urteilen, derselben Familie angehort haben wird. Wir finden
z. B. im Jahre 1482 einen Biirgermeister Berent Horneken.
Aus der Zeit Edzards des Grossen wird uns ein Ludeken Hor-
neken genannt, welcher in Groningen von 1500—1506 mit
einziger Unterbrechung des Jahres 1502 das Amt eines Burger-
meisters ftihrte. Zu Emmius Zeit bekleidete aus dieser Familie
Lodewich Hoernkens von 1608 — 1622 achtmal das Bdrger-
meisteramt, sowie zwischen 1607 und 1620 siebenmal das Amt
eines Hovetmannes, er starb im Jahre 1623. Der Senator Lam-
bertus Hoernkens gehorte im Jahre 1614 zu den Kuratoren der
Groninger Universitat, hatte also auch amtlich Gelegenheit zu
Emmius in Beziehung zu treten1).
*) [Da anzunehmen ist, dass Ludolf Hoernkens zu den Groninger Ver-
bannten gehorte, die Emmius persdnlich in Ostfriesland kennen lernte, so
diirfte er sich unter dem „Lutgen Horenkens" verbergen, der mit zwei
anderen Mitgliedern seiner Familie, Albert und Reyner Horenkens,
von Emden aus auf dem Reichstage zu Speier i. J. 1570 die Supplik der
166 Groninger und Ommelander Fluchtlinge gegen Alba uberreichen
liess (Harkenr. Oorspr. S. 368). Am 10. Januar 1570 war er mit den
ubrigen von Albas Blutrat in contumaciam als Rebell erklart, an
ewiger Verbannung und zur Einziehung aller Guter verurteilt worden
(Brucherus, Gesch. v. d. opk. d. kerkhervorming in d. pr. Groningen, Gron.
1821, S. 167 ff.). Das „Nobiliarium Groninganum" des Wilh. Coenders van
Helpen (Nederlandsch Familieblad III, 1886, S. 91) meldet: ,1569 sijn de
Jonkeren Horenkens geweest in ballingschap na Norden, na Lier ende
Embden8. „LutgenB ist nur die Diminutivform von „ Ludolf", und der
obengenannte Groninger Burgermeister heisst z. B. im Nobiliarium Gro*
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— 363 —
Mit grosserer Sicherheit ist die Persflnlichkeit des andern
von Emmius als Besitzer oder Verfasser einer Quellenschrift
genannten Groningers festzustellen. Emmius ftihrt eine Gro-
ninger Nachricht aus dem Jahre 1491 an mit der Angabe : „Jn
registro Henrici Buttel" l). Nun findet sich unter den stadtischen
Deputierten der Provinz Groningen fiir die Jahre 1598 und 99
ein Henricus Butt el, und es liegt nahe, in diesem Zeitgenossen
des Emmius den von ihm erw&hnten Gew&brsmann zu ver-
muten, wenngleich es immerhin nicht ausgeschlossen ist, dass
dieser mit dem cap. X. § 1 genannten Emder Buttelius identisch
ist. Welcher Art allerdings sein von Emmius benutztes Re-
gister gewesen sein mag, lasst sich auch aus der andern von
ihm stammenden Nachricht, derjenigen vom Einsturze des
St. Martinsturmes im Jahre 1468 2), schwerlich ermessen. So-
viel aber wird sich jedenfalls sagen lassen, dass Emmius hier
nicht unerhebliche Aufzeichnungen von bedeutsamen PersOn-
lichkeiten der Stadt zur Verfugung gestanden haben miissen.
DerUmstand, dass uns dieselben nicht erhalten zu sein scheinen,
kann den Wert der Emmius'schen Angaben fiber die Groninger
Verhaltnisse des 15ten und 16ten Jahrhunderts nur erhOhen.
§ 6. Der Groninger Priester Lemgovius.
Einer einzigen Bemerkung in der Historia verdanken wir
die Kunde von einer Quelle des Emmius, fiber die sich sonst
wohl kaum jemals etwas wird nachweisen lassen. Emmius
giebt auf p. 716 der Historia eine Schilderung der Eroberung von
Appingadam durch die Sachsen im Jahre 1514 im Anschluss
an Eggerik Beninga8) und ftigt dann hinzu: »Nec aliter Lem-
govius sacerdos Groninganus, qui res eius beUi exposuit*. Es ist
danach wohl anzunehmen, dass es sich hier um eine speziell
ninganum bald „Luideken", bald „Luidolf". Emmius1 Freund ist wohl
identisch mit dem 1595 gestorbenen Schwiegersohne des Burgermeisters
von Groningen Reiner Garmens und Schwager des Ostfriesischen Edel-
mannes Ulrich v. Folkersheim in Twixlum, Luitgen Horenken, vgl.
Navorscher 1887 S. 201. (Nachtragliche Mitteilung v. Herrn Dr. Ritter.)]
l) „A. 1491 gingen tho Groningen umme Gades willen vehr dusent
arme menschen. In r. H. B.B.
s) Em. hist. p. 396.
8) Eg. Beninga p. 556— 55a
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. a. vaterl. Altertamer zu Em den, Bd. XV. 24
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— 364 —
die s&chsische Fehde beschreibende Chronik gehandelt hat.
Eine solche aber lag Emmius vor in der von ibm als
„Acta belli Saxonici" bezeichneten Quelle, xiber die wir durch
einen Auszug von Emmius n&her unterrichtet sind1). Identisch
aber k6nnen diese beiden Quellen nicht sein, da im Emmius-
schen Auszuge der „Acta belli Saxonicia gerade die hier aus
Lemgovius angezogene Schilderung der Eroberung von Appinga-
dam fehlt, wortiber Emmius in seinem Auszuge bemerkt: vHic
in mutilo libro pagellae aliquot deerant cum duorum fere mensnum
rebus gestis; imprimis historic* captae Dammonae". Ueber die Per-
sonlichkeit des Lemgovius lasst sich nichts feststellen, man
wird aber mit Blok2) annehmen dtirfen, dass er jene Ereignisse
als Zeitgenosse beschrieben hat.
§ 7. Die Chronik des Franziskanerklosters
in Groningen.
Unter den im Jahre 1707 fur das Auricher Archiv er-
worbenen Papieren aus dem Nachlasse von Emmius3) befindet
sich ein von unbekannter Hand geschriebener Auszug aus einer
Klosterchronik mit derUeberschrift: „Ex cronico conventus nostrf1.
Derselbe umfasst Nachrichten von der Eroberung Emdens durch
Keno ten Brok i. J. 14134) bis zur Entsetzung von Appingadam
durch Edzard den Grossen im Jahre 1501 5). Dass es sich hier
>) vgl. § 10.
*) Sicke Benninge ed. Feith. Inleiding p. XII.
8) vgl. hieruber Herquet, Geschichte des Landesarchivs von Ost-
friesland, Norden 1879, p. 11 ff.
4) Die Chronik hat 1411.
*) Der gleiche Chronikauszug findet sich in zwei verschiedenen Text-
rezensionen in einer Handschrift des Gabbema-Archivs zu Leeuwarden.
Fonnell wie inhaltlich weichen beide untereinander wie auch von dem
aus Emmius* Nachlasse stammenden Exemplar an manchen Stellen ab.
Die den einzelnen Stucken originalen Nachrichten lassen darauf schliessen,
dass es sich um 3 nach derselben Vorlage unabhangig von einander an-
gefertigte Auszuge handelt. Dabei wird diese gemeinsame Vorlage viel-
leicht nicht mehr in der Groninger Franziskanerchronik selbst zu suchen
sein, da alle drei nur den Zeitraum von 1411—1501 behandeln, auf den
sich die Klosterchronik doch kaum beschrankt haben wird. Von den
beiden Leeuwarder Stucken tr^gt das eine die Ueberschrift „Ex cronico
conventus nostritf, das andere „ex cronico coenobii franciscanoruin*.
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— 365 —
urn die Chronik des Franziskanerklosters zu Groningen handeln
muss, geht daraus hervor, dass beim Berichte der Groninger
Unruhen von 1413, nachdem die Ermordung des Allardus Clant
erz&hlt ist, bemerkt wird : ^filius veto eius Wibrandus et Dutma-
rus filius Johannis Rengliers in conventum nostrum fugiant atque
ibi liberantur periculo mortis". Emmius selbst aber sagt iiber
diese Rettung der beiden Groninger Patrizierstfhne l) : 9Wihran-
dus Clantius et Dethmarus Bengerus, Joannis in curia interempti
filius, cum similem ad caedem quaerercntur, in fanum Franciscanum
velut in asylum cursim fugientes, vix vitam servaruntu. In dieser
Erz&hlung werden wir zugleich die Quelle fur den Bericht iiber
die Groninger Unruhen von 1413 bei Sicke Benninge bezw.
Johann v. Lemego zu sehen haben. Das Franziskanerkloster
stand durch die Flucht der beiden Genannten mit den Ereig-
nissen in der engsten Verbindung, und wenn irgendwo, so
kann man hier zuverlassige Nachrichten fiber jene Vorgange
erwarten. Ob dabei der betreffende Passus der Klosterchronik
unmittelbar nach den Geschehnissen abgefasst ist, oder aber,
ob er sich auf andere gleichzeitige Aufzeichnungen im Kloster
griindet, muss ungewiss bleiben. Die nahen Beziehungen aber
zwischen dem Berichte Lemegos und demjenigen der Groninger
Klosterchronik lassen mit Sicherheit darauf schliessen, dass
wir hier einer der im einzelnen unbekannten2) Groninger Quellen
Lemegos gegenfiberstehen ; ein Vergleich mag dies darthun:
Chronik des Franziskanerklosters.
„Anno 1413 seditionem moverunt He-
korstii in curia et occiderunt Jolian-
nem Renghers affinetn Reinoldi Huginge
et Albertum Kermes et Johannem ab
Beckum in ipsa curia, atque in forum
redeuntes invenerunt Hinrikum Clant
et eum invadunt atque fugientem in
domum quae appellatur Schoenegevel
insequuntur atque ibi trucidant et pro-
gressi sunt in aulam Allardi Clant
ac eum accumbentem mensae inter-
Sicke Benninge p. 62 f.
,.Item des slogen tie doet de Heker-
schen pertijesluden Johan Rcngcrs,
de ten zwager Rcinolt Hugen, up dat
rec1tihuy8 ende Albert Barholt Kernes
zoen ende Johan van Beckunij den ww-
pen se doet boven uut den rechthuse.
[Es folgen dann die von Sicke Ben-
ninge in den Lemegoschen Text
eingeftigten Namen der MSrder.]
Item als de doetslagers up dat mcrcket
quemen ende voenden se daer gaen Hen-
l) Em. hist. p. 260.
*) Blok (Sicke Benninge ed. Feith, Inleiding p. XV) spricht von diesen
nicht n&her nachzuweisenden Quellen ganz allgemein als: .aanteekeningen
zijner oudere tijdgenooten".
24*
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— 366 —
ficiunt. filius vero eius Wibrandus et
Dutmarus fUius Johannis Rmghers
in conventum nostrum fugiunt atque
ibi libcrantur periculo mortis. Post
hoc factum venit Coppenius Jarges ct
eius complices ad administrationcm
Beipubl. atque pepulerunt in exUium
nobUcs et praestantes viros Btinoldum
Huginge cum tola prole, item Otto-
nem Clant, Wibrandum Clant, Joh.
Clant, Brunium Clinghe et affines
suos, Henricum a Bruggen, Lodexoicum,
Baroldum, Johannem, Bodolphum fra-
tres et Johannem a Metelen, item Har-
mannum ab Hanssow et filios suos,
Johannem et Ottonem, et multos alios
praedictorum cognatos et amicos; item
Onstmannos, Hayonem Ripperda, Men-
eonem Houwerda, Eltium Gockingha et
alios perplures, qui omnes profecti sunt
ad praedictum dominum Kenonem in
frisiam orientalem et ibi manserunt
duos annos, usque quo groningam
iterum occuparunt. Interea Coppenius
consilio Oynelkonis praepositi in Farm-
sum coUigit multa vasa aurea et ar-
gentea ex claustris et ecdesiis in agro
et monetam ex iis fieri fecit, quae
appeUatur Coppensgulden. Bostea fit
Keno inimicus Coppenii atque invadit
Reiderlandiam atque comburit Beider-
zyl, Oterdumerzyl et iterum discessit,
sed Coppenius cepit consilium et po-
suit praesidium in praedicta loca ver-
sus Eemsam.
rick Clant, Otto Clant, de jageden «
in den schonen gevel, doer doegen
se hem doet . . Ende gingen doer
voert to Alberts Clants huues, ge-
legen to tcesterzijt van den marckeden
na Botteringestrate an de zuederzijt
Albert Wicboldus huus ende dogen
Albert Clant doett doer he sat an sijner
taffelen kter maeltijt. Ende WibrtaA
Clant, zijn soen, de liep uut ten ARjn-
rebroderen in de kercke. Ende desgt-
liken deden oick DutmerJohanBengen
ende lepen oick tenbroderen in de kercke.
Ende als de luden dus doet gestagen
wereny do quam Coppen Jarges, de$
olden Jarges sone, de geboren was to
Staveren, in dot regiment mijt sijnen
vrenden ende pertijesluden in der stadt
Oroningen ende in de Ommelanden Irij
Oroningen gelegen. Ende Coppen vorss.
mil sijnen vrenden en pertijeslueden
verdreven uut der stadt Groninge*
Reynolt Hugijngc mijt aUe sijne kin-
deren ende daerto Otto Clant, W&rtiaf
Clant, Johan Clant, Brum Clijngen
m\jt sijne swagers, alse Hinrick ter
Bruggen ende sijnen broder, als Lod-
wich Bareldes, Johan ende Rrtef
Hornkens ende voert Hermen Transom
ende Otto ende Johan sijne kindcren,
vele Borgers ende vrenden der vorss.
luden oick verdreven uut den Omme-
landen bij Groningen gelegen, alse de
Onstemans broders ende vrenden ende
pertijesluden ende alle de vorss. togen
over de Emse to joncker kenen ende to
sijnen pertijesluden. Ende doer bleven sij twe jaer lanck hen ter tijt, dot Oroningen ge-
wonnen wort, datjuncker kene mijt sijnen vrenden ende pertijesluden tnede bijbrachtenu .
Zudem geht noch beiden Berichteri die Erz&hlung von der Er-
oberung Emdens durch Keno ten Brok voraus, die von beiden
ziemlich mit denselben Worten wiedergegeben wird. Trotz der
nahen Verwandtschaft beider Berichte aber weist derjenige der
Klosterchronik nicht nur eine lebhaftere Schilderung auf, son-
dern auch einige Angaben, die von Lemego nicht dbernommen
sind, so den Namen des vertriebenen Johann v. Metelen und
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— 367 —
diejenigen von Onsta, Hayo Ripperda u. a. Emmius1) scheint
trier bei aller Uebereinstimmung der Berichte im allgemeinen
fur die Angabe der Namen die Franziskanerchronik nicht be-
nutzt zu haben, sondern ausser Lemego wobl noch eine andere
Groninger Quelle. So erw&hnt er den der Klosterchronik eigen-
tiimlichen Joh. v. Metelen nicht, hat dafttr aber andere Namen
von Exulanten; ebenso lasst er die von der Franziskanerchronik
beigefiigten Vornamen der Vertriebenen, Ripperda, Houwerda
und Gockinga, fort.
Auch bei den anderen Nachrichten unseres Chronik-
fragmentes lasst sich, soweit dieselben den bekannten Quellen
gegentiber selbstandig sind, eine Benutzung durch Emmius in
der Historia nicht nachweisen. Die grOsste Uebereinstimmung,
welche sich in dieser Hinsicht zwischen beiden feststellen
lasst, besteht in der Aufzahlung der Namen ommel&ndischer
Edelleute, welche es mit dem Grafen Edzard hielten, als dieser
Verbiindeter Albrechts von Sachsen war. Diese Namen werden
von Emmius2) sogar in derselben Reihenfolge aufgez&hlt, wie
dies in der Klosterchronik der Fall ist. Die einzige Abweichung
in der Emmius'schen Lesart besteht darin, dass dieser nach
Johann Rengers ten Post noch einen Bruder desselben mit
Namen Ditmarus einschiebt. Ware hier wenigstens die Moglich-
keit einer Abhangigkeit vorhanden, so ist diese vOUig ausge-
schlossen bei der letzten Nachricht, welche uns aus der Kloster-
chronik erhalten ist, bei derjenigen von der Belagerung und
Entsetzung Appingadams im Jahre 1501. Zunachst giebt die
Klosterchronik die Zahl der Gefallenen bei dem zweiten, von den
Groningern nach Pfingsten unternommenen Sturm auf Appinga-
dam auf Seiten der Stiirmenden auf 200 an. Emmius3) hat
hier iiberhaupt keine Zahlenangabe, er sagt: ^Septies, ait Grimers-
hetnius, summo conatu oppugnantes vallum invasisse, septies cum clade
reiectos, caesos, ac in fossa oppressos multos}plures vulneribus confectos* .
Da Emmius im iibrigen eine ziemlich ausflihrliche Beschreibung
der Belagerung und Bestiirmung der Stadt giebt, so wird kaum
anzunehmen sein, dass er diese Zahl, wenn sie ihm bekannt
gewesen ware, unbeachtet gelassen h&tte. Ebenso ist bei der
>) Em. hist. p. 260.
3) Em. hist. p. 579.
•) Em. hist. p. 610.
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— 368 —
Emmius'schen Zahlenangabe fiir das Entsatzheer Edzards des
Grossen1) auf 1400+2500 Mann, die abweichende Zahl der
Chronik 1400 + 3000 Mann nicht berQcksichtigt. Das Gleiche
ist der Fall bei den infolge der Entsetzung der Stadt ge-
fallenen Groningern (Emmius: 250 + 400*), Franziskanerchronik :
500 + 400). Es ist somit nach dem Befund unsres Fragmentes
nicht anzunehmen, dass es dem Emmius bereits bei Abfassung
der Historia vorgelegen habe, es wird vielmehr erst sp&ter in
seine H&nde gelangt sein. Das Fragment selbst aber ist nicht
so sehr durch seine abweichenden Nachrichten interessant, als
vielmehr dadurch, dass wir hier aller Wahrscheinlichkeit nach
eine Quelle Johann van Lemegos und somit eine indirekte Quelle
des Emmius vor uns haben.
§ 8. Die Fortsetzung des Joh. v. Lemego.
Es ist bereits bei der Besprechung der Lemegoschen
Chronik darauf hingewiesen, dass dieselbe in den von Emmius
exzerpierten „Rer. Gron. Com. breves", in denen sie mit der
Beschreibung des Groninger Stadt wappens abschliesst3), eine
selbstandige Fortsetzung gefunden hat. Am Schluss der mit
Lemego tibereinstimmenden Exzerpte folgt zun&chst die Be-
merkung von Emmius: nSequitur hie in chronico poema Germani-
cum pulcherrimis rithmis, statim post annum 1400 ut videtur compo-
situm de bellis Guilhelmi et Alberti Roll, comitum contra Frisios,
cuius series haec fere estu. Nachdem nun der Inhalt dieses Ge-
dichtes angegeben ist, folgt ein Vertrag, den der Probst von
Loppersum im Jahre 1424 mit den Eingesessenen seiner Gegend
abgeschlossen hat. Bei Lemego findet sich dieser nicht, er ist
Em. hist. p. 292 verwertet. Hieran schliessen sich unmittelbar
einige Nachrichten aus den Jahren 1452 ff. an, welche zum
Teil nur durch diese Quelle erhalten zu sein scheinen. In das
Jahr 1452 f&llt die Busspredigt des Groninger Franziskaners
Brugmannus. Zum folgenden Jahre werden dann erst die
Namen der Mitglieder des Groninger Magistrates und Senats
aufgez&hlt, worauf von einer durch diesen Magistrat an-
>) p. 611.
») p. 612.
*) Sicke Benninge p. 83.
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— 369 —
gestrebten Veranderung berichtet wird. Man wollte der Stadt-
verwaltung eine Art Monopol erteilen fClr den An- und Ver-
kauf aller aus den Ommelanden eingefiihrten Produkte. Da
aber das Volk von dieser Massregel wirtschaftliche Nachteile
zu gewartigen hatte, stellte es sicb dem Plane entgegen und
wusste denselben unter Mithiilfe eines Senators zu vereiteln.
Emmius schliesst sich fur beide Erzahlungen durchaus an den
Bericht der Kommentare an1). Trotzdem will er ihnen, weil
sie anderweit nicht kontrollierbar sind, eine unbedingte Glaub-
wurdigkeit nicht zugemessen sehen ; vor dem Berichte des letzt-
genannten Ereignisses bemerkt er: nquam nisi hie recitavero, ut
est in vetusto codice historico annotata, sed sine fidei meae periculo,
non satis facere officio forte videri queamu.
Eine merkwiirdige Parallele zu Lemego und Sicke Benninge
zeigt sich darin, dass fur die Jahre 1478—92 auch hier Nach-
richten ganzlich fehlen. Bei alledem aber zeigen die Kommen-
tare auch fQr die weiteren Zeitabschnitte Sicke Benninge
gegeniiber trotz einer Anzahl gemeinsam berichteter That-
sachen vollige Selbstandigkeit, wie sie bei zwei Chroniken,
welche dieselbe Zeit behandeln, nur immer moglich ist. Der
Bericht iiber den Tod Herzog Albrechts von Sachsen zeigt eine
beraerkenswerte Aehnlichkeit mit der Darstellung bei Sybe
Jarichs, ohne doch rait dieser genau ubereinzustimmen. Einen
Teil dieses Berichtes fiihrt Emmius in seinen Exzerpten im
Wortlaute an: nSo is nicht lang daernae Hertoch Albrecht van
Sassen van Selvertt gevoerett all doct nae Emden up den 24. Dag
in Aug. und aldaer tho Emden upgedaen und gebalsamert, datt in-
gewandt tho Emden in der kerken begraven, datt gebalsamede lyff
in ein ledern vatt gelecht und also weg gevoerett91. Die Worte
bieten uns zugleich ein Beispiel ftir die Sprache, in der die
Kommentare abgefasst sind.
Dasjenige, was den Berichten, aus dem ersten Jahrzehnte
des 16ten Jahrhunderts zumal, ihr besonderes Gepr&ge giebt,
sind die zahlreichen eingestreuten Urkunden und Verordnungen.
Emmius hat einige davon in der Historia benutzt, so z. B. die-
jenigen Edzards des Grossen von 1509 und 1510, welche Groninger
Rechts- und Steuerverh<nisse betreffen2). Bei Anfuhrung des
~~~ l) Em. hist. p. 374.
*> Em. hist p. 676 u. 676.
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— 370 —
Erlasses von 1509 nimmt Emmius auch auf unsere Quelle aus-
driicklich Bezug, er sagt: ^Inveni in vetusto codice, situ pene exeso,
res gestas in urbe agroque pertnultas complexo*. Die Nachrichten und
Urkunden aus den letzten Jahren sind nicht mehr in chrono-
logischer Ordnung gegeben, sie reichen bis in das Jahr 1511.
AngefQgt ist dann noch ein Ueberblick tiber die Beziehungen
Groningens zu den Utrechter BischSfen.
Den Abschluss der Kommentare scheinen neben einem
nCatalogus principum aut procerum, qui aut ipsi, aut per legates
suos et auxilia Alberto et Qeorgio Sax. contra Ghroninganos miltia-
runt*, 5 Gedichte gebildet zu haben, tiber welche Emmius fol-
gendes bemerkt: ^Sequuntur in chronico 5 cantiones rithmis Germani-
cis compositae, non insulsae, sed omnes probrosae, prima in Edzardum,
altera in Albertum Saxone, reliquae tresm in fUium Alberti Georgium*.
Leider hat auch hier Emmius wiederum den Wortlaut der Ge-
dichte verschwiegen, dagegen giebt er von alien eine lateinische
Inhaltsangabe. Diejenige des gegen Edzard gerichteten Ge-
dichtes mftge hier folgen: „/n prima exponitur, quod Edzardus
tribus principibus bello potitus (Monast. Epo. qui aperte nomina-
tor, Jeverano et Esensi qui non exprimuntur) usus sit fideli ami-
citia Groningensium, promiseritque se perpetuam et constantem pacem
cum Mis culturum: acceperit vero ab iUis in discrimine suo pulverem
Lombard, magna mensura. Deinde, quod Groningani, incommoda
Edzardi videntes, impetrato ab hostibus eius salvo conducto, legatos
suos Abbates, antistites, consules miserint ad Monasteriensem ac
pacem per eos Edzardo conciliarint. Deinde cum suspiciones quae-
dam moverentur, Groninganum senatum ad Edzardum misisse, per-
contatum, quid ab ipso exspectare deberent, eumque respondisse, per-
petuam pacem se erga eos servaturum. Non multo tamen post Ed-
zardum oblitum esse beneficii et promissorum, bello non indieto
Dammonam occupasse. Dammonenses vero etiam fidei oblitos a
Groninganis dominis suis ad Edzardum se contulisse magno suo maloa.
Nach alledem stellt sich uns die Fortsetzung der Lemego-
schen Chronik in den „Rer. Gron. Com. breves" dar als eine
Zusammenstellung von geschichtlichen Notizen, Groninger Ur-
kunden und zeitgenossischen Gedichten oder Liedern tiber
historische Ereignisse und Personlichkeiten. Emmius hat denn
auch eine Anzahl Nachrichten und Urkunden tiber Groninger
Verh<nisse aus der Zeit von 1424 — 1511 dieser Quelle ent-
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— 371 —
nommen. Die Identitat dieser Chronik l&sst sich gegenwartig
nicht mehr feststellen, wahrscheinlich hatte Emmius in seinem
mehrfach erwahnten alten Codex das Original des unbekannten
Fortsetzers Lemegos vor sich, welches, nach Emmius' Notizen
zu schliessen, schon damals in schlechtem Zustande war und
spater untergegangen sein wird, so dass diese Chronik nur
noch in den Exzerpten von Emmius zum Teil sich erhalten hat.
§ 9. Die Chronik des Johann Rengers van ten Post.
Johann Rengers van ten Post, ein Edelmann aus den
Groninger Ommelanden, welcher infolge der Wirren in seinem
Vaterlande 1580 die Heimat verlassen musste, schrieb in der
Verbannung zu Oldersum in Ostfriesland und zu Bremen eine
Chronik der Ommelande1), welche zugleich noeck etliche dingen
vanden Fresen alien int gemein" umfassen sollte. Sie reicht von
den altesten Zeiten bis auf die Tage des Verfassers, bis zum
Jahre 1586. Das Werk enth< fur die altere Zeit vorwiegend
Ausziige aus anderweit hinlanglich bekannten Schriftstellern,
Eggerik Beninga, Sicke Benninge, Worp v. Thabor u. a. Selb-
st&ndige Bedeutung besitzen nur die zugleich auch weit aus-
fflhrlicher angelegten Erz&hlungen aus der Periode, welche der
Verfasser als Zeitgenosse mit durchlebt hat2).
Emmius war bereits als Rektor zu Leer mit dem in
Oldersum lebenden Verbannten befreundet; die damals an-
gekniipften Beziehungen wurden nach der 1594 erfolgten Riick-
kehr von Rengers und der Berufung des Emmius nach Groningen
nur noch enger3). Es ist somit anzunehmen, dass Rengers
seinem Freunde schon friihzeitig sein Werk zur Verfugung ge-
stellt hat. Einen besonderen Gewinn konnte dies nun freilich
nach der Beschaffenheit der Chronik fiir die mit dem Jahre
1564 abschliessende Historia nicht ausmachen. Die Erz&hlungen
aus sllterer Zeit lagen Emmius in den betreffenden Quellen
selbst vor, und die besten Stucke des Rengers'schen Werkes
*) Werken van den Ommelander edelman Johan Rengers van ten
Post ed. Feith, Groningen 1862, Bd.I u. II.
f) a. a. 0. Vorrede p. 1.
») vgl. Rengers ed. Feith, Bd. Ill, p. 111-118.
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— 372
konnten Air ihn nicht mehr in Betracht kommen. Die einzige
Zeit, wo es moglichenfalls ftir Emmius von Wert sein konnte,
waren die Jahre nach 1525, wo ihn sein bisheriger Fiihrer fur
die Groninger Ereignisse Sicke Benninge verl&sst. Inwieweit
hier der von Emmius gelegentlich erw&hnte „scriptor eius tem-
poris obscurus, qui appendicem Sicconis historiae rudi stilo
attexuit"1), einen Ersatz fiir Sicke Benninge bieten konnte,
lasst sich nicht angeben. Da wir auch sonst iiber seine Gro-
ninger Quellen gerade fiir diese Zeit wenig unterrichtet sind,
k8nnen solche leider zu einer Feststellung des Verhaltnisses
von Emmius zu Rengers nicht vergleichsweise herangezogen
werden. Moglich ist es, dass Emmius fiir die genannte Zeit
mehrere Nachrichten, welche die Eggerik Beninga'schen Be-
richte erganzen, aus Rengers entnimmt, jedenfalls aber ?tragen
diese dann in der Historia zu wenig ausgesprochen originales
Geprage, als dass sich ihre Herkunft dadurch allein mit Sicher-
heit feststellen liesse.
Nur an zwei Stellen der Historia lasst sich mit Gewiss-
heit die Beziehung zu Rengers nachweissen, da die betr. Nach-
richten sich zugleich unter der Bezeichnung „ex comment. Jois.
Rengeri Postania in Emmius' Kollektaneen befinden. Nach Eg-
gerik Benin ga2) wird es nicht recht deutlich, warum der Herzog
von Geldern im Jahre 1534, nachdem seine siegreichen Truppen
Greetsiel, die Stammburg des graflichen Hauses, erobert und
sich in Ostfriesland unbehindert festgesetzt hatten, so plotzlich
zu einem fiir Ostfriesland verhaltnismassig gtinstigen Frieden
geneigt scheint. Emmius weiss dafur auf Grund einer Nachricht
von Rengers eine zureichende Erklarung zu geben:
Rengers I, p. 234.
%De gelderschen begindet am gelde tho
mangeln vnd schreeuen de ouersten van
dts Fursten wegen an der stadt grati-
ningen vm gelt, dan kregen ten ant-
wort van hoer, dot se bedanckeden den
grauen vor een goeden naber, vnde
doer dese vnwiUicheit van verschott van
penningen weren de van gronningen
Emmius hist. p. 879.
„Ut enim a Burgundis metu liberi non
erantj ita nervo rei gerendae, pecunia,
destitutbantur. Et Oroningani agrari-
ique Ordines subsidia postutanti aure-
eorum mUlia XVI in singtdos menses
bello contra comiies durante, turn quia
suarum virium ea non esse, turn quia
cum comitibus armorum causam se
') Em. hist. p. 841.
*) Eggerik Beninga p. 701 f.
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373
de oirsake. dot hoer Furst oestfries-
lants mester niet wider worde. Anno
1534 nadem de gronningers eren fur-
sten geen gelt noch volck tcolden
»endent verdrogen de gelderschen mit
graeff Enno und Johann und tnakeden
vrede. Dot de gelderschen vander
gronningers eesscheden was 16000 gl.
smaents. Wjrmit worde de h. van
gelre verbittert und boesz vp de van
gronningen, dock liet sick des nicht
mercken.
non habere dicerentt alienius respon-
derant: imo modis omnibus contende-
bant) ut beUum sibi noxium cum vi-
cinis componeretur. Quod licet in-
dignissime acciperet princeps, cui Ion-
gius tendere propositum erat> tamen
id dissimulabat egregiet et quasi su-
orum studio moveretur, se quoque a
pace non abhorrere significabat.
In ahnlicher Weise findet sich der bei Rengers Bd. I p. 236 f.
gegebene Bericht fiber die Unterwerfung der Groninger unter
das burgundische Haus im Jahre 1536 und die darauf erfolgte
Entsendung des burgundischen Bevollmachtigten Schenk nach
Groningen in der Historia1) verwertet. Emmius1 Verhaltnis zu
den ziemlich zablreich eingestreuten Urkunden ist bereits an
einer anderen Stelle erortert2).
Eine interessante Parallele findet sich bei Emmius und
Rengers in Betreff ihrer AuflFassung der Succession im graflich
ostfriesiscben Hause. Bereits nach dem Tode Ennos I. bemerkt
Rengers8): „ Und graff Edtzert worde to een regerender her gecorenu.
Seine Auffassung von einer solchen Wahl tritt aber noch deut-
licher hervor, wenn er nach dem Tode Edzards des Grossen
berichtet4): . . . ni$ graff Enno thorn Regiment angenomen van
prelaten, hoefflingen, junckeren und stenden des lants*. Wenn
Emmius6) liber die gleiche Angelegenheit sagt: unanimi consen-
su Ennonem ei (sc. Edzardo) suffecerunt, non refragantibus caeteris
fralribus*, so ist er hier, wo eine seiner historischen Grand
anschauungen zu Tage tritt6), natlirlich nichts weniger als ab-
h&ngig von Rengers. Auf jeden Fall aber ist es bemerkens-
wert, wie der vor Emmius schreibende Groninger Chronist diese
Auffassung der ostfriesischen Verhaltnisse bereits vertritt, falls
') Em. hist. p. 887 f.
») vgl. p. 62.
8) Rengers ed. Feith, Bd. I, p. 172.
«) a. a. 0. Bd. It p. 232.
*) Em. hist. p. 849.
•) vgL p. 28.
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— 374 —
er nicht etwa, was ja auch nicht ausgeschlossen ist, von seinem
Freunde Emraius als von einem besseren Kenner der ostfriesi-
schen Verhaltnisse diese Auffassung iibernommen und seinem
Werke eingefugt hat.
§ 10. Die Acta belli Saxonici.
Auf die besprochene Fortsetzung v. Lemegos folgt in dem-
selben Emmius'schen Manuskripte eine zusammenh&ngende Dar-
stellung der Ereignisse der Jahre 1514—1525 unter der Ueber-
schrift: ^Acta quaedam belli Saxonici, potissimum ad Groningam
anno 1514, ut in Chronico Groningano vetusto annotata sunt*. Es
ist nicht anzunehmen, dass es sich dabei um eine weitere Fort-
setzung Lemegos handelt. Schon die Beschaffenheit des Manu-
skriptes spricht hiergegen: Die Erzahlung ist durch eine Reihe
leerer Blatter vom Vorhergehenden getrennt und durch die neue
Ueberschrift deutlich als selbst&ndiger Teil gekennzeichnet. Ob
es sich hier um eine in sich abgeschlossene Geschichte der
sachsischen Fehde oder um einen Abschnitt aus einer grosseren
Chronik handelt, ist nicht mit Sicherheit festzustellen ; die Er-
wahnung des „Chronicon Groninganum", dem die Nachrichten
entnommen sind, scheint allerdings fur die letztere Moglichkeit
zu sprechen. Das Wahrscheinlichste aber wird sein, dass der
Abschnitt zunachst selbstandig bearbeitet, dann aber einer
anderen Chronik angefugt ist, zumal der von Emmius gewahlte
Titel „Acta quaedam etc." wenig fiir einen aus fortlaufender
Erzahlung herausgerissenen Abschnitt passen wurde.
Die Nachrichten beginnen mit der Eroberung Delfzijls
durch die Sachsen und reichen bis zu den Streitigkeiten
tiber Abschaffung oder Beibehaltung der Accise in Groningen
im Jahre 1525. Emmius hat von denselben an keiner Stelle
etwas iibernommen, und wir wiirden die kleine Schrift bei der
Besprechung seiner Quellen ganz (ibergehen konnen, wenn er
nicht an ein paar Stellen gegen ihre Angaben ausdriicklich
polemisierte. Das eine Mai, wo unser Verfasser die beider-
seitigen Verluste in dem Gefechte bei Detern am 21. April 1516
auf die unsinnige Zahl von 11000 Mann schatzt; w&hrend
Sicke Benninge von 1200, Eggerik Beninga nur von 600 Ge-
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— 375 —
fallenen spricht, sagt Emmius1) mit offenbarem Hinweise auf den
Verfasser der „Actaa: nautor alius Groninganus numerum hunc
quoque (sc. Sicconis), sed vanitate clara tnultum augetu. Am scharf-
sten aber spricht Emmius seinen Gegensatz gegen die Auf-
fassung der „Acta belli Saxonia bei der Nachricht aus, welche
hier, ebenso wie dies bei Sicke Benninge der Fall ist2), den
Schluss des Ganzen bildet, bei der Besprechung des erwahnten
Groninger Accisestreites. Der Verfasser stellt sich deutlich auf
die Seite der Bevolkerung gegen den Magistrat und zeiht die
beiden Ratsglieder, welche ihre Klagen uber das Volk vor den
Herzog von Geldern bringen, der Unwahrhaftigkeit. An dieser
Stelle l&sst sich Emmius8), welcher sich durchaus der gegen-
teiligen Auffassung Sicke Benninges anschliesst, auf eine aus-
ftihrliche Kritik der „Actaa ein, wie er eine solche sonst in
der Historia nicht zu geben pflegt. Nachdem er Sickes
Auffassung klargelegt hat, fahrt er fort: 9At alius scriptor
dvojvvfiog factionis plebeiae, itidem Groninganus, sed haud quaquam
Sicconi comparandus, consarcinator potius eventuum, quam historio-
graphy, plebeculae ubique blandiens in his exponendis hie illic a
Siccone dissentit. Plebis consilia probat, facta excusat, senatum et
optimates carpit ... De quo scriptore recte mihi posse did vide-
tur ittud: Quisque ut habet mores, ita iudicata.
Es ist moglich, dass dem Emmius die „Actaa in doppelter
Ueberlieferung vorgelegen haben, denn beim Bericht tiber den
Aufenthalt des Grafen Edzard am burgundischen Hofe bricht
er plotzlich ab mit der Bemerkung: nreliqua omissa sunt in
Chronico, sed in alio exemplari sic habetur*. Hierauf wird dann
der Bericht in einer etwas abweichenden Lesart noch einmal
wiederholt und tiber jenen Punkt hinaus, an dem das erste
Exemplar versagt, zu Ende gefuhrt.
§ 11. Emmius und Cornelius Kempius.
Im Jahre 1588 erschien zu Coin eine Schrift: „J9e Origine,
Situ, Qualitale et Quantitate Frisiae et rebus a Frisiis olim praeclare
l) Em. hist. p. 757.
*) Wenigstens in dem von Emmius benutzten Exemplare, vgl. § 1.
3) Em. hist. p. 8a^.
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gestisu. Der Verfasser war der im Jahre vorher zu Groningen
verstorbene Rechtsgelehrte Cornelius Kempius1). Das Werk
enth< in 3 Btlchern eine Schilderung von Land und Leuten.
eine topographische Beschreibung nach der Einteilung der
7 Seelande und einen geschichtlichen Ueberblick bis auf die
Zeit Ludwigs des Frommen. Mflhlmann2) ttberschatzt offenbar
die Beziehungen der Historia zu diesem Werke: „dessen mit
dem Beginn seiner Studien zusammentreffendes sehr passendes
Erscheinen ihm (sc. Emmius) eine erwtinschte Gelegenheit zur
Belehrung darbot, die auch selbstredend nicht unbenutzt blieb,
obwohl nicht einmal die leiseste Andeutung dartiber sich findet*.
Der geschichtliche Teil konnte, auch wo er wirklich bistorische
Nachrichten bringt, von vornherein fur Emmius keine Be-
deutung haben, da ihm ftir diese Zeit altere und bessere
Quellen zur Verftigung standen, als die Nachrichten seines
Zeitgenossen Kempius. Hier kann also Mohlmanns Urteil iiber
das Verh<nis beider keine Anwendung finden; selbst wenn
Emmius8) wirklich, wie M5hlmann4) ihm vorwirft, seine Kunde
iiber die Teilnahme der Friesen am Dombau zu Minister ira
Jahre 790 aus Kempius bezogen hat6).
Anders dagegen steht es mit den beiden ersten Biichern.
Die Beschreibung von Land und Leuten, wie sie Kempius
bietet, mag Emmius eine Anregung zu gleichem Vorgehen ge-
geben haben; auch ist es wahrscheinlich, dass er, wie dies
von ihm auch an der entsprechenden Stelle bei Worp von Thabor
zu vermuten ist6), manche Anregungen oder wohl auch Er-
ganzungen fur seine eigene Schilderung hierher entnommen hat.
Engere Beziehungen aber lassen sich nirgends nachweissen, ein
einfacher Vergleich beider Beschreibungen muss dies unmittel-
bar deutlich machen7). Statt einer Einzeluntersuchung, welche
*) vgl. iiber denselben: S. Petrus, De scriptoribus Frisiae XIV, 3.
2) MChlmanns Kritik p. 68.
») Em. hist. p. 66.
*) Kritik p. 125 f.
6) Kempius HI, p. 302.
•) vgl. cap. VHI, § 2.
0 vgl. dazu die von Wierichs, Versuch einiger Anmerkungen uber
den Staat von Friesland mittler Zeiten (Oldenburg 1741) p. 75, zitierten
Stellen.
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doch nur zu dem genannten negativen Resultate ffthren
kftnnte, mogen hier diejenigen Stellen aus den beiden Landes-
beschreibungen folgen, welche MOhlmann als besonders Jcha-
rakteristisch einander gegentiberstellt, seltsamerweise, um da-
mit seine Behauptung zu erharten: „die Uebereinstimmung ist
tiberhaupt sehr gross, zuweilen weicht selbst der Ausdruck
nicht wesentlich abtfl). Die dabei von M5hlmann, wohl als
noch weniger tibereinstimmend, iiberschlagenen Worte sind in
Klammern hinzugesetzt :
Kempius I p. 3. Emmius hist. p. 5.
Est autem Frisia terra plana, (popu- Tota regio plana et aperta est, (sylvis
losa, et cclonis plena,) sine montibus infrequem, atque in universum fere
(armentis et gregibus opukntaj et quae humilis:) limosa, qua littoribus proxi-
in boreali pHaga Oceano adiacet, palu- ma, arenosa aut palustris, introrsum
strisque existit. vergens.
Dass Mohlmann hier gerade eine Stelle ausgewahlt hat, an der
Kempius seinen Vorg&nger Worp von Thabor (I, cap. 1) wort-
lich ausschreibt, ist zugleich eine unbewusste Ironie auf den
von ihm auf Kosten anderer so hoch bewerteten Schriftsteller.
Diesem Beispiele entsprechend ist auch Emmius1 Stellung zu
der speziellen topograpischen Beschreibung. Die Thatsache
freilich, dass bereits vor Abfassung der Historia eine solche
iiber Worp hinausgehende Beschreibung auf Grund der Ein-
teiJung in 7 Seelande vorlag, kann fur Emmius nicht ohne
Bedeutung geblieben sein. So mag man denn wohl sagen,
dass Emmius in der topographischen Beschreibung dem Vor-
gehen von Kempius folgt; die Anordnung, wie die Ausftihrung
im einzelnen2), hat er dabei doch durchaus seiner eigenen
Forschung vorbehalten. MShlmann selbst giebt dies gelegent-
lich, wenn auch mit anderer Abzweckung, an einem be-
merkenswerten Punkte zu3), namlich bei der Ortsbeschreibung
des Upstalsboom. Das Verhaitnis zwischen Kempius und
Emmius lasst sich kurz dahin bestimmen, dass Kempius nach
dem Vorgange Worps eine Behandlung durchgefiihrt hat, welche
>) Kritik p. 101, Anm. 197.
*) vgl. Wiarda I, p. 129 f., der auf die Differenz in der Landes-
beschreibung hinweist.
»> MShlmanns Kritik p. 120. .
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sp&ter fur die ersten beiden Bticher der Historia massgebend
geworden ist. In diesem Sinne allein gebtihrt dem Werke von
Cornelius Kempius ein Platz unter den Quellenschriften der
Rerum Frisicarum Historia.
[Der Schlus8 folgt im XVI. Bande des Jahrbuches.]
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Kleinere Mitteilungen.
I.
Nachtr&ge und Berichtigungen zum Ostfriesischen
Urkundenbuche.
Von Dr. Wachter, Kgl. Archivrat in Aurich.
Zur Geschichte des Vorwerks MOnkewarf in der ehemaligen
Herrliohkeit Dornum im 15. Jahrhundert.
Wie aus der von Friedlaender im Ostfriesischen Urkunden-
buche I No. 649 mitgeteilten Urkunde vom 3. Juli 1443 hervor-
geht, hatte Abt Dietrich von Rees zu Ihlo widerrechtlich das
allodium in Monekewerven in Astragroda in parochia Dornum
situatum an die H&uptlinge Mauritz Kankena von Dornum und
Hayko von Hinte veraussert. Dies war bis jetzt die einzige
urkundliche Nachricht, die iiber Mtinkewarf vorlag. Anlasslich
einer Nachforschung in den Akten des ehemaligen Hofgerichtes,
deren genaue Durchsicht wahrscheinlich noch weitere bis dahin
unbekannte urkundliche Schriftsttlcke wieder an das Tageslicht
fSrdern wiirde, wurden zwei Urkunden aus den Jahren 1467 und
1468, die sich auf das genannte Klostervorwerk beziehen, in
beglaubigten Abschriften ermittelt. Diese hatte der Hofgerichts-
sekret&r von Halem im Jahre 1733 fiir einen Prozess, den der
damalige Besitzer der Herrlichkeit Dornum, Freiherr von Wall-
brun, gegen den Landrichter Wenckebach zu Berum wegen
Jurisdiktionstibergriffe angestrengt hatte, nach den Originalen
angefertigt und letztere dem Herrn von Wicht wieder zurtick-
gegeben. Die Abschriften sind sorgf<ig angefertigt. Zwei
Aenderungen Johannes Kebner des closters in kelner und
Pelvessum in Pewessum sind von mir gemacht worden.
Jahrbuch der Gawllsch. f. b. K, a. Tattrl. Altertfcmer za Emden, Bd. XV. 25
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— 380 —
Etwas iiber 30 Jahre blieb das Vorwerk dem Kloster ent-
fremdet, ftir das die Familie torn Brok imraer eine gewisse
Vorliebe gezeigt hatte (Suur, Kloster Ostfrieslands, S. 41 u. 42).
Ein Jahr nach dem Tode des Grafen Ulrich gaben die Besitzer
der Herrlichkeit Dornum das Vorwerk zuruck, und im nachsten
Jahre 1468 entsch&digte Gr&fin Theda dieselben durch acht
Stiege Landes zu Oldeborg, soe alz unse leve salighe here greve
Ulrycke dat hevet bewaret unde geschycket in synen testamente.
Die Rtickgabe ist somit auf Wunsch des Grafen Ulrich erfolgt.
Den Abdruck der beiden Urkunden an dieser Stelle recht-
fertigen der Inhalt, die Aussteller der Urkunden sowie die in
ihnen genannten Personen. Sprachlich interessant ist auch
die friesische Form inna Dornummer Kerspele, Friedlaender
macht im Urkundenbuch I 67, Anm. 2 auf das haufige Vor-
kommen friesischer Worte in den lateinischen Urkunden de3
Klosters Langen aufmerksam.
1.
1467 Juli 6.
Abt und Konvent des Klosters Ihlo beurkunden die Rtickgabe des
Vorwerhs Munkewarf an das Kloster durch die Gebruder Hero
Mauritz und Eicko von Dornum.
Wy Gherardus van tolatinghe gots abt, Didericus prior,
Johannes kelner des cloesters to He unde gantzen ghemeynen
convents broeder daersulvest bekennen unde tueghen openbair
voir alien, de dessen brief! zehen off horen lezen, woe dat de
ersamen und vromen Hero Maurizes unde Hicko, ghebroder,
hovetlinge to Doernum, an eyner rechter steden vaster ewigher
vruntscap hebben to guede gheschulden unde overgheven to
gude, schelden und overgheven tegenwordich in krafft desses
brieves uns, unsen cloester unde nakomelinghen eyn voirwerck.
gheleghen in Doernumer Kerspel in de Oestergroeda, gheheten
Monnykewerve, mid achte stighen deymede landes dair um-
belangk gheleghen, dese alzus langhe um besunderlinghe tosaghe
unde ansprake zee unde ere voirfaern hebben ghehat up unse
cloester, unde soe hebben se uns degher unde all van der up-
gheboerder jaerliker hure unde renthen degher unde all wal
vernoghet, des wy en ghedancken unde schelden se dair van
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— 381 —
quyd ende voir alle ansprake ende tosaghe, do wy upp eere
voirfaern, en unde ere rechte erven mochten hebben, to ewighen
tyden beholden, en dat de meygers offte huerlueden up dome
vorben. voerwercke, soe langhe alz dat jenighe meygers to huer
hebben, scholen dair van doen sodanen hovedenst to Doernum,
alz men voir datum desses brieves daer van plach to done.
Sunder wer et sake, dat unse convent dat sulvest besatten myd
unsen eyghenen volke, soe schollen unde willen wy voir den
hovedenst jairlix en meygen laten off meygen sesteyn deymedo
meetlandes unde nicht meer, unde daermede schal unse convent
jairlix van alien hovedenste to Doernum off jerghent anders
vrig undeqwyt wesen, alle argelyst ende gheverde uthgesloeten.
In orkunde ende tuchnisse der wairheit hebben wy Gherardus
voirben. unses convents unde mynselves inghesegel myd des
convents Adewerts inghesegel witliken ghehangen. Unde vor-
der urnme merer vestenysse witlicker wairheit desser voirsc.
artikulen hebben wy ghebeden den erwerdighen hern Bernd,
abt to Norden, und den strenghen duchtigen unde vromen hern
Syben van Doernum, ritter to Ezense unde Witmunde hovetling,
desser bovenscrevenen puncten deghedyngesheren umbe ere in-
ghesegele mede to hanghen an dessen brieff, deme wy Bernar-
dus abt unde Sybo ritter voirben. umbe vruntlyker bede soe
gherne ghedaen hebben. Hyr weren oeck mede by, an unde
over de erbaer her Albert kerckher to Haghen unde de ersamen
Haye tor Papenborch unde Erne to Norden amptman als tuges-
lude. Ghegeven to Berum nae Christi gheboert vierteynhundert
daerna in deme sevenundtsestygesten jaire des mandaghes nae
Visitationis Marie.
2.
1468 Juli 4.
Grafin Theda von Ostfriesland ubergiebt gemiiss den letztwilligen
Bestimmungen ihres verstorbenen Ehemannes des Orafen Vlrich
S St teg en Landes zu Oldeborg fiir das zuriickgegebene Vorwerk
Munkeivarf an Keno und Ocko zu Nesse und Hero Mauritz, Hicko
und Tadeke zu Dornutn.
Kundich und openbair sy alien unde enen jtlyken besun-
deren, de dessen breff zehen offte horen lesen, dat wy Thede,
25*
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— 382 -
grevinne in Oestvriesland, van unser kynder weghen myd
vryen willen, walberadenen moede, myd raede ende vnllen-
komenen consente des ghestrenghen heren Syben van Doernum.
ritter to Ezense, Stedestorpe und Witmunde hoveUing,
unde der ersamen vromen unde duchtighen junckhern Poppen
Mannynghe to Pewessum unde Jenleth, Dyden unde Edsarde
ghebrodere to Lutedesborch unde Bergum hovetlinghe, unser
leven kynder vulmechtighe voirmundere, hebben Kenen unde
Ocken to Ness unsen broederen, Heren Maurizes, mester Hicken
unde Tadeken, ghebroederen to Dornum, unsen neven, gbegeven.
upghelaten, overghedraghen unde to guede geschulden, gheven,
uplaten, overdraghen unde to guede schelden teghenwordich in
und myd krafft dess breves erfflicken imde ewichlyken achte
styghe deymede landes tor Oldenborch beleghen van salighe
Onnen Helmesna lande voir eyn voirwerck myd achte styghen
deymede landes, dat Keno, Ocko, Hero, mester Hycko unde
Tadeke vorsc. deme convente to Jle wedder ghegeven, upghe-
laten unde to guede gheschulden hebben inna Dornummer
kerspele belegen in den groeden, Monckewerve gheheten, soe
alz unse leve salighe here greve Ulrycke mylder ghedachte dat
hevet bewaret unde gheschycket in synen testamente und
latesten willen, voir welck vorscr. voirwerck myd den acht
stighen deymede landes wy Thede, Sybo, Poppo, Dydo unde
Edsard upgenant scholden Kenen, Ocken, Heren, mester Hycken
unde Tadeken voirgen. myd erve wedder vornoghen unde vor-
vullen van unses leven salighen heren kyndern erve unde lande.
alz nu ghescheen ys van den vorscrevenen Onnen lande, so vor
gheroert ys, unde des vorscr. erves unde landes moghen Keno.
Ocko und Hero myd synen broderen vil ghenant samptlyken
to ewighen tyden besitten unde vredesam ghebrucken, dairmede
doen und schicken, woe en sampt ghelevet, sunder unser unde
unses leven salighen heren kynder und nakomenen unde rechten
ervenen bysprake unde weddersegghent in jenighen tokomenen
tyden, alle arghelyst, hylperede, nyge vunde uthghesloeten. Hyr
weren mede by, an unde over de erwerdige her Bernd abt to
Norden, mester Johann Vredewolt pro vest to Emeden, her Albert
kerckher tho Haghen unde de beschedene man Emo amptman
to Norden alz tueghe unde des to merer vestenisse unde or
kunde witlyker waerheyt hebben wy Thede grevynne upgen
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— 383 —
unse secret, Sybo ritter, Poppo Mannynghe unser beyde inghe-
segele unde ick Dydo vorben. voir my unde Edsarde mynen
broeder myn inghesegel, want he doe sulvest kheyns inghe-
segeles enbruckede, doen witlycken hanghen an dessen breff,
ghegeven nae der bord Cristi vierteynhundert jaer in deme
achteundtsestigesten jare des mandages naest deme daghe
unser leven Vrouwen daghe Visitationis.
B.
Urkunden des Cisterziensernonnenklosters Liliental im Kreise
Osterholz bei Bremen betreffend den St Peterszehnten in Norden.
Nachfolgende Urkunden des Klosters Liliental, sowie die
im n&chsten Bande zum Abdruck gelangenden des Erzstiftes
Bremen befinden sich im Koniglichen Staatsarchive zu
Hannover. Es ist das Verdienst des Herrn Archivassistenten
Dr. Klinkenborg zu Berlin, dem die Geschichte seiner engeren
Heimat Ostfriesland so manchen wertvollen Beitrag verdankt,
auf sie aufmerksam gemacht zu haben. Der Herausgeber des
Ostfriesischen Urkundenbuches, Herr Geheimer Archivrat Dr.
Friedlaender in Berlin, hatte die Bearbeitung und Veroffent-
lichung tibernommen, aber zunehmende Krankheit, die ihn am
1. Januar 1903 nach rastloser Tatigkeit dahin raffte, zwang
ihn, die bereits begonnene Abschriftnahme mir zur Fortsetzung
zu tibertragen. Gerne habe ich dieselbe tibernommen, gab sie
mir doch willkommene Gelegenheit, dem hochverehrten Herrn
schriftlich n&herzutreten, den auch die ihm nach seiner Be-
rufung an das Geheime Staatsarchiv zu Berlin dort obliegenden
Arbeiten nicht hinderten, mit unvermindertem Interesse alle auf
die Geschichte Ostfrieslands gerichteten Bestrebungen selbst
fdrdernd zu verfolgen. Mochten diese Urkunden sein Andenken
in dem Lande erneuern helfen, in dem er so gern geweilt hat,
und dessen Vorziige er stets ruhmend hervorhob.
Ich habe mich darauf beschr&nkt, nur diejenigen Urkunden
ganz zum Abdruck zu bringen, deren Inhalt ausschliesslich Ost-
friesland betrifft, alle anderen sind in Regestenform unter
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— 384 —
Hervorhebung des fiir Ostfriesland Wichtigen mitgeteilt. Von
der Beschreibung nichtostfriesischer Siegel wurde gleichfalls
abgesehen, sie gehort meiner Ansicht nach in eine Publikation,
die den Gesamturkundenbestand eines Landes oder einer
Korporation ins Auge fasst.
Urkunden, die bereits im Ostfriesischen Urkundenbuche
nach anderer Vorlage gedruckt sind, haben unter Angabe
etwaiger Abweichungen Berucksichtigung gefunden. Dass die
fur die Nachtrage in Betracht kommenden Urkunden nicht in
chronologischer Folge, sondern sachlich geordnet zum Abdruck
gelangen, wird man verstandlich finden. Die Inhaltstibersicht
wird dadurch erleichtert.
1.
1240 (vor August 13).
Erzbischof Gerhard II. von Bremen uberreicht einen Butteraehnten
im Norderlande, den der Bremer Domdekan Gernand vom Erz-
bischof Gerhard L erhalten hatte, nach dessen Ruckgabe dm
Cisterciensernonnenkloster Liliental.1)
Gerardus dei gracia Bremensis ecclesie archiepiscopus
secundus universis Christi fidelibus imperpetuum amen. Evane-
scunt simul cum tempore ea, que geruntur in tempore, nisi
recipiant a voce testium et scripti memoria firmamentum. No-
turn igitur esse cupimus universis Christi fidelibus presens scrip-
turn intuentibus, quod nos summam quandam butiri scilicet2)
quatuor urnas, que solvuntur annuatim in nativitate beate
Virginis pro decima quadam in terra Nordensium, quam Ger-
nandus ecclesie nostre decanus ab antecessore nostro pie re-
cordationis Gerardo archiepiscopo in beneficium acceperat, in
manus nostras resignavit et nos ob reverentiam beate Virginis
et in memoriam parentum nostrorum sanctimonialibus Cister-
ciensis ordinis in Lesmona contulimus. Ne igitur nostre dona-
tions benivolentia ab aliquo inposterum turbetur, presentem
paginam sigillo nostro facimus insigniri. Huius rei testes sunt
l) Ober die Stiftung desselben s. Lappenberg. Geschichtsquellen des
Erzatiftes und der Stadt Bremen, S. 184 ff.
•) silicet or.
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— 385 —
Johannes sancti Willehadi propositus, Arnoldus vicedominus,
Hermannus sancti Anscharii prepositus, Bernardus custos, Jo-
hannes de Beverseten, comes Lothewicus de Ravenesberge, Ja-
cobus de Urbe, Thidericus de Urbe, Hinricus de Hene, Wernerus
de Ride et alii quam plures. Acte sunt hec anno incarnationis
dominice M°cc°xl0 indictione XIa anno pontificatus nostri XXI0
Kloster Liliental No. 23.
An grunen und roten Seidenfaden hangend das weisse, guterhaltene Siegel
de8 Ausstellers.
Auf der Ruckseite von gleichzeitiger Hand: „De quatuor urnatis
butiri in Norda".
2.
1244 Juni 23.
Bremen. IX. kalendas Julii.
Erzbischof Gerhard II. von Bremen bestatigt detn Kloster Liliental
auf dessen BUte die demselben von ihm in fruheren Zeiten uber-
tragenen und namentlich aufgefuhrten Privilegien, darunter wird
genannt privilegium quatuor urnarum butiri, que annuatim in terra
Nordensium loco cuiusdam decime in nativitate beate Marie solvuntur.
Dnter den Zeugen keine Ostfriesen.
Kloster Liliental No. 30a.
Auszugsweise mitgeteiit im Bremischen Urkundenbuche, heraus-
gegeben von Ehmck und v. Bippen, I, No. 229 nach dem im Staats-
archive zu Bremen befindlichen Lilientaler Kopiar.
3.
1257 April 23.
Bremen. IX. kalendas Maji.
Nochmalige Bestdtigung dutch Erzbischof Gerhard II. von Bremen.
WorUaut wie bei No. 2. Unter den Zeugen keine Ostfriesen.
Kloster Liliental No. 39a und 39b.
Auszugsweise mitgeteiit im Bremischen Urkundenbuche I, No. 276,
nach dem Lilientaler Kopiar. Abgedruckt in Vogt, Monumenta inedita
rerum Bremensium II, 57-69.
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— 386 —
4.
1278 Mai 19.1)
0. U.-B. II, No. 1680.
Verpachtung des Zehnten im Norderlande an die Aelterleute der
S. Petribruderschaft in Norden.
Kloster Lilienthal No. 72.
Von den abhfcngenden Siegeln nur Pergamentstreifen vorhanden.
S. 647 Z. 3 omnibus tibergeschrieben.
S. 648 Z.9 lies: prior fratrum predicatorum domus Bremensis.
Z. 12 lies : Mentatus Pugil.
5.
1289 September 20. Bremen.
Erzbischof Qiselbert von Bremen fordert die Konsuln zu Norden
auf, dem Kloster wegen vorenthaltenen Peterszehnten Genugtuung
zu geben.
Giselbertus dei gracia sancte Bremensis ecclesie archie-
piscopus discretis viris . . rectoribus ecclesie et consulibus in
Norda salutem in domino. Conquesti sunt nobis dilecti in
Christo abbatissa totusque conventus sanctimonialium in
Liligendale, quod vos consules decimam sancti Petri ad duos
annos detinueritis, et licet sepius moniti fueritis super eo et
in vestris sinodis convicti tamen ipsis satisfacere non curatis.
Insuper conqueruntur, quod super eadem decima, quia . . . tis2)
temporibus ipsis non satisfacitis, diversas querimonias*facere
conpelluntur. Cum igitur ex officii nostri debito dictis religio-
sis defensionem non habentibus in hac parte consulere tenea-
mur, vos rogamus in domino pariter et monemus nichilominus
precipiendo mandantes, quatinus ad hoc quantocius inter
cedatis,8) ut retenta decima persolvatur et procedente tempore
}) Die aiteste bis jetzt bekannte Urkunde, die in Ostfriesland aas-
gestellt ist.
9) Rasur: certis oder cunctis?
•) or. interdatis.
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— 387 —
liberaliter satisfiat, ne ad dictarum sanctimonialium instanciam
et querimoniam per suspensionem divinorum et excommuni-
cacionis sentenciam licet inviti contra vos totamque universi-
tatem exigente iusticia procedere compellamur. Datum Breme
in vigilia Mathei anno domini M°cc°lxxx0 nono.
Liliental No. 86. Siegel fehlt.
6.
1299 August 9.
Bremen, in vigilia sancti Laurentii martiris.
Erzbischof Giselbert von Bremen bestatigt dem Kloster Liliental
samtliche Privilegien und Besitzungen. Unter den ihm vorgelegten
Privilegien befindet sick auch das Privilegium de decima beati
Petri in Norda.
Kloster Liliental No. 97a.
Auszugsweise mitgeteilt im Bremer Urkundenbuche I, No. 530.
Gedruckt bei Vogt, Monumenta inedita II, 116—122.
7.
1328 September 14.
0. U.-B. II, No. 1686.
Verkauf des Zehnten im Norderlande.
Kloster Liliental No. 137.
Das grosse spitzovale Siegel des Aussteilers in braunem Wachs
ist schlecht erhalten.
S. 650 Z. 2: or. terre Nordensi.
Z. 3: or. liguis testium.
8.
1328 September 28.
0. U.-B. II, No. 1687.
Schadenersatz wegen vorenthaltener Einkiinfte eines Zehnten.
Kloster Liliental No. 139.
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— 388 —
Von den 4 Siegeln sind die 3 ersten spitzovalen teilweise erhalten.
1. Siegel des Erzbischofs.
2. Petrus und Paulus in gotischen Nischen. Daruber die
Mutter Gottes mit dem Kinde (Kniestuck), darunter ein
knieender betender Geistlicher S. Folper . . . ni ecclesie
in Erie.
3. Marie mit dem Kinde stehend .... oUbitati curati in Noord...
S. 651 Z. 8: ut tibergeschrieben.
Z. 9: discretioni vestre igitur precipiendo.
Z. 17: beati Emundi.
[Die Fortsetzung folgt im XVI. Bande dieses Jahrbuches.]
II.
Ulrich von Ostfriesland als Kammerherr Karls V.
Als Edzard der Grosse unter dem Druck der sachsischen
Fehde im Jahre 1517 seinen Frieden mit dem habsburg-
burgundischen Hause machte, erfolgte gleichzeitig zur Be-
siegelung des neuen Bundnisses die Ernennung seines 1499 ge-
borenen altesten Sohnes Ulrich zum Kammerherrn des spatern
Kaisers Karl V.1) Dieser nahm den jungen ostfriesischen
Grafensohn mit nach Spanien. Wie lange er dort geblieben
ist, wissen wir nicht. Im Jahre 1527 war er wieder in Ost-
friesland, aber sein Geist war umnachtet, und als Edzard im
folgenden Jahre starb, kam deswegen sein zweiter Sohn Enno
zur Regierung. Graf Ulrich lebte in der Stille in dem inzwischen
eingezogenen Kloster Hasselt, wo er im Jahre 1531 starb. Das
ist so ziemlich alles, was wir fiber den bedauernswerten Mann
wissen. Uber seinen Aufenthalt in Spanien bemerkt Eggerik
Beninga (p. 593) noch, er sei dort vom Konige als ein Graf
mit 8 oder 9 Pferden unterhalten. Der nachfolgende Brief
Ulrichs an seinen Vater ist vielleicht das einzige authentische
Schriftstiick, das uns von ihm erhalten geblieben ist. Er
findet sich im Original in einem der seiner Zeit auf Brenn-
*) Brenneysen, Ost-Fries. Hist. T. I, lib. IV, No. 30 § 4.
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— 389 —
eysens Veranlassung angelegten Sammelbande zur ostfriesischen
Geschichte zwischen Aktenstticken und Chronikauszugen aus
der Zeit Edzards des Grossen (Msc. A. 160 des Kgl. Staats-
archivs zu Aurich).
Ulrick grave
tho Osfrislant.
Myn leve her vader vet, dat ick ghesunt un[de] x) val tho
passe byn, unde ick nu breve unfanghen he[bbe] van mynen her
vader unde ock sodane ghelt hebbe un[f]anghen, als III hundert
und seven vytick ducaten, dar ich [al] hebbe na getovet,
er ick de hebbe ghekreghen ut der . . . unde my val van-
noden vas; unde my de konick ser lef[de] unde de konick
ghat lopen de lanse tho perde alle daghe, unde he gherne de
yunghe heren ser gherne by em hevet, met em tho lopen, unde
ick dar goden willen tho hadde . so ick quat ghekledet si unde
ock ghene perde hebbe hebbe [sic!], so vulde ick mynen her
vader wruntlicken bydden an mynen her vader, dat ick muchte
krighen II gode perde, van de besten, de myn her vader hevet
unde de springhen, dat ver ick van mynen her vader wrunt-
liken begheren. unde so de konick svart draghet unde na
desen pasken vart ut don, so ick nicht val kledet, so vulde
ick gherne so val ghekledet syn, als de anderen heren . de hir
nich val kledet is, de is nich gh[e]actet. de val ghekledet is,
he is val gheactet . nicht mer ut deser tit, dan got mynen her
vader spare stark unde gesunt. datum barsolona des mit-
veken vor pasken Anno XXIII.
Ulrick ywer
Dem Edelen unde walghebornen gnade leve son.
heren Essardae ghraven tho os-
frislant Myne her vader.
Das Siegel zeigt eine Harpye ohne Umschrift.
Dr. H. Reimers.
') Die eingeklammerten Buchstaben sind, da der Text schadhaft
ist, dem Sinne nach erganzt. Die Zeichensetzung fehlt im Original
fast ganz.
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— 390 —
III.
Zur Geschichte der Hftuptlinge von Werdum und der taufgesinnten
Mftrtyrerinnen Maria v. Back urn und Ursula v. Werdum (1538—1552).
A.
Die Emder Kontrakten-Protokolle im Kgl. Staatsarchive
zu Aurich bewahren auf Seite 490 des Bandes fttr die Jahre
1548—1553 unter dem 18. August 1552 folgende Eintragung.
die Gerdt Smidt, Kiister und Organist zu Emden, im Auftrage
des ostfriesischen H&uptlings Hero von Werdum proto-
kollieren Hess:
[7. Juli 1551.]
Gerdt Smidt1), ouster u. organista, heft ein popiren brief,
an schrift wol leslichen u. popier gantz heel, gethoendt u.
wegen des erbaren Hero tho Werdum begherdt, ick den
prothocolliern wolde, welcher lueth van wordt tho worden
als volgt:
Erentveste unde frome, wyse ende vorsichtighe, besunders
ghunstighe guede frunth, wy hebben onlanx ontfangen V. L. brief,
inholdende, als solde de hoeghe ftoeth V. L. vordern, in der saecken
des brantz halven, woe vor unser stadt gescheen, sich
to purgiern unde tontunschuldigen, aller (sic!) Jw L. solde ge
stadet mogen werden ter andtwordt vor Jwen g. hern.
Dewille dan V. L. sich vor godt dar inne untschuldich kennen
unde sich oick vor idermennichlichen erbaden tho unthledighen.
des halven van uns begherende, wy de sulve hoghe erbie-
dunghe in ghunsten solden willen upnhemen unde V. L. an-
liggendt bedencken ende up den vorighen ende lesten schriften
unse andtwordt laten wedervaren widern inholtz V. L. briefs
ons thogeschickt, willen damp gueder ende waraftiger mei-
nunghe nicht vorholden, dat de sulve moerthbarnens anno
sess und viertich lestleden ongevierlichen des nachtes up
den vierden decembris vor unse stadt in grothe mennichte
van berghen, schueren, ossen, koen ende perden, saeth ende
*) Es gab in Emden zwei einander verechw&gerte Burger gleichen
Namens, die durch den Zusatz „in de Slotel" (der 8Schlussei" war ein
Haus an der Ecke der Lookfenne und der Lilienstrasse) und „by dat
kerkhof " unterschieden wurden (vgl. z. B. Kontr.-Protok. 1668, S, 63 u. 75).
Der Kiister ist wohl der letztere gewesen.
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— 391 —
koeren geschiedt is, dar aver grothe schade geschiedt is, de
mennich arm mensche alnoch nicht vorwonnen en heft. Is
oick war, dat nha der handt twe van unsen ingeseten
damp den doeth unthfangen hebben ende belyeth de
plaetze, dar sie tot den selven boesen handel gekoft sinnen,
woe voele ende wat ghelt sie unthfangen hebben mit mher ander
circumstantien. Oick vornhomen uth beliunghe van andern,
de oick darinne gerichtet ende gejustiflciert synnen, dar mher
andern over de selve oeveldaeth handtdaedich gewest synnen.
Averst wy enweten nieth, wie de ghene synnen, de de boese-
wichteren principaellicken dar tho gekoft ende bewillicht
hebben, wieten oick nieth, we der daeth schuldich synnen.
Vorder dan dar umme eens deels gestorven ende ander deils
beschuldiget synnen van den ghenen, de dar up gestorven
synnen, under de welcken beschuldighden V. vrome L. naem
Hero van Werdum nicht befonden en is. Twelck wy vor
andtwordt nieth hebben willen vorhalden V. L., de godt almech-
tich salich ende gesunth bewaeren will. Geschreven up den
soventsten julii anno etc. li. Burghermeistern, Schepen
ende Raeth der Stadt Deventer.1)
Darnach bescheinigten Btirgermeister, Schoffen und Rat
von Deventer am 7. Juli 1551 dem Hero von Werdum, dass er
bei dem Verhor von Brandstiftern, die im Jahre 1546 in der
Nacht auf den 4. Dezember bei Deventer eine Menge von „ Bergen"
(Heu- und Getreidehaufen) und Scheunen mit Vieh und Korn in
Brand gesteckt hatten, nicht als beteiligt genannt worden
sei. Wie konnte der Angehdrige eines der ersten Hauptlings-
geschlechter Ostfrieslands in einen solchen Verdacht kommen?
Durch eine zuf&llig in unsere Hande geratene kleine
Schrift: „Moordbranders in Overijssel 1648—1560", mit
den Seitenzahlen 79—122, vermutlich einen Ausschnitt aus
dem Overijsselschen Volksalmanak v. J. 1849 2), hat die merk-
l) Herr Archivrat Dr. Wachter in Aurich hat die Giite gehabt, die
Protokoll-Abschrift, die, wie es scheint, das Original wenig getreu wieder-
giebt, nochmals zu vergleichen.
*) Dies wird durch das Zitat bei Nippold, David Joris, Zeitschr. f.
d. histor. Theol. 18G4, S. 511, bestatigt. Als Verfasser wird dort Molhuysen
genannt.
