Luzifers
Bebenntnisse
Ein Epos in 8 Gesangen
Von
Leopold Engel
Lorch (Wurttemberg) 1928
copied by macska «
2001
Eindeutige Satzfehler wurden berichtigt, die Inter-
punbtion wurde beibehalten; neue Fehler hoffent-
lich nicht hinzugefiigt.
Die im Original g e s p e r r t gedrucfeten Textpassa-
gen werden hier in i&yr5/Fwiedergegeben.
Der Seitenumbruch folgt der Ausgabe Lorcii 1928.
Neu gesetzt in der Belwe Lt Bitstream®.
mascba « 2001
Luzifers
Befeenntnisse.
In 8 Gesangen.
1. Luzifers Berufung.
Im ewigen Raum schwebt ein heller Geist und schaut
mit grofiem Auge in die Fernen des Weltenalls in
tiefstem Staunen:
„Wer bin ich?" „Was ist mein sein? — —
Ich sehe nichts um mich als meine Klarheit. Mein
eigen Ich erbenne ich, doch was bin ich? Mein Kleid
ist Licht. Mein Fiihlen, Denben reicht nicht weiter, als
mein Auge schaut! Wo bin ich? Was hat mich
geboren? Ich bin und war doch nicht,
bevor ich lebte. — Was ist mein Sein? Ich fiihle,
dai?. ich bin und heiiies Streben regt sich in mir 2u
wissen — warum ich bin, weshalb ich ward? —
Im leeren Raum, der ohne End' und Anfang mir
Wohnung scheint, Heimat und Zufluchtsort, da ward
Ich ausgeboren und fiihle mich allein. — Soil einsam
ich in diesem Raume bleiben, durcheilen ihn, stets
ohne Zwecf? und Ziel?
Lafi mich dich Kraft erfeennen, die mich in's Da-
sein rief, die mir das Leben gab, die Einsicht, da15 ich
sei, in's Hirn mir pflanzte und das Bewul^tsein gab: Ich
bin! — Warum bin ich? — Das will ich wissen, mui?> es
wissen! Antwort erwarte ich in heii?>ester Begierde
und wenn du bist, o Schaffensferaft, so offenbare
dich! Zeig dich und sage, was dein Wille!"
Es rief ich einst, als mich die Kraft der Gottheit,
die Allmacht in das Leben zwang und ich zum Wissen
meines Seins gelangt — doch einsam war.
Ein lichter Geist war ich, der strahlend seine
Macht erfeannte, jedoch nicht wufite, wie sie zu ge-
brauchen.
Erwachend zum Bewufitsein, nicht in Vollfeom-
menheit geboren, nicht weise so wie Gott, nicht im
Besitz der Liebe zu dem Hochsten, den ich nicht
feannte, nur in mir selbst und aus mir selbst die
Schopferferaft empfindend, durchreiste ich des Welt-
alls ew'gen Raum, Licht bringend tiberall, wo ich
verweilte.
Dem Kinde gleich ward ich geboren, das wachst,
dann fiihlt und denfet. Das Menschenfeind von Mut-
terhanden wohl gehiitet, feennt seine Mutter anfangs
nicht, weifi nicht, dafi es aus ihrem Schoi?) ins Dasein
trat — und dennoch ruft es weinend nach der Mutter
So rief auch ich nach meiner Mutter, — erst lallend,
dann mit lauter Stimme, — doch ward mir nicht ihr
liebes Angesicht.
Dem Schmetteriinge gleich, der aus der Puppe
feriecht und furchtsam erst sein schones Flugelpaar ent-
rollt, um dann mit schwachen, stetig starberen Schlagen
die Kraft der Schwingen zu erproben, bis sie ihn hoch
in sonnendurchwarmte Ltifte tragen, so wagte auch
der Erstgeborene Gottes, der ich bin, die Schwingen
seines Qeistes zu entfalten und suchte seine Mutter
Wie ist's dem Kinde wohl am warmen Mutterher-
zen, wie schmiegt es sich an ihre Brust und trinbt mit
Lust die Nahrung, die sie freudenvoll ihm bietet —
Ihr wii?>t nicht, Menschen, welche Gnad' euch wurde,
als Gott der Herr euch jedem seine Mutter gab.
Ich habe meine Mutter nie gesehen, hab' ihren
warmen Hauch, den Kui?) der Liebe, den sie auf's
Haupt des Kindes driicbt, nie wie das isleinste Men-
schenfeind empfunden. — Ich ward geboren ohne
dieses Gliicfe, war da, erblicbte nie die Kraft, die mir
das Leben gab und mich zum Wachstum eines Da-
seins im weiten Aetherraum des Weltalls zwang.
Ich fiihlte felar daii eine Kraft bestand, die zeu-
gend mich zum Werden ausgeboren, dai^ ich nicht
selbst ein Leben mir gegeben, das schlummernd erst
im tiefem Weltraum ruhte, und dann erwachend sich
als Ich erfeennt. Ja, ich empfand: die Schopferferaft,
die mich durchstromte, feam nicht aus mir, sie drang
von Aui^en in mein Ich, ergriff, durchgliihte voll mein
ganzes Wesen und sprach als ew'ger Geist zu mir,
dem ersten dienenden Geschopf.
Gewaltig ftihlte ich den Hauch der Macht, doch
nicht wie Mutterliebe, nein, wie Sonnenglanz und Son-
nenwarme, die den wegmiiden Wandersmann umgibt,
der sich am Waldesrand im Sonnenstrahle badet.
Was ist das Gliici? des hochsten Machtempfindens,
das sich in mir, dem Erstgeborenen vereinte, nur
gegen einen Tag am warmen Mutterherzen, das ich
nie gefeannt.
Mir ward die Gottheit nur der Zeuger meines
Seins, stets unsichtbar nicht Mutterleibe gebend,
doch Kraft und Macht, Licht aus mir strahlend und
verbreitend, Licht, das die Finsternis durchdrang, und
die mir ernst gebot: ..Gebrauche die verliehenen Kraf-
te und schaffe, was ich nach meinem Plane dir gebie-
te!"
Ich tat es gern, getrieben von des Ewigen Willen
und fiihlte wie in ihm mein eigener Wille wuch3.
Der Plug der Zeit entstand in mir denn die Geburt
des Erstgeborenen heiiit und bedeutet den Anfang
aller Dinge, die da sind im Weltenraum der Ewigfeeit.
Die Zeit begann den Flugelschlag zu regen und
fiihrt noch heut das Zepter der Geschehnisse im All.
Mit dem Begriff der Zeit, mit ihrem Walten, ward mir
das Wissen bald vom Anfang aller Dinge und dai?> der
Wirbel eines Schopfungstages zwar von der Ewigfeeit
ward ausgeboren, doch Anfang auch ein Ende mu&
bedingen. Der Anfang, der war ich. — Es wurde beine
Antwort mir gegeben.