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— 392 —
wtirdige Emder Urkunde einige Aufklarung erhalten. Der hol-
l&ndische Aufsatz behandelt u. a. die Brandstiftungen, von
denen Deventer i. J. 1546 heimgesucht wurde, und giebt, ohne
Hero v. Werdums Namen zu nennen und gewiss auch ohne
ihn zu kennen, wahrscheinlich die Gestandnisse der Mord-
brenner wieder, deren Mitschuldiger nach dem mitgeteilten
Schriftstticke Hero v. Werdum soin sollte. Hero v. Werdum
(gest. 1572), der Urgrossvater Ulrich v. Werdums, des Verfassers
der Historia (Series) familiae Werdumanae und andrer ungedruck-
ten Schriften, stand nach der Geschichte der Familie als Vasall des
Junkers Balthasar von Esens eine Zeit lang in geldrischen Kriegs-
diensten und war der jtingere Bruder Ursulas, der Gattin des
geldrischen Edelmannes Johann v. Beckum, die durch ihren
1544 zu Delden in Overijssel rait ihrer Schwagerin erlittenen
Feuertod als joristische Glaubenszeugin bekannt genug ge-
worden ist1). Diese Verwandtschaft muss Hero v. Werdum in
den Ruf gebracht haben, aus Rache Urheber der Brandstiftungen
gewesen zu sein. In seinem Schreiben vom 7. Juli 1551 spricht
der Magistrat von Deventer von 2 Eingesessenen von Deventer,
die vor ihrem Tode den Platz, wo sie zu dem „bosen Handel"
gekauft worden seien, wieviel Geld sie empfangen, und „mher
ander circumstantientf bekannt hatten. Alle diese Einzelheiten
kehren nun in dem Verhore vom 23. Juli 1548, das in dem
Aufsatze uber die Mordbrenner in Overijssel aus dem „ Liber
*) Ueber Hero v. Werdum, seinen unglucklichen Streifzug mit
Ulrich von Dornum an der Kuste des Harlingerlandes im Dienste des
Herzogs von Geldern 1532, seine mehrjahrige Gefangenschaft bei Folef
von Knyphausen, seinen Streit mit Fraulein Maria von Jever urn Roff-
hausen, das Stammgut seiner Gattin, und mit seinem alteren Bruder
Hicko um den vaterlichen Hauptlingssitz Werdum, der nach friesischem
Rechte dem jungeren zukam, seinen tapferen Kampf gegen die als Feinde
Junker Balthasars ins Harlingerland eingedrungenen Bremer, gibt nach
der Series farailiae Werdumanae ausfuhrliche Nachrichten G. H. Muller,
Dissert, de Orieut. Fris. dynastis (Leiden 1730), S. 00 ff. — Als nach Bal-
thasars Tode die Bremer am 1. Dezember 1540 seine Tochter Anna, Grafin
von Rietberg, und ihren minderjahrigen Sohn Johann v. Rietberg wieder
mit Harlingerland belehnt hatten, leistete Hero v. Werdum als deren
Bevollmachtigter in Bremen den Lehnseid (Emmius S. 910, Wiarda III. 2).
— Ueber Ulrich v. Werdum (1G32— 1681) vgl. Pannenborg in diesem
Jahrbuche III, 1 S. 89, XIII S. 92 und Riemann, Das friihere Werdumer
Archiv, Jahrbuch XIII S. 71.
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— 393 —
filiorum perdicionis" im Archive zu Deventer S. 100 mitgeteilt
wird, deutlich wieder. Wenn aber der Magistrat, der sich
trotz alles Wohlwollens gegen den ostfriesischen Edelmann fiir
dessen Schuldlosigkeit doch vor allem auf seine eigene Ver-
sicherung beruft, in der ostfriesischen Urkunde weiter erklart,
Hero v. Werdums Name sei in Deventer nicht genannt worden,
so weist der Wortlaut der Gestandnisse der beiden Hin-
gerichteten, wenn auch nicht geradezu auf Hero v. Werdum,
so doch jedenfalls auf einen Verwandten der Ursula
v. Beckum und zwar aus Ostfriesland hin. Von den beiden
wegen Mordbrennereien nExaminiertena (Gefolterten), Hans
Balsterkamp und Johan van Lembecke, gestand nach dem
„Liber filiorum perdicionis" der erste, die „Bergea vor Deventer
in Brand gesteckt zu haben und dazu angestiftet zu sein —
wo und wann wird nicht angegeben, ohne Zweifel aber kurz
vor den Br&nden im Dezember 1546 — durch einen ost-
friesisch sprechenden Mann auf schwarzem Pferde in
einem schwarzen mit Fluweel (Sammet) besetzten Tabbaard
(Mantel), der sich Schreiber von dem Hause „den Oirta
(Leerort)1) nennen Hess und ihm 23 Emder Gulden gab.
Dieser habe ihn gefragt: „offte sy oick gehoirdt hadden van
den twee gebrande jufferen ende om dat bloet te wreecken
(r&chen), die syn bewantschap waeren". Der Unterredung
habe ein ebenso mit schwarzem Tabbaard gekleideter Unbe-
kannter beigewohnt, und dann sei der Schreiber von Leerort
mit 4 Mann zu Fuss in 5 Tagen nach Deventer gezogen; hier
h&tte er auf dem Felde vor der Stadt das Ausbrechen der
Br&nde abgewartet; Balsterkamp selbst sei alle Nacht in
seinem eigenen Hause zu Deventer schlafen gegangen, um den
M Drost von Leerort war 1525—1541 u. 1556—1561 Eggerik Beninga
(Bartels, Jahrbuch I. 3 S. 26), 1546 JOrgen van Hoen, der den Posten
wenigstens zur Zeit der Schlacht bei Jemgum 1533 (mit Beninga zu-
sammen) und wahrend des schmalkaldischcn Krieges 1547 innehatte
(Jahrbuch XHI S. 246). Als „Hau8schreiber* von Leerort wird im Januar
1548 Johannes van Lengen schon als gestorben genannt (Emder Kon-
trakten-Protokolle zum 12. Januar 1548; Wessel Onkens handschriftliche
Chronik von Leer behauptet, sein Grabstein in Leer nenne den 20. Dez. 1545
als Joh. v. Lengens Todestag, vgl. Houtrouw, Ostfriesland I. S. 139). Dirk
Harderwyck, den wir 1551, 1554 und 1561 nachweisen konnen, war wohl
sein Nachfolger.
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— 394 —
Verdacht von sich abzulenken. Johan van Lembeckes Aus-
sage lautete ahnlich, er habe bei Leerort, wo auch Balster-
kamp mit dem Schreiber von Leerort unterhandelt zu haben
scheint, Geld erhalten, um die Berge bei Deventer in Brand zu
stecken, und der Schreiber von Leerort sei selbst auf einem
schwarzen Pferde mit 4 Personen zu Fuss mit nach Deventer
geritten, um die Missetat vollbringen zu sehen. Beide Ver-
brecher wurden am 14. November 1548 zu Deventer verbrannt
Die Vermutung, dass Hero v. Werdum als Bruder der
hingerichteten Ursula van Beckum in den Verdacht der Brand-
stiftungen bei Deventer gekommen sei, wird zur Gewissheit
durch die von Nippold, David Joris (Zeitschr. f. d. hist. Theo-
logie, 1864, S. 512), ohne Angabe seiner Quelle1) mitgeteilte
Nachricht, dass von Racheversuchen der Verwandten des
Fr&uleins und der Frau van Beckum schon im Jahre 1545 ver-
lautet habe: am 12. April 1545 meldete der Drost von Twente
der Statthalterei in Briissel, dass die Brtider derselben2) ihm
drohende Briefe geschrieben und sogar 12 Reiter ausgerustet
h&tten, gegen die er, da die ganze Gegend voller Wiedert&ufer
sei, 25 Mann Pferdevolk unterhalten zu diirfen bitte.
Der Archivar von Deventer, Herr Dr. Acquoy, hat auf
unsere Bitte die Giite gehabt, im dortigen Archive nach Hero
v. Werdum Nachforschungen anzustellen, aber weder das Kon-
zept des Briefes vom 7. Juli 1551 erhalten oder registriert noch
Hero von Werdums Brief an den Magistrat bewahrt gefunden;
er ist tiberzeugt, dass sein Name vor dem Eingange des Briefes
in Deventer in der Tat nicht mehr bekannt gewesen sei. In
*) Nach de Hoop Scheffers Inventar des Archives der taufgesinnten
Gemeinde in Amsterdam I S. 60 ist das Schriftstuck im Briisseler Archive.
2) Ursula v. Werdums Geschwister waren nach der Werdumer
Familienchronik : Hicko, Drost zu Wittmund, gest. 1549, Hero, Adelheid
und Anna, vgl. unten B. Dem Charakter Heros wiirde es durchaus
enteprochen haben, wenn er Unrecht mit Gewalttat vergolten hatte. Sein
Urenkel Ulrich v. Werdum charakterisiert ihn folgendermassen : Manu
promptus fuit et ingenio sollers, fed injurias tolerandi nescius,
ideoque Dominis hanc per oram pro lubitu tunc in fervitutem cuncta tra-
hentibus parum gratus (Series fam. Werd. in der Abschrift der „Kunst%
die aus dem Nachlasse des Freiherrn v. Bottlenberg-Kessel, des Gatten
der Nichte Ulrich v. Werdums und Erben der Werdumer Guter, stammt.
S. 172).
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— 395 —
dem Register von Deventer findet sich ein Index der Naraen, den
der Magistrat 1551 nachgeschlagen haben wird. Da dieser
Hero v. Werdums Namen nicht enthalt, so konnten Schoffen
und Rat mit gutem Gewissen bezeugen, dass sein Name in
den Gest&ndnissen der beiden Delinquenten nicht vorkomme.
Die Br&nde urn Deventer dauerten auch nach den Hin-
richtungen von 1548 fort und werden sogar noch 1559 erw&hnt.
Die Uebeltater kiindigten sich durch Drohbriefe an und unter-
zeichneten als ^Kinder von Emlichheim", die an den „Blut-
hunden von Deventer" ihre unschuldig verbrannten Eltern
r&chen wollten. Nach S. 108 des Aufsatzes uber die Mord-
brenner in Overijssel waren diese, die Briider Rolef und Jan
Morveldink aus Emlichheim in der Grafschaft Bentheim, am
17. Mai 1542 wegen Wiedertauferei und Kirchenraub gestraft
worden.1) Im August 1550 schritt ihr Landesherr, der Graf von
Bentheim, gegen die aus der Grafschaft verlaufenen Mord-
brenner ein (S. 104). Dadurch gewinnt die Nachricht bei
Beninga zum Jahre 1550 an Interesse, dass damals der
Graf von Bentheim an Biirgermeister und Rat der Stadt
Emden schrieb: „dat he idtliche Mordbarnern in syne hechte
hadde, dewelcke bekent hadden, dat oerer itliche dar to ge-
koft weren, dat se de Stadt Embden ock schulden in brant
brengen"2). Ueber den Mordbrenner Kuyper aus Cleve, einen
bei der Eroberung von Mtinster entronnenen Wiedert&ufer, der
um 1547 das Geld zu Brandstiftungen hergab und sich meist
in Jemgum, Emden, Amsterdam und Haarlem aufhielt,
wird nach dem Liber filiorum perdicionis auf S. 103 berichtet.
Fflr die Bedeutung der Emder Kontrakten-Proto-
kolle ist es bemerkenswert, dass sie auch bei Nichtemdern
l) Rolef Morveldink verriet vor seinem Tode am 17. Mai 1642 auf
der Folter als einen seiner Genossen „een cleynsmyth wonende tho
Emden Henrick gnand" (de Hullu, Bescheiden betr. de Hervorming in
Overijssel I, Deventer 1899, S. 262).
*) vgl. Bartels, Jahrb. I 3 S. 23. Brandanschl&ge auf ganze Stadte
spielen in den Gest&ndnissen der hingerichteten Wiedertaufer eine grosse
Rolle; so bekannte schon 1538 selbst Jan van Batenburg im Gefang-
nisse von Vilvoorde bei Brussel einen solchen auf Emden, wo ausser
vielen in der Umgegend wohl hundert von der Sekte seien (de Hullu S. 250.)
Anh&nger der wilden Batenburgischen Sekte der Wiedertaufer scheinen
auch die Morveldinks gewesen zu sein, vgl. de Hullu S. 258—268.
Jahrbach der Gesellsch. f. b. K. u. vaterl. Altertumor zu Emden, Bd. XV. 26
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— 396 —
fur angesehen und sicher genug galten, um fur protokollarische
Aufnahmen wie die des Leumund-Zeugnisses von Hero v.Werdum
benutzt zu werden. So liess nach der ^Series fam. Werd.c
grade Hero v. Werdum auch Schuldverschreibungen uber eine
Geldsumme, die seine Familie dem Bremer Staate geliehen.
kopieren und durch den Emder Magistrat beglaubigen.1)
B.
Im Anschlusse an das Emder Schriftstiick teilen wir
zwei unverSffentlichte Urkunden aus dem ehemaligen Archive
der Familie v. Werdum mit, durch welche die diirftigen
Nachrichten liber die Hinrichtung der Maria v. Beckum und
ihrer Schwagerin Ursula v. Werdum eine willkommene Er-
g&nzung erfahren.
Der 1502 geschlossenen Ehe des Hauptlings Ulrich v.Werdum
mit der Oldenburgerin Armgard v. Fikenfolt entsprossen zwei
Sohne: Hicko und Hero, und drei Tochter: Ursula, Adelheid,
Anna2). An der Vermahlung der altesten Tochter der seit 1530
verwitweten Hauptlingsfrau mit dem geldrischen Edelmanne
Johann v. Beckum aus Overijssel hatte wahrscheinlich die kurze
Herrschaft des Herzogs Karl vonGeldern im Harlingerlande3), die
auch den Eintritt Hero v. Werdums in geldrische Kriegsdienste
erklart, ihren Anteil. Nach der unten mitgeteilten Urkunde
vom 12. Juni 1538 wies Johann v. Beckum seiner Frau 300
Goldgulden und fiir den Fall seines Todes den Niessbrauch
von 1000 Goldgulden aus seinen Giitern Nyenhues im Kirch-
*) „Quatuor chirographa . . . sub figillo fenatus Bremensis confecta
per senatum Emdenfem folemni ritu in aliis membranis fingula
defcribi hujusque civitatis figillo apographa haec itidem firmari curarunt
(Hero u. seine Gattin), ut, autographis cafu vel vi aut fraude forfan cor-
ruptis aut interceptis, debiti tamen probatio liquida femper in promptu
efset". (S. 172 der Abschrift unserer Gesellschaft).
*) Ulr. de Werdum Historia familia Werdumanae, in der Abschrift
der „Kunst« S. 78 u. 108.
8) vgl. Klopp I. S. 349 u. 354. Um Hulfe gegen Graf Enno II. zu ge-
winnen, tauschte Junker Balthasar 1632 an den Herzog von Geldern zum
Scheine Esens gegen das Gut Rosande in Geldern aus.
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— 397 —
spiel Diepenheim (zwischen Deventer und Delden) und Brumel-
huesen im Kirchspiel Haxberge (Haaksbergen, slidl. von Delden)
zu; da die Urkunde von dem kaiserlichen Richter zu Diepen-
heim aufgenommen worden ist, darf in Nyenhues der Wobn-
sitz des Ehepaares eher vermutet werden als in dem naher bei
Delden gelegenen Beckum (j. Bekkum). An anderm Orte lebten
des Gatten Mutter und eine Schwester von ihm, Maria v. Beckum,
die sich gegen den Willen der Mutter der Sekte des David Joris *)
zugewandt hatte. Aus dem „Martelaars-Spiegel der Doops-Ge-
sindea und aus den Liedern auf ihren Tod, die ihre Antworten
auf die Fragen der Ketzerrichter nach ihrer Stellung zur Taufe
berichten, geht freilich nur ihre Zugehorigkeit zu den Tauf-
gesinnten, nicht im engern Sinne zum Jorismus hervor. Die
Wiedertaufer waren in jenen Gegenden schon lange heimisch
und hatten in Deventer ihre Anh&nger in den ersten Familien.2)
Wie gross aber grade in Utrecht und Overijssel auch die Zahl
der Joristen um 1544 war, zeigt der Prozess des am 9. August
1544 zu Deventer hingerichteten edlen Jurrien Ketel, sowie der
Druck von David Joris' Wunderbuch bei Dirk van Borne 1542
und kleinerer Traktate von ihm bei Albert Paeffraidt in Deventer
seit 1539 s), und einen Schluss auf die Zaubergewalt des Pro-
pheten auch tiber Vornehmere lasst die aufopfernde Anhanglich-
keit der adligen Antwerpener Familien van Lier und van Berchem
zu, die ihn nach Basel hin begleiteten und sich sogar mehrfach
mit ihm verschw&gerten; ebenso war Elsa van Lostadt, die
») vgl. Wolkan, Die Lieder der Wiedertaufer, Berlin 1903, S. 61 ;
ebenso aber schon, ohne Begrundung, de Hoop Scheffer, Gesch. d. Kerk-
hervorming in Nederland, Amst. 1873, S. 471. Nippold in seinem Werke
tiber David Joris (Niedners Zeitschr. f. d. hist. Theol. 1864, S. 11) bezeichnet
sie nicht ausdrticklich als Joristin. Dagegen scheint ein Brief der Regen-
tin vom 7. Januar 1545 wegen aufruhrerischer Schritte der Familie van
Beckum aus Anlass der Hinrichtung Marias und Ursulas nach dem In-
ventar des Archives der Taufgesinnten in Amsterdam I S. 57 hieruber
deutlichere Angaben zu enthalten.
*) wie in der Ratsfamilie van Winssen, vgl. Jahrbuch XIV. S. 473,
de Hoop Scheffer, Gesch. d. Kerkhervorming in Nederland, S. 471.
») Nippold, David Joris, S. 509 ff, und 516, de Hullu, Bescheiden betr.
de Hervorming in Overijssel I (Deventer 1899) S. 317 ff. Im Norden war
ein Mittelpunkt der Sekte Em den, wo David Joris wahrscheinlich von
1541—1544 gelebt hat und wo grade i. J. 1544 infolge der auf der Folter
erpressten Aussagen Ketels uber die dortigen Joristen die Duldung aufhdrte.
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— 398 —
Gattin des Drosten von Usselstein, Giesbrecht van Baeks, als
des Jorismus verdachtig, lange in Haft l). — In Deventer war die
Verfolgung gegen Jurrien Ketel zum vollen Ausbruch gekommen
namentlich durch die Denunziation der Batenburger Cornelis
Appelman aus Leiden und Willem Zeylmaker vor dem Gerichts-
hofe zu Utrecht2), und wenigstens in mittelbarem Zusammen-
hange steht damit gewiss auch die Ergreifung der Maria v. Beckum.
Das mitzuteilende Schreiben ihres Bruders an Hero v. Werdum
vom 11. Dez. 1544 giebt die Dauer ihrer und ihrer Schw&gerin
Kerkerhaft vor ihrer Hinrichtung am 13. November auf ein
halbes Jahr an, die Verhaftung erfolgte also im Mai 1544. Am
20. Mai aber meldet ein Brief der drei verbiindeten St&dte
Deventer, Kampen, Zwolle an Utrecht die Verhaftung J. Ketels,
x) Nippold S. 493 u. 525, de Hullu a. a. 0. S. 306. Mit Cornelis van
Lier, Herrn zu Berchem, bekannte Ketel nach Basel gereist und in Speier
bei Cornelis' Bruder Jan zu Gaste gewesen zu sein. Mit Anna v. Berchem,
der Tochter der Anna v. Etten und Schwester des Reynier v. B. und des
spateren Hauptes der Baseler Joristen, Joachim v. Berchem, lebte David
Joris in Doppelehe. Joria' Tochter Clara war Gattin des Joachim v.
Berchem, sein Sohn Johann heiratete Anna v. Lier, die Nichte Joachims,
eine dritte Tochter den friesischen Edelmann Gabbe van Aesgema, der
seine Gtiter in Friesland verkauft hatte und mit nach Basel gezogen war.
[Joris' Tochter Klara heiratete nach dem Tode Joachim van Berchems den
Arzt Dr. Bernhard Kirchen, der 1597 in Emden lebte und wahrscheinlich
der Verfasser der gegen Emmius gerichteten joristischen Verteidigungs-
schrift ist, Anna v. Berchem wurde spater Gattin des Rentmeisters der
Deiche, Johann Boelsen in Emden, vgl. die Emder Kontrakten-Proto-
kolle v. J. 1562 S. 484 und Nippold S. 497 (nach Emmius' Streitschrift,
„Den David Jorischen Gheest", 's Gravenhage 1603, S. 406—422)]. — Ueber
dieDrostin vonUsseltein s. Nippold S. 533; ihre Angelegenheit spielte 4 Jahre
lang, von 1544—1548, wo sie durch den Einfluss vielvermSgender Freunde,
wie des Statthalters von Overijssel selbst, endlich freigesprochen wurde ;
die Herrlichkeit Uselstein, die ihr Mann als Drost verwaltete, war Eigen-
tum des Statthalters Maximilian von Egmond (de Hoop Scheffer, Gesch.
der Kerkhervorming in Ned. tot 1521, S. 550). — Selbst der Statthalter von
Groningen, Karl von Geldern, Herzog Karls Bastardsohn, gait als Freund
der Joristen, vgl. de Hoop Scheffer S. 441, de Hullu, Bescheiden S. 296
u.302. — Wohlbegriindet ist die Bemerkung de Hoop Scheffers (S. 471), dass
in den zwanziger und dreissiger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts
die Reformation, als sie unter dem Drucke des streng durchgefuhrten
obrigkeitlichen Plakate ihrer besonnenen Fuhrer beraubt war, in den
Niederlanden vielfach die Form des Anabaptismus annahm.
a) de Hullu S. 280 und 291.
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— 399 —
die auf eine nach de Hullu durch Corn. Appelmans Aussagen
veranlasste Warnung des Statthalters von Overijssel und Fries-
land, Maximilian v. Egmond, Graf zu Buren, „van der greusamer
erdom ende secte van Batenborch, David Jorissen, Menno Sy-
monssen ende anderen, dair mede enige bynnen onsen steden
ende in den platten landen van Overijssel besmet solden synV)
Am 31. Mai scharfte die Regentin Maria von Ungarn auf Mit-
teilungen des Schout von Utrecht hin von Briissel aus in Over-
ijssel nochmals ein, „alomme nerstige inquisitie" zu tun, „om
alle . . . Herdopers oft der van de secten van Batenborch oft David
Jorisz zynde te apprehenderen . . ende daer over scerpe jnsti-
cie te doena.2) Von Anfang Juni datiert eine Verfugung von ihr
an Goesen van Raesveldt, den Drosten von Twente, liber die
Belohnung von Denunzianten der Wiedertaufer.8) In dieser Zeit
erreichte das Schicksal also auch Maria v. Beckum und Ursula
v. Werdum. „Im Jahre 1544, erzahlt der Martyrer-Spiegel der
Taufgesinnten 4), war eine Schwester im Herrn, genannt Maria
von Beckum, welche um ihres Glaubens willen von ihrer Mutter
aus dem Hause gestossen wurde; als dies im Stifte Utrecht5)
ruchbar und dem Statthalter angesagt ward, sandte er einen
Goesen van Raesveldt mit vielen Dienern, um diese Jungfrau
zu fan gen, zu ihrem Bruder Jan van Beckum, wohin sie ge-
fluchtet war. Da musste sie vom Bette aufstehen, um mit-
zugehn, und als sie da einen grossen Haufen Volks sah, der
um ihretwillen gekommen war, fragte sie ihres Bruders Weib
Ursel, ob sie mitziehen wollte und ihr Gesellschaft leisten;
welche antwortete: So Jan van Beckum zufrieden ist, will ich
gerne mit Dir gehen, und wir wollen uns im Herrn freuen.
l) de Hullu S. 280 u. 286. In dem bei Tiaden III. S. 108 abgedruckten
Liede auf Maria und Ursula heisst es: „Men deedfe te deventer
brengen voor Mynheer van ijsselstein". Dies ist der obengenannte
Maximilian v. Egmond, Graf v. Buren und Usselstein.
a) de Hullu S 282 und 295.
*) Inv. der archiefstukken b. d. Doopagezinde Gemeente te Amst. I S. 52.
4) Tileman van Braght, Het Bloedig Tooneel of Martelaers-Spiegel
der Doops-Gesinde of Weereloose Christenen, 2. Druk, Amsterdam 1685,
II. S. 65.
5) Das Nieder- und das Oberstift, Utrecht und Overijssel, waren
beide seit 1528 kaiserlich, letzteres vorher kurze Zeit eine Provinz Herzog
Karls von Geldern.
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— 400 —
Als Maria das nun von ihrem Bruder begehrte, war er es zu-
frieden, und Ursel zog mit ihr; da war die Liebe starker als
der Tod und fester als die Holle". Die Haltung Johann van
Beckums der Bitte seiner Schwester gegeniiber machen es
nicht unwahrscheinlich, dass er im Herzen den Anschauungen
seiner Gattin und seiner Schwester zuneigte. Dazu stimmen
die Worte seines Briefes, Ursula sei ihrer Schwagerin im Glauben
beigetreten (myn suster, der myn huyffrow eynen byuall eres
gelouens doin mochte), und beide seien ihrem Glauben treu ge-
blieben (myn leue huyffrouw vnnd sufter, de wyle ze eres geloues
vulherdich gebleuen fyn), die Zustimmung und Bewunderung
nicht verkennen lassen, und in mehreren Einzelheiten zeigt der
Bericht des Martyrer-Spiegels auch sachlich mit dem Briefe eine
so auffallige Uebereinstimmung und verrat eine so genaue Kennt-
nis der Vorgange im Hause des Johann van Beckum, dass bei
der Frage nach der Quelle des Martyrerbuches ausser den Liedern
auch J. v. Beckum als Gewahrsmann in Betracht gezogen zu
werden verdient. — Ulrich v. Werdums handschriftliche Ge-
schichte seiner Familie1) beschuldigt den Drosten von Twente,
Goesen v. Raesveldt, den das Martyrerbuch nur im Auftrage des
Statthalters handeln lasst, als Verwandter und zweitnachster
Erbe des kinderlosen J. v. Beckum Maria aus Habsucht, urn
durch ihren Tod in den Besitz der Giiter ihres Bruders zu ge-
langen, vor das Inquisitions-Gericht geschleppt zu haben, und
ftigt hinzu, die Strafe des Himmels habe Raesveldt getroffen,
indem von jener Zeit an stets ein Glied seiner Familie mit
einem korperlichen oder geistigen Gebrechen behaftet gewesen
sei. Von einer Schuld Goesen v. Raesveldts spricht aber weder das
Martyrerbuch noch Joh. v. Beckums Brief. Raesveldt hat fur
seine Haltung jedenfalls bei hohern Instanzen Deckung gesucht.
Das zeigt die von Molhuysen im Overijsselschen Volksalmanak
von 1849 S. 101 angefuhrte Resolution der Ritterschaft und
der Stadte von Overijssel vom 4. August 1544: „Wat raidt dat
men sail willen geven Go ess en van Raisfelt, drost van
Twente, woe hy mit den tween jufferen van Becken voirt-
varen sail. Die meynonge van Deventer, die Drost sail soe
doen, als hy dat voir Godt ende voir die werlt verantwoorden
*) HistoriaFamiliaeWerdumanae S. 176, vgl. G. H. Mtiller, De antiqu.
Orient. Frisiae dynastis S. 88.
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— 401 —
will". Ein Bericht von ihm tiber Marias und Ursulas Tod vom
12. April 1545befindet sich nach dem Inventare des Taufgesinnten-
Archives zu Amsterdam I. S. 60 im Konigl. Archive zu Briissel,
vgl. o. S. 394. — Ein tragisches Schicksal fftgte es, dass Ursulas
Fortftihrung in den Kerker im Mai 1544 nach dem iiberein-
stimmenden Berichte des Martyrerbuches und des Briefes grade
in die Zeit eines Besuches ihrer Mutter Armgard v. Fikenfolt1)
und ihrer beiden Schwestern aus Ostfriesland auf dem Gute
Johann van Beckums fiel. — Das erste Verhor hatten Maria und
Ursula nach dem Martyrer-Spiegel und nach den Liedern, die
auf ihren Tod gedichtet wurden, in Deventer zu iiberstehen,
nach diesen vor „Mynheer van Ysselstein", d. h. dem Grafen
von Buren, dem Statthalter van Overijssel, nach jenem vor
„Broeder Grouwel"; mit dem letzteren kann nur der Prior des
Predigtherren-Klosters in Zwolle, Bernard Gruwel, gemeint sein,
der seine feste Anstellung als Inquisitor in Gelderland, Friesland,
Overijssel, Groningen, Utrecht mit Nicolaus de Novaterra zwar
erst 2 Jahre sp&ter, 1546, erhielt, wahrscheinlich aber schon bei
Jurrien Ketel als solcher fungierte2). Darauf brachte man sie
auf das BHaustt zu Delden, der Hauptstadt von Twente, wofiir
aber das eine der beiden SLltesten bekannten, nur in deutscher
Bearbeitung erhaltenen M&rtyrerlieder v. J. 1545 (s. u.) Twickel
bei Delden nennt3). Nach den „Veelderhande Liedekens", liber
die unten Weiteres folgt, erschienen hier, um die Inquisition
fortzufiihren, zwei „Tyrannen aus dem burgundischen Hofa, nach
dem Martyrer-Spiegel ein ,,Kommissar aus dem Hof von Burgund" ,
was wiederum der Brief Johann van Beckums zu bestatigen
scheint. In Delden erlitten beide Frauen nach halbjahriger Haft
im Hause des Drosten von Twente, nachdem am 9. September
noch ein Erlass der Regentin an den Kanzler von Geldern uber
das Verfahren gegen sie und andere Wiedertaufer ergangen
*) Diese kann also nicht schon 1540 gestorben sein, wie die Genea-
logie der Familie v. Werdum in diesem Jahrb. IX 2 S. 51 angiebt; ebenso
lebte 1544 noch Hicko v. Werdum, den die Genealogie im Jahrbuche a.
a. 0. S. 62 i. J. 1630 vor Esens fallen lasst; nach v. Wichts Genealogien
starb er 1649.
*) de Hullu S. 331 f.
*) ,Von dannen sie gefiihret ward
Gehn Zwigkel in das Hause".
1636 war Johann v. Twyckello Drost von Twente (de Hullu S. 226).
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— 402 —
war1), Donnerstag nach Martini, d. i. am 13. November 1544 2),
in Gegenwart des Gerichtes, des Drosten von Twente und eines
kaiserlichen Kommissars des Hofes von Gelderland zu Arnhem,
ohne dass Joh. v. Beckum oder seine Mutter vorher davon in
Kenntnis gesetzt waren, den Tod, indem sie, an 2 „Pfosten6
geschlagen, im Feuerrauche erstickt („gesmoickttt) wurden. Noch
am 11. Dezember hingen trotz aller Bemiihungen des Bruders und
des Gatten, wie dieser seinem Schwager meldet, die Leichname
liber der Erde. — Ursula v. Werdums letzte Augenblicke schildert
am genauesten der Martyrer-Spiegel: nachdem Maria v. Beckum
geendet hatte, mahnte der Prediger von Delden (als Beichtvater
vor der Hinrichtung) Ursula nochmals vergebens, zu widerrufen
und zur Begnadigung zum Tode durch das Schwert zu bitten ; als
sie auf den Scheiterhaufen trat, entglitt ihr Fuss; „mich diinkt,
ich falle", sagte sie; - „halttf, rief der Tyrann, „sie will wider-
rufen"; - „neina, sprach Ursula, „der Block glitt mir nur aus,
ich will nicht in Gottes Wort wanken". — Nach Ostfriesland,
wo die Verwandten durch die langst zurlickgekehrte Mutter, die
Schwestern und durch den miindlichen Bericht eines Boten
vorbereitet waren, drang die „fliegendeK Kunde schon nach
wenigen Tagen, sodass Hero und Hicko v. Werdum, die wahrend
der halbjahrigen Untersuchungshaft in der Sache ihrer Schwester
untatig geblieben zu sein scheinen, sich bereits am 18. November
bei ihrem Schwager liber das Ausbleiben einer schriftlichen
Mitteilung beklagen konnten. Die Antwort darauf ist das
unten folgende Schreiben Johann v. Beckums vom 11. Dezember
1544. — Es mag nicht unerw&hnt bleiben, dass Ursulas jungere
Schwestern sich ihrer nicht unwiirdig zeigten; beide verliessen
nach der Familiengeschichte S. 177 zur Zeit der strengen Durch-
flihrung des Interims in Ostfriesland 1549 um ihres Glaubens
willen das Vaterland, Adelheid gelangte nach Holstein und
vermahlte sich einem preussischen Edelmanne Joh. v. Syck (?),
Anna nach Pommern, um sp&ter einem Adligen aus der Familie
v. Winkel die Hand zu reichen.
x) Inventaris der archiefstukken b. d. Doopsgezinde Gemeente te
Amsterdam I S. 55.
*) Nippold, S. 511, setzt ihrenTod irrtumlich vorKetelsEnthauptung;
die ostfriesischen Quellen geben samtlich mit Unrecht als Todesjahr 1545 an
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— 403 —
Der Tod der „Schwestern von Beckum" gehort zu den be-
kanntesten Martyrerhistorien der Taufgesinnten. T. v. Braghts
Marty rerbuch illustriert ihn durch ein Bild. Von den zahl-
reichen Lie der n, die auf ihn gedichtet wurden und auch uber
die Grenzen der Niederlande hinaus Verbreitung fanden, sind
nach Wolkan1) noch folgende nachzuweisen:
1. und 2. 2 Lieder, die schon im Jahre nach ihrem Tode,
1545, ohne Zweifel in den Niederlanden, entstanden, in deutscher
Bearbeitung erhalten in dem M&rtyrerbuche des Lutherischen
Predigers Ludwig Rabus (Rabe), Historien Der Heyligen Auss-
erw61ten Gottes Zetigen (Strassburg, 8 Teile, die von 1552 bis
1558 erschienen), im III. Bande (1555):
1. nAllhie will ich vbersumme*,
2. j, Nun lasst vns fr ditch heben an* ,
in Auszugen bei Wolkan und bei Sepp, Geschiedkundige Na-
sporingen II. (Leiden 1873) S. 78. Rabe, der nicht wusste, dass
Maria und Ursula Wiedert&uferinnen waren, fuhrt die Lieder
mit folgenden Worten ein: „Von diesen zweyen Gottseeligen
Junckfrawen vnd lieben Schwestern . . . Seind im vergangenen
M. D. vnd XLV. Jar ein Spruch vnd Lied aufsgegangen, welche
ich zu trost vnd erinnerung dem Junckfreiiwlichen stand, hier-
nach hab setzen wollen u. s. w.tf. Das 2te Lied ist nach Wolkan
mehrfach in Niirnberg und Zurich gedruckt worden.
3. Ein niederl&ndisches aus 29 Strophen bestehendes Lied,
das sich zuerst in dem zweitaltesten Martyrer-Liederbuche der
niederl. Taufgesinnten, dem 1563 (wahrscheinlich in Em den
bei Nic. Biestkens van Diest) gedruckten und oft wiederauf-
gelegten: „Een Liedtboecxken tracterende van den Offer
des Heeren", S. 8 findet2). Hier ist es das dritte von 25, die
*) Wolkan, Die Lieder der Wiedert&ufer, S. 129 f. (No. 1 u. 2), S. 60,
vgl. S. 129 und 131 (No. 3), S. 98 und 133 (No. 4 und 5), S. 128 (No. 6),
S. 129 (No. 7).
*) Das aiteste (Een Geestelyck Liedt-Boecxken etc.) war von David
Joris selbst (Wolkan S.68). Ueber Em den als Ort des Druckes von No. 3
8. Doedes, Nieuwe bibliographisch-historische ontdekkingen, Utrecht 1876,
S.63 f., de Vries, Ostfries. Monateblatt 1878 S. 493. Das „Liedtboecxken«
ist der zweite Teil zu dem 1562 erechienenen „Het Offer des Heeren*,
das Bekenntnisse, Testamente und Briefe gefangener Briider an ihreVer-
wandten und ihre Gemeinden enthalt. Auf die zweite Auflage von 1567
(Doedes S. 68) bezieht sich vermutlich folgende interessante Bemerkung
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mit einer Ausnahme von Hinrichtungen der Jahre 1544 — 1561
handeln. Es beginnt mit den Worten:
vDroefheit toil ick nv laten staen
En singhen met verblyden."
Melodie: „De May staet nu in zyner tijttf. Von No. 3 ist No. 6
eine schweizer Bearbeitung in deutscher Sprache.
4. nJck heb droefheyt vernomenu,
nach der Weise: „Het daget uyt den Ostena. Dieses aus Tiaden
G. 0. III. S. 108 bekannte 9strophige Lied stammt aus dem
mennonitischen Gesangbuche „Ueelderhande Liedekens8,
dessen erste bekannte Ausgabe 1569 l) erschien, S. 161* (Wolkan
S. 77). Eine deutsche Bearbeitung ist davon
5. nAch Gott ich mag wol trawren*,
in dem zwischen 1565 und 1569 gedruckten „Ein schon gesang-
btichlein Geistlicher Liedertf S. 134a (Wolkan S. 90 f.).
des Genters Marcus van Vaernewyck in seinem Tagebuche uber die Er-
eignisse in seiner Vaterstadt von 1566—1668 (Van die beroerlicke tyden
in die Nederlande tn voornamelyck in Ghendt; 5 Teile, herausg. 1872—1881
durch F. Vanderhaeghen von der Maatschappij der Vlaamsche Bibliophilen
in Gent), II S. 342, zum 20. August 1567, aus Anlass der Verhaftung von
6 Wiedertaufern in Antwerpen am 10. August: Men zecht, dat alsnu die
Anabaptisten een boucxkin laten uutghaen, dat heeten zij .vanden
helighen ghezanghe". Ten zijn gheen psalmen Davidts, maer nochtans
(zo ic ghehoort hebbe) vul tecxt der Scrift ghesteken, daer zeer grooten
aerbeyt up ghedaen zoude zijn; ende zijn ooc veel liedekins van
hare voor justicie ghestorvene broeders ende zusters, zoo
zijse noumen, die haer offeranden ghedaen hebben (die den Martyrertod
gestorben sind), wat zij spraken in hare examen ende uuterste, ende wat
men tot hemlieden zoude ghezeyt hebben. Dit boucxkin ghecommen
zijnde onder die handen der Calvinisten, zoo hebben zijt ghevisiteert
ende tzelve laten herdrucken, daerin stekende sommighe dijnghen
vanden haren ende uutlatende sommighe propoosten vande Doopera ghe-
zinde* etc. — Nach Doedes, Collectie van Rariora *, Utrecht 1892, S. 99,
ist 1887 von dem Genter Professor P. Fredericq noch eine zwischen der
von 1562 und der von 1567 liegende Ausgabe des B Offer des Heeren" auf-
gefunden worden.
') in Emden? Ein ganz ahnlich betiteltes Buch: .Veelderhande
gheestelyke Gereform. Liedekens, wt den Ouden en Nieuwen Testament,
gestelt op A.B.C.", 8°, erschien in Emden schon 1558, vgl. Nijhoff, Bibliogr.
Adversaria V, Amsterd. 1883—1886, S. 251. Die mennonitischen ,Veelder-
hande Liedekens" kamen nach J. te Winkel, Gesch. d. Niederl. Literatur, in
Pauls Grundri88*, 1902, S. 506, schon 1560 bei N. Biestkens heraus.
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— 405 —
6. ^Trawren toil ich stehn lassen
Vnd singen mit begir",
in dem Gesangbuche der Schweizer Taufer, das in dem altsten
bekannten Drucke von 1583 den Titel fdhrt: „Aufsbund Et-
licher schoner Christlicher Gefenge", S. 93 (Wolkan S. 118) : „Ein
ander schon lied vnd wunderwirdige geschicht von zweyen
weibsbildern, bey welchen Gottes liebe fiber alle ding st&rcker
dan der todt gewesen. Geht in der Toler Melodey, zu Delden
im Niderland geschehen. Oder wie man den Konig in Ungern1)
singta. Es ist eine 43strophige Bearbeitung von No. 3, dem
29strophigen Liede aus dem Liedtboecxken van den Offer des
Heeren: „Droefheyt wil ick nu laten staentf.
7. ein nach Wolkan vom Baron Sloet tot Oldhuis im
Overijsselsche Almanak 1837 mitgeteiltes Lied, fiber das bei
Wolkan nahere Angaben fehlen.
Fur die Zusendung der Urkunden im Originale sind wir
Herrn Hauptlehrer D. Hohnholz als Bibliothekar des Jever-
landischen Vereins ffir Altertumskunde, dem nach dem Tode
der letzten Erben der grosste Teil der noch erhaltenen Ur-
kunden des Werdumer Familienarchives ttberwiesen worden
ist2), ffir die Lesung und Erklarung mancher zweifelhaften
Stellen, namentlich in dem Briefe, der zwar sch6n geschrieben ist,
aber durch seine Anakoluthe, Parenthesen und sonstigen sprach-
lichen Eigentfimlichkeiten Schwierigkeiten bietet, Herrn Dr.
Acquoy, Archivar der Stadt Dev enter, vor allem aber Herrn
Privatdozenten Dr. Borchling zu Gottingen zu grossem Danke
verpflichtet.
1.
Ehevertrag zwischen Johann van Beckum und Ursula von Werdum.
12. Juni 1538.
Ick Dasel van Bryfach, in der tyt eyn gefwaren Rychter
toe Dyepenhem van wegen keyferlycke Maiefteit, bekenne
vnd betughe in deffem apenen befegelden breve, dat vor my in
f) „Ein hupsch lied von Ktinig Lasla (von Ungarn und Bohmen,
f 1457), vgl. Vilmar, Handbiichlein ffir Freunde des deutechen Volksliedes \
1879, S. 25.
*) vgl. Riemann im Jahrbuche XIII S. 78.
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— 406 —
enen apenen gehegeden gerychte, dar ick ftede vnd ftoel des
gerychtes myt ordele vnd rechte ind1) myt mynen kornoten
ind gerychtes luden hyr na befchreven ind befetten hadde, als
ick myt rechte folde, is gekomen de Erentfeste Johan van
Beckem ende2) junffer Vrfule van Werdem, fyn echte huyf-
frauw, ende hebben fych malkanderen betuchtiget oer twyer
leven lanck. Ten erften hefft Johan van Beckem vorgefcr. ge-
geven fyner huyffrauwen drey hondert golden gulden
achtentwyntich brabantz ftuver valuerende vor den gulden tot
ener morgengave8), ind, offt Johan van Beckem vorgefcr. er
ftorve dan fyn huyffrau, hyfft hye oer gegeven dufend go It-
gulden tot ener lyfftuch wth fynem Erve ind gude, geheyten
Nyenhuys, gelegen in dem kerfpell van Dyepenhem, ind
wth beyde Brumelhuefen, gelegen in dem kerfpel van Hax-
berge, ind vort wt al fynen anderen gude, dat hye hefft,
affkrygen mach, vor welker dufent golt gulden geven folt
Johan van Beckem vorgefcr. fyn erfgenamen alle jar vp fant
Merten vyfftych golt gulden, fo lange als junffer Vrfule vorgefcr.
levet, ende fal in alien gude, ryede ende vnrede, blyven ende ge-
bruken tot der tyt toe, dat der junfferen vorgefcr. dye drye
hondert golt g. vorgefcr. ryede betalt fynt ende bewyssinge ind
veftenyffe gedaen is jarlyckes vor dye vyftych golt g., fo lange
als fye levet. Vort hefft de vorgefcr. junffer weder gegeven
Johan van Beckem vorgefcr., off fye erft ftorve, al oer kleder
ind kleynheyt, dat hye dat gebruken fal tot fynen beften vor
om ind fyn erffgenamen. Ende wes fye anders achter laet, dat
fy lant, rente off erfftael, fal Johan van Beckem vorgefcr. ge-
bruken fyn leven lanck, ende dan fait weder komen vp junffer
Vrfulen vorgefcr. erffgenamen. Daer dit aldus gefchyede, were
myt my Dafel van Bryfach rychter vorgefcr. an ind aver als
kornoten ind gerychtes luyden dye Erentvefte Johan van
Warmeloe ind Sweder van Warmeloe ind mer guder mans,
dye oer oerkunde myt my dar vp ontfangen hebt. Ind des
toe tughe der warheyt aller punten vorgefcr. vaft to blyven
fonder argelyft, so heb ick Dafell Rychter vorgefcr. vor my ind
myne kornoten vorgefcr. myn segell an deffem breff gehangen.
l) verbessert aus „vnda.
a) fur „endea steht immer nur die Abkurzung „en.".
8) „margengavea scheint darzustehen.
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— 407 —
Noch om bede halven ind merre veftenyffe hebben wy Johan
van Warmeloe ind Sweder van Warmeloe als kornoten ind
lenmans ind Borchmans vp huys to Depenhem vnfe twyer
fegell myt an deffen breff gehangen ind getuchniffe myt an
den leen heren geven wylt, alf des van noden ys. Noch om
merre veftenyffe wyllen heb ick Johan van Beckem vorgefcr.
myn fegell myt an deffem breff gehangen. Gegeven int jaer
onf heren dufent vyffhondert ind achtendertich vp dach Odulphi
confefforis.
Collacionata diligenterque perlecta eft prefens copia per
me Johannem Swane Notarium publicum, et concordat de verbo
ad verbum cum fuo vero originali, sigillato non cancellato neque
in aliqua parte variato, quod atteftor manu propria.
Die Unterschrift des Notars fehlt.
Brief Johann van Beckums an Hicko und Hero v. Wcrdum uber
den Tod ihrer Schwesier Ursula v. Werdum am 13. November 1544.
11. Dezember 1544.
l) Mynen ffruntlicken denft vnnd wes jck lieues vnnd gudes
vermach te voiren. Erbair vnnd Erentfeft gunftighen leuen
swegers, jw fchryften denn2) xviijten nouembris nv verleden
dair heb ick vp ontfangen vnnd eres jnholdes vermerckt, Alff
gy dan vnnder3) anderen dair jnne vermelden, woe gy vloch-
inerynghe tydonghe4) erlandt, wat geftalt jwesuster, myn
leue huyffrow zeliger, klegelich vnnd ellendich vp die vleyf-
*) Die Schreibweise des Originals ist mit alien ihren Eigentumlich-
keiten mOglichst getreu beibehalten; nur sind, um dem verworrenen Stile
des Briefes ein wenig aufzuhelfen, einige Klammern eingesetzt.
") Die Handschrift hat „dem". Gemass der damals vielfach herrschen-
den Mode lasst Joh. v. Beckum gem den 4. Grundstrich des nn fort, vgl.
unten „dem drosten", „tkemynghe", „dem zilen", „doedem lichame", „dem
xiten decembris* u. s. w. (B.)
•) es stent nur „vnnd" da.
4) im Fluge zugekommene Kunde, vgl. LQbben-Walther, Mnd. Hdw.,
8. v. vlochmfire; das davon gebildete Adjektiv ist vlochmGrich (B.), wovon
„vlochmerynghe" eine overijsselsche Form sein muss, vgl. u. sachtersten-
dongen pennongen".
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— 408 —
banck geffort vnnd gebracht fy, vnnd beffremdt jw nycht wei*
nych, dath ick fodans by my (gelickffals zy ellende vnnd ver-
laiten geweft)1) daelgelecht2) vnnd jw die geftalt vnnd gelegent-
heit vnangezet3) edder verftendiget4) hebben laiten, deff gy jw
by juwen g. h. vnnd anderen juwen fTruntfchap myth alien
voeghen tzo5) beclaygen hedden, woe gy des dan oick myth
reden tdoinde0) bedacht, vnnd dairop mach ick jw, woe wall
ich bedroueden gemoethe, nycht verbergen. Naedem mynner
lener hnyfffrouwen, oick ju we moder vnnd beide sufte-
ren alhir by my vp mynen huyfe geweft ter tyt, alff myn
sufter Merrie vnnd myn leue huyffrow vann hyr gehalt
durch denn droften van Twenthe, Goesen van Rayf felt,
oick gefien vnnd gehoirt, woe jn anuanghe mythem gehandelt
vnnd vth wath orfaicke myn sufter angenamen, der myn huyf-
frow eynen byuall eres gelouens doin mochte7), die jw dath
felue dan funder alien twyuell grontlick vnnd genochfum an-
gedragen vnnd vortan tkennynghe gegeuen, verwondert my
oick nycht weinycht, gy my vpleggen mogen, jck juw dath
felue hebbe vnuerftendiget gelaiten. Jck hedde yo denn handell
nycht eygentlichen auerfchreuen konnen, alff8) die moder vnnd
sufters felueft gefien vnnd gehoirt hebben, jck jw oick dair nae
by eynen kundigen baden, denn die moder vnnd sufteren by
my gehadt, myth alien vurftendicheit, jck vnnd die ghenne
vthem haue konnen9) fynnen10), montlick ontbaden, woe wall ick
') Das Subjekt zu diesem eingeschalteten, wohl nicht wie die urn-
gebenden Satzteile aus dem Sinne der Brdder v. Werdum gemeinten
Satze ist sicher der Schreiber, und dieser scheint ausdrQcken zu wollen,
dass er gleichfalls (wie seine Gattin) von alien im Stiche gelassec
worden sei. (B.)
2) bei mir niedergelegt, im Herzen verschlossen.
•) sollte B vnangezet" eine seltene Bildung mit Ausfall des g= 8un-
angesegt" sein, wie oben erlandt = erlangt? (B.)
4) Text: verftendigz (mit geschwanzten z).
6) DieseForm findet sich auch sonst in overijsselschen Urkunden. (A.)
•) te doinde.
7) der sie im Glauben beizutreten im Stande war d. i. wagte.
8) eygentlichen = genau, bestimmt; man muss wohl ein „80" davor
erganzen. (B.)
•) mit aller Verstftndigkeit, mit der ich und diejenigen aus dem
Hofe (meinem Gute) (es entbieten) konnten?
,0) unerkiart.
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— 409 —
dairop van jw vnnd antwoort vnnd verftrotynghe1) verweruen,
vnnd mach juw ytzundts dair beneuen vnuermeldet nycht
laiten, woe wall jck verhaept hedde, angefyn vpgemelter
drofte myner leuer huyffrouwen vnnd sufter zeliger vngeuer-
lich eyn hallef iairlanck by fich vp syn huyffe jn ver-
waringhe gehadt heift, die faicke folde myth em toe
betteringhe gereicht hebben. Sus, leuen swagers, hadde my
deff wall hoichlich vnnd ellendich ain jw tbeclaigen, dath juw
fifromme lyffden sufter, myn leue huyffrouwe zeliger, vann juw
vnnd sampten ffruntfchap verlaiten is worden, des2) jck dem
almechtigen jnder eewecheit hebbe tbeclaigen. Sus kan jck juw
lyffden leider nicht verbergen, soe fynt dannoch myn leue huyf-
frouw vnnd sufter, de wyle ze eres geloues vulherdich gebleuen
fyn, fynnen fie deff donrethages nae Martino3) neftuergangen
vann wegen der Roemfcher Key. Mat. durch eynnen kommef-
farium van Am hem vthem lande vann Gelren jn bywefen
deff gerichtf, die droste van Twente etc. (myn moder vnnd jck
vnnd onfe ffruntschap eyn eyntlick bewettz4) deff gerichtf -
dages nycht gekregen) an alle onfe gerechtonghe5) an twe
poste geflaigen, myth vur sunder enyghe benedynghe6)
omgebracht vnnd gefmoickt,#denn zilen der almechtige
genedich vnnd barmhartich fyn wyll, vnnd hangen oick noch
alfoe bauen aerden, woe wall wy alhir, vmder doedenn lichame
ter aerden toe krigen, myth alien vlydt vnderftanden, vnnd
ftain noch duffer tyt geffeilt. Wy fynt dan noch deff beften
verhapende. Nv konne gy wall bedencken, dathir an vorerst
nemantz leder gefchein is alff my, vnnd foe jck myth toedaet
*) unverstandlich. Der Sinn scheint zu sein : wie wohl ich von Euch
Antwort und VertrSstung (Hulfe) erwartet hatte. [Das erste „vnnda ist
gewiss zu streichen, „verstrotynghea wohl nichts anderes als Schreib-
fehler f&r „vertro8tynghee. (B.)]
*) Das Papier hat hier ein Loch, vor dem nur „dea noch erhalten ist.
*) 13. November. „ Martino" auffallend fur das gewShnliche „ Mar-
tini". (B.)
4) = Beweis, gerichtliche Anzeige? (vgl.die Form „Kretz* ftir „KreisK).
[Ich mSchte das geschw&nzte z in en auflSsen: beweten = bewetent
(sub8antivierter Infinitiv), Kunde, Meldung. (B.)]
B) ohne alle unsre Gerechtsame (vgl. Schiller-Lubben u. d. W.
gerechtinge).
•) Benedeiung, religiose Trostung? (B.)
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— 410 —
myner ffruntschap denn ellenden handell hedde beren1) vnnd
verholden konnen, dairom folde ick myn lyff und guydt nycht
gefpaert hebben. Vnd bidde dairom ffruntlick, juw lyffden my
juwen guden raidt vnnd wallmenonghe myth deillen wyllen
myth reden vnnd befcheit jnduffer faicken vortan aim beften
tdoin fyn willen. Dan foe duffe juw fchriften ain my nycht
gekomen weer, wolde ick doch deffeluen ain jw liffden toe
vorderynthen2) auer gefcreuen hebben. Dair myth fy juwe
lyffden myt fampter ffruntfchap dem almechtigen beualen
Gefcr. jn anno 1.5.4.4. denn xiten decembris.
j(uw) l(yfTden) z(wager)
Johan van Beckm.
manu propria.
Oick, leuen swagers, soe my juwe ffromme lyffden fcryuen
alff angainde denn achterftendongen pennon gen, dairop leider
kan ick juw lyffden nycht toe duffen fchryuen, sunder ytfelue
mach ftain tot fynre tytltdath wy der faicken wyder durch
bykumpft eeder anders durch verfchryuynghe fych deff geuelt8).
Aufschrift: Dem Erentfeften vnnd Erbairen Hicko vnnd
Hero van Werdum gebroederen, mynen gunftighen vnnd
ffruntlichen lieuen swagers, ffruntlick gefcr.
F. Ritter.
*) so steht deutlich da; es ist aber vielleicht ,keren" (hindern) gemeint.
[Sollte „beren" nicht = „beteren" sein? (B.)]
*) , vorderynthen- halte ich fur verschriebenes Oder unorthogra-
phisches „vorderinchen" = Bvorderynghen" (FSrderung). (B.)
•) gevellen = „gefallig" machen, beilegen? (A.) Nach „dath wy*
mtisste „ gevellen * folgen (dass wir die Sache beilegen), der Schreiber
hat aber das Subjekt „wya aus dem Auge verloren und „sich beilegt*
gesetzt, al8 ob Bdie saicke* Subjekt ware (dass die Sache beigelegt wird) ?
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— 411 —
IV.
Edzard II. und sein Bruder Johann am schwedischen Hofe.
Am 1. Oktober 1559 verheiratete sich Edzard II. zu Stock-
holm mit der schwedischen Prinzessin Katharina, einer Tochter
Gustav Wasas. Sein Bruder Johann hatte ihn nach Schweden
begleitet. Man befand sich bereits auf der Riickreise, als dieser
infolge eines seltsamen Liebesabenteuers mit einer der jiingeren
Tochter des KGnigs auf unfreiwillige Weise mit Bruder und
Schw&gerin noch langere Zeit im Lande der Mitternachtsonne
zurtickgehalten wurde. Ein paar eigene Zeugnisse der Grafen
Edzard und Johann mogen uns die damaligen Vorgange in
Schweden vor Augen fiihren.
Auf dem Reichsarchive zu Stockholm (Sign. E. VII. For-
handlingar med Ost-Friesland) fand ich im Herbste 1902 die
gleichzeitige Abschrift eines Briefes von Johann an seine Mutter,
die Grafin Anna von Ostfriesland, der er fiber diese Ereignisse
berichtet :
Wolgeborne und Edle fruntliche Liebe fraw mutter, Jch
magk meiner hertzlieben fraw mutter inn aller gehorsamcheit
nicht verhalten, das ich, Gott bessers, inn grossen unfall und
ungliick kommen bin und die Kon. Majt. zu Schweden sehr iiber
die massen hart verzornet hab und zu ungnaden bewogen.
Welchs myr, weiss Gott, herzlich leyde ist, nemblich das ich
auf einem Schloss Watstein genandt der Kon. Majt. zu Schweden
zugehorigk zu Jhrer Majt. geliebten Tochter frehlin Cicilien ezliche
mahl durchs fenster inn ihr schlaffkamrner bey nacht Zeiten
gestiegen und zuletzt dar innen ergriffen worden, und hab
ich armer mensch vor grosser Lieb, welche mich so geblendet,
nit k5nnen gedenken, was jammer und nodt mych hieraus
entstehen wtird, und wie in grosse ungnade der Kon. Majt. ich
fallen wurde. Wodurch dann J. Kon. Majt. geliepte Tochter ann
ihrem guten gertichte merglich geschwecht und inn ein oflentlich
geschrey kommen. So ist derohalben mein bitt und begehr,
mein hertzlieb fraw mutter wille nach betrachtung dieser hoch-
wichtigen sachen, damit ich die Kon. Majt. zu Schweden verzornet
und Sr. Kon. Majt. ungnade auf mych geladen, sich ihres armen
Sohns erbarmen und ihr mutterlichs hertz, nit von myr wenden,
sondern mit allem fleis darann sein und auf mittel gedenken,
Jahrbach der Gwellsch. f. b. K. u. vaterl. Altertumer zu Emden, Bd. XV. 27
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— 412 —
das die Kon. Majt. zu Schweden mochte zu frieden gestellet und
gentzlich vorsonth werdenn. Welchs dan ohn vorzugk getrieben
mufste werdenn, dan mein liebe fraw mutter wall zu erachten,
who solchs nit geschicht, inn was vhor gefhar meynes lebens
ich dan stehen werde. Darumb bitt ich nach wie vhor, meyn
hertzliebe fraw mutter wolle ihr armes kindt in diesen nothen
nitt vorlassen vnd myr mein iibertretung vorzeihen und Gott
den allem&chtigen bitten, das er mych meyn siinde gnediglich
vorgeben w&lle und sein htilffe neben der K. Majt. und frunt-
schafft gnediglich vorlihen, auf das ich durch seine gdttliche
gnad, meiner fraw mutter und fruntschafft magk aus dieser
nodt errettet werden, dan who Gott der allemechtige sein handt
von myr abziehen wtirde, welchs ich dan nicht hoffe, dafiir ich
auch tagk und nacht bitten will, auch mein liebe fraw mutter
neben der fruntschafft Jhren muglichen fleis mit fhurwenden
werden, auf das die Kon. Majt. zu Schweden vorsonet und zu
frieden gestellet werden mflchte, so ist es mit myr aus. Jch
vorhoffe aber, Gott der allemechtige, meine Liebe fraw mutter
und fruntschafft werden mych nit vorlassen, Sondern mich
aus dieser nodt und grosser gefhar meines lebents helffen,
darinn ich mich lei der geftiret und gebracht und mich nhu
selbest nicht daraus helffen kann. Hiemit will ich meine fraw
mutter Gott dem allemechtigen bevhelen, bittende nach wie
vhor, mein hertzliebe fraw mutter wille sich dies doch alles
zu hertzen gehen lassen und mein grosse nodt, gefhar und
elend ansehen und ohn einig vorzugk dartzu gedenken, das
die Kon. Majt. zu Schweden m5ge vorsonet und zu frieden ge-
stellet werden, who anders mein liebe fraw mutter ihren
armen Sohn lebendigk zubehalten begehret. Diss alles will ich
nach kindlichem vormuegen und gehorsamheit, so lange myr
Gott lasset leben, wieder vordienen. Datum Orby, den 3. Aprilis
anno 60.
E. L. gehorsamer Sohn
Johan Graff und her zu
Ostfriefslandt.
Beinahe ein Menschenalter sp&ter, kurz nach dem Tode
des Grafen Johann, fand sein Bruder Edzard Gelegenheit, sich
bei einer Audienz iiber jene Vorg&nge in Schweden zu Sussern.
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— 413 —
Die Veranlassung dazu fiihrt uns in die Streitigkeiten Edzards
mit seinen Unterthanen hinein. Im August 1591 hatten einige
angesehene Norder Burger1) eine Btirgerversammlung in der
dortigen Kirche einberufen und im Einverstandnis mit der-
selben, wie sie glaubten, nach gutem alten Rechte, an Stelle
der bisherigen Norder Schiittenmeister neue verordnet, ohne
sich dabei der Zustimmung des Grafen zu vergewissern.
Edzard sah dies als einen Eingriff in seine Hoheitsrechte an,
liess die Veranstalter der Versammlung auf die Burg zu Berum
laden und ihnen dort durch eine besonders hierzu ernannte
Kommission, bestehend aus den Doktoren bez. Lizentiaten der
Rechte: Alrich Schluter, Hermann Meyer, Franziscus Baude-
mont, Heinrich Over und Germans Ennen, sowie dem Emder
Ratsverwandten Johann Wilken, den Prozess machen. Infolge
dessen blieben sie dort fast ein Jahr lang in Haft, obwohl
von anderer Seite die Strafbarkeit ihres Verfahrens bezweifelt
wurde. Am 6. September war die grafliche Kommission ein-
gesetzt, am 31. Oktober scheint bereits ihre Verhaftung erfolgt
zu sein, denn bei Edzard erscheinen an diesem Tage die Norder
Geistlichen Elsenius und Schtinemann mit dem Advokaten
Dr. Llibbert Hoffschlag,2) um fur die Gefangenen einzutreten,
freilicli ohne bei dem Grafen, der als erste Bedingung
ein offenes Schuldbekenntnis der Radelsfuhrer fordert, etwas
zu erreichen. Am 12. November begeben sich Hoffschlag und
Elsenius mit dem gleichen Anliegen wiederum zum Grafen,
auch diesmal ohne jeden Erfolg, denn wenige Wochen spater,
am 26. November, l&sst Edzard die Haft sogar dahin versch&rfen,
dass auch die Frauen der Gefangenen nicht mehr ohne seine
Erlaubnis zu ihnen gelassen werden sollen. Ein Bericht uber
diese Audienz mit den Auslassungen des Grafen uber seine
schwedischen Erlebnisse fand sich in einem alten graflichen
Protokollbuche. Hierher hat Brenneysen denselben abschreiben
und einem seiner historischen Sammelbande einverleiben lassen.
(Msc. A. 164 des Kgl. Staatsarchivs zu Aurich.)
l) In der Emder Apologie von 1602 p. 15 werden 6 mit Namen ge-
nannt: Christoffer Folckersheim, Hayo Rikenna, Otto Frederichs (v. Wicht),
Otto Ldringk, Eggerik Ulrichen, Herman Sanders ; die grafliche Vollmacht
fur die Untersuchungskommission macht ausserdem noch Dirk Glasemacher
und den Notar Johann Gerdes namhaft.
*) an einer anderen Stelle wird der Name BHofschlacht" geschrieben.
27*
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— 414 —
Esctractus Protocolli vam 12ten Nov. 1591.
fol. 147 b.
In Sachen der gefangenen Burger zu Norden ist uff aber-
malige tiberreichte Supplication und Bericht, den intercessors,
Dr. Hoffschlag und Pastorn Bernhardt) Elsenio, im Beysein der
durchlauchtigen hochgebohrnen, meiner gn&digen Fttrstin und
Frauen, zum Bescheid gegeben: S. G. hSLtten jetzige suppli-
cation und beygeftigten Bericht vorlesen, befunden aber noch
nicht, dass jiingstem Abschiede gemass sie die Gefangene sich
subraittireten, ihrer Misshandelung erkenneten und derowegen
schuldige gebiihrende Abbitte th&ten, sondern vielmehr in fac-
tum gleich wie vor und, als ware daran wohl und nicht ftbel
gethan, defendiren wolten; derowegen, und weil dann ihnen
hierin |: wie daraus zu versptiren :| lieber das Recht als die
Gnade ware, so liessen es S. Gnd. darbey bewenden, dass sie
erwarten sol ten, was ihnen. desfalls kiinfitig Urthel und Recht
mitbringen wiirde; dann unter des lieben Jhr. Gn, jetzo wie
nechst bey voriger wohl befugter billig massiger Meinung. Wann
sie selbsten mit Mund und unter ihren H&nden warden be-
kennen, dass sie Jhrer Gnaden in dero Hoheit gegriffen und
daran zu viel und unrecht gethan hatten, auch darnechst urn
Gnade und Verzeihung, wie schuldig, also gebiihrlich anlangen
und bitten wiirden. Alsdann darauf S. G. sich ferner erkl&ren
wolten, und liessen ihnen, den Jntercessoren, zu einem Exempel
und Erz&hlung, was ihrer Gn. selbsten wol begegnet w&re vor-
stellen, nemblich, was massen verrttckter Jahren und, als S. G.
mit und nebenst dero in Gott verstorbenen s&ligen geliebten
Bruder in Schweden gewesen, sich zugetragen h&tte, dass
dessen Liebd. Christmilder Ged&chtniss bey S. May. einer Sachen
halber, die gedeutet, dass daran S. Maj. in dero Krohne und
Hoheit gegriffen, in Ungnade gerathen; und ob wohl S. G. mit
demselben nichts zu schaffen, auch Jhrer Maj. Tochter und
dero jetzige Gemahlin Jhr bereits vermahlet gehabt, dennoch
allein aus einer suspicion und Argwohn, als solte und mtlsste
S. G. von angeregten Handel Wissenschaft (wie doch nicht)
mit gehabt haben, Ihr die Faust abgenommen und in deroselben
Gemach ein ganzes halbes Jahr, inwendig dessen S. G. daraus
nich gehen miissen noch zu ihrer Gemahlin Lbd. kommen
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— 415 —
kflnnen, verhaftet worden sey. Endlich auch solcher Ver-
strickung nicht gefreyet werden mogen, eh und bevor sie alles
und jedes, wie es der KOnig selbst begehrt und haben wollen,
auch in Puncten vorgestellet gewesen, erfiillet und vollenzogen
haben. So dann S. G., die doch gegen sie nicht zu vergleichen,
und darzu um blossen Argwohnes und gantz keiner Schulden
oder widerwartigen Handlung willen allsolch erzahlte conditiones
eingehen und annehmen, auch nolens volens praestiren mtissen,
wie viel mehr S. G. gegen sie berechtiget und billich gemach-
tiget ware, da ihre Misshandelung kein Argwohn, sondern offen-
bar und am Tage seye, ja ihre selbst Mitbtirger ihnen abfallen
und freywillig Ubel, unrecht und zu viel gethan, auch in S. G.
Hoheit dadurch gegriffen zu seyn bekennen. Derohalben keiner
anderen Gestalt, denn wie zu vorn gesagt und auch nechsthin
zum Abscheide gegeben, sich uff ihre ietzige und vor diesem
ttbergebene Supplicationes und dahero viel zu weit geholtes
Anlangen zu resolviren und zu erklahren. Stellende solches
zn ihrem und manniglichs verniinftigen unparteyischen Urthel
und judicio. Jntercessoren bedanketen sich gegen J. G. unter-
thanig, gnadiger und vielf<iger intercession, die sie Sffentlich
riihmen wolten, coetera, weil die Sache dermassen geschaffen,
nahmen sie den Gefangenen zu referiren an.
Als Erganzung der vorliegenden Sohriftstiicke moge eine
Nachricht iiber die Schwedenfahrt der beiden ostfriesischen
Grafen dienen, welche ein niederl&ndischer Fliichtling, der sich
zwischen 1580 und 1590 in Emden aufgehalten haben muss,
auf Grund des damals von ihm in Ostfriesland Gehorten auf-
gezeichnet hat.1) Man ersieht daraus nicht nur, welchen
Schwierigkeiten zeitweise die Korrespondenz des Grafen Johann
mit seiner Mutter unterlag, sondern auch, wie der vom schwe-
dischen Hofe schon so schlecht behandelte Graf Edzard durch
das Verhalten seiner eigenen Landsleute in eine geradezu ver-
zweifelte Lage gebracht wurde:
*) Weiteres Uber diese Aufzeichnungen im nftchsten Bande des
Jahrbuches.
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— 416 —
Edzert die tweede des Naemens, die vierde Graeffe van
Oistvriessland, dese hillickte aen die dochter van den Coning
Gustavus van Sweeden, genaemt Catrina, dit worde eerst ge-
achtet een groodt hyllyck voor Oistvriessland, dan in der daet
een hooch schadelyck hielk befonden.
Als Graeff Edzart na Sweeden toogh, om den bruitt te
haelen, soo toogh Grave Joban, die Jongste Broder, mede be-
nevens eenige andere Edelen nae Sweeden op den Bruilofft.
So hadde den Coninck Gustavus noch een dochter, een Jof-
frouw, dese maeckte groote gemeenschap mit Grave Johan van
Oistvriessland, de welcke een liberaele Jonckheer was, velichte
uth Lifticheit end tho stooken van den vader end Broders,
die door deese gemeenschap ende vryge Converzatie oorsake
naemen, seggende : dat hy hem onder staen hadde, dese dochter
te onteeren, Seggende, het was geen Buiren offt slecht Edel-
mans Dochter. sundern het was een Coonincx dochter end
daer mede den hals verbeert. Also quam dese goede Jonge-
heer deese vryge gemeenschop |: in plaetse van Liefde:; to
grooten nadeel. Somma hy worde aengetast end gevancklyck
ingetoogen end na den hals gedongen, und dese gevenckniss
duirde wat lange.
Want Graeff Edsart bleelf soo lange uth, dar ick niet wel
wete, offte hy een, dan offte hy met syn vrouwe twie kinderen
mede brachte. End worde de saecke voor de Moeder lang in
secreet geholden, eens deels dat in Sweeden Booden end Brieven
up geholden end verhindert worden, oick mede, dat de Raeden
end Amptluiden in Oistvriesslandt de Saecke mede verbergden
voor de vrouw Moeder, om haer niet meer te bedrooven, hoopende,
die sake solde bygelecht worden, dann t'was van niet, daeromme
mosten se de swarigheit openbaren, om middelen te sooken tot
syner verlossinge, dan alle des moeders schrieven was om niet,
sy wolden Graeff Jan in Sweeden beholden.
Also nu geen bede noch entschuldinge helpen wolde, most
men de sake voor de gantzen Landesstenden in oopenen Land-
dagen andienen, End worde entlycken Resolviert, end der selver
Resolutie in Sweeden overgesonden : Dat Graue Edzart hem niet
solde onderstaen, wederom in Oistvriessland tho komen sonder
synen Broder. Want sy hem niet als eenen heere wilden ont-
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— 417 —
fangen, sonder mit gewarter hand uthkehren end Graeffe
Christoffer voor eenen Landesheeren annehmen.
Dese Resolutie was in Sweeden niet seer aengenaem, dan
zy werckten soo veele, dat den Raad verandert worde End
Graeff Johan lossgegeven.
Dr. H. Reimers.
V.
Hollftndisches Wiegenlied auf die letzte Prinzessin von Ostfriesland.
(Mitgeteilt von Prof. Dr. Deiter in Hannover.)
Karl Edzard, der letzte Furst in Ostfriesland aus dem
Hause Cirksena, verheiratete sich 1734 in einem Alter von
18 Jahren mit der dritten Tochter des Markgrafen zu Branden-
burg-Kulmbach, Sophia Wilhelmina, und trat nach dem Tode
seines Vaters, der am 11. Juni desselben Jahres erfolgte, die
Regierung an. Nur 10 Jahre war es ihm beschieden, sein
Fiirstentum durch manche Wider wartigkei ten hindurchzufuhren.
Denn er starb schon am 25. Mai 1744 nach kurzer Krankheit.
Mit ihm erlosch der Mannesstamm des ostfriesischen Re-
gierungshauses, da ihm kein Sohn, nur eine Tochter wahrend
seines ehelichen Lebens geboren wurde. Zu Ehren dieser
Tochter, die freilich nur vom 5. Dezember 1740 bis zum 14.
Juni 1742 leben sollte, hat der damalige Rentmeister zu Emden,
Gerhard Marcelius, das folgende Gedicht angefertigt und dem
Fiirsten ubersandt, das mit dem Begleitschreiben noch hand-
schriftlich im Auricher Archive (Akten I 22) aufbewahrt wird.
Getrauwc zielenwensch op de groeiing en bloeiing van de doorluchtigste
prinsesee Elisabet Sophia Magdalena Carolina Wilhelmina, prinsesse to
Oostfrieslant.
1.
Wie ligt daar in het zuisje,
In't vorstlyke kinderhuisje ?
Wie trekt daar aan het wiegelint
En zuist daar 't teere, lieve kint?
En zingt daarby naar kinder taal
Zo lieflyk als een nachtegaal ?
Wie gluirt daar oopgetoogen
Met blyde $n yroolyke oogen
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— 418 —
2.
Dus strak op't lieve kintje
En grypt me fluks het lintje?
Haut 't wiegje mede in zachte gang,
Stemt lieflyk mede in't kinder zang?
Hoe vrientlyk lacht het zoete wicht!
Hoe vergenoegt staat haar 't gezicht!
In purper roode wangen
Met lilie witte gangen.
3.
Geen wonder, 't is de vader,
Die goede en trau beraader,
De groote Carl! het duirste pant,
Doorluchste vorst in 't Vriesen lant,
En moederlief, de vrou vorstin,
Die ons brengt zulk een groot gewin.
Vrou wy8heit ende sterkte!
't Is heerlyk, wat gy werkte!1)
4.
Wat zal't niet heerlyk weezen,
Voegt ge ons een prins by deezen!
Een erfprins, daar 't heel' lant om zucht,
En myne ziel' tot God staag vlucht
En bidt: 0 God! vervul myn wensch,
Zo troost zich elk oprechte mensch
En proeft daarin Gods zoedheid
Tot roem van zyne goedheid.
5.
Verschoon doch deeze afweiding,
Ik volgde slegs pensleiding,
Weswegen ik dien voortgang staak
En keere nu weer tot myn taak.
Ey! zoete, lieve Elisabet!
Wat plooit u't montje wondemet,
Wat zien de oogjes wyslyk,
Sophia is zeer pryslykt
6.
Wat zonderlinge trekje
Heeft Magdaleen in't bekje!
0! Carolin! wel groot! tans klein,
U lippes zyn korallen rein:
Lief, blank en root als bleekert wyn
Is't zachte vel van Wilhelmyn!
Wat zegt gy, minne-moertje,
Past haar niet wel een broertje?
') zinspeelende op de naam Sophia Wilhelmina.
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— 419 —
7.
Zacht, zacht! prinsesse ontwaakje
Met bloesels op u kaakje?
Gewis; zy rekt haar vrieze leSn
En schynt op 't slaapje wel te vreen.
Wei hoe! Gy maakt een bang geluit,
Ik zorg, het koomt op schreyen uit;
Zy looft reets bange zuchjes,
Of zyn't maar looze kluchjes?
8.
Daar vloeyen reets de traantjes
Uit de oogje8 als uit kraantjes.
Wat schort u doch, myn zoete lam ?
Begeert gy zoch uit myne pram?
Zy hoort u toe, eischt vrie en swygt,
Eer gy wat op u pelsje krygt:
Gy zyt een rechte drukkert,
Als gy dus ligt en klukkert
<J.
Aan minne-moertjes borsjes
Ent stilt daar goed u dorsjes.
Hoe innig lacht het schoonste wicht,
Nu zy zo zacht in't schootje ligt !
Hoe eit en straakt zy haare min
Voor de eedle melk, die zy zuicht in!
Nu, nu! genoeg; hau de opjes
Of krygt wel harde klopjes.
10.
Nu Auks eens op de beentjes,
Ey! hau zy braaf by eentjes,
Zet voet voor voet, stap wakker aan,
Zo leert gy best recht op te gaan.
Dat leert al braaf, 't verdauwt de spys,
En dus haut gy een goede wys;
Het dient wel te verteeren,
Zal't lyfje braaf erneeren.
11.
De geever geeft al 't goede,
Hy is nooit geevens moede.
Hau staag by Godes genaden troon,
Gesticht door 't bloed van 2ynen zoon,
In demoet aan. 0! Heer en God!
Zy gy haar steun en eeuwig lot!
Nu slaap en groei, prinsesje,
Vaar wel met dit myn lesjie!
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— 420 —
12.
God meerdere uwe jaaren,
Wil beide uwe Ouders spaaren!
Draagt trauwe zorg', geachte minn'
En plant der vroeg Gods vreeze in,
Zo hebt gy wis genadenlon
Van God en zyn geliefden zoon.
Zy slaapt en bluit de boogjes
Van haare phenixs oogjes.
Ik sluit dan ook, o voreten kint,
Van my vereert en trau gemint.
VI.
Ein Versuch, die RechtsgOltigkeit der Brandenburgischen Anwartsohaft
auf das FOrstentum Ostfriesland anzufechten.
Bald nach dem am 20. Oktober 1740 erfolgten Tode Kaiser
Karls VI., mit dem der Habsburgische Mannesstamm erlosch,
brachte die Hamburger Zeitung, Reichs-Post-Reutter genannt,
in ihrer Nummer vom 6. Dezember 1740 aus Wien unter dem
26. November die Mitteilung, dass man „hier behOrigen Orts
in Begriff ist, diejenige Praejudicia und Reichs-Vorf&lle, welche
bifshero nicht in dem Reichs-Departement, sondern durch die
osterreichische Hof-Canzley expediret worden, aufzusuchen,
damit desfals in der neuen Wahl-Capitulation wiederhohlte
Vorsehung geschehen mogetf.
Diese Mitteilung erregte am ostfriesischen Ftirstenhofe be-
greiflicherweise grosses Interesse. Seit dem Jahre 1734 regierte
Karl Edzard. Zu den unliebsamsten Erbschaften, die er von
seinem Vater Georg Albrecht tibernommen hatte, zahlte vor allem
die brandenburgische Anwartschaft vom 10. Dezember 1694. Das
Kurhaus gehorte dem reform ierten Bekenntnisse an, dessen An-
hanger in Ostfriesland stets auf der Seite der Gegner des streng
lutherischen Ftirstenhauses standen und in Brandenburg den be-
rufenen Schutzer ihres Glaubens sahen. Auch konfessionelle
Griinde widersprachen daher der brandenburgischen Anwart-
schaft. So sehr man auch bestrebt gewesen war, das Aussterben
der einheimischen Herrscherfamilie zu verhtiten, so war doch in
dem Jahre 1740 Karl Edzard, der einzige m&nnlicbe Cirksena, vor*
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— 421 —
laufig ohne einen solchen Erben. Christian Eberhard, unter dessen
Regierung die Anwartschaft vom Kaiser ftir Brandenburg ausge-
stellt war, hatte aus seinen beiden Ehen mit Eberhardine Sophie
von Oettingen und Anna Juliana von Kleinau 15 Kinder. Es (iber-
lebten ihn nur 3 Sohne, Georg Albrecht, Karl Emanuel, gestorben
ira Jahre 1709, und August Enno, der im Jahre 1725 heimging.
Von Georg Albrechts SShnen war bei dem Tode des Vaters
nur noch der dritte, Karl Edzard, am Leben, die beiden Prinzen
Georg Christian und Karl Christian waren i. J. 1711 bez. 1715
ihrem Vater vorangegangen. Georg Albrechts zweite Ehe mit
Sophie Karoline, Prinzessin von Brandenburg-Kulmbach, war
ohne Nachkommen.
Aus der Ehe Karl Edzards mit Sophie Wilhelmine, Prin-
zessin von Brandenburg-Bayreuth, war nur eine Tochter hervor-
gegangen, die nach Eintreffen der Hamburger Zeitung, am 9.
Dezember, geboren wurde. Das Aussterben des Cirksenaschen
Mannesstammes schien daher nicht ausgeschlossen.1)
Kein Wunder, dass die Mitteilung des Reichspostreiters
nicht unbeachtet gelassen wurde. Schon unter dem 9. Dezember
des Jahres 1740 erhielt der bekannte fftrstliche Agent am
Kaiserhofe in Wien, Freiherr von Gersdorf, unter Beifiigung
einer Abschrift desselben ein Schreiben folgenden Inhalts : Ihm
wurde wohl erinnerlich sein, dass man auf vorhin beschehenes
Nachfragen bei der Reichskanzlei von der von weil. Leopoldi
Kays. Mayst. dem Herrn Kurfursten von Brandenburg im Jahre
1694 vermeintlich verliehenen Expectanz auf das Fiirstenthum
Ostfriesland nichts wissen, sondern solches auf die Geheime
Kanzlei verweisen wollen. Wann nun aber zu vermuthen, ge-
stalten solche in der osterreichischen Hofkanzlei wider den Ein-
halt der Leopoldinischen Capitulation expediret und, wie aus
der Beilage zu ersehen, bei jetzigem Interregno auf dergleichen
Abusus reflectiret und solche zur kiinftigen Remedur aufgesuchet
wiirden, so solle Gersdorf bei der jetzigen vielleicht favorablen
Gelegenheit sich erkundigen, wie es eigentlich mit solcher Ex-
pedition beschaffen sei, und dariiber berichten.
l) Man kann einen Vorgang in der englischen Qeschichte heran-
ziehen: die Kdnigin Anna sah 14 Kinder vor sich ins Grab sinken, und
so kam nach ihrem Tode im Jahre 1714 das Haus Hannover auf Englands
Thron.
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— 422 —
Von Gersdorf liegen 3 Berichte in dieser Angelegenheit
vor, die wir in ihrem Wortlaute hier mitteilen. Er (iberzeugte
sich, dass die Anwartschaft ordnungm£ssig in der Reichs-
kanzlei1) ausgestellt worden war, und in Aurich glaubte man
ihm. Die Schreiben wurde ad acta die Brandenburgische Ex-
pectanz betr. gelegt, die bereits erheblichen Umfang hatten,
und der so unvermutet auftretende, aber freudig begrusste
Hoffnungsschimmer auf Beseitigung der fatalen Anwartschaft
war fiir immer erloschen.
I.
"> Wien, 28. Dezember 1740.
Habe aus dem gnadigsten Postscripto 3tio vom 9. huj. . . er-
sehen, dass Ewr. Hochfttrstl. Durchl. durch den demselben beige-
legten Extract aus dem Hamburgischen Reichs-Post-Reuter vom
6. huj bewogen worden, mich gnadigst zu instruiren, dass ich,
wie schon vor einigen Jahren, jedoch ohne den gehofften Effect,
geschehen, mich erkundigen solle, ob die von Weyl. Kaysers
Leopoldi Mayst. dem Churfiirsten von Brandenburg Friderico lm
anno 1694 vermeintlich verliehene Expectanz auf das Filrsten-
thum Ostfriesland aus der Reichs-Canzley, oder, weil diese bei
voriger Nachfrage nichts davon wissen wollen, bei der damaligen
Leopoldinischen Osterreichischen Hoff-Cantzley expediret worden.
Nun habe ich mich bereits beym 561, 501 2) und dem Baron von
Gudenus zuvorderst erkundigt, ob gedachte Zeitung ihre Richtig-
keit habe ? auch ihnen, was Ewr. Hochftirstl. Durchl. an dieser
Wissenschaft gelegen sei, angezeigt. Es haben mich aber alle
drei versichert, dass sie nichts davon wiissten, auch daran
zweifelten, wobei der letzte anftihrte, dass er, weil sothane
Recherche nicht anders als auf Ordre von Chur-Mainz geschehen
konnte, dieses aber ihm nicht das Mindeste davon geschrieben,
der Nachricht keinen Glauben beimesse, auch nicht vermuthe,
gestalt Chur-Mainz noch zur Zeit selbst daran gedacht, oder
von andern Electoribus deshalb angegangen worden. Sollte es
aber annoch kiinftig geschehen, so wtirden wohl die Reichs-
*) DieReichskanzlei diente zur Erledigung der Reichsangelegenheiten,
w&hrend die Geheime oder Hofkanzlei die eigenen Angelegenheiten des
Kaisers besorgte, die fur das Reich unverbindlich waren.
2) Nach der vorliegenden Chiffre aus dem Nachlasse des F&rsten
Karl Edzard Reichshofratspr&sident und Vicepr§.ses.
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— 423 —
referendarii von der Teutschen und Lateinischen Expedition
Baron von Glandorff und der von Tauber zu dergleichen Auf-
suchung gebraucht werden. Der 561. &usserte, gestalt er nicht
glaube, dass zu Leopoldi Zeiten schon solche Abusus bei der
Osterreichischen Canzlei eingeschlichen w&ren, wohl aber sicher
davor halte, dass erwahnte Expectanz bei der Reichscanzlei
ausgefertigt sei. Er dachte, Ewr. Hochf. Durchl. kSnnten
den Churfiirsten von Mainz mittelst eines eigenhandigen Schrei-
bens um eine legale Copei von derselben begrtissen, die dann
von hier aus in gr6sster Secretesse ertheilt werden mttsste, und
die Sache miisste auch in Mainz durch einen Vertrauten ge-
trieben werden, indem ich sonst hier nicht dahinter kommen
wttrde. Ich werde nun noch mit erw&hntem Baron von Glan-
dorff davon reden, bei der Osterreichischen ordinairen und ge-
heimen Staatscanzlei aber, wovon die letztere zu Zeiten Leopoldi
noch nicht gewesen sein soil, schwerlich etwas erfahren k6nnen,
weil diese, wenngleich gedachte Expectanz ehemals allda expe-
diirt ware, damit keinesweges nicht sowohl jetzt aus Menage-
ment vor den KSnig in Preussen als zu Abwendung alles
Praejudicii vor sich selbst herausgehen wird.
II.
Wien, 4. Januar 1741.
Bin ein paar mahl vergeblich vor des Registratoris von
Alpmannshofen Quartier gewesen und deswegen, weil er den
ganzen Tag auf der Reichscanzlei . . . besch&ftiget ist, vor-
gestern dahin gefahren und habe ihn herausrufen lassen; da
er mich dann in die Registrator geftihrt, und ich ihn zuerst in
Conformitaet des gn&digsten Postscripti 3Ui vom 9. pass, gefraget,
ob es an dem sei, dass man jetzt die Praejudicia und VorfaJle, da
die Osterreichische Hofcanzlei der Reichscanzlei etwa Eingriff ge-
than, aufsuche, und dass ich Grund zu vermuthen h&tte, gestalt
die von Kaiser Leopoldo a0 1694 dem damahligen Churfiirsten von
Brandenburg vermeintlich ertheilte Expectanz auf das Fiirsten-
tum Ostfriesland in der ersten ausgefertigt worden. Er wollte
von dergleichen Aufsuchung noch nichts wissen, sagte aber,
was die Expectanz betreffe, so wolle er mich aus alter Be-
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— 424 —
kanntschaft und sub conditione, niemandem zu sagen, dass er
mich etwas sehen lassen, alsobald tiberzeugen, gestalt gedachte
Expectanz auf behOrige Weise aus der Reichskanzlei expediirt
worden, worauf er einen Schranken aufschloss, aus solchem ein
Convolut sub rubro Anwartschaften unter Kaiser Leopoldo er-
theilt, herausnahm und mir das auf einem gebrochenen Bogen
geschriebene Conzept zeigte, auf dessen ersten Seite in margine
stund: Bockhausser und weiter unten: collat : et regis tr:, auch
mir den Anfang davon vorlas und sodann sagte, dieser Bock-
hausser sei damahls zu Zeiten des Reichsvicecanzlers Grafens
von Kaunitz und des Reichssecretarii oder, wie es jetzt heisse,
Referendarii des beriihmten Consbruck1) Reichscancellist ge-
wesen, und er mich dessen aus andern Documenten, bei denen
dessen Namen stehe, wenn es nothig und erlaubt ware, uber-
fiihren, ich aber genugsam daraus, dass dieses Concept in der
Reichscanzlei verwahret wiirde, sicher abnehmen kOnnte, ge-
stalt die Expectanz aus der Reichscanzlei und nicht aus der
Osterreichischen gefertigt sei.
Worauf er mich am Ende das Datum, nehmlich d. 10. Dec.
1694, lesen liess und dabei anzeigte, gestalt selbige in extenso
in Ltinig2) zu finden sei, und als ich ihn dennoch um Copiam
bat, solches als wider sein Amt und Pflicht laufend schlechter-
dings refusirte. Mithin ist wohl kein Zweifel iibrig, dass ge-
dachte Expectanz aus der Reichscanzlei ertheilt worden.
III.
Wien, 11. Januar 1741.
Habe mich vorgestern beim Reichsreferendario Baron von
Glandorff erkundigt, ob man hier die Vorf&lle, worinnen die
Osterreichische Canzlei der Reichscanzlei etwa vorgegriffen,
aufsuche? und ob die dem KOnig von Preussen a° 1694 auf
Ostfriesland vermeintlich ertheilte Expectanz aus erster oder
letzter expediirt worden?
1) Caspar Florens Consbrach, von ihm war die Expectanz gegen-
gezeichnet.
2) In Lunigs Teutschem Reichsarchiv nicht enthalten, vgl. Wiarda 6
S. 325. Ein besonderer Abdruck befindet sich im Staatsarchive unter den
Staatsschriften.
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— 425 —
Er antwortete ad lmam, das ihm dazu keine Ordre zu-
gekommen sei: es waren aber a0 1711 dergleichen Gravamina
dem damahligen Churfiirsten zu Mainz iibergeben worden, deren
Abthuung keineswegs erfolgt sei, raithin dieselben jetzt nur
wieder vorgenommen werden konnten.
Ad 2dam gab er zu vernehmen, dass die Expectanz aus
der Reichscanzlei gefertigt worden, welches also mit dem, was
mir der Registrator von Alpmannshofen gesagt und gewiesen,
vSllig (ibereinkommt.
Fr. Wachter.
VII.
Bericht des Kanzlers Homfeld wegen der Behandlung der ostfriesischen
Affaire auf dem Kongress zu Soissons.1)
Unter dem 31. August 1745 wurde der Kanzler Homfeld
durch koniglichen Spezialbefehl angewiesen, hinsichtlich der
VorgSLnge auf dem europ&ischen Kongress zu Soissons im Jahre
1728 sich im fiirstlichen Archive als auch in anderen Privat-
nachrichten mit allem Fleiss umzusehen, nicht weniger die noch
lebenden Bedienten des verstorbenen Fiirsten, die von der
Sache einige Wissenschaft haben k5nnten, unter der Hand und
ohne bruit zu befragen und dartiber eingehend zu berichten.
Aus den Akten habe man ersehen, dass der letzte Fiirst Ost-
frieslands in Berlin iiber den Konig von England Beschwerde
gefiihrt habe, weil er die „ Ostfriesischen Affairen" dort zur
Sprache gebracht und zu Gunsten Hollands entamiret und
souteniret habe. Man solle damit umgegangen sein, die Stadt
Emden von Ostfriesland abzureissen und mit Holland zu ver-
einigen. Wir lassen den Homfeld'schen Bericht nach dem
eigenh&ndigen Konzept hier folgen:
Allerdurchlauchtigster usw.
E. K. M. habe auf Ihro wegen Verhandlung der ostfriesischen
Affaire auf dem vorgewesenen Congress zu Soissons unterm
31. August erlassenes und den 10. dieses iiber Embden ein-
gegangenes allergn&digstes Rescriptum vorl£ufig allerunter-
~" l) vgl. Wiarda VU 407 ff.
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— 426 —
th&nigst berichten sollen, dass freilicb dem hiesigen furstlichen
Regierhause sebr zuwider gewesen, dass Se. Grossbritannische
Majestat sich von denen Generalstaaten bewegen lassen, die
Ostfriesiscbe Sache auf besagtem Congress zu bringen und die
Crone Frankreich zu disponiren, sich derselben gleichfalls an-
zunehmen, ich habe aber weder vormahls vernommen, noch
jetzo noch zur Zeit in Erfahrung bringen konnen, dass man
insonderheit damit umgegangen, die Stadt Embden von Ostfries-
land abzureissen und der Republique Holland zu incorporiren,
sondern so weit mir bewusst und auch aus des Roussets
Recueil historique und denen darin hin und wieder publicirten
Piecen genugsahm zu ersehen, hat die Verhandlung der Ost-
friesischen Sache nur die conservationem jurium Statuum Ost-
frisicorum und der Stadt Embden in specie wider die Proce-
duren des damahligen Kaiserlichen Hofes beziehlet, und man
insonderheit intendiret, Frankreich als Guarantair des West-
phalischen Friedens mit Engelland und Holland diesfalk
causam communem zu machen zu bewegen, so auch in
tantum reussiret, da der Cardinal de Fleury immediate an
Ihro Majestat den Kayser die Sache sehr nachdriicklich per
litteras vorgestellet und dadurch die Verleihung einer Amnestie
an denen Ostfriesen und das Gehor wider die ergangene
kayserliche Decreta erwirkt worden.
Nach meiner geringen Einsicht kann auch nicht vermuhten.
dass weder Engelland noch Se. Konigliche Grossbritannische
Majestat als Churfiirst zu Braunschweig-Ltinenburg die Ab-
reissung der Stadt Embden von Ostfriesland und derselben In-
corporirung der Republique Holland beziehlen konnen, da eines
Theils aus vielen Umst&nden wahrgenommen und selbst anno
1725 in Hannover nicht undeutlich bemerket, dass Engelland
eine heimliche Jalousie gegen den Staat wegen ihrer zu Emb-
den und Leerohrt damalen gehabten Guarnisoenen geheget, und
also umb so viel weniger wird getrachtet haben, die Stadt
Embden der Republique Holland so gar zu incorporiren, und
andern Teils wiirden Hochstgedachte Konigliche Majestat wegen
der bekannten Erbverbrtiderung *) wider Dero eigenes Interesse
darwider agiret haben, woferne Sie nicht solche ErbverbrtLde-
l) vom Jahre 1G91.
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— 427 —
rung Selbst als ungultig achten und abandonniren wollen, so
doch nicht wohl zu praesumiren. Indessen werde mit allem
Fleiss weiter nachforschen, ob auf den Grund zu kommen und
etwas zuverlassiges zu entdecken. Der ich in allertiefster
Devotion verharre etc. Aurich, 17. September 1745.
Weiteres befindet aich nicht bei den Akten.
Fr. Wachter.
VIII.
Erlass des kdniglichen Kabinetts-Ministeriums zu Hannover an den
Regierungsrat von Gruben in Aurich betr. das Verhalten der Beamten
in Ostfriesland den Eingeborenen gegenOber.
Wir haben missfalligst vernommen, dass ein dortiger Be-
amter bei Gelegenheit eines von ihm zur Bezahlung von
Domanialgef&llen anberaumten Termines so wie auch bei einer
andern Gelegenheit in seinem Benehmen nicht diejenige Vor-
sicht und Massigung beobachtet haben soil, welche am wenig-
sten in einer erst kurzlich mit dem KSnigreiche verbundenen
Provinz ans den Augen gesetzt werden muss.
Wenn wir nun gleich von diesen unangenehmen Vorgangen
auf keinem officiellen Wege unterrichtet worden sind und des-
falls noch zur Zeit angestanden haben, von dem Beamten einen
verantwortlichen Bericht zu erfordern, so finden Wir es doch
angemessen, bei dieser Veranlassung den Regierungsrath von
Gruben zu beauftragen, sammtliche aus den hiesigen alteren
Provinzen an die Amter des dortigen Regierungsbezirkes ver-
setzte Beamte in Unserm Namen unter der Hand anzuweisen,
bei alien Verhandlungen mit Personen des dritten Standes nie-
mals die besonderen Verhaltnisse desselben in Ostfriesland aus
den Augen zu setzen und in Erwagung zu Ziehen, dass der
Ostfriesische zu den Standen gehorige Landmann freier Grund-
eigenthumer ist, und sich darunter zum Theil Personen befinden,
welche an Bildung und Wohlhabenheit weit iiber den Bauern
in andern Provinzen stehen, ohne jedoch mehrere Rechte zu
haben als die tibrigen.
Jahrtrach der Gesellsch. f. b. K. a. vaterl. Altertumer zu Emden, Bd. XV. 28
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— 428 —
Dieses Verh<nis erfordert viele Vorsicht von Seiten der
Obrigkeiten und flnden Wir demselben auch den von den Amtern
vielfaltig gebrauchten Ausdruck: Amtsunterthanen um so
mehr unangemessen, weil das Preussische Landrecht damit den
Begriff von EigenbehCrigkeit verbindet, und haben die Amter
sicb daher klinftig des Ausdruckes: Amts-Eingesessene
zu bedienen.
Da endlich auch daher ein Grund zu Beschwerden und
Missvergntigen genommen zu sein scheint, dass die in den
Amtsstuben angebrachten Barrieren den Btirgern hin und
wieder geflffnet sind, den Landleuten dagegen der Eintritt in
das Innere versaget worden ist, so ist dahin zu sehen, dass
dergleichen anst5ssige Distinctionen kxinftig vermieden werden,
und werden daher die Barrieren entweder ganz wegzurftumen
oder etwa dergestalt anzulegen sein, dass der Platz hinter
denselben lediglich fiir die Beamte verbleibe, anstandigen
Partheien aber, sowie alten schw&chlichen Personen Sitze
ausser demselben angewiesen, ttberhaupt auch einige B&nk*
angebracht werden.
Wir zweifeln nicht, dass der Regierungsrath von Gruben
obigen Auftrag mit Vorsicht und dergestalt ausfiihren wird,
dass der Zweck, ohne Aufsehen zu erregen, erreicht werde und
bezeugen demselben Unsere besondere Dienstgefiissenheit.
Hannover, den 21. Februar 1818.
KSnigliche Grossbritannisch-Hannoversche zum Cabinets-
Ministerio verordnete General-Gouverneur und Geheime Bathe
gez. Decken.
von Gruben erliess die notigen Verfflgungen an die bl
treffenden Amter, machte aber in einem Berichte an d»
Ministerium darauf aufmerksam, dass der eingefleischte ud
bei jeder Gelegenheit often oder versteckt zu Tage tretende ij
Ostfriesland herrschende Widerwille gegen Fremde es den ft
amten aus den alten Provinzen schwer mache, sich das Ve|
trauen der neuen Untertanen zu erwerben.
Fr. Wachter.
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— 429 —
IX.
Der Ortsname Manslagt und die Grenze zwischen Emsgau und
Federgau.
(Ein Beitrag zur alten Geographic des Krummhorn und der Emsmundungen.)
Der Ortsname Manslagt wird von Bertram und der Volks-
iiberlieferung nach dem Klange mit Mannerschlacht (Mordthat)
tibersetzt, und der Sage nach soil der Ort den Namen deshalb
erhalten haben, weil zwei vornehme Manner sich dort erschlagen
h&tten. Diese Erkl&rung hat nicht mehr Wert, als die vielen
ahnlichen Erklarungen, die sich an den Klang der Ortsnamen
Cirkwehrum, Tjakleger, Baltrum, Filsum, Ochtelbur u. a. ange-
schlossen haben und von dem Interesse an der Erkl&rung,
aber auch von der Unkunde iiber die Entstehung der Orts-
namen Zeugniss ablegen. Harkenroht und nach ihm Bracklo
ftlhren die erste Silbe auf Man der Mond zuriick und meinen,
dass hier eine Statte der Verehrung des Mondes gefunden
werden musse. Sie berufen sich dabei auf das Wappen von
Manslagt, die drei Halbmonde im Wappen Ostfrieslands, aber
diese Halbmonde beweisen nichts, als vielleicht, dass man zur
Zeit der Entstehung dieses Wappens bei der ersten Silbe des
Namens Manslagt an den Mond dachte und daher dieses
Wappenzeichen als das des H&uptlings von Manslagt annahm.
Im Uebrigen ist von einer heidnischen Verehrung des Mondes
hier nichts bekannt. und die Analogie bei vielen Ortsnamen
spricht vielmehr daftir, dass ein Eigenname, der Name des
ersten Ansiedlers oder des Hauptbesitzers im Ort, darin ent-
halten ist. Manne ist als ostfr. Eigenname in Urkunden be-
kannt. Manninga ist ausserdem der Stammname eines alten
H&uptlingsgeschlechtes, dessen Stammvater also den Namen
* Manne getragen haben wird. Vielleicht ist daher die erste
: Silbe des Ortsnamens Manslagt auf diesen Personnamen Manne
[\ zuriickzufiihren. l) —
* Am interessantesten und folgereichsten aber ist die Er-
e' kl&rung der zweiten Silbe. Urkundlich lautet der Name noch
*) Nachtr&glich ist es mir als moglich erschienen, dass das Wort
Man = Mande (Gemeinschaft) zu Grunde liegt. Von Stuckiandereien, in
r denen mehrere Besitzer ihr Anrecht ungeschieden nebeneinander haben,
wird im Jdmmegebiet noch heute gesagt: ^t'is 'n manstuck*.
28*
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— 430 —
1361 Mansliacht, 1443 Manslyat, 1444 Manslyacht (Friedl. Urk-
Buch), 1467 Mansliacht (Emder Briichteregister Jahrb. VH. 1.
S. 82). Diese aitere Form mit dem spater verschwundenen
i und die Analogie eines Ortes im Groningenschen fiihrt auf
die richtige Spur. Im Groningenschen liegt der Ort Maarslacht.
Dieser hiess nach der Sltesten urkundlichen Ueberlieferung Maris-
fliata (vgl. Bunte, Jahrb. XL S. 95). Danach ist es wohl nicht
zweifelhaft, dass der Name Manslagt aus Mansfliata entstanden
ist. Dieselbe Namensbildung finden wir bei Larrelt, im Wer-
dener Register urns Jahr 1000 Hlarfliata genannt, d. h. Nieder-
lassung am Fluss. Aus fliata „ Fluss" ist in vielen Ortsnamen
spater fleth geworden; auch Mansvlete findet sich urkundlich
als Name eines im Oldenburgischen an der Weser gelegenen
Ortes (Ehrentraut fries. Archiv I. S. 485). Fiir Larrelt ist die SUtere
Form Larfleth zu vermuten, aber nicht tiberliefert, sondern aus
Hlarfliata wurde spater Lerlethe, vgl. Urk. von 1346, 1374 und
1381. Es ist also hier ebenso wie bei Mansfliata das f aus-
gefallen. Aus Lerlethe wurde durch Zusammenziehung zuerst
1354 Hlerlt, spater Larrelt. Das schon frtihzeitig unverst&nd-
lich und ungebrauchlich gewordene Wort lar, das sich in vielen
deutschen Ortsnamen, z. B. in Goslar (Ansiedelung an der Gose),
in Ostfriesland wahrscheinlich noch in Leer findet, zeigt ftbrigens
nach Arnold, Ansiedlungen und Wanderungen der deutschen
Stamme S. 138 an, dass diese Orte schon in alter Zeit, vor dem
Jahre 500, besiedelte Platze gewesen sind.
Die zweite Silbe im Namen Manslagt fliata weist also
darauf hin, dass die Ansiedlung an einem Fluss geschehen ist.
Ein solcher muss in alten Zeiten bei Manslagt vorbeigeflossen
sein. Diese Vermutung findet ihre Bestatigung durch die Notiz
bei Arends, Erdbeschr. von Ostfr. S. 350, wonach eine besondere
Art Marschboden zwischen Neuenhof (Nienhof) und Manslagt
ganz bis an den Deich geht. Dieser Kleistrich gibt noch jetzt
die Lage des zugeschlammten Flusses an, der Manslagt den
Namen gab. Eine genauere Darstellung der Bodenbeschaffen-
heit dieses Strichs gibt Arends in Ostfr. u. Jever Bd. I S. 337.
Der so nachgewiesene Fluss bei Manslagt kann aber darum
besonderes Interesse beanspruchen, weil wir in ihm die Grenze
des alten Federgaus gegen den Emsgau sehen miissen, denn
Manslagt war der nordlichste Ort im Emsgau. Eine Andeutung
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— 431 —
der Fortsetzung dieses Flusslaufes landeinwarts finde ich in
den alten Ortsnamen Visquard, Dykhusen und Damhusen, den
siidlichen Grenzorten des Federgaus. Die beiden letzten Namen
beweisen, dass hier Diek und Damm errichtet war gegen Ueber-
schwemmung, also befand sich hier in alten Zeiten ein offener
Flusslauf. Da der Ortsname Damhusen schon in den Werdener
Registern vorkommt, beweist er tibrigens auch das Vorhanden-
sein der Deiche, wenigstens in der Gestalt von Dammen, in
dieser Gegend schon um das Jahr 1000. — Visquard, fur das
mir trotz der Hinweisung Buntes im Jahrb. XL S. 99 auf den
Personnamen Wisch die von von Richthofen angenommene
Bedeutung „Fischwerdera ansprechender erscheint, weist bei
dieser Deutung seines Namens gleichfalls auf den alten Wasser-
lauf, der dem Reichtum des Meeres ungehinderten Zugang zu
den Fischreusen der auf dieser Wurt angesiedelten Urbewohner
gewahrte. Hiernach wurde auch Visquard zu den alteren An-
siedlungen dieser Gegend gehoren und der Name auf eine Zeit
weisen, wo Fischfang noch mehr als Landwirtschaft der Haupt-
nahrungszweig der Bevolkerung war, also auf die Zeit vor Er-
richtung der Deiche. — Auch der Ortsname Jennelt (altere
Form Geinlethe) weist auf einen Wasserlauf hin, den wir aber
vielleicht in dem ostlich von Jennelt fliessenden Sieltief zu
sehen haben. Dagegen weist der Name Vleehuis oder Vliehaus
(nordlich von Hinte) wieder auf den alten Wasserlauf auf der
Grenze des Federgaus, denn Vlee bedeutet dasselbe wie flet
(vgl. v. Richthofen, Untersuchungen II. S. 95), und auch dieser Ort
liegt nach den Untersuchungen von Bottger iiber Gau- und
Diocesangrenzen an der Grenze und wird zum Emsgau gerechnet.
Dieser Grenzfluss hat noch in verhaltnismassig spater
Zeit existiert, denn wir werden nicht umhin konnen, in der im
Jahre 1492 erwahnten „Vischwerder Marsmude" (Friedl. U. B.
1319, vgl. auch Urk. 1308) den letzten Rest der spater ganz zu-
geschlammten Flussmtindung zu erkennen. Nach ortskund-
licher Mitteilung scheint der letzte Rest des Flusses auf der
Flurgrenze zwischen Manslagt und Pilsum sudlich von dem nach
Visquard laufenden sogenannten „hohen Wega, in dem eine
ehemalige Deichanlage schon von Arends erkannt worden ist1),
!) Nach Arends, Ostfr. und Jever I. S. 337, lasst sich der hohe Weg
smch noch sfcdwestlich und westlich von Pilsum als alter Deich verfolgen.
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— 432 —
und zwischen den Stticken „Ockedamu und „Hohe Ses" hindurch-
gegangen zu sein. —
Durch den so rekonstruierten Grenzfluss wird die auf-
fallende Tatsache mit erklart, dass der Krummhorn, den wir
jetzt als einheitliches Gebiet zu betrachten gewohnt sind,
friiher zwei verschiedenen Gauen angehorte. Von besonderer
Bedeutung ist aber dieser Fluss noch ftir die Erkenntnis der
Bildung des Marschbodens im Krummhorn und der Richtung
der alten ostlichen Emsmiindung.
Zur Erklarung der weit landeinw&rts befindlichen Kleiab-
lagerungen in dieser Gegend hat Arends die Theorie aufgestellt
von einer alten Sstlichen durch den KrummhSrn fliessenden
Emsmiindung (Erdbeschr. v. Ostfr. S. 342, Ostfriesland u. Jever I.
S. 326 ff.). Diese Theorie, wonach die Anhohen und der fette
Kleistrich von der Knock fiber Rysum, Pewsum nach Hinte und
weiter nach Loppersum und Wirdum den Lauf der alten ost-
lichen Emsmiindung bezeichnen, ist in dieser Form unbrauch-
bar schon aus dem Grunde, weil ein zugeschlammter Fluss
zwei ann&hernd parallele Hohenziige zurticklassen muss. Die
Annahme der Bildung einer Perlenreihe von Inseln in seinem
Bette, die nachher als Warfen hervorragen iiber das in Ufer-
hohe zugeschlammte Flussbett, ist doch abnorm. — Etwas
modifiziert hat die Theorie von Arends v. Horn in seinem
Versuch einer Geologie der ostfriesischen Marschen. v. Horn
nimmt an, dass der vorausgesetzte Emsarm westlich von Ry-
sum, Loquard und Campen, dann ostlich von Uplewart, Hams-
wehrum und Groothusen und zwischen Groothusen und Woquard
hindurch nordlich an Pewsum, Midlum, Hinte vorbei bis Suur-
husen und dann ostlich von Loppersum und Abbingwehr vor-
beigeflossen sei. Das macht sich auf der seinem Werk bei-
gegebenen Karte ganz nett und deutlich, und der unmoglichen
Annahme einer Perlenreihe von Inseln im Flussbett, die zu den
jetzigen Dorfwarfen wurden, ist er gliicklich entgangen. Die
Dorfer liegen auf seiner Karte alle hiibsch an den Ufern. Aber
es ist ein reines Phantasiegemalde. Der nach historischer Nach-
richt bei Osterhusen bis 1440 vorhanden gewesene Siel ist bei
dieser Theorie ein ganz unerklarliches Bauwerk, ein Siel
zwischen zwei vom Meere her offenen Fliissen, der Meinung
von Horns nach zur Beforderung der Verschlammung des alten
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— 433 —
Ostemsbettes angelegt, indem dadurch die fiber Hinte nach
Emden ftihrende Flussbalge abgesperrt sei (S. 159); dazu w&re
aber doch wahrlich ein einfacher Damm billiger und zweck-
entsprechender gewesen. Andere Griinde hat Bartels Jahrb. II.
1 S. 34 gegen diese Theorie geltend gemacht.
Gehen wir dagegen von dem nachgewiesenen, bei Mans-
lagt miindenden Fluss aus, so kann ich angeregt von der Theorie
Arends die Annahme nicht von der Hand weisen, dass der
Kiistenfluss bei Manslagt in SLlterer Zeit ein bis zur Leybucht
durchlaufender Emsarm gewesen ist, und glaube damit den
Schliissel zur Erkl&rung der merkwtirdigen Marschbildung im
Krummhorn gefunden zu haben. Diese Annahme will ich zu-
erst begriinden.
Die Grenze des alten Federgaus biegt zwischen Canhusen
und Eisinghusen nach Norden um (ich folge hier den Fest-
setzungen in Bottger, Gau- und Diocesangrenzen), und noch
zweimal finden wir auf der Grenze in den Flurnamen Fletes-
hamm (Grasland bei Abbingweer nach Sundermann Ortsnamen
S. 25, vgl. Urk. 1151) und in dem Ortsnamen Botterfleet den
Hinweis auf einen nicht mehr vorhandenen Flusslauf. Hat die
Grenze in ihrer ganzen Ausdehnung bis Botterfleet ein Fluss
gebildet, so ware hierdurch die Verbindung zwischen der Ems
und der Leybucht hergestellt, denn nahe bei Botterfleet beginnt
mit Wirdumer Altendeich und Wirdumer Neuland die alte
Leybucht. Einen solchen Fluss miissten wir als einen Arm
der Ems bezeichnen und in ihm die alte ostliche Emsmundung
erkennen. Dann ware der Federgau ein Rest der alten
grossen Insel Burchana (Borkum), und dadurch wurde es er-
klarlich sein, dass ein so kleiner Bezirk einen selbstandigen
Gau bildete. Der Federgau und die Insel Bant gehorten auch
sp&ter zusammen, denn sie werden zusammen in Altfrids vita
Liudgeri und bei Adam v. Bremen (nach BSttger III 347) als
fiinfter der dort aufgez&hlten funf Gaue gerechnet. — Einen
Grand ftir die Annahme eines ziemlich bedeutenden Flusses
oder auch Meerbusens auf der Linie des siidnordlichen Grenz-
verlaufes sehe ich auch in dem Umstand, dass soviele bedeutende
Landwirtschaft treibende Kloster und Klostervorwerke sich
in diesem Gebiet finden: Eisinghusen, Abbingwehr, Longewehr,
Heikeland, Amerland und Aland. Dieses ganze Gebiet muss
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— 434 —
zur Zeit der Klostergriindungen um 1200 noch tmbesiedelt ge-
legen haben. Das w&re sicher bei dem dort befindlichen guten
Marschboden nicht der Fall gewesen, wenn er schon friiher be-
siedelungsf&hig gewesen ware. Daher ist anznehmen, dass
der Boden erst in Folge der Klostergriindungen durch Ab-
w&sserung und Eindeichung fiir die Kultur gewonnen ist.
Daraus folgere ich, dass hier sich ein erst gegen 1200 zuge-
schlammtes, stellenweise auch durch DargbUdung zugewach-
senes Wassergebiet befunden habe, dessen altere Ufer die
Warfen von Longewehr einerseits, Eisinghusen, Abbingwehr,
Heikeland andererseits bezeichnen. Das Longewehrster Meer
w^re ein Rest des Wasserlaufes, und das Gebiet von Aland
(Insula) und Amerland schlosse sich an. Bei einer solchen
Fl&che kann man schon nicht mehr von einem Fluss reden,
sondern wtirde dies tiberschwemmte Gebiet als eine s&d-ostliche
Ausbuchtung der Leybucht bezeichnen miissen.
Auch die im Jahrbuch V. 2 S. 116 veroffentlichte Urkunde
vom Jahre 1220 ist in diesem Zusammenhang verwendbar.
In dieser Urkunde ermahnt Papst Honorius III. die Abte
von Norden, Feldwert und Aduard, den Krieg zwischen den
Hintern und Federgauern zu schlichten. Zwischen der provincia
Hinetensis und dem Federgau war eine guerra gravissima ent-
standen occasione cuiusdam provincie, quam illarum utraque
contendit sue subicere ditioni. Das zwischen den Hintern und
Federgauern streitige Gebiet scheint mir nur Neuland sein zu
konnen, da nicht eine Partei der anderen altbesessenes Land
streitig machte, sondern jede von beiden erst das Land in
ihren Besitz zu bringen suchte. Es war ferner eine provincia,
also doch nicht bloss ein oder mehrere Stucke Land, sondern
eine grossere Flache, wenn auch keine Provinz im heutigen
Sinne. Der Streit dariiber war dementsprechend auch nicht
zwischen zwei benachbarten Dorfern (wie in dem beriihmteren
Streit zwischen Eenrumern und Uthusern im Fivelgau in der
Chronik des Emo), sondern zwischen zwei Landschaften. Die
„Provinz Hinte" diirfte identisch sein mit dem Dekanat Hinte.
wie die „Provinz Federgau" identisch war mit dem Dekanat
Uttum. Zum Dekanat Hinte gehorte damals auch das Brokmer-
land, welches erst 1250 von Hinte abgelost und selbstandig ge-
macht wurde (v. R. I 118, 322, II 1167). Das streitige Gebiet
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— 435 —
muss also zwischen Hinte-Engerhafe einerseits und dem Feder-
gau andererseits gelegen haben. Das ist das im vorigen Absatz
genannte Gebiet von Abbingwehr und Umgegend, vielleicht noch
zu erweitern durch die Engerhafer Meede auf der einen und
das Gebiet von Wichhusen und VHehaus auf der anderen Seite.
Wird nun nach dieser Urkunde 1220 der Versuch gemacht, einen
fiber dies Gebiet entstandenen Krieg beizulegen, so dient das
meiner im vorigen Absatz entwickelten Ansicht, dass dies Ge-
biet um 1200 verlandet sei, zur Bestatigung. Nebenbei bemerkt
scheint es, dass die zur Vermittlung des Friedens aufgerufenen
Abte sich den Frieden durch Abtretung eines guten Teils des
streitigen Landes teuer genug haben bezahlen lassen. So wtirde
sich die grosse Reihe der Klostergtiter hier auch ihrem Ur-
sprunge nach erkl&ren. Bemerkenswert ist ausserdem, dass die
jurati vom Upstallsboom, die gerade in diesen Jahren im Fivel-
gau verschiedentlich tatig waren (v. R. I 381 anno 1216, S. 385
und 387 anno 1224, S. 390 anno 1231), anscheinend nicht die
Kraft hatten, diesen Streit so nahe beim Upstallsboom zu ent-
scheiden oder beizulegen, sonst hatte man ja nicht notig ge-
habt, den Papst zum Schiedsrichter aufzurufen.
Es ist nun nicht zu verkennen, dass die bedeutendsten
Anschwemmungen in dieser von dem jetzigen Manslagt bis zur
Leybucht reichenden Emsmfindung nicht wie sonst von der
Flussmttndung, von Norden her, sondern von der West-Ems
her erfolgt sind. Danach dfirfte die Westerems die grossere
eigentliche Emsmfindung gewesen sein, durch welche die Nord-
weststfirme die Fluten in den bei Manslagt abzweigenden Arm
direkt hineintreiben konnten. Daher ist hier in dem der Wester-
ems angrenzenden Teile die alteste und ausgiebigste Marsch-
bildung erfolgt, wahrend die von Norden von der Leybucht aus
erfolgende Anschwemmung nicht einmal genfigt hat, das alte
Flussbett und seine Umgebung vollstandig in Marschland zu
verwandeln. Auch bei der Annahme einer bis in die Leybucht
reichenden Verbindung erscheint so der bis ins 15. Jahrhundert
als Kfistenfluss erhaltene und als solcher bei Manslagt nicht
mehr abzweigende, sondern mfindende Teil als der bedeut-
samste fttr die Erklarung der Marschbildung im Krummhorn.
War dieser Wasserlauf im 15. Jahrhundert und wahrscheinlich
schon 3 Jahrhunderte vorher nur ein kleiner Nebenfluss der
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— 436 -
Ems, so ist doch aus der genauen Beschreibung der Art des
Landes im Krummhftrn, die Arends in Ostfr. u. Jever I S. 326 ff.
gibt, zu erkennen, dass sich hier in vorhistorischen Zeiten ein
grosses Einfallstor fttr die marschbildenden Fluten befand.
Nach der Beschreibung von Arends findet sich auf der Linie
Rysum, Groothusen, Pewsum, Hinte und andererseits Visquard-
Uttum der alteste Kleiboden, wahrend sich das Land zwischen
Groothusen und Manslagt (S. 335) und an der Ktiste westlich
Rysum bis Groothusen, Eschergrund auf Seesand (S. 327 u. 328
unten), als eine jtingere Anschwemmung zu erkennen gibt. Die
ganze jttngere Anschwemmung des Escherlandes weggedacht,
ergibt sich, dass sich hier in Urzeiten eine breite Balge be-
funden hat, die auch die jetzige Flur von Manslagt zum gross-
ten Teil in sich schloss.
Schon vor 800 hat aber die Ems den Federgau, der bei
der Annahme dieser ostlichen Emsmiindung eine ostlich ge-
richtete Nesse1) an der Insel Borkum (damals Bant genannt)
bildete, von der Insel abgerissen durch Durchbrechung des west-
lich von Pilsum belegenen Landes, denn bei der Festsetzung
des Wirkungskreises Liudgers wird neben dem Federgau schon
die Insel Bant genannt (v. Richthofen II S. 396). Dadurch hatte
aber die Ems sich ein grade laufendes ostliches Bett geschaffen.
und der durch den Krummhorn laufende lange Bogen war
nunmehr der Verschlammung ausgesetzt. An den Emsgau,
dessen hohen Kustenrand die vielfach genannte Reihe der
jetzigen Dorfer besetzte, polderte sich zunachst der Streifen
Escherland an, auf dem dann Manslagt begriindet wurde und
zwar am nordlichen Ende des Anwuchses. Ebenso bildete sich
in Folge des veranderten Stromlaufs ein Anwuchs an der nord-
lichen Kuste des Federgaus, auf dem dann spater Greetsiel
angelegt wurde. Dass an diesen beiden Stellen am nord-
lichen Ufer ein neuer Anwuchs entstanden ist, erlaubt auch
den Riickschluss, dass die Ems nicht urspriinglich westlich
von Pilsum geflossen ist. NQrdlich von Manslagt blieb der Fluss
und schwemmte jetzt (nach 800?) den an beiden Seiten des
neuen Sieltiefes und nordlich von Manslagt sich findenden Klei
l) Ich weise durch dies Wort auf die analogen Bildungen des Fluss -
laufes der Leda bei Leer (Nesse) und der alten Ems bei Emden (Nesser-
land) hin.
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— 437 —
an. Das neue Sieltief halt im Wesentlichen die Richtung des
alten Flusslaufes inne, nur ist zu bemerken, dass der Metzen-
heerd erst spater von Canum abgetrennt und dem Amt Greet-
siel zugelegt worden ist (Arends, Erdbeschr. S. 320), so dass an
dieser Stelle der Fluss- und Grenzverlauf mehr auf Damhusen zu
ostlich von Metzenheerd gewesen sein wird (vgl. den maer oppa
Domphusum Urk. No. 469 v. 1437 S. 427). Das Gebiet von Siel-
monken, auf welchen Namen ich von befreundeter Seite hinge-
wiesen werde, scheint eine zuerst durch Deich und Siel dem Fluss
abgewonnene Bucht gewesen zu sein, so dass bei Begriindung
des Klosters Sielmonken (1200?) der Fluss nicht breiter gewesen
sein kann, als die Entfernung von Sielmonken nach Cirkwehrum
betragt. Damals muss aber unter der Voraussetzung, dass Siel-
monken seinen Namen von einem Siele hat (v. R. II 1166), der
Fluss bis Sielmonken der Flut offen gewesen zu sein. Der
feierlich mystisch klingende fur Sielmonken gebrauchliche
Name Silo widerspricht der Annahme, dass der Name auf Siel
zuriickzuftihren ist, nicht. Dieselbe Neigung, einen alltaglichen
Namen feierlich zu gestalten, finden wir bei Kloster Palmar,
welches nach Stratingh und Venema, de Dollard, S. 34, auch
Palla genannt wurde, sowie bei dem Kloster Selwerd bei
Groningen, das auch Silo genannt wurde (vgl. Jahrb. XIV S. 445).
Auch als die anliegenden Ortschaften sich eingedeicht hatten,
konnte der Fluss wahrscheinlich noch sein Uferland iiber-
schwemmen, denn es ist anzunehmen, dass zunachst nicht der
Fluss selbst, sondern in ziemlicher Entfernung von seinen ge-
wohnlichen Ufern das Weide- und Bauland der anliegenden
Ortschaften eingedeicht wurde. Die Eindeichung dieses Flusses
vor dem Jahre 1000 und um 1200 denke ich mir ahnlich wie
bei dem Fliisschen Made in Jeverland (nach Hagena, Jeverland
bis zum Jahre 1500). Die Made bildete, bis nach Dykhausen
und AltgSdens hin in einiger Entfernung an beiden Seiten ein-
gedeicht, eine der Flut zugangliche breite Bucht, bis sie durch
Anlegung des Kniephausersiels im 16. Jahrhundert zum Sieltief
wurde. — Auch die bei Emden miindende Ehe ist in dieser
Weise eingedeicht und erst bei Osterhusen durch einen Siel
gegen die von Emden kommende Flut abgeschlossen gewesen.
Bevor dieser Siel angelegt war, wird diese Ehe einen bedeuten-
den Anteil an der Marschbildung bei Suurhusen und Loppersum
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— 438 —
gehabt haben. Doch bis ins Grosse Meer und in die Wolden
reichten ihre Schliekwasser nicht. Moglicherweise ist aber
diese Ehe (das jetzige Hinter Tief) auch erst zugleich mit der
Anlage des Siels kiinstlich gegraben, um eine neue Abwasserung
des Hinterlandes zu schaffen, als die bisherige Abwasserung
infolge Verschlammung des alten Emsarmes versagte ; die grade
Richtung des Hinter Tiefs spricht dafiir, dass es ein kiinstlicher
Wasserlauf ist, dagegen spricht die bedeutende Kleibildung bei
Harsweg (bis Harsweg muss wenigstens ein offener natiirlicher
Fluss oder eine Balge gewesen sein), ferner, dass der Siel schon
bei Osterhusen angelegt ist und nicht weiter auf Emden zu.
Ware das Tief kiinstlich gegraben, so hatte man doch den Siel
am siidlichsten Ende des Tiefs anlegen und die Deiche an beiden
Seiten zum grossten Teil sparen konnen. Dass der Siel so weit
landeinwarts gelegt wurde, spricht dafiir, dass die Ehe eine
bedeutendere Breite als jetzt das Tief hatte, so dass ihre Fas-
sung durch einen Siel der damaligen Wasserbaukunst Schwierig-
keiten bereitete oder wenigstens die finanziellen Kr&fte noch
mehr in Anspruch nahm als die Anlegung von Deichen vom
Siele bis nach Emden. Es konnen aber auch politische Motive
dabei massgebend gewesen sein. Jedenfalls reiht sich der
Siel bei Osterhusen ungezwungen in die vorstehend wahrschein-
lich gemachten Bestrebungen des 13. Jahrhunderts ein, das Ge-
biet bei Eisinghusen, Abbingwehr etc. der Kultur zu erschliessen
sowohl durch Abwasserung als durch Abschluss der Flutwelle
von Emden her. Dieser Siel wurde 1436—37 nach Emden ver-
legt (vgl. Ben. Chr. S. 298 und die Eingangsbemerkung in Ur-
kunde 469). Die Jahreszahl 1440, bei Beninga S. 306, ist also
nicht genau und die Zahl 1409 bei v. Horn S. 159 ein Irrtum. Die
nach der eben angezogenen Urkunde 1437 vollzogene Einbeziehung
der Landereien des Miedelsumer Hammrichs unter die fQr den
Emder Siel sielpflichtigen Landereien bezeugt meines Erachtens
die Vollendung des Prozesses der Verlandung des Gebietes
zwischen Abbingwehr und Longewehr und nordlich davon. Da-
mals bildete sich schon das 1498 eingedeichte Wirdumer Neu-
land, und dem Miedelsumer Hammrich war sein bisheriger
Wasserabfluss nach Norden (wahrscheinlich durch den bei
von Horn S. 159 erwahnten Bevenburger oder Canhuser Siel)
unmoglich gemacht, so dass diesem Hammrich die Abwasserung
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— 439 —
nach Emden hin eroffnet werden mussto. — Die Miindung des
Manslagter Fliisschens oder „die Vischwerder Marsmude" scheint
nicht durch einen Siel abgeschlossen gewesen zu sein; wenig-
stens ist mir keine Ueberlieferung von einem dortigen Siel be-
kannt. Die Anlage des Siels von Greetsiel im Anfang des 15.
Jahrhunderts (Klinkenborg, Jahrb. XIV. 154) und die Verbindung
der Abw&sserung des ganzen Hinterlandes durch das neue Sieltief
mit diesem Siel wird die Ursache gewesen sein, dass auch die
Vischwerder Marsmude der Verschlammung anheimfiel, bis der
Seedeich die Mude als fettes Land einpolderte und ein neuer
Hof = „Nienhofa auf diesem Lande angelegt werden konnte.
Die letzte Spur der hier vorhanden gewesenen Miindung bildet
die Einbuchtung des Seedeiches vor Sloet und Nienhof, wo
sich schon ein bedeutendes Vorland gebildet hat.
Das Resultat dieser Untersuchung wiirde also sein, dass
die Insel Borkum zur Romerzeit einen Teil des • jetzigen Fest-
landes mit umfasste und zwar den als Federitgau bekannten
Teil des KrummhQrn. Der von Bartels, Jahrb. II. S. 34, 35,
erhobene Widerspruch gegen die Ansicht, dass ein Teil des
Festlandes der Insel Borkum angehort habe, trifft nur die
Theorie von Arends und besonders von Horns, die auch ich
abgewiesen habe. — Das zweite Resultat ist, dass nicht lange
vor der Ernennung Liudgers zum Bischof fur den mittlern Teil
Frieslands der spater sogenannte Federitgau von der Insel ab-
getrennt wurde. Es kann dies nicht viel fruher als um die
Zeit Liudgers geschehen sein, da die tibrig bleibende Insel
(Bant genannt) damals noch besondere Bedeutung gehabt haben
muss, weil sie allein von alien Inseln genannt wird und also
die Zertrtimmerung der Insel Bant, die mit der Durchbrechung
vor Pilsum ihren Anfang nehmen musste, noch nicht weit
vorgeschritten gewesen sein kann. Wir sind daher berechtigt,
ftir diesen Durchbruch der Ost-Ems in runder Zahl das Jahr
750 anzusetzen. Die Zertrtimmerung von Bant musste aber
niit der Durchbrechung vor Pilsum ihren Anfang nehmen, denn
dadurch bekam die Flut den Zugang zu den in der Mitte der
Insel jedenfalls vorhandenen niedrigen Landen und loste die
Insel von Innen her allm&hlich auf. Die Ansicht von Bartels,
Jahrbuch II. S. 31 ff., dass die Zertriimmerung von Bant erst
in das 14. Jahrhundert zu verlegen sei, diirfte daher nicht
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— 440 —
mehr aufrecht erhalten werden konnen. Aus dem Umstande,
dass die Insel Bant weder in den Werdener Registern noch in
den Fuldaer Traditionen vorkommt (Bunte, Jahrb. XII. S. 149)?
mochte ich schliessen, dass sie schon um das Jahr 1000 keine
wesentliche territoriale Bedeutung mehr hatte. Dass Adam von
Bremen als Historiker bei der Beschreibung des Wirkungskreises
Liudgers die Insel Bant nennt, beweist nicht, dass sie zu seiner
Zeit noch in dem Umfange wie zur Zeit Liudgers vorhanden war,
und das Jahr 1100 ist daher nicht mit Sicherheit aJs der
friiheste Termin der Zertriimmerung von Bant anzunehmen,
(wie Bartels a. a. 0. S. 36 meint). Aus den von Bartels a. a. 0.
S. 37 angegebenen Griinden diirfte folgen, dass die Diinen-
kette im Norden von Bant in ihrem alten Zusammenhang
(Borkum, Juist und Norderney umfassend) noch lange, bis
gegen 1400, erhalten geblieben ist. Gegen eine friihzeitige Zer-
triimmerung der Hauptmasse der Insel sprechen die Grunde
dann nicht mehr. Ftir die Annahme, dass die Diinenkette erst
so spat zerrissen ist, findet sich ein Zeugnis auf einer alten
Karte Ostfrieslands von Johannes Florianus1), f 1585, auf der
zwischen den Inseln Borkum und Juist die Bemerkung ein-
getragen ist: Ante aliquot annos, cum maiores adhuc essent
hae duae insulae, tarn angustum erat utrumque Amasii ostium,
ut vix maioribus navibus non nisi peritis nautis pateret, minus-
que periculi erat ab Oceano. Nunc vero insulis maris saevitia im-
minutis, frequentiores inundationes haec Frisia experitur. — Das
dritte Resultat ist, dass die Umwandlung des abgeschnittenen
Bogens der Ems im Land bei Abbingwehr und Longewehr um
1200 vollzogen ist, von SielmSnken bis Manslagt aber ein offener
Flusslauf erhalten blieb bis ins 15. Jahrhundert.
Nortmoor. Freri chs.
') Die Karte des Verfassers stammt aus Ortelius' Theatrnm orbis
terrarum und tragt die Nummer 54, in einem fruhestens 1591 erschiene-
nen Ortelius-Exemplar des Emder Gymnasiums tragt die Karte die Num-
mer 45. Sie ist eine andere als die (von Babucke in seiner Schrift uber
W. Gnapheus aus Ortelius nachgebildete) Florianus-Karte von 1579; hinter
dieser altera steht sie in mancher Beziehung, namentlich in der Schrei-
bung der Namen, zuruck, und auch sonst erheben sich Bedenken gegen
die wirkliche Urheberschaft des Florianus fur die Karte wenigstens in
ihrer ganzen jetzigen Gestalt, vgl. Jahrbuch X. 2 S.28. (Anm. der Red.)
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— 441 —
X.
Die Grenze zwischen den Bistflmern MOnster und Bremen
In Ostfriesland.
Die massgebendenUntersuchungen uber die Grenze zwischen
den Bisttimern Mttnster und Bremen in Ostfriesland sind von
v. Hodenberg, Die Di5zese Bremen Band I, und von v. Richthofen,
Untersuchungen zur friesischen Rechtsgeschichte Band I und II,
gemacht worden. In Folge der Autoritat des Letzteren haben
seine Ansichten besonders Freunde und Vertreter gefunden.
So Bunte Jahrbuch XI S. 410. Auf Grund erneuter Unter-
suchung der in Betracht kommenden Urkunden und ortlichen
Verhaltnisse bin ich aber zu der Ueberzeugung gekommen,
dass v. Richthofen der Darstellung v. Hodenbergs nicht gerecht
geworden ist. Andererseits hat aber v. H. sich einem Punkte
direkt geirrt, n&mlich in der Meinung, dass Barstede zu Munster
gehort habe, eine Meinung, die v. R. II 1207 mit Recht abweist,
und ist auch sonst in Einzelheiten zu berichtigen. Daher will
ich in Folgendem die Frage nach dem Verlaufe der Grenze
zwischen Miinster und Bremen in Ostfriesland von neuem
untersucht zur Darstellung bringen, wobei ich in der gluck-
lichen Lage bin, die Oertlichkeiten durch pers5nliche An-
schauung besser zu kennen als beide genannten Autoritaten
und manche Einzelheiten hinzufiigen zu konnen.
Fttr das 15. Jahrhundert lasst sich die Grenze genau be-
stimmen auf Grund der von beiden Bisttimern erhaltenen Ver-
zeichnisse der zugehorigen Kirchen und Kirchspiele. v. H. hat
das registrum ecclesiarum Bremensium, das sogenannte Stader
Copiar, vom Jahre 1420 verQffentlicht. Das Verzeichnis von
Mtinsterscher Seite findet sich als registrum curarum Mona-
steriensium saec. XV in Friedlaenders Ostfr. Urkundenbuche Bd. II
No. 961. Von der Grenze im 15. Jahrhundert gilt es dann
aber einen Rtickschluss zu machen auf die angeblich 787 ge-
troffene Grenzbestimmung, die die bertihmte Eddenriede nennt,
und dabei ergeben sich die haupts&chlichsten Differenzpunkte
gegen die anscheinend heute herrschende Ansicht.
Die Grenze verlief nach den erw&hnten Kirchenverzeich-
nissen im 15. Jahrhundert von Osten her tiber das Hochmoor
zwischen Marx und Remels, dann nSrdlich von Holtrop, von
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t
— 442 —
da stidlich von Weene und Ihlow bis nach Ochtelbur. Simons-
wolde, Riepe und Ochtelbur gehSrten zu Miinster; Westerende,
Bangstede und Barstede zu Bremen. Weiter ging die Grenze
ostlich von Forlitz, Wiegboldsbur, Viktorbur und Marienhafe,
bis sie nordlich von Osteel an der Leybucht endete. Norden
und Hage gehorten zu Bremen.
v. H., dem BSttger in seinen Gau- und Diozesangrenzen
gefolgt ist, lasst die Grenze ostlich von Barstede gehen. Seio
Beweis a. a. 0. S. 179 f. ist aber nicht stichhaltig, wie ich im
Folgenden zunachst nacbweise. Er erkl&rt auch selbst die
Akten dartiber ftir noch nicht geschlossen.
Im reg. eccl. Brem. de 1420 wird neben Westerende und
Bangstede Barstede nicht genannt, sondern Kerstede. Dass
dies ein Schreibfehler ist und Barstede bedeutet, ist urn so
wahrscheinlicher, als Barstede friiher Berstede hies (cf. Urk. 214
v. J. 1408). Die Annahme v. H's., dass ftir Kerstede Kerctorp
= Kirchdorf bei Aurich eingesetzt werden miisse, erscheint
viel schwieriger. Dass Kirchdorf neben Aurich noch 1420 eine
selbst&ndige Gemeinde gewesen sein sollte, ist auch sehr
zweifelhaft. Wenn Kirchdorf iiberhaupt eine Kirche gehabt
hat (dass ein Kirchhof dort gewesen ist, ist nach Arends Erd-
beschr. S. 541 nicht wohl zu bezweifeln, aber es konnte seinen
Namen auch davon bekommen haben, dass das Dorf auf
Kirchengrund angelegt in alten Zeiten zur Dotation der Kirche
zu Aurich geh5rt h&tte), so ist doch wahrscheinlich schon mit
der Stiftung der St. Lambertskirche in Aurich 1270 Kirchdorf
mit in deren Parochie hineingezogen oder einfach die urspriing-
lich in Kirchdorf stehende Kirche der Parochie durch die neu-
erbaute St. Lambertskirche ersetzt worden.
Im reg. curar. Monaster, saec. XV wird Barstede nicht
genannt. v. H. will es aber flnden in der dort angefOhrten
Kirche zu Burhoff. Diese Namensvertauschung erscheint ebenso
ktinstlich, wie die zuerst angefiihrte, da in dem in Rede stehen-
den Bezirk ein Burhafe (in der Viktorburermarsch) vorhanden
ist, wo die Auricher Amtsbeschreibung noch einen Kirchhof
kennt, wie auch die Endimg hafe oder hoff in dem Namen auf
kirchliche Einrichtung deutet. Burhafe ist jetzt eine Dom&ne,
ein Umstand, der es wahrscheinlich macht, dass dort eine
Kloster kirche sich befunden hat.
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— 443 —
Die angenommene Verwandlung von Kerstede in Kero
torp und von Burhoff in Barstede sucht v. H. zu stiitzen
durch Berufung auf die Veranderung der Namen Victorishowe
in Viktor bur und Wibadeshof in Wibelsbur. Abgesehen
davon, dass hier keine Veranderung wie die beiden ange-
nommenen von stede in dorp und von hof in stede vorliegen,
charakterisieren sich die angezogenen Namen als Doppelnamen,
nicht als Veranderungen des Ortsnamens. In Viktorbur wie in
Wiegboldsbur liegt der jetzt noch sogenannte „Hofa, das ist
die Kirche mit dem Kirchhof, der Pfarre und der Lehrer-
wohnung nebst Schule, isoliert vom Dorf oder der Bauerschaft,
daher ist es erkl&rlich, dass in alteren kirchlichen Urkunden
Victorishof und Wibadeshof, dagegen in weltlichen Urkunden
Victorbur und Wibelsbur gesagt wird. Bei diesen beiden Ort-
schaften sind die letzteren Bezeichnungen als Ortsnamen durch-
gedrungen, wahrend bei Engerhafe und Marienhafe, wo die Kirche
im Ort liegt, neben der kirchlichen Bezeichnung keine besondere
weltliche sich so leicht geltend machen konnte und so der kirch-
liche Name Ortsname geworden ist. Doch findet sich bei Enger-
hafe auch der Nebenname Utengerbur (vgl. Suur Hauptlinge S. 21
und Friedl. U.-B. No. 234, v. J. 1413). Marienhafe ist anscheinend
eine lediglich im Anschluss an die Kirche begriindete Nieder-
lassung. Eine Bauerschaft war in diesem Ort nicht vorhanden,
wie denn Marienhafe noch heute keine Flur hat. Die Bauer-
schaft von Marienhafe bildet neben Tjtiche haupts&chlich das
Dorf Upgant, das daher auch als die altere Ansiedlung neben
Marienhafe angesehen werden muss und seinen alteren Namen
beibehalten hat, ohne ihn mit Marienbur zu vertauschen. —
So erkl&ren sich die Doppelnamen ganz ungezwungen aus den
ortlichen Verhaltnissen und geben durchaus keinen Beweis ab
fiir die v. H. angenommene Veranderung der Namen von Kirch-
dorf und Barstede.
Sind so die von Urkunden hergenommenen Grtinde v. H's.
nicht durchschlagend, so findet sich in dem aus der Ortslage
hergeleiteten Grande ein unzweifelhafter Irrtum: „der Barsteder
Kirchensprengel mlisste zwischen den Sprengeln der Miinsterschen
Nachbarkirchen Ochtelbur und Riepe herausgeschnitten werden,
urn an Bremen zu gelangen". Dies ist, wie jeder sich davon auf
der Karte Ostfrieslands iiberzeugen kann, unrichtig. Die Orts-
Jftfcrbnch der UeselJsch. f. h. K. a. vaterl. Altertiimer zu Emden, Bd. XV. 29
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— 444 —
lage weist vielmehr darauf hin, dass Barstede naturlicherweise
nicht von Westerende und Bangstede getrennt werden kann.
Auch die in Ostfriesland seltene gleichmassige Bildung dieser
drei Ortsnamen mit stede, denn auch Westerende hiess ursprQng-
lich Westerenstede (v. R. II 1207), verbindet die drei Ortschaften.
Der von v. H. zwischen Barstede und Westerende angenommene
Grenzverlauf ist durchaus kiinstlich. Barstede hat seinen ein-
zigen immer, auch bei den Ueberschwemmungen im Winter, gang-
baren Verbindungsweg nach Westerende, w&hrend es von den
Ortschaften im Westen und vor Erbauung der Landstrasse auch
von Ochtelbur durch Niederungen, die vor der jetzigen Ver-
besserung der Abw&sserung im Winter unter Wasser standen,
abgeschnitten ist. Der Sumpf zwischen Ochtelbur und Forlitz
zieht sich bis nach Bangstede hin. Der einzige wasserfreie Ver-
bindungsweg von einer Seite zur andern war bis in unsere Zeit
der Weg auf der Grenze der beiden Ortsfluren Ochtelbur und Bang-
stede, Onnendiek genannt, der die Verbindung der beiden lang-
gestreckten DSrfer ausmacht, so dass man, um von Ochtelbur
nach Barstede zu gelangen, seinen Weg liber Bangstede und
Westerende nehmen musste. Jetzt ftthrt die Landstrasse von
Ochtelbur nftrdlich durch die Niederung zum Bangsteder Verlaat.
Westlich der Landstrasse deutet auch der Name der Kolonie
Vennh&user auf friiheres Moorland oder Wiesenland. Diese
Niederung. zwischen Ochtelbur einerseits und Barstede-Bang-
stede andererseits ist die natilrliche Verbindung zwischen dem
Grenzmoor 5stlich von Simonswolde, Riepe und Ochtelbur und
dem flstlich von Marienhafe, Viktorbur, das liber das heutige
Moordorf, Neu-Ekels und Neu-Barstede hinstreichend bis an die
Niederung der Wolden heranreichte.
Hiermit ist sachlich die Grenze zwischen Ochtelbur und
Bangstede-Barstede gegeben. Die sachliche Grenzbestimmung
ist an anderer Stelle auch fur v. H. so massgebend, dass er
a. a. 0. II S. 104, Anm. 4, Aurich-Oldendorf und Holtrop ent-
gegen den Registern von Mtinster wie von Bremen als ur-
spriinglich zum Bremer Gebiet gehGrig ansieht. Die sach-
liche Grenzbestimmung muss bei Barstede um so mehr als
durchschlagend gelten, als ihr keine urkundlichen Zeugnisse,
sondern nur ein Buchstabe entgegensteht, namlich das K in
Kerstede des Bremer Registers von 1420. Dies K mussall er-
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dings in B verwandelt werden. Dies kann aber einem gewich-
tigen Bedenken nicht unterliegen, da die betr. Register auch
sonst von Schreibfehlern nicht frei sind.
Gehen wir nun zur Betrachtung der nattirlichen Beschaffen-
heit des Landes auf der Lime des Grenzverlaufs tiber, so er-
gibt sich, dass ein zusammh&ngendes Moor- und Sumpfgebiet
die Grenze zwischen den Bistiimern Mtinster und Bremen in
Ostfriesland gebildet hat. Das Hochraoor zwischen Marx und
Remels erstreckte sich uber das heutige Spetzer- und Grosse-
fehn, tiber Ltibbersfehn, Htillenerfehn, Bunkfahn und Ihlow bis
an das vorher erwahnte Moor ostlich von Ochtelbur heran und
bildete mit ihm wahrscheinlich eine mehr oder weniger zu-
sammenhangende Flache. Auch nordlich von Holtrop findet
sich Moor, das vielleicbt mit dem Moor bei Grossefehn in Ver-
bindung gestanden hat. Die Scheidung ist aber siidlich von
Aurich-Oldendorf (Spetze) so viel deutlicher, dass aus diesem
Grunde v. H. hier die ursprtingliche nattirliche Grenze finden
will und annimmt, dass Aurich-Oldendorf und Holtrop n a c h
800 gegrtindete Ortschaften seien. Dagegen bemerke ich: uber
die sogen. Spetze lief der uralte einzige Verbindungsweg (Bohl-
weg oder Pfahldamm, Spetze = Speiche) tiber dies ganze Moor-
gebiet von Stiden her. Daher ist es erklarlich, dass Holtrop
und Aurich-Oldendorf sich nach Stiden hin an den Emsgau
kirchlich angeschlossen haben. Ich halte dieses Gebiet ftir uraltes
Ansiedlungsgebiet und stehe der Annahme von vielen erst nach
800 begrtindeten alten Dorfanlagen auf der Geest in Ostfriesland
iiberhaupt skeptisch gegentiber. Holtrop und Aurich-Oldendorf
haben ihre alten Meeden am Fehntjer Tief, Hatshausen gegen-
tiber. Das rechte Ufer der alten Fallum gehorte daher zur Hol-
troper Vogtei. Dies spricht auch daftir, dass die lebendige Ver-
bindung von Holtrop und Aurich-Oldendorf nach Stiden ftihrte
und auch hier der Anschluss an den Emsgau nahe lag. Es darf
auch nicht vergessen werden, dass um 800 gar keine Veran-
1 as sung vorlag, hier eine so enge Grenze durch einen bestimm-
ten Wasserlauf festzusetzen, da das ganze Gebiet von Grosse-
fehn und Spetzerfehn direkt nach Westen bis Ihlow einge-
schlossen ein unbewohntes Sumpf- und Moorgebiet war, so
dass die Fallum (Arends Erdbeschr. S. 96), das heutige Fehntjer-
tief, in ihrem Hauptteile ohne Weiteres mit zur Grenze gehorte.