Ich rief nach dem, der mich gezeugt und sieh, —
da felang in mir die Stimme wieder, die schon einmal
mir anbefahl, die Krafte zu gebrauchen, die mir gege-
ben, nicht 2um eignen Spiel, nein, nach dem Plan,
der sich entfalten wurde.
Ich wufete nichts vom Plan der Schaffensferaft, ich
wufite nur, dafi einsam sein ein grausames Geschicb.
Ich sehnte mich, nicht mehr allein zu sein. Ich
wiinschte heifi, Qebilde zu erschaffen, die so wie ich
gestaltet und beseelt, mit mir der Zeiten Lauf emp-
finden und bestimmen.
Es wurde mir, als tauchte ich in Licht und Glanz.
Ein Wort, dem Blitze gleich durchzucbt mein Herz, es
folgten andere und blar vernehmlich tont es in mir:
„Du bist das Bild der Urbraft, die dich zeugte, jetzt
zeuge du mit festem Willen. Stelle die Bilder die in
dir sich lichten, aus deinem Ich hinaus, hauch Leben
in sie ein! Die Macht ist dir gegeben! Werd Vater neu-
er Geistgeschopfe, die dir gleichen. Du bist aus mir
entsprossen als mein Sohn, bin Vater dir und Mutter!"
2. Luzifers Schuld
Mit stolzer Freude fiillte sich mein Sinn. Ich —
Erstgeborener der Gottheit, die ihre Macht in meine
Hande, meinen Willen legte und mir befahl zu schaf-
fen, zu erwecfeen. — Konnt' sie es selber nicht? —
Bedurfte sie, die in dem All die weiten Fernen zwang
mit ihrem Willen, auch durchdrang, des sichtbaren
Geschopfs — so war ich selbst wie Gott, denn seine
Herrlichbeit feonnt' ohne mich zu Taten nicht gelan-
gen. — So dachte ich, nachdem anfangs mit
10
Zagen, dann weiterhin in Sicherheit und Ruh ich alle
Krafte prtifte, die mir wurden. Der Anfang war ja ich,
das Ende schrecfete nicht. Dal^ es jemals ein Ende
geben bonne, das mir die Macht entreii?>en, den Wil-
len brechen feonne. Halt gebieten dem Eigenwillen
mii?.verstandenen Konnens, bam nicht in meinen
Sinn. Ich war der Erste, konnte ich der Letzte wer-
den?
Ich schuf, was mir die Gottheit hat geboten und
bald umgab mich eine Schar, die wesenhaft wie ich,
in mir den Konig, ihren Herrn erbannte, die, nur
durch mich erftillt mit starben Kraften. Den Raum
bevolberte und anderes erzeugte. Sie beugten sich
auch meinem Willen, sie fiihrten aus, was ihnen ich
gebot, doch merbt' ich nicht, dai?. neben diesem auch
ihr eigener erwachte und in dem Drang des Selbst-
erwachens zu eigenen, mir fremden Taten fiihrte.
Allgegenwartig war ich nicht, auch nicht allwis-
send, auch nicht voll Demut, die da sagt: nur was der
Vater will, erfahrt der Sohn, was er ihm offenbart —
— und darum mufite mir verborgen bleiben, was
hochmutsvoll in meinen Sohnen garte, die ich, wie
mich die Gottheit einst, geboren.
Der Schopfer gibt, was in ihm ist, den Wesen, die
seiner Hand entsprielien. 1st nur ein Keim vorhanden,
wird's ein Baum. So wuchs aus erstem Keim, der
nicht ersticbte, als ich die Macht der Gottheit mehr
erbannte, in meiner Schopfung auch das Unbraut
auf, das auszurotten ware Pflicht gewesen, doch das
ich pflegte, well ich herrschen woUte.
Was heifit nun herrschen im Sinne Gottes und in
meinem? — Die Unterscheidung ist so einfach und
dennoch steht sie nicht im Sinn der Menschen, die
beides oft verwechseln.
Wenn Gott, der Herr, das All beherrscht und seine
Wesen, so ist der Urgrund stets das Gliicl? allein, dem
seine Liebe zufiihrt, was da lebt. — Nicht soil im Sfela-
ventum der Mensch hinschmachten, nicht dienen
dem Tyrann des Weltenalls, der strafend, richtend in
der Feme weilt, die unnahbar und unerreichbar ist,
aus der jedoch er Blitze schleudern bann, die zornig
seiner Hand entfahren, sobald der Mensch sein streng
Gebot versieht. —
Nein, — herrschen heii?)t ihm Weg bereiten
zum Gliicfe und Heil, damit in Liebe die Wesen sich
dem Hochsten nahern feonnen, wenn sein Gesetz sie
sich zum Ziele nehmen, das nur allein vereinigt bei-
de.
Nicht launisch ist das SoUgesetz des Hochsten. Es
zeigt nur den einzigen weg zum Heil, bein anderer ist
gangbar, ist zum Ziele fuhrend.
1st Herrschsucht da, wo Liebe nur befiehlt? — 1st
Zwang vorhanden, wo das Herz gebietet und in Ge-
horsam zwar getibt, ihn ausfiihrt durch Erbenntnis-
fahigbeit.
Bewundernd steht das Wesen nah' dem Throne,
dem es sich nahern bann voU ehrfurchtsvoller De-
mut. Vor Gottes Weisheit fromm erschaudernd, die
Wege seines Hells erbennend, beugt es in heifier Dan-
beslieb sein Haupt und betet an die Heiligbeit des
Vaters, nicht voller Scheu und Aengsten, nur voUer
Danfebarfeeit, Bewunderung und Liebe.
So herrschet Qott im all. Nicht seine Ehrsucht,
seiner Sohne Gliicfe und seine Vaterfreude lenfet sein
Qesetz, nicht Machtgefuhl des Herrschers.
Wollt ich dasselbe nun? — Ich will's befeennen!
Ich ahnte wohl, — ja wufite, was der Herr ver-
langte und dennoch trat ich ihm entgegen im Macht-
gefiihl, das er mir erst gegeben.
Warum ich's tat? — Auch das will ich befeennen!
Sagt mir wer ist am machtigsten? Der der die
Macht besitzt im Wort Oder ist's der der sie besitzt
durch Tat?
Der Konig hat das Wort, treibt seine Diener an. Ist
einer ungehorsam, wird er durch andere bezwungen.
Doch, fehlen diese Diener wie ist es dann? Wird nicht
ein Ringen um die Macht entstehen? Kann sich der
Diener nicht in seinem Glauben tauschen, dai?> ihm
die nur verliehene Macht verbleibt, dafi er sie an sich
reii?.en feann, ja mu6, damit der Geber nicht einst T6-
ter werde? Verfeennt der Diener seinen Herrn, wei15
nicht, da15 Liebe nur in seinem Urgrund wohnt, die er
als Elternliebe nie empfand, so ist der schwere Irrtum
stets ermoglicht.
Wer irrt, verbeifit sich leicht in falsches Wollen,
glaubt Recht zu haben, wenn er Unrecht hat und ist
er stolz auf seinen Rang, sein Konnen, so wird er mit
Gewalt behalten wollen, was Gnade ihm einst gab.
Verwirrt ist bald die rechte Wahl der Mittel,
13
der Eigensinn, der Hochmut stellt sich ein und grofier
als der Meister dunbt sich der Lehrling.
So ist es bei den Menschen auch noch heute. —
Auch ich dacht menschlich, irrte und verstocfete.
Was nun aus meinem Inneren entstromte, ein
falsclies Denf?en, falsclie Taten, fand Widerhall in
meiner Scliar. — Auf nahm sie, was in meinem Hirne
garte, und so ward ich der Zeuger auch von dem, was
in dem Lauf der Zeit sich widerspiegelt — als Satans
Bild.
Weh euch, ihrVater und ihr Mutter vernichtet ihr
in euch nicht die Begierden. Sie beimen auf und
wachsen in den Kindern. Sie iiberwuchern leicht die
besseren Geftihle und schaudernd seht ihr dann 2u
Taten werden, was ihr selbst zu denfeen nimmermehr
gewagt. — Entrinnt der Mensch der schweren Hand
des Zwanges, wenn dieser auch zu seinem Besten ist,
hat er nicht die Erfeenntnis sich errungen, dai?) das
Gesetz des Herrn sein Heiligtum, so stiirzt er sich in
alle Leidenschaften, in Hai?. und Zorn, in blindes Wii-
ten, und statt zu himmelshohen aufzusteigen, ver-
nichtet er sich selbst, schafft sich die HoIIe.
Der Zeuger in den Qezeugten und diese bilden
aus, was ihnen ward. Bald iibertrifft der Sohn den
besseren Vater in dessen Fehlern, falschem Tun,
wenn nicht das Licht der Wahrheit ihn erhellt.
Versteht, — es ward durch mich das Samenfeorn
der Zwietracht ausgestreuet, doch ubertroffen ist
mein falsches Wollen worden von jener Schar, die
mich als Vater feennt.
Ich will mich nicht entschuld'gen, will schwere
Schuld nicht von mir walzen, will nicht entziehen
mich den Folgen, doch Wahrheit will der Welt ich
geben, die mich als Schild vor ihre Siinden stellt.
3. Luzifer, der Satan?
Prinzip des Bosen soil ich sein, der Gegenpol der
Qottheit, die das Gute, ja das hochste Lieb 'und Weis-
heit in sich fafit, — und doch Erzeuger dann des Bo-
sen ist ??!
Sagt nicht der einfachste Verstand, sobald er nur
begriff, dai^ der Erzeuger nur das vergeben feann, was
in ihm selbst, dafi dann in Gott das Bose gleichfalls
ruhte? Wie hatte er mich sonst erschaffen bonnen?
Im hochsten Wesen wohnt dann neben Gott —
der Teufel, und, wenn sie sich getrennt, bin ich so
ewig als es Gott, bin ich nicht Untertan, bin Herr wie
Gott! Wer will das glauben? Glaubst du's.
So bin ich nicht der Erstgeborene mehr, bein erst
erschaffener Geist, nein, ewiges Prinzip, das neben
Gott besteht, wie Zeus und Pluto einst.
Wer's glauben will, der glaub' es. Ich aber will die
Wahrheit nicht verhehlen.
Ich bin nicht Teil der Gottheit, bin ewig nicht,
nahm Anfang wie die Schopfung, bin Erster zwar
nichts weiter. Ich bin auch nicht das Bose, das Gott
aus sich herausgeformt als Weib.
Die Qottheit braucht feein weibliches Prinzip, mit
dem sie sich vermatilt.
Sie ist in sicli so fest geeint, Nx/ie iiarter Diamant,
untrennbar in sicli selbst, ein fest Gefiige des tiocli-
sten Seins, das sich nicht spalten feann.
So fjonnte Gott auch Keime in mich legen, drum
f?ann ich wieder nah'n dem, den ich einst verbannt.
Dies sei gesagt, bevor ich nun berichte, was
weiterhin im weiten raum geschah.
Ich ftihrte eine Schar, ftir die ich Konig, die unter-
tan mir auf mein Tun stets achten, der Vorbild ich
und Weisheitsgeber war. Doch wie ich merf?te, regten
sich dort Triebe, die gegen mich sich richten Ijonn-
ten, weil ich wohl Herr der Leiber doch nicht der
Seelen, in denen die Gedanljen die Freiheit eigenen
Willens zflchten.
Als ich's erl?annte, wui?.te ich alsbald, dai?) meine
Macht zu Ende gehen wiirde, wenn nicht der Zwang
begrenzt das Tun der Sohne, die mir entsprossen.
Und ich fand das Mittel fiir die Fesseln.
Gott schafft, indem er festet, was er denljt. In die-
sem liegt allein die Schopfungsferaft. Auch ich hab'
diese Macht empfangen und hauchte meinen Bildern
Leben ein. So festete in mir sich jedes Bild, das ich
mit Willensferaft umfing, und nahm gefangen, was
aul^er mir im Weltenall entstand, getreu dem Spruch,
der einstens mir geworden.
16
Ich habe meine Schopfung eingeprefet im Bande
meines Willens, dafi sie gehorchen mufite wie der
Sblav, der gegen seinen Herrn, der schweren Ketten
wegen, die er tragi, nichts unternehmen feann.
Herr woUt' ich sein und bleiben, regieren meine
Welt nach meinem Willen, feein and'rer sollte gelten.
Das Glticb, die Freudigbeit des Lebens sollt' jene We-
ge neiimen, die icli weise, niclit nacli den Wiinsc lien,
die die Sfelaven nahren.
Tut Gott dasselbe nicht?
Nein! Seine Weisheit erl?ennt allein das Ende aller
Dinge, sieht, wie das Ziel sicli auch erreictien lal^t und
diese letzte Weisiieit fehlte mir
Das Ziel ward so mein Ich, ganz ohne Liebesziel in
gottlicher Bestimmung.
So wurde ich der Machtigste im Reich der Qeis-
ter, blieb Konig nur von eignen Gnaden, nicht durch
des Herren Liebe und Gerechtigf?eit. — Es seufzten
die Geschopfe, die unter meinem Zepter lebten, ihr
eigener Wille ward gebnechtet, nicht frei zur Gott-
erfeenntnis.
Ich glaubte, recht zu tun, vermied es sorglich,
mich mit dem Vater zu verbinden, und lehnte ab die
erste leise Warnung, die mir ins Herz gegeben wurde.
Ich bin wie Gott! so dachte ich in Hochmut, und
ohne mich ist Gott ein schwaches Nichts.