29*
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— 446 —
Aus diesen Grttnden sehe ich keine Veranlassung mit v. H.
speziell das Fehntjer Tief bis Bunkfahn als ursprtingliche
nattirliche Grenze anzusehen. Das Gebiet von Aurich-Oldendorf
und Holtrop bildete eine an Moormerland und damit an Munster
sich anschliessende nordw&rts gerichtete Halbinsel. Diese war
die einzige wesentliche Unterbrechung des quer durch Ostfries-
land sich hinziehenden breiten Gtirtels von Hochmoor und Sumpf,
der die Grenze der Bistiimer Bremen (nordlich) und Mtinster
(stidlich) bildete. — Die weitere Betrachtung der nattirlichen
Grenze an Ochtelbur vorbei tiber das heutige Moordorf nord-
w&rts ist schon vorher gegeben. Es bedarf nur noch der Her-
vorhebung, dass das Moor nGrdlich von Osteel sich bis an die
Leybucht in ihrer grossten Ausdehnung (Stiderneuland) heran-
streckte vora heutigen Berumerfehn tiber Westermoordorf, Leez-
dorf und Orth.
Treten wir von dieser Betrachtung des natiirlichen Grenz-
verlaufs ausgehend an die Bestimraung der Grenze im Jahre 787
heran. Die Urkunde No. 1. bei Friedlaender gibt als Grenze
an von der Hunte ab: deinde ipsum flumen et Amrinum
lucum silvestrem, quern incole loci Wildloch nominant, Fino-
lam, Waldesmoor, Bercpol, Eddenriad paludem, Emisgoe et
Ostergoe disterminantem, Brustlacho, Biberlacho iterumque
mare. Ist die Urkunde auch in der iiberlieferten Form ge-
f&lscht und nicht aus der Zeit Karls des Grossen herriihrend,
sondern erft im 11. Jahrhundert entstanden, so liegt doch kein
Grund vor, diese Grenzbestimmung nicht als die alteste und
ursprtingliche anzunehmen.
Von der Weser die Hunte aufw&rts bis jenseits Oldenburg
ist die Grenze ganz klar, denn „der Hain im Amraerlande, den
die Einwohner Wildloch nennena, ist noch vorhanden. Zwischen
Oldenburg und Edewecht liegt das Geh51z Wildenloh. Von hier
ab lief die Grenze an dem Fliisschen entlang (jetzt das Godens-
holter Tief), welches siidlich von Detern, unweit Scharrel, sich
in die Leda ergiesst (v. R. II 1284). Dies Gewasser heisst auch
die Vehne. Auf einer kurzen Grenzstrecke an diesem Floss
will v. B. nun drei Grenzpunkte der Urkunde wiederfinden,
nftmlich Finola (das er als nWaJd an der Vehne" tibersetzt),
Waldesmoor (ohne n&here Bestimmung) und Bercpol (das er in
dem Ortsnamen Bergpol oder Barpel im Kirchspiel Edewecht
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— 447 —
finden will). Gegen diese Aufstellung habe ich einzuwenden,
dass diese drei Grenzpunkte so die Grenze nicht weiter als bis
Edewecht (Barpel) bestimmen wiirden, und dass drei Grenzpunkte
auf einer wesentlich gleichlaufenden durch die Vehne vollst&ndig
fixierten Grenze angegeben w&ren, w&hrend die ganze tibrige
Grenze bis nflrdlich Kernels mit der zweimaligen Wendung bei
Scharrel nach Norden und nSrdlich Kernels wieder nach Westen
unbestimmt bliebe. v. R. hat sich hier anscheinend durch den
Ortsnamen Barpel bei Edewecht (v. R. schreibt Bergpol, nach
Sello im Berichte iiber die Tatigkeit des Oldenb. Landesvereins f.
Altertumskunde u. Landesgesch. 1893 S. 64 heisst der Ort Berpel)
verleiten lassen, die Identitat mit dein Grenzpunkt Bercpol als
sicher anzunehmen. In einer Gegend, wo es weder an polen
(kleinen Seen) noch an Birken mangelte, ist aber die Entstehung
desselben Narnens an zwei Orten leicht zu erkl&ren. Der Gleich-
klang darf hier nicht entscheiden, wenn andere Grtinde gegen
die Identitat sprechen. Richtiger dttrfte sein: Finola heisst
„Sumpf an der Vehne" (langs der Fehne liegt ein umfangreiches
Hochmoor, v. R. II 1278), und dies eine Wort bezeichnet die
Grenze bis nach Scharrel bei Detern. Hier finde ich am
Wendepunkte der Grenze nach Norden das Waldesmoor, denn
Scharrel (altere Form Scharle) = Scharlo bedeutet wahrschein-
lich Scheidewald, Grenzwald1). Hier muss ein bedeutender
Wald gewesen sein, denn ausser Scharrel deuten die Ortsnamen
Nordholt, Godensholt, Holtgast und Bokel (= Boklo, Buchen-
holz?) auf einen wahrscheinlich das ganze durch diese Orts-
namen bestimmte Gebiet umfassenden Wald. Da die Gegend
dabei im Ganzen niedrig liegt und daher fniher ohne Zweifel
morastig war, ist Waldesmoor eine treffende Bezeichnung.
Von hier hatte die Grenze denselben Verlauf, wie die
heutige Grenze zwischen Oldenburg und Ostfriesland, bis sie
sich mitten zwischen Marx und Remels wieder westwftrts
wandte. An diesen Wendepunkt verlege ich mit v. H. den Berc-
pol und finde, dass die vielen kleinen Seen dieser Gegend ein
ganz charakteristisches Kennzeichen fiir diesen Namen sind.
Heute ist allerdings das Moor bei diesen Seen eine baumlose
') vgl. Jellinghaus Die westfilischen Ortsnamen ' (1902) S. 118 u.
d. W. schar.
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Fl&che. Vor 1000 Jahren mochten aber noch die Kopfe der DQnen
des Unterbodens aus dem Moor hervorragen und den Birken Platz
bieten zum Wurzeln und Wachsen. Bartels identifiziert Jahrb. I
2 S. 79 den Bercpol mit dem Barkebusch bei Aurich-Oldendorf.
Die direkte Verbindung zwischen dem Grenzpunkt bei Scharrel
(Waldesmoor) und dem Barkebusch wiirde aber Uplengen zum
grossten Teil ausschliessen. Daher kann wohl nur unter der
Voraussetzung der Grenzpunkt Bercpol in Barkebusch wieder-
gefunden werden, dass die Landschaft Uplengen erst nach der
Einfiihrung des Christentums kolonisiert ware. Unter der An-
nahme, dass die heutigen Hauptdorfer, also auch Reraels, schon
zur Zeit der Einfiihrung des Christentums vorhanden waren,
muss die Grenze nordostlich von Remels eine Wendung ge-
macht haben und an diesem Wendepunkte, also in der Gegend
der vielen Seen bei Oltmannsfehn, der Bercpol gesucht werden.
— Sonst hat die Ansicht von Bartels viel fiir sich, besonders
wenn noch Anhaltspunkte gefunden wiirden fiir die Vermutung,
dass der Barkebusch eine altgermanische Kultusst&tte und also
eine bekannte und merkbare Lokalitat gewesen ware.
Nun folgt mit Eddenriad palus die Grenzbestimmung, welche
in Ostfriesland besonderes Interesse erregt hat und die ver-
schiedensten Deutungen sich hat gefallen lassen mtissen.
v. Horn (Yersuch einer Geologie der ostfr. Marschen S. 44)
behauptet nach Arends von dem friiher einen Meerbusen bilden-
den Landrevier nord- und ostseits Wirdum: „nirgends anders,
als grade hier kann der See Eddenriad sich befunden haben*.
Sundermann weiss in seinen Sagen S. 50: „Das Kirchspiel Hesel
liegt auf einer Insel des friiheren Flusses Eddenried ; das Edden-
ried war in alten Tagen ein Ausfluss der Weser (!) und die
Scheidegrenze der bischoflichen Sprengel Mtinster und Bremen4.
Diese groteske Anschauung hat auch Edzards Fries. Jahrb. 1870
S. 171 ausgeftihrt, der mit der phantastischen Freiheit eines
Dichters die Eddenriede verherrlicht hat. Sie ist auch von
Doornkaat im ostfr. Worterbuch u. d. W. Eddenriede vertreten.
Andere suchen die palus Eddenriad in der Gegend des Jade-
busens, Wierichs im Wiesedermeer (Arends, Phys. Gesch. der
Nordseektiste S. 353). v. H. findet sie im Fehntjer Tief Sstlich
vom See Sandwater und v. R. in dem ganzen Grenzverlauf
zwischen Mtinster und Bremen in Ostfriesland, insbesondere in
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— 449 —
der Niederung von dem Wasserlande bei Riepe ab bis Norden.
Nur die letztern beiden Anschauungen erfordern Beachtung, und
ich muss hierbei v. R. entschieden widersprechen.
v. R. deutet, ohne auf die Bedeutung des Namens Edden-
riad einzugehen, die Eddenriede als palus Emisgoe auf den
ganzen Moor und Bruchstrich, welcher die beiden Diozesen
schied (I 321), im Anschluss an ein wahrscheinlich dem 13. Jahr-
hundert angehorendes Scholion zu Adam von Bremen: hanc
Fresiae partem (den zur Bremer Diozese gehorenden Teil Fries-
lands) a reliqua Fresia palus Emisgoe terminat. Ich bestreite,
dass die palus Emisgoe des Scholiasten und die Eddenriad palus
identifiziert werden dtirfen, wie es v. R. tut. Jener ist ein
ganz richtiger summarischer Ausdruck der Grenze im All-
gemeinen und im Ganzen, dieser ist ein spezieller Teil des
Ganzen, dem noch zwei weitere Grenzbestimmungen folgen:
Brustlacho und Biberlacho, ehe das Meer erreicht wird.
Diese beiden Ortlichkeiten (wahrscheinlich Seen) k5nnt en
nicht mehr untergebracht werden, wenn schon der
Ausdruck Eddenriad palus den ganzen Grenzverlauf
bis zum Meere hin bezeichnete.
Bei der Bestimmung des nattirlichen Grenzverlaufs macht
v. R. nun aber noch -erne merkwiirdige, meiner Meinung nach
unmflgliche Abweichung von der durch Urkunden festgelegten
Grenze, indem er annimmt, dass von Simonswolde ab die
Niederung Tiber den jetzigen Riepster Hammrich, das Grosse
Meer und die Abelitz bis nach Norden hin die natiirliche
Grenze gewesen sei (I 319, II 1282), und bemerkt: „spater, nach-
dem das Tiefland mehr und mehr entwassert war, sind auf
Bremer und M&nsterscher Seite die angeftthrten Kirchspiele ge-
grttndet worden und hat sich danach die spatere Diozesangrenze
innerhalb des Tieflandes festgestellt". Die Annahme dieses Tief-
landes als natttrliche Grenze betont v. R. I 319, II 1281 in
so spezieller Weise, dass Bunte, Jahrb. XI 411, gradezu dieses
Tiefland allein als Eddenriad palus auffasst, obwohl v. R. das
nicht sagt.
Die Annahme v. R's., dass dies Tiefland die ursprfingliche
Grenze gebildet habe, halte ich aus folgenden Griinden flir un-
mdglich. Es widerspricht, von den Ortschaften auf Bremer
Gebiet noch ganz abgesehen, aller Wahrscheinlichkeit, dass die
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— 450 —
Orte Riepe, Ochtelbur, Forlitz, Blaukirchen, Bedekaspel, Wieg-
boldsbur, Victorbur, Engerhafe, Marienhafe, Osteal und Westeel
s&mtlich erst nach 800 begriindet sein sollten. Die Kirchen
werden, wie v. R. I 321 sagt, allerdings vielfach erst sp&ter
gegrundet sein, aber es handelt sich doch 787 bei der Grenze
um Festsetzung der kirchlichen Einflusssphare auf vorhandene
Ortschaften. Die spater gegriindeten Kirchen tun dabei nichts
zur Sache, die waren vor der Einftihrung des Christentums natiir-
lich nicht da, und wenn die Kirchen auch erst in spateren Jahr-
hunderten begriindet sind. wie es v. R. I 322 fiir die Kirchen von
Viktorbur, Siegelsum, Bedeskaspel, Ochtelbur und Riepe wahr-
scheinlich macht, so ist der Schluss nicht zwingend, dass die
Ortschaften auch dieser spateren Zeit angehoren. Fiir die Reihe
der Ortschaften von Wiegboldsbur an spielt auch die wenn auch
noch so sehr „nicht entw&sserte Niederung" gar keine Rolle,
da sie auf dem Geestrande angelegt sind. Die Annahme, dass
die Kolonisation des Landes erst nach dem 8. Jahrh. in so
wesentlichem Masse stattgefunden habe, widerspricht der Tat-
sacbe, dass das Leben Liudgers uns den Zustand des Landes
als einen bltihenden mit zahlreichen Landgtitern, bliihenden
Dorfern, KlOstern und Kirchen zeigt (Blok, Friesld. im Mittel-
alter, tibersetzt v. Houtrouw S. 13). Es entspricht auch nicht
der Wirklichkeit, wenn v. R. II, 1281/82 sagt: „Es liegt in
ihm (dem Tiefland) auf Bremischer Seite neben dem benach-
barten Bangstede das Dorf Barstede, dann Hage (!), Arle (!) und
die Stadt Nordena und I 320: „nordostlich dem Bruch entlang
standen die Bremer Kirchen zu Weene, Aurich, Westerende,
Arle, Hage, Norden". Endlich bildet im Vergleich mit dem
Hochmoor eine wasserreiche Niederung, wie doch dieses
„Bruchland" v. R's., die Wolden, frdher noch mehr als heute
war, keine gute Grenze, da der Verkehr zu Wasser in alter
Zeit bei mangelnden Wegen, Strassen und Eisenbahnen not-
wendigerweise viel entwickelter war, als heute.
Die nachgewiesene zwischen Ochtelbur und Barstede hin-
ziehende Verbindung der Moore bildete dagegen eine nur an
wenigen Stellen zu tiberschreitende wirklich scheidende Grenze.
Wir diirfen annehmen, dass ausser der Spetze Wege nur hinflber-
fuhrten bei Ochtelbur (Onnendiek), bei Wiegboldsbur (der sogen.
Barkeweg von der Wiegboldsburer Mflhle nach Westerende
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— 451 —
Holzloog), vielleicht in der Gegend des heutigen Moordorf (das
Wallpad von Upgant nach Walle) und bei Norden. Bedeutsam
scheint mir, dass in der Gegend des Upstallsbooms die alten
die Grenze fiberschreitenden Wege nach Upstallsboom konver-
gierend sich h&ufen, nicht als ob die Wege des Upstallsbooms
wegen angelegt seien, aber zum Beweis der gtinstigen Lage,
urn von alien Seiten dahin zusammenzukommen.
Die Eddenriad palus bildet also einen Teil der Grenze und
zwar von Osten her den ersten Teil in Ostfriesland. Daher
kann sie nichts anders als das Moor zwischen Kernels und Marx
und weiter westlich bezeichnen. Brustlacho und Biberlacho
deutet v. H. auf die an den haupts&chlichsten Wendepunkten
der von ihm als Linie angenommenen Grenze gelegenen Seen
Sandwater und Dtivels- oder Arler Meer. Ein Wendepunkt der
Grenze ist zuletzt in der Gegend des Dtivels-Meers anzunehmen
und daher hier mit v. H. der letzte Grenzbestimmungspunkt
Biberlacho zu finden. Brustlacho aber finde, ich nicht mit
v. H. im See Sandwater, denn eine grade Grenze von hier bis
zum Dtivels-Meer ftthrt Qstlich vom Dorf Barstede, w&hrend die
Grenze westlich von demselben lief, und hatte keinen natiir-
lichen Zusammenhang. Die nicht als Linie, sondern als breite
Moor- und Sumpfregion zu denkende Grenze fiihrt ohne die von
v. H. bei dem See Sandwater angenommene Wendung in grader
Richtung von Osten her nordlich an Ochtelbur vorbei. An
dieser Stelle miisste dann allerdings eine Wendung nach Norden
hin angenommen werden, und den Wendepunkt, das Ende der
ost-westlichen Richtung, dftrfte die Grenzbestimmung Brustlacho
bilden. Auf der Karte Ostfrieslands von Coldewey 1730 findet
sich grade an dieser Stelle ein jetzt verlandeter See angegeben,
das Breykemeer. Wahrscheinlich ist dies Breikemeer mit dem
Brustlacho zu identifizieren, denn die Lage dieses Sees passt
genau in den Grenzzug. Der Name Breikemeer deutet wohl
auf die breiartige Beschaffenheit des Bodens und ist eine
Illustration zu dem Sumpfe zwischen Forlitz und Ochtelbur, von
dem das Breikemeer ein Teil war.
Bei dem Ausdruck Eddenriad palus kann man nun aber
aus dem Namen Eddenriad noch eine Bestatigung der im vo-
rigen Absatz aufgestellten Ansicht entnehmen. Die von Bunte,
Jahrb. XI S. 411 aufgestellte Bedeutung Moorriede mag in ihrem
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— 452 —
ersten Teile richtig sein. Ob riad aber dasselbe ist, wie das
heutige Riede (vgl. Hilgenriede, Rote Riede u. 6.) ist mir zweifel-
haft, da es auch das hochdeutsche Riet = Bruchland, mit
Scbilfrohr bewachsenes Gelande bedeuten kdnnte. In beiden
Bedeutungen aber stimmt der Name gut zu dem Gebiete von
West-Grossefehn bis Bunkfahn, wo das absteigende Hochmoor
sich mit der Niederung durch Rieden vermahlt und das Schilf-
rohr auch nicht gefehlt haben wird. Ist die Eddenriede aber
nur der Auslaufer, das Ende des Hochmoors (die Lesart Endi-
riad ist auch bezeugt und wlirde auch auf diese Gegend
passen in der Bedeutung Endriet), so folgt daraus, dass in
dem Text der Urkunde von 787 das paludem nicht Apposition
ist, sondern Eddenriad palus zusammengenommen einen neuen
Begriff bildet, und dass also Eddenriad palus das Moor be-
zeichnet, welches durch die Eddenrieden oder das Edden-
riet n&her spezialisiert wird, das ist der Moorstrich, welcher
westlich von Neuenburg in Oldenburg bis Sstlich von Riepe
und Ochtelbur lief, unterbrochen vom riad. Dass diese palus
den Ostergau vom Emsgau schied, davon iiberzeugt ein Blick
auf die dem Werke von Richthofen angehangte erste Karte,
die die Gaue Frieslands im 9. Jahrhundert darstellt. Auricher-
land gehSrte zum Ostergau und Moormerland zum Emsgau.
Dass der Emsgau an den Ostergau auch in der Gegend der
sogenannten Wolden angrenzt unter der Voraussetzung, dass
die Wolden einem der beiden Gaue zugerechnet werden, hat
v. R. anscheinend verfiihrt, hierher die paludem Ostergoe et
Emisgoe disterminantem zu verlegen. Doch wissen wir fiber
die Zugehorigkeit der Wolden, des sogenannten Silderlandes (vgl.
Urk. 398 Anm. 1), sowie des Brokmerlandes im engeren Sinn zu
den alten Gauen wenig Bestimmtes. v. R. (II 1173) rechnet
das zur Mtinsterschen DiQzese gehorende Brokmerland zum
alten Emsgau, nach der Karte ist es wohl versehentlich dem
Federgau zugerechnet. Das aber ist gewiss, dass der Emsgau
und der Ostergau in der Mitte des heutigen Fehntjer Tiefes an
einander grenzten. So muss ich derm auch in Riicksicht auf
die Gaugrenzen auf der von mir etwas modifizierten Ansicht
v. Hodenbergs gegen die v. Richthofens bestehen, dass wir hier
beim Ysmedertief und bei der Fallum (Arends Erdbeschr. v.
Ostfr. S. 96) die Eddenriad und in dem ostlich und westlich
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— 453 —
anschliessenden Moor die Eddenriad paludem, Ostergoe et
Emisgoe disterminantem zu suchen haben.
Da die fiir das 15. Jahrhundert durch die Namen der
KirchdSrfer festzustellende Grenze mit der durch die natiirliche
Beschaffenheit des Landes festgelegten Grenze von 787 genau
tibereinstimmt, sehe ich schliesslich keine Veranlassung, mit
v. R. II 746 anzunehraen, dass sich bestimrate Grenzen zwischen
den beiden Diozesen erst allmahlich festgestellt haben, sondern
finde, dass die Scheidung des Gebiets, in das Liudger, und des,
in das Willehad das Christentum eingefiihrt hat, von Anfang
an mit aller nur wiinschenswerten Scharfe vollzogen ist.
Nortmoor F r e r i c h s.
XL
Die Grenze zwischen den BistOmern MQnster und OsnabrOck
in Ostfriesland.
Fiinf friesische Gaue und zwar diejenigen, in welchen
Liudger missioniert hat, Hugmerchi, Hunusga, Fivilga, Emisga
und Federitga. wurden bei Errichtung des Bistums Miinster, in
welchem Liudger als erster Bischof eingesetzt wurde, diesem
zugewiesen. Infolgedessen hatte das Bistum Miinster einen
friesischen und einen westf&lischen Teil, die durch das da-
zwischen liegende Bistum Osnabriick getrennt waren. Die
Grenze des zum Bistum Miinster gehorenden Teiles von Ost-
friesland deckte sich im Siiden nicht mit der heutigen Landes-
grenze, sondern das Bistum Osnabriick erstreckte sein Gebiet
von Siiden her in Ostfriesland hinein. Die Bestimmung der
Grenze zwischen dem zu Miinster und dem zu Osnabriick ge-
horigen Teil des siidlichen Ostfriesland ist, soviel ich sehe, bis
dahin noch nicht im Zusammenhang versucht worden. Sie wird
dadurch erschwert, dass das Miinstersche Kirchenverzeichnis aus
dem 15. Jahrh. (Ostfr. Urkb. II No. 961) grade in den hier in
Betracht kommenden Probsteien Nesse (bezw. Hatzum) sowie
Leer die Ortsnamen mehrmals in so entstellter Form oder in
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— 454 —
einer so unbekannt gewordenen alten Form liberliefert, dass
die Identifizierung mit den heutigen Ortsnamen schwierig ist,
und zum andern dadurch, dass kein altes Osnabrftcker Kirchen-
register vorliegt, welches den ursprfinglichen Bestand der Osna-
briicker Diozese angibt, denn die von Philippi veroffentlichte
Aufzahlung aller geistlicben Stellen des Bistums Osnabnick aus
den Jahren 1456—58 hat als nordlichstes Kirchspiel Aschendorf
(Mitteilungen d. hist. Vereins v. Osnabriick Bd. XVI, 1891, S. 235).
Fttr das alte zum grossten Teil im Dollart untergegangene
ostfriesische Rheiderland lasst sich der Grenzverlauf ermitteln
aus den Uebereinkommen einiger Rheiderl&nder und Oldamtster
Hauptlinge von 1391 und 1420. Die erste Urkunde (im Folgenden
Urkunde 1 genannt) ist veroffentlicht in Driessen, Monumenta
Groningana, die zweite (im Folgenden Urk. 2 genannt) in Fried-
laenders Urkundenbuch No. 270), vorher in Suur, Kloster Ostfries-
lands, beide zusammen in Stratingh und Venema, de Dollard
S. 304 ff. In letzterem Werk (im Folgenden abgekttrzt durch
Str. u. V. bezeichnet) ist danach auch die Grenze im alten
Rheiderland bestimmt, und v. Richthofen Untersuchungen II
1192 f. und 1292 ff. schliesst sich diesen Feststellungen wesent-
lich an mit einer Korrektur derselben, II 1193, die aber nicht
zutreffend sein dtirfte.
Es handelt sich, um diesen Punkt vorweg zu nehmen, bei
der von v. R. verlangten Korrektur um den Ort Wynedaham,
bei dem der Grenzfluss Tjamme beginnt (von der Mtlndung ab
gerechnet). Die Urkunde 1 sagt: de Thyamme begint uyt Tyd-
wynedaborch in de Wyneda ham, ende loopt op voorbey Reder-
wolda ende voort door Meggeham ende door Torptfen. Urk. 2
sagt: de Tiamme de utgainde vor by Reiderwolde by Twid-
dingaborch tuschen Megham und Wiveldaham und doir Dorp-
senn. v. R. halt nur die erste Urkunde fur massgebend und
verlegt Wynedaham und Meggeham beide auf die linke Seite
der Tjamme und dadurch auf Miinstersches Gebiet, weil Wyne-
daham und Meggeham beide im Miinsterschen Verzeichnis vor-
kommen. Str. u. V. legen auf den Ausdruck der Urk. 2 ^tuschen
M. u. W.a Gewicht und verzeichnen Meggeham auf der linken,
Wynedaham auf der rechten (Osnabrflcker) Seite, da noch ein
zweites Wyndeham, auf mttnsterschem Gebiete liegend, n5rdlich
der Tjamme vorkommt und noch ein Wynham an der ostfriesi-
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— 455 —
schen Grenze (Wynhamster Kolk). — Da Wynedaham im Mttnster-
schen Verzeichnis gleich hinter Ditzumerwold genannt wird,
nehme ich an, dass das Miinstersche Kirchdorf dieses Namens
an der ostfriesischen Grenze in der Nahe der heutigen Ort-
schaft Ditzumer Hammrich, wo sich auch der Wynhamster
Kolk und die Wynhamster Landen befinden, gelegen hat, und
dass der Ort dieses Namens in den angeftihrten Urkunden mit
diesem Kirchdorfe nichts zu tun hat. Das Windeham, welches
die Dollartkarten nSrdlich der Tjamme verzeichnen, gebe ich
als unbeglaubigt auf. Der Urk. 2 wird man aber trotz v. R.
Gewicht beilegen mttssen, da sie auf der ersten beruhend eine
Korrektur derselben oder eine genauere Lagebeschreibung, als
in der ersten vorlag, versucht. Dass diese sehr klar geworden
ist, wird zwar niemand behaupten, aber man wird doch daran
festhalten mttssen, dass die Tjamme zwischen Meggeham und
Wynedaham (um die wahrscheinlich besseren Lesarten dieser
Namen beizubehalten) gelaufen ist. Die Tydwynedaborch kann
nicht zwischen M. und W. gelegen haben (so konnte man Urk. 2
an sich auch verstehen), da bei dieser Burg der Anfang, der
Tjamme gesetzt wird. — Also ist die von v. R. geforderte Kor-
rektur abzulehnen, zumal da die Lesung der Urk. 2 der von
Urk. 1 nicht widerspricht, die Tjamme kann ja immerhin auch
durch Meggeham geflossen sein. Auffallend ist dann nur, dass
die Tjamme, die mitten durch Dorfer floss, ein geeigneter Grenz-
fluss sein sollte.
Dieser Punkt wttrde zu geringfttgig sein, um daran noch
weitere ErOrterungen anzuschliessen, wenn nicht hierbei grade
hervortr&te, dass Str. u. V. bei ihrer grttndlichen Arbeit noch
zu oft der Tradition eine Bedeutung zugemessen haben, die ihr
nicht zukommt, und infolgedessen geirrt haben in der Annahme,
dass die Tjamme bis zu ihrem Ausfluss in die Ehe die Grenze
zwischen den Bistttmern bilde. — Die Tjamme war (nach der
Tradition ebenfalls in ihrem ganzen Verlauf) die Grenze zwischen
Oldamt und Rheiderland. Meggeham gehorte zur Probstei Nesse,
also zum Rheiderland. Das N&chstliegende ist daher, Meggeham
auf die rheiderl&nder rechte Seite der Tjamme, Wynedaham
auf die linke Seite zu verlegen und damit dem Oldamt zuzu-
weisen. An dieser einfachen Losung hindert Str. u. V. nur
die Annahme, dass die Tjamme bis zu ihrem Einfluss in die
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— 456 —
Ehe der Grenzfluss zwischen Munster und Osnabriick gewesen
sei. Von der Annahrae der ganzen Tjamme als Grenze sind
Str. u. V. in Bezug auf die Grenze zwiscben Rheiderland und
Oldamt mit Recht abgewichen, da dann Westerreide und Kloster
Palmar unmoglich noch mit in Rheiderland eingeschlossen
werden k5nnten, die doch tatsftchlich dazu gehort haben. Die
Grenze von Rheiderland lassen Str. u. V. daher von Tidwyneda-
borch ab die Tjamme in nordwestlicher Richtung verlassen,
zeichnen nun aber, um Meggeham auf rheiderlandisch-munster-
sches Gebiet zu bekomraen, Meg. weiter die Tjamme abwarts als
Tydwynedaborg, was der Urkunde widerspricht. Reiderwolde
muss gleichfalls der Urkunde widersprechend noch weiter fluss-
abwarts verlegt werden (vgl. Str. u. V. S. 33, 34). Ich muss
es daher fiir unrichtig halten. dass die Tj. in ihrem ganzen
Verlauf die Grenze zwischen den Bistumern gewesen sei, was
ubrigens auch eine nur durch die Tradition hervorgerufene An-
sicht Str's. u. Vs. ist. — Aus denselben Griinden kann ich
aber auch nicht annehmen, dass die Tj. von Tydwynedaborch an
auf warts die Grenze der Bisttimer gewesen ist, denn Reider-
wolde und Megenham k6nnten nicht die Tj. aufw&rts im
miinsterschen Rheiderland gelegen haben, wenn dort links
das Oldamt, rechts das o sn a br ticker Rheiderland lag. — Eine
oberfl&chliche Betrachtung des von Str. u. V. angenommenen
Grenzverlaufs zwischen den Bisttimern (aber auf einer richtigen
Karte, die Karte in dem Werke von v. Richthofen ist viel zu
ungenau!) lasst auch sofort die ganze Unwahrscheinlichkeit
dieser Grenze erkennen, da ein schmaler nordw&rts gerichteter
langer Zipfel zwischen Tjamme und Ehe zu Osnabriick gehdrt
h&tte, wahrend das ganze umgebende Land zu Minister gehorte.
v. Richthofen hat diesen Zipfel verkiirzt, aber willkiirlich, und
auch bei ibm bleibt die Grenze noch auflfallend weit zwischen
Tjamme und Ehe vorspringend.
Der Grund fur diese bisherige tats&chlich unmogliche An-
nahme ist der Ausdruck der Urk. 1: Dese Thyamme uyt Tyd-
wynedaborch in de Zype dale — dit is de rechte scheydinge
tuschen beyden Stichten ende Landen voorschreven, und Urk. 2 :
De vorscr. Tiamme is ewig und wairachtige schedinge tusschen
Reiderlandt und Oldenampten offt der beiden stichten. Dieser
Angabe widerstreitet die Angabe in denselben Urkunden, dass
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— 457 —
Reiderwolde und Megenham, die zum munsterschen Rheiderland
gehort haben, von Tydwynedaborch die Tjamme aufw&rts ge-
legen haben.
Die L5sung dieses Widerspruchs tinde ich darin, dass fiir
die Bauernschaften, um derentwillen diese Vertrage geschlossen
wurden, und also auch fiir die Verfasser und Unterzeichner der
Urkunde, nicht die ganze Tjamme Bedeutung hatte, sondern
nur der ost-westlich laufende Teil von Finserwolde an auf-
w&rts. Damit steht der Ausdruck in Uebereinstimmung: al
wat aan die noorder zyde der Tyamme ende Zype licht, dat is
Oldampte, ende wat lande aan de zuyder zyde der Zype ende
Tyamme licht, dat is Reyderlandes, denn nur von Finserwolde
aufw&rts stimmt das, Finserwolde abwarts fliesst die Tjamme
nordlich, Rheiderland liegt also ostlich und Oldamt westlich,
und wiirde die Zeichnung der alten Dollartkarte als richtig an-
genommen, so wiirde noch weiter abw&rts das Verhaltnis sich
grade umkehren, was nSrdlich der Tjamme liegt, ist Rheider-
lands, was siidlich Oldamts. Daher nehme ich an, dass die
Tjamme nur bis Finserwolde die Grenze zwischen beiden Bis-
tiimern gewesen ist.
Dass die Tydwynedaborch immer als Ausgangspunkt der
Tj. genannt wird, obgleich die zwischen dieser Burg und Finser-
wolde liegenden D6rfer Reiderwolde, Megenham, Wynedaham
und Dorpsen von der vorliegenden Ubereinkunft gar nicht be-
rllhrt wurden, erkl&re ich mir aus der Notwendigkeit, die
Tjamme genau zu bezeichnen, da Tj. ein ofter vorkommender
Flussname ist und als Name nicht bezeichnender als Ehe (vgl.
Str. u. V. S. 25 Anm.). — Ferner glaube ich annehmen zu dUrfen
und auf Grand der Urkunde annehmen zu mttssen, was bisher,
auch der Tradition folgend, nicht geschehen ist, dass die Tj.
wirklich bei Tydwynedaborch ihren Anfang genommen, d. h. ihre
Miindung gehabt hat, n&mlich in die Ehe, welche aus der
Niederung nSrdlich von Eexta-Scheemda entsprang, auf der
zweiten Karte von Str. u. V. mit „oude geuta bezeichnet. —
Nicht verschweigen will ich aber, dass ein Satz der Urk. 1
dabei noch Schwierigkeit macht: „Dese Tyamme — — —
scheydet alle Hamricken ontwee van beyden landen, die tuschen
Tydwynedaborch ende den Santwech (zwischen Eexta und
Westerlee) gelegen sint". Das kann ich nur als eine urkundlich
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- 468 —
fixierte Ungenauigkeit auffassen, indem ich dabei auf Dorpsen
hinweise, durch das die Tj. floss. Wie kann sie dann far den
Hammrich Dorpsens die Grenze gewesen sein, bei Dorpsen muss
sie doch die Dorfflur nicht begrenzt, sondern durchschnitten
haben. Es mttsste denn sein, dass Dorpsen ttberhaupt kein
Dorf, sondern nur ein Flurname ist, vgl. ahnliche Flurnamen
in dieser Gegend aus der Gegenwart (Str. u. V. S. 52). — Dann
bleibt nur noch die Schwierigkeit, dass die Tj. nach Urk. 1
auch door Meggeham floss. Dieser Ausdruck muss, wenn die
Tj. die Hammriche scheidet, ungenau sein, und so ergibt sich
auch hier, dass Urk. 2 die tats&chlichen Verhaltnisse richtiger
schildert.
Sonach ist der erste feste Punkt der untersuchten Bistums-
grenze die Stelle der Tjamme, wo sie sich sttdlich von Finser-
wolde „west ina wendet. Von hier flussaufw&rts bildete die
Tj. die Grenze, bis sie in die Zype floss. Dieser Flusslauf ist
nun aber nur auf der ersten kurzen Strecke noch vorhanden
zwischen Finserwolde und Beerte, weiterhin durch Anlage von
Gr&ben und Kan&len v611ig ver&ndert. Wir sihd also genotigt,
um den weiteren Lauf der Tj. festzustellen, wieder auf die
beiden Urkunden zurftckzugehen. Urk. 1 sagt: de Tyamme
strecket voort over dat moer recht westwert in de
Zype, die gelegen is tuschen Schemeder, Extinger ende dat
Convent te Heliger Lee. Urk. 2 sagt: de Tjamme
tusschen Finserwolda und de Beerte und dan vortan und vorup
in dat zuden und doer dat gantze meir in de Zipen, de ge-
legen is tusschen der Exte und Scheemde und Hilligerle. Str.
u. V. nehmen die Lesart moer an und lassen nach Urk. 2 die
Tj. zuerst nach Sliden lauf en westlich von Beerte und dann
durch das Moor ntfrdlich von Heiligerlee. Dabei ist schon auf-
fallend, dass sie so in das Flurgebiet von Winschoten und Hei-
ligerlee hineingeraten, w&hrend die Tj. doch Grenzfluss sein soil.
Unberiicksichtigt ist dabei geblieben, dass Urk. 1 keine s&dliche
Richtung der Tj. kennt, sondern nur sagt, sie erstrecke sich
recht westwert in de Zype. Grade westw&rts liegt aber das
jetzt entw&sserte alte Huningameer stidlich von Ostwolde.
Daher halte ich dafiir, dass auch hier Urk. 2 eine Verbesserung
enth< und nicht moer, sondern meer zu lesen ist. Dass die
Tjamme nach Urk. 2 in dat zuden und doer dat gantze meir
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— 459 —
geflossen ist, widerspricht sich nicht, wenn man nur das
„unda scharf betont im Sinne von einerseits — andererseits.
Dann ergibt sich, dass die Tj. hier einerseits nach Suden hin
sich erstreckte, wo sie entsprang, andererseits durch einen
Arm mit dem Huningameer in Verbindung stand, wie denn
eine solche Verbindung auch tatsachlich vorhanden ist und war
(vgl. Str. u. V. S. 14). Dann kam die Tj. durch das Meer in
Verbindung mit der Zype. Letztere floss danach nOrdlicher,
als Str. u. V. sie einzeichnen, und diese Lage stimmt mit
der Ortsbestimmung, wonach die Zype zwischen Eexta und
Scheemda und Heiligerlee gelegen ist, wahrend nach der
Darstellung von Str. u. V. die Zype mehr zwischen Eexta und
Heiligerlee liegt. Diese Verbindung zwischen Tjamme und Zype
war die Grenze. Der weitere Verlauf der Grenze ging dann,
wie Str. u. V. klargestellt haben, der Abwasserung nach in
der Mitte zwischen Eexta und Westerlee noch nach Westen,
dann zwischen Westerlee und de Meeden nach Suden, wo das
Moor die natiirliche Grenze bildet. Bei diesem letzten Teil der
Grenze trifft auch die heutige Grenze zwischen den Dorfern
mit der alten Grenze zusammen (Str. u. V. S. 16).
Von Finserwolde ostwarts fehlen zunachst alle Anhalts-
punkte filr die alte Grenze, da das fruhere Land vom Dollart
verschlungen ist. Die Lage dreier im Mtinsterschen Register
hinter einander vorkommenden Orte: Stoth, Howengehom und
Howengahoff [= Hovingagast, letzteres der biirgerliche Name
neben dem kirchlichen Howingahof1)], kann man aber nach
Str. u. V. S. 55 u. 62 fttr die Gegend von Drieborg (nordwestlich
yon Neuschanz) und Neuschanz nachgewiesen erachten. Danach
wttrde die Grenze von Finserwolde ab bis stidlich vom heutigen
Neuschanz gelaufen sein.
Nun ist weiter die Frage, an welchem Punkte die Grenze in
das heutige Ostfriesland eingetreten ist. Im Mtinsterschen Kirchen-
register finden sich die Orte Boenewerda und Winnamoor.
Diese hat man ftir die heutigen Orte Boen und Wymeer ge-
balten und daher die Grenze slldlich von Wymeer laufen lassen.
Dagegen bemerke ich, dass, wenn unser heutiges Wymeer das
l) vgl. o. S. 443 die Auseinandersetzung in dem vorigen Aufsatz
mi Wibel8bur und Wibadeshof.
Jihrbuch der Gttallsch. f. b. K. a. vaterl. AlUrtUmer zu Emdon, Bd. XV. 30
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- 460 —
Winnamoor des miinsterschen Kirchenregisters ware, dann auch
Diinebroek, das im Kirchspiel Wymeer belegene Kloster, im
Kirchenverzeichnis hatte genannt werden mtissen, da alle Kloster
der Probstei Leer in diesem Verzeichnis aufgefiihrt werden, was
nicht der Fall ist. Im untergegangenen Rheiderland gab es aber
auch ein Wynemeer, der Tradition nach1) etwa auf der Grenze
zwiscben Bunder- und Landschaftspolder belegen. Dies Dorf halte
ich daher fur identisch mit dem Winnamoor des Registers. Boen
und Boenewerda zu identiflzieren liegt auch keine Veranlassung
vor, da in Boen keine Spur vorhanden ist, dass es je Kirch-
dorf gewesen sei2). Boenewerda wird ein im Dollart unter-
gegangenes Dorf gewesen sein, dem Namen nach zu urteilen,
mit dem heutigen Boen in Zusammenhang stehend. Ich stelle
mir vor, dass Fluchtlinge aus dem ttberschwemmten Boene-
werda sich hier angesiedelt und der Ansiedlung in Erinnerung
an die Heimat den Namen gegeben haben. — Von Stapelmoor,
Diele und Vellage steht fest, dass sie zu Osnabrilck gehort
haben (vgl. v. R. II 1293). Daher sind auch die Angaben der
Studenten Reynerus de Fellage und Fredericus Stapehnoer, die
1431 bezw. 1439 in K61n studierten: „Osnabrugensis dioecesis1,
nicht als falsch anzusehen, wie Jahrb. XI S. 119 und 120 ge-
schehen ist.
Danach verlief die Grenze siidlich von Neuschanz gradlinig
nach Osten weiter bis nordlich von Stapelmoor und an die Ems.
An der anderen Seite der Ems in Overledingerland gehSrten
Mitling und VSllen zur Osnabrlicker Diozese (vgl. v. R. II 1293),
aber auch Steenfelde, was bisher tlbersehen zu sein scheint,
nach Friedl. U.-B. No. 778 vom Jahre 1462: „Folkmarus de
Steynvelt clericus Osnabrugensis dioecesis".
Die natiirlichen Grenzen sind hier die zur Ems laufenden
Sieltiefe nOrdlich von Stapelmoor und nordlich von Mark und
dann zwischen Grosswolde und Steenfelde durch bis Bullerbarg.
Auf die beiden frei im Felde erbauten einander nahegelegenen
Kirchen von Grosswolde und Steenfelde fallt hierdurch neues
Licht, da sie, wie man auch von den grossen in Brokmerland
*) vgl. die Dollartkarte v. Outhof in Furbringer. Die Stadt Emden S. 6.
*) Die Annahme v. E's., dass eine Kirche in Boen vorhanden war
(II 1190), beruht auf einem Missverst&ndnis von Arends Erdbeschr. S. 247,
da Arends nach dem Zusammenhang die Kirche von Bunde meint.
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- 461 -
und im Norderland sich gegeniiber liegenden Kirchen an-
genommen hat, von den Bischofen als Grenzmarken errichtet
sein konnten.
Auffallend ist, dass wir hier auf der alten Di6zesan-
grenze Spuren einer nicht von kirchlichen Instanzen heriihren-
den Grenze treffen in den Ortsnamen Mark und Bullerbarg.
Der Name der auf einem Hiigel hart an der Ems belegenen
kleinen Ortschaft Mark heisst im Werdener Register vom
Jahre 1000 Marcberge (Friedl. U.-B., Anh. A., No. 6) und dtirfte
als Bezeichnung eines Grenzhiigels in Anspruch genommen
werden im Sinne von „der die Markgrenze anzeigende Berga.
Der Name Bullerbarg deutet ebenfalls auf einen Grenzhiigel,
wenn Bflttger recht hat mit der Bemerkung, dass die Silbe
Boll oder Bull in Ortsnamen auf eine Grenzlinie deutet (Gau-
und Diozesangrenzen II S. 7 Anm.). Dies ist um so bedeut-
samer, als eine ursprungliche DiSzesangrenze schon als
solche Bedeutung hat f(ir die Erkenntnis der Grenzen der Gaue,
in welche Deutschland schon vor der Zeit Karls des Grossen
eingeteilt war.
v. Hodenbergs Hypothese: „Die Gaugrenzen fallen zu-
sammen mit den DiOzesangrenzen", besonders in der von
B6ttger beliebten Form, der auch die Dekanatsgrenzen als mass-
gebend zu Grunde legt, ist zwar in ihrer allgemeinen Form
nicht haltbar, da die uns bekannten Diozesan- und erst recht
die Dekanatsgrenzen oft erst sp&teren Ursprungs sind. Daher
weist besonders v. R. in seinen Untersuchungen diese Hypo-
these Sfters als mit den tatsachlichen Verhaltnissen nicht iiber-
einstimmend nach. Aber das Wahrheitsmoment der Hypothese
v. Hodenbergs ist, dass fiir die ursprttngliche Einteilung
der Diozesen die Gaugrenzen als Norm gedient haben werden,
wie Dehio (Gesch. des Erzbistums Hamburg-Bremen I, Kritische
AusfQhrungen S. 50) sagt: „Als Norm der urspriinglichen Ein-
teilung gebe ich das Axiom durchaus zua. Speziell fiir den
hier in Betracht kommenden friesischen Teil des Bistums
Mtinster steht es nach Altfrieds vita Liudgeri fest, dass er
ganze Gaue umfasste, und also muss hier die urspritngliche
Diozesangrenze mit den Gaugrenzen sich decken.
In unserem Fall haben wir in der Osnabriicker Diozesan-
grenze im siidlichen Ostfriesland wohl die ursprungliche
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— 462 —
Grenze zu sehen, weil sie nicht wie die spatere Didzesangrenze
mit der Landesgrenze Ostfrieslands ttbereinstimmte, und weil
wir Spuren einer nicht von kirchlichen Instanzen herrfthrenden
Grenze auf dieser Linie in den Ortsnamen Mark und Boiler-
barg finden. Dann haben wir hier die siidliche Grenze des
friesischen Erasgaues und die Scheidung zwischen dem friesi-
schen und s&chsischen Emsgau.
Nach der dem ersten Band des Osnabrftcker Urkunden-
buchs beigegebenen Untersuchung liber die Osnabrttcker Gaue
hat sich der Emsgau tiber die heutige Landesgrenze Ostfries-
lands siidw&rts an der Ems entlang erstreckt. Rhode bei
Aschendorf gehorta urkundlich dazu. Dieser Gau wird im
Gegensatz zum friesischen Emsgau der s&chsische genannt
Seine siidliche Grenze ist nicht sicher, nor als ann&hernde
Grenze kann angegeben werden: „nordlich von Meppen*, da
dieses zum Agredingau gehorte. Der friesische Emsgau ge-
horte zum Bistum Mttnster, der s&chsische Emsgau zum Bistum
Osnabrilck. Die kirchliche Jurisdiktion fiber den letzteren ist
1667 an Mttnster verkauft (Osn. Mitteilungen X. Bd. S. 230).
Hat aber die besprochene Osnabrflcker Diozesangrenze in
Ostfriesland die nordliche Grenze des sachsischen Emsgaus ge-
bildet, so haben wir in ihr ein Markzeichen der folgenschweren
Scheidung des ing&vonischen Stammes in Sachsen und Fridsen*
„Indem die ersteren ein reines Binnenlandvolk warden, die
letzteren ein reines Seevolk, zugleich aber — ich habe hier
namentlich die Ostfriesen im Auge — sich zu entschiedener
Sonderexistenz abschlossen und, da sie selbst arm waren und
eines produzierenden Hinterlandes entbehrten, auch keine
Handelsbedeutung erlangten : in Folge dessen ging die Nordsee
auf Jahrhunderte fiir das allgemeine deutsche Leben so gut wie
verloren" (Dehio a. a. 0. I S. 234). Dieser Scheidungsprozess
hat nach Dehio a. a. 0. I S. 4 im 2. und 3. Jahrhundert be-
gonnen und im 6. sich vollendet.
Spater finden wir die friesische Volksgrenze weiter nach
Siiden vorgerilckt, denn schon 1177 wird nach Urk. 346 des
Osn. U.-B. Vollen als ein Ort in Fresia bezeichnet.1) Die Burg
!) Dasa das Osnabriicker Archidiakonat an der Ems Archidiaconataa
Frysie genannt wird (vgl. Jahrbuch XIII S. 277), scheint darauf hinsudeuten,
dass die friesische Volksgrenze vielleicht im 12.— 14. Jahrhundert noch
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— 463 —
von Papenburg aber gehOrte, obwohl belegen im Kirchspiel
VSUen, 1458 politisch zum Niederstift Miinster (Friedlaender, Urk.
730). Die politische Grenze hat also damals wie bis in unsere Tage
der zwischen Papenburg und Vollen belegene Hampoel gebildet.
— Auch die kirchliche Grenze scheint noch im 15. Jahrhundert
sich der neuen Landesgrenze angepasst zu haben, weil das zu
Anfang angefdhrte Osnabrilcker Diozesanverzeichnis von 1456
bis 1458 keine Ortschaften aus Ostfriesland mehr enthalt. Auf-
fallend ist demgegeniiber allerdings, dass Folkmarus von Steen-
felde sich noch 1462 als clericus Osnabrugensis dioecesis be-
zeichnet. Vielleicht hftngt das mit der Uebergangszeit zu-
sammen, in der die Kirchspiele, aber noch nicht die alten
Pfarrer der neuen Didzese angegliedert waren. — Dass das
M&nstersche Kirchenverzeichnis (Ostfr. U.-B. II No. 961), welches
von Friedlaender 1475 datiert ist, die Ostfriesischen Orte der
Osnabrilcker DiSzese noch nicht enthalt, scheint mir in diesem
Zusammenhang eine frilhere Datierung desselben zu verlangen
und zu fordern, dass es frflher als das Osnabrilcker Verzeich-
nis, also vor 1456 angesetzt werden muss.
Um nun die Untersuchung aber die Osnabrilcker DiOzesan-
grenze in Ostfriesland ganz zu Ende zu fiihren, miissen wir von
Bullerbarg aus noch einen Blick nach Osten tun. Es war hier
f&r jene alten Zeiten das Hochmoor erreicht, und dies war die
natilrliche Grenze bis nach Saterland, welches zu Osnabriick
gehOrte. Es fragt sich nur noch, ob nicht auch hier die Grenze
gradlinig nach Osten bis nach Saterland gelaufen ist, so dass
auch das Johanniter-Kloster Langholt mit seinem Vorwerk
Burlage auf Osnabrilcker Gebiet lage. Im Miinsterschen Kirchen-
register fehlt nach meiner Deutung der allerdings oft zweifel-
haften Namen Langholt, daher nehme ich an, dass die Osnabrilcker
Sprengelgrenze von Steenfelde ab fiber Bullerbarg gradlinig bis
nach Saterland gelaufen ist. Praktisch hat die Grenze hier
wenig zu bedeuten, da zur Zeit der Griindung des Klosters
Langholt diese Gegend schon zu Friesland gerechnet und daher
weiter als Vdllen nach S&den vorgerilckt ist. Das ganze von diesem
Archidiakonat umfasste Gebiet bis siidlich von Meppen d&rfen wir aber
kaum als friesisch in Anspruch nehmen. Der Name Archidiaconatus Frysie
kann dem Bezirk gegeben sein, weil ein Teil davon zu Friesland gehorte-
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— 464 —
Langholt als ein Kloster in Friesland bezeichnet wird (Ostfr.
U.-B. I No. 48), und da kirchlich diese einzige Ansiedlung in
dieser Gegend als Kloster der Jurisdiktion des Bischofs von
Osnabriick nicht unterworfen war.
Schliesslich sei noch bemerkt, dass Ledebur (Die funf
miinsterschen Gaue S. 75, Note 161) eine Urkunde anzieht, wo-
nach Fallun und Uualde zu Osnabriick gehorten. Diese beiden
Namen deutet er auf Vollen und Grosswolde. Es konnen aber
ebensogut Fullen westl. von Meppen (Werdener Register: Vollun
und Follun. Osn. U.-B. I S. 95, 96) und Osterwald in Humm-
ling (Werdener Register Waldi, Wolde, Osn. U.-B. I S. 96, 104)
mit Fallun und Uualde geraeint sein, und es liegt somit kein
Grund in dieser Urkunde vor, Grosswolde dem Bezirk des Bis-
tums Osnabriick zuzuschreiben.
Nortrooor. Frerichs.
XII.
Boekzetel und Broekzetel.
Die beiden Orte Boekzetel und Broekzetel werden in der
Literatur fiber ostfriesische Geschichte und Geographie be-
standig verwechselt. Boekzetel, friiher der Sage nach ein
Kloster, zur Zeit der Reformation ein Johanniter-Vorwerk,
liegt siidlich von Aurich, Sstlich von Oldersum, nebst Stiekel-
kamp, Hatshausen und Ayenwolde am Siidrand der Niederung,
die sich bis nach Bagband hinzieht. Broekzetel, ebenfalls
friiher angeblich ein Kloster, liegt Sstlich von Aurich im Moor.
Suur setzt in seiner Geschichte der Kloster anstatt Boek-
zetel immer Broekzetel (S. 25, 121, 124) und ist dadurch der
Vater der Verwirrung geworden, obwohl auch schon vor ihm
Funck und sogar Beninga1) wahrscheinlich durch Schreib-
*) Wenigstens in der Harkenrohtschen Ausgabe.
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— 465 —
fehler die beiden Namen verwechselt haben. Diese Verwirrung
setzt sich in den einschl&gigen Werken von Friedlaender,
Houtrouw und Ftirbringer fort.
Als Klosterwerk kommt nur Boekzetel urkundlich vor unter
den Namen Bowkesete (U. 48), Bockesaete und Boickzete (U. 1646
und 1647). Friedlaender erklart in der Anmerkung: „Brock-
zetel Oder Bokzetel ostlich von Oldersum", im Register aber:
„Brokzetel, Boickzte, Bockesate ostlich von Aurich im Moor".
Nach der Schreibweise der Urkunden liegt gar keine Berech-
tigung vor, hier Broekzetel einzusetzen. Broekzetel kommt ur-
kundlich nur bei der Erwahnung des Blockhauses „upp deme
Broikzetell" vor (U. 1541 und 1542).
Danach ist zu beanstanden als Schreibfehler (Funck, Chronik
Buch 2 S. 49) : „Die Kommanderie-Guter als Broekzetel und Stickel-
kamp nahm der Graf ebenfalls zu sicha ; als unbewiesene Behaup-
tung (Houtrouw S. 133): ^Broekzetel ein Kloster Johanniter-
ordens"; als Irrtum (Houtrouw S. 184): „zu Hasselt gehOrten
Stiekelkamp, Heseler Vorwerk, Broekzetel"; es muss Boekzetel
heissen. Von Broekzetel wissen wir nichts, nicht einmal, ob es
wirklich ein Kloster oder nur ein Vorwerk geweaen ist, ge-
schweige denn, zu welchem Orden es gehort hat.
Eine fernere Verwechselung der beiden Namen liegt vor
bei der Erwahnung des Abbruchs der Kirche zu Broekzetel
(Beninga S. 838) oder Boekzetel (Emmius S. 953) im Jahre 1556.
Funck (Buch 5 S. 30) schreibt nach Emmius Boekzetel und zitiert
noch Schotanus p. 698. Die meisten Schriftsteller, Arends,
Houtrouw u. a. schreiben nach Beninga: Broekzetel. Es dtirfte
hier ein Schreib- oder Druckfehler bei Beninga vorliegen, doch
ist dies nicht sicher zu entscheiden.
Das einzige Mai, wo ich ausserdem noch in alterer Zeit
Broekzetel erwahnt finde, liegt merkwurdigerweise gleichfalls
eine Verwechselung mit Boekzetel offenbar vor. Es ist in der
von Houtrouw I 108 und II 142 angegebenen Notiz, wonach
Ulrich von Dornum den Grafen Enno 1530 bat, ihm gegen seine
Anspriiche auf Wittmund die Ortschaften Broekzetel (?), Hats-
hausen und Ayenwolde zu ttberlassen. Die Quelle dieser Notiz
dtirfte Arends (Erdbeschr. S. 289, 290) sein. Der Zusammen-
hang mit Hatshausen und Ayenwolde fuhrt aber auf Boekzetel.
Broekzetel lag fur Ulrich von Dornum ganz und gar ungelegen.
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— 466 —
Arends hat diese Notiz wahrscheinlich aus Brenneisen,
Historie und Landesverfassung, wo torn. I lib. V S. 168 f. der
Originalbrief Ulrichs ins Hochdeutsche tibersetzt steht. Da
steht richtig Boeckzetel.
Uebrigens beruft sich Arends dabei auf Emmius fiir seine
Angabe, dass Simonswolde fiir Ayenwolde an die Herrlichkeit
Oldersum vertauscht sei. Es scheint da ein Missverstandnis
der Stelle descr. chor. p. 42 unten zu Grunde zu liegen. Hou-
trouw bat wieder Arends missverstanden und Emmius zum
Gew&hrsmann der ganzen Notiz gemacht.
Nortmoor. Frerichs.
XIIL
Noch einmal die Glooken von Nortmoor.
Zu der Notiz im Jahrbuch XIV S. 332 u. 333 habe ich
yon unserem Mitgliede Herrn Meekhoflf Doornbosch Mitteilungen
erbalten, die mich veranlassen zu berichtigen, dass die Deutung
der drei Namen . iurian . adrian . bastiaen . als Heiligennamen
nicht ausgeschlossen, sondern trotz der merkwtirdigen Ueber-
einstimmung der Namen mit denen auf dem friiheren Taufsteine
von Kanum wahrscheinlich ist. Die Heiligen Georg, Adrian
und Bastian = Sebastian sind recht geeignete Heilige fiir l&nd-
liche Verhaltnisse, denn sie verschaffen gutes Wetter, Glflck
in der Viehzucht und Schutz gegen ansteckende Krankheiten
(Pest) (nach Otte, Handbuch I 573, 553, 596). Nach dem Volks-
glauben des Mittelalters wurden durch das Anschlagen der
Glocken die auf ihnen genannten Heiligen angerufen. Noch
heute dient die Glocke als „Betglockea und wird dreimal am
Tage, morgens, mittags und gegen Abend angeschlagen, nach
unseren evangelischen Kirchenordnungen eine Erinnerung an
das Gebet urn den allgemeinen Landfrieden (Da pacem domine
in diebus nostris, Gesang 519 im Gesangbuch der hannoversch.
Landeskirche). Nach der Kirchenordnung till das Harlinger-
land von 1574 sollte das Anschlagen der Betglocke eine Er-
innerung sein, um „ wider die Tiirken und alle Verfolger des
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— 467 —
gottlichen Wortes, wie auch wider einen bosen schnellen Tod
und alle Gef&hrlichkeit an Seel und Leib zu betena, Funck,
Chronik 3 S. 158, vgl. auch die ostfr. Kirchenordnung von 1631,
2. Aufl., 1716, S. 194. In diesen Vorschriften gehen unsere
Kirchenordnungen auf den ursprunglichen Gebrauch zuriick.
Schon Papst Urban II hatte um das Jahr 1100 dies Gelaute
angeordnet. Doch wurde bald ein Mariendienst daraus gemacht
und deswegen das pro pace Lauten durch reformatorische
Kirchenordnungen auch ganz verboten (Herzog, Real-Encykl.
1. Aufl., I., S. 21).
In Bezug auf das auf der kleinen Glocke von Nortmoor
befindliche Monogramm teile ich aus dem Briefe von Herrn
Meekhoff Doornbosch noch mit, dass dieses nicht eine Haus-
marke, sondern das Monogramm der Maria darstellt. Es ist
aus den Buchstaben M und V komponiert und bedeutet Maria
virgo. Durch den aufgelegten Querstrich entsteht dabei die
Form des gotischen A, wie denn dieser Buchstabe von mir
wie von Friedlaender herausgelesen ist. Da dieser Buchstabe
der letzte des Namens Maria ist, kann die Absicht vorliegen,
hierdurch das Monogramm der Maria vollstandiger zu machen.
In der Zeitschrift De vrije Fries XVI deel findet sich eine
kleine Abbildung dieses 6fters vorkommenden Monogramms,
die aber in der Formgebung mit dem auf der Glocke von Nort-
moor befindlichen Monogramm nicht ubereinstimmt. Ubrigens
hat unsere Glocke das Monogramm auf der Ruckseite noch
einmal, und zwar in einfachen, nicht in Doppellinien, wie auf
der Vorderseite, beide Mai ist es 25 cm hoch.
Nortmoor. Frerichs.
XIV.
Die Emder RQstkammer im 18. und 19. Jahrhundert1)
Vom 0berbiirgermei8ter Ffirbringer, Emden.
Kiirzlich ist im Selbstverlage des Magistrats hiesiger Stadt
der von Dr. Othmar Baron Potier aus Wien im Auftrage der
Stadt verfasste Fiihrer durch die Emder Rtistkammer und das
l) Aus den nachfolgenden Mitteilungen sind einige wenige Einzel-
beiten in dem Aufsatze .Die Rtistkammer der Stadt Emden0 von Dr.
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— 468 —
von diesem Waffenhistoriker im Jahre 1901 neu aufgenommene
Inventar in einer sehr instruktiven und ttbersichtlichen wissen-
schaftlichen Bearbeitung erschienen. Beiden Veroffentlichungen
ist eine kurzgefasste Geschichte der Emder Rdstkammer voraus-
geschickt, welche alle fttr den Waffenhistoriker wesentlichen
Momente in fesselnder Darstellung enth<.
Was die nachfolgenden Blatter bringen, soil eine Nachlese
dazu sein aus den Akten der Rathaus-Registratur fur die
letzten anderthalb Jahrhunderte, also mehr von lokalem
Interesse.
Nach Aufhebung der Verpflichtung der Biirger zu regel-
massigen Wachtdiensten und des Amtes der SchdttenhOftlinge
zur Zeit Friedrichs des Grossen (1749) war die Verwaltung und
Beaufsichtigung der Rtistkammer unter der Direktipn eines der
Ratsherrn als Kriegs- und Artilleriekommissar teils in den Handen
von invaliden Unterbeamten des Exekutivdienstes (Konstabler,
Kanonier, biirgerlicher Wachtmeister), teils von verschieden-
artigen Handwerkern gewesen. Sie war das Arsenal der Stadt,
aus welchem die Biirger-Kompagnien, wenn die Sicherheit der
Stadt in Gefahr war, auch bei grosseren Branden und zu
Zeiten, wenn die Kompagnien bei bilrgerlichen Unruhen nicht
zuverlassig genug schienen, freiwillige Kompagnien der Biirger
bewaffnet wurden. W&hrend des 7j&hrigen Krieges wurdc
Emden im Jahre 1757 namens der Kaiserin Maria Theresia von
osterreichischen und franzosischen Truppen in Besitz ge-
nommen und das Arsenal der Stadt mit Beschlag belegt. Das
Kurhann.-Kalkreuth'sche Bataillon, welches die Besatzung der
Stadt bildete, geriet in Kriegsgefangenschaft. Die Osterreicher
hatten ausser dem Arsenal im Rathause auch das Kommerzien-
Magazin (Portofranko-Packhaus) an der Westerbutvenne als
Arsenal eingerichtet. Als die Franzosen und Osterreicher i. J.
1758, bedroht durch den Prinzen Ferdinand von Preussen,
plStzlich den Platz raumen mussten, liessen sie grosse Vor-
rate von Munition und Waffen zuriick, unter anderen die des
kriegsgefangenen Kalkreuth'schen Bataillons : 694 Kurhannover-
sche Flinten, ausserdem 304 Konigl. Preussische Flinten, 181
Patrontaschen, 6 Espontons, 12 kurze Gewehre, 220 franzS-
Othmar Baron Potier in der Zeitschrift far historische Waffenkunde in
(Leipzig 1903) S. 15—23 und 102—109 aufgenommen worden. (Anm. der Red.)
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— 469 -
sische und 3 osterreichische Flinten. In Nebenr&umen des Rat-
hauses waren ausserdem vom Kalkreuthschen Bataillon 202
Pallasche, 17 Klingen, 61 Sabel ohne Scheide, 210 Scheiden
zu Sabeln und Pallaschen, 1 Esponton, 2 kurze Gewehre, 4
holzeme Trommelspiele, 1 von gelbem Kupfer und 14 franzo-
sische Mantel aufbewahrt worden.
Von diesen Best&nden wurden noch i. J. 1758 auf Anweisung
des Konigs die 694 hannoverschen Gewehre der Koniglich
Grossbritannischen Kriegskanzlei zu Hannover durch den Post-
meister Schweers in Leer verabfolgt.
Emden erhielt nach dem Wegzuge der Franzosen englische
Besatzung unter dem Oberst Brudenelle als Kommandant.
Auf Requisition des Herzogs Georg Ludwig von Holstein,
Generals der Armee des Konigs von Preussen in Mtihlheim,
wurden in demselben Jahre zur vorlaufigen Bewaffnung des in
Minden zu bildenden neuen Regiments (Bataillon Volontaires de
Prusse) auf Anordnung der Koniglichen Kriegs- und DomSnen-
kammer in Aurich durch den Hauptmann von Mosch vom
Trymbach'schen Bataillon zu Fuss 220 franz. Gewehre samt
Bajonetts vom vormaligen Kalkreuth'schen Bataillon, 180
Patronentaschen mit Riemen, 15 dito ohne Riemen und 1
Sabel mit Gehenk, verabfolgt zu einer Taxe von 3 Reichstaler
fur ein Gewehr mit Bajonett; ferner im Jahre 1760 an den
Obristwachtmeister von Treskow 10 Gewehre und Sabel zum
Transport von Rekruten nach Berlin, 1 messingene Trommel,
2 Patrontaschen und 2 Tornister, 46 Patrontaschen mit Riemen,
21 Tornister, 6 Trommelstocke, 1 Pfeife mit Futteral, die aber
sp&ter grosstenteils zuriickgegeben wurden; sodann 1761 an
den Obristwachtmeister de Jenney 278 Flinten mit Bajonetten,
deren jede auf ll/2 Reichstaler gewiirdigt wurde, sowie 16
defekte und 10 einzelne Laufe, 258 Pallasche und Sabel, wovon
jeder auf 10 Ggroschen., und 2 Trommelspiele, welche zusammen
auf 5 Reichstaler geschatzt wurden, und 21 Klingen zu
Pallaschen abgeliefert, wofiir im Ganzen 529 Reichstaler 12
Ggroschen zum Depositum des Magistrats eingezahlt wurden,
die aber auf Anweisung des Konigs in demselben Jahre zurilck-
gezahlt wurden.
Der zuletzt genannte Offizier verlangte vom Magistrat zur
Armierung des Bataillons Volontaires d' Ostfrise auch noch die
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— 470 —
Ausantwortung einer Anzahl Gewehre, Flinten und Karabiner,
die von der bengalischen Compagnie in Emden herrOhrten nnd
die Inschrift trugen: „K5niglich Preussische Garde*.
Damit hatte es folgende Bewandtnis: Die bengalische
Compagnie hatte dieselben s. Zt. in Berlin eingekauft and dem
vormaligen hiesigen franzosischen Konsul Casteleyn in Ver-
wahrung gegeben. Gedachter Konsul hatte diese Gewehre, als
1751 die BOrgerschaft von den franzdsischen Truppen ent-
waffnet wurde, wobei alle im Privatbesitz befindlichen Ge-
wehre abgeliefert werden mussten, bei dem franzdsischen
Kommandanten deponiert, die Osterreicher hatten sie nachher
in dem Kommerzien-Magazin, welches sie als Arsenal em-
gerichtet hatten, aufbewahrt und bei ihrem Abzug zurflck
gelassen. Obristwachtmeister de Jenney kaufte davon 240 Stack
zu einem Stftckpreise von ll/2 Reichsthaler von der Stadt und
berichtete an den KQnig, dass noch 1500 Stack davon vor-
handen seien, die brauchbaren davon mftsste er fQr seine
Chasseurs haben. Sie miissten allerdings wohl erst repariert
werden, man k5nnte aber gut 1200 Mann damit bewafihen,
die Kriegs- und Dom&nenkammer in Aurich mache aber Schwierig-
keiten, die Verabfolgung zu gestatten. Diese wollte n&mlich,
dass der Magistrat sie nur gegen Bezahlung der Taxe verab-
folgen solle. — In Anbetracht der zahlreichen Defekte und der
grossen Reparaturbedttrftigkeit wurde das Stttck zu 2 Reichs-
taler fttr jede Kugelbttchse und Flinte taxiert, bis Mai 1761
wurden aber davon nur 194 Stilck nach und nach abgenommen,
deren Taxe von 388 Reichstaler in einem versiegelten Beutel
zum Depositum des Magistrats gelangte.
Ausser diesen Gewehren waren auch sehr grosse Pulver-
und Kugelvorr&te bei der eiligen Retraite der Franzosen in
die H&nde der Stadt gefallen.
Am 22. September 1761 war das Corps des franzosischen
Brigadiers Conflans von Westfalen aus ganz unvermutet in
Ostfriesland eingefallen und hatte in wenigen Tagen unter
Plilndern, Brennen, Rauben und Morden das Land ausgesogen
und durch Erpressung von Kriegskontributionen nicht bloss das
letzte genommen, was die unglticklichen Bewohner an Geld,
Schmuck- und Wertsachen gehabt hatten, sondern sich auch
von den Stadten und Aemtern durch Wechsel, die die wohl-
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— 471 —
habendsten Burger hatten ausstellen miissen, das, was nicht
in barem Gelde aufgebracht werden konnte, sichern lassen. Die
Wut des Landvolkes fiber diese Blutsauger batte eine Hohe
erreicht, dass bei vielen der Gedanke entstanden war, ihnen
bewaffneten Widerstand zu leisten und ihnen ihren Raub
wieder abzujagen. ttberall flammte der Aufstand empor. Die
Feinde hatten angesichts dieser Bewegung unter dem Landvolke
grosse Eile, ihren Raub in Sicherheit zu^bringen. Als sie sich
bereits in Leer konzentriert hatten, um iiber die Ems zu gehen,
und Ostfriesland aufatmete, diese Plage los geworden zu sein,
entstand das Gerticht, dass weitere Franzosen im Anzuge seien
und die Conflanser auch zurtickkehren wollten, um sich fur
die Angriffe der Bauern zu r&chen. Conflans hatte den Be-
such der Herzoge von Coigny, von Fronsac und anderer franzo-
sischer Herren erhalten, die Emden sehen wollten. Er fuhrte
sie unter starker Bedeckung nach Wolthusen und naherte sich
am 27. September der Stadt mit 70—80 Mann. Dies brachte
die Bauern zur Verzweiflung. Sie zogen in Haufen in die Stadt,
erbrachen die Tore der Rtistkammer und bewaffneten sich
mit Flinten, Pulver und Blei, besetzten die Walle und gaben
auf die Herannahenden Feuer. Ein Bauer ziindete mit seiner
Pfeife eine aufgepflanzte geladene Kanone, deren Kugel unter
den Conflans'schen Husaren einschlug und einen Offizier schwer
verwundete. Conflans zog sich vorlaufig mit seinen Begleitern
nach Leer zurflck.
Am 29. September verlangten die Bilrger und Bauern aus
den Aemtern Norden und Greetsiel unter Ankiindigung ihres
Anmarsches vom Magistrat der Stadt Emden Pulver und Blei,
um gegen die Conflanser zu Ziehen. Magistrat entgegnete, dass
das st&dtische Zeughaus am Tage vorher bereits geleert sei.
Als der Haufen am 30. September in Emden einrttckte,
bem&chtigte er sich dreier Kanonen und zog nach Oldersum.
Unterdessen hatte jedoch das Eintreffen einer franzOsischen
reguiaren Verst&rkung von 2—3000 Mann unter dem Befehl
des General Wurmser, eines Deutschen aus dem Elsass, den
Widerstand unmoglich gemacht. Dem Burgermeister Deteleff,
der beauftragt war, als Vertreter der Stadt bei dem franzo-
sischen General den Friedensbruch der Bauern vom 29. Sep-
tember zu entschuldigen, gelang es, bei Wurmser eine all-
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— 472 —
gemeine Amnestie fiir alle, die die Waffen ergriffen hatten, aus-
zuwirken, und dem Pr&sidenten von Derschau in Aurich, eine
Ermassigung der noch nicks tandigen B rands chat zungssum me
und nach Befriedigung der Franzosen den Abzug derselben
am 7. Oktober 1761 herbeizufiihren.