Sagt nicht, Aai, solcher Irrtum schuldlos ist, ja,
dai?) er sicherlich entstehen mui?)te. Er mui?>te nicht
entstehen, weil ich den Zeuger nicht gesehen, er mir
17
sich jemals zeigte und darum ich mich selbst als Ur-
feraft fiihlen feonnte.
Als erster Geist stand ich im Licht der Wahrheit,
feonnt, wachsend in dem Licht, mich auch der Gott-
heit nah'n, die deutlich zu mir sprach. Doch feonnte
ich mich auch verschliei^en, weil Willensfreiheit, die
ihr bennt, von Anbeginn das Ziel des Hochsten ist. —
Sehnte ich mich nach meiner Mutter, wollt' liebend
ich den Vater bennen lernen, so brauchte ich nur
jene Kraft erfassen, mich ihr hingeben, mit dem Zug
der Liebe, die jedem bleinsten Menschenbind zu ei-
gen, die zu mir sprach: „Du bist mein Sohn, bin Vater
dir und Mutter!"
Tat ich's, so war ich halb geborgen. Ich tat es
nicht; woIIt sein wie Gott und ward dadurch zur
Schlange, die da zischte: Ei^t vom Baume der Er-
feenntnis, erfai^t den Unterschied von — gut und bose
— dann werdet ihr auch sein wie Gott!
Das Gute bennen, doch es nicht erwahlen, die
eignen Wege gehen im Irrlichtschein verlogener Vor-
trefflichbeit, die Eigensinn und Hoffart liistern zeigen,
— das ist die Stinde wider Gott, das ist der Pfad, der
ins Verderben fiihrt.
Und diesen Pfad ging ich! — Ich hoffte, dai?> ich
die Gottheit selbst gefangen nehmen, sie festen bonn-
te mit der Kraft des Willens, die ja mein ganzes Sein
erftillte, dai?> ich nicht nur ein Teil der Gottesbraft,
nein, ganz sie in mein Sein einsaugen und sie dann
untertan mir machen bonne, wie ich die Schar
18
mir untertan gemacht, die von mir ausgeboren durch
meines macht'gen Wortes Ruf.
So ganz verblendet, ging ich tiefem Sturz ich un-
aufhaltsam zu, — mufit' die Geduld des Hochsten
unterliegen und mir entzogen werden, was mir ein-
stens ward.
4. Luzifers Fall.
Im weiten Weltenall allein zu herrsclien war mein
Traum, nicht glaubte ich, dai?> aulier mir ein zweiter
Machtiger noch sei. Docti ward icii's inne.
Mit Stolz umfereiste ich die Weiten alle, mein
Werk. das ich erschaffen und hohe Freude lohte auf
im Herzen. „Wer bann mir widerstehen, wer feann der
Ftille meiner Kraft entfliehen? Herr bin ich, Herrscher
werd ich bleiben, die Ewigfeeit selbst ist mir untertan
und feeiner ist, der mir je gleichet." So prahlte ich in
Hochmut, veil Ueberhebung und voll Uebermut.
Da flammte aus des Raumes weiter Feme ein ja-
her Blitz auf und umzucbte mich. Im grellen Schein
schwirrt's auf mich zu, und vor mir stand ein
Geist, den ich nicht feannte.
„Wer bist du, wer hat dich geboren?" So fragte ich
erstaunt und starrt ihn an.
19
„Die Gottheit schuf mich, wie sie dich erschaffen.
Ich ward gesandt, dich ernst 2u warnen. Du schreitest
auf dem Wege des Verderbens, willst sein wie Gott
und bist nur sein Geschopf. — Des Vaters Langmut
lieii geschehen, dafi du die Grenze deines Uebermuts,
die Tiir des Kerfeers hast erreicht, der dich gefangen
nimmt, feehrst du nicht um. Du bennst das Ziel der
Schopfung! Die Geister sollen frei sein, nicht ge-
fenechtet, wie du es willst. Drum lose alle Bande dei-
nes Willens, vereinige dich wiederum mit Gott, bleib
was du bisher warst, sein Sohn, der gern, gehorsam
des Vaters Willen stets erfiillt, weil dessen Weisheit
alles liebvoU leitet. — Kehr um! Werd Widersacher
nicht! Hor' auf mein Wort!"
„Du wagst es, mir zu drohen? Ich fel^le dich mit
meiner Willensmacht wie jene, denen ich gebiete. Sei
wer du willst, ich bin der Erste, ich herrsche hier al-
lein, du hast zu weichen meiner Macht. Werde mein
Sfelav!"
Ich rief es laut und alle Krafte raffend schleudre
mein Willensnetz, das stets noch jedes Wesen einge-
fangen, wenn es mir etwas zu entschliipfen dachte,
ich wuchtvoll diesem Boten zu.
Gewaltig, riesig recbte jetzt mein Feind sich auf.
Ein Licht strahlt von ihm aus, das schrecfeensvoll sich
tief ins Herz mir bohrte. Machtlos sanb meine Kraft
von seinem Panzer ab, der ihn als Sendling Gottes
schiitzte.
„Gott ist die Liebe, beuge dich vor ihm", so rief
der Gottgesandte, „sei mein Bruder!" Ich ftihre dich
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vor seinen Thron, er nimmt die Binde ab, die deinen
Blicb verdunbelt und dich in Finsternis geftihrt. Ein
Wort geniigt!"
Ach hatte ich dies eine Wort gesprochen, die Bitte
um Vergebung. Wie fiatte alles anders sich gestaltet
als es jetzt ist.
Ich sprach esnicht und meine Welt versanb,
— zertrummerte!
Kein Mensch I?ann fassen, was damals geschelien.
Der freie Geist nur wird und feann es scliauen. Drum
schweige ich. Lai?>t eucli geniigen an dem, was eucli
gesagt.
Ein Ctiaos ward, aus dem der Schopfer bald eine
neue Welt entstehen lieii, die fest gehartet nun den
Raum durclifliegt. Sie dient dazu, die Qeister zu be-
freien aus dem Gefangnis, in das mein Wille sie einst
eingeschlossen. — Wer es begreifen bann, wird es
verstelien, doch anderen wird marclienliaft erscliei-
nen, unfaiibar Oder auch zum Laclien, was vor Aeo-
nen dennocfi ist gescfiehn, dem Menscliverstande
vielfacfi unerfal^bar
Was wurde nun mit mir?
Mein Reich in neuer Form bestand! Selbst Gott
der Herr bonnt' es nicht brechen, wollt' er nicht un-
getreu sich selber sein. Was seiner Hand entspriei^t,
f?ann nicht vernichtet werden. Der Ewige schafft auch
nur ewge Werfee, wohl wandelbar in sich, doch nicht
vernichtbar, so wenig wie des Ewigen Wort. —
21
Ich war und blieb!