Am 6. Oktober berichteten Biirgermeister und Rat der
Koniglichen Kriegs- und Domainenkammer Aurich iiber die
Pliinderung der Rtistkammer durch die Landeseingesessenen
aus den verschiedenen Aemtern Ostfrieslands (besonders aus
Aurich, Berum, Norden, Greetsiel und Emden), die namentlich
viele von den der Bengalischen Compagnie gehorenden Gewehren
annektiert, aber auch das Gewehr der Burger, sodass die Stadt
merklich ihrer Waffenvorrate entblosst worden sei, welche
sie doch nOtig h&tte, um damit im Falle der Not den inner-
lichen Ruhestand zu konservieren. Sie baten Seine Majestat,
allergnadigste Verftlgung zu erlassen, damit die Landeseinge-
sessenen nachdriicklichst angehalten wiirden, die der Stadt
Embden und der Bengalischen Compagnie zugeh6rigen Gewehre
zu restituieren. Es erging denn auch ein offenes Kameral-
rescript vom 26. October 1766, welches als Patent in alien
Aemtern angeschlagen wurde, worin die Zuriickgabe der Ge-
wehre angeordnet wurde bei 20 Reichstaler Strafe, und wurde
ausserdem demjenigen, der denunzieren konne, dass dergleichen
fremdes Gewehr sich bei Jemandem finde, 10 Reichstaler als
Douceur ausgelobt.
Freiwillig eingeliefert wurde gar keins. Jn einem einzigen
Falle in Loquard, wo der Besitzer bekannt wurde, gelang es,
durch Haussuchung und Beschlagnahme ein solcfces wieder
herbeizuschaffen.
Die noch vorhandenen Gewehre aus der Kriegsbeute ver-
blieben der Stadt, ebenso die grossen Pulver- und Bleivorrate,
Patronen, Lunten u. s. w. Das Depositum aus den dem Obrist-
wachtmeister de Jenney gegen Taxe tiberlassenen Gewehren
wurde nicht zuriickverlangt. Die 400 Fass Pulver wurden der
Stadt 1767 grosstenteils von der Preussischen Garnison unter
Oberstleutnant de Courbi&re allmahlich abgekauft fiir 24 Reichs-
taler pro Zentner von 110 Pfund und alles zur Tilgung der
Stadtschulden verwandt, namlich der Kammerei-Konkurs-Kasse
iiberwiesen.
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— 473 —
Am 15. Oktober 1772 wurde ein Inventarium von den
Stadtischen Arsenal-, Artillerie- und Ammunitionstiicken vom
Btirgermeister Deteleff als Kriegs- und Artillerie-Kommissar auf-
genommen.
Erste Abteilung: Im Rathause auf der Zeugkammer.
Darin wurde unterschieden zwischen brauchbaren und alt-
modischen unbrauchbaren Stiicken.
Unter letzteren befanden sich verzeichnet : kostbare alte mit Elfen-
bein eingelegte Musquetons mit deutschen SchlSssern 146, eiserne Musque-
toDs mit Silber eingelegt 2, uberaus lange Musquetten mit deutschen Schlos-
sern 11, Musquetten mit LuntenschlSssern 349, Musquetten mit deutschen
Schlflssern 35, Musquetten-Gabeln 469, Bajonette mit hfllzernen Heften 14,
Pistolen mit deutschen Schldssern 88, alte Sabel und Degen 74, grosse
Schlachtschwerter 36, Partisans, Spontons 17, Hellebarden 81, ganzePieken
2, halbe Pieken 32, doppelte Kurassen 114, Sturmhauben 154, Ringkragen
20, vollige Harnische mit Hauben 6, dito ohne Hauben 49, Schilde 10,
Sturm-Kranzen 7, Sturm-Flegel 13, Gieser (Gussformen fur Kugeln) 18,
Menschenfasser 1, eine Partie Bandeliere mit Pulverbiichsen.
Als brauchbare Stucke wurden angefuhrt: Flinten mit Messing-
beschlagen und dazu gehdrige Bajonette 144, dito ohne Bajonette 17,
dito mit Eisenbeschlag 158, einzelne Bajonette 48, metallene Musquetons
10, grosse Patrontaschen mit Riemen 15, dito ohne Riemen 20, Dreh-
Bassen 10, Pauken 2, Trommeln 11, Kanonen 5, kleine Handlaternen 8,
Trage-Laterne 1, runde Stocklaternen 4, Enter-Beile 14, Kay-Beile 1,
messingene Blashdrner 7, Rufhdrner 2, Morgen-Sterne 7, Standarten 2,
Fahnen 7, grosse eiserne Kornmuhlen 2, dito Handmiihle 1, Pulverprobe 1,
Lotterie-Kasten 2, eine grosse Partie Lunten, eine Kiste mit bleiernen
und kleinen eisernen Kugeln, Kochorns (?) l) eiserne Mortirer 2, grosser
eiserner Topf 1, eiserne Balance 1, messingne Schalen 2, messingne
DOssel 2.
Darauf folgten: II. Artillerie-Stticke,
III. Im Magazin bey der Schreyers Hoek,
IV. Ammunnition im Thurm beim Norderthor.
Bei den Akten befinden sich noch verschiedene Belage
iiber vermisste Waffen und Abgabe von Waffen zu besonderen
Zwecken, unter anderem
1778. 22. Juni in dem Inventar fiir 3 Schnaphans, weg-
gekommen beim Abliefern an die Compagnie.
1778. door het optrekken van de borgere 4 Geweren vermisst.
1787. door het optrekken van de borgere 3 Geweren vermisst.
*) Sollte der Name mit dem ber&hmten niederlandischen Festungs-
Ingenieur und Erfinder von Kriegsmaschinen, Menno van Coehoorn, im
Zusammenhange stehen? (Anm. der Red.)
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1788. auf Ordre des Prasidenten 2 Gewehre an die Minister
zu einem Prasent abgegeben,
desgl. noch ein Gewehr an den General zu einem Pr&sent.
Die letzteren Stiicke waren offenbar kostbare Luxuswaffen.
Am 22. Juli 1802 wurde von dem Kriegs-Artillerie-Kom-
missar Adami unter Zuziehung des Konstablers David Dirks
und des Kanzlisten Harbers auf der Zeug- oder sogen. Rftst-
kammer wieder ein Verzeichnis der der Stadt Emden gehorigen
und jetzt noch vorhandenen Arsenal- und Artillerie-Stilcken,
sodann Ammunition aufgenommen. Darin wird nicht mehr
zwischen brauchbaren und altmodischen Waffen unterschieden.
Anscheinend hat dabei auch das Inventar von 1772 nicht zur
Vergleichung vorgelegen.
Es haben sich, wenn man beide Verzeichnisse vergleicht,
die altmodischen Luxuswaffen vermindert um 26, es erscheinen
ferner nicht wieder 2 mit Silber eingelegte Musquetons l) (wahr-
scheinlich Geschenke an die Minister). Vermindert haben sich
die Drehbassen von 10 auf 2, alte S&bel und Degen von 74
auf 68, doppelte Kilrasse von 114 auf 112, eiserne Schilde von
10 auf 9, grosse Patrontaschen mit Riemen von 15 auf 11.
Vermehrt haben sich die Sturmhaken von 154 auf 157, Flinten
mit Messingbeschlag und Bajonetten von 144 auf 161, die mit
Eisenbeschlag haben sich dagegen vermindert von 158 auf 18,
die ohne Bajonette vermehrt von 17 auf 206. Im Ganzen durch-
einander waren 1772 dagewesen 385, 1802: 319 Gewehre und
9 metallene Musquetons.
Einzelne Bajonette waren 1772 vorhanden gewesen 48,
1802: 13. Gross waren diese Ver&nderungen nicht und wohl
meist durch Veranderung in der Aufstellung und der Aptierung,
Abnutzung und Verluste bei der Riicklieferung, sowie durch
einzelne Geschenke zu erkl&ren. Das Fehlen von 8 Drehbassen
lasst auf Verwendung derselben auf Kaperschiffen oder auf
Convoy -Schiff en schliessen, die die Stadt Qfters zum Schutze
ihrer Handelsschiffe auf der Ems halten musste. MSglicher-
weise sind Musquetons identisch mit Drehbassen und nur eine
andere Beziehung fur die doppelten Haken (Wallbiichsen).
l) Damit werden doch die beiden, noch vorhandenen, tQrkischen
schweren Biichsen gemeint sein. (Dr. Potier).
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— 475 —
Ein drittes Inventarium samtlicher auf der Stadt Emden-
schen Zeug- oder Rtistkammer befindlichen Arsenal- und Ar-
tillerie-Sttlcke, sodann Ammunition und sonstiger Sachen vom
10. April 1807, also im Anfange der hollandischen Okkupation
und Fremdherrschaft, welche im Oktober 1806 begonnen hatte,
beglaubigt von dem Kanonier Hirsch und dem Rats-Kanzlist
Harberts ist eine Abschrift des Inventariums von 1802 mit
Bemerkungen tiber den derzeitigen Zustand, als z. B. „zum Ge-
brauche untauglich, alle alt und defekt, zum Gebrauche zu
schwer, miissen reparirt werden etc." Oflfenbar war dies fur
die hollandische Regierung bestimmt, um diese tiber die Un-
gef&hrlichkeit dieses Arsenals zu beruhigen. Wie vorauszusehen
gewesen war, erging von dem hollandischen Kriegsministerium
unterm 14. September 1809 an die Landdrostei des Departements
Ostfriesland eine Missive, worin der Wille des Konigs an-
gektindigt wurde, in keinem Platz, in keiner Stadt des Reiches
stadtische Arsenale oder Waffenkammern zu dulden, mit Aus-
nahme ftir die zum Gebrauche der Schtitterey einer Gemeinde
auszugebenden Gewehre. Der Landdrost des Departements Ost-
friesland forderte unterm 28. September Bericht, der ihm prompt
unterm 30. September 1809 erstattet wurde und dessen Haupt-
inhalt nachstehend wiedergegeben wird, weil er den damaligen
Charakter der Rtistkammer und die Fortdauer der Kriegsver-
fassung der Stadt offiziell bekundet (von der Hand des Btirger-
meisters Rosingh):
„Zur geh. Beantwortung des sehr geehrten Schreibens vom 28. des
Herbstmonates, das hiesige Stadt-Arsenal betreffend, erwidern wir hiermit :
1., dass die auf dem oben auf dem Rathhause befindliche Rtist-
kammer ein privates Eigentum der Stadt ist und unter un-
mittelbarer Aufsicht und Direktion des Magistrats steht,
2., dass aber diese Sammlung Waffen - Stuck e grosstenteils aus
durchaus unbrauchbaren Antiquitaten bestehet, welche man den
Fremden als Reste voriger Kriegs-Apparate und Instrumenten
zu zeigen pfleget,
3., unter diesem Vorrath befinden sich 384 Feuergewehre, woyon
aber nur 100 Stuck zum Gebrauche im Stande sich befinden,
die ubrigen aber alt, sehr schwer, ungereinigt und defekt sind,
welche von der Burger-Compagnie zur Zeit, wenn sie Wacht-
oder sonsten in vorfallenden unruhigen Auftritten Dienste thun
mtissen, gebrauchet werden. Da nun
4., die Burgerschaft der Stadt Emden in 4 Regimentern, diese in 23
Compagnien, jede mit Capitan, Leutnant und Fahnrich versehen,
Jahrbuch dor Qesellsch. f. b. E. u. viterl. Altertiimer zn Emden, Bd. XV. 31
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— 476 —
eingetheilt ist, welche nach einer bestehenden gedruckten Wacht-
ordnung in Eid und Pflicht ihren 4 Colonels untergeordnet zu
Wacht- und Hulfsdiensten bei Tag und Nacht verbunden sind,
welche Einrichtung die jetzige Regierung bestatigt hat und
welche auch wohl nicht ohne Besorgniss fur Unruhen, da man
alsdann Niemanden in vorkommenden unruhigen Auftritten und
Feuers- oder anderer Gefahr zur pers5nlichen Assistenz wurde
zwingen und obligat machen kdnnen, zu trennen sein wird, und
dass ferner bei solchen Gelegenheiten eine Parthie Waffen un-
entbehrlich sind, die Ruhe zu erhalten, die Burgerschaft aber
solche Waffenstiicke in ihren Wohnungen nicht selbst besitzet,
wenn man ausserst wenige Beguterte etwa ausnimmt, und es
auch sehr gut ist, dass der gemeine Mann nicht, wenn er will,
zu den Waffen greifen kann, so werden die Anzahl brauchbarer
Gewehre alsdann ausgegeben und nach gehabtem Gebrauche
wieder eingeliefert, und ist aus der Anzahl brauchbarer Flinten,
die wir, wie gesagt, hSchstens zu 100 Stuck angegeben haben,
ebenfalls zu ersehen, dass wir selbst im Nothfall nur 2 Burger -
Compagnien, im Durchschnitt zu 50 Mann gerechnet, wehrbar
bewaffnen konnten, welches unseres Bedenkens so gut als nichts
ist, wenn es zu ernsthaften Vorfallen kommen sollte, wie Gott
verhiiten wolle. Ausser diesen Rtistzeugen besitzen wir 4 demo-
lirte Kanonen, die auf dem Bauhofe liegen. .... Aus diesem
Berichte werden Euer Wohlgeboren ^enugsam den wehrlosen
Zustand des Stadt-Arsenals ersehen und hoffen wir hierdurch
dem geehrten Schreiben hiermit Genuge geleistet zu haben, die
wir mit ')
Aus einer anderen Akte der mittleren Registrator No. 896,
die Stadts-Wachtmeisters und Canonier-Bedienungen betrefifend
(1766—1808), ist zu ersehen, dass die Stellung des Canoniers
und Aufsehers der Rtistkammer, auch Constabel genannt, mit
einer Besoldung von j&hrlich 55 Reichstaler 30 Stuber im
Etat der Stadt enthalten war, und dass der oben erwahnte
Constabel David Dirks, der bei Aufstellung des Inventars im
Jahre 1802 mitgewirkt hatte, so alt und schwach geworden
war, dass mit ihm am 5. Juni 1805 eine Vereinbarung folgenden
Inhalts getroffen wurde: dass die 2 Rateler-Corporale Reiche
und Hirsch die Stelle desselben ad dies vitae verwahren, so-
dann einer von ihnen, der die Wache hat, stets im Rathause
sein, die Rustkammer besehen zu lassen, dagegen auch die
') Acta No. 259: Die von den Franzosen hierselbst zuruckgelassene
Kriegsmunition item das Stadt- Arsenal betr., sodann die Rustkammer auf
dem Rathhause (1760—1809).
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Emolumente davon Ziehen, so auch alles Putzen der Rflstungen
und des ganzen Arsenals, auch den Dienst bei den Kanonen
versehen, dafiir dann aber das Gehalt ziehen und davon jahr-
lich 25 Reichstaler abgeben sollte, ohne Anspruch auf den
Dienst selbst zu erlangen. Als der invalide Constabler David
Dirks am 10. September 1807 verstorben war, ist von den
beiden Rateler-Corporalen der Dienst wie bisher noch ein halbes
Jahr bis zum 24. Marz 1808 fortgesetzt und ihnen die Besoldung
mit 27 Reichstaler 42 Stiiber fdr diese Zeit angewiesen worden.
In derselben Akte befindet sich auch die rev. Instruktion
und Bestallung fiir den Stadt-Canonier, die von dem Burger-
meister Roesingh unter dem Datum des 28. Oktober 1807 ent-
worfen war, woraus folgende Bestimmungen, die sich auf die
Riistkammer beziehen, von Interesse sind:
§2.
Insonderheit stehet derselbe unter den Befehlen des vom Magistrat
verordneten Artillerie- und Kriegs-Commissars, dessen Befehlen er gehor-
8am sein und sich zur Einholung derselben so oft in dessen Behausung
einfinden muss, als dieser es verlangen muss.
§3.
Seiner unmittelbaren Aufsicht sind alle Stadts-Ammunitions-Stucke,
als Canon mit ZubehSr, alles Gewehr- und Waffen-Gerathe, wo es sich
auch befinden m8ge, und Pulver-Vorrath anvertrauet, daher derselbe denn
Afters alles besehen und untersuchen muss und sodann den Bestand dem
ad § 2 benannten Commissarius anzeigen muss, damit die nothigen
Herstellungen zeitig angeordnet werden und alles im brauchbarlichen
Zustande sich befinde.
§4.
Insbesondere erstrecket sich diese seine Aufsicht auf das auf dem
Rathhause befindliche Arsenal oder Rustkammer. Zu dem Ende sollen
demselben aUe davon vorfindlichen und noch jetzt vorhandenen Waffen-
stucke mit Zubehdr aller Art gegen ein spezifiques Inventarium uber-
liefert werden.
Diese Waffen soil er stets nachsehen, rein verwahren und putzen
helfen und in guter Ordnung aufgestellet und aufgehangen erhalten, da-
bei ihm aber bei der jahrlichen Reinigung, welche nie zu unterlassen,
ein Arbeiter zu Hulfe gegeben werden soil. Insonderheit hat er die Riist-
kammer nach Regenwetter zu besuchen, damit der durch Lecken des
Daches entstandene Schaden sofort hergestellt und alles reinlich ge-
putzt bleibe.
§5.
Obgleich es nach wie vor, wenn nicht Burgermeister und Rath es
anders gutfinden mdchten, erlaubt bleibt, unverdachtigen Fremden oder
31*
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Einwohnern auf ihr geziemendes Begehren gegen ein geringes Trinkgeld
die Rustkammer besehen zu lassen, wobei er jedoch stats in Person
gegenw&rtig sein moss, so ist ihm dieses doch nicht unbestimmt erlaubt,
sondern falls Fremde oder Einwohner, die den Zeiten oder Umstanden
nach verdachtig zu achten, die Rustkammer zu sehen verlangen mochten,
so soil er sich bei dem prasidierenden Burgermeister oder dem Raths-
Artillerie-Kommi8sariu8 um Erlaubnis befragen. Alles Besuchen der Rust-
kammer ohne speziellen Konsens des Magistrats soil verboten bleiben,
wenn Schiesspulver oder scharfe Ammunition dorten in Verwahrung ge-
halten wird.
§6.
Es soil auch dem Constabel bei eigener pers5nlicher Verantwortang
und schwerer Ahndung verboten bleiben, irgend einige Rustung oder Zu-
beh6r, Ammunition oder Material dazu, welches unter seinem Verwahr-
sam sich befindet oder seiner Aufsicht untergeben worden, ohne Erlaub-
niss des pr&sidirenden Burgermeisters oder des Artillerie-Kommissars an
irgend Jemand, wer es auch sei, herauszugeben, zu verleihen oder zur
Besichtigung ausreichen, viel weniger verkaufen, abhanden bringen oder
verschenken bei schwerer Strafe und dem Befund nach der Dienst-
entlassung. —
Die iibrigen §§ (im Ganzen 12) beziehen sich auf das
Pulvermagazin, die Aufsicht tiber Privatpulverlager der Kauf-
leute, die Begleitung von Pulvertransporten, die Bedienung der
Geschiitze, die Entlassung bei Alter und Schwachheit und den
Gehalt aus der K&mmerei.
Der letzte nachweisbare Gebrauch der Waflfen der Rtist-
kammer zu kriegerischen Zwecken war die Ausriistung des preus-
sischen Landsturmes im Jahre 1814/15, der nach der Schlacht
von Leipzig unter Major Friccius auszog, um die Franzosen in
der holiandischen Festung Delfzyl zu belagern. Die Wieder-
ablieferung der Waffen nach Beendigung dieser erfolglos ver-
laufenen Unternehmung mag sehr unvollstandig und werden
dieselben nicht im besten Zustande gewesen sein.
Damals war der alte Stockmeister (Gef&ngnisw&rter)
Sievers zugleich Riistmeister. Derselbe hatte kein einschlagiges
Handwerk gelernt. Daher war die Rilstkammer unter ihm
schlecht in Ordnung, sodass ihm, als er im Jahre 1821 wegen
hohen Alters aus seinen Aemtern entlassen wurde, eine
Nachzahlung an seinen Nachfolger de Haas fur die ordnungs-
massige Instandsetzung auferlegt wurde.
Dieser Johannes de Haas war seiner Profession nach Gelb-
giesser und Giirtlermeister. Die Grossbritannische Hannoversche
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Regierung dbertrug ihm bald nach seinera Eintritt zugleich die
Aufbewahrung von 5000 Steinschlossgewehren, die von England
zu Schiff angekommen waren, gegen eine Remuneration von
j&hrlich 2 Louisd'or.
Als de Haas die Riistkammer tlbernahm, war sie in wenig
geordnetem Zustande. Nach der Beschreibung eines Augen-
zeugen, des nachmaligen Riistmeisters Georg Janssen, der
1821—1828 bei de Haas als Lehrling und Geselle gearbeitet
hat, war sie in einem chaotischen Zustande. An der fenster-
losen Wandfl£che der Westseite lagerten grosse Vorr&te von
Lunten, in Knaueln wohl 5 Fuss iibereinander gestapelt. Als
sie nach dem stadtischen Bauhofe transportiert wurden, fiillten
sie mehr als 2 Wagenladungen. Ausserdem lagen maSsenhaft
lose Pulverbiichsen umher, die verschimmelt und verfault waren.
Alte Kisten, in denen die englisch-hannoverschen Gewehre ein-
gepackt gewesen waren, lagen umher, die gewflhnlichen Harnische
und Beinschienen1) lagen in einer Ecke durcheinander, die besseren
Riistungen waren vielfach mit Farbe beschmiert. Die hanno-
verschen Gewehre lagerten an der Ostwand auf Stellagen und
Tragholzern 5 Bfiden iibereinander.
Diese wurden von hannoverschen Soldaten, welche da-
selbst ein- und ausgingen, zum Reinmachen geholt und wieder
hingebracht. Das dauerte bis 1830, wo sie aus Anlass der
revolution&ren Bewegung der damaligen Zeit nach Hannover
transportiert wurden.
Es war damals nach diesem Augenzeugen viel weniger
Tageslicht in der Riistkammer, als zu seiner Amtszeit. Es fiel
durch wenige kleine Fenster, die etwa 3 Fuss hoch und 2l/2
Fuss breit waren. Die Gallerietiir nach dem Balustraden-Um-
gange war eine kleine massive hftlzerne Tiir, wie diejenige,
-welche jetzt noch von der Treppe aus auf der Ostseite nach
der Gallerie fiihrt, mit 4 kleinen Fensterscheiben.
In die Zeit dieses Riistmeisters fiel die neue Inventari-
sierung und Beschreibung der Waffen, die vom Magistrat dem
Kandidaten der Advokatur Albert Dirks Cramer hier aufgetragen
wurde. Derselbe lieferte sein Werk am 1. September 1839 in
einefn schon geschriebenen Bande ab. Seine Arbeit hat spater
l) Panzerhosen, Beinharnischen,
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der KOniglich Hannoversche Amtsassessor a. D. Alexander Rolffs
in seinem 1861 bei H. Woortmann in Emden gedruckten nnd
verlegten Buche: „Die ant ike Rtistkammer des Emdener Rath-
hauses. Ein kulturhistorischer Beitrag zur Waffen- und Sitten-
kunde des Mittelalters", zu Grunde gelegt.
Nach de Haas Tode (25. Aug. 1846) fiihrte zuerst dessen
unverheiratete Tochter Imkemina die Verwahrung und In-
standhaltung weiter, bis am 1. Oktober 1847 der stadtische
Eichmeister, Klempner und Schieferdeckermeister Georg Janssen
(geb. 1804) als Rtistmeister eingesetzt wurde, der wie oben er-
w&hnt von 1821—1828 als Lehrling und Geselle bei seinem
Amtsvorg&nger gearbeitet batte. Auch er bezog Anfangs noch
eine jahrliche Besoldung von 30 Reichstalern. Als aber mit
Vollendung der hannov. Westbahn i. J. 1856 der Fremdenbesuch
erheblich zunahm, wurde ihm diese Besoldung entzogen und
ausserdem von ibm noch verlangt, dass er von seinen Gebtihren-
Einnahmen 100 Reichstaler an die Kammereikasse abfuhren
sollte. Da er sich dessen weigerte, verglich man sich mit ihm
dahin, dass er die von der ehemaligen Btlrgerwehr abgelieferten
Gewehre reparieren und in guten Stand setzen sollte, ohne dafur
eine Bezahlung zu erhalten. Riistmeister Janssen hat, obgleich
er in Folge eines Unfalles bei Austibung des Schieferdecker-
handwerks, wobei er im Innern eines 6 Stockwerke hohen Pack-
hauses auf einer Leiter stehend mit dieser vom obersten Boden
durch die Luken aller Zwischenb6den bis zum Fussboden des
Parterre hinabgesturzt war, sodass er Jahre lang an den Fussen
gelahmt war, sein Amt mit Hulfe einer unverheirateten Schwester.
Jakobina (geb. 1813), bis zum 1. Februar 1892, seinem 88.
Lebensjahre, sehr getreu und sachkundig wahrgenommen, ist
sogar im Jahre 1878 als Begleiter und Beaufsichtiger des Silber-
schatzes der Stadt Emden und einer Auswahl von blanken
Waffen, Rustungen und wertvollen Gewehren der Rtistkammer,
welche in der kunstgewerblichen Abteilung der AUgemeinen
Gewerbe-Ausstellung der Provinz Hannover ausgestellt wurden,
fiber 14 Tage in Hannover gewesen, obgleich er damals noch
auf Kriicken gehen musste.
Als er im Januar 1892 wegen Alters und Gebrechlichkeit
pensioniert wurde, aber schon am 25. Februar 1892 verstarb,
hat seine genannte Schwester noch einige Zeit die Fuhrung
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der Fremden und sein friiherer Gehiilfe, Klempner R. Groenhagen,
die technischen Arbeiten tibemommen. Ohne als Gemeinde-
beamter angestellt zu sein, hat Letzterer alsdann im Privat-
vertragsverh<nis die technischen Arbeiten und die Beaufsich-
tigung des Fremdenbesuchs bis zur Beendigung der Neuauf-
stellung durch Baron Dr. Potier aus Wien im Jahre 1902 weiter
besorgt. Seitdem wird der Rustmeister-Posten mit einem als
Biichsenmacher vorgebildeten Militaranwarter besetzt, und die
Riistkammer als wirkliches Waffenmuseum gehalten, wahrend
die sonstigen Sehenswiirdigkeiten in einem kleinen dazu gelegten
Raume getrennt untergebracht sind als Anfang eines Museums
fur die Stadtgeschichte.
XV.
Zu den Handsohriften des alten Ostfriesisohen Landrechts.
(Reisebericht.)
Herr Privatdocent Dr. phil. C. Borchling zu Gottingen hat
unter dem 14. Oktober 1904 dem Ostfriesisohen Landschafts-
Collegium zu Aurich folgenden (hier nur am Anfange veranderten
und erweiterten) Bericht iiber eine Bibliotheks- und Archivreise,
die er im Laufe der Monate September und Oktober 1904 zur
Katalogisierung der Handschriften des alten Ostfriesisohen
Landrechts unternommen hat, eingereicht:
Meine durch die geneigte Untersttitzung des Ostfriesisohen
Landschafts-Collegiums ermSglichte Studienreise durch die
Archive und Bibliotheken Nordwestdeutschlands sollte mir
Gelegenheit geben, xiberall dort, wo sich grossere Bestande an
Landrechtshandschriften vermuten liessen, an Ort und Stelle
ein kurzes Verzeichnis der Handschriften aufzunehmen; aus-
fuhrliche Beschreibungen aber wollte ich nur dort gleich aus-
arbeiten, wo entweder eine spatere Versendung der Handschriften
nicht m5glich war, oder wo es sich um nicht so wichtige,
schneller zu erledigende Stiicke handelte. Es ist mir gelungen,
auf diese Weise in der verh<nismassig kurzen Frist eines
Monats eine tlberraschend grosse Ausbeute einzuheimsen. Nicht
zum geringsten Teile danke ich das der wohlwollenden Unter-
sttitzung der Vorst&nde der besuchten Archive und Bibliotheken,
denen ich dafilr auch an dieser Stelle meinen ergebensten Dank
aussprechen mochte.
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— 482 —
Ich begann meine Arbeiten auf der KSniglichen und
Provinzial-Bibliothek zu Hannover. Hier sind aus den
Sammlungen Matthias v. Wichts, Tilemann Dothias Wiardas
und schliesslich noch MShlmanns eine Reihe der wichtigsten
Handschriften alter ostfriesischer Rechtsquellen in nieder-
deutscher Sprache zusammengekommen. Die Sammlung steht
nicht an Zahl, wohl aber an innerem Werte den Schatzen der
Groninger und GSttinger Universitatsbibliotheken gleich. Die
wertvollsten ostfriesischen Rechtshandschriften in Hannover
gehoren allerdings der Zeit vor 1515 an, bieten also vor-
edzardisches Recht, aber auch vom edzardischen Landrecht
finden sich gute alte Abschriften, darunter eine (noch nicht
naher untersuchte) aus der allerersten Zeit dieses Rechtes.
Die Bibliothek des Historischen Vereins far Nieder.
sachsen enth< keine Landrechtshandschrift, von den drei
Nummern des Kgl. Staatsarchivs erwies sich die eine
als ein altes Wurster Landrecht, das dem Abdrucke bei
Pufendorf, Observationes juris universi, Tomus HI (Hannover
1756), sehr nahe steht. Eine grosse tfberraschung erlebte ich in
der Bibliothek des Kgl. Oberlandesgerichts zu Celle,
wo sich die Handschriften des berilhmten hannoverschen
Juristen Grupen befinden: eine Handschrift des Ostfriesischen
Landrechts, die nach der Angabe des Katalogs von 1704 sein
sollte, entpuppte sich bei naherer Untersuchung als eine
Zwillingsschwester der Handschrift des Mentet Haykens von
1528 in der Emder „Kunsta. Die Celler Handschrift ist von
demselben Schreiber in dem gleichen Monate November 1528
angefertigt worden, mithin die drittalteste Handschrift des
Landrechts, die wir iiberhaupt kennen. Drei Handschriften
von mittlerem Werte steuerte die Herzogl. Bibliothek zu
Wolfenbiittel bei, ebenso viel, darunter ein Jeversches Landrecht,
das 6ffentliche Archiv der Familie v. Hedemann auf
Schloss Deutsch-Nienhof (Kr. Rendsburg). Des angenehmen
Arbeitstages auf diesem gastlichen holsteinischen Edelsitze
gedenke ich mit besonderer Freude; die reichen Sch&tze des
Familienarchivs entstammen der ehemaligen v. Breitenauschen
Bibliothek zu Lubeck, die von einem in oldenburgischen
Diensten stehenden Juristen gesammelt wurde und deshalb
manche interessante Stficke zur oldenburgischen und ost-
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— 483 —
friesischen Geschichte enth<. Die Stadtbibliothek in
Hamburg ist mit 2 Handschriften vertreten, das Ham-
burgische Staatsarchiv fallt aus. Ebenso wenig habe ich
in Bremen irgend welche Handschriften des Ostfriesischen
Landrechts angetroffen. 0 1 d e n b ur g hat auf dem Grossherzogl.
Haus- und Centralarchive nur Deichrechte und einige Frag-
mente unbedeutender Landrechtshandschriften, auf der Gross-
herzogl . Bibliothek wenigstens mehrere altere Landrechte auf-
zuweisen. Desto grosser ist der Segen in Jever, das an Zahl
der Handschriften alle anderen Sammlungen ubertrifft. Leider
ist die Qualitat der Quantitat nicht gleich: viele junge Ab-
schriften des Jeverschen Landrechts (besonders aus Ehrentrauts
Nachlasse), nirgends authentische alte Fassungen. Doch bleibt
am Ende unter den Handschriften des Marien-Gymnasiums
doch noch eine Anzahl wertvoller Ostfriesischer Land- und Deich-
rechtshandschriften des 16. Jahrhunderts ubrig, deren n&here
Durcharbeitung lohnen wird. Der Jeverlandische Altertums-
verein, der die Schatze des Archivs der Burg Werdum
im Harlingerlande glticklich geborgen hat, besitzt aus dieser
Quelle eine wichtige Originalausfertigung einer kleineren Deich-
ordnung Graf Johanns v. Ostfriesland fiir das Greetmer Amt
von 1578. Ich habe dieses Stuck, dem Siegel und eigenhandige
Unterschrift des Grafen beigeftigt ist, in keiner bisher bekannt
gewordenen gedruckten oder geschriebenen Sammlung der
Ostfriesischen Deichrechte gefunden; uberall geht es da von
der Deichordnung der Grafin Anna von 1556 direkt auf die
Emsiger Teichordnung Graf Ennos III von 1608 tiber. Im
Stadtarchive zu Jever habe ich alle die Originalausfertigungen
der Jeverschen Stadtprivilegien (bis auf das sehr frtih verloren
gegangene allererste Stadtrecht des Fraulein Maria) gesehen,
aber vom Jeverschen Landrecht nur eine spate Abschrift.
Eine Tour durch das Harlinger- und Norderland, die
den Abschluss meiner Studienreise bilden sollte, habe ich leider
aus Mangel an Zeit fiir dieses Jahr zuriickstellen mtissen. Ich
kann deshalb hier tiber Wittmund, Esens, Dornum, Berum,
Ltitetsburg, Norden etc. noch nicht berichten, sondern gehe
sofort zu Aurich tiber. Hier bietet das Kg 1. Staatsarchiv,
seitdem auch die Handschriften aus der Bibliothek des Ost-
friesischen Landschafts-Collegiums als Depositum dort
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— 484 —
aufbewahrt werden, eine reiche Fundgrube filr meine Arbeiten.
Zwar ist der alte Landrechtscodex der Landschaftlichen
Bibliothek, aus dem Deiter im Jahrbuch des Vereins ffir
niederdeutsche Sprachforschung, Band 7 u. 8, einige „Rymsproeke
to vermaninge der richteren" und das „Waterrechta publiziert
hat, nur eine alte Abschrift des Beningacodex von 1539 der
Groninger Bibliothek. Dagegen hat der sauber geschriebene
Codex Kettlerianus, den schon v. Wicht kannte, hohen Wert,
und eine Reihe anderer, noch n&her zu erforschender Auricher
Landrechtshandschriften verspricht gute Ausbeute. Die im 17.
Jahrhundert entstandene Handschrift des Herrn Buchbinder-
meisters Schulenberg zu Aurich zeigt in ihrem Texte eine
auffallige Mischung verschiedener Klassen. In Emden hatte
ich die Codices der Gesellschaft f. bild. Kunst u. vater-
l&nd. Alterttlmer bereits in den Osterferien 1904 durch-
forscht und u. a. besonders die schon erw&hnte Haykenssche
Handschrift von 1528 ans Licht gezogen. Jetzt habe ich vor
allem den vielgeriihmten Codex Emdanus wiederentdeckt, der
1571 auf Pergament sehr sauber geschrieben ist und 1617 von
Eilhard Gerdes dem Senate der Stadt Emden geschenkt wurde.
Er befindet sich noch heutigen Tages auf dem Rathause,
aber kein neueres Verzeichnis gibt von seiner Existenz Kunde.
Der Emdanus ist der wichtigste Vertreter eines eigentdmlichen
Seitenzweiges von Landrechtshandschriften, zu dem auch eine
der beiden Handschriften aus der Bibliothek der Grossen
Kirch e zu Emden zu rechnen ist. Ebenso eine Handschrift
der Universit&tsbibliothek zu Groningen. Im Obrigen
besitzt gerade diese Bibliothek eine schone Sammlung von
Handschriften unseres Landrechts, die neben den ostfriesischen
Rechtsquellen in altfriesischer Sprache und dem Nachlasse des
Ubbo Emmius die Groninger Bibliothek so ftusserst wertvoll fur
die ostfriesische Geschichte macht. Auch auf dem Provinzial-
archiv zu Groningen habe ich noch 2 durch ihre Textform
merkwiirdige Abschriften des Landrechts aufgest5bert. Endlich
hat auch die Bibliothek des Friesch Genootschap zu
Leeuwarden fur dieses friesische Unternehmen zwei Hand-
schriften beigesteuert, von denen wenigstens die eine schon
im Jahre 1548 entstanden ist. Merkwttrdigerweise habe ich
dagegen in Leer, ausser einer jungen, wertlosen Abschrift des
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Hofgerichtsexemplars, gar keine Landrechtshandschrift mehr
auftreiben konnen. Es wird das doch wohl damit zusammen-
h&ngen, dass hier in der 2. Halfte des 18. Jahrhunderts der
eifrige Sammler E. L. F. Roesing alle Handschriften aufgekauft
hat. Als seine Bibliothek imJahre 1784 zu Leer verauktioniert
wurde, erwarb die Gottinger Universitatsbibliothek die
juristischen Handschriften Roesings en bloc und begrundete
damit die einzig dastehende Sammlung Ostfriesischer Land-
rechtshandschriften, die eine Zierde der Universitatsbibliothek
bildet und fur den kiinftigen Herausgeber des Landrechts
Gottingen zu dem wichtigsten Ausgangspunkte macht.
Alle die bisher aufgefuhrten Handschriften sind mir bereits
einmal auf kilrzere oder l&ngere Zeit durch die Hande gegangen.
Rechne ich nun noch dazu, was ich an Ostfriesischen Landrechts-
handschriften in nicht von mir besuchten Orten nachweisen
kann (3 in Kopenhagen, Kgl. Bibl., je 2 in Wernigerode,
Ftirstl. Stolbergische Bibliothek, und in London, British Museum,
je eine im Haag, Kgl. Bibl.; Cassel, Landesbibl. ; Miinchen,
Kgl. allg. Reichsarchiv ; Nortmoor, Pastor Frerichs ; Chelten-
ham [England], Nachlass des f Baronets Sir Thomas Phillipps),
so ergiebt sich als Gesamtsumme der Handschriften des Ost-
friesischen Land- resp. Deichrechts, wie ich sie nach den Unter-
suchungen meiner Reise aufstellen kann, die stattliche Anzahl von
120 Nummern. Dazu kommen aber noch 14 weitere Hand-
schriften, die zwar heutzutage verschollen sind, die sich aber
aus den Beschreibungen und Citaten alterer Autoren, vor
allem v. Wichts, mit Sicherheit erschliessen lassen.
Den vollstandigen Text des Ostfriesischen Landrechts
enthalten von den 134 Nummern meines Kataloges 101 Hand-
schriften, 5 weitere bestehen nur aus Bruchstiicken oder Aus-
ziigen des Werkes. Das Jeversche Landrecht, das nur
ein Seitenspross des ostfriesischen ist, bildet den alleinigen
Inhalt von 20 Nummern; das Harlinger Landrecht, dessen
Stellung innerhalb der jiingeren ostfriesischen Rechte noch der
Klarung bedarf, findet sich bisher in 2 Handschriften, aber in
der einen in doppelter Abschrift. Nur Ostfriesische Deich-
rechte endlich enthalten 11 Handschriften, ausserdem treten
aber Deichrechte noch in 34 Handschriften als Anhange eines
Landrechts auf.
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— 486 —
Der chronologischen Ordnung nach f&Ut genau die
H&lfte aller mir bekannt gewordenen Handschriften (69) noch
ins 16. Jahrhundert, das Jahrhundert der Entstehung des
edzardischen Landrechts. Nur 10 — 12 davon darf man mit
Sicherheit noch in die erste H&lfte, genauer gesagt, in das
2. Viertel des 16. Jahrhunderts setzen; fiber 1527 geht keine
einzige hinauf. Aber auch im 17. Jahrhundert ist das Land-
recht noch fleissig abgeschrieben worden, ich z&hle 39 Nummern.
Im 18. Jahrhundert ist doch schon der starke Einfluss des
v. Wichtschen Abdruckes zu sptlren ; von den 21 Handschriften
des 18. Jahrhunderts fallen eigentlich nur noch die Abschriften
des Druckes in die 2. Halfte des Jahrhunderts. Aus dem
19. Jahrhundert endlich haben wir nur 3, schon rein philologischen
Zwecken dienende Abschriften des Jeverschen Landrechts. Bei
13 Nummern (davon sind 8 verschollen !) kann ich, wegen
mangelnder Kenntnis der Handschriften, die Zeit ihrer Ent-
stehung nicht angeben.
Noch nicht so ausfiihrlich und ins Einzelne gehend kann
ich natiirlich tiber die Fassung des Textes der einzelnen
Handschriften referieren. Am ersten geht das noch bei dem
Jeverschen Landrechte, denn s£mtliche 20 Handschriften dieses
Rechts stimmen so auffallend mit einander iiberein, dass sie
zusammen nur eine einzige Handschrift reprasentieren, die
aber von der Originalausfertigung der Fraulein Maria und Anna
verschieden gewesen sein muss, denn sie tr> die deutlichen
Spuren einer nachtr&glichen Ueberarbeitung an sich.1) Auch bei
den Deich- und Syhlrechten kehren immer dieselben 2—3 Typen
wieder, von denen nur einer bisher gedruckt worden ist.
Ganz anders ist das bei dem Ostfriesischen Landrechte.
Hier konnen wir an der Hand der Handschriften deutlich ver*
l) [Korrekturnote: Wie sich jetzt herausstellt, weist auch die oben
S. 482 erwahnte alte Handschrift des Ostfries. LRs. auf der Kgl. Bibl. zn
Hannover denselben Widerspruch zwischen dem Texte des LRs. und der
Vorrede auf wie die Hss. des Jeverschen LRs. : dem Texte, der noch keine
Spur der sp&teren Bucheinteilung zeigt, ist die Inhaltsangabe uber die
3 Bucher der spateren Rezensionen (= v.Wicht Cap. 1, 1) vorangestellt. So ist
das Jeversche LR. doch vielleicht bereits in der Form, wie es uns seine
20 Hss. (ibereinstimmend bieten, aus einem der hannoverschen Hs. nachst-
verwandten Exemplare des Ostfries. LRs. heriibergenommen worden.]
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— 487 —
schiedene einschneidende Umarbeitungen der altesten Gestalt
erkennen. Aus der FiiJle der Formen, die allein die 20 Land-
rechtshandschriften der Gottinger Bibliothek aufweisen, hatte
Wilhelm Meyer (Verzeichnis der Handschriften im Preuss. Staate
I. Hannover. 1. Gottingen, Band 1, 1893, S. 471 ff.) mit scharfem
Auge drei Klassen konstituiert, die fiir alle spateren Bearbeiter
der Landrechtshandschriften zu Rechte bestehen bleiben. Nur
ermOglicht uns die bedeutende Erweiterung des handschrift-
lichen Materials schon jetzt, Meyers Aufstellungen an wichtigen
Punkten zu erg&nzen und zu erweitern; einmal hat sich eine
neue 4. Klasse von Landrechtshandschriften herausgestellt (an
ihrer Spitze der Codex Emdanus), die zwar an sich jiinger
ist und alle Merkmale einer Ueberarbeitung zeigt, aber an
mehreren wichtigen Punkten (vor allem in der Stellung der
Bilcher II und III) Eigenheiten der alleraltesten Handschriften
bewahrt hat.
Dann aber ist es mir gelungen, durch die Entdeckung der
beiden alten Codices des Landrechts aus dem Jahre 1528
(Emden und Celle) noch iiber die <este von Meyer aufgestellte
Klasse B hinauszugelangen und mit der ktlrzeren und anders
geordneten Fassung dieser beiden Handschriften bis hart an das
verlorene Original des edzardischen Landrechts heranzurticken.
Mehrere gewichtige Griinde bestatigen meine hohe Einsch&tzung
der beiden Codices von 1528: vor allem stellt erst diese Fassung
die vollstandige Brflcke zu den atlteren, voredzardischen Land-
rechtshandschriften Ostfrieslands, speziell des Emsgaus, her.
Wir sehen jetzt, dass die urspriingliche edzardische Bearbeitung
einfach einen alteren Codex des Emsgauer Rechtes vornahm,
ihm eine Vorrede und den Abschnitt iiber Gericht und Richter
vorausschickte, und im Uebrigen sich begntigte, in aller Kilrze
bei jedem einzelnen Kapitel zu vermerken, wieweit dieses Ka-
pitel durch das rSmische Recht ausser Geltung gesetzt worden
sei. Erst sp&ter gliederten sich Zusatze an diese alteste Form
des Landrechtes an, es wurde eine Bucheinteilung eingefiihrt,
welche die vorhandenen Unterabteilungen des Rechtes z. T. urn-
stellte, und es entstanden so allmahlich die 3—4 Klassen der
spateren Handschriften. Erst die Handschriften von 1528 lassen
uns diese Entwickelung des Ostfriesischen Landrechtes klar
libersehen.
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— 488 —
In der ursprttnglicheren Form der Handschriften von
1528 wurde das Landrecht aber auch im Jeverlande rezipiert
und dort in erstarrter Gestalt immer weiter gegeben, ohne wie
in Ostfriesland neues Leben zu erzeugen.
Endlich lemen wir erst jetzt auch die aller<este Hand-
schrift des Ostfriesischen Landrechts, die sich Eggerik Beninga
als Drost von Leerort im Jahre 1527 schreiben liess, richtig
verstehen. Dieses Kleinod unter den Gottinger Handschriften
will sich in Wilh. Meyers Ausfiihrungen nirgends recht in das
Schema der 3 Klassen einfugen. Jetzt sehen wir, dass Meyer
zwar Recht hat, wenn er behauptet, die Handschrift sei eigent-
lich gar keine Landrechtshandschrift, sondern eher eine Material-
sammlung fiir ein Landrecht. Aber Beninga hat dieser seinen
praktischen Bediirfnissen dienenden Sammlung neben anderen
ftlteren ostfriesischen Rechtsquellen auch eine Handschrift des
edzardischen Landrechts eingearbeitet, die genau zur Fassung
der beiden nachstaltesten Handschriften von 1528 stimmt
Uebrigens hat sich Beninga eine ganz ahnliche Sammelhand-
schrift ostfriesischer und benachbarter friesischer Rechtsquellen
noch einmal im Jahre 1539 anfertigen lassen; sie liegt jetzt
in Groningen und ist vorziiglich geeignet, uns iiber die Natur
der Handschrift von 1527 aufzuklaren. Dass Eggerik Beninga
in der Geschichte des Ostfriesischen Landrechts gerade wahrend
des 2. Viertels des 16. Jahrhunderts, wo bereits alle die ver-
schiedenen Klassen der Handschriften aufgekommen sind, eine
sehr bedeutende Rolle gespielt hat, hoffe ich spater n&her aus-
fiihren zu konnen. Man hat diese Tatigkeit des bertihmten
Chronisten und erfahrenen Juristen bisher fiber seinen historio-
graphischen Arbeiten ganz tibersehen.
Gegeniiber den alten Handschriften von 1527 und 1528
treten alle iibrigen weit zuriick; erst urn die Mitte der 40er
Jahre lassen sich die ersten Exemplare der 4 jiingeren Klassen
belegen, zuerst die der spateren Vulgata (Meyers Klasse B).
Wo dann in dem grossen Stammbaume der Landrechtshand-
schriften alle die jiingeren Exemplare unterzubringen sind, und
wie sich im Einzelnen die Entwicklung der verschiedenen Klassen
vollzogen hat, wird sich erst nach Durcharbeitung des voll-
standigen Materials genauer darstellen lassen. Ich gedenke,
diesem vorlaufigen Berichte zunachst erst einmal den be-
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— 489 —
schreibenden Katalog samtlicher Handschriften der Ostfriesischen
Rechte des 16. Jahrhunderts folgen zu lassen und dann die
Genealogie der Landrechtshandschriften in einem besonderen
Aufsatze zu entwickeln.
Conrad Borchling.
Korrekturnachtrag: Seit der Abfassung des vorliegenden Be-
richts sind mir fur mein Verzeichnis der Landrechtshandschriften 10
-weitere Nummern bekannt geworden, die samtlich aus ostfriesischem
oder auswartigem Privatbesitze stammen. Zum Teile verdanke ich dies
neue Material einem Aufrufe, den ich Anfang November 1904 an samtliche
ostfriesischen Tageszeitungen versandt habe und der weitesten Kreisen
von meiner Arbeit Kenntnis geben sollte. Fur nahere Mitteilungen und
Ueber8endung ihrer Handschriften nach Gottingen schulde ich Herrn Wein-
handler Stephan A. Rykena zu Norden, Herrn Apotheker Rob. Bohlmann
zu Braunschweig und Herrn G. Jurgens zu Jever aufrichtigen Dank. Die
10 neuen Nummern bringen 6 weitere vollstandige und eine fragmentari-
sche Hs. des Ostfries. LRsM ferner je ein neues Exemplar des Jeverschen
und Harlinger LRs. und endlich 2 Handschriften, die nur Deichrechte
enthalten. Bei weitem den wichtigsten Zuwachs bildet die Bohlmannsche
alte Pergamenthand8chrift des Ostfries. LRs. : sie gehort noch in die 1.
Halfte des 16. Jahrhunderts und reprasentiert eine von alien bekannten
stark abweichende Fassung, die zwischen den alten Handschriften von
1527/28 und der Vulgata des 16. Jahrhunderts etwa in der Mitte stent. — -
Gar keine Reste alter ostfriesischer Rechtshandschriften finden sich da-
gegen in den ehemaligen Herrlichkeitearchiven zu Lutetsburg, Even-
burg, Neustadt - Goedens und Dornum, ebensowenig in Stade (Bibl. des
Altert.-Verein8 fur Bremen - Verden) und Zerbst (Herzogl. Anhalt. Haus-
und Staatsarchiv). Fur frdl. Beantwortung meiner schriftlichen Anfragen
bin ich den Vorstanden der genannten Archive und Bibliotheken
zu ergebenstem Danke verpflichtet, insbesondere Sr. Durchlaucht dem
FurstenKnyphausen zu Lutetsburg, dem Herrn Graf en v. Wedel zu Evenburg,
Frau Rentmeister Frieda Weymann, geb. Kruse, zu Dornum und nicht
zum Mindesten Herrn Lehrer Friedr. Sundermann zu Norden, der mir
nicht nur die im Norder Bezirk noch vorhandenen Landrechtshandschriften
nachgewiesen, sondern mich auch nach den verschiedensten Richtungen
hin auf die Spuren verlorener Handschriften gebracht hat. /
Emden, den 6. April 1905. Conrad Borchling.
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— 490 —
XVI.
Oitfriesiiche Handichriften und Akten in Neuwied und Bonn.
I.
Das Fiirstlich Wiedische Archiv zu Neuwied am
Rhein soil, wie Lamprechts Archiviibersicht im 1. Bande der
Westdeutschen Zeitschrift (Trier 1882), S. 392 ff. unter No. 145
angiebt, auch einige Stticke zur ostfriesischen Geschichte be-
sitzen. Da das Neuwieder Archiv im Ganzen nur recht junge
Bestande en t halt, so wird man bei diesen ostfriesischen Sachen
wohl am Ersten an die vortibergehende engere Beziehung des
Hauses Wied, im Besonderen der Linie Wied-Runkel, zu Ost-
friesland denken miissen, die sich in der ersten H&lfte des 18.
Jahrhunderts entwickelte und endlich zu der Bewerbung eines
Wiedischen Prinzen urn die Fiirstenkrone Ostfrieslands fuhrte.
Aber Friedrich der Grosse, der sofort nach dem Ableben des
letzten Cirksenas mit starker Hand das Fiirstentum fiir die
Krone Preussen sicherte, hat die Wiedischen Anspriiche energisch
zuriickgewiesen l), und heute wissen iiberhaupt nur wenige noch
von diesen Aussichten und Anspruchen des Hauses Wied auf
unsere Heimat.
Bei einer Bereisung der rheinischen Bibliotheken und Ar-
chive, die ich im Sommer 1904 fiir die Akademien zu Berlin und
Gottingen ausgefiihrt habe, urn nach litterarischen deutschen
Handschriften des Mittelalters und der friihneuhochdeutschen
Zeit zu forschen, habe ich auch in Neuwied Einkehr gehalten
und die Gelegenheit benutzt, das ausserst knappe Repertorium
der Aktenbestande auf ostfriesische Sachen durchzusehen. Da
eine systematische Durchsuchung der Akten selbst eine tagelange
Arbeit erfordert hatte, musste ich mich mit Stichproben be-
gniigen, deren kargliche Resultate ich hiermit den Lesern des
Jahrbuchs vorlege. Samtliche Stiicke gehoren der Abteilung
B des Archivs (Akten) an.
1. Schrank 3. Gefach 12. Fascikel 9: Acta Grundriss
Pragmatischer Historie des Reichsgraflichen Hauses Isenburg-
Wied 5ter Teil von der Zeit an, dass solches mit dem Dynas-
tischen Hause Runkel vereiniget worden, bis auf Johann Ludwig
') vgl. Wiarda VIII 140 ff.
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— 491 —
Adolph, womit das Reichsgrafl. Haus Crichingen und die Prae-
tension auf Ostfriesland darzugekommen ist. 1454—1762. Mscr.
des 18. Jahrhunderts.
2. Schrank 3. Gef. 13. Fasc. 1: Enthalt u. a. eine ge-
druckte und eine handschriftliche „Ostfriesische Stamm-Tafel",
zum Beweise der Ansprtiohe des Hauses Wied-Runkel auf Ost-
friesland.
3. Schrank 4. Gef. 10. Fasc. 25: Acta den Todesfall
der Frauen Grafin Christine Louise zu Wied-Runkel, geb. Gr&finn
zu Ostfriesland, wie auch die desfalls eingegangene Condolenz-
schreiben betr. 1732.
4. Schrank 4. Gef. 11. Fasc. 5: Acta Heimfiihrung in
specie: Die Heimftihrung des Fiirsten Georg Albrecht von
Ostfriesland Frau Gemahlin betr. 1734.
5. Schrank 4. Gef. 12. Fasc. 4: Acta fremde Orden, in
specie: Ertheilung des Kgl. Dahnischen Ordens de la FidSlite
1. an die verwittibte Frau Fiirstinn Maria Charlotte zu
Ostfriesland Durchl. etc.
II.
Die Bonner Universitats-Bibliothek besitzt ausser
dem wertvollen Hausbuche des Eggerik Beninga, das ich in
den beiden letzten B&nden dieses Jahrbuchs beschrieben und
ausgenutzt habe, noch zwei andere interessante Handschriften
zur neueren ostfriesischen Geschichte.
a) Nr. 428 der Manuskripte der U.-B. (vgl. Klette u.
Stander, Chirographorum in Bibl. Acad. Bonn. serv. Catalogus
Vol. II, p. 127): Eine Handschrift der lateinischen Vita Men-
sonis Altingii von Ubbo Emmius. Sie ist in der 1. H&lfte
des 18. Jahrhunderts von einer flussigen Hand auf 140 Folio-
blattern Papier geschrieben worden. Die letzten 10 Seiten
enthalten als „additamentaa den Bericht tiber Mensos letzte
Stunden und seinen Tod und einen Brief des Georg Schedelius
an den Sohn Menso Altings, der in dieselbe Zeit fallt. In der
Handschrift drin liegen aber noch zwei lose Blatter: ein kleineres
von der Hand des Enkels von Menso Alting mit zerstreuten
Belagen fur Daten aus dem Leben seines Gross vaters, und ein
Folioblatt. Dieses tr> die Aufschrift: »Extractus Litterarum
& V. E. Pastore & Bijlen ad V. R. Pastorem Meiners exaratum
Jahrbuch der Gesellich. f. b. K. u. vaterl. AltertUmer zu Emden, Bd. XV. 32
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— 492 —
die 12. Nov. 1736". Endlich ist zu den Versen des Ubbo
Emmius auf Menso Alting, die dem Werke vorangestellt sind,
bemerkt: „Hos versus Henricus Gerhardi1), Cos. Emd., habuit
sub manu Ubbonis Emmii, et communicavit eosdem Diurtconi
Andr6e, Consuli Emdano".
b) Nr. 471 (Klette u. Stander n 140): Ein dicker Folio-
band aus dem Anfange des 18. Jahrhunderts, den ich hier im
Wesentlichen nur nach den Worten des Katalogs beschreiben
kann. Er enth< auf 505 Blattern, von denen allerdings eine
Reihe leer sind, die „Acta Past: Jac: Isebr: Harcken-
roth Betreffend".2) Wir haben eine gleichzeitige Abschrift vor
uns, denn schon 1726 hat sich Matthias v. Wicht Dr. als Be-
sitzer der Handschrift vorn eingetragen. Da die Handschrift
ausserdem in ihrem Einbande t&uschend dem Hausbuche Beningas
(Nr. 336 der Mscr. der U.-B.) gleicht — die Uebereinstimmung
geht bis auf das Vorsetzpapier des Buchbinders, das ebenfalls
das Pro-patria-Wasserzeichen aufweist — , so ist dadurch auch
Penborg als der Vorbesitzer unserer Handschrift erwiesen, da
von ihra ja diese Einb&nde herriihren. Wo sich die Original-
akten des Harkenrohtschen Prozesses befinden, vermag ich
nicht anzugeben. Unser Band enth< die gesamten Verhand-
lungen, Schriften und Gegenschriften der Jahre 1717 — 1719
Der Titel des ersten Stiickes lautet: „An die Rom: Kayserl:
auch in Hispanien zu Hungarn und Bftheimb Konigl: Maj: Aller-
unterthanigstes Memoriale und Bitten pro clementissime cassan-
dis Decretis a judicio Frisiae Orientalis aulico vulgo Hoffgericht
incompetenter in hac causa Litis In Sachen zu Ost-
friessland Fiirst Pastorem Harckenroth so dann Das Fftrstl
Ostfr. Hoffgericht appellationis". Dieses Sttick tragt den Vermerk:
Praes(entatum). 10 Maij 1717. RHRath; es beginnt mit den
*) Btirgermeister 1649 bis 1669, vgl. Wiarda V 93; Diurtco Andre*
wurde Sekretar der Stadt 1654 und starb als Burgermeister 65 Jahr alt
1691, vgl. uber ihn Wiarda VI 106 und fiber seine Gesandtschaftar^isc
nach England 1665 Klopp II 420.
*) Ueber den Prozess, der Harkenroht 1722 veranlasste, sein ge-
liebtes Vaterland zu verlassen und nach Appingadam su wandern, vgl.
de Vries im Jahrb. VI 2 (1884) S. 19 und Sundermann im Ostfr. Monatsbl
1884 S. 185. Die Original-Akten haben sich, wie Herr Archivrat Dr. Wachter
mitteilt, im Kgl. Staatsarchive zu Aurich vollstandig noch nicht wieder-
gefunden. R.
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— 493 —
Worten: „Allerdurchleuchtigster etc. etc. Dass Ew. Kayserl.
Majestat den reformirten Pastorem zu Larrelt in Ostfriessland
Jakob Isebrand Harkenroht. . . .a Das Manuskript schliesst mit
den Worten: „und innerhalb 3 Tagen von der parition sub
poena rejectionis ab actis anzeige zu thun. Ex consilio Irapl.
aulico 21. 8ber 1719".
XVII.
Berioht fiber die Ausgrabung des Rabbelsberges bei SQddunum
im August 1904.
(Hierzu die Abbildungen am Schlusse des Jahrbuches.)
Durch den Herrn Provinzialkonservator Dr. Reimers in
Hannover hat wahrend der Tage vom 30. Juni bis 2. Juli 1904
im Einverst&ndnis mit der Ostfriesiscben Landschaft als Eigen-
tumerin eine Untersuchung des Rabbelsberges stattgefunden.
Es wurden zwei 2 Meter breite Graben durch den Berg gelegt bis
auf den gewachsenen Boden, einer von Stidosten nach Nord-
westen und einer von Siiden nach Norden. Die Untersuchung
ergab, dass es sich um einen aufgeschiitteten Hiigel handelt,
der keine sp&tere Aufschiittung erfahren hat. Zahlreiche zer-
kleinerte Menschenknochen, sowie die Reste eines Leichenbrandes
wurden gefunden. Bereits in friiheren Jahren # hatte durch
den Lehrer Eilers in Reepsholt eine Ausgrabung stattgefunden,
die eine Urne und einen Teil eines Bronzedolches zu Tage forderte,
beide befinden sich jetzt im Museum der Gesellschaft far bildende
Kunst und vaterl&ndische Altertumer in Emden, vgl. Jahrbuch
der Gesellschaft 1899, S. 286. Der Umfang des Hiigels, sowie
die ermittelten Fundstiicke heischten eine Fortsetzung der be-
gonnenen Untersuchung, die der Unterzeichnete auf Wunsch
des Provinzialkonservators ausgefiihrt hat. Der dem Landes-
direktorium dariiber erstattete Bericht mSge auch hier die
Ergebnisse meiner Arbeit mitteilen.
Die auf Veranlassung des Herrn Provinzialkonservators
Dr. Reimers zu Hannover von dem Landesdirektorium der Provinz
Hannover mir tibertragene Fortsetzung der Ausgrabung des
32*
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— 494 —
Rabbelsberges bei Siiddunum im Kreise Wittmund habe ich am
10. August begonnen und am 30. dess. Mts. beendigt. Es fielen
die dazwischen liegenden 3 Sonntage, sowie die beiden Montage,
15. und 22. August, aus. Die benotigten Arbeitskrafte wurden
von dem Kreiswegemeister Rust in Esens beschafft, und der
Landstrassenw&rter Hoffrogge, der bereits bei der ersten Aus-
grabung t&tig gewesen war, (ibernahm die Beaufsichtigung und
Erg&nzung derselben.
Die Ausgrabung erfolgte genau in der von dem Herrn
Provinzialkonservator angegebenen Weise, sowie nach dem
Ministeriellen Merkbuch, Berlin 1904. Der 30 Meter lange, 25
Meter breite und 5 Meter hohe Hiigel, der die Form eines ab-
gestumpften Kegels zeigte, wurde bis auf 2 kleine Reste an dem
Nordwest- und Siidwestrande und zwei spater genannte Stucke
vollig abgetragen, und zwar in der Art, dass je 2 Graben etwa
in der Breite von 2 Metern, die sich an die von dem Herrn
Provinzialkonservator von Siiden nach Norden und von Siidosten
nach Siidwesten gezogenen anschlossen, gleichzeitig vom unteren
Rande des Hugels an treppenartig hinaufgefuhrt wurden. Die
ausgehobene Erde diente zum Ausftillen der vorher aufgeworfenen
Graben. Diese wurden iiberall bis auf den gewachsenen Boden
hinabgefiihrt und mehrfach, namentlich unter und in der Urn-
gebung der Fundstellen, bis 1,90 Meter in den Mutterboden hinab-
gefiihrt, und mit der Sonde, die nach Erreichung des ersteren
stets zur Anwendung kam, wurde noch nach etwaigen in der
Tiefe befindlichen Steinkisten usw. geforscht. Nirgends fanden
sich Spuren von solchen.
Die Fundstellen wurden von alien Seiten freigelegt, bei
Urnenfunden wurde der Luft erst nach nnd nach Zutritt zu den-
selben gewahrt. Die einzelnen Fundgegenstande wurden fur
sich gelegt, die Fundstatten genau bestimmt und gemessen
und die Urnen zwecks ihrer Bergung mit der Umgebung durch
weiche Bindfaden auf das sorgfaltigste verschniirt und auf
untergeschobenen Brettern aus dem Hiigel herausgeholt.
Die unterste Schicht des Hugels besteht aus gelbem Sande,
der sich in der nachsten Nahe vorfindet und daher von dort
herbeigeschafft wurde. In dem mittleren Teile des Hiigels ist
er ungefahr l1/2 Meter hoch. Zu seiner Befestigung diente
schwerer Moorboden, dessen Narbe, wie bei Aufschuttungen
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— 495 —
nicht anders zu erwarten ist, uberall unter der eigentlichen
Moorerde sich vorfand. Moor steht in der Nahe des Htigels
an, und von dem Herrn Pastor Janssen-Dunum wurde mir etwa
in 10 Minuten Entfernung von dem Hiigel im Nordwesten eine
umfangreiche Vertiefung im Boden ungefahr in der Grosse von
125 Ar gezeigt, die von den umgebenden Ackerstticken sofort
absticht und wohl den Eindruck hervorrufen kann, dass dort
die fur die Aufschuttung des Htigels notige Moorerde gewonnen
warden ist. In Moorgegenden sind derartige abgetragene Stellen
sofort schon durch den Pflanzenwuchs kenntlich. Ueber der
Moorschicht befand sich schwarzer Sand und dartiber eine dicke
Heidekrautdecke, die sich im Laufe der Jahrhunderte nach oben
stets verjungt hat, wahrend nach unten ein Absterben eintrat. Die
Freilegung dieser Decke zeigte mithin, dass das Pflanzenleben
doch nicht vollig erstorben war, junge Triebe kamen bald zum
Vorschein.
Die Aufschuttung des Htigels ist, wie die Schichten des-
selben tiberall mit Evidenz zeigen, das Werk einer einheitlichen
Arbeitszeit. Aus- und Abgrabungen konnten festgestellt werden.
Ausser der von dem Herrn Provinzialkonservator festgelegten
Ausgrabungsstelle des verstorbenen Lehrers Eilers in Reepsholt,
der i. J. 1898 die obenerwahnte Urne mit den Resten eines
Bronzemessers, die sich jetzt in den Sammlungen der Gesellschaft
fur bild. Kunst und vaterl. Alterttimer in Emden befindet1), sowie
zwei htillenlose Beisetzungen forderte, fand sich der aussere Rand
des Htigels an der Westseite abgetragen. Wie mir mitgeteilt
wurde, hat der frtihere Besitzer des Htigels vor etwa 30 Jahren
Erde bei Bestellung des Ackers dort abgefahren, dabei aber
keine Funde gemacht. Die jetzige Ausgrabung bestatigte, dass
am Rande Gegenstande nicht niedergelegt worden sind. An
der Nordostseite wurden gleichfalls Spuren von Nachgrabungen
festgestellt, die sich jedoch nur auf die Oberflache erstreckten.
Nach mtindlicher Aussage der Leute soil an diesen Stellen nach
Fiichsen gegraben worden sein, eine Erklarung, die wohl das
Richtige triflft, da nach Rose, Die vorchristlichen Denkmaler
*) [vgl. Abbildung I. Die Urne ist aus schwarzem gebrannten Tone
und 24 cm hoch, 19 cm breit im Durchmeser des oberen Randes, 30 cm
in der Mitte, 10 cm in der Bodenflache. R.]
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— 496 —
Ostfrieslands, im Ostfriesischen Monatsblatt Bd. 6, S. 289 ff.,
„viele der in Ostfriesland vorhandenen Grabhtigel Fuchsen als
Wohnung gedient haben und beim Nachgraben seitens der Jager
durchwiihlt worden sinda. Rose hat eine grossere Zahl von
Ausgrabungen veranstaltet. Knochenreste vergrabenen Viehes
fanden sich am Ostrande, und zwar im durchgewiihlten Erd-
reiche vor. Eine Untersuchung derselben durch den Kgl. Depar-
tementstierarzt Herrn Romann in Aurich best&tigte die Vermutung.
dass es sich urn vergrabene Viehteile jiingsten Datums handelte
Dieselben wurden daher beseitigt.
Es sei noch bemerkt, dass die beiden trigonometrischen
Steine1) auf dem Hiigel unberiihrt geblieben sind. Eine sorgfaltige
Anwendung der Sonde in der unter ihnen befindlichen eigentlichen
Fundschicht Hess keine Gegenst&nde ermitteln. Als Fundschicht
ist der Sand im unteren Teile des Htigels anzusehen, die Gegen-
stande sind nach ihrer Beisetzung noch mit einer Sandschicht
bis zu 25 Zentimetern Hohe bedeckt worden, worauf erst die
Auftragung der deckenden Moorerde erfolgte.
Funded)
Ausserhalb des Hiigels. Genau in der Sudostecke des
Htigels wurden l/2 Meter vom ausseren Rande und 75 Zentimete?
unter der Oberflache zahlreiche zerkleinerte MenschenknocheE
mit Holzkohlenresten, herriihrend von einem Leichenbrande.
ermittelt. Irgendwelche Beigaben fanden sich nicht. Die nach
beiden Seiten des Hiigels bis 1 Meter tief gezogenen Graben
forderten weitereFunde nicht zuTage, und es wurde daher Abstand
genommen, dieselben ganz um den Hiigel herumzufuhren. Die
Machtigkeit der den Hiigel bildenden Erdmassen duldete keine
Zersplitterung der Arbeitskrafte, die bei der Erntezeit nor
mit Miihe zusammenzuhalten waren.
Innerhalb des Hiigels. Ein einzelner grosser runder
Stein im Gewichte von 4 bis 500 Zentnern auf Mutterboden.
2,10 Meter tief unter der Oberflache, nach Siiden zu, 3,65 Meter
1 * einer aus der hannoverschen und einer aus der preussischen Zeit
stammend. Sie sind im Berichte mit H. St. und Pr. St. bezeichnet.
*) [Alle Funde sind im M&rz 1906 von dem Landesdirektorium
unserer Gesellschaft iiberwiesen worden. R.l
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— 497 —
von H. St. entfernt. Der Stein von 2,38 Metern im Umfange und
47 Zentimetern H(5he zeigte keine Spuren von kunstlichen Ver-
tiefungen oder Erhabenheiten, Rillen usw. Nur die Siidseite
konnte den Eindruck erwecken, als sei dort Menschenhand tatig
gewesen, urn eine gewisse Glattung hervorzubringen ; doch kann
dies auch infolge von Abreibung durch andere St eine und Erd-
massen, wie es bei erratischen Steinen oft festgestellt ist,
verursacht sein.
Nach voller Freilegung der Fundstelle gewahrte der Stein
mit Unterlage den Anblick eines Steinpilzes. Zur Stutze dienten
drei kleinere Steine, die auf drei Seiten aufgestellt waren; zwei
derselben hatten gleiche Grosse ; der dritte, an solcher den beiden
anderen nachstehend, war durch einen vierten erganzt, sodass
die dritte Stiitze den beiden anderen entsprach. Unter, auf und
neben dem Steine fanden sich nur einige Holzkohlenstiickchen vor.
Ein leerer Raum, der sich unter demselben befand, war so gross,
dass man die Hand hineinstecken konnte. Derselbe konnte von
einem Fuchsbau herriihren, der in der Nahe festgestellt wurde. Die
Abhebung des Steines zum Zweck der Untersuchung der unteren
Schicht erforderte viel Zeit und Mtihe, nur durch Anwendung
herbeigeschaffter Hebebalken gelang es, ihn von der Fundstatte
abzuheben. Ein Herausschaffen aus dem Hugel war unmoglich,
die bereits zugeschiittete Siidseite hatte wieder abgetragen
werden mussen. Der Stein wurde daher wieder mit Erde bedeckt.
Pferdekopf mit einigen Pferdeknochenresten (Halswirbel)
nordwestlich von H. St. etwa 1 Meter und 1,90 Meter tief unter
der Oberfl&che. Ein Stiickchen Leder, Holzteilchen und Urnen-
teile lagen in nachster Nahe und nicht weit da von etwa 1,70
Meter tief in der NSlhe der Eilersschen Ausgrabungsstelle zer-
kleinerte Menschenknochen.
Urn en. Nur eine wurde vollig unversehrt geborgen. Es
wurden 5 aufgefunden, jede abweichend in der Form von einander.
1. (Abbildung II). R5tliche Urne mit 2 Henkeln und Resten
einer Deckelschale, an der Nordseite, 2 Meter vom H. St.,
2,70 Meter tief unter der Oberflache. Oberer Rand im Durch-
messer 14,8 cm, Mitte 23, Boden 9,3, Hohe 23. Zerbrochene
Tonscherben dartiber. Inhalt: zerkleinerte Knochen, Asche
und Sand. Keine Steinpackung. Zerbrochene Bronzenadel
oben auf.
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— 498 —
2. (Abbildung III). Rotliche Urne, ebenfalls nOrdlich; 2,55 Meter
unter der Oberfl&che, 4,30 Meter von H. St., mit zer-
brochener Deckelschale. Oberer Rand 15 cm, Mitte 24, Boden
9,3, Hohe 22, in der Form der ersten ahnelnd. In, unter
und neben ihr keine Beigaben; mit Steinpackung. Inhalt:
Knochen, Asche und Sand. Fasern von Heidekraut durch
die Urne gewachsen.
3. (Abbildung IV). Rotliche Urne, nordwestlich, 75 Zentimeter
von H. St., 2 Meter unter Oberfl&che. Oberer Rand 18,5,
Mitte 30, Boden 9,5, H6he 20 cm. Ausgebaucht mit 2
Henkeln und Deckelresten. Ohne besondere Fundgegen-
stande. Inhalt wie bei 1 und 2.
4. Urne, Nordosten, 1,85 Meter unter der Oberfl&che, 7,60 Meter
von Pr. St., 10 Zentimeter unter Moorschicht. Mit Stein-
packung. Die Urne stand auf dem Kopfe und fiel trotz
sorgfaltigster Schonung nach der Ueberfuhrung aus dem
Hugel v511ig auseinander.1) Inhalt wie bei den vorigen
Urnen. Teile eines Bronzedolches oben auf, in der nachsten
Umgebung Holzkohlenreste und Scherben.
5. (Abbildung V). Schwarzliche Urne mit 2 Henkeln, gerade
im Norden, 2,35 Meter unter der Oberfl&che, 8,50 Meter
von Pr. St. Eine hiillenlose Bestattung von 25 Zentimetern
Hohe tiber der Urne. Inhalt wie bei den andern Urnen.
Steinpackung. Oberer Rand 13, Mitte 21, Boden 7, Hohe
17,5 Zentimeter. Reste eines Bronzedolches oben auf der
Knochenschicht der Urne.
HQllenlose Beisetzungen.
1. An der Nordostseite, 11 Meter vom Pr. St., 1,55 Meter unter
der Oberflache ein Leichenbrand mit Kohlenresten ohne
irgendwelche Beigaben. Derselbe lag unmittelbar unter der
Moorschicht.
2. Bei den trigonometrischen Steinen ein Nest von zerkleinerten
Menschenknochen und Holzkohlenresten.
*) [Nach den erhaltenen Scherben muss sie in Grosse, Form und
Farbung fast vollig mit der im Jahre 1898 von dem verstorbenen Lehrer
Eilers ausgegrabenen, u. Nr. I abgebildeten Urne ubereingestimmt haben ;
nur fehlt den Resten unter dem henkelartigen Buckel die flache Vertiefung.
Auch die Fundstelle der Eilersschen Urne liegt, wie der Herr Verfasser
mitteilt, im nordlichen Teile des Hugels. R.]
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- 499 —
3. Ebenso 3,84 Meter tief, 2 Meter von H.St, ostlich, ein solches
von etwa 1/% Meter Umfang.
Feuerstitten.
1. An der Nordwestseite, etwa ein Meter breit und 1,80 lang
mit Erhebungen und Vertiefungen, Asche und Holzkohlen-
resten. 21/2 Meter unter der Oberflache des Hiigels, 3 Meter
von H. St. entfernt.
2. Genau im Osten, 1,40 Meter unter der Oberflache, 10 Meter
von Pr. St., 1,80 Meter Umfang.
Von beiden konnten nur Bruchstucke geborgen werden,
erstere zerfiel gleich nach der Blosslegung, und die zweite wurde
durch die Ungeschicklichkeit eines Arbeiters beim Herausnehmen
zerbrochen.
Bronzefunde.
1 . Eine zerbrochene Nadel in einem Neste zerkleiner ter Menschen-
knochen von 20 Zentiraetern Umfang mit Holzkohlenresten
ohne Urnenteile an der Siidwestseite, 2,35 Meter unter der
Oberflache, 3 Meter vom H. St., 70 Zentimeter unter der
Moornarbe.
2. Im Nordosten, 3 Meter vom Pr. St.? 1,50 Meter unter der
Oberflache, 30. Zentimeter unter der Moornarbe Bronze-
teilchen.
Ein Feuersteinmesser fand sich 2,35 Meter unter
der Oberflache, 3 Meter vom H. St. in siidlicher Richtung, wo
auch Spuren einer vollstandig vermoderten Urne angetroffen
wurden.
Sonstige Funde anFeuersteinen,die Bearbeitung zeigten ,
wurden sorgfalltig aufbewahrt und harren der naheren Be-
stimmung, die nur an Orten, wo ahnliche Funde aufbewahrt
sind, vorgenommen werden kann. Angaben in der einschl&gigen
Litteratur sind allein nicht ausreichend, es bedarf dazu der
Vergleichung mit gleichartigen Gegenstanden. Unbestimmbare
und zweifelhafte Fundstiicke sind gleichfalls aufgehoben worden.
Der Lehrer Eilers folgert in dem mir abschriftlich vor-
liegenden Berichte fiber seine schon genannte Ausgrabung i. J.
1898 aus dem Befunde der drei Bodenschichten des Hiigels
(oben in Starke von 2 Metern schwarze Erde, in der Mitte
Moorschicht und unten Sand), dass der Htigel urspriinglich ein
natdrlicher, reich von Heidekraut und Flechten bewachsener
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— 600 —
Hiigel gewesen sei, der zur jlingeren Bronzezeit als Begrabnis-
statte diente ; in spaterer Zeit habe man den Hiigel wesentlich
vergrossert und erhoht, wodurch das Heidekraut zu Moor um-
gewandelt sei. Die obere Schicht habe nirgends eine Spur von
Urnenscherben oder Knochen aufgewiesen, wohl aber hatten sich
an ihrer Oberflache vereinzelte Holzkohlen gezeigt. „Wir konnen
also die Vergrosserung des Hugels nicht zum Zweck der Toten-
bestattung auffassen, und doch muss ein wichtiger Grund solche
grosse Miihe und Arbeit veranlasst habena.
In anderen Teilen der Provinz Hannover sei man durch
Funde : an Heerwegen gelegene Schanzen, naturliche und kunst-
liche Hiigel und deren Benennungen, zu der Vermutung ge-
kommen, dass unsere Vorfahren an ihren Verkehrsstrassen
Wartepunkte hatten, von denen aus sie in Kriegszeiten durch
Feuerzeichen das Nahen des Feindes verkiindeten. Eilers mochte
daher in dem Rabbelsberg einen solchen Wartepunkt erkennen.
Ich vermag diese Ansicht nicht zu teilen. Wie schon
oben erw&hnt, hat die Ausgrabung gezeigt, dass es sich um
einen Hiigel aus einem Gusse handelt, zu dem das Material
aus nachster Nahe zu beschaffen war. Die Moornarbe liegt
(iberall unter der Moorerde, ist also bei Aufschiittung des Hugels
naturgemass zuerst abgetragen und somit unter die Moorerde
gekommen. Die Lage der Fundgegenstande zeigt in iiberzeugen-
der Weise, dass dieselben auf kiinstlich erhohtem Mutterboden
beigesetzt und hernach noch mit einer Schicht desselben
Sandes bedeckt worden sind. Zur Deckung derselben in dem
leichtbeweglichen Sandboden wurde dann eine schwere und
feuchte Moorschicht herbeigeholt und diese noch mit schwarzem
Sande bedeckt. Dass Kohlenreste iiberall im Hiigel und somit
auch von Eilers an der Oberflache gefunden worden sind, kann
dem nicht entgegenstehen. Die beiden Feuerstatten beweisen
zur Genuge, dass die Leichenverbrennungen an der Stelle statt-
gefunden haben, wo sich jetzt der Hugel erhebt ; und dass nach
der Verbrennung und bei der Bestattung der Ueberreste leichte
Kohlenteile durch Luftbewegung in die zur Aufschtittung ver-
wendete Erde gelangen konnten, liegt auf der Hand.
Will man nun den obenerw&hnten Stein als Opferstein an-
sehen, wie ja auchHarkenrohtinseinenOorsprongkelykheden S. 853
den Rabbelsberg als Opferstatte anspricht und eine Deutung des
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— 501 —
Namens in seiner Weise bringt, so folgt daraus, dass es sich
um eine wichtige Kultstatte der damaligen Bewohner des Landes
handelt, bei der man die Gebeine hervorragender Helden bei-
setzte. Man kann aber auch mit demselben Rechte annehmen,
dass der Htigel aufgeschttttet worden ist, um Helden zu be-
statten, die wegen besonderer Verdienste eine hervorragende
Beisetzung verdienten und denen man neben Tieropfern (Pferde-
schadel) auch Menschenopfer (Kriegsgefangene oder Sklaven)
darbrachte. Als solche mochten die hiillenlosen Bestattungen
anzusehen sein. Aber welcher Ansicht man auch beitreten will,
immerhin handelt es sich bei dem Rabbelsberg um eine Statte,
wo ausgezeichnete Menschen der Vorzeit zur letzten Ruhe bei-
gesetzt wurden, und daher erklart sich wohl auch der Umfang
des Httgels, wie er nur selten in ahnlichen Falllen vorkommen
dttrfte.
Eine Vergleichung der Urnenfunde mit gleichartigen, die
hier an Ort und Stelle nicht moglich ist, wird leicht die Zeit
der Entstehung des Htigels feststellen konnen. Nach meiner
Ansicht dttrfte wohl die jttngere Bronzezeit als solche anzusehen
sein, in der man auf die Einrichtung der Begrabnisstellen im
Gegensatz zu den vorangehenden Zeiten nicht mehr viel Mtihe
aufwendete, sondern nur den Httgel tttrmte und die Reste des
Leichenbrandes in Tongefassen, oft auch in der blossen Erde
beisetzte. Die Urnen selbst sind primitiver Art und daher
wenig haltbar gewesen, der Druck der schutzenden Oberschicht
hat sie zerbrechen lassen, und die Beigaben sind diirftig und
von keiner Haltbarkeit.
Da ohne Zweifel der Hiigel die Ueberreste bedeutender
Menschen der ostfriesischen Vorzeit in sich aufgenommen hat,
von deren Wirken vielleicht ein langst verklungenes Lied Kunde
gab und mit dem eine jungere Zeit die Erinnerung an den
letzten heldenhaften Vertreter des Heidentums im Kampfe gegen
das Christentum, an Konig Radbod, verband, so dttrfte es sich
empfehlen, den Httgel, der jetzt keinen wttrdigen Eindruck
macht, wieder in Stand zu setzen. x)
Aurich, 28. September 1904.
Archivrat Dr. Wachter.
!) Ist inzwischen erfolgt.
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— 502 —
XVIII.
Zu S. 202 und S. 220 des Jahrbuchs Band XIV.
(Dr. Hayo Hompen, Otto v. Diepholt, Johann v. Lingen)
diirften folgende Erganzungen willkommen sein:
1. Erader Kontr.-Prot. Jahr 1516, S. 200.
Der Woilgeleerte Meister Rolef Huesmann verkauft dem
ErbarenDuchtigenFfoelefFtor Knypenss und Inhuess Hovetlinck
(ausgel. „unda) der Dogentsamer Vrow Ymelen (S. 164 und 184
ibid, heisst sie Hymen) syner eelicker gesellynnen und ihrer
beider Erben oder dem Inhaber des Briefes eine j. Rente
von 6 Rh. Gulden zu 8 Emder scapen aus seinem halben
Hause und Warf, die er von seiner sel. Mutter Gertrud
van Lyngen geerbt hat.
2. ibid. Jahr 1517, S. 228.
Johann van Lyngen, sal. Lamberdes soene, verkauft
dem Erbairen Woilduchtigen Juncker Doeden Mannynga to
Ltitzborch Junckeren eine j. Rente von 6 gold. Philippsgulden
?tus seinem Hause und Keller staende an den Markede up der
Home beneven dem Raedthuse over de strate, junge Johannes
van Lyngen und Meister Roleffs synes Broders beider
Hues daer naest by staende upt W., unde Aelheydes Hues
van Beethen upt N. l)
3. ibid. Jahr 1519, S. 289.
Der Erb. Woilg. Meister Roleff Huesmann und sein Bruder
Arendt Huesmann verkaufen ihrem freundl. lieben Bruder Jo-
hannes van Lyngen jeder seinen Anteil des Hofes, gelegen
achter den Baerth upt Westende des Mynrebroder Kerckhoff,
soviel sie davon von ihren Eltern geerbt haben.
4. Nach Friedlaenders Urk. Nr. 1359 war ira Jahre 1493 Ger-
trud van Lyngen die Frau des Landrichters J oh. Huesmann.
Es ist also wahrscheinlich, dass die obengenannten Meister
Roleff und dessen Bruder Arend Kinder aus dieser Ehe sind,
weil Gertrud v. L., nach 1, die Mutter Roleffs genannt wird.
5. Nach Emder Kontr.-Prot. S. 283 Jahr 1519, S. 288 Jahr 1519,
S. 368 Jahr 1522, wo junge Johannes van Lingen sal.
Hinricksz, also ein Sohn von Hinrich genannt wird, ist es
l) es handelt sich also um das v. Lingensche Haus auf der Stelle
der jetzigen Delfthalle, vgl. Beninga S. 465.
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— 503 —
wahrscheinlich, dass seine Mutter Gertrud v. Lingen sowohl
die Ehefrau von Heinrich von Lingen, als diejenige von
Joh. Huesraann gewesen ist.
6. Nach Emder Kontr.-Prot. S. 271 Jahr 1518, S. 283 und 288
Jahr 1519 und S. 368 Jahr 1522 war junge Johannes Hinricksz
verheiratet mit Frowke. Diese Eheleute verkaufen im Jahre
1518 S. 271 ein Haus und eine Statte (stede), staende by den
Delve up der H5rne mytter Nordersyde usw., das Frowke von
ihrem seligen Grossvater Hompe geerbt hat. Hans van
Lingen und Frau Frowke, die in der Sentenz vom Jahre 1527
(Beil. VII, S. 220 des Jahrbuchs) genannt werden, sind wohl
zweifellos identisch mit den hier erwahnten Personen
gleichen Namens. Die Sentenz bezeichnet Frowke als
Dr. Haio Humpen's Schwester, und der letztere nennt Humpe
und Frau seine Grosseltern (S. 230 des Jahrbuchs) ; demnach
war Humpe Hayen (der bis 1511 Emder Biirgermeister gewesen
ist) identisch mit dem Humpe, von dem die Frowke das
obige Haus geerbt hatte.
7. Noch eine Beurkundung in den Emder Kontr.-Prot. vom
Jahre 1522 S. 368 bezieht sich auf die in der Sentenz er-
wahnten Personen. Der Erbar und bestendige Junker Otto v.
Deep holt und Frau Anna sowie der Emder Btirger Johann
van Lyngen Hinricksz und Frau Frowke einerseits und
Nono Meckena andererseits sind in Streit gewesen wegen der
Naedaet der sal. Heeben, der gewesenen Ehefrau von Nono.
Die Nadaet wurde in unserer Urkunde vereinbart auf 65
Goldgulden zu Sschaep, und dem Nono wurden 6Grasen Etlandes
im Emder Hammrich zur Benutzung nach freiem Belieben
auf fiinf Jahre mit dem Vorbehalte uberwiesen, dass die Be-
teiligten das Land wahrend dieser fiinf Jahre gegen Zahlung
der 65 Goldgulden einlosen konnten.
Dass wir bei der in der Sentenz erwahnten Hebe (S. 230)
an die oben erw&hnte verstorbene Ehefrau des Nono Meckena
zu denken haben, diirfte wohl nicht zweifelhaft sein, zuraal
auch in einer S. 345 beim Jahre 1520 der Emder Kontr.-Prot.
verzeichneten Urkunde junge Johannes van Lyngen und
Nono Meckena bei dem Verkaufe eines Hauses bynnen Emden in
der Dyckstrate wegen der Erben von sal. Hompe Hayen
als ^eteiligte auftreten. Zweifelhaft ist es mir, ob die
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— 504 —
Angabe auf S. 205 des Jahrbuchs, dass Anna v. Diepholt die
Tochter der Fossa Horn pen gewesen sei, richtig ist. War
Otto v. Diepholt wegen seiner Frau Anna ein Schwager von
Dr. Haye Hompen, wie auf S. 202 angegeben, dann war dieser
letztere Anna's Bruder, und die Anna wird nicht eine Tochter,
sondern ebenso wie die Frowke van Lingen eine Enkelin
der Fosse Hompen gewesen sein.
Nach meinen Notizen wird Anna v. Diepholt in den Emder
Kontr.-Prot. erstmalig im Jahre 1542 (S. 1248) als Witwe des
sal. Drosten Otto v. Diepholt erwfthnt, wo sie eine Rente
ankauft.
P. van Rensen.
XIX.
Nachtrag zu Nr. Ill, S. 390 ff.
(Maria v. Beckum und Ursula v. Werdum).
Wertvolle Erganzungen und Berichtigungen zur Geschichte
der Maria und Ursula v. Beckum und reiche Anregung zu weiterer
Nachforschung bietet die Ende J 904 erschienene, mir leider erst
verspatet zugegangene grosse Neuausgabe des „Offer des
Heeren".1)
l) Vgl. S. 403. jHet Offer des Heeren, de oudste verzameling
doopsgezinde martelaarsbrieven en offerliederen, bewerkt door Dr. S.
Cramer, 's-Gravenhage, Martinus Nijhoff, 1904." (Bibliotheca Reform a-
toriaNeerlandica. Qeschrif ten uit den tijd der Hervorming in de Neder-
landen opnieuw uitgegeven en van inleidingen en aanteekeningen voorzien
door Dr. S. Cramer, Hoogleeraar aan de Universiteit van Amsterdam en
aan het Doopsgezind Seminarium aldaar, en Dr. F. Pijper, Hoogleeraar aan
de Rijksuniversiteit te Leiden. Tweede deel). Dr. S. Cramer war friiher
Pastor der mennonitischen Gemeinde zu Emden. — Am Eingange der bluhen-
den niederlandischen Kirchenliedforschung stehen die Deutschen: Hoff-
mann von Fallersleben (Niederlandische geistliche Lieder des XV.
Jahrhunderts, Hannover 1854) und der Geschichtsschreiber des deutschen
Kirchenliedes, Phil. Wackernagel (Lieder der niederl. Reformierten aus
der Zeit der Verfolgung im 16. Jahrhundert, Frankfurt a/M. 1867, und
vorher: Bibliographic zur Geschichte des deutschen Kirchenliedes im 16.
Jahrhundert, Frankf. a/M. 1855, S. 504 ff.)
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— 505 —
S. 397. Zweifel an dem zuerst wohl von de Hoop Scheffer
behaupteten Jorismus der Maria v. Beckum und Ursula v.
Werdum aussert auch Cramer S. 510. Dass bereits das tauf-
gesinnte Liedtboecxken v. J. 1563 ein Lied uber sie aufnahm,
dass dieses und das S. 404 unter Nr. 4 aufgefuhrte „Ick heb
droefheyt vernoraen" schon in alten taufgesinnten Kreisen
popular gewesen sind, dass Taufgesinnte wie Gerrit und der
urn 1550 hingerichtete Bartel (s. u.) von ihnen wie von Glaubens-
genossinnen reden, spricht nach Cramer ftir ihre Zugehorigkeit
zu Mennos Anhangern. Die Grenze zwischen Mennoniten und
Davidjoristen war 1544 allerdings noch nicht scharf gezogen.
Aufklarung wtirde vielleicht der S. 397 erwahnte Brief der
Regentin vom 7. Januar 1545 (im Briisseler Archive) geben, der
nach der Inhaltsangabe von de Hoop Scheffer von der Joristerei
der beiden Frauen sprechen mtisste. *)
S. 400—402. Die Erzahlung bei Tilem. van Braght und
in den voraufgehenden Martyrerbiichern der Taufgesinnten geht
sicher, bis zu wortlicher Uebereinstimmung, ganz auf das
„Liedtboecxkena des „Offer des Heerena zunick. Schon
dieses beginnt mit dem Zwiste Marias und ihrer Mutter, er-
w&hnt die Sendung Goesen van Raesfeldts durch den Statt-
halter, die Verhaftung zur Nachtzeit2). das Gesprach der beiden
Schwagerinnen mit ihrem Bruder und Gatten3), die Anwesen-
*) Die in den Doopsgezinde Bijdragen 1899 S. 93 ausgesprochene
Behauptung: „de brieven en vonnissen, in afschrift op ons archief voor-
handen, wijzen uit, dat zy David- Joristen waren14 scheint Scheffers Nach-
folger, Dr. Cramer, freilich nicht mehr aufrecht zu erhalten.
*) Unter dem „grossen Haufen Volks, der um ihretwillen ge-
kommen war44 (en als sy daer eenen grooten hoop Volks sag, die om
haer gekomen waren, Tilem. v. Braght), sind die Schergen Goesen van
Raesveldts zu verstehen; das Liedtboecxken hat dafur:
Goesen van Raesvelt quam gedraeft
Om dees Jonckvrouwe te vangen
Met veel mannen gestoct gestaett
En grooten prael behangen
und am Rande die Verweisung auf Matth. 26, 47.
8) Am Rande der Stelle:
Hier was de liefde int herte groot
Stercker dan die bitter doot
ja vaster dan die Helle
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heit der Mutter und der Schwestern Ursulas aus Ostfriesland,
es nennt als Inquisitor den Bruder Grouwel von Deventer und
bei dera Verhore zu Delden den „Commissarius wt tBorgoensche
Hoftf x), schildert, wie auf dem Gauge zur Richtstatte (zu den
„stakena) Maria und Ursula frohlich singen und jene dem
weinenden Volke die Tr&nen verweist, da sie nicht als Zauber-
innen (toueneeren) oder andere Misset&ter litten, erzahlt wie
die M&rtyrerbiicher von der Bitte Marias flir die unschuldige
Sch wester, von dem Fluchen des Henkers liber die Ketten, die
nicht nach seinem Sinne sind, von dem Bemvihen des „Predi-
kanten"2), der Ursula den Anblick der sterbenden Maria v.
Beckum zu entziehen3), von dem Grusse, den jene einem ihrer
verweist das Liedtboecxken auf „Cant. 8 a. 6.a<, (Hohelied 8, 6: Denn Liebe
ist stark wie der Tod, und Eifer fest wie die Holle). Die Vorliebe der
„Scbriftuurlijke Liedekens" fur das Hohelied hebt die unten noch wieder-
holt zu erwahnende inhaltreiche und feinfiihlende Untersuchung von
Wieder: De Schriftuurlijke Liedekens, S. 49 hervor. Derselbe weist auch,
wie Cramer S. 39 und 492 f. (und der von diesem zitierte Busken Huet
in „Het Land van Rembrand"), an zahlreichen Stellen auf den dichteriscben
Wert, die dramatische Lebendigkeit und das tiefe Gefuhl dieser frommen
Volkspoesie hin, die mit dem Erscheinen -der Datheenschen Psalmen-
Uebersetzung und der offenen Erhebung gegen Spanien 1666 ihren Ab-
schluss erreichte.
*) Die ,Veelderbande Liedekens" haben dafGr „twee Tyrannen all
uit dat bourgonsche Hoff' (vgl. u. zu S. 403Zeile7j,von den beiden deutschen
Liedern bei Rabe das erste „Vom hauss Burgund ein gross Tyrann*, das
andere „vom Hoff Burgund e. gr. T." Cramer versteht darunter einen
Kommissar aus Bnissel, nach Johann v. Beckums Brief S. 409 war es ein
Kaiserlicher Abgesandter aus dem Hofe von Geldern zu Arnhem.
*) Ueber den Ausdruck „Predikant" fur .Pastor" s. Cramer S. 506.
s) Maria wurde vielleicht (trotz Offer des Heeren Str. 24 und Veelder-
hande Liedekens Str. 6) nicht sofort verbrannt, sondern zunachst durch
den Henker erwurgt. Dem Anzunden des Scheiterhaufens ging in der
Regel die Erwurgung (BworgenK, „smoorena, Bmet coorden woelen8, vgl.
Cramer Offer des Heeren S. 534) vorauf, oder es wurde der Tod durch
die Explosion eines an den Hals des Verurteilten gehangten Taschchens
mit Pulver beschleunigt. Verbrennung bei lebendigem Leibe war eine be-
sondere Verscbarfung der Strafe, vgl. Hoog, De Martelaren der Her-
vorming, S. 181 f. Von der Hinrichtung durch Ersticken im Rauche
(^Schmauchung") meldet Hoog nichts, Tiaden G. 0. Ill 105 fahrt fiber diese
Strafe eine Stelle aus Zedlers Universal-Lexikon XXXV S. 278 an. Die
Bibliotheca Belgica gibt in der Bibliographie des martyrologes protestants
nSerlandais (M 226, Notes preUiminaires, S. 13) fur die Niederlande unter
der spanischen Herrscbaft als erste der drei Hinrichtungsarten durcb das
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- 507 —
„Meyeru fur ihren Gatten auftragt, und stellt ihre letzten
Augenblicke tiberhaupt genau ebenso dar. — Um so wahr-
scheinlicher ist es, dass aucb im „Liedtboecxken" die Quelle
der Erzablung teilweise in Johann v. Beckums Haus selbst
gesucht werden muss.1)
Nach den zwei bei Rabus erhaltenen altesten Liedern vom
Jahre 1545 trat schon bei den Schwestern von Beckum das
Wunder des kurz nachher, am 28. MaLrz 1545, in Leeuwarden
verbrannten Franz von Bolsward em: die Leichen blieben auf
dem Scheiterhaufen unversehrt (Cramer S. 509)2). Eine verwandte
Feuer an, dass man den Verurteilten in eine auf dem Scheiterhaufen
errichtete Strohhutte stellte, worauf Scheiterhaufen und Stroh gleichzeitig
angezftndet wurden; das Opfer war, ehe es vom Feuer beriihrt wurde,
im Rauche erstickt. Bei Maria und Ursula v. Beckum, deren KSrper
von den Flammen auch nachher nicht verzehrt wurden, scheint es fraglich,
ob bei ihnen an diese Todesart zu denken ist. — Die voraufgehende Er-
wurgung durch den Henker erwahnt die Bibl. Belgica an zweiter Stelle.
l) Die hone Glaubwurdigkeit der M&rtyrerlieder im Allgemeinen,
die wohl samtlich bald nach dem Tode der Opfer, ja, zuweilen noch vor
der eigentlichen Vollstreckung des Urteils, manchmal von Augenzeugen
und sogar von den Verurteilten selbst gedichtet wurden, weisen Hoog,
De Martelaren der Hervorming in Nederland tot 1566 (Schiedam 1885),
S. 213 f., S. Cramer, De geloofwaardigheid van van Braght, in den Doops-
gezinde Bijdragen 1899 S. 95 ff., Offer des Heeren S. 491 und Dr. F. C.
"Wieder, De Schriftuurlijke Liedekens (De Liederen der Nederlandsche
Hervormden tot op het jaar 1566, 's-Gravenhage 1900), S. 103 ff. nach. Zu
den grossenMartyrerbuchern bilden fur die niederlandischen Taufge-
sinnten ausser den im „ Offer des Heeren* enthaltenen Briefen, Bekenntnissen
and Testamenten der Martyrer, wo Lieder vorhanden sind, diese die
Hauptquelle (Cramer, Het Offer des Heeren, S. 39), daneben benutzten die
Herausgeber weniger gedruckte historische Werke als eifrig gesammelte
mundliche Ueberlieferungen und seit dem Hoorner Opferbuche von 1617 die
Sentenzenbucher der Stadte, in denen die Hinrichtungen voilzogen worden
waren, die letzteren zog namentlich Til. v. Braght, dessen Werk zum
ersten Male 1660 erschien, heran (Cramer, Doopsgezinde Bijdr. 1899, S.
76 ff). Die alteste Chronik der taufgesinnten Martyrer erschien unter
der Leitung des Hans de Ries (vordem, 1593—1598, Prediger der water-
l&ndischen Mennoniten-Gemeinde in Emden) 1615 zu Haarlem unter dem
Titel „Hi8torie der martelaren ofte waerachtighe getuigen Jesu Christi,
vgl. de Hoop Scheffer, Onze Martelaaraboeken, in den Doopsgezinde
Bijdragen 1870 S. 63. In der Geschichte der Maria und Ursula v. Beckum
ist Til. van Braght, wie gesagt, ausschliesslich dem Liedtboecxken des
Offer des Heeren gefolgt.
*) Rabus im ersten Liede (Spruche) : Wie vast der Henker sich muhet
Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. a. vatorl. Altertiimer ca Emden, Bd. XT. 33
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Erz&hlung erscheint auch in den taufgesinnten MartyrerbGchem
seit dem im Jahre 1617 zu Hoorn herausgegebenen zweiten Drucke
der „Historie der Martelaren" : zwei treue Briider, Bartel und Gerrit,
hatten der Hinrichtung auf dem „Hauseu zu Delden beigewohnt
und Maria sagen horen: „Der Pfahl, woran icb gebunden bin,
wird spftter zum Zeichen, dass ich um der Wahrheit willen
leide, griinen". Als sie einige Zeit nachher den Richtplatz
wieder betreten hatten, seien an dem Pfahle in der Tat grflne
Triebe zu Tage getreten. In Antwerpen, wo beide spater lebten,
erz&hlten sie das Wunder dem Aeltesten Hendrick v. Aernem
und dem Jan Lubbertz; da habe jener voll Schrecken ausgerufen:
„Ich wtirde dies euch nicht nachzuerz&hlen wagentt. Bartel
wurde um das Jahr 1550 auf dem Hause zu Berchem bei
Antwerpen hingerichtet, vgl. Til. v. Braght II S. 102 und Cramer
S. 510. Ausser den beiden obengenannten erwahnt das Martyrer-
buch von 1685 nur zwei solche Wunder, ein Beweis fttr
den tiefen und nachhaltigen Eindruck, den Marias und Ursulas
Schicksal auf ihre Glaubensgenossen machte. In der Sage der
beiden Lieder v. J. 1545 liegt aber ein wahrer Kern in dem
nur von Johann v. Beckum in seinem Briefe vermeldeten Um-
stande, dass seine Schwester und seine Gattin nicht verb rann t,
sondern nur im Rauche erstickt wurden und dass ihre K5rper
daher, wie er klagt, noch wochenlang tiber der Erde hangen
konnten.
S. 401 Anm. 3. Das Haus Zwigkel nennen statt
Delden beide Lieder bei Rabus. [Dass in der Tat wahrscheinlich
Twickel bei Delden, nicht Delden selbst, der eigentliche Ort
des VerhSres und der halbjahrigen Haft war, wird unten zu
S. 403 Zeile 7 (S. 513) gezeigt werden.]
S. 403 Zeile 7 (Lied 1 und 2). Beide deutschen Lieder1)
mit, So kundt er doch verbrennen nit, Die todten Kdrper bliben blosa
Stehen zum Zeichen also gross.
^richtiger: „Der Spruch und das Lied". In der Zeit des deutschen
Minnegesangs und der Meistersinger unterschied man den gesprochenen (?)
einstrophigen , Spruch" von dem gesungenen mehrstrophigen , Lie do",
dessen Strophen, wie in dem „Liede" bei Rabus und im Offer des Heeren
(8owie in vielen deutschen Kirchenliedern), aus zwei „Stollen" und dem
jAbgesang" bestanden.
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— 509 —
sind oSenbar Bearbeitungen eines und desselben Origin ales, auf
das aber zu einem guten Teile auch die Veelderhande
Liedekens zuriickgehen. Diese stimmen an vielen Stellen,
namentlich (abgesehen von den 4 Schlusszeilen der dritten und
den vier Anfangszeilen der vierten Strophe, die dem Liede des Offer
des Heeren eng verwandt sind), in der ersten H£lfte (Strophe 1—5)
fast wortlich mit jenen iiberein und unterscheiden sich hier von
ihnen nur dadurch, dass sie ausdriicklich den Herrn von
Usselstein1) als Statthalter erw&hnen, dass sie die weiteren
Verhandlungen von »Zwigkela nach Delden verlegen, statt eines
„Tyrannen aus dem burgundischen Hofea von zweien2) sprechen
und dass in ihnen (wie im Offer des Heeren) Ursula ftir den
Abfall vom Glauben nicht das Leben zugesichert erhalt.
Lied 1 (n8pruchu) b. Rabus*) (1545). Veelderhande Liedekens*) (1559).
Str. 2.
Oehn Deuenter wwrdens gebracht, Men deedse te deventer brengen
Str. 3.
Der Statthalter aufs seiner Macht, Be Stadthouder deed haer vragtn,
Fragt sie was jhr glaube wcr? wot hoar gelove toeer,
Spraehen wir glauben an Christi lehr. darop deeden sy geicagen,
dat i(s na Christufs Leer.
Str. 4.
Zu schrecken die frommen Christen, Twee Tyrannen deeden sy kriegen
*) Der Name fehlt auch im Liedtboecxken des Offer des Heeren.
*) Vielleicht schwebte dem Dichter dabei ausser dem Kaiserlichen
Kommis8ar der im Offer des Heeren genannte Inquisitor Grouwel aus
Zwolle oder der Pastor von Delden vor; aber jener war nach dem Offer
des Heeren nur bei dem VerhOre in Deventer tatig.
•) nach der Strassburger Ausgabe von 1572, H fol. 686.
*) nach dem Abdrucke bei Tiaden G. 0. HI S. 108, dem die Aus-
gabe der Veelderhande Liedekens von 1577 (Wieder, De Schriftuurlijke
Liedekens, S. 158) zu Grunde liegt. Das Lied auf Maria und Ursula findet
sich zuerst in einer wahrscheinlich 1559 erschienenen Ausgabe (Wieder
S. 142). Tiaden gibt es nach einer Abachrift, die derUrenkel von Ursulas
jOngstem Bruder Hero v. Werdum, Ulrich v. Werdum, laut seiner Unter-
schrift zu Petkum am 19. Juli 1679 aus dem genannten Liederbuche ge-
nommen hatte („Gedruckt in een Hollandfs gesangboeck van veelderhande
Gestelycke Lydeckens int Jaer onses Heeren MDLXXVHtf). Der Titel :
„ Veelderhande Gestelycke Lydekens" kommt nicht ganz mit dem
von Wieder S. 158 angegebenen uberein ; .Veelderhande gheestelicke
Liedekens" waren eine nichtmennonitische Sam m lung, vgl. Wieder S. 135,
139, 160, ferner oben S. 404 Anm. 1 und unten die Berichtigung dazu.
33*
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Aufs geschickt ward mit listen all uit dot bourgonsche Hoff
Vomhaufsl)Burgundeingrofi Tyrann}) an den (lies: omde) Joncfrowen te bedriegen
Str. 5.
Nach ChrisH lehr das klar erscheint, Alfs Christus onfs Heere verheven
Wie Marcus am sechtzehenden Spreckt Marcus ant festiende voort.
meldt.*)
(Babus Lied 2.) Str. 5.
Weitter wurden gefragt behend, Men vraegde Haer sonder ccsseren,
Ob sie auch theten Glaubcn, Naet Papen Sacrament.
Wot an der P faff en Sacrament.
Str. 6.
Auffsolchbekanntnufsgenommenward De iongste ifs erst genoomen,
Die jUngst Maria genannt so zart. Juffrou Maria
(Babus 2.) Str. 7.
Sie sprach solt ich abweichen drot*) Sout gy my van de waerheyt dryven
Von Oottes wort so reinet om deesen Tydelycken doot,
Von wegen des zeitlichen todt, Neen by Christum wU ick vrwm
Bei Christo bleib aUeine. blyven*)
Str. 8.
Weitter sie ward vermanct hart, ook brachten sy haer ter handen
Umbs fchwerdt iu bitten, Te bidden all om dat Schwerdt,
es sprach die zart,
Was meine Schwester gelitten hatt, met haer Silfster te verbranden,
Das leid ich auch an diser statt. heeft sy also begeert.
Doch auch zwischen dem trotz seiner Lange an originaler
Frische nnd poetischer Kraft die iibrigen weit iiberragenden
Liede im Offer des Heeren und demjenigen in den
Veelderhande Liedekens bestehen so grosse Aehnlich-
keiten, dass bei dem einen die Bekanntscbaft mit dem andern
ausser allem Zweifel steht; merkwtirdig ist dabei die Art der
Nachdichtung: das eine Lied hat offenbar absichtlich,
beinahe spielend, die Verszeilen des anderen fast tiberall u m-
g e s t e 1 1 1. Die Frage der Prioritat ist schwer zu entscheiden.
x) Lied 2 bei Rabus : Vom Hoff Burgund.
') Das Offer des Heeren gebraucht das Wort an einer andern Stelle,
bei Ursulas Tod: Str. 27 Seer ras hoorde die Tyran de reden.
') Im Offer des Heeren, auch am Rande, fehlt Marc. 16.
*) = niederdeutsch drade, mhd. drate (schnell)?
8) vgl. auch Offer des Heeren Str. 24.
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— 511 —
Dass das Gedicht der V. L., obwohl es schon 1559 nachweisbar
ist, an Alter hinter dem im Drucke erst 1563 vorliegenden
Liede des Offer des Heeren zuriicksteht, dafur sprechen die zahl-
reichen glaubwtirdigen Einzelheiten, die dieses angibt. Ebenso
scheint jenes auch im Vergleiche zu den Rabusschen Liedern
eine jtingere Gestalt darzubieten (s. u. S. 514).
Offer des Heeren (1563). Y e elder hand e Li edekens (1559).
Str. 9. Sir. 3.
Doer na brachtmense op dat huys Men voorde se sonder Oecken
Te Del den hooge van mueren te del den all op dat Huifs
Om af te t reck en met confuys an (lies : om) van de Warhcyt af te
trecken
Bedreuen sy veel cueren. dat waefs haer so grooten Qruifs.
Str. 4.
Dies hodden sy seer deynen I o f Twee Tyrannen deeden sy kricgen,
Sy deden wt tBorgoensche Hof all uit dat bourg onsche Hoff
Een Commissarius doer comen anden(lies:omde)Joncfrowentcbedriegen,
Om die vrouwrn te ontvromen.1) defs hodden sy geen L o ff.
Str. 13. Str. 5.
Hoe moecht ghy vragen dock so blent Wy houden van't Na chtmahl onses
Vant Auontmael houden wy vele. Heeren
ho vraegt gy also blent.
Str. 20. Str. 6.
Erst namen sy Mary, die badt seer soet Sy badt al sonder verdrieten
Douerheyt sonder verdrieten de 0 verheyt seer soet
Datsydochdatonschuldich bloet dat sy niet meer souden vergieten
Niet meer souden vergieten. dat recht onschuldig bloet.
Str. 24. Str. 7.
Sy quamen haer naerder by cant d} ander vraegden se mit Practyken
JEn vraechden met practij cken Vrsel waer sy genaemt
Haer suster was deerlijck verbrant oft sy niet woude afwycken
Oft sy niet wilde afwijcken. haer Silfster was geb rant, geblaemt.
Nun, omden doot die ghy my aendoet Sout gy my van de waerh eyt
dryven
') ontvromen eigentlich = die Tachtigkeit, den Mut nehmen, hier:
im Glauben wankend machen, vgl. Veelderh. Lied. Str. 6 : om Haer fufter
te ontvromen, Str. 7 Neen by Christum wil ick vroom blyven. Rabus 1
hat dafflr: Zu schrecken die frommen Christen.
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— 512 —
WU iek niet ouergeuen deewich goet om dee$en Tydelycken doot.1)
Sout ghy my van de waerheyt Neen by Christum wil iek vrosm
drijuen blyvcn*)
Neen, by Christum wil iek vroom Myn htilper in alter Noot.
blijuen.
Str. 28.
Dus tijn dese Schaepkens totten ent
Beyde volstondich gebleuen
En hebben met hoer doot present
Oods woort een zegel gegeuen.
Str. 29.
0 Heer verhoort doch ons gtdach
W%U dese dagen vercorten
En uwen Qeest sender verdrach
In onse herten storten.
Str. 8.
Dufs syn sy afgescheyden
tt betuigen dot Oodtlycke woort
al an (lies : om) de Waerheit te verbrtydt*
Storven sy ongestoort.
Str. 9.
Heer wilt de doge vercorten
8eynt ons den H. Geest,
en wilt de in Onfs alle storten
int lyden aUermeeft.
Beziehungen zwischen dem Offer desHeeren und dem
Originate der Rabusschen Lieder sind dagegen kaum an-
zunehmen, wenn man solche nicht etwa in folgenden Stellen
erkennen will:
Offer des Heeren (1563).
Babus Lied 1 (1546).
Str. 11.
Voort heeft hy haer geuraget snel Der fragt die Jungfrowen lobesan,
Oft sy wederdoopers weeren. Ob sie der Widerteuffer lehr
Olaubten.
Str. 20.
Sy (Maria) viel op haer knyen ter neer Sie bat eu Oott
En bad noch voor die haer do o den. FUr jhre feind inn jkrer noth.
Str. 24. (Babus 2.)
Neent om den doet die ghy my aendoet Sie sprach solt ich abwsichen drot,
Wil iek niet ouergeuen deewich goet Von Oottes wort so reine,
Sout ghy my van de waerheyt drijuen Von wegen des zeiUichen todt,
Neent by Christum wil iek vroom Bei Chris to bleib aUeine.*)
blijuen.
') ygl. Rabus und Offer des Heeren Str. 26: Dat iek hem daer soeck
in desen noot, Moet iek steruen den tijtlijcken doot
•) ygl. auch Rabus.
*) vgl. auch Veelderhande Liedekens Str. 7.
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— 513 —
Diese gleichen Gedanken diirften aber, weil zu allgemein
und naheliegend, nicht ausreichen, urn dadurch eine gegenseitige
Einwirkung als sicher erwiesen^ zu sehen, wenn diese auch
nicht unbedingt abgeleugnet werdenMarf.
In dem Fehlen des Wunders, das die Lieder bei Rabus
erz&hlen, braucht kein ursprtinglicher Unterschied zwischen ihnen
und den beiden niederlandischen Liedern im Offer des Heeren
und in den Veelderh. Liedekens gesehen zu werden. Dem unter
dem Einflusse des Kalvinismus der zweiten Halfte des XVI. Jahr-
hunderts stehenden Taufgesinntentum mochte die Wunderge-
schichte Erinnerungen an die Legenden der papstlichen Kirche
wachrufen und daher, als ihr wahrer Kern (S. 508) in Vergessen-
heit geriet, zu anstossig erscheinen, um sie zu wiederholen.1)
Alle oben S. 403/4 aufgefuhrten Lieder 1— 62) sind nach
dem Gesagten im Wesentlichen wohl nur Varianten zweier8)
Originale, und zwar scheint das Gedicht der Veelderhande
Liedekens den Rabusschen Liedern ursprtinglich n&her zu
stehen, als dem des Offer des Heeren; der Name „Zwigkela4),
fiir den die Veelderh. Liedekens das bekanntere Del den eingesetzt
*) Will man im Hinblick auf die beiden andern Wundergeschichten
(aus den Jahren 1545 und 1554) im Offer des Heeren und bei Til. van
Braght (Cramer Doopsgezinde Bijdragen 1899 S. 141 ff.) dieses Motiv im vor-
liegenden Falle nicht gelten lassen, so erscheint die Verschweigung des
Wunders im Offer des Heeren und in den Veelderhande Liedekens schwer
erkl&rlich.
•) Nr. 7 ist ein modernes Gedicht, s. u. S. 519.
•) Auch von anderen Martyrern bestehen mehrere Lieder. Nach
Wieder S. 105 pflegt von zweien das eine Lied mehr Erzahlung, das andre
mehr Betrachtung zu sein ; in den Einzelheiten, * die sie berichten, stim-
men sonst alle (iberein.
*) Die neuerdings Anzweiflungen gegenuber festgestellte geschicht-
liche Treue der taufgesinnten Martyrerlieder (s. o. S. 507) lasat die Annahme
eines Irrtums in dem Namen Zwigkel nicht zu. T w i c k e 1 , noch jetzt
eine der ansehnlichsten Burgen Niederlands (im Besitze des Dr. R. Baron
van Heeckeren van Wasfenaer), ist, wie Herr Archivar Dr. Acquoy in
Deventer mitteilt, eine zur Gemeinde Delden gehorige Herrlichkeit und
liegt der Stadt Delden so nahe, dass Marias und Ursulas Verhor and Haft in
der Tat sehr gut dort stattgefunden haben konnen. Joh. v. Beckum spricht in
seinem Briefe gar nicht von Delden, sondern (S. 409) nur voin Hause des
Drosten von Twente, das 9 Jahre vorher, unter dem Drosten Joh.
t. T w y c k e 1 1 o (S. 401), gewiss die Burg Twickel war. [Diese Vermutung
-wird bestatigt durch den Stammbaum der Familie von Raesfeld bei Fahne,
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— 514 —
haben1), legt es andererseits nahe, in den beiden deutschen
Liedern, vor allem in dem ersten (Alhie wil ich vbersummea,
Was ich in kurtz hab vernummen), zumal da Rabus ausdrfok-
lich von seinem nSprucha und seinem „Lieda als schon 1545
in deutscher Bearbeitung vorhanden spricht, den Veelderhande
Liedekens gegeniiber die alt ere n und dem niederlandischen
Originale zun&chst stehenden zu sehen. Die Erw&hnung von
Delden statt Twickel (Str. 3 und 4), die Erz&hlung des eigent-
lichen Todes der Schwestern und den Schluss haben die Veel-
derhande Liedekens aber, obgleich auch hier Ursula die mildere
Enthauptung durch das Schwert in einer an Rabus anklingen-
den Form zuriickweist, mflglicherweise unter absichtlicher Fort-
lassung der bedenklichen Wundergeschichte bei Rabus, zmn
grossen Teile aus dem im Offer des Heeren iiberlieferten,
ihnen aber vielleicht in einer altera Gestalt vorliegenden Liede
ubernommen.
So l&sst eine Vergleichung der Rabusschen Lieder, des
Offer des Heeren und der Veelderhande Liedekens von dem
Die Herrn und Freiherrn von H6vel (I 2 Tafel XII), der beweist, dass audi
Goesen vonRaesfeld selbst seinen Drostensitz zu Twickel
hatte; die Treue der Martyrerlieder hat sich also auch hier durchaus
bewahrt. Goesen (Goswin^ v. Raesfeld, Sohn des 1505 mit Anna Grafm
von Hoya vermahlten, 1522 gestorbenen Johann v. Raesfeld zu Ostendorf
(im westlichen Westfalen), Vetter des Bischofs von Munster Bernhard
v. Raesfeld (1557—1566), Herr zu Twickel und Morkirchen, hatte mit
Agnes von und zu Twickel, der Tochter des Drosten in der Twente,
Johann v. Twickelo, Witwe des Unico Ripperda, Twickel und das
Drostenamt von Twente erheiratet, das nun 3 Generationen hindurch
in der Familie v. Raesfeld erblich blieb. Durch Vermahlung seiner Urur-
enkelin Adriana Sophia v. Raesfeld, Erbin zu Twickel und Lage (im
Bentheimschen), mit Jacob Freiherrn van Waffenaer-Obdam ging Twickel
in den Besitz der Familie van Waffenaer uber, deren Erben vermutlich
die gegenwartigen Besitzer, die Barone van Heeckeren van Wasfenaer,
sind. Eine andere Ururenkelin Goesen van Raesfelds, Magdalena Sophia
v. Raesfeld, Erbin zu Schulenburg, heiratete Georg Heinrich v. Munster
zu Surenburg, Drosten zu Iburg (1692), und ist die Stammmutter des 1902
gestorbenen Besitzers der Herrlichkeit Dornum in Ostfriesland, des deutschen
Botschaftera in London und Paris, Georg Herbert Ftirsten Munster von
Derneburg. — Die Spur einer Verwandtschaft Goesen v. Raesfelds
mit Johann v. Beckum (8. o. S. 400) findet sich bei Fahne nicht.]
l) wie anderaeits die Rabusschen Lieder ihrem Publikum den
Namen des Herrn v. IJsselstein vorenthalten.
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— 515 —
in den letztern tiberlieferten Gedichte den Eindruck eines zu
einem kurzen sangbaren Liede zusammengedichteten Auszuges
sowohl aus dem niederlandischen Urbilde der Lieder bei Rabus
wie aus dem Offer des Heeren zuriick. 1st diese Auffassung
richtig, so mtisste die verlorene niederl&ndische Quelle u.a.
das persSnliche Eingreifen des Statthalters v. Usselstein, dessen
Stelle im Offer des Heeren der Prior Grouwel einnimmt, mit
allgemeinen Fragen beim ersten Verhor in Deventer, sowie
die Jugend der Maria v. Beckum hervorgehoben haben, ihr
miissten die Ausdriicke „Tyranna (fiir den kaiserlichenKommissar)
und „der Papen Sacrament", die Zitierung von Marcus 16, die
Motivierung der ablehnenden Antwort Ursulas auf den Rat, um
Begnadigung zum Schwerte zu bitten, mit schwesterlicher Liebe,
vor allem aber die Erzahlung von dem W under eigenttimlich
gewesen sein.
Auffallend erscheint es, vorausgesetzt, dass Biestkens wirk-
lich das Offer des Heeren gedruckt hat, wie die V eel der -
hande Liedekens und das Offer des Heeren mit 2 so ver-
schiedenen Liedern auf die Jungfrauen von Beckum durch einen
und denselben Buchdrucker und wohl auch Verleger, Nicolaes
Biestkens in Emden, zur selben Zeit (1562 und 1563, s. u.
S. 516 f.) in die Oeffentlichkeit gebracht werden konnten.
S. 403 Nr. 2. Rabus fiigt bei dem zweiten „Liedea (Nun
lasst vns frOlich heben an Vnd Gott zu lobe singen) hinzu:
„Im thon wie man das Lied singt Von den zweien Martyrern
von Briissel, Ein newes Lied wir heben an". Es ist Luthers
Lied auf die 1523 in Brtissel verbrannten ersten Blutzeugen
der Reformation, die Augustinermonche Johann v. Essen und
Heinrich Voes.
S 403 Anm. 2. David J oris' Geestelyck Liedt-Boecxken
(mit M&rtyrerliedern von ihm selbst und von seinen Freunden
aus d J. 1529 — 1536), die erste niederlandische Sammlung von
Liedern, die den Tod der Bekenner der neuen Lehre be-
sangen *), ist nur in einem spateren Drucke erhalten, den Wieder
S. 165 um das Jahr 1592 ansetzt.
l) Wolkan S. 68.
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— 510 —
Die Herkunft der ersten Ausgabe des Offer des Heeren
und des Liedtboecxken 1562/63 aus der Biestkensschen
Druckerei in Em den1), in der 1560 die erste und beliebteste
l) Ueber Emden als Wohnort von Biestkens s. besonders Le Long,
Boek-Zaal der Nederduitsche Bijbels, Amst. 1733, S. 668, und darnacb
Moes, De Amsterdamsche boekdrukkers, II S. 3; er ftthrte (freilich erst
seit 1582), wie der Buchdrucker Steven Mierdman von Antwerpen in
Emden, der vor seiner Ruckkehr nach Antwerpen — spatestens 1561 —
seine Druckerei vielleicht an Biestkens verkaufte (van Druten, Geschiedenis
der Nederlandsche Bijbelvertaling, Rotterdam 1901, S. 544), als Titel-
Vignette das Symbol des Kircbensiegels der 1554 entstandeneD
franzOsisch-reformierten Gemeinde in Emden, zu deren ersten Mitgliedern
der 1554 mit J. aLasco, Utenhove, Micronius, Gottfried van Wingene u. a. toe
London nacb Emden gefluchtete Steven Mierdman vielleicht gehdrte:
eine von Dornen umschlungene Lilie mit der Umschrift aus HoheL 2, 2:
Ghelijck een lelie onder de doornen, so is mijn vriendinne onder de
dochteren, Cant. 2, 2 (de Vries, Ostfr. Monatsbl. 1878, S. 493). Er stammte
aus Diest, flstl. von Mecheln; im Emder Burgerbuche, das indessen nach-
weislicb ungenau gefilhrt wurde, aber doch Drucker wie Mierdman
[25. April 1554 (Moes S. 3 unrichtig 26. April 1566)), Jan GhejUiaert
(9. Jan. 1555) und Gellius van der Erven (Ctematius) von Gent (16. Jaa
1555) verzeicnnet, findet sich sein Name nicht. Doch auch ohne Burgerrecht
kdnnte er in Emden, dem receptaculum omnium sectarum, wie es KOnig
Philipps II. Geheimrat, Joachim Hopper, 1568 in einem Briefe an Viglius
nannte, gelebt haben. Den Ort seiner Emder Drucke verechwieg er wohl
wegen der Unterdruckung, der in der reformierten Stadt unter der
verbundeten Obrigkeit und Geistlichkeit die Mennoniten ausgesetzt
waren (vgl. Le Long S. 682). Wie angstlich diese in Emden gerade
zur Zeit des Offer des Heeren (1562) ihre Druckertatigkeit verbergen
mus8ten, zeigen am besten die Protokolle des Emder Kirchenrats.
am 12. Oktober 1562 war Wyllum Galiart (aus Brugge, ein Sohn,
jedenfalls ein Verwandter des Jan Gheylliaert; in Emden nacbweisbar
seit Anfang 1556, wo er sich mit der Tochter von Lieven Bouwens
aus Gent vermahlte) vorgeladen worden, um Rede daruber zu stehen.
weshalb er sich von dem GehOre des gSttlichen Wortes und dem Ge-
brauche der Sakramente fernhalte: wock ys he gefraget, ofte he myth
M e n n o n i s lere (fecte ?) ock tho holt; heft antwordt: neen; ys hem wedder
tho gesecht, dat de fprake van hem gheyt, dat he Mennonis bock
gedrukket heft; dat he 'gelogent und hem nycht (als he sick dunkec
leth) ouer betwgen vnd bewysen kaen" [es handelt sich hier wabrscheinlich
um den dritten Druck des zuerst 1539 erschienenen Fond amen t bo eks
von Menno Simons, der nach giitiger Auskunft von Herrn Prot.
Cramer in Amsterdam i. J. 1562 ohne Namen des Ortes und des Druckers
mit den Schlussworten : ,ghedruckt ende voleyndt den XIX. augnsti
MDLXII (also kaum 8 Wochen vor W. Galiart's VerhSr am 12. Oktober)
erschien; in einem seit Kurzem unsrer Gesellschaft gehorigen Exemplare
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— 517 -
Ausgabe der niederl&ndischen Mennoniten-Bibel, die sog.
Biestkens- Bibel1), und die ebenfalls mennonitischen „Veelder-
hande Liedekens" mit ihrer Fortsetzung (s. u.) erschienen,
wird von den Herausgebern der Bibliotheca Belgica in der Biblio-
graphie des martyrologes protestants n6erlandais, die im
II Teile der Sonderausgabe (Haag 1889) eine vollstandige
Bibliographic des Offer des Heeren gibt, zweifelhaft gelassen,
von Moes, De Amsterdamsche boekdrukkers II (Amst. 1903),
S. 9 dagegen auf Grand eines Vergleiches der Biestkensschen
gewohnlichen und Zier-Lettern als sicher erachtet. Das einzige
bekannte Exemplar besitzt die Bibliotbek der Taufgesinnten
zu Amsterdam.2) Wahrend Moes den zweiten bis jetzt bekannten,
von Fredericq entdeckten Druck von 1566 (in der Universitats-
bibliothek zu Gent) nicht unter den Biestkensschen Erzeugnissen
auffiihrt, werden die folgenden von 1567, 1570 (von Cramer
seiner Ausgabe zu Grande gelegt), sowie einer von 1578 der
Druckerei von Biestkens, der aber sp&testens 1578 Emden wieder
des Neuen Testaments, das der 1564 in Kdln wohnende Mennonit Mattheus
Jacobszoon 1554 druckte (Le Long S. 681 f.), steht am Ende des Registers:
.Ghedruct tot Emden bi mi Willem Ghelliaert; ebenso druckte W. Galiart
1564 und wahrsheinlich auch 1563 fur die Mennoniten ein Neues Testament
„na de copye van Biestkens*, vgl. van Druten Geschiedenis der Neder-
land8che Bijbelvertaling S. 536]. — 1578 druckte Nic. Biestkens in
Hoorn, wo er aber schon vorher gewirkt haben wird und wo noch in
der Mitte des XVII. Jahrhunderts der Buchhandler Jan Deutel seinen
Laden „in Bieskens Testament* nannte. Am 7. Mai 1579 liess er sich in
die Amsterdamer Poorterregister als „Nicolaes Biestkens van Hoorn
boeckverkooper* einschreiben (Moes S. 19). 1581 oder 1582 muss er
oder wenigstens seine Frau nochmals in Emden geweilt haben, da sein
sweiter Sohn Abraham in Amsterdam („boekverkooper in de St. Anna-
dwarsstraat"), als er sich am 20. Jan. 1628 mit Agneta Petiteau verlobte,
46 Jahre alt und in Emden geboren zu sein erklarte (Moes S. 20). 1585
starb Nic. Biestkens, ohneGuter zu hinterlassen, in Amsterdam und wurde
am 26. Marz in der Oude Kerk begraben (Moes S. 25).
*) die crate niederlandische Bibel mit Vers-Einteilung, die in einzelnen
taufgesinnten Gemeinden noch 1837 gem gebraucht wurde (Moes, De
Amsterdamsche boekdrukkers, n S. 4).
•) Die meisten Exemplare werden der spanischen Inquisition zum
Opfer gefallen sein. ,Het Offer der Heeren" stand wie Biestkens Neues
Testament von 1562 auf Albas Index der verbotenen Bucher von 1570,
vgl. Sepp, Een drietal Indices librorum prohibitorum, Leiden 1889, S. 194
und 240.
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— 518 —
verlassen haben muss, wieder zuerkannt; einen andeni, von
dem ersten verschiedenen Druck aus demselben Jahre (Nach-
drack eines Konkurrenten?) schreibt de Vries im Ostfr. Monats-
blatt 1878 S. 498 unter Zustimraung der Bibliotheca Belgica
dem Emder Buchdrucker GoosenGoebens zu, dem Cramer
ihn S. 13 abspricht, da G. G. 1579 im Auftrage des reformierten
Grafen Johann v. Ostfriesland das „ Protocol des Gespreks met
den Wederdoperena gedruckt habe und nicht wohl zugleich fur
die Mennoniten gearbeitet haben kdnne. Die Einreihung dieses
„ Offer des Heeren" v. J. 1578 unter die Emder Drucke erweist
sich aber doch wohl durch die Vignette — ein Engel hinter
einem Altare, unter dem Menschengebeine liegen, von dem er
ein Tuch aufhebt, mit der Umschrift: „0 Heere hoe langbe
en wreket ghij onse bloet niet ouer de gheene die opter aerden
wonen Apocalip" und der Unterschrift: „Apocalypf. 6 Vsquequo
Domine" etc. — , die auch ein sicher Emdischer Druck : Schelteo
a Jeveren, Brevis ex verbo dei tractatus his difficillimis tem-
poribus accommodatissimus de totius mundi rerumque omnium
confummatione ac celeri Domini noftri Jesu Christi ad Judicium
ultimum adventu, Emdae 1575 1), tragt, als berechtigt (de Vries,
Ostfr. Monatsbl. 1878, S. 498); dieselbe Vignette findet sich auch
auf der 1565 ohne Angabe des Orts und des Druckers er-
schienenen zweiten Ausgabe von Adriaen v. Haemstedes Martyrer
buch (Cramer S. 12).
S. 404 Nr. 4. Das Lied „Ich heb droefheyt vernomen* besteht
nicht aus 9, sondern aus 9l/2 achtzeiligen oder vielmehr 19
vierzeiligen Strophen.
S. 404 Anm. 1. In der Wiedergabe des Titels der 1558 in
Emden erschienenen „Veelderhande gheestelyke Liede-
kenstf muss nach freundlicher Mitteilung des Prof . Dr. Cramer in
Amsterdam das Wort „G ere form." fehlen. Der Drucker dieser
Sammlung v. J. 1558 war Gillis van der Erven (Gellius
Ctematius) in Emden; sie ist eine ver&nderte Neuausgabe der
1556 in K61n bei Magnus vanden Merberghe von Osterhout
erschienenen, sakramentistischen, mit taufgesinnten Bestand-
l) in der Bibliothek der Grossen Kirche zu Emden.
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-:5i9 -
teilen versetzten Sammlung gleichen Namens unter Ausstossung
verschiedener Taufgesinnten - Lieder, vgl. Dr. F. C. Wieder,
De Schriftuurlijke Liedekens, S. 139. In der Titelangabe des
dritten Druckes der „ Veelderhande Gheestelyke Gereform.
Liedekens" von 1580 ist „ Gereform." ein Zusatz des Is. Le Long-
schen Bibliotheks-Kataloges v. J. 1744 (Wieder S. 160). Der
zweite Druck v. J. 1563, ebenfalls von Gellius Ctematius in
Emden, betont in der Vorrede ausdrticklich den Gegensatz zu
den Taufgesinnten (Wieder S. 151). Die taufgesinnten
Veelderhande Liedekens von 1569 sind, wie die von
1566 und zwei aus der Vorrede des ebenfalls bei Nicolaus
Biestkens in Emden 1562 herausgekommenen » E e n nieuLieden-
boecka (eines zweiten Teiles der „ Veelderhande Liedekens", in
der Ausgabe von 1583 „Het tweede Liedeboeck" genannt)
erschlossene Drucke von 1560 und 1562, in der Tat sehr wahr-
scheinlich in Emden, bei N. Biestkens, gedruckt worden, vgl.
Wieder S. 145—157. Auch ihre Vorganger waren die oben-
genannten KSlner Veelderhande Liedekens v. J. 1656 und eine
gleichnamige Sammlung, deren Ort und Drucker unbekannt ist,
wahrscheinlich v. J. 1559 (Wieder S. 135 und 142 f.). Schon
in dieser von 1559 kommt das Lied Nr. 4 : „Ick heb droefheyt
vernomen" vor (Cramer S. 509). Auf die der Aufkl&rung
bediirftige Erscheinung, dass Biestkens die Veelderhande
Liedekens sowohl wie das Liedtboecxken des Offer des Heeren,
jedes mit einem andern Liede auf Maria und Ursula von
Beckum, zur gleichen Zeit, druckte, ist oben S. 615 hingewiesen
worden.
S. 405 Nr. 7- Das siebente Lied auf Maria und Ursula v.
Beckum ist ein im Overijsselsche Almanak voor Oudheid en
Letteren fiir 1837 (Deventer 1836) S. 192—196 veroffentlichtes
modernes Gedicht von Mr. B. W. A. E. Sloet tot Oldhuis,
der den Inhalt der Darstellung von T. v. Braght in gemiitvoller
Weise poetisch bearbeitet hat. Die erste Strophe lautet:
Het licht van de Evangelieleer
Gaf, als in Galilea's dreven,
Op nieuw zijn zuivre stralen weer,
Niet meer door duisternis omgeven.
Hoe nam het heel uw harten in,
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MAMA, URSEL, Gij, die beiden,
Noch in geloof noch dood te scheiden,
Den Bijbel laast met vromen zin.
Ueber den Ort, von dem die Familie von Beckum ihren
Namen ftthrte, fttgt Sloet S. 196 hinzu: „Wie soms het landelijke
gehucht Beckum, eene buurschap onder de Gemeente Hengelo,
mogt bezoeken, kan op het boerenerf Altona, hetwelk daar
ligt, omgeven van hoog eikengeboomte, de plek weder vinden,
waar een maal het adellijke Kasteel van Beckum heeft gestaen.s
F. Ritter.
XX.
Zur Geschichte der Emder Josep-Handschrift
F. Ritter hat im Jahrbuch XIV 512—520 die tiberraschende
Entdeckung mitgeteilt, dass die fiir die mittelniederdeutsche
Litteratur wichtigsten Handschriften unserer Gesellschaft zu
einer engeren Gruppe zusammengehOren, im Laufe der letzten
Jahrhunderte die gleichen Schicksale durchgemacht haben und
im letzten Grande auf das lttneburgische Nonnenkloster Ebstorf
als ihren Ursprungsort zurttckweisen. W&hrend wir bisher von der
<eren Geschichte der Handschriften unserer Sammlung leider so
gut wie gar nichts wussten, werfen RittersNachweise pl5tzlich ein
starkes Schlaglicht gerade auf ein paar der wertvollsten Stilcke
unserer Sammlung. Alle hier in Frage kommenden Handschriften
lassen sich zunachst zurtickverfolgen bis in die Bibliothek des
letzten Herrn v. d. Appelle auf Gross-Midlum, der im Mai 1792
gestorben ist (Ritter S. 513). Die v. d. Appelles sind aber erst
i. J. 1660 nach Ostfriesland gekommen, es ist eine alte Lune-
burger Adelsfamilie, die aus Masendorf bei Uelzen stammt und
Jahrhunderte lang die engsten Beziehungen zum Kloster Ebstorf
unterhalten hat. Diese geschickte Kombination der Nachrichten
des von Ritter wiederaufgefundenen alten Katalogs der Appelle-
schen Handschriften mit den engen gleichzeitigen Beziehungen
der Familie zu Ostfriesland und dem Nonnenkloster Ebstorf
wird nun weiterhin gesttitzt durch Angaben, Eintragungen
oder sonstige Kennzeichen, die sich in den Handschriften selber
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— 521 —
finden. Zwar ist in keinem dieser Stiicke der Name Ebstorf
ausdriicklich genannt, oder ein einfacher klarer Besitzvermerk
des Klosters eingetragen; wir mfissen vielmehr auf indirektem
Wege, durch immer engere Schlussfolgerungen, zum Ziele zu
gelangen suchen.
Auf ein Nonnenkloster des nieders&chsischen Gebiets
ganz im Allgemeinen weist unzweideutig, nach Inhalt und
Sprachformen, die Ermahnung einer aiteren Nonne an ihre
jungen Mitschwestern (Ritter S. 516, abgedruckt im Niederd.
Jahrb. XI 167 f.). Seiner ganzen Art nach passt das kleine
Stiick recht gut in den Ton hinein, der im Kloster Ebstorf
gegen Ende des 15. Jahrhunderts nach der Durchfuhrung der
Klosterreform unter Propst Matthias v. d. Knesebeck und der
gestrengen Domina Mette v. Niendorf herrschte. Mehrere
l&ngere Stiicke der Ebstorfer Handschriften geben uns weitere
Illustrationen dazu.
Nr. 76 der Emder Handschriften (Lat. Grammatik u. eine
niederdeutsche, Wort fiir Wort dem lateinischen Texte folgende,
Interpretation lat. Hymnen) tragt auf beiden Titelblattern von
der Hand H. 6. v. d. Appelles die ausdriickliche Bemerkung,
dass die Handschrift fiir ein Nonnenkloster des nieders&chsischen
Gebiets geschrieben worden sei. Dass v. d. Appelle hier nicht
direkt den Namen des Klosters nennt, l&sst uns darauf
schliessen, dass er Grand zu diesem Stillschweigen zu haben
glaubte, mit anderen Worten die Handschrift nicht auf ganz
einwandsfreie Weise erworben hatte. Uebrigens deckt sich
der Inhalt von Nr. 76 noch genauer, als Ritter nach meinen
kurzen Angaben in meinem Ebstorfer Reiseberichte wissen
konnte, mit dem der Ebstorfer Manuskripte Nr. V 2 u. V 3:
diese beiden Manuskripte enthalten, ausser den lat.-nd. Hymnen-
versionen, auch eine und dieselbe lateinische Grammatik, die
eigens fiir den lateinischen Unterricht in einem Frauenkloster
[also doch wohl fiir Ebstorf) kompiliert worden ist. Sie be-
ginnt namlich mit den Worten : Vestre peticioni, venerabilis et
Itarissima domina, annuere cupiens, fasciculum non mirre
sed mire utilitatis ex fundamentalioribus punctis et regulis
irtis grammatice in unum colligere conatus sum, quo dilectas
iliolas vestrasetateadhucteneras tanquamlacte doctrine educare
jossitis etc. Am Schlusse nennt der Verfasser sein Werk:
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— 522 —
Fasciculus gramatice ex Remigio, Donato, tribus partitas
Alexandri, Florista et Prisciano in unum breviter honore dei
collectus. *)
Nr. 76 der Emder Sammlung ist also in seiner ganzen
Anlage mit den Ebstorfer Handschriften V 2.3 sehr nahe
verwandt, aber eine Stussere Best&tigung der Herkunft feblt
fiir die Emder Handschrift.
Enger wird der Zirkel schon bei Nr. 64, einem lateinischen
Breviarium aus der Zeit um 1500. Wie Ritter S. 517 Anm. 1
gesehen hat, tragt diese Handschrift in der Press ung ihres
Lederbandes den Namen „Elleversa. Im 16. Jahrhundert, als
die Handschrift eingebunden wurde, befand sie sich also im
Besitze der Ltineburger Patrizierfamilie Elvers; eben dahin
ftihrt der Name der Margrete Grunhagen auf einem der
Handschrift einliegenden Zettel. Ftir den weiteren BegrifF des
niedersachsischen Gebiets tritt hier also schon das Fiirstentum
Liineburg ein. Aber die Elvers hatten auch zu Kloster Lune
und Medingen ihre Beziehungen, und derartige Hiilfsbucher fur
den lateinischen Unterricht und Chorgesang, wie die eben
besprochene Handschriftengruppe, werden sich die Klosterfrauen
in Ltine und Medingen gewiss ebenso gut angeschafft haben
wie ihre Ebstorfer Schwestern, wenn uns auch nichts mehr
davon erhalten geblieben ist.
Nr. 63 endlich, die Handschrift des mnd. Josepgedichtes
und der tibrigen von Reifferscheid in diesem Bande so vor-
trefflich analysierten geistlichen Stiicke, entbehrt scheinbar
jedes ausserlichen Kennzeichens, das auf die Herkunft der
Handschrift ein Licht wiirfe. So darf es nicht Wunder nehmen,
wenn sich Reifferscheid S. 271 noch vorsichtig ablehnend gegen
Ritters Hypothese der Ebstorfer Herkunft des Codex verh<
ihm gentigen wahrscheinlich die &usseren Zeugnisse dafur
noch nicht.
Nun habe ich im August und September 1904 die Bibliothek
des Klosters Ebstorf an Ort und Stelle noch einmal grilndlich
durchgearbeitet und vor allem auf die in den Ebstorfer Hand-
schriften starker hervortretenden Schreiber und auf die Wasser-
*) Au8serdem erh< V 3 noch einen lat. Donat, und V 2 eine andere
lat. Grammatik, die wie ein paraphrasierter Donat anhebt. Uebrigens
ist Mscr. V 3 mindestens eben so alt wie V 2, wenn nicht alter.
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— 523 -
zeichen geachtet. Auf Grund dieser Untersuchungen kann ich
jetzt fflr zwei der Emder Manuskripte mit aller Bestimmtheit
nachweisen, dass sie sich zu Anfang des 16. Jahrhunderts in
der Bibliothek des Klosters Ebstorf befunden haben. Ich will
die Uebereinstimmung des Wasserzeichens der Emder Hand-
schrift Nr. 76 (ausgestreckte Hand mit breiter Manschette, an
der Spitze des Mittelfingers eine kurzgestielte Bltite) mit
Ebstorf Mskr. IV 5 (lat.-niederd. Gebetbuch) nicht pressen,
denn dieses Wasserzeichen kommt auch sonst in gleichzeitigen
Handschriften nicht selten vor#
Aber in Nr. 64 hat, ganz gegen Ende, eine Hand ein Sttick
von etwa einer Seite nachgetragen, die ich mit Bestimmtheit
als eine Ebstorfer Hand wiedererkenne. Es ist dieselbe etwas
spitzige und leicht verschnorkelnde Hand, die in den beiden
grossen B&nden der Ebstorfer niederdeutschen Homiliensamm-
lung (Mskr. VI 5 und 6) einige Nachtr&ge hinzugefugt und die
Fortsetzung dieser Sammlung in Mskr. VI 19 ganz allein ge-
schrieben hat. Da die datierten Homilien von Mskr. VI 5 und 6
die Zeit von 1497 — 1516 umfassen, wird die Schreiberin von
VI 19 am besten etwa um 1515 anzusetzen sein; den Ziigen
nach ist ihre Schrift der Haupthand von VI 5 und 6 gleich-
zeitig, nicht jtinger. Die Emder Handschrift Nr. 64 befand sich
also um 1515 im Kloster Ebstorf.
Noch grSsser ist nun die Sicherheit fur die gleiche Be-
hauptung bei der Josephandschrift selbst. Es ist bisher alien
Benutzern der Handschrift entgangen, dass sie auf der Vorder-
seite des letzten, unbeschriebenen Blattes eine allerdings recht
unleserliche und ziemlich versteckte Notiz in Schriftziigen des
beginnenden 16. Jahrhunderts verbirgt. Es steht da*):
Mater EvS habet cum licencia venerabilis
dompna MJ
*) Da die Druckerei des Jahrbuchs die Abkurzungen der Hand-
schrift leider nicht vollig wiederzugeben vermag, habe ich alles aufgelost
und die erganzten Buchstaben durch Cursive kenntlich gemacht. Ich
bemerke dazu, dass in der Hs. das m in cum und das n in licencia
durch einen wagerechten Strich uber dem vorhergehenden Vokal aus-
gedruckt sind ; in dompna sind gar m und n durch einen einzigen breiten
Strich uber den drei letzten Buchstaben bezeichnet. Das Wort venerabilis
endlich ist in der Hs. nur durch ein v mit tibergesetztem a (in der al-
teren, oben offenen Form) und ein lb (das graphisch fur bb steht) gegeben.