War mir auch jede Macht genommen, die iiber
jene Leiber herrscht, die sich im wunderbaren Auf-
bau auf s neue bildeten nach Qottes Plan, bis sich im
Menschen eine Form erzeugte, die noch zur Stunde
jede Welt belebt, der Kern der Form blieb dennoch
unter meinem Einfluli.
Der Kern entsprang aus meinem Sein und formte
sich durch meine Willenskraft zum Wesen, das mir
gleich. In diesem Kern, den ihr die Seele nennt, sind
alle Eigenheiten eingeschlossen, die mir entstammen,
meinem Ich entsprechen. In einer Eichel ruht der
spatre Baum. Wenn jeder Baum sich auch entwicfeelt,
wie es der Boden, dem er just entwachst, gestattet,
wie Luft und Licht den Wachsenden umgibt, sodai?>
zwei Baume nie sich gleichen feonnen, so danfet der
Eichbaum hoch, dem Samen nur, der Eigenart ihm
gab, sein Leben und gibt dieselbe Art dann weiter. Ein
Eichbaum feann nicht eine Buche werden. Zersplittre
ihn in seine feleinsten Teile, setz sie zusammen wie-
der, und es bleibt die Eiche!
Nun solch ein Baum bin ich! — Was aus mir
sproi?., muii meiner Eigenart allein entsprechen, mul^
in sich tragen alles, was mein Geist, mein Schaffen in
sich tragt, denn mir des Erstgeborenen Stempel ist
gezeichnet, was Mensch heii?>t, menschlich denfet und
strebt!
Ich selbst blieb frei, aus ewigem Wort geboren.
Doch meine Welt, zersprengt in ihre Teile, sollt wie-
der bilden sich als Ganzes, sollte den Weg zu Gott, den
ich verrammelt, finden, damit sie nicht in mir den
Hochsten sah.
Auch blieb es mir nicht fremd, dafi Gott der Herr,
sich seinen Wesen sichtbar zeigen wollte, dafi eine
Form er sich erwahlen miisse, die gleich den Men-
schen sich als Mensch gestalte.
Nun, dieses WoIIen schien mir sehr erspriei?>lich in
seinem Keime zu ersticfeen dadurch, dai?> ich die
Menschheit mit gewann.
Was niitzt ein Gott, an den der Mensch nicht
glaubt. Komm ich zuvor dem Hochsten, geb' einem
Glauben den Weg, der mir gefallt, so mag er dann
versuchen, dem Menschen sich zu offenbaren.
In freier Wahl soil sich der Mensch entschlieiien,
wohlan, so soil er die Gefolgschaft weigern dem, der
mich stiirzte!
So dachte ich and sann, wie mir die Menschheit
dienstbar wtirde.
^
5. Luzifers Plan.
Wenn Gott dem Menschen Freiheit gab, so gab er
ihm den hochsten Schatz des Seins. Gott ist in sich
der Inbegriff der Freiheit, die von der hochsten Weis-
heit wohl geleitet, sich nicht im Abgrund eines Wahns
verliert.
23
Gott feann die Freiheit seines eigenen Ichs, das in
sicli selbst unwandelbar, auch nictit milibrauctien,
I?ann nicht ein Ziel, das seine Freilieit schuf, ins Ge-
genteil verfeehren, er kann nur, mu6 es jederzeit ver-
folgen, bennt alle Wege, wenn er sie auch andert, die
das verfolgte Ziel stets naher bringt.
Ganz anders ist es bei den Wesen, die er entste-
hen Iiei?> und denen das Geschenf? der Freilieit wurde.
Sie sollten Selbstbestimmung iiben; sie sollten
lernen, wahre Freilieit sich erringen, die frei von
Wahn und Tauschung den Siegespreis des Gottesbin-
des bringt.
Hier gab sich mir ein Weg, die Herrschaft zu be-
haupten, die mir die Hand genommen, die einstens
mich erschuf und ringen wollte ich um diese Krone.
Noch standen mir zur Seite manche Diener, die
nicht zersprengt als Herren mich erfeannten und
glaubten, da(?> nur ein tieferes Wissen mich gehemmt
und die mich liebten, weil ihre Kraft sie besser als
vordem entfalten bonnten. Sie glaubten, ihre Freiheit
sei mein Wille, sie wui?)ten nicht, dai?) Zwang sie ihnen
gab. Sie folgten mir. — Damone nennt ihr sie und
sind doch nur die Irrgeftihrten.
Ich sah, wie sich der Mensch entwicfeelte. Wie er
im Urzustande erst, dann weiterschritt und wie aus
der Materie, die ich gesammelt und gefestet sein Leib
gebildet ward und seine Seelenferafte. — Auf diese
richtete ich nun den Willen.
Fang ich die Seele ein, feann ich sie trennen von
jenem seinen Faden, der mit Gott verbindet
24
und immer starber werdend, sie umspinnt, sobald der
Mensch sein wahres Sein erfeennt, so mufite sie mir
dienen, hingeben sich dem Traum, der Wahngebilde
schafft, der Tauschung dann fiir Wahrheit halt.
Der Mensch will glauben. Sichtbar zeigt sich ihm.
Dal^ fremden Kraften er ist untertan, denn Herr, das
merfet der Diimmste, ist er niemals im Reiche der
Natur. — Nach diesem Ursprung fremder Krafte sucht
er, frei wahlen feann er, was er glauben will, sei es
auch ganz verwirrt und toricht. — Mach glaubhaft
nur, was Menschen glauben sollen, und Herrscher
wirst du sein in ihrem Kreis.
Wer hiitet nun den Glauben, gibt Kunde von der
Gottheit, deren Walten, sorgt, dafi sie sich dem From-
men offenbare und feiindigt ihren Willen an? Es ist die
Priesterschaft in alien Landen. Gewinne sie, so herr-
schest du im Volb. Seht, das erfeannt' ich bald und
wufit' gefiigig mir jene Krafte in den Dienst zu zwin-
gen, die sich der Gottheit nahe diinfet.
Ich fliisterte den Toren Marchen zu, liei?) heil'ge
Biicher voUer Wust verfassen, die die Geburt, das
Wirfeen und das Sterben der Gotter schildert und
ward selbst ihr Gott!
Aus Zeus, Osiris, Jupiter und Marbufe hab' von
Aegypten, Babyloniens Strand ich Gotterlehren weit-
verbreitet, den Glauben an den wahrhaft Einen in
alien Landern untergraben und ward als hochste
Gottheit hochgeehrt.
25
Die Gotterlehre, ist sie auch verwirrend, durch-
feucht von vielen Itisternen Geschichten, die nach-
zuahmen Frommigijeit bedingt, bedurfte aber auch
der Weisheit. Drum het> ich leuchten meine Klugheit,
gab Wissen wie es mir behagte, jenen, die meinem
Dienst sich fiigten, meiner Hand.