J&hibuch der Gwellsch. f. b. K. u. vaterl. Aitertumer zu Emden, Bd. XY . 34
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— 524 —
zu deutsch: Die Mater E. v. S. hat (diese Handschrift) mit
der Erlaubnis der ehrwiirdigen Domina M. J. (im Besitz.
oder zum Gebrauch aus der Bibliothek des Klosters ent-
liehen).*) Der ganze Tenor dieser kurzen Bemerkung weist
uns mit Notwendigkeit auf ein Nonnenkloster hin. „Matera ist
in Ebstorf und den benachbarten Klostern der standige Titel
der Beamtinnen des Klosters gegemiber den einfachen „Sororesa.
Dilecte (oder Karissime) matres et sorores, beginntjede einzelne
Homilie der Ebstorfer grossen Sammlung. Consensu omnium
matrum et sororum wird, wie die Klosterchronik in Mskr. V 2
sagt, eine neue Priorin berufen. Sonst wird auch wohl, ganz
wie in der Notiz der Josephandschrift, die Domina den Matres
gegeniibergestellt, vergl. z. B. Mskr. VI 11, Blatt 81 R: Venerabilis
Domina et matres sacrista et fenestraria. Die Domina ohne
weiteren Zusatz ist natiirlich stets die regierende Dame des
Klosters, also in Ebstorf damals noch die Priorissa, wahrend
in Medingen schon eine Aebtissin herrschte. Nun war in Ebstorf
von 1511 — 1518 regierende Priorisse Mette von Ingersleben, und
ihr Name erscheint genau in derselben Abkurzung und mit der
gleichen Titulatur wie in der Emder Handschrift zu verschiedenen
Malen in den Datierungsvermerken der Ebstorfer Homilien aus
den Jahren 1511—1516. Vergl. z. B. Mskr. VI 6, Bl. 146 k:
Anno domini etc. xvc xv° (= 1515) pWoratws venera&ilis dompne
MJ quarto, Bl. 158b: Anno domini etc. xvi° (= 1516)
preoratws venerabilis dompne MJ vj*> in vigilia christi; und so
ganz ebenso Bl. 90b. 100b. 109b. 120a. 128b. 137*, Mskr. VI 5
Bl. 109a. 128b. 164*>. 232b. 238a. 243\ 247b. Die „ venerabilis
dompna M. J.tf der Josephandschrift wird also ohne Zweifel die
Ebstorfer Priorin Mette von Ingersleben sein; den vollen Namen
der Mater E. v. S. vermag ich dagegen aus den karglichen Be-
st&nden der Ebstorfer Klosterbibliothek nicht nachzuweisen, da
wird jedenfalls eine Durcharbeitung des Ebstorfer Archivs, das
mir bisher noch nicht gentigend zuganglich war, weiterhelfen.
Wir wissen jetzt also soviel: in der Zeit zwischen 1511
bis 1518 befand sich die Emder Josephandschrift (doch wohl
schon in der heutigen Gestalt, mit dem Arnt Buschman zu-
*) Die unrichtige Form dompna statt des Genetivs dompne wirft
kein gunstiges Licht auf die lateinischen Kenntnisse der guten Mater.
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— 525 —
sammengebunden) im Kloster Efistorf, entweder im Privat-
besitz einer Conventualin, oder, was mir viel wahrscheinlicher
vorkommt, in der Bibliothek des Klosters, aus der sie die Mater
E. v. S. entliehen hatte.
Ob nun aber die Handschrift des Josepgedichtes auch in
Ebstorf geschrieben worden ist, das steht auf einem ganz
anderen Brette, der Beweis dafur muss erst erbracht werden. Mir
gentigt es hier, erwiesen zu haben, dass die Handschrift am
Anfange des 16. Jahrhunderts ihren festen Aufenthaltsort im
Kloster Ebstorf hatte. Natiirlich sind nicht alle Handschriften
der Ebstorfer Klosterbibliothek in Ebstorf selbst geschrieben
worden, wenn auch die uns erhaltenen zum allergrossten Teile
der gegen den Ausgang des 15. Jahrhunderts einsetzenden regen
Schreibtatigkeit im Kloster ihren Ursprung verdanken werden.
Fremder Herkunft ist aber z. B. das grosse lateinisch-nieder-
deutsche Vocabular in Folio, Mskr. V 1. Dieser sauber und
schon ausgefiihrte Band ist im Jahre 1471 von einem gewissen
Fridericus Emde in Celle geschrieben worden, als Miniator
nennt sich mehrfach ein Ernestus de Hademstorpe. Nach
Ebstorf gelangte diese Handschrift erst durch eine Schenkung
des um das Kloster hochverdienten Propstes Matthias v. d.
Knesebeck, der von 1466 bis in die 90 er Jahre die Ebstorfer
Praepositur inne hatte. Und gerade dies Mskr. V 1 hat unter
seinen 3 Wasserzeichen eines, das dem durch die ganze
Josephandschrift (incl. Buschman) hindurchgehenden Wasser-
zeichen sehr ahnlich ist. Aber der Ochsenkopf ist eine zeitlich
und raumlich so weit verbreitete Papiermarke und deshalb so
wenig charakteristisch, dass selbst die n&here Uebereinstimmung
der beiden Wasserzeichen in der Form des Kopfes und der
aufgesetzten Kreuzelstange noch nicht fiir einen naheren
Zusammenhang der beiden Handschriften herangezogen
werden darf.
Gottingen, den 24. Mai 1905.
Conrad Borchling.
34*
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— 526 —
*XXI.
Berichtigung zu S. 312, Z. 10. v. u.
Die hier erwahnte Untersuchung wegen Nachlassigkeit im
Schulamte gait, wie sich nachtraglich herausgestellt hat, nicht
dem Konrektor Jani, wie die Bezeichnung des beziiglichen
Aktenheftes des hiesigen Archivs (277) angibt, sondern viel-
raehr dem Kantor Jani (— 1727).
Aurich, April 1905. Dr. H. v. Kleist.
Naohriohten iiber die Gesellsohaft vom 1. Mai 1902
bis zum 1 Mai 1905.
In der ausseren Entwicklung unserer Gesellschaft seit dem
letzten Berichte vom J. 1902 ist das wichtigste Ereignis der
Ankauf unseres Nachbarhauses. Das Bedtirfnis einer Erweiterung
unserer Raume war seit dem Bau der Gemaldegalerie i. J. 1887
durch das Anwachsen unserer Sammlungen schon lange fiihlbar
geworden. Aber auch ohne diesen Grund hatten wir trotz der
dringenden Notwendigkeit, alle Ausgaben auf das Aeusserste
zu beschranken, vor diesem Schritte nicht zuriickschrecken
dtirfen, da wir nur die Wahl hatten, den Kauf zu wagen oder,
solange sich der Gedanke eines alle Emder Sammlungen
umfassenden grossen Museums als unausfiihrbar erweist, fur
alle Zukunft auf jede raumliche Ausdehnung zu verzichten:
weder zur Seite im Westen noch hinter unserem Grundstticke
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— 527 —
im Norden kann in absehbarer Zeit auf eine Ver&usserung der
benachbarten H&user gerechnet werden, und keins von diesen
ware ausserdem durch seine Lage und jetzige Beschaffenheit
zur Erg&nzung unseres bisherigen Besitzes auch nur einiger-
massen geeignet gewesen. Als daher i. J. 1903 die reformierte
Gemeinde mit dem Umzuge in ihr neues Schulgebaude an der
Schoonhovenstrasse ihre im Osten an unsere Sammlungen
stossende Madchenschule mit Garten und Lehrerwohnung
aufzugeben beschloss, glaubten wir nicht zogern zu diirfen und
erstanden am 29. Oktober 1903 in Gffentlicher Versteigerung
fiir 15 800 Mk. den etwa 390 □ Meter grossen Komplex, der sich in
seiner Tiefo vortrefflich an unser frtiheres Besitztum anschliesst,
sodass unser ganzes Grundstuck nunmehr ein wohlabgerundetes
Areal von 1200[JMetern umfasst. Der bisherige Bewohner ist vor-
laufig als Mieter geblieben; wir hoffen aber, dass nach einem
notwendigen Umbau in nicht zu ferner Zeit ein Teil unserer
im hftchsten Grade gedrangt untergebrachten Sammlungen in
tibersichtlicher Aufstellung das neue Heim einnehmen werde.
Im Vorstande ist ein Personenwechsel eingetreten, indem
unser langjahriger Schatzmeister, Herr P. van Rensen, wegen
Ueberhaufung mit anderer Arbeit von seinem Amte, das
er seit 30 Jahren verwaltete, auf seinen Wunsch entbunden
und an seiner Stelle in der Generalversammlung vom 25. Okt.
1904 Herr Sen. a. D. A. F. Brons gewahlt wurde. Der Vorstand
setzt sich demnach, da die statutenmassig ausscheidenden Mit-
glieder Gittermann, Medenwald, Dreesmann Penning, Richard,
Ritter infolge Wiederwahl auf ihrem Posten blieben, aus
folgenden Herren zusammen:
Medizinalrat Dr. Tergast (Vorsitzender und Konservator
der Munzen),
Prof. Dr. Ritter (Stellvertreter des Vorsitzenden und
Konservator der Altertttmer),
Bankvorsteher L. Gittermann (Schriftftihrer),
Sen. a. D. A. F. Brons (Schatzmeister),
Apothekenbesitzer Herrmann (Gemalde und Altertumer),
Sen. a. D. Dreesmann Penning (Hausangelegenheiten),
Pastor Medenwald (Bibliothekar),
Amtsgerichtsrat Richard.
Als Mitglieder wurden in unsere Gesellschaft auf-
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- 528 —
genommen: Kaufmann Johannes Bertram, Rendant J. Diedrichs.
Dr. med. Geelvink, Dr. Johannes Kleinpaul, Redakteur der
Ostfriesischen Zeitung, Oberlehrer Liiddecke, in Emden, Post-
direktor Efslinger in Leer (30/5. 05), Dr. jur. Fieker und Buch-
h&ndler D. Frieraann in Aurich, Kaufmann Rud. C. Gitter-
mann in Odessa, Rechtsanwalt Groeneveld in Weener, Assessor
Loesing in Goslar, Regierungspr&sident Prinz von Ratibor-
Corvey, Durchlaucht, in Aurich, Landgerichtsprasident Reichens-
perger in Aurich, Oberlehrer Herm. van Rensen in Mettmann,
Pastor coll. Saathoff in Gottingen, Geh. Baurat a. D. Schelten-
Peterssen in Berum, Pastor Sluyter in Borkum, Biirgermeister
Vocke in Eschwege ; ferner trat auf eine Anregung des Landrats
Dr. Budde der Ausschuss des Kreises Wittmund bei.
Dagegen haben wir auch in dem verflossenen Zeitraume
eine grOssere Anzahl von Mitgliedern, die uns der Tod entriss,
zu betrauern. Dem Andenken zweier in weiten Kreisen bekannter
Malnner, des Geh. Archivrats Dr. Ernst Friedlaender in Berlin,
gest. am 1. Januar 1903, und des Hofrats Dr. Onno Klopp in
Wien, gest. am 9. August 1903, wird das nachste Jahrbuch
eingehendere Erinnerungen widmen. — Am 15. November 1902
verschied zu Konigsberg i. Pr. unser korrespondierendes Mitglied
Dr. Heinrich Babucke, geb. den 6. Januar 1841, 1867
Lehrer am Gymnasium zu Marienwerder, 1872 zu Aurich, 1873
Rektor des Progymnasiums zu Norden, 1875 Direktor des
Fiirstlichen Gymnasiums zu Buckeburg, 1883 in Landsberg
a. d. W., seit 1885 Leiter des Altstadtischen Gymnasiums
seiner Geburtsstadt Konigsberg. Die kurze Zeit seines
Aufenthaltes in Ostfriesland war an schriftstellerischer
T&tigkeit die fruchtbarste seines Lebens. Mit welchem Eifer
er sich, nachdem ihn das Schicksal aus dem aussersten
Nordosten Deutschlands zu uns verschlagen hatte, gerade hier
einzuleben bemiiht war, zeigen seine im Xten Bande unseres
Jahrbuches (Heft 1 S. 146) aufgefiihrten Arbeiten fiber Pfahl-
bauten in Ostfriesland (1873), iiber das Register der Norder
Kirchengiiter v. J. 1553 (1873), Historische Volkslieder aus und
uber Ostfriesland (1873 und 1874), Josefs Gedicht von den
sieben Todsunden (1874), ein bis dahin vollig unbekanntes
Werk, das er, wahrscheinlich einem Hinweise des mit ihm
befreundeten, nun kurz nach ihm dahin geraflften Friedlaender
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— 529 —
folgend, unter unseren Handschriften entdeckte; liber die
Annektion von Ostfriesland durch Friedrich d. Gr. 1744 (1874),
tiber Wilhelm Gnapheus (1875), und endlich die Geschichte des
Koniglichen Progymnasiums in Norden (1877). Sie beweisen
eine erstaunliche Orientierungsfahigkeit und Arbeitskraft, legen
aber auch von einem Grundzage seines Wesens Zeugnis ab,
von dem Wohlwollen und der Liebe, mit der er an jeder neuen
Statte seines Wirkens in ihrer Geschichte und unter ihren
Menschen vertraut zu werden beflissen war; diese Liebe hat
Ostfriesland in besonderem Masse erfahren. Andere Arbeiten
von ihm betrafen die niederdeutsche Sprache und das romische
Altertum: Sprach- und Gaugrenzen zwischen Elbe und
Weser (im Jahrbuche des Vereins fur niederdeutsche Sprach-
forschung, Jahrgang 1881, vgl. Babuckes Konigsberger Programm
1886 und Jahrb. des Vereins f. niederdeutsche Sprach forschung
1889, ferner Jostes in demselben Jahrbuche 1885); „Spieghel
der zondena im Jahrb. d, V. f. niederd. Sprf. 1891 (ein Gedicht
ahnlichen Inhalts wie unser Josefs Gedicht von den sieben
Todstinden); seine Promotions-Arbeit handelte tiber Quintilian;
an seine Universitatsstudien kniipften ferner an: „Die Ent-
wicklung des romischen Heerwesensa, „ Geschichte des Kolos-
seums", „Reisebriefe ausltalien"; in Italien hatte er 1889 und
1900 Heilung von dem Leiden gesucht, das bald darauf sein friihes
Ende herbeifuhren sollte. — Im besten Mannesalter, erst 40 Jahre
alt, fiel am 13. Oktober 1903 einer ttickischen Krankheit zum
Opfer der Bildhauer Georg Kiisthardt in Hannover, in Emden
wohlbekannt durch seine Arbeiten zur Erhaltung der Abschluss-
wand des Enno-Denkmals in der Grossen Kirche, durch das
Standbild Kaiser Wilhelms L, die Biiste des Generalpostmeisters
Stephan und den von Freunden unseres Oberbtirgermeisters
gestifteten Brunnen an der Bonnesse, sowie durch die
Biiste Kaiser Wilhelms I. am Kaiser Wilhelm -Denkmal in
Norderney und die mit seinen Bnidern ausgefuhrte Wieder-
herstellung des Tabernakels in der Kirche zu Arle. Auch die
schftnen Gipsabgiisse der merkwiirdigen Spottfiguren aus der
Grossen Kirche in unserer Sammlung sind sein Werk. — Auf
ein langes Leben hat der am 17. Dezember 1904 in Norden
entschlafene Amtssekretar a. D. Focke Gerdes Rose zuriick-
blicken kSnnen. Unserer Gesellschaft gehorte er seit 1879 an,
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— 530 —
wo ihm und dem Kommerzienrate Jan ten Doornkaat Koolman,
dem Verfasser des WSrterbuches der ostfriesischen Sprache,
zum Danke ftir die von ihm auf Kosten des letzteren aus-
geftihrten Ausgrabungen, namentlich in den damaligen Aemtern
Norden und Esens, ftir die Ueberweisung s&mtlicher dabei zu
Tage gefftrderter Funde an uns und ftir die sorgf<igen schrift-
lichen Berichte dartiber von seiner Hand die Ehrenmitglied-
8chaft tibertragen wurde. Der stille, gewissenhafte Mam
besass in ungew6hnlichem Masse die Gabe, im voraus mit
blossem Blicke vorgeschichtliche Ver&nderungen der Boden-
bildung durch Menschenhand zu erkennen; in den sechziger
und siebenziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gait er weit
und breit als der beste Kenner der „Htinengrabera unserer
Landschaft. Geboren in Bargebur bei Norden am 21. April 1818,
bereitete er sich mehrere Jahre lang bei dem Pastor Stip in
Osteel auf das Studium der Theologie vor ; vierjahrige Krankheit
notigte ihn aber, seine Absicht aufzugeben und nach wieder-
erlangter Gesundheit zun&chst Beschaftigung beim Domanial-
amte in Berum zu suchen; 1856 kam er als hannoverscher
Amtsvogt nach Leer und wurde hier 1866, in Esens 1874
preussischer Amtssekretar, trat aber 1876 in den Ruhestand,
den er in Esens, Dornum, Varel und zuletzt in Norden verlebte. —
In Meiderich bei Ruhrort starb am 27. September 1903 unser
Mitglied, der Lehrer KarlDirksen, geboren zu Leer, als Sohn
des Senffabrikanten D., am 10. Febr. 1850, vor seiner rheinischen
Zeit Lehrer in Weener und Esens, bekannt durch zahlreiche
volkskundliche Arbeiten; 1889 und 1891 erschienen von ihm
in Ruhrort 2 Hefte: „Ostfriesische Sprichworter und sprich-
wortliche Redensarten mit Anmerkungena (das zweite erlebte
eine zweite Auflage); 1893 zu Konigsberg i. Pr. in zweiter
Auflage: „Meidericher Sprichworter"; 1894 in Bonn: „Volks-
kundliches aus Meiderich". Kleinere Beitrage lieferte er in dem
Korrespondenzblatte des Vereins ftir niederdeutsche Sprach-
forschung, in der Zeitschrift des Vereins ftir Volkskunde, deren
Herausgeber, der verst. Geh. Regierungsrat Dr. Weinhold in
Berlin, mit ihm einen lebhaften Briefwechsel pflegte, und in
der Zeitschr. des Vereins f. rheinische u. westfalische Volks-
kunde („Volksmedizin am Niederrhein"). Ftir unser Jahrbuch
(XII 1897) arbeitete Dirksen denAufsatz: wOstfriesische Rechts-
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— 531 —
sprichw5rtera. Wer etwa in den Jahren 1895—1902 einer der
Versammlungen des hansischen Geschichtsvereins und des
Vereins fiir niederdeutsche Sprachforschung beigewohnt hat,
erinnert sich gewiss des harmlosen, lebhaften Mannes, der
selten fehlte. Noch Pfingsten 1902, als die Versammlung in
Emden tagte, ergriff er, ohne zu ahnen, dass es das letzte Mai
sein sollte, die Gelegenheit, sein engeres Vaterland zu sehen.
und folgte auch der Aufforderung, Proben des ostfriesischen
Dialektes affentlich vorzutragen. Den Prospekt einer neuen
Ausgabe seiner „ Ostfriesischen Sprichworter", die dem Andenken
Karl Weinholds gewidmet werden sollte, hatte er bei der Er-
offnung der Versammlung ubergeben. — Ausser den oben
genannten Mitgliedern beklagen wir den OberfSrster a. D. E. W.
A. Lantzius-Beninga aus Stikelkamp, 1 870—1882 Land-
tagsabgeordneter fur den Kreis Leer, gest. 94 J. alt zu Aurich
am 29. November 1902, — den Rentmeister Dammeyer in
Petkum, einen in landwirtschaftlichen Kreisen hochgeschatzten
Mann, gest. 82 J. alt am 19. Juni 1904, Mitglied seit 1871, —
den Superintendenten Hesse in Larrelt, Sohn des Kirchenrats
Hesse in Emden und Enkel des reformierten Generalsuperinten-
denten fur Ostfriesland, Hinrich Hanssen Hesse, Mitglied seit
1874, der uns als Verwalter der Akten des reformierten Coetus
von Ostfriesland manche Freundlichkeit erwies, gest. am
7. Sept. 1904, — den bekannten Kunstfreund und ehemaligen Vor-
sitzenden des westdeutschen Fluss- und Kanal vereins, Franz
Merkens in Koln, einen der frilhsten und eifrigsten FOrderer einer
zielbewussten, grossen Kanalpolitik in Deutschland und treuen
Freund Emdens, der seiner Anhanglichkeit fiir unsere Stadt,
schon ehe die Verhandlungen fiber den Bau des Rhein-Ems-
Kanals zum Abschluss gediehen waren, durch das Geschenk
eines kunstvollen silbernen Spatens fiir den ersten Spatenstich *)
Ausdruck gab, gest., 82 Jahre alt, am 8. Januar 1905, — und den
Weinhandler E. H. Schwitzky, gest. im 69. Jahre am
2. Februar 1905, der in unseren Versammlungen als geborener
Auricher besser als irgend ein anderer fiir Sitte und Sprache
im 5stlichen Ostfriesland Auskunft zu geben"pflegte. Endlich
kSnnen wir nicht unterlassen, unseres treuen Kustos Cornelius
l) vgl. F&rbringer, Die Stadt Emden in Gegenwart und Vergangen-
heit, S. 53.
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— 532 —
van Jindelt zu gedenken, der Dienstag den 14. Oktober 1902
am Abend, 68 Jahre alt, aus dem Leben schied. Mit vorbild-
licher Gewissenhaftigkeit hatte er sich in die seinem fruheren
Lebensgange nach fiir ihn schwierige Stellung bei unserer Ge-
sellschaft eingearbeitet, und noch wenige Stunden vor dem
Tode weilten seine Gedanken bei den nicht weit von seinem
Sterbelager in gewohnter Weise versammelten Mitgliedem. In
seine Stelle wahlte die Generalversammlung vom 10. Marz 1903
den Zimmermeister Snitjer.
Die Zahl unserer Ehrenmitglieder betragt gegenwartig
4, der korrespondierenden Mitglieder 15, der Emder
Mitglieder, mit einem Beitrage von 18 Mark, 65, der aus-
wartigen Mitglieder, mit einem Beitrage von 6 Mark, 92; im
Schriftentausche stehen wir mit 87 Vereinen und Institutes
Unter den Gegenstanden, durch die unsere Sammlungen
bereichert wurden und von denen ein ausfuhrliches Verzeichnis
unten folgt, heben wir als kostbares Geschenk 2 nach dem Fuss-
ende zu sich verjtingende Steins&rge aus rotlichem (Bent-
heimer) Gestein hervor, die bisher, zu wirtschaftlichen
Zwecken benutzt, in Engerhafe auf dem Platze unseres
Mitgliedes, Herrn Dj. Ulferts in Upgant, wenig beachtet
dastanden. Die Verzierungen auf dem Deckel des einen
Sarges, Linienornamente, die einen Krummstab umgeben,
ohne alle Inschrift, erinnern an den bei Reimers im
Handbuche der Denkmalpflege (Hannover 1899) S. 139 ab-
gebildeten Grabstein aus der Kirche zu Pogum und an einen
andern auf dem Nesserlander Kirchhof, auf denen jedoch der
Krummstab fehlt. Wessen Gebeine die Engerhafer S&rge einst
bargen und ob diese etwa von ihrer urspriinglichen Statte
verschleppt worden sind, dartiber fehlt es an jedem Anhalte.1)
l) In der Chronik des Cistercienser-Klosters Aduard bei Qroningen
(herausg. v. Bnigmans in den Bijdragen en Mededeelingen van het
Hi8tori8ch Genootschap te Utrecht XXIII 1902) wird eines Steins arges
bei nur einem Abte, bei dem 1485 gestorbenen Heinrich von Rees, aus-
driicklich Erwahnung getan, des Hirtenstabes nur auf dem Grabsteine
des Abtes Rudolf Friese, gest. 1449: Rodolphus cognomento Vriese
de Groningen abbas . . a. 1449 . . obdormivit . . habens lapidem baculo
pastorali insignitum sepulchro suo superpositum (Brugmans & 66);
Henricus de Rees abbas., cujus corpus in sarcophago lapideo
positum domus capitularis medio requiescit in pace (S. 70).
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— 533 —
Ein Niederl&nder, dem wir vor Jahren eine unbedeutende
Gef&lligkeit erweisen konnten, Herr J. B. van IJsseldijk in
Amsterdam, gedachte unser in seinera letzten Willen; in seinem
Testamente vom 14. September 1897 vermachte er uns ausser
andern Papieren eine fur Emden sehr wertvolle Orginalhand-
schrift, die Geschichte der um 1550 aus 's-Hertogenbosch nach
Emden gefliichteten Familie van den Bosch, ursprtinglich van
Ossche genannt, von 1543—1672, i. J. 1649 angelegt von dem
Emder Maler Arent van den Bosch (1618 — 1672), wahrscheinlich
einem Schiiler und Verwandten Martin Fabers. Es ist dieselbe
Handschrift, die J. I. Harkenroht in seinen Oorsprongkelijkheden
S. 133 inbezug auf die erste Abendmahlsfeier in der Neuen
Kirche am 12. M&rz 1665 mit den Worten erwahnt: „Gelijk ik
dit alles omftandiglijk onlangs aangeteekent vonde in't Stam-
boek van den Heer Arent van den Bosch den Ouden."
Von diesem bemerkt er S. 166, dass „Arnold van den Bosch,
een voornaam Borger en Poet binnen Emden", um 1660 einen
sehr schonen niederlandischen Vers auf den Ursprung des
Emder Vierziger-Kollegiums und dessen Gesetze gemacht habe.
Auch Meiners scheint unsere Handschrift gekannt zu haben:
in seiner Kerkel. Geschiedenis I S. 411 (1738) fuhrt er ftir die
Gastlichkeit Emdens gegen verfolgte Bekenner der Wahrheit
als Zeugen an „de geslagten van van den Bosch, of eigentlyk
van Os, zynde een adelyk geflagte uit de Meyerye van 'sHer-
togenbosch, van Wingene, de Pottere, Laubegeois, van Laher,
Payne, Duif, van Kerkhoven" etc. Darait vergleiche man die
Bemerkung der van den Bosch'schen Familiengeschichte S. 1 :
„Deese naem (van Ofs) koomt van het oude en adelyck stamhuis en
herlicheit Ofs, ligende in de Meyerie van den Bofch, zijnde
voor deezen naet getuigenis van S. van Griethuifen foreftiers
ofte Houtvefters van Brabant geweeft."1) Nach dem Tode des
') Sibylla van Griethuysen aus Appingadam, die Dichterin der
hinter Eilshemius Predigt abgedruckten Verse auf die Vollendung der
Neuen Kirche zu Emden i. J. 1648, auf deren Architekten, Martin Faber,
und den ersten Prediger an derselben, Petrus Eilshemius (vgl. Harkenroht
Oorspr. S. 133), muss in der Familie van den Bosch vertraut gewesen
sein und ihre Geschichte in einem ihrer Gedichte beriihrt haben. — Ein
Verwandter der Emder Familie ist wahrscheinlich Arnout van Ossche, der
als niederiandischerKurassier-Offizier 1600 auf der Vuchter Heide verwundet
wurde und in 's-Hertogenbosch starb (Navorscher XXXVII, 1887, S. 76).
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— 534 —
Herrn van Usseldijk am 21. April 1902 traten der Ausfuhrung
des Verm&chtnissesanfangs Schwierigkeiten entgegen, die aber im
Mai 1904 gehoben wurden. Dem Stifter werden wir ein dank
bares Andenken bewahren. Ueber den weiteren Inhalt der
uns aus seinem Nachlasse zugefallenen Papiere hoffen -wir spater
Bericht erstatten zu konnen. — Einem Herrn unseres Vorstandes.
dessen Grossmut wir und andere schoh oft erfahren haben.
der auch 1899 zur Erhaltung des Renaissance-Giebels am
Delfte Nr. 241) ganz wesentlich beigetragen hat, drangt es uns
fiir die Stiftung zahlreicher wertvoller, namentlich
niederl&ndischer, Werke, deren Besitz wir immer
schmerzlich entbehrt haben, deren Ankauf wir uns aber ver-
sagen mussten, unseren Dank auch an dieser Stelle ans-
zusprechen.
Dem Ostfriesischen Landschaftskollegium und der
Hannoverschen Provinzial-Verwaltung verdanken wir
auch in dem verflossenen Zeitraume die wirksame jahrliehe
Untersttitzung von 1000 und 550 Mk.
Die im XIV. Bande unseres Jahrbuches S. 365 erwahnten
handschriftlichen Funde: das Emder Nekrologium v. J. 1350.
die Descriptio Frisiae Orientalis des Henricus Ubbius v. J. 1530,
das Tagebuch des Fran<;ois Michel xiber die Fahrt der *Burg
von Emdena nach Kanton 1752—1754, ferner das Spottgedicht
auf die Emder v. J. 1609, sowie die in Aussicht gestellten Mit-
teilungen fiber die nach Groningen gelangte Monstranz des Haupt-
lings Victor Frese von Loquard und fiber die Peterssensche Mlinz-
sammlung und ihren Stifter haben wir zu unserem Bedauem
um anderer Beitrage willen, deren Veroffentlichung wir nicht
wohl aufschieben konnten, und aus anderen Grtinden diesmal
noch nicht bringen konnen und miissen bitten, uns Geduld zu
schenken.
J) vgl. Jahrb XIH S. 269, XIV S. 367.
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— 535
Zuwachs der Sammlungen (bis zum 1. Juli 1904).
I. Bflcher, Handschriften und Gemftlde.
Ausser der uns durch das Ministerium der geistlichen,
Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten regelmassig zuge-
sandten Zeitschrift „Die Denkmalpflege", den im Tausche
uns zugehenden VerSfientlichungen der unten aufgefiihrten
Vereine, Gesellschaften und Institute und den Zeit-
schriften: Oud-Holland, Zeitschrift fiir bildende Kunst, Kunst-
chronik, Der Kunstmarkt, Museum, Jahrbuch und Korrespondenz-
blatt des Vereins fiir niederdeutsche Sprachforschung, Nieder-
sachsen, Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen
Geschichtsvereine, Buchenaus Bl&ttern fiir Miinzfreunde, Bahr-
feldtsNumismatischem Litteraturblatt, Numismatischem Verkehr,
ist Folgendes hinzugekommen :
Schiissler, KOnig Friedrichs des Grossen Vertrag mit
der Stadt Emden, Beilage zum Programm des Konigl. Wilhelms-
Gymnasiums in Emden 1901. — Kontrakt-Entwurf fiir eine
Anleihe von 200000 Gulden, die Emden 1723 zur Wiederher-
stellung der Deiche aufnahm (Magistrat). — Portrat Georg
Albrechts von Ostfriesland, Kupferstich von C. Fritsch, Ham-
burg 1720 (Holzhandler Miihlenbruch). — Photographie vom
Giebel des Hauses Neutorstr. Nr. 20, des „Valkhofsa (Troger).
— Stiftungsurkunde der vereinigten Miihlensocietat zu
Emden, gedruckt bei H. Woortman in Emden 1816, nebst einer
Aktie der Gesellschaft (Klug; die Gesellschaft hat sich 1898
aufgelost). — Entwurf zu einem Zolltarif fiir das vereinigte
Deutschland, Frankfurt 1848 (B. Brons). — G. F. K5nig, Teutsche
Briefe, geschrieben im Zuchthause zu Emden, erstes Heft, Emden
1837 (Philippstein). — Samtliche Verlustlisten der Kriegs-
jahre 1870/1, nebst den Kriegsdepeschen(ManufakturistS.Sikken).
— Heck, Die Gemeinfreien der karolingischen Volksrechte, Halle
1900. — J. Mestorf, Moorleichenfunde, Kiel 1900. — Kruske,
Johannes a Lasko im Sakramentstreite, Leipzig 1900. — Stamm-
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— 536 —
tafel der Familie Schomerus von R. W. G. Guthe und cand.
med. Ad. Schomerus aus Marienhafe (Guthe in Adelholzen bei
Bergen in Oberbayern, durch Vermittlung des Pastors Lupkes
in Marienhafe). — Federzeichnung, in der Buchstaben
durch menschliche Figuren dargestellt sind, von A. J. Mulder
1811, mit dem Spruche: „Mensch, sei fromm und gut* (J. de
Beer jr.) — Handzeichnung des Giebels „De brune Hart8 an
der Ostseite der Deichstrasse (Haynel). — Bticherverzeichnis
der landschaftlichen Bibliothek in Aurich, 1901 (Klug). — His,
Das Strafrecht der Friesen im Mittelalter, Leipzig 1901. — 7 Bande
Schiffsvermessungsprotokolle des Schiffsvermessers
Paschier inEmden aus dem Anfang des XIX. Jahrh.(P. vanRenses;
die Papiere gehorten friiher dem Kaufmann van Nes und spater
dem verst. Kaufmann David Swartte). — Deutsche Volkszeitung
(Hannover) vom 7. April 1901 mit einer Anzeige unseres Jahr-
buchs (Red. der Volkszeitung). — Hollandische Uebersetzung
der romischen Geschichte des Livius aus dem XVII. Jahrh
in Folio (ohne Titelblatt), voran „Pauli Merola, professor tot
Leyden, Beschrijving van der stadt Romen" (L. van Senden;
Paul Merula's Urbis Romae delineatio erschien in Leiden 1599).
— Keuchenius, Hydrographische Kaart der monden van de
Eems, 1833 (A. Brons). — Photographien verschiedener Seiten
und des Umschlags der Aachener Handschrift, aufge-
nommen von N. Troger (vgl. Jahrb. XIV S. 366). — Photo-
graphien von Grabsteinen der Grossen Kirche und der Gast-
hauskirche von N. Troger. — Staatshandbuch der Provinz
Hannover 1900 (Klug). — Siebs, Stamm- und Sprachverwandt-
schaft der Buren mit den Niederlandern, Deutschen und Eng-
landern, Sonderabdruck aus Nr. 21 und 22 der Alldeutschen
Blatter 1901; Siebs, Anlautstudien, Abdruck aus der Zeitschr.
f. vergl. Sprachkunde, N. F. XVII S. 277 f., Giitersloh 1901
(Prof. Siebs-Greifswald). - Festschrift zur 50jahrigen Stiftungs-
feier der Emder Liedertafel am 10. Mai 1897 (Lohmeyer).
— Eingerahmte Kalligraphie religiosen Inhalts von A. J.
Miilder (J. de Beer jr.) — Bleistiftzeichnung der 1710 abge-
brochenen Burg zu Pewsum v. J. 1620 mit der Aufschrifl
„Het huis to Peusum 1620 den 29. feberwa:" (Major v. Fromm
zu Meiningen, vgl. Jahrb. XIV S. 491 f.) — Zwei Photographien
grossen Formats vom Grossen Meere bei Loppersum
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. — 537 —
und vom Altarbilde zu Nesse, das Christus am Kreuze
darstellt1) (A. Stockvis in Dusseldorf, vgl. jetzt Stockvis'
Fuhrer durch Ostfriesland 1902 S. 103). — Speisekarte
des Festessens zum 25jahrigen Jubil&um des Oberbtirger-
meisters Fiirb ringer im Juni 1901, Fahrkarte des
Personenzuges von Emden zum Emder Aussenhafen vom
1. Juli 1901 zur Erinnerung an den ersten Eisenbahnzug auf
dieser Strecke (E. van Letten). — Aquarell des Malers
Bleeker aus Emden: „Markt in Dusseldorf tf. — PalmgrSn,
Emden, Deutschlands neues Seethor im Westen, Emden 1901.
— Zwei Seekarten: General Chart of the North Sea or
German Ocean, London by James Jmray 1848; Chart of the
English Channel, London, James Jmray 1850 (A. Brons). —
Nr. 37 und 38 des III. Jahrgangs der Zeitschrift „Ueberalla
mit einem Aufsatze liber die deutsche Hochseefischerei in der
Nordsee (fGrafenhain-Hannover). — Auktions-Katalog der
Bibliothek des letzten ostfriesischen Fursten : Catalogus biblio-
thecae principalis publica auctione distrahendae, Auricae die
19 Aprilis 1745 (fGeh. Archivr. Friedlaender-Berlin). — Ein-
ladungskarte, Zutritts-, Tribiinekarten, Festprogramm,
Speisekarte, Sanger-Erinnerungskarte, kleine Festschrift, 2 Fest-
postkarten zur gescheiterten Hafen-Einweihungsfeier am 7. Aug.
1901 (Schwalbe). — Festprogramm der Innungen (Tergast).
— Die Festschrift „Der Hafen von Emden", mit eigener
Widmung des Herausgebers, Wirkl. G. 0. R. Schweckendieck
in Berlin (vom Herausgeber). — J. Gierke, Die Geschichte
des deutschen Deichrechts, 63. Heft der Untersuchungen zur
Deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, herausg. v. 0. Gierke,
Breslau 1901. — Uebersichtsplan des Emder Hafens aus
Palmgr§ns Schrift: Emden, Deutschlands neues Seethor. —
Segelanweisung fur die Befahrung der Ems zur Nachtzeit.
— Eine Nummer der Illustrierten Zeitung vom August 1901
mit Abbildungen aus Emden. — Ein Exemplar der vom Verein
zur Erhaltung der Denkmaler in der Provinz Sachsen veran-
lassten Reproduktion eines Bilderblattes aus einer Merse-
burger Bibelhandschrift des XIII. Jahrhunderts nebst er-
>) Nach Mithoff S. 149 ist der Altar 1684 angefertigt. Die Seiten
sind 1601 mit plattdeutschen Spriichen beschrieben worden. Ueber
die Entetehungszeit des Bildes sagt M. nichts.
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— 538 -
l£uterndem Texte (Ministerium der Geistl., Unterrichts- und
Medizinal-Angelegenheiten). — Die auf den Kaiserbesuch
bezilglichen Nummern der Emder Zeitung vom 26. Juli bis zum
17. August und der Rhein-Ems-Zeitung vom 3. bis 18. August
1901 (Herrmann). — Potier, Ein Besuch in der Werkstatte
eines F&lschers alter Waff en, Sonderabdruck aus Gross' ArchiT
fiir Kriminal-Anthropologie und Kriminalstatistik VII, Leipzig
1901 (vom Verfasser, Dr. v. Potier). — H. Meyer, Die Sprache
der Buren, GOttingen 1901 (Borchling). — „Frisiaa, herausg.
v. Kriiger, Jahrg. 1845. — Druckblatt mit den 1869 bei dem
Besuche des Konigs Wilhelm vor dem Y. Brons'schen
Hause gesungenen Liedern (BSrsenwirt Janssen). — Der vierte
Band des grossen Werkes von Schlie tiber die Kunstdenk-
mftler Mecklenburgs 1901. — Ostfriesisches Schulblatt vom
15. August 1901 mit einem Aufsatze von Sundermann fiber die
Schlacht bei Arle 1495 (vom Verfasser). — Hansische Ge-
schichtsbl&tter, Jahrg. 1900. — Carte chorographique
de la Belgique .... par le capitaine P. G. Chaulaire, Paris, ohne
Jahreszahl, aber wahrscheinlich zwischen 1799 und 1804 heraus-
gegeben, 65 Blatter (A. Brons). — Photographie von der
Einweihungsfeier des Kaiser Wilhelm-Denkmals (0. Butenberg;
auf der Photographie ist u. a. noch ein Teil der jetzt ver-
schwundenen Rathausbrticke gut zu sehen). — Grosses Aquarell
mit Darstellung einer Ostfriesin in der Tracht der Manninga-
Bilder, gezeichnet vom Lehrer Roskamp. — Ein Exemplar des
Opregten Uphuser Wunderalmanachs vom J. 1740; Kopie
einer Karte von der Umgegend Emdens nach der Wolthuser
Seite hin („ Emder kleine Dickachts-Landen, nach der original-
Karte copiiret vonMagott,Ingenieura); PortratZwingli's (Hand-
zeichnung); 3 Handzeichnungen von Jannes Ruys in Emden
aus d. J. 1755—57 darstellend ein Ross, eine Gruppe G&nse und
Pfaue1); Festgedicht und Gedenktafel zur Feier des 300j&hrigen
Bestehens des Kornvorrats der Stadt Emden 1857; 28 kleine
Portr&ts von niederlandischen Staatsmannern , ausgeschnitten
aus einem gr5sseren Werke (E. van Letten aus dem Nachlass
seines verst. Oheims Joh. van Letten). — Karte zum Ein- und
!) Von einem Emder Maler G. Ruys besitzen wir ein Knabenportr&t
bezeichnet: „G. Ruys Faecit 1728*.
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— 639 —
Aussegeln in die Oster- und Wester-Ems sowie auch in das
Hommegat, entworfen 1824/8. . . durch die Schiffer P. 0. Visser
und J. Hamack, Emden 1829, gestochen von D. Woortman
(A. Brons). — J. A. Feith, Uit Groningen's verleden, Gro-
ningen 1902. — Hydrographischer Grundrissder Stadt Emden
in Sturmfluten, entw. u. gez. von Alb. D. Cramer, Adv. Cand.
1839; vormundschaftliche Rechnung uber des weil. Jan Geerds
Folkerts und dessen verst. Ehefrau Engel Arends Buisings,
auf dem Wolthuser Ziegelwerk, hinterlassene Tochter Teetje
Janssen Folkerts, verehelichte Pollmanns, und Hemcke Janssen
Folkerts Vermogen, gefiihrt durch den Vormund Weert
A. Ohling in Wolthusen in Assistenz des Jacob Roejer in
Emden vom 22. Nov. 1774; Speisekarten des Festessens zu
Ehren des zum Ehrenbiirger der Stadt Emden ernannten Wirkl.
Geh. Ober-Regierungsrats C. Schweckendiek (E. van Letten). —
Ad. Kiesselbach, Die wirtschafts- u. rechtsgeschichtliche
Entwicklung der Seeversicherung in Hamburg, Hamburg 1902. —
H. Sundermann, Friesische und nieders&chsische Bestandteile
in den Ortsnamen Ostfrieslands, Emden 1901. — Friedlaender,
Berliner geschriebene Zeitungen aus den Jahren 1713—1717
u. 17351), Berlin 1902 (vom Verfasser). — Jahresbericht der
Handelskammer fiir Ostfriesland und Papenburg fur 1900,
zweiter Teil (Herrmann). — Nr. 19751 der Weserzeitung vom
6. Nov. 1901 mit einem Aufsatz von Sello ilber Cornelis Floris
in Friesland (A. ter Vehn). — BSttger, Diozesan- und Gau-
grenzen in Norddeutschland, zweite Abteilung (Die Bistiimer
Osnabriick, Minden, Bremen, Verden), Halle 1874 (Magistrat). —
Blok, Verslag van onderzoekingen naar archivalia in Italie
belangrijk voor de geschiedenis van Nederland, 's-Gravenhage
1901 (Pastor Houtrouw-Neermoor). — 3 Photographien der
Wandmalereien in der Kirche zu Hinte, aufgenommen von
N. Troger. — Photographic aus der Rttstkammer mit dem
Bilde des Dr. v. Potier und seines Gehiilfen (v. Potier). —
Photographische Aufnahmen und Bauzeichnungen vom jetzt
abgebrochenen sog. alten Rathause an der Grossen Strasse
*) Die ^Zeitungen* sind Geheimberichte zweier politischer Agenten,
Grfibel und Oortgies in Berlin, die anfangs im ostfriesischen Solde
standen und deren Mitteilungen an den ostfriesischen Hof im Auricher
Staatsarchiv verwahrt werden.
Jahrbucb. der GeselUch. f. b. K. u. ratorl. AltortOmer zu Emden, Bd. XV. 35
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— 540 —
(sollten vom Magistratin Verwahrung gegebenwerden, sindaber
noch nicht zugesandt). — Wilke Evers Kluse1): I. Een Morgen-
wecker voor boetverdige Sonder, II. Een Dancksegginge over de
Kumpst Christi, in. Een verquickinge der Conscientie (66 + 22 +
153 Seiten). Gedr. tho Embden by Helwich Kallenbach Boeck-
drucker by het groote Kerckhoff Anno 1668 (4°). — Predigt am
Geburtstage Sr. M. des Kflnigs von Preussen, den 3. August
1814, geh. v. Joh. Chr. Herm. Gittermann, Prediger in
Emden, gedr. bei H. Woortman jr.; Ged&chtnispredigt auf das
300jahrige Bestehen des Gasthauses u. der Gastbauskirche am
18. Dez. 1859, herausg. vom Kirchenrat Franz Hinrich Hesse,
Emden 1860, H. Woortman sen. Ww. (L. Gittermann). —
Blok, Geschiedenis van het nederlandsche volk, V, Groningen
1902 (vom Verfasser). — Eine Nummer des Ostfries. Couriers
in Norden vom 17. Dez. 1901, mit einer plattdeutschen Ueber-
setzung des Stortebeker-Liedes von Pastor Lupkes in
Marienhafe (A. ter Vehn). — D. Kohl, Die Politik Kursachsens
w&hrend des Interregnums und der Kaiserwahl 1612,
Inauguraldissertation, Halle 1887; Kohl, Forschungen zur
Verfassungsgeschichte der Stadt Oldenburg (aus dem Jahrb. 4
Oldenburger Landesvereins) ; Kohl, Das staatsrechtliche Ver-
Mltnis der Grafschaft Oldenburg zum Reiche im ersten Drittel
des XV. Jahrh. (ebendaher; geschenkt vom Verfasser, Dr. D. Kohl
in Oldenburg). — „K61n und seine Bauten", Festschrift des
Architekten- und Ingenieur-Vereins fiir Niederrhein und West-
falen zur Wanderversammlung des Verbandes deutscher
Architekten- u. Ingenieur-Vereine zu Koln vom 12. — 16. Aug.
1888 (Franz Merkens-K&ln). — Katalog der deutschen Abteilung
der Pariser Weltausstellung 1900 in franz5sischer Sprache
(K. Valk). — Handschriftliches Verzeichnis der 1806 durch
die Engender geschadigtenEmder Firmen, aufgestellt durch den
damaligen Sekretar der kaufmannischen Deputation, C. H. Metger,
aufgefunden unter alten Papieren der friiheren Firma Metger &
Heydeck, deren letzter Inhaber der verst. Senator Gitter-
mann war (L. Gittermann). — Rechenschaftsbericht des Dr.
Othmar Baron Potier iiber seine Thatigkeit in der Riistkammer
») Vgl. Borchling im Jahrb. d. V. f. niederd. Sprf. XXVIH S. 17. W. KL
war vielleicht ein Pruder des Evert Evers Clufe, der am 30. Juni 1659
Meister der Emder Goldschmiedezunft wurde.
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der Stadt Emden (Herrmann). — Revue beige de numismatique
mit einem Aufsatze iiber Jeversche Mtinzen. — Die
2 ersten ausgegebenen Fahrscheine der Sonntag den
23. Febr. 1902 eroffneten elektrischen Kleinbahn, Nr. 0001
u. 0002 (Betriebsleitung). — Andrae, Hausinschriften aus
Holland, Emden 1902. — Jahresbericht der Centrale fiir private
Fiirsorge in Frankfurt a. M., Schwanheim 1902 (Klumker-
Frankfurt). — Erbpachts-Brief iiber 18 Diemathe von der
Berdumer Grode im Amte Wittmund fiir Feite Peters, aus der
Zeit um 1740 (Oberlehrer Helmke). — Staatshandbuch fiir
die Provinz Hannover 1901 (Klug). — Matthias, Ueber
Pytheas von Massilia und die altesten Nachrichten von den
Germanen, I. Berlin 1901, II. 1902, Beilage zum Jahresbericht
des Kgl. Luisengymnasiums zu Berlin (Oberlehrer Dr. Matthias,
Berlin). — Plan der Fundamente desNeuen Tores, die beim
Bau des Kappelhoffschen Hauses zu Tage getreten sind (Sen.
Kappelhoff). — 12 photographische Aufnahmen aus Bait rum,
eine aus Norderney, 2 aus Nienburg a. W. (Stockvis). —
Druckblatt: „Dem Herrn Jacobus Meinardi Swarttebei seiner
50jahrigen Jubelfeier als Schaffer und Aeltermann der Cle-
mentiner-Briiderschaft am 18. Dez. 1824 gewidmet von
seinen Kollegen und Freunden (Pastor Voget). — Amtsblatt
far die Provinz Ostfriesland 1865/66 (M. Schnedermann jr.). —
3 hannoversche Postaufgabescheine aus Emden v. J. 1864,
unterzeichnet von den Postsekret&ren Ditzen und Kettwich
(Schnedermann jr.). — Chronik der Ravensburg bei Borg-
holzhausen, Bez. Minden, Melle, ohne Jahreszahl und Namen
des Verfassers (E. Starcke-Melle). — Nanninga Uitterdijk,
Register van Charters en Bescheiden in het Oude Archief van
Kampen, Kampen 1902 (vom Verfasser). — 9 Post-, Eisen-
bahn- und Telegraphen-Scheine aus d. J. 1850—67 (Schneder-
mann jr.). — Photographien von Stiicken aus der Bonner
Beninga-Handschrift, der eigenhandigen Handschriften
des Eggerik Beninga, Homerus Beninga, Hicko von Dornum,
Haro von Oldersum, Henrick Grawertz. 3er Handschriften aus
den Protokollen des Hexenprozesses (Borchling-Gottingen). —
Portr&t des letzten m&nnlichen ostfriesischen Diepenbrock, des
Assessors am ostfriesischen Hofgericht, Arnold Tido Eger van
Diepenbrock auf Middelstewehr bei Greetsiel (gest. 1720
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als Pr&sident des Hofgerichts), gemalt 1715 von M. E. de Hosson1),
angekauft vom Museum zu Groningen durch Vermittlung des
Reichsarchivars Dr. J. A. Feith. — Btittner, Genealogien der
Ltlneburgischen Patrizien(!)-Geschlechter, Ltineburg 1904 (Stadt-
bibliothek zu Liineburg durch Vermittlung des Archivars Dr.
Reinecke). — Autotypien von 7 Oelgem&Iden im Besitze des
Herrn E. C. V. SchSffer in Amsterdam und ein holl&ndisches
St. Nikolaus-Gedicht v. J. 1899 (E. SchSffer). — Sello, Im
Fluge durch den Ammergau ins Jeverland, gewidmet den Teil-
nehmern an der Fahrt des Hansischen Geschichtsvereins von
Emden nach Jever Donnerstag d. 22. Mai 1902 (lithographiert);
Jeversches Wochenblatt v. 22. Mai mit einer Uebersicht uber
die Geschichte der Burg zu Jever von Sello ; eine Nummer der
Amsterdamer Zeitung Nieuws van den dag vom 31. Mai
mit einem Berichte uber die Versammlung des Hansischen
Geschichtsvereins in Emden; Programme und andere
Papiere, die sich auf die Versammlung beziehen (A. Brons). —
Modebilder aus dem XIX. Jahrh., aus der Zeitschrift BDer
Manufakturist" (P. van Rensen). — Ftinf Druckschriften:
1. „Sommatie Bryeff* der Generalstaaten an den Grafen
Enno III. v. 3. Juli 1607 ; 2. Schreiben der ostfriesischen St&nde
an den Grafen v. 15. Juni 1661 (Vervolgh van de Oneenig-
heden tusschen den Graef ende Landtstenden van Embden)
und Klage des franzosischen Gesandten Jaques Auguste de Thou
im Haag gegen den Residenten Romers wegen einer Sentenz,
die dieser gegen den spanischen Gesandten Baron v. Merode
erwirkte, v. 28. Januar 1661 ; 3. und 4. 2 Predigten von Cor-
nelius van Huisen, Leeraar der t)oops-Gezinden Gemeente
te Embden (Embden, Eddo Tremel, Boeckverkooper . . . onder
het Stadts-Huys 1702, Amsterdam by Janssonius van Waesberge,
Embden by Eddo Tremel 1703) ; 5. 0 utho f , Herdersklagte, Embden
1716 (E. Schoffer-Amsterdam). — Gesellenbrief der Metzger
und Knochenhauer zu Harburg far J. A. H. Triefe v. 14. Jan.
*) Wahrscheinlich Bentheimischer Hofmaler und Vater des bei
Immerzeel erwahnten Portrat- und Historienmalers F. C. de Hosson
in Groningen (1717— 1799 •. Von F. C. de Hosson haben wir 1906
ein Portrat des Norder Predigers Adrian Reershemius (1696—1758)
angekauft.
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1822 (Kapit&n Keppel, dessen Frau Enkelin des J. Triefe ist).
— P. H. Meekhoff Doornbosch, De Schoorsteenmantel
van het Hospitaalhuis of de Commanderij van de Orde van
St. Johannes de Dooper van Jeruzalem te Wijtwerd (vom
Verfasser in Baflo). — Jahresbericht der Handelskammer
1901, I. Teil (Herrmann). — 57ster Bericht fiber den Zustand
der Taubstummenanstalt 1901/02 (Oberlehrer Danger). —
Blatt mit geschriebenem Psalmverse (aus Psalm 37), der von
gedruckten Verzierungen mit dem Emder und dem Cirksena-
schen Wappen umrahmt ist ; der erste Buchstabe des Verses
hat als Hintergrund eine Ansicht von Emden. Unterschrift :
P. Gfinther (J. Loesing). — Festbuch, Programm usw. zum
20sten Kreisturnfest in Emden am 5.-7. Juli 1902 (E. van
Letten). — Portrat eines Braunschweigischen Herzogs (Muhlen-
bruch). — 2 Nummern des Osnabriicker Tageblatts mit einem
Artikel tiber die „Belagerunga von Emden 1866 (E. Starcke-
Melle). — 2 Postkarten vom Besuche des Prinzen Heinrich
in Emden am 13. Juli 1902; Helmke, Was verdankt Emden
den Hohenzollern? Programme und Einladungskarten usw.
gum Besuche des Kaisers am 30. Juli 1902 (Schwalbe). —
13 Photographien vom Besuche des Kaisers. — Politische
Drucksachen, Bilder und Handschriftliches aus dem Nachlasse
des verst. Kommerzienrats Y. Brons (geschenkt von den
Erben; das Handschriftliche besteht im Wesentlichen aus dem
Briefwechsel, den Kommerzienrat Y. Brons als Abgeordneter
in Frankfurt und spater in Hannover mit seinen politischen
Freunden gefiihrt, sowie aus Gutachten und anderen Schreiben,
die er zur Besserung der Emder Verkehrsverhaltnisse ausge-
arbeitet hatte). — Aktie der Emder Asiatischen Hand-
lungsgesellschaft tiber 1000 Gulden holl. fur F. H. Metger,
einen der Direktoren der Gesellschaft, vom 1. Nov. 1783; sie
gait ffir die Ausrlistung des nach Kanton bestimmten Schiffes
Prinz Friedrich Wilhelm von Preussen (vgl. Ring, Die asiati-
schen Handlungskompagnien usw. S. 220—229); Protokolle
der Zimmerer-Zunft von 1833—53 aus dem Nachlasse des
Senators de Pottere, des letzten Zunftpatrons der Zimmer-
leute; Ausschnitt aus Hodenbergs Werk, Die Diozese
Bremen: „Stedingia, Zugabe zu den sachsischen Gauen Lera
und Ammeria, Hannover 1858 (Schnedermann jr.). — Eine Nummer
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der Oesterreichischen Kronenzeitung vom 25. Aug. 1902 mit
dem Berichte fiber einen interessanten Antiken-F&lschungsprozess
in Baden bei Wien (Dr. v. Potier-Wien). — Grunewald,
Portugiesengr&ber auf deutscher Erde, Hamburg 1902. — ,Aus
See nach Emden, Leer, Weener und Papenburg", Wegweiser
fiir die Emsschiffahrt, herausg. auf Veranlassung der Handels-
kammer, Emden 1902. — 2 Photographien vom Kaiser-
besuch (Trdger). — Biblischer Stammbaum von Adam bis
auf Christus, gezeichnet und gestochen von Dirk Woertman
(Laarmann; der Zeichner soil ein Vorfahr der Emder Buch-
druckerfamilie Woortman gewesen sein). — Dahm, Die Feld-
ztige des Germanikus in Deutschland, Trier 1902. — Klumker,
Beitr&ge zur Armenstatistik, Frankfurt 1902. — Statistische
Mitteilungen iiber den Zivil stand der Stadt Emden 1875 bis
1879; Ausziige aus der Kammereirechnung der Stadt Emden
1865—1886; Amtsblatt fiir die Provinz Ostfriesland 1864;
statistische Uebersicht tiber Ostfriesland, Aurich 1871; alte
Postquittungsscheine u. a. (Schnedermann jr.). — Konvolut
von Kauf brief en betr. das in den achtziger Jahren des
XIX. Jahrh. abgebrannte Haus an der Grossen Strasse Nr. 49,
„der Goldene Schwan", von 1721 und 1764 (Fr. Bertram). —
Abbildung des 1848 in Wien erschossenen Robert Blum
(K. Brons-Bremen). — Brandordnung der Stadt Norden vom
8. Mai 1783 (H. Brons; die Ordnung war noch urn 188)
in Geltung). — Protokolle der 13. Versammlung der Bezirks-
synode des ersten Synodalbezirks der evang.-reform. Kirche
der Prov. Hannover, abgeh. zu Emden am 8. Juli 1902
(Synodalvorstand ; der Bericht enthalt sehr interessante Mit-
teilungen iiber die kirchlichen und sozialen Zustande des
Bezirks). — Stammbuch aus dem Anfange des XIX.
Jahrhunderts (Wirkl. G. 0. R. Schweckendieck - Berlin;
die Eintragungen, meistens aus dem J. 1815 — 1817,
sind dem G. Jansson in Emden, sp&ter in Herdeke in
der Grafschaft Mark, gewidmet). — Eine hochst interes-
sante Handzeichnung der Langen Brticke in Emden
von G. J. de Jager 1796. Ein grosser Stich: De Rechten
van den Mensch en Burger, het eerste jaar der Bataaf-
sche Vrijheid 1795, W. van Vliet excudit (H. Brons). —
2 Kaufbriefe der Packhauser „Maltaa 1792/3, Rade-
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macherstr. Nr. 41), „Englanda 1833—1848, Pottebakkerstr.
Nr. 5 (Dreesmann Penning). — Festschrift zur Zentenarfeier
des Klubs zum guten Endzweck am 11. Okt. 1902 (Dreesmann
Penning). — Autographen ostfriesischer Fiirsten: Brief
der Fiirstin Christine Charlotte an Christine, Markgr&fin zu
Brandenburg, Aurich d. 15. Aug. 1677; Christian Eberhard an
einen Prinzen in Stuttgart, Baireuth den 10. Jan. 1688;
2 Neujahrswilnsche von Georg Albrecht und Carl Edzard an
Herzog Friedrich von Sachsen-Gotha vom 21. Dez. 1728 u.
17. Dez. 1734. — „Christophorusa, Jahrgang 1903 mit
2 Beitragen von Frerichs, „Das Jagdrecht der Miinkeburg" und
„Der Gesundbrunnen zu Nortmoor", und einem von Liipkes
uber die Stortebeker-Sage (Pastor Frerichs-Nortmoor). — Ge-
drucktes Gedicht auf ein vierzigjahriges Jubilaum des Kriegs-
rats Joh. Conr. Frees e in Aurich zum 17. Marz 1817, unter-
zeichnet G. St-g (Wachter- Aurich). — Gesetzbuch fur den
preussischen Staat, erster Teil, Berlin 1791 (Schnedermann jr.).
— Buerens Jahrbtichlein auf 1835; Ostfriesisches Taschen-
buch(Norden) auf 1840; Hausser, Zur Beurteilung Friedrichs
d. Gr. (gegen 0. KIopp), 2. Auflage, Heidelberg 1862 (Y. Brons*
Erben). — Jahresbericht der Handelskammer 1901, II. Teil
(Herrmann). — Rathgen, Die Konservierung von Altertums-
funden, Berlin 1902. — Borchling, Dritter Reisebericht
liber Mittelniederdeutsche Handschriften (vom Verfasser). —
jjlleberall", illustrierte Wochenschrift fiir Armee und
Marine V, 5, mit einem Artikel von J. Gebeschus liber die
Emder Rttstkammer (Herrmann). — I. Criminal-Gesetzbuch
fiir das K&nigreich Holland, aus dem Holland, iibersetzt von
L. W. Zimmermann u. H. Bruckner, Aurich 1809; II. Kgl.
Preussisches . . . Medicinal-Edict . .. herausg. von dero
Ober-Collegio Medico, Berlin 1725; III. 7 Originalurkunden:
1) v. 7. Febr. 1614: Urteil Graf Ennos in Sachen Heinrich
Gerrietz gegen die Schuhmacher-Aelterleute in Emden; 2)
v. 9. Okt. 1667 : Totenschein nach dem „Gasthuiss doet Kisten
*) Interessant ist daraus, class ost-, west- u. sudwarts davon Hauser
und Garten des weil. Junker Poll man Erben lagen, dass also die
spatere ,Sonne", jetzt Eigentum des Sen. Dreesmann Penning, oder der
Grand und Boden davon im XVIII. Jahrh. der Familie van Pollman
gehdrte.
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— 546 —
boeck* fdr die „Ehr en deuchtsame . . Huissvrouwe* von
Johannis Vorst, unterschrieben von Hans Pieters Duselaer [anf
der Riickseite: ad causam Addeken Ulrichen Erben contra (?)
H. Joh. von Honardt 4. Junii 1684]; 3) vom 6. Jan. 1713: Be-
gleitschreiben bei Uebersendung eines Auszuges aus dem Bruche-
Protokoll Auricher Amtes an einen ungenannten Beamten in
Sachen des Amtmanns Wiarda, der strafbarer Nachlassig-
keit in Eintreibung und Bezahlung vonBriichen beschuldigt
wird (eigenh&ndig unterschrieben von Georg Albrecht) ; 4) v.
28. Marz 1735: Verftigung an Kammerrat Horst betr. Aus-
mienerei von Speck (unterschrieben von Karl Edzard); 5)
Urteil des Tribunals erster Instanz des Arrondissements
Jever, Departement der Ostems, gegen Warfsmann Joh. Wilms
Stlelfs am Moorwege; 6) Hannover d. 15. Jan. 1837: Reskript
betr. Versetzung des Justiz - Kanzlei - Assessors 6. E. von
Trampe an die Justiz-Kanzlei zu Aurich, unterz. Adolphns
(Herz. v. Cambridge) und Strahlenheim ; 7) Hannover d. 5. Mai
1840: Ernennungder Kanzlei- Ass ess or enChr.C.O.v.HasseD
und Engelbert J. v. Marschalk zu extraordinairen Justiz-Raten
an der Justiz-Kanzlei zu Aurich, unterz. Ernst August u.
Strahlenheim; IV. Gedrucke ostfries.Edikte 1) gegen Wild
und Holtz Diebereyen von 1694, 1698, 1709, 2) gegen das Neu-
Jahr-Schiessen von 1707, 3) betr. Erbhuldigung Georg Albrechts
durch die ostfr. Landst&nde von 1708; V. Plan der Vorgebaude
des alten Schlosses zuEsens, „nach einer alten Zeichnung
kopiert von Tjarks"; VI. Bildnis Georg Albrechts, inKupfer
gestochen von C. Fritsch, Hamburg 1720 (aus Brenneysen); VII.
Abschrift eines Ediktes von Georg Albrecht vom 15. Dez. 1710
betr. Tabacksverkauf aus der Tabacks-Fabrik in den
Herrschaften Esens und Wittmund ; VIH. Abschrift der „K r i e g s -
Articul, worauf Unsere Soldatesque und Milice zu schwSren',
vom 17. MSLrz 1726 (Georg Albrecht), alles geschenkt vom
Kanzleisekretar a. D. Fr. Tjarks in Aurich. — 0. Hagena,
Jeverland bis z. J. 1500, Oldenburg 1901. — Auswahl aus den
Rechnungen, Kassenbuchern und Beiagen der hies. Gymnasial-
k a s s e , vom Kgl. Provinzial-Schul-Kollegium in Hannover zur
Aufbewahrung tibergeben. — Zeitschrift fdr historische
Waffenkunde H. Heft 12 mit einem kurzen Bericht (S. 450)
des Dr. v. Potier uber den Besuch des deutschen Kaisers in
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— 547 —
der Rtlstkammer der Stadt Emden (v. Potier-Wien). —
Groningsche Volksalmanak voor het jaar 1903, Gro-
ningen 1902. — Oorkondenboek van Groningen en
Drenthe . . door Blok, Feith etc., 2 deelen, Groningen 1896
bis 1899; W. &. Winschotens Seeman, . . . Behelsende een
grondige uitlegging van de Neederlandfe Konst en Spreek-
woorden . . . uit de Seevaart . ., Leiden 1681; Suringar,
Erasmus over Nederlandsche spreekwoordelijke uitdrukkingen
etc., Utrecht 1873 ; Commentaires de Bernardino deMendopa
sur les 6v6nements de la guerre des Pays-Bas 1567—77,
traduction nouvelle par Loumier, Bruxelles 1860—1863, 2
volumes; Commentario del coronel Francesco Verdugo de
la Guerra de Frisa . . . publ. per Henri Lonchay, Bruxelles 1899
(A. Brons). — 2 Oelbilder: Versuchung eines Monches und
einer Nonno (Y. Brons' Erben). — „Kgl. Grossbritannisch
Genealogischor Kalender auf d. J. 1786a, Lauenburg bei J.
G. Berendes (Frau Wilken). — Bello de Hund of Levensloop
van eenen Pudel door hum sfilven verteld un upt Papier ge-
brocht in Rimen door J. L. Lange, Emden by H. Woortman
jr. 1830 (A. Brons). — Goedel, Etymologisches WOrterbuch
der deutschen Seemannssprache, Kiel 1902. — Heuser, Alt-
Friesisches Lesebuch, Heidelberg 1903. — Auszug des General-
superintendenten Bartels aus dem Gutachten des friiheren
Konservators der Denkm&ler Preussens, v. Quast, fiber das
Enno-Denkmal; handschriftliche Notizen liber die E m d e r
Kiinstler J. van Lahr, H. H. de Quitter, Chr. Staude,
S. Lechtenow (Starcke-Melle). — Mitteilungen aus dem Gebiete
des Seewesens, herausg. von dem k. k. Marinetechnischen
Komite, Pola 1902, Vol. XXX Nr. IX, mit einem Aufsatz des
dsterreichischen Fregatten-Kapitans v. Pr era do vie (S. 679
bis 699) fiber das Admiralswerk Kaiser Maximilians H.
1570—76 (v. Potier-Wien.). — Besitzurkunde vom 12. Dez.
1800 fiber das Haus an der Schlichte Komp. 23. Nr. 110 (jetzt
Nr. 16) fflr Phil. D. Wever. (Kaufm. Kl. Foelders). — Hesse,
Beitr&ge zur Genealogie des KSnigl. Hauses Hannover, Han-
nover 1861 (Superint. Hesse-Larrelt). — Jac. Grimm, Ueber
eine Urkunde des XH. Jahrh., vorgetragen in der Sitzung der
preussischen Akademie der Wissenschaften vom 14. Aug. 1851,
Berlin 1852, mit einem Anhange dazu vom 29. April 1852
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— 648 —
(Klinkenborg-Berlin). — Kupferplatte zurPolicen-Vignette
der ersten Assekuranz-Kompagnie zu Emden 1772 — 1891 (A.
Brons). — Eine reichhaltige Sammlung von Flurnamen der
Emder Gegend aus Auktions-Papieren (van Heuvel). — Ein
Oelgemftlde, das die Verktindigung an Abraham und Sara dar-
stellt (aus dem Nachlasse des Kommerzienrates Y. Brons ge-
schenkt). — Ansicht von Leer 1785(9): „Leer, van den Zaag-
molen te sien, Proefdruk, E. B. Meyer ad vivum delineavit,
R. Vinkeles fculpfit, F. BShm excudit", 21V2 cm hoch, 14s/4 cm
breit. — Symon Panser (Emder „Stads-Mathematikus*)t Ver-
klaringe over den Loop van Mercurius. Verklaring van de
Verduysteringe der Mane, Amsterd. 1736 (ein Bogen in Gross-
Folio mit Text und Figuren). — Bericht liber die Tatigkeit
des Jeverl&ndischen Vereins fiir Altertumskunde, erstattet
am 2. M&rz 1903 ; H o h n h o 1 z , Ueber die Entstehung der
Renaissance-Denkm&ler in Jever, Vortrag vom 3. Sept. 1902
(Geschenk des Vereins). — 15ter Jahresbericht der Kaiser
Friedrichs-Schule zu Emden 1903, H e 1 m k e , Die
Wohnsitze der Cherusker und Hermunduren, Beil. zum Jahresb
des Wilhelms-Gymn. zu Emden 1903 (Herrmann). — Pijper,
Jan Utenhove, Leiden 1883. — Ein Neuruppiner Bilder-
bogen: die Leidensgeschichte Jesu Christi in Reimen und Bildern
(Laarmann). — 15 bunte Kupferstiche. — Portrat des
Emder Predigers W. Krull 1813, gemalt von J. L. de Haan
in Emden, gest. v. E. H. Hodges (Frau Rittmeister Eucken,
geb. v. Frese). — Pleyte, Nederlandsche Oudheden van de
vroegste tijden tot op Karel den Grooten, nebst Atlas, Leiden
1877—1902, 2 B&nde und Mappe (A. Brons). — Kupferstich
von Schloss Sanssouci, 2 Lithographien : Burgermeister
S 1 1i v e in Osnabriick und Stadtdirektor R u m a n n in Han-
nover (H. Brons). — F. Ad. Lampe, Einleitung zu dem Geheimnis
des Gnadenbundes . . mit denen beygesetzten Fragen und Ant
worten des Heidelberger Katechismus, Muhlheim a. d. Ruhr 1799
(Schuhmachermeister J. H. Schelten; das Buch wurde auch in
Ostfriesland zur Vorbereitung auf das Abendmahl von den Re-
formierten viel benutzt). — Karte zum Ein- u. Aussegeln aus
der Oster- u. Wester-Ems . . ., entworfen 1824—28 von P. 0.
Visser u. F. Harnack in Emden, gestochen bei Dirk Woort-
man, Emden 1829 (H. Brons). — Abklatsch einer Ins ch rift
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— 549 -
vom Hause Grosse Osterstrasse 51 : Frerik Kivyt, Trintje Raaf
1771 (Hopken). — Bericht der Handelskammer fur Ost-
friesland und Papenburg fur 1902 (Herrmann). — Bremer
Wochentliche Nachrichten vom 14. Jan. 1743 (Rektor Dinkela).
— Staatshandbuch der Provinz Hannover 1903 (Klug).
— Bedingungen und Anordnungen einer zu Emden im Oster-Ems-
Departement formierten Association zur Stellvertretung etc.,
Emden 1811 ; Verordnung, die kiinftige . . . .Landwehr betr.,
Hannover d. 30. Dez. 1816, gedr. bei H. Woortman jr., Emden
1816 (van Rensen). — Seltener Kupferstich : Graf E n n o L u d -
wig v, Ostfriesland mit seiner Braut Henriette Catharina von
Oranien, im Hintergrunde die Emder Burg. — Inventare hansi-
scher Archive des 16. Jahrhunderts, her. v. V. f. hans. Geschichte,
Bdll: Kolner Inventar Bd. 2 (1572—1591), bearb. v. K. Hohl-
baum, Leipz. 1903. — 2Kupferplatten mit dem heil.
Antonius (Anton Wierx fecit, Hieron. Wierx excudit) und der
heil. Caecilia (Malergeselle Diepenbrock) nebst Abdnicken
(Schwalbe). — „Allerh6chst konfirmierte Konvention der
Herings-Fischerei-Gesellschaft zu Emden", gez. Friedrich
Wilhelm, Potsdam d. 3. Dez. 1801, Druck von 12 Seiten
(Reichsarchivar J. A. Feith in Groningen). — 0. von Schiitz,
Die Gnindung von Pfalzdorf, Cleve 1863 (Generalsup. D. Bartels).
— Abbildung der im Juni 1903 in Brammer bei Verden gef.