Orabelsprtiche, seichte Lehren von Ursprung die-
ser Welt, von Zauberbtinsten, wie sich der Zubunft
Mantel liiftet, sobald der Mensch dem falschen Gott
sich widmet, das lehrte ich und die getreuen, die, mir
als Nebengotter eng verbundet, der Menschheit
Schicfjsal leiteten mit mir, wui?>ten die Schlauheit
ihrer Herrschaft auszuiiben. Sie folgten mir mit Wil-
ligfeeit getreu!
So habe ich's erreicht, — ward Heidengottheit! —
baute mein Reich mit Eifer und feonnt' spotten dem
Gott des Lichtes und der Wahrheit.
5sfa/7ward ich, der Ftirst der Finsternis, in die ich
alle Seelen tauchte.
!&
26
6. Das Reich der Finsternis.
War ich ein Fiirst, besafi ich auch ein Reich, in
dem ich herrschte, wie der Fiirst der Erde von seiner
Hauptstadt aus sein Reich regieret.
Die Torheit hat zur HoIIe umgestaltet, zum Orte
der Verdammnis und des Feuers, zur Leibesqual und
Folterung der Seelen, was zwar als Reich bestand, in
dem ich herrschte, doch das in sich nicht diesem
Sinn entspricht. Ich will erblaren, wie es darum steht,
doch sei zuerst der Erdenzwecij genannt.
Die Erde hat im Weltenall Bedeutung, zwar nicht
als Stern, der als Trabant der Sonne mit ihr als Korper
das Weltenall durchstreift, die Hauptbedeutung ist ihr
geistigerWert.
Denht euch des Chemifeers Retorte, vermittelst
der er Reines schafft aus Schmutz. Im Kolben wird
der Stoff gebocht, der triibe aufsteigt, wirbelt, dampft,
sich lost, urn dann im andern Tell des Gerats sich
wieder zu verdichten, felar gereinigt. Stoff wird da-
durch zum Elixier des Lebens, von alien Schlacfeen
frei, heilsam und rein. — So soil im Weltall auch aus
der Retorte, die mit dem Liebefeuer Qottes wird ge-
heizt, sich bilden in dem andern Teil, dem Sammler
ein neu Gebild aus der Materie Schlamm, ein reinli-
ches Produfet, das durch den Chemifeer im grofien
Weltenall sich zeugt nach weisheitsvollem Plan.
27
Dort, wo die Enge des Retortenhalses sich einfiigt
in den Sammler, ist das Tor, durch dessen engen
fJaum die Diinste einziehen zur Reinheit ihres Geis-
terseins, — wenn nicht ein Hindernis sie zwingt, nach
anderer Richtung abzugleiten.
Seht dieses enge feleine Tor, dort fereist die Erde,
das Hindernis bin ich\ Seit Erderschaffung hielt
ich stets die Wache vor jenem Tor und ie\<iXz auf ein
feleines Loch am Halse der Retorte, das miihsam aus-
gebohrt, anscheinend in die Freiheit fiihrt und doch
nur in mein Reich der Finsternis.
Stets habe ich die Seelen abgefangen, sie in mein
Reich gefiihrt, das machtig wuchs, gedieh und seine
Grenzen immer mehr erweiterte. Leer blieb der
Sammler Qottes, doch vollgeftillt der meine, fest an-
gesogen an der offnen Stelle.
Was Menschen glticblich macht, hab' ich gege-
ben. Sie hatten Macht wie Reichtum, und nicht ver-
schlol^ ich ihrer Liisternheit nach frevelndem Genu(?>
die Tore. Das alles hatten sie verachten miissen, sollt
sich das Tor zum Gottesreiche offnen.
Ich bonnt es nicht verhindern, dal?. wenige mir
doch entgingen, den Weg nach meinem Reich ver-
mieden und den zum Reiche Gottes suchten. Die
wenigen — sie waren mir verhai?)t; zu toten ihren
Leib und ihre Seelen ward mir Genui?>.
Im fernen Osten, fern vom Getriebe jener Welt und
Zeit, die ihr die alte nennet, lebte ein Mann, der lange
nachgedacht, woher der Mensch und seine Seele,
woher sie wohl gefeommen und nach dem Tode
28
geht. Die Gotter Babylons geniigten seinem Seelen-
durste nicht, er fiihlte tief in seinem Herzen, dai?> an-
dere Krafte, anderes Wollen als Gotterweisheit in
dem All regiert. Und dieser Mann fand halb den Weg
zu Gott, der ihm ihn ebnete und auserbor, der
Menschheit jenen Weg zu zeigen, der zu ihm fiihrt,
doch abseits von den Gottern.
Vol! Grimm stand ich an jenem Tor und suchte
Abrams Sinne abzulenfeen. Vergebens! Er verachtete,
was icfi ihm bot, bewahrte voll Gehorsam sich im
Glauben und ward Stammvater eines Volfees, das auf
dem ganzen Erdenrund das Einzigste in jener Zeit
gewesen, dem sich des Einen Gottes Licht erschloi?).
Dal5 ich es halite und verfolgte, verderben und ver-
nichten wollte, daii es mit Ungemach, mit Leib und
tiefer Schmach bedecfet, trotz allem nicht verdarb,
das ist in jenem Buch zu lesen, das ihr die Bibel
nennt.
Hat je ein Volfe mit Zahigfeeit und Eifer an sein
Gesetz gehangen, hat es im Angesicht des Todes
selbst nicht abgelassen von dem Glauben seiner Va-
ter, so war es das der Juden. Nur ihm allein dankt
auch die Christentieit den Glauben an den einen
Gott. Mag auch Gelehrtenspruch und falscher Diin-
bel, der in den Altertiimern grabt und sich anmai?it,
den Sinn und Glauben jener einst gewesenen Volfeer
aus toten Steinen, Schriften zu erfeennen, das Gegen-
teil als Wissenschaft behaupten Es ist ein Irrtum son-
dersgleichen, der Gottes Fuhrung nicht begreift, nicht
End' und Ursach seines Schopfungsplans.
29
Konnt ich auch nicht des Volfees Fiihrung hem-
men, das sich im Osten eingenistet und sich in Ka-
naan ein Reich erwarb, so ward es mir doch moglich,
die Einzelglieder, Herrscher zu gewinnen. Ja, meinem
Einflul^ unterlag selbst Salomo. — Die Gotter, die
Jehova leugneten, sie drangen ein ins Volb, verdar-
ben Seelen, Glauben, und Irrtum ruhte neben
Gottesfurcht.
Mein Reich gewann, die Herrschaft Gottes
schwand. Bald feonnte mit Triumph ich mich als Sie-
ger fiihlen uber Gott und wollte dann verschliel^en
jenes Tor, das zu des Himmels Hohen fiihrt.
Welch' Sieg war mir geworden! Die weite, damals
nur befeannte Erde mit alien ihren Volfeern diente
mir. Das auserwahlte Volfe, das Jahve sich erwahit, es
war im tiefsten Grande seines Seins verdorben. Der
Glaube, den die Vater fromm bewahrt, war abge-
stumpft, dem rost'gen Schwerte gleich, zum Streite
wie zum Schutze unverwendbar. Im Formelbram
ersticfet, der Weltlust und der Siinde ein stets offenes
Tor, und — zwar gewillt, den Rufer in der Wtiste an-
zuhoren, doch nicht zu folgen, so zeigte sich das
Volfe, dem Gott sich offenbarte, dem es in Blitz und
Donner einst am Sinai sein ewiges Gesetz verfeiindet.
In diese Nacht der Finsternis des Geistes fiel nicht
ein Schimmer jenes Gotteslichtes, ohn' das der Him-
mel sich verschliefit, das jeder Menschenseel' den
Weg zur Hohe weist, ihr zeigt, wie sie den Abgrund
meidet, der gahnend sich am Wege offnet, den
30
Wanderer beim tiefen Fall zerschmetternd. Wie freute
mich mein Sieg und schon war nahe meine Niederla-
8e!
7. Jesus von Nazareth.
In Bethlehem erschien ein Stern am Himmel, der
strahlend alle anderen verdunfeelte und die Geburt
von einem Kind verfeiindete, das unscheinbar in ei-
nem Stall geboren.
Ich achtete es nichu denn viele Kinder entsprin-
gen ihrer Miitter Schofi, tells wachsend, teils verge-
hend. Warum soUt grade dieses Kind bedeutsam sein,
ein Menschenfeind wie hunderttausend andere? Im
Vollgefiihl der Kraft, die ich errungen, verachtete ich
jenes Kind. Auch glaubte ich ein Zufall spiele nur. als
Weise aus dem Orient verrieten, dafi dieses Kind ein
Konig wtirde werden, denn wie Orabelsprtiche sich
gestalten, das wufite beiner besser als wie ich. — Ich
lachte, als der Konigsschurl? Herodes, in Angst fOr
seinen Thron, unschuldige Kinder morden lieii, um
auch den Zufeunftsbonig hinzuschlachten, und freute
mich, dai?> es ihm nicht gelang. Der neue Konig wird
auch mir dann dienen, wenn eine Krone einst sein
Haupt umgibt — , es lagen alle ja in meinem Bann.
Doch nichts geschah. Kein Konig ward der Jiing-
ling, der still in Nazareth zum Manne reifte, des
31
Vaters Handwerb lernte und versah. — nein! Dieser
Mensch, auf dessen Seele noch nicht der allerfeleinste
Mabel sichtbar, der war zum Herrscher nimmermehr
geboren, drum liefi ich ihn gewiihren, wie er wollte.
Die Jahre flogen und mein Reich erstarfete.
AIs ich den Weltenraum durchstreifend zu mei-
nen Fiil^en eure Erde sah, da trat der Geist mir wie-
derum entgegen, der einst mich warnte, mir zur
Riicfefeehr riet. — Er rief: „La1^ ab von deinem Trei-
ben! Die Axt ist an den Baum gelegt, der deines Rei-
ches Sinnbild. Noch einmal sendet mich der Herr,
feehr reuvoll um, sonst sinbt in Triimmer zum zwei-
tenmale deine Herrlichbeit. Der Machtige ist Gott, der
jetzt als Mensch auf dieser Erde wandelt, die du mit
deines Geistes Hauch vergiftet. Noch ist es Zeit, hor'
auf mein Wort!"
„WiII jetzt der Unsichtbare sichtbar werden", rief
ich veil Staunen. ..Niemals glaub' ich das. Der Ewige
in Menschenform gepreiit, das ist ein Unding. Kann
eine Nuii den ewigen raum umschliei^en? — Kann
Gott sich jemals also tief erniedrigen, die Form des
Erdenmenschen anzunehmen? Undenfebar ist's und
ganz unmoglich!"
„Bei Gott ist nichts unmoglich! Was du leugnest,
ward langst Ereignis! Blicb auf die Erde hin. Dort
wandelt jener, der auiierlich ein Mensch, in seinem
Inneren mehr!"
Ich sah hinab und bald erfeannte ich, dafi jenes
Kind, um dessenwillen so viele andere hingemordet
worden, das still in Nazareth zum Mann gereift,
32
als Htille Gottes auserfeoren sei, damit die Gottheit
neu sich offenbare. Unfafilich war's, ein Wider-
sinn ftir Gottes Wesenheit. — Ein Mensch als Hiille
der Unendlichbeit!? Glaub' dieses Wort, wer
will, doch ich vermocht' es nicht. Und batten tausend
Engel es bezeugt: Die Gottheit selbst steigt als Propbet
2ur Erde! — icb batte dieses Wort verlacbt. Mein
reicb war groi^er als das Gottesreicb, so dacbte icb,
nie ward es meinem Auge sicbtbar. Icb aber war der
Herrscber aller Seelen, die nicbt das Tor zum Gottes-
reicbe fanden. Die Zahl war qmi>, wie felein war die
der bisber mir Entscbliipften.
„Lai?) ab von mir," rief icb dem Warner zu. „Dein
Wort ist Trug, und jener Menscb auf Erden, den du als
Hiille Gottes preis'st, ist mir , wie alle anderen verfal-
len. Merfe auf, wie er sich beugen wird vor mir, und
meine Oberhoheit anerbennt, sobald icb ibm des
Lebens Giiter zeige. Sein Leib ist Staub, wie jedes
Menscben Leib, und seine Seele giert nacb gleicben
Scbatzen, die nocb die Sinne jedesmal betorten, gait
es zu wablen zwiscben Gott und mir."
„Du irrst, deinSinn, der ist betort! Du ringst nacb
Macbt, voll Herrscbsucbt ist dein Herz! Statt demuts-
voll vor Gottes Macbt sicb beugen, bast du dein Icb
auf einen Tbron gestellt und glaubst, vor ibm wird
jedes Wesen niedersinfeen, anbetungsvoll, ein Sfelave
deines Winfes. — In Gott ist Freibeit, sie ward darum
aucb dir. Du wirst es biii^en, wenn du sie
mii^braucbst. Die Zeit ist um, die dir als Frist gegeben.
Freiwillig feebre um, eb' es zu spat ist."
33
Der Geist verschwand. Ich feonnte ihm nicht fol-
gen, und hatt' doch gern gewufit, wohin er ging.
Dafi mir im weiten all, im fernsten Aether, stets
grenzenlos der Raum mir zuganglich sei, vermeinte
ich, und dafi dort feeine andre Schopfung ist als die,
die Menschen zeugt in ihrer letzten Sproiie! Das wufit'
ich auch. Wohin entschwand der Geist? So gab
es doch im Raum Geheimnisse, in die ich bis zur
Stunde nicht gedrungen? —
Zum ersten Male wurde mir bewui?)t, dai?> meine
Kraft auch jetzt noch Grenzen fand und dai?) ich Sie-
ger nur, wenn ich sie tiberwand.