Moorleiche (Mahlmann). — Darstellung der Weltereignisse
seit 1789, Memmingen 1829; Nouvelle Carte G6n6rale du
Royaume des Pays-Bas, o. 0. 1832 (Weinh. de Ruyter). —
Reinhold, Kurze Uebersicht der Handelsflotte . . Ostfrieslands
in Bez. auf die ... . Marine, Leer 1848 (P. Geelvink). —
W. Meijer, De wording der Gereformeerde Gemeente te Emmerik,
Abdr. aus d. Nederl. Archief voor Kerkgesch., deel II, 1903 (vom
Verfasser in Haag). — Bibel im 4° nach Luthers Uebers.
herausg. vom Pastor Joach. Morgenweg1) in Hamburg, 1712
(Dirk Heinksen u. Frau Gretje, geb. Diekmann in Wester-
l) Der Herausgeber ist kein anderer als der Gatte der Prinzessin
Juliane Louise von Ostfriesland, der Tochter Enno Ludwigs (f 1660), die
nach dem Tode ihrer Mutter Juliane Sophie von Barby zwanzigjShrig
nach Hamburg zog und dort mit dem Pastor am Waisenhause, Joachim
Morgenweg, nach Wiarda (V 163) in heimlicher, aber rechtmassiger
Ehe lebte; sie starb 1715.
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— 650 —
accumersiel). — Schuster- Lehr brief ftir F. CI. Dykmann ans
Nesse v. 13. Febr. 1824 (von denselben). — In v en tar der
Riistkammer d. Stadt Emden, aufgenommen 1901 durch Dr.
Othmar Baron Potier 1903; Ftihrer durch die Rustkammer,
bearbeitet von demselben (Magistrat). — Gierke, Johanna
Althusius u. d. Entwicklung der naturrechtlichen Staatstheorien,
2 Aufl.; Breslau 1902. — Wolkan, Die Lieder der Wieder-
t&ufer, Berlin 1903. — Gruner, Die Marschlandereien der
deutschen Nordseegebiete, einst und jetzt, Berlin 1903. —
Programm der stadtischen hoheren Madchenschule zg
Emden, Michaelis 1903 (Zwitzers). — B. Brons, Lebensbild
der Frau A. Brons, geb, Cremer ten Doornkaat (vom Verfasser).
— Ltibbert, Die Hallische Handschrift von Joh. Cadovios
Mtillers Memoriale Linguae Frisicae, Halle 1903 (vom Vert,
Prof. Dr. J. Liibbert-Halle). — 3 Photographien und 4 Ansichts-
karten von Gemalden der Albrechtsburg in Meissen (Ffir*
bringer). — Liibbert Eiken Ltibbers, Ostfriesische Schiffahrt
u. Seefischerei, Erganzungsheft VI. zu Sch&ffles u. Bdcheis
Z. f. d. gesamte Staatswissenschaft, Tubingen 1903. —
2 Stiche in Schwarzkunst, Scenen aus Heinrich VI. und
Richard III. von Shakespeare; ^Collection des Prospects',
Darstellungen aus den niederl. Kolonien, deutschen Stadten,
aus der Bibel etc., Augsburg um 1790, nebst zugehorigem
Stereoskop; Ostfriesisches Urkundenbuch (Klug). — Tabula
comitatus Frisiae auctore B. Schotano a Sterringa, gest
v. F. de Wit, um 1660. — R. Chr. Gittermann, Erste Predigt
nach dem Einsturze der Kirche in Eggelingen, Emden 1837. —
C. de Haas, De merkwaardigste Gebeurtenissen dezer laatste
Tijden, Gedicht, Emden 1816. — Brustbild des Edo Hil-
dericus &, Varel (1533—1599, Prof, in Heidelberg und Altorf),
gest. v. Kilian um 1720. — Rhein - Ems - Zeitung vom Anfang
November 1903 mit Abbildung der neuen Emder Werft. —
Leuss, Zur Volkskunde der Inselfriesen (Globus v. 1. u. 8. Oki
1903). — Farbige Zeichnung eines kleinen ostfriesischen Mad-
chens mit dem „Fallhuta; Diarium von dem am 5. Okt. 1745
prorogiertenLandtage, Emden bei Brantgum 1746(Rekt. Dinkela).
— Zeitschr. f. historische Waffenkunde Bd. Ill, Heft lu.4,
1903, mit einem Aufsatze von Potier: „Die Riistkammer der
Stadt Emdena (Dr. v. Potier in Wien). — Denkmalpflege V
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— 651 -
Nr. 15 mit einem Aufsatze v. W. Meijer: Die Entartung des
Christuszeichens (vom Verfasser W. Meijer in Haag). —
Plan von Em den von L. Cornelij 1611. — Tholens, Lotte
Wieking, die Lehrertochter von Borkum, Emden 1903. —
Dirks, Struukwark, Norden 1903. — Schucht, Beitrage zur
Geologie der Wesermarschen, Stuttgart 1903 (Abdruck aus
d. Z. f. Naturwissenschaft Bd. 76, geschenkt vom Verfasser,
Dr. Schucht in Berlin). — De vernieuwde Politie-Ordon-
nantie voor de St. Emden 1796; Kaufbrief tiber das Haus
Miihlenstr. Komp. 21 Nr. 22; Cramer, Grundriss der St. Emden
mit Bezeichnung der Verwtistungen der Sturmflut 1825; Rech-
nung des Uitmijners Stosch fur L. Doublet 1787; Gewerbe-
schein ftir Lodew. Doublet 1815 (aus dem Nachlasse der
Witwe Doublet von Zimmermeister Brian). — Postkarte mit
Abbildung des Jubil&ums-Springbrunnens zu Elberfeld (Ftir-
bringer). — Seume und Goschen, Borsenblatt f. d. deutschen
Buchhandel LXX S. 366 f. (Haynel). — Eckardt, Deutsche
Kartenstecher und Verleger des XVIII. Jahrhunderts, BSrsenblatt
f. d. deutschen Buchhandel LXX (Haynel). — Katalog der
hinterlassenen Bibliothek On no Klopps, 10 kleinere Schriften
von Onno Klopp, meist Ausschnitte aus Zeitschriften, namentlich
aus d. J. 1865—1902, betr. Friedrich II., Georg V., Leibniz,
Melanchthon, Abeken, M. Koch aus den Historisch-politischen
Blattern in Mttnchen (Finanzrat Dr. Klopp-Wien). — Fr. B ar-
tels, Die schiefm&ulige Almuth, ein Lustspiel, Leipzig 1903.
— Bergner, Die kirchlichen Kunstaltertiimer, Leipzig 1903 u. f.
— Schumacher, Niederl&ndische Ansiedlungen im Herzogtum
Preussen z. Z. Herzog Albrechts 1525—68 (Publikationen des
Vereins f . d. Gesch. v. Ost- u. Westpreussen), Leipzig 1903. —
Nanninga, (handschriftlicher) Plan ftir eine hSlzerne Schleuse
zur Abwehr der Fluten in Emden 1817; Cramer, Karte v.
Emden; D. E. Nanninga, handschriftliche Karte des Dollart,
copia copiae der (verlorenen) Dollartkarte auf dem Rat-
fa a use zu Emden1) (Lohstoter aus dem Olck-Brticknerschen
*) Sie tragt die Aufschrift: „Dit is gecopierd na een Copei welke
in 1827 vervardigd is na Originaal van dese Kaart welke op het Raadhuis
te Embden hangt door Dirk E: Nanninga." Ueber die verlorene
Dollart-Karte des Emder Rathauses, die wahrscheinlich die einzige Quelle
ftir samtliche spatern Dollartkarten gewesen ist und die noch einer der
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— 652 —
Nachlasse). — Jahrbuch der Gesellsch. f. b. K. u. v. A. zu
Emden, Bd.I, IV,2, V,l, IX,2, X,l, XI— XIV(Schnedermannjr.).-
Der Verkehr des Emder Ha fens i. J. 1903 (Herrmann) -
2 Emder reform. Kirchenzettel v. 5. Nov. 1837 nnd
7. M&rz 1841; Gratama u. Feith, Geschiedkundige aan-
teekeningen bij e. uitv. progr. v. d. optocht . . v. Grave Edzard
de Grote tho Oostfriesland, Groningen 1879 (Schnedermann jr.).
— . 44 Jahrgange der Ostfriesischen Zeitung von
1850—1893, 25 Jahrg&nge der Emder Zeitung 1877—1901-
Literarische Beilage des Ostfries. Schulblattes 1904 Nr. 6
(Fr. Sundermann-Norden). — Wet en Breuk Boek, aangaande
de Oudsten en Ouderlieden van de Kruideniers Gilde.
opgesteld 1774 5. Julij te Emden (Handschrift, 48 be-
schriebene Seiten, geschenkt vom Landschaftsrat King). -
Grundriss des abgebrannten Jdnemannschen Hauses und der
beiden Nachbarh&user an der Ecke der Neutorstr. u. der Kleinen
Osterstrasse, des ehemaligen Valkhofes, vgl. Jahrb. XIV
413 (Stadtbaufuhrer Schultz). — Staatshandbuch fur die
Provinz Hannover 1903 (Klug). — J. van Lennep, Zeemans-
woordenboek, Amst. 1856. — Wolters, ReformationsgeschicMe
der Stadt Wesel, Bonn 1868. — Statuten, Ordonnantien ende
Costumen van Am el and. By . . Sicko v. Camminga. . . nu
wederom . . gedruckt door last van . . Watzo Fr. v. Cam-
minga . . Gedr. by Frans Hardomans 1658 (Lehrer Dinkela aus
dem Nachlass des 1835 gestorbenen Predigers auf Ameland,
Jan Fr. Herborg). — Fooke Hoissen Miiller (der Dichter
der „D6ntjes un vertellsels"), Elemente der Arithmetik und
Algebra (gewidmet dem Prof, der Mathematik und Mitgliede
der Kgl. Akademie der Wissenschaften in Berlin, E. H. Dirk sen
aus Hamswehrum, dem Gatten der Pauline van Wingene),
Potsdam 1839 und 1842 (Dr. Reimers-Aurich aus dem Nachlasse
seines Urgrossvaters, des Emder Stadtbaumeisters Martens). —
Ehmck u. v. Bippen, Bremisches Urkundenbuch, Bd. V.
Verfasser des bekannten Werkes uber den Dollart (Groningen 1855),
Stratingh und Venema, auf dem Rathause vorfand, siehe Stratingh und
Venema, De Dollard, S. 3, Bartels in diesem Jahrbuch I 1 S. 13 und X 2
(Die Trachten des Manningabuches) S. 28 f. Weiteres uber die jetzt uns
gehSrige, wie es scheint, wichtige Kopie der Dollartkarte hoffen wir
spater bringen zu kdnnen.
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— 553 —
Bremen 1889—1902. — Verzeichnis der Schneider, die 1802
bis 1865 in Emden als Meister aufgenommen wurden (Schneider-
meister Harrenstein).
Verm&chtnis des verst. Herrn J. B. van IJsseldijk in
Amsterdam (vgl. oben S. 513):
A. Ostfriesische Handschriften.
I. Nachrichten uber die Emder Familie van den
Bosch (van Os) aus 's-Hertogenbosch von 1543—1672 :
„Geslacht en Stam van den Bosch".
Originalhandschrift in Pergament, angelegt 1649 1),
fortgeftihrt aber noch 1672, herkommend aus dem
Nachlass des Dr. J. A. Snellebrand2) in Twisk.
Die zahlreichen leeren Blatter der Handschrift sind
als Anschreibebuch fiir einen Hausmaler, wahr-
scheinlich Barend Koolhaas zu Bovenkarspel in
Nordholland, benutzt worden.
II. Neuere Abschrift mit einleitendem Text (v. J. B. v.
Usseldyk?)
III. Inhalt sverzeichnis zum Nachtrage von Reershemius'
Ostfries. Predigerdenkmal 1823 nebst Abschrift von
Notizen, die wahrscheinlich Mohlmann dazu ge-
schrieben, von J. B. v. Usseldyk, Amsterdam 1899.
IV. Amtsrolle des Schneider- und Wandscherer-
Handwerks zu Leer, best&tigt von Graf Ulrich.
11/1 1630. Pergament.
V. Dieselbe, best&tigt von Fiirstin Christine Charlotte
3/9 1670. Pergament.
B. Nichtostfriesische Handschriften.
I. „Hauptgenealogie der Descendenten von Henricus
van der Zwalme gen. Swalmius Predikant in Rhoon
in Stid-Holland" nebst Stammtafeln fiir die Ver-
bindung mit den Familien de Fremery, Scheltus
l) von Arent van den Bosch (Sohn von Roelof v. d. B.), Maler
und Aeltesten der franzSs. Gemeinde in Emden 1618—1672, Schaier von
Martin Faber. Der vergoldete Pergamentumschlag tragt ausser dem
Cirksenaschen Wappen hinter dem Emder Wappen die Jahreszahl 1635.
f) Dr. Snellebrand war nach de Hoop Scheffers Geschiedenis der
Kerkhervorming in Nederland S. 573 Verfasser einer Geschiedenis der
Kerkhervorming te Hoorn, Hoorn 1866.
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— 654 -
van Kampferbeke, Nederburgh, von Leonard
Marie Antoine Swalmius van der Linden in
Frankfurt a. M. v. 1. Dezember 1883 mit Zusatz v.
2. Mai 1884 (geb. in Venloo 1814, aus holland.
Milit&rdienst 1840 geflohen; 1853—65 Stadtverord-
neter in Ruhrort, seit 1866 in Frankfurt). Litho-
graphierte Handschrift mit Originalunterschrift des
Verfassers.
II. Brief konzepte aus d. J. 1853—1872 von Ludolf
Jacob Hendrik Scheltus van Kampferbeke,
Directeur von het Postkantoor zu Haarlem (Alcmaar?),
grossenteils familiengeschichtlichen Inhalts.
III. Stammbuch - Blatter von Mademoiselle Christina
Richter in Rees 1783—1794. (Lose Blatter in
einem Briefkuvert.)
IV. Rennliste liber ein Rennen zu Cleve am 31. Juli 1881.
V. Geburtsbrief fiir den Sattler Johann Michael Diet-
rich in Gross-Ziinmern (im Kurf. PfiLlzischen und
Hessen-Darmstadtischen gemeinschaftlichen Oberamt
Umstadt) vom 4. April 1740. J. M. Dietrich war
3 Jahre Sattler-Geselle in Aurich. Pergament.
VI. Bescheinigung der Darmstadter Sattler-Zunft, dass
Joh. Mich. Dietrich von 1733—1736 in Darmstadt
das Sattler-Handwerk gelernt, v. 19. M&rz 1740.
(Pergament.)
VII. Lehrlingsbrief fiir den Feldtrompeter-Lehrling
Joh. Heinr. Schoof in 's-Gravenhage v. 22. Aug.
1744 (deutsch). Pergament.
VIII. Militarpass fiir den wiirttemb. Unteroffizier
Emenegger v. 6. Oct. 1817.
IX. 2 Niederl&nd. P&sse fiir den Grafen und die Grafin
van Buren v. 25. Aug. 1837 u. 13. Sept. 1841.
C. 2 gedruckte Biicher, die zusammen gebunden sind:
Pietschke Heraldik, Helmst&dt 1841.
Der Wappensiegel-Sammler, Leipzig 1861.
Handelingen en mededeelingen, sowie Levensberichten
der afgestorven medeleden der Maatschappij der Nederl.
Letterkunde zu Leiden, 24 Bande von 1874—1897 (Pastor
Dr. Miiller). — Stenzel, Deutsches seem&nnisches WSrterbuch,
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Berlin 1904. — 3 Hefte mit Berichten tiber die Tatigkeit der
Frankfurter Centrale ftir private Fursorge 1903 (vom Leiter
Dr. Chr. J. Klumker in Frankfurt a. M.). — Hollandische
Bibel, Dordrecht 1793. mit angebundenem Katechismus der
Kinderlehre, Emden bei Wenthin „zwischen beiden Syhlen in
der goldenen Druckereia (Frau Apoth. Herrmann). — Ver-
schiedene Stiche, die Hermann Conring (1606—1681), den
Amsterdamer Prediger Johannes Kuchlinus, der sich l&ngere
Zeit in Emden aufhielt (1546—1606), Jacob Martini, Rector
in Norden, nachher Professor der Theologie in Wittenberg (1570
bis 1649, 3 Bilder), und den Mediziner Joh. Christ. Reil
(2 Bilder) darstellen (A. F. Brons). — Carte des Entries du
Suyder-Zee et de l'Embs, Paris 1693. — Alfred v. Wurzbach,
Niederl&ndisches Kunstlerlexicon, Leipzig 1904 u. f. (A. F.
Brons). — Photographien vom Innern, von der Orgel, der Kanzel
und von Wappen der Kirche zu Westeraccum (cand. min.
H. Taaks- Westeraccum). — Pergamenturkunde vom April
1613 betr. 300 Gulden, die der Stadt Emden von den Rats-
herrn Samuel van Wingene, Peter Celos, Jacques Mannes,
Lowyfs Penon als Vormundern tiber einige elternlose Kinder
zur Verzinsung ubergeben worden (Archivar Dr. Schluter-Dorpat).
— Ansicht von Norderney 1828, vom „ Champignon" aus, gez. v.
H. Degener (A. Brons). — 4 Festkarten der Wanderversamm-
lung des Zentral-Vereins fur Fluss- u. Kanalschiffahrt in
Emden am 10.— 12. Juni 1904 (Schwalbe). — Die Festnummern
der Ostfriesischen Zeitung und der Rhein-Ems-Zeitung vom 10.
bis 12. Juni 1904, — Ansicht von Leer, gez., gest. und
herausg. v. G. A. Lehmann 1801. — Abr. Scultetus, Kurtzer
. . . Bericht von den Gotzenbildern: An die Christl. Gemeinde
zu Prag, als aufs K5n. Mayest. . befelch die Schlosskirch von
allem Gotzenwerk gesaubert . . . Sontags den 12./22. De-
cemb. 1619, Prag 1620; Fr. Balduini . . . Gegenbericht auf
A. Sculteti . . . Bericht von G5tzenbildern, Wittenberg 1620. —
Pauli, Die Renaissancebauten Bremens im Zusammenhange
mit der Renaissance in Nordwestdeutschland, Leipzig 1890. —
Handschriftliches Gutachten der 4 Emder Kaufleute F. H.
Metger, A. Escherhausen, C. Tholen, P. J. Abegg tiber Kon-
zent ration des gesamten Han dels von Ostfriesland in
Emden v. 15. Okt. 1804 (L. Gittermann aus dem Nachlasse
Jahrbuoh der Gesellsch. f. b. K. a. vaterl. Altertttmer zu Emden, Bd. XV. 35
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— 556 —
seines Vaters, des Senators Gittermann, letzten Inhabers der
Firma Metger u. Heydeck). — Ein Bild, K5nig Georg V. auf
dem Totenbette darstellend; Klopp, Georg V., 1878 (Dr. v.
Potier).
II. AltertOmer, MOnzen und Medaillen.
„Dumpofentt, mit der Jahreszahl 1767 und der Dar-
stellung Neptuns (Schnedermann). — Urnenscherben, die beim
Ausbaggern desHinterTiefes gefunden wurden(v. Frese-Hinta).
— 3Petschafte, das eine mit einem Storche als Wappen; das
andere mit den Buchstaben C. L. L.(?), einem Baumstamme, an
dem ein Anker lehnt und aus dem nach oben hin der Zweig der
Senfpflanze hervorwachst, einem dreimastigen Schiffe im Hinter-
grunde und der Ueberschrift „Dianaa ; das dritte mit einem
Schilde zwischen 2 Saulen, worauf dieselben Buchstaben
C. L. L. (?) ; durch den Schild gehen kreuzweise ein Anker und
ein Dreizack, auf dem Schilde ein Storch (Pfandverleiher de
Beer). — Bemalte Leinwandtapete, die beim Umbau des
Hauses von Buhr und Thiemens am Alten Markte Nr. 10 hinter
einer Holzverkleidung gefunden (Buhr u. Thiemens). — Schones
Bronzerelief mit dem Kopfe von Hermann Allmers, verfertigt
von dem Bildhauer Kropp in Bremen (Arn. Brons). — Herdplatte
mit Darstellung eines Konigs, vor dem eine Frau kniet (Salomo
und die Konigin von Saba?), aus einem Bauernplatze in Wolt-
husen (an der Stidseite des Ems-Jade-Kanals), der bis 1652 der
bekannten Elisabet von Mahrenholtz, geb. v. Ungnadt gehorte
und jetzt Eigentum des Konsuls Valk ist (Valk). — 4 Back-
steine aus dem Fundament des alten Neuen Tores, das
beim Anbau des Centralhotels an der Neutorstrasse im Juni
1901 zu Tage getreten ist; L&nge des einen: 32 cm, Breite
15 cm, Dicke 71/2 cm, der tibrigen drei : 30, 14, 6x/2 cm (Kustos
C. van Jindelt). — Kleine Grabsteinplatte mit den Namen
Jan van Dalen und Hilke Reiken, einer Hausmarke und der
Zahl 900 (aus Privatbesitz angekauft; Grabsteine, die von
KirchhSfen verschleppt worden sind, finden sich auch sonst in
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— 557 —
unserer Stadt). — Zwei Backsteine von derMauer der altenBurg
bei der Taubstummenanstalt ; Grosse: 30, 14V2, 7 cm und 3072,
15, 7 cm (C. van Jindelt). — Eingerahmte Kalligraphie mit
religiosem Inhalt, gezeichnet von J. Mulder (Pfandverleiher de
Beer). — 29 Delfter Kacheln mit Darstellung von Kinder-
spielen u. a., aus dem ter Vehnschen Hause v. J. 1578 an der
Siidseite der Neutorstrasse Nr. 29 (Eisenhandler W. ter Vehn). —
Schiffsnagel aus Akazienholz (Laarmann; beim Bau eines
Lotsenschoners werden etwa 2500 solcher Nagel verwendet). —
Denkmiinze von der gescheiterten Hafeneinweihungsfeier am
7. Aug. 1901, auf der Vorderseite der Kopf des Kaisers, auf
der Riickseite das Rathaus (L. Gittermann). — Vergoldete
Festmunze der Emder Handwerkerinnungen ftir dieselbe
Feier (Tergast). — Drei schon erhaltene Giebelsteine
von der 1901 abgebrochenen Oelmuhle „Licht en spijs" (an
der Hinter Landstrasse) mit Namen und Wappen des Erbauers
Johan Ysaac Bauman und seiner Gattin Jmke Tobias van
Hoorn und der Jahreszahl 1751 (M. Schnedermann jr.)1). —
Altertfimliche Spange, die in der Nahe von Westerende (bei
Hage) 9 Stich tief beim Mergeln ausgegraben worden (Herm.
Brons). — Feuerstahl (Klug). — Griff einer grossen ungebrannten
tonernen Schale, die in einem Warfe bei der Smidt'schen
Ziegelei westl. von Uttum gefunden wurde (Ziegeleibesitzer
Smidt). — Konvokationspfennig mit dem Namen Tymen
Dks Wever und dem Datum: 17. Dez. 1802 2) (P. van Rensen).
— 2China-Medaillen, einefiir Kampfer, die anderefiirNichtkampfer
(Grafenhain-Hannover). — Apparat zum Giessen der Bleiein-
f as sung von Fenstern. — Grabstein mit den Namen der
Kirchen<esten Harmen van Fullen, gest. den 16. Sept. 1638,
*) vgl. Jahrb. XIV S. 407.
•) Tymen Dirks Wever, geboren 1761, ertrunken mit 2 Sohnen 1808
(nach der Grabschrift), ist der letzte in der Grossen Kirche begrabene
Tote; sein Grabstein liegt westlich vom Trauchor. Am 12. August 1902
kuildigte das Kgl. Amtsgericht II zu Emden die Versteigerung des in
Emden zwischen beiden Bleichen 2ter Theil Haus Nr. 4 belegenen . . .
auf den Namen der Witwe des weil. Timen Dirks Wever, Antje Dirks
Sielstra, ftir die eine Halfte und der Geschwister Cornelius, Teika u. Greta
Wever ... fur die andere Halfte eingetragenen Grundstiicks auf den
14. Okt. 1902 an (Ostfries. Zeitung vom 16. Aug. 1902). Das Emder Adress-
buch von 1877 fuhrt ^Johanna Wever Zwischen beiden Bleichen II 4" auf.
36*
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65 J. alt, und des Abraham van Full en, f 1640, nebst Wappen
(einem Fallen?) und Hausmarke, bezeichnet mit der Zahl 280,
gef. in einer Tiefe von 1 Meter beim Ausscbachten der Bau-
grube ftlr die Wohnung des stadtischen Nachtwachtmeisters
auf dem ehemaligen Friedhofe der Gasthauskirche hinter dem
Hause Kl. Faldernstrasse Nr. 2; und ein zweiter Grabstein
mit dem Namen des Hermann Dop, gest. 1637 (vom Magistrat
in Verwahrung tibergeben). — Pets c haft desfranzos. Friedens-
richters zu Norden mit der Umschrift: B. Heilmann, notaire*
& Norden, tribunal de paix, Ems Oriental, und dem Bilde eines
Adlers (Karl Brons-Bremen). — Plattrunde tOnerne Feld-
flasche mit 2 Oesen zum Durchziehen eines Tragriemens und
der Jahreszahl 1590 *) (geschenkt vom Landwirt Dreesmann in
Kl. Midlum durch Vermittlung des Lehrers Groen daselbst). —
Steinhammer aus einer granitartigen Masse (Feldspat oder
Glimmer, aber ohne Quarz), 12 cm lang, 672 cm breit und mit
einem runden Stielloche versehen, gef. 1901 bei Plaggenburg
75 cm tief in einer Schicht roten Sandes beim Sandschl5ten
(angekauft durch Vermittlung des Hauptlehrers Janssen in
Plaggenburg). — Hals eines blau-grauen glasierten rheinischen
Gef asses mit 3 Medaillons und Spuren eines Henkels sowie
der Jahreszahl 1589, gef. beim Bau des van Sendenschen Hauses
an der Boltentorstr. (L. van Senden). — Konsole oder
Tragstein eines Treppengewolbes mit einer menschlichen FigurT
die in einen Fischschwanz auslauft (Zimmermeister Hollander
an der Burgstrasse). — Versteinerte Herzmuschel, gef. bei
Ibbenbtihren (Kaufmann van Jindelt-MtLnster). — Letterntuch
mit dem Datum des 5. Oktober 1844 aus der Familie der verst.
Frau Boelsen, geb. Bussen (Y. Brons). — 7 Delfter Kacheln.
6 blau, eine bunt, mit Darstellung eines zum Schuss anlegenden
Landsknechts, eines Lehrers mit Knaben an der Wandtafel
usw., aus dem abgebrochenen Hause an der Ecke der Kl. Bruck-
strasse und der Ostseite der Dalerstr. (L. Gittermann). —
Schlfisselhaken mit Anker, Herz und Kreuz, beim Bau des
Gassensschen Hauses an der Gr. Bnickstr. gef. (J. de Beer jr.). —
Zwei sehr schone Estrich-Platten, eine, blau, mit Darstellung
l) rheini8ches Fabrikat, vgl. Brinkmann, Das Hamburgische Museum,
S. 261 und 257.
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— 559 —
eines Segelschiffes, im Hintergrunde eine Ktiste, die andere,
violett, mit einer Vase und 2 als Narren gekleideten Personen
zur Seite (Fr. Folkerts jr.; beide Platten stammen aus dem
Rodewykschen Hause an der kleinen Bruckstrasse, Nordseite,
Ecke des Torfraarktes, in dem friiher Kacheln zum Kaufe
standen). — Zwei l&nglichrunde 2 cm lange und zwei pfeil-
spitzenartige, nach beiden Seiten spitz zulaufende 4 cm lange
und ya cm breite Gegenstande von Feuerstein, gef. von
Arbeitern bei Klein-Holum (b. Esens) neben Urnenscherben,
1 m tief unter ebener Erde (Lehrer Tongers in Kl.-Holum durch
Vermittlung des Generalsuperintendenten Bartels; die beiden
erstgenannten Alterttimer sehen wie eine versteinerte Haselnuss
und eine Eichel aus). — Zwei Fensterscheiben aus dem
ehemals Schulteschen, jetzt Bronsschen Hause am Delft Nr. 27,
die eine mit einer Hausmarke und den Buchstaben I. L. B. auf
rotem Grunde, die andere mit dem Worte „Wijna (H. Brons;
an die Weinhandlung, die friiher in dem Hause getrieben
wurde, erinnert noch das Weinfass und die Weintraube im
Giebel). — Drei Bleifensterrahmen, grosstenteils mit den er-
haltenen bemalten Scheiben, aus dem Bronsschen Hause am
Delft Nr. 27 ; die Mittelscheiben von zweien tragen Hausmarken
mit den Buchstaben I I W und H F, iiber letztern ein Bienen-
korb (H. Brons). — Zwei bemalte Scheiben, eine mit der In-
schrift „Btirgermeister . . . Damtf (angekauft durch Vermittlung
des Auktionators Ulferts in Esens). — 2 Sandsteinkonsolen
einer Sitzbank, geschnitztes Sttick eines wahrscheinlich aus
dem XVII. Jahrh. stammenden Ladentisches (Gestell zum
Aufhangen von Diiten), eine Mengfc blau-weisser F lie sen mit
Darstellungen von Frauen, Knaben, Soldaten, Tieren und Blumen,
eine Sammlung von 15 alten Mau erst ein en verschiedener
Art: Formsteine* vom (Jesimse und Backsteine meist aller-
grGssten Formats (34: 10: 17 cm und 31 : 8: 15 cm), alles vom
Degenaarschen Hause an der Stidseite der Grossen Strasse und
der Deichstrasse, dem sog. Alten Rathause. — Eine kleine
Tasse ohne Henkel („Kumpkea), ein grtinglasierter Topf und
ein Schusterhammer (?), gefunden bei Bauten im Keller des
alten Gymnasiums (Bierhandler Buurmann). — Kamm, gef.
12 Fuss tief, 3 geglattete Schlittschuhknochen, gef. 8—9
Fuss tief im Garten des Landwirts S. E. Aukes in Canum
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(Aukes-Canum). — Vier alte Salzmasse mit Stempeln ans
d. J. 1842—1870 (Kaufmann Kittel in Aurich durch Vermittlrmg
des Kaufmanns Geyko Freese in Emden). — Die zwei ersten
ausgegebenen Fahrscheine der Sonntag den 23. Febr. 1902
eroffneten elektrischen Kleinbahn von Emden nach dem Aussen-
hafen Nr. 0001 und Nr. 0002 (Betriebsleitung). — Hollandisches
Letterntuch mit dem Datum des 8. April 1755 und dem
eingestickten Namen Planter (Kaufmann Abr. Krah). —
M e d a i 1 1 e einer Emder Assekuranz-Kompagnie mit dem
Namen Berent Wyman, Mede-Stigter, 1783, und der Umschrift:
Hinc labor, hinc merces, auf der Riickseite: In magnis non
sufficit una. — Tonkugeln („Mergelknollena x) aus Pilsum,
Naturprodukt, gef. in Hauen bei Greetsiel 2—3 m tief (Land-
wirt K. Smidt-Pilsum durch Vermittlung des Apothekers
Dr. Mahlmann). — Zunderbuchse (J. de Beer). — Schwarz-
gebrahntes Topfchen, gef. 10 Fuss tief beim Wuhlen, ein
hohler, an einem Ende abgebrochener, am andern zugespitzter
Knochen, vielleicht von einem Wurfspiess (Lehrer Aits zu Weit-
mar in Westfalen2). — Sttickeines Kammes, Schlittschuh-
knochen, gef. bei Canum, Holznadel, 16,4 cm lang, runder,
durchlochter Netzbeschwerer, gef. bei Woquard (Aukes-
Canum). — Vierteiliges Kirchenbankschild, oben links ein
Adler, rechts ein Baumstamm mit einem Vogel, unten links eine
Hausmarke mit den Buchstaben HVWB, rechts drei Kleeblatter,
gef. beim Neubau des Backer H. Hempenschen Hauses an der Sud-
seite der Kl. Briickstrasse Nr. 7 (durch Vermittlung des Pastors
Vietor-Hinte). — Ein altes eisernes Grabkreuz von vorziiglicher
Schmiedearbeit mit Namenschild, gef. hinter der Kirche zu
Etzel, Kr. Wittmund (Regierungs- und Baurat Bohnen in Aurich,
jetzt in Konigsberg i. Pr.). — Kleine Dose mit Glasdeckel,
unter dem sich kunstliche Blumen und Filigranarbeit befinden
(Laarmann). — Stuck vom Rande einer Urne und ein Knochen.
gef. beim Abtragen eines Warfes zwischen Uttum und Jennelt
(Smidt-Uttum). — Tor-Schlussstein mit der Inschrift pDe
witte Olifant" nebst den dazugehorigen Architekturstucken
J) vgl. Bijdragen tot de kennis van de provincie Groningen I, 1901.
S 82 ff.
2) aus Visquard, fruher in Rysum, Ditzumerverlaat und Hatzam.
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— 561 —
(Bernh. Brons; der Stein war auf dem Tore der Ewenschen
Gartenmauer zwischen beiden Bleichen, soil aber friiher am
Schnedermannschen, ehemals Payneschen Hause an der Neutor-
strasse angebracht gewesen sein ; der weisse Elefant war das
Zeichen der Payneschen Tabakstirma). — Eiserner Hausanker
aus dem alten Neuen Tore, der sich beim Bau des Kappelhoff-
schen Hauses an der Neutorstr. gefunden hat (H. Kappelhoff
Wwe. & Sohn). — Alte Schlitten-Kutsche, „Sleperkea (Erben
des Kommerzienrats Y. Brons). — Spinnwirtel mit kreis-
formigen Verzierungen (Aukes-Canum). — Messingschild mit
Darstellung einer Bockwindmtihle, woruber die Buchstaben
D. W. M. (De Witte Molen?), und zweier Garben, die von 2
Handen gehalten werden, wahrscheinlich das Abzeichen eines
Emder Kontrolbeamten fur die Mahlaccise von Weizen, eines
sog. „Kiekerstf, der in der N&he der Mfihle eine stadtische
Wohnung hatte, um die Ein- und Auskommenden zu beob-
achten, gef. 2 Spatenstich tief in dem 1845 gebauten Deiche
bei der Taubstummenanstalt. — 2 Herdplatten aus dem
Eckhause an der Boltentor- und der Sudseite der Bismarckstr.,
die eine mit Neptun auf einem Wagen, der von 4 Pferden ge-
zogen wird, und der Jahreszahl 1681, die andere mit Venus,
der 2 Liebesgotter einen Spiegel halten, 2 andere Schmuck-
gegenstande darreichen.1) — Degen mit altem schon ge-
arbeiteten silbernen Griffe (Frau Hyma Witte, geb. van Hoorn
infolge letztwilliger Verftigung ihres Vaters, des verst. Gold-
schmieds van Hoorn). — 2 Urnenscherben mitHenkel, ein
Topfchen, 2 BockshOrner, 1 Schienbeinknochen eines Schafes (?),
Unterkiefer eines Rehs (?), gef. nordlich von Visquard (Land-
wirt Mtiseler- Visquard). — Alte Handlaterne flir Oel (Siegfr.
Pels). — Messingene Handkette. — Goldwage mit alten
Gewichtsstiicken, deren altestes die Jahreszahl 1612 tragt; als
Fabrikant der Wage ist mit Tusche „ Jacob Soo . . er 1658 tot
Hoorn" vermerkt (Goldschmied Fr. Richter). — Silberne Erinne-
rungsmedaille, die aus Anlass der Anwesenheit des Kaisers
in Emden am 30. Juli 1902 hergestellt worden ist; vorno das
Rathaus, darunter die Harpyie mit der Umschrift : „Zur Erinne-
l) Das Haus hiess einst „De gouden ploeg*, vgl. Jahrb. XIV S. 414
und 416.
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rung an die Anwesenheit des Kaisers Wilhelm II. zur Besichti-
gung des neuen Aussenhafens inEmdenl902a; auf derRtickseite
Profilbild des Grossen Kurfiirsten (nach einer alten Medaille
in unserer Sammlung) mit der Umschrift: „Den um den Hafen
von Emden und j den Emsstrom verdienten Hohenzollern8
(Magistrat). — Sehr alte, zylinderfBrmige Senfmiihle von Stein,
an der Seite ein menschlicher Kopf mit langen Ohren und auf-
gerissenem Munde (Landgebr&ucher Harm Slink in Tjliche bei
Marienhafe durch Vermittlung des Pastors Liipkes). — Alte P ost-
quittungsscheine aus Ostfriesland (Schnedermann jr.). —
Zerbrochener Gl&tt-oder Schlittschuhknochen, Knochen mit
einer runden Vertiefung in der Mitte, Rtickenstiick eines Kammes,
defekter Kamm, gut erhaltener langer, schmaler Kamm, Stuck
Eisen, an dem einen Ende spitz, an dem anderen Ende mit
einer runden, nach oben offenen, tibergebogenen Oese; gef. in
einem nunmehr abgetragenem Warfe bei Canum (Landwirt
Heeren-Canum). — Zwei Kacheln, gef. beim Umbau des
Hauses am Delft Nr. 27 (H. Brons). — Siegelstempel
mit dem ostfriesischen Wappen, gef. bei Walchum b. Aschen-
dorf (das Wappen hat den Elefantenorden, wie er sich auf
den Dukaten Christian Eberhards, Georg Albrechts und Karl
Edzards findet). — Hausanker aus dem abgebrochenen
Brons'schen Packhause an der Nordseite des Alten Marktes
(Schlosser Wienholtz und Kaufmann Jac. van de Walde). —
5 grosse Backsteine aus dem jetzt abgebrochenen Hause
an der Siidseite der Pelzerstrasse, ostlich von der Grossen
Kirche, der wahrscheinlichen Statte der Gertruden-Kapelle. —
Alter Ofen aus dem van Delden'schen Hause an der Gr.
Osterstrasse (die Hinterbliebenen der Frau van Delden, geb.
Brons). — Ehemaliger Taufstein der Jennelter Kirche (in
Verwahrung ubergeben). — Alte 0 ell am pe (Laarmann). —
Gipsabguss von einem in der Auricher Kiisterei gefundenen
Bleistempel mit dem ostfriesischen Wappen aus preussi-
scher Zeit (Kuster Eggen in Aurich durch Vermittlung des
Archivrats Dr. Wachter). — Feuerstein-Pfeilspitze, die vor
1882 beim Pfahldamm im Wrissemer Hamrich bei Aurich (vgl.
Jahrb. II 2, 1877, S. 158) gefunden eein soil (Kanzleisekret&r
a. D. Fr. Tjarks-Aurich). — Zwei Konvokationspfennige
mit den Namen: J. SchMr, Stadtverordneter in Emden, 17. Febr.
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— 563 —
1840, und A. H. Hamphoff , ohne JahreszaU (K. Brons-Bremen). —
Alte Ktichen-Oellampe (Frau P. Wilken). — Barock-Ober-
lichtfenster aus dem Dodenschen Hause an der Stidseite
der Boltentorstr. (von dem Kaufer des Hauses, Maler Assmus).
— Kleine Goldwage (Kaufmann Kittel in Aurich). — Mittel-
stiick eines viereckigen Ofens aus Ton mit Darstellung eines
antiken Opfers im Empire-Stil (Tischler H. Schulte; das Stuck
lag bisher unbeachtet in einem Winkel seines Hauses an der
Oldersumer Strasse, das friiher einem jiidischen Trodler gehorte).
— Giebelstein vom Brons'schen Hause Delft Nr. 28 mit der
Jahreszahl 1579 und einem Wappen, das zwischen 2 Fliigeln
ein Herz und einen fiinfstrahligen Stern dartiber aufweist1)
(B. Brons' Erben). — Ein aus Stiicken zusammengesetzter
Kamm aus Knochen von der bekannten dicken langlichen
Form, aber ohne alle Verzierungen, und ein dreieckiges lang-
liches glattes Plattchen, ebenfalls von Knochen, oben im
spitzen Winkel mit einem Loche, das zum Durchziehen eines
Bindfadens gedient zu haben scbeint, gef. im Dorfwarfe von
Manslagt beim Abtragen von Erde zum Verkaufe nach den
Fehnen hin (Landwirt Franz Habbena in Manslagt). — Eiserne
Luther-Medaille von 1883 (Y. Brons). — Zwei Ofenplatten,
beide mit Darstellung der Ermordung des Feldhauptmanns
Abner durch Joab, 2. Sam. 3, Vs. 6—34, gef. beim Abbruche des
Eckhauses an der Pelzer- und der Emsmauerstrasse nach der
Grossen Kirche hin im Keller (Zimmermeister de Boer). —
3 alte grosse Backsteine aus der ehemaligen Spenningaburg
zu Stapelmoor (Gutsbesitzer Ditzen in Stapelmoor und Kauf-
mann Bernh. de Vries). — Viereckiges Plattchen aus Knochen
mit ringfSrmigen Verzierungen, Spinnwirtel, Bruchstucke
von einem Kamme , der mit eingeritzten sichkreuzenden Strichen
verziert ist, gerundetes, nach beiden Enden spitz zu-
laufendes, pfriemenartiges Stabchen von 30 cm Lange, sack-
tuchartige Zeugreste, gef. 8 Fuss tief beim Abgraben eines
Warfes zu Canum, im Danger (Landwirt S. E. Aukes, Canum).
l) Dasselbe Wappen hat sich auf einer Saule, leider unbekannter
Herkunft, in unserer Sammlung und auf einem Grabsteine (mit ver-
wischtem Namen) im mittleren Langsgange der Grossen Kirche vor-
gefunden, vgl. Jahrb. XIV S. 415.
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— 664 —
— Pfriemenartiger Gegenstand (wie der obenerwahnte
aus Canum), kleine Eisenspitze mit Knochengriff, gef. im
Manslagter Dorfwarf beim Abtragen von Erde (Fr. Habbena-
Manslagt). — Zwei sehr grosse alte Radnaben (jTrummen1,
„Btissena), Netzbeschwerer (Aukes-Canum). — Herdplatte
mit biblischer Darstellung, von der noch ein Brunnen deutlich
zu erkennen ist (Christus und die Samariterin?), aus dem van
Deldenschen Hause an d. Gr. Brtickstr. (Hinterbliebene der verst.
Frau Dr. van Delden). — Alte Handlaterne. — 2 rundlicbe
Glasgegenst&nde, die zum Gotten gedient zu haben scheinen
(Frl. G. van Pilsum). — 2 Reitersporen, 2 Namensbretter
von dem Schiff: „De Jonge Heereal) 1816 (P. H. Geelvink). -
„ Krone" eines Spinnrades, zum Umwinden der fertigen
Faden (Snitjer). — Korsettartiges rotes Mieder mit Brustlatz,
getragen vgn der Urgrossmutter der Frau Deichrichter van
Hove, geb. Freerksen (van Hove-Larrelt). — Viereckiger Konvo-
kations pfennig mit der Aufschrift: Mattheus (oderMattheies?)
1728, gef. im Hause des Zimmermeisters de Boer, Miihlenstr. 68
(Obersekundaner W. de Boer). — Ueber 100 Estriche mit
Landsknechten, Frauen, spielenden Knaben, Schiffern etc. aus
dem Hause Zwischen beiden Sielen Nr. 10. — Urne aus dem
Rabbelsberge2) (24 cm hoch, 30 cm breit im Durchmesser der
grossten Bauchweite 10 cm am Boden, 19 cm am oberen Rande), ein
Menschensch&del unbekannter Herkunft, Versteinerungen (an-
gekauft aus dem Nachlasse des verstorbenen Lehrers Eilers
in Reepsholt). — Urnenscherben, auf dem Untergrunde des
Moores bei Strakholt gefunden, Steinbeil und Steinhammer,
ebenfalls auf dem Untergrund des Moores, gef. im Rauchstall
bei Strakholt (Lehrer Hillers in Strakholt). — Ein wertvoller
Degen mit der zweimal auf der Klinge wiederholten Inschrift:
in te Domine 1414 (?), den unser friiheres Mitglied, Holzhandler
Petrus Wilken, 1848 als Soldat der Burgerwehr getragen (Frau
*) = Hero. Das Schiff war nach Mitteilung des Herrn P. van Rensen
eine Schonerkuff von 74 Fuss Lange, 19 Fuss Breite und 12 Fuss Tiefe;
der Kapitan des Schiffes, van Laar, war ein Verwandter der Familie
van Rensen.
■) Vgl. Jahrb. XIII S. 286 und XV S. 495.
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— 565 —
Wwe. Wilken). — Ein sehr grosser blauseidener S chirm1) mit
Fischbeinrippen, der aus Frankreich stammen soil (von der-
selben). — Bleierne Schnupftabaksdose mit eingraviertem
grossbritannischen Wappen, Miinzgewichte von Messing aus
einer Goldwage (D. Heinksen und Frau, geb. Diekmann in
Westeraccumersiel). — Altertiimliche Weinflasche (V2 Liter)
mit breitem Boden, „Kloppertf (de Ruyter). — Eine Lanze,
in der eine Kosakenwaffe aus den Freiheitskriegen vermutet
wird (Frl. G. van Pilsum). — 2 goldene ostfriesische Ohrringe,
eine goldene Brosche. — Drei-Stuber-Sttick aus Silber
von Enno II. mit der Jahreszahl 1529. — „ Ruffeleisen a
zum Platten (Schnedermann jr.). — Lettertuch, angefertigt
von Marie Addengast, spater verheirateten Frau Petrus Schuur-
mann, der Grossmutter unseres friiheren Mitgliedes Petrus
Wilken (Frau Wwe. Wilken). — Sab el des Feldwebels der
Emder Biirgerwehr v. J. 1848, Klug (Landschaftsrat Klug). —
Feuerzeug: ledernes Beutelchen mit Eisen und Achat ;
silberne Denkmiinze auf die Rilckkehr KSnig Friedrich
Wilhelms III. und der Konigin Luise v. J. 1809, gepragt bei
Daniel Loos in Berlin, nebst einer gedruckten Beschreibung
(Klug). — Der Giebelstein von demim Mai 1904 abgebrochenen
Hause an der Ecke der Kleinen Briickstrasse Nr. 8 und der
Hofstrasse mit der bekannten Inschrift „Dit is dat eerste
ghebow"2) (Uhrmacher Gans). — Emder 28-Sttiber-Sttick
aus der Mitte des XVII. Jahrh. mit den Aufschriften : „Ferit et
*) Am 28. Juni 1904 wurde auf dem Schlachtfelde von Belle- Alliance
ein franzosisches Denkmal zur Erinnerung an die in der Schlacht ge-
fallenen Franzosen errichtet. Aus diesem Anlass berichtete der „Figaroa
nach den Erinnerungen eines belgischen Edelmanns, des Grafen von St.
Germain, der sich am Tage der Schlacht, am 18. Juni 1815, in Brussel
befand, u. a. uber die Angst der Briisseler vor einer Plunderung durch
die Franzosen: „denn man erzahlte sich, dass Napoleon seinen Soldaten
versprochen habe, ihnen die Stadt 4 Stunden lang zur Plunderung zu
uberlassen . . . Trotz des strdmenden Regens standen die Briisseler dicht-
gedrangt auf der Place de la Monnaie, wo man sich die neuesten Nach-
richten mitteilte, und wartete, geschutzt durch grosse, farbige Regen-
schirme, die damals Mode waren.
•) Vgl. Jahrbuch XTV S. 414. Die dort vermutete Jahreszahl 1570
befindet sich wohlerhalten auf der bisher verdeckt gewesenen unteren
Halfte des Steines.
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— 566 —
tuetur genuino rostro" — „Ruet divisa civitas".1) — Zwei
Steinsarge aus Engerhafe (Landwirt Dj. Ulferts in Upgant,
vgl. o. S. 532). — 2 Spitzen-H&ubchen (Rektor Dinkela).
— Die Gipsmodelle des Fischers und des Matrosen vom
Brunnen an der Bonnesse (von der Witwe des Kiinstlers, Fran
Ktisthardt in Hannover). — Kriegsdenkmiinze von 1815
fur den Kapitan Harm Laarmann (vom Enkel, Lotsenkomman-
deur Laarmann). — Netznadel aus Knochen, gef. in der
Baugrube des Kappelhoffschen Neubaus an der Neutorstrasse
(Gartner Schrage). — Eine Anzahl silberner Munzen aus
neuerer Zeit (Klug). — Alte L at erne mit Fenstern aus Horn-
platten in Bruchstticken (Lohmeyer). — Urnenscherben,
halbe Spinnwirbel, Tierknochen, Netzsenker, mit Aus-
nahme des letzteren am 23. Jan. 1904 ausgegraben in Gegenwart
einiger Mitglieder bei Visquard auf einem Grundstuck des Land-
wirts Museler; der Netzsenker ist friiher bei Visquard gefunden
(Miiseler-Visquard). — Edelhirschgeweih, gef. 3 Fuss tief
in Canum (Aukes-Canum). — Alte Kaffeekanne aus Ton, die
mit Blumen und VSgeln verziert ist. — Seidenstickerei
in verschiedenen Farben mit einer Kirche und anderen Hausern,
im Hintergrunde Wasser und Berge (Schnedermann jr.). —
Jackchen, das die spatere Frau des Emder Stadtchirurgen
Schtitte (geb. 1765) als junges M&dchen getragen (von ihrem
Enkel, Uhrmacher Bentzen). — Eiserne Herdplatte aus dem
friiher Brellschen Hause Bismarckstr. Nr. 16 (D. Dreesmann
Penning jr.). — Ein Kastentisch (aus dem Nachlasse des
Landwirts Heeren zu Cirkwerum). — Scherben von 2 glatten
Urnen, gef. beim Wuhlen inManslagt, Netzsenker, gef. 10* tief
bei Manslagt in einer Ansammlung von Meeresmuscheln (Fr.
Habbena-Manslagt). — Aushangeschild des verstorbenen
Buchbinders Bartels, Neutorstr. 41, eine Bibel (Frl. Bartels). —
Holzernes S child mit den Emblemen der Zimmermannszunft
vom Hause an der Ecke der Lilienstrasse und der Lookvenne,
Siidostecke (Schlossermeister Steinhauer). — Buchbeschlage
aus Silber von einer Bibel (Frau Apoth. Herrmann). — Herd-
platte mit der Jahreszahl 1611 aus einem Hause an der Schul-
strasse. — Ein aus Stangen und Segeltuch bestehendes Bett
*) Statt der Harpyie tragt die Mtaze einen Doppeladler.
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— 567 —
fur Kinder von 5—12 Jahren, „Esela genannt (Lotse Thyssen).
— Holzernes Mo dell vom Kellergewolbe der alten Rentei an
der Grossen Strasse (Snitjer).
Reehensehaftsberieht
uber den finanziellen Stand der Gesellschaft fur die Zeit vom 1. Mai 1902
bis zum 30. April 1904.
Erstattet von dem zeitigen Rechnungsfuhrer A. F. Brons.
I. Einnahme.
1. Beitrage der Mitglieder in der Stadt Emden 1902/3 JC 1152. —
1903/4 „ 1158.—
JC 2810.—
2. Beitrage von auswartigen Mitgliedern . . 1902/3 JC 510. —
1903/4 „ 513.22
JC 1023.22
3. Beitrage der ostfriesischen Landschaft
zu Aurich 1902/3 JC 1000.—
1903/4 „ HOP.— 1)
JC 2100.-
4. Beitrage aus der Provinzial-Hauptkasse
zu Hannover 1902/3 JC 550 —
1903/4 „ 550.-
JC 1100.—
5. Zinsen 1902/3 JC 21.72.
1903/4 6.76.
JC 28.48
6. Vermischte Einnahmen .... 1902/3 JC 182.50
1903/4 — .—
JC 182.50
ganze Einnahme JC 6749.20
II.
1. Zinsen fur Schuldkapitalien . . 1902/3 JC 216. —
1903/4 „ 207.20
JC 423.70
') Davon M. 100. — Beibtllfe zur Anlage von Blitzableitern auf dem Gesellschafts-Gebfttide.
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— 568 —
2. Fur Schuldentilgung
3. Steuern und VersicherungsprEmien
4. Fur Unterhaltung der Gebfcude
5. Fur die Bibliothek
6. Far die Munzsammlung
7. Fur die Gem&ldesammlung und sonstige
Kunstgegenst&nde .
8. Fur die Altertumssammlung
9. Fur Mobilien und Utensilien
10. Beitr^ge an Gesellschaften
1902/5 JL 300.—
1908/4 „ 500.—
JC 600.-
1902/5 JL 350.51
1903/4 „ 539.84
JC 670J5
1902/3 JL 186.28
1908/4 r 759.1 5 *)
1902/3 ** 202.80
1905/4 „ 268.58
.4f 465.88
1902/8 UK 158.50
1908/4 „ 29.05
UK 18I.&5
11. Verwaltungskosten
12. Fur Beleuchtung
1902/8 JL 96.51
1908/4 „ 88,25
1902/8 JL 106.25
1908/4 r 158.25
1902/8 UK 109.94
1908'4 60.10
1902/8 JL 33.—
1908/4 „ 83.-
1902/3 JL 169.21
1903/4 m 106.72
1902/3 JL 87.58
1908/4 „ 74.56
UK 179.76
Ji 265.-
uK 170.04
JL 66.-
UK 275.93
UK 162.14
13. Fur die Besoldung des Hauswarts
nebst Heizung
14. Druckkosten und Buchbinderlohn
15. Vermischte Ausgaben
1902/3 JL 350.-
1903/4 m 350.-
JL 700.-
1902/3 JL 1423.50
1903/4 „ 673.60
1902/5 JL 170 —
1903/4 m — .-
UK 2097.10
JL 170.-
ganze Ausgabe .£ 7378.*
») Darunter •£ 616.40 fftr Anlage von Blitzableitern.
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— 569 —
III. Vergleichung der Einnahme und Ausgabe.
Die Einnahme betrag in den beiden Rechnungsjahren . . JL 6749.20
Die Ausgabe dagegen „ 7878.88
mithin Mehrausgabe JL 629.68
IV. Schulden.
Die Schulden betrugen am 1. Mai 1902 JL 4090.30
Dagegen am 1. Mai 1904 „ 4119.98
£8 trat also eine Vermehrung ein von JL 29.68
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Verzeiehnis der Mitglieder 1904/5.
I. Ehrenmitglieder.
B arte Is, Dr. theol., reform. General-Superintendent a. D. in Aurich (18691)
Berghuys, Kaufmann in 's-Gravenhage (1868).
t Merkens, Franz, Rentner in K61n (1898), gest. am 8. Jan. 1906.
Rassau, Oskar, Bildhauer in Dresden (1892).
t Rose, Amtssekretar a. D. in Lintel b. Norden (1879, gest. am 17. Dez. 19(H).
Starcke, E., Fabrikbesitzer in Melle (1871).
II. Korreepondierende Mitglieder.
Blok, Dr. phil., Professor an der Universitat Leiden (1889).
Borchling, Dr. phil, Privatdozent in Gottingen (1899).
Boschen, Bildhauer in Oldenburg (1886).
F a b r i c i u 8 , Dr. juris, Senatsprasident am Oberlandesgericht in Breslau (1889).
Holtmanns, Rektoratsschullehrer a. D. in Cronenberg bei Elberfeld (1875).
Klinkenborg, Dr. phil., Assistant am Kgl. Geh. Staatsarchiv zu
Berlin (1897).
Liebe, Dr. phil., Kgl. Staatsarchivar in Magdeburg (1887).
Nanninga Uitterdijk, Archivar der Stadt Kampen (1873).
Pannenborg, Dr. phil., Professor in Gflttingen (1892).
Peters, C. H., Reichsbaumeister in Haag (1897).
Rose, Burgermeister in Barth (1879).
Sello, Dr. jur., Grossh. Archivrat in Oldenburg (1897).
Siebs, Dr. phil., ord. Professor an der Universitat Breslau (1893).
Sundermann, Lehrer in Norden (1873).
Winkler, Joh., Arzt in Haarlem (1882).
III. Ordentliche Mitgliedep.
a. in Emden.
Bauermann, H., Kaufmann (1893).
Bertram, Fr., Rentner (1891).
Bertram, Joh., Kaufmann (1902).
Brons, Arn. F., Niederlandischer Vize-Konsul, Senator a. D. (1871).
Brons, B., Niederlandischer Konsul, Senator a. D. (1871).
Brons, Bernhard J. S., Kaufmann (1878).
Brons, F., Schwedischer Vize-Konsul (1877).
Br on 8, Herm., Kaufmann (1901).
Brons, Y., Kaufmann (1893).
Butenberg, O., Rentner (1879)
') Dio beigefiigte Zahl bezeichnet das Jahr dor Aufnahmo.
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Diedrichs, J., Rendant des ersten Entwasserungsverbandes (1905).
van Doornum, C.t Kaufmann (1896).
v. Freese, Landrat (1894).
Furbringer, Oberbiirgenneister (1875).
Geelvink, H., Kaufmann (1871).
Geelvink, P., Kaufmann (1872).
Geelvink, Dr. med. (1903).
Gittermann, L., Bankvorsteher (1899).
fGraepel, Fr., Senator a. D. (1872)1).
Haynel, W., Buchhandler (1872).
Haenisch, Pastor (1894).
Herrmann, C, Apothekenbesitzer (1880).
van Heuvel, KSnigl. Auktionator (1895).
Hofker, Past. emer. (1871).
H6pken, Dr., Oberlehrer am Gymnasium (1894).
Kappelhoff, A., Senator (1875).
Kappelhoff, H., Kaufmann (1899).
Kleinpaul, Dr., Redakteur der Ostfriesischen Zeitung (1904).
Klug, Landschaftsrat (1870).
Kool, Dr., Direktor der Fischereigesellschaft „Neptun" (1901).
Koppel, Bankier (1899).
Laarmann, Lotsen-Kommandeur (1888).
Lindemann, Russischer Vize-Konsul (1893).
Loosing, J., Kaufmann (1894).
Lohmeyer, Dr. med., Sanitatsrat (1879).
Luddecke, Oberlehrer am Gymnasium (1905).
Mahlmann, Dr., Apothekenbesitzer (1878).
Medenwald, Pastor (1898).
Metger, C. H., Kommerzienrat, Senator (1886).
Metger, R., Rechtsanwalt (1899).
Mustert, J., Kaufmann (1895).
Pape, Kommerzienrat (1853).
Penning, T. Dreesmann, Senator a. D. (18F8).
Philippstein, W., Kaufmann (1899).
van Rensen, P., Sekretar d. Handelskammer f. Ostfriesl. u. Papen-
burg (1873).
Richard, Amtsgerichtsrat (1899).
Ritter, Dr., Prof., Oberlehrer am Gymnasium (1884).
Ruyi, Fischereidirektor (1901).
Schnedermann, Kommerzienrat (1868).
Schnedermann, M., jr. (1892).
Schulze, Regierungs- und Baurat (1900).
Schuffler, Dr., Professor, Gymnasial-Direktor (1892).
Schwalbe, W., Buchhandler (1883).
') WnhronJ des Druckes crhalten wir die Nachricht, dass der alto Herr am 16. Juni 1905
im 89. Jahre seines tfltigen, gesegnoten Lebens entschlafon i«t.
Jahrbuch der Gesollsch. f. b. K. u. vaterl. AltertQmer m Em den, Bd. XV. 37
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t Schwitzky, Weinhandler (1888, gest. am 2. Febr. 1905).
Smidt, Joachim, Kaufmann (1883).
Stracke, G. Weinhandler (1902).
Tergast, Dr. med., Medizinalrat (1875).
Thiele, C., Kaufmann (1896).
Thiele, FrM Kaufmann (1893).
Thomson, Amtsgerichtsrat (1890).
Tillmann, Dr. med. (1892).
Tr6ger, N., Photograph (1901).
Valk, K., Belgischer Konsul (1878).
ter Venn, A., Kaufmann (1900).
Zorn, Dr., Buchdruckereibesitzer und Redakteur (1889).
b. Auswartige.
K6nigliche Bibliothek in Berlin (1882).
Ausschuss des Kreises Wittmund (1902).
Aibers, Dr. med., Hooksiel (1901).
Bakker, W., Apothekenbesitzer auf Borkum (1897).
Bayer, Landrat in Norden (1899).
Bekker, Burgermeister in Esens (1875).
Bekker, D., Kaufmann in Esens (1888).
de Boer, Pastor in Siegelsum (1900).
Boning, 0., Kaufmann in Bremen (1900).
Brons, Th., Gutsbesitzer in Groothusen (1877).
Brugmann, P., Holzhandler in Dortmund (1902).
Bruns, Kaufmann und Konsul in Papenburg (1902).
Bunnemann, Fr., Kaufmann in Bremen (1900).
Conring, Dr., Amtsgerichtsrat in Aurich (1884).
t Dammeyer, Rentmeister in Petkum (1871, gest. am 19. Juni 1904).
Dekker, P., Oberlehrer am Gymnasium in Ratzeburg (1892).
Dieckhaus, L., Fabrikbesitzer und Senator in Papenburg (1892).
Ditzen, Superintendent in Blumental (1893).
Doornbosch, P. H. Meekhoff, Baflo, Prov. Groningen (1896).
Doornkaat Koolman, Gutsbesitzer in Gross-Midlum (1895).
Drost, Pastor in Marburg (1883).
Dunkmann, A., Buchdruckereibesitzer in Aurich (1894).
Ef 8 linger, Postdirektor in Leer (1905).
v. Brucken Fock, Dr. juris, Middelburg in Holland (1877).
v. Brucken Fock, H. J., Kgl. niederl. Premierleutnant a. D. in Mid-
delburg (1901).
Fieker, Dr. jur., Referendar in Aurich (1905).
Frerichs, Pastor in Nortmoor (1900).
v. Freese, V., Landschaftsrat zu Hinte (1870).
Friemann, D., Buchhandler in Aurich (1904).
Georga, Gutsbesitzer, Landschaftsrat zu Damhusen (1871).
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Gittermann, Rud. C, Kaufmann in Odessa (1904).
Qoedel, Marine-Oberpfarrer, Konsistorialrat, Wilhelmshaven (1896).
Grasshoff, Steuerrat a. D. in Nauen (1882).
Groeneveid, Rechtsanwalt in Weener (1905).
Habben, C, Apothekenbesitzer in Miihlhausen i. Th. (1900).
Heeren, N., Gutsbesitzer in Canum (1888).
t Hesse, Superintendent in Larrelt (1874, gest. am 7. Sept. 1904\
Hessler, Kgl. Wasserbauinspektor in Husum (1900).
Heuer, J., cand. min. in Schkeuditz bei Halle a. S. (1898).
Hofmeister, Teiegraphen-Direktor a. D. in Hameln (1875).
tfoogestraat, Betriebs-Inspektor der Koniglichen Munitionsfabrik in
Spandau (1877).
Houtrouw, Pastor in Neermoor (1882).
van Hove, Gutsbesitzer in Larrelt (1870).
van Hove, Apothekenbesitzer in Neustadtgodens (1889).
Huhnstock, Holzhandler in Papenburg (1896).
van Hiilst, Gutsbesitzer in Lintel bei Norden (1894).
John, W., Kaufmann in Papenburg (1902).
Juzi, Senator a. D., Direktor der Geestemunder Bank (1876).
Kappelhoff, H., Kaufmann in Hamburg (1893).
Kieviet, T., Gemeinde- und Ortsvorsteher in Borkum (1901).
E. Furst Knyphausen, Durchlaucht, auf Liitzburg (1870;.
Klinkenborg, Amtsgerichtsrat in Norden (1886).
Klumker, Dr., Sekretar des Instituts fur Gemeinwohl in Frankfurt
a. M. (1896).
Kohl, D., Dr., Oberlehrer in Oldenburg (1901).
Kohlschutter, Hutten-Direktor in Norden (1890).
Kok, Dr. med., Badearzt in Borkum (1901).
Landmann, Hutten-Direktor in Norden (1901).
Lantzius-Beninga, S., Gutsbesitzer auf Gut Stikelkamp (1885\
Loesing, Gerichtsassessor in Gosiar (1904).
Lupkes, Superintendent in Esens (1890).
Meyer, U., Pastor in Pilsum (1871).
Meyer, Lehrer in Visquard (1881).
Meyer, Josef L., Schiffswerftbesitzer in Papenburg (1888).
Meyer, R. D., Senator in Norden (1890).
Pieines, Professor zu SchSnberg in Mecklenburg-Strelitz (1884).
Pleines, Pastor in Canum (1888).
Pieines, Dr., Oberlehrer in Otterndorf (1893).
Po tier, Dr. 0. Baron, Wien (1901).
Prinz von Ratibor-Corvey, Durchlaucht, Regierungsprasident in
Aurich (1905).
Reichensperger, Landgerichtsprasident in Koblenz (1902).
Remmers, Generalsuperintendent in Stade (1877).
van Rensen, H., Oberlehrer in Mettmann (1904).
Rigts, Pastor in Woltzeten (1895).
Rulffes, K6nigl. Auktionator in Pewsum (1870).
* 37*
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Rykena, Weinhandler in Norden (1892).
Saathoff, Pastor coll. in GSttingen (1903).
Sasse, Konigl. Auktionator in Hage (1877).
Schaer, Pastor in Rysum (1886).
Schelten-Peterssen, Geh. Baurat a. D., Schloss Nordeck bei Hage (1902).
Schweckendieck, C, WirkL Geh. Ober-Regierungsrat in Berlin (1874).
Schweckendieck, E., Hutten-Direktor in Dortmund (1881).
Schwerdtfeger, Forstmeister in Friedeburg (1900).
Schwiening, Burgermeister, Landschaftsrat in Aurich (1888).
Sluyter, Pastor in Borkum (1903).
Soltau, Buchdruckereibesitzer in Norden (1902).
Sundermann, H., Schriftleiter der Dtsch. Landwirtschaftsgesellschaft
in Berlin (1896).
Suur, Direktor des Realgymnasiums zu Iserlohn (1889).
Tarn men, Dr., Oberlehrer in Aurich (1894).
Uiferts, E. C, Rentner in Hannover (18761
Ulferts, Dj., Gutebesitzer in Upgant (1808).
Vie tor, Landgerichtsrat in Hildesheim (1882).
Vietor, Bieske-, Pastor in Hinte (1876).
Vie tor, Pastor in Greetsiel (1883).
Vocke, Burgermeister in Eschwege (1902).
Wachter, Dr., Archivrat in Aurich (1898).
Wolfes, Dr., Rechtsanwalt in Dortmund (1895).
Wychgram, N., Oekonomierat in Wybelsum (1886).
Verzeichnis
der Vereine und Institute, mif denen die Gesellschaft in
Schriftenaustausch sfehf.
Aachen: Aachener Geschichtsverein.
Amsterdam: Koninkl. Oudheidkundig Genootschap.
Amsterdam: Koninkl. Akademie van Wetenschappen.
Assen: Provinciaai Museum van Oudheden in Drente.
Bamberg: Historischer Verein fur Oberfranken.
Berlin: Gesellschaft fur Anthropologic, Ethnographic und Urgeschichte.
Berlin: Gesellschaft fur Heraldik, Sphragistik und Genealogie. (BDer
deutsche Herold.a)
Bremen: Historische Gesellschaft des Kunstlervereins.
Buckeburg: Verein fur Geschichte und Landeskunde des Furstentums
Schaumburg-Lippe.
Chemnitz: Verein fur Chemnitzer Geschichte.
Danzig: Westpreussischer Geschichtsverein.
Darmstadt: Historischer Verein fur das Grossherzogtum Hessen.
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Detmold: Geschichtl. Abt. d. naturw. Ver. f. d. Furstent. Lippe.
Donaueschingen: Verein fur Geschichte u. Naturgeschichte der Baar etc.
Dorum: Heimatbund der Manner vom Morgenstern.
Dresden: Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis.
Dresden: Archiv fur deutsche Familiengeschichte (0. v. Dassel).
Diisseldorf: Diisseldorfer Geschichtsverein.
Elberfeld: Bergischer Geschichtsverein.
Em den: Naturforschende Gesellschaft.
Essen: Historischer Verein fur Stadt und Stift Essen.
Frankfurt a. M.: Verein fur Geschichte und Altertumskunde.
Frankfurt a. M.: Romisch • Germanische Kommission des Kaiserl.
Archaeol. Instituts.
Freiberg i. S.: Altertums verein.
Giessen: Oberhessischer Geschichtsverein.
Graz: Historischer Verein fur Steiermark.
Greifswald: Rugisch-Pommerscher Geschichtsverein.
Groningen: Societas pro excolendo jure patrio.
Groningen: Museum van Oudheden voor de provincie en de stad Groningen.
Guben (Lubben): Niederlausitzer Gesellschaft fur Anthropologic und
Altertumskunde.
Haag: Heraldisch-Genealogisch Archief (Dir. D. G. v. Epen).
Haarlem: Teyler's tweede Genootschap.
Halle a. d. S.: Thuringisch - Sachsischer Verein fur Erforschung des
vaterl. Altertums etc.
Hamburg: Verein ftir Hamburgische Geschichte.
Hannover: Historischer Verein fur Niedersachsen.
Hannover: Verein fur Geschichte der Stadt Hannover.
Hannover: Provinzial-Museum.
Heidelberg: Historisch-Philosophischer Verein.
Helsingfors: Finnische Altertumsgesellschaft.
Jena: Verein ftir Thiiringische Geschichte nnd Altertumskunde
Kassel: Verein ftir Hessische Geschichte und Landeskunde.
Kiel: Gesellschaft ftir Schleswig-Holsteinische Geschichte.
Kiel: Gesellschaft fur Kieler Stadtgeschichte.
Koln: Historischer Verein fur den Niederrhein.
K8nigsberg i. Pr.: Physikalisch-Oekonomische Gesellschaft.
KSnigsberg i. Pr.: Altertumsgesellschaft „Prussiaa.
Leeuwarden: Friesch Genootschap van Geschied-, Oudheid- en Taalkunde.
Leiden: Maatschapij der Nederlandsche Letterkunde.
Lei pa in Bdhmen: Nordbdhmischer Exkursionsklub.
Linz a. D.: Museum Francisco-Carolinum.
Lubeck: Verein fur Lubeckische Geschichte und Altertumskunde.
Liineburg: Museums verein fur das Furstentum Ltaeburg.
Meissen: Verein fiir die Geschichte der Stadt Meissen.
Middelburg: Zeeuwsch Genootschap der Wetenschappen.
Mitau: Kurlandische Gesellschaft fiir Litteratur und Kunst.
M finch en: K. b. Akademie der Wissenschaften.
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— 576 —
Nurnberg: Germanisches Nationalmuseum.
Nurnberg: Verein fur Geschichte der Stadt Nurnberg.
Oldenburg: Oldenb. Verein fur Altertumskunde und Landesgeschicht*.
Osnabruck: Verein fur Geschichte und Landeskunde von Osnabruck.
Posen: Historische Gesellschaft fur die Provinz Posen.
Prag: Verein far die Geschichte der Deutschen in Bdhmen.
Riga: Gesellschaft fur Geschichte und Altertumskunde der Ostsee-
provinzen Russlands.
Rijswijk: Genealogisch en Heraldisch Archief (A. A Vorsterman t. Oyen).
Romans (D6p. DrOme): SociSte* d'histoire ecclesiastique et d'archeologie
religieuse des dioceses de Valence etc.
Rostock: Verein fur Rostocks Altertumer.
Schmalkalden: Verein fQr Hennebergische Geschichte und Landeskunde.
Schwerin: Verein fur Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde.
Speier: Historischer Verein der Pfalz.
Stettin: Gesellschaft fur pommersche Geschichte und Altertumskunde.
Stockholm: Kongl. Vitterhets Historic och Antiqvitets Akademien.
Stockholm: Nordiska museet.
Stuttgart: Wurttembergische Kom mission fur Landesgeschichte.
Thorn: Coppernicus-Verein fur Kunst und Wissenschaft.
Troppau: Kaiser Franz Josefs-Museum fur Kunst und Gewerbe.
Utrecht: Historisch Genootschap.
Utrecht: Provinciaal Utrechtsch Genootschap van Kunsten en Weten-
schappen.
Washington: Smithsonian Institution.
Wernigerode a. H.: Harzverein fur Geschichte und Altertumskunde.
Wien: Akademischer Verein deutscher Historiker.
Wiesbaden: Verein f. Nassauische Altertumsk. und Geschichtsforachung.
Wolfe nbuttel: Geschichtsverein fur das Herzogtum Braunschweig.
Wiirzburg: Historischer Verein fur Unterfranken und Aschaffenburg.
Zurich: Antiquarische Gesellschaft.
Zwickau: Altertumsverein fur Zwickau und Umgegend.
Zwolle: Vereeniging tot beoefening van Overijsselsch regt en geschiedenia.
28. Juui 1905.
*$r
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Nieln Trttger, Kinden. phot.
URNEN AUS DEM RABBELSBERGE
BEI DUNUM.
J.hrbuch ,1., JME&tyVlC
XV, »
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