Es regte sich der Wunsch, es moge Gott sich
wahrlich eine Hiille bauen, die in dem Menschen
Jesus sich entstaltet. Gewinn' ich diesen Jesus und hat
sich Gott in seine Enge Hiille eingezwangt, so fang'
ich beide gleich mit einem Schlage und herrsche
unbeschranfet im weiten Raume. So dachte ich und
schritt sofort ans Werfe.
Ich trat heran an Jesus, bot ihm alles, was meine
Macht zu geben bereit, doch er er wies mich ab!
— Gar schnell ward mir bewufit, dafi Gottes Kraft in
diesem Korper wohnte, dafi ihm zu widerstehen feein
Leichtes sei. Gelang es nicht, den Meister zu besiegen,
der doch nur Mensch, — so muiite ich in Ktirze un-
terliegen.
„Zerst6re diesen Leib, er wird vergehen, modern
zu Staub, dann feeine Hiille mehr dem Ewigen ge-
ben", so dachte ich und fachte Hai?>, Verleumdung
und Vernichtungswut in seinen Feinden an, ihn zu
verderben.
Das Judenvolb hat manchen Mann gesteinigt, der sich
gefiel, ihm Siinden vorzuhalten, nun sollte dieses Los
auch Jesus treffen, zermalmend auf sein Haupt Ver-
nichtung fallen, das sich vermal^, dem Erstgeborenen
die Kron' zu nehmen, die ihm gebiihrte, nicht dem
Menschensohn!
Wenn ich jetzt iiberdenfee, welch grauenvoUer
Irrtum mich bestricfete, so fass' ich's selber nicht, wie
er our moglich, dal^ solche Blindheit mir den Sinn
getrubt. Die Menschheit mag erfeennen, daii es feein
Wesen gibt im Himmel and auf Erden, das nicht in
ferassen Wahn sich stiirzen feann und dann die Folgen
tragen mui?), die selbstgeschaffener Fluch dem Schul-
digen auferlegt.
Was ich erstrebte, war gelungen. Am Kreuze hing
der Herr der Welt!
„Sein Leib wird der Verwesung anheimfallen, wie
andrer Menschen Leib, und seine Seele geht dorthin,
wo andre hausen, die auch gleich ihm den Tod ge-
schmecfet", so dachte ich. Doch welch ein
Schauspiel war's. Als seine Seele, vom toten Korper
abgelost, nun sich gestaltete als Gottes Hiille durch
die der Ewige sich sichtbar macht den Geistern, die
seine Kraft dereinst ins Dasein rief.
Das groiie Wort. Es ist vollbracht, ertonte. Es starb
der Menschensohn, um Gottessohn zu werden und
ausgeriistet mit der hochsten Kraft fuhr er zur Holle,
die mein Reich umfafite.
35
Die Seelen aller jener Abgeschiedenen, die nicht
das Tor zum Qottesreiche fanden, weil ich als Wach-
ter vor dem Eingang stand, sie waren alle meine Un-
tertanen, denn meines Reiches Grenzen umfal^te sie
mit eiserner Qewalt. Da gab es feein Entrinnen, —
Aug' um Auge, Zahn um Zahn hie15 das Gesetz, das
ich zu meinem machte und auch mit starfeer Hand
stets aufrecht hielt.
Als einst die Mauern Jerichos, erschiittert vom
Posaunenschlag, zu Staub zerfielen, erisannten seine
Burger bis in das tiefste Herz erschrocben, dal^ es ver-
geblich sei, wider den Herrn zu streiten. Das Qleiche
fuhlte ich, wie auch die Mauern Helen, die um mein
Reich gespannt, als Jesus Christus nahte und sie
sprengte.
Mit ihm zog Michael, der mich oft warnte und all
die Engelscharen, die ihm in Liebe dienten. Welch
ungeheure Menge heller Lichtgestalten zog siegend in
mein Reich, den Seelen alien froh verfeiindend, daii
frei der weg zum wahren Herrn des Alls, der, Fleisch
geworden, nun den Tod besiegte und einziehen will
in seine heil'ge Stadt.
Ja, war ich denn mit Blindheit stets geschlagen,
dafi ich nicht sah, welch unbegreiflich wunder, welch
herrliches Gebild im weiten Raum entstand? — Ich
sah, dafi Gottes Diener eine Stadt erbaut als Samm-
lungsort der ihm Getreuen, ein Neu-Jerusalem nun
strahlend lichter Schone, von dem das irdische nur
schwacher Schatten war, und sah einziehen dort den
Menschen-Gottessohn.
36
Es war doch wahr, was Michael verfeiindet. Der
Ewige nahm Menschenhtille an, legte sein Ich in el-
ms Menschen Herz, natim dessen Seele ganz zu eigen
und ward so sichtbar jeder Kreatur!
Mir finsterm Grimm sah ich mein Reich zertriim-
mert, erisannt und mit Groll die Ohnmacht meines
Willens und stand erstarrt im tiefsten Seelenschmerz.
Der Schopfer schuf sein neues Reich erst aus dem
meinen und ohne mich, der Mittel war zum Zwecfe,
war diese Schopfung nimmermehr entstanden. Ich
bin es erst, durch den sich Qott entfaltet als Herrscher
in dem AIL Was ware ohne ohne mich denn Gott? —
Kann eine Kraft, die Widerstand nicht findet, jemals
nur etwas Brauchbares erschaffen?
— Nein, nimmermehr sie bleibt untatig, schlaff! —
— Der Widerstand erst macht sie schaffend, reizt sie
zur hochsten Tatigbeit, und dafi ich widerstehen, dem
Herrscher mich nicht unterwerfen wiirde, das wufete
Gott, der mich ins Dasein rief.
Du willst die Liebe sein, warum, o Herrscher,
gabst du mir nicht die Liebe in mein Herz, die du
so reichlich jenen Wesen gabst, die Neu-Jerusalem
nunmehr bevolfeern? — Sie singen Jubellieder,
sind tiberschwenglich voller Liebe, wie sie sagen,
und fanden doch nicht jenes feleine Tor, das ein-
fiihrt in dein Reich, bis du es zeigtest. Der breitere
Weg zu mir war bald gefunden und Liebe hatten
sie auch stets zu mir, weil sie erhielten, was ich
selbst besafi. Glaub' nur, Zertriimmerer meines Reichs,
dafi ich, wenn nicht zu dir, doch Liebe zu den Meinen
fuhle.
Entreifit der Mensch dem Lowen seine Jungen, so
zittert er vor dessen Kraft, mit der er rachen feann den
frechen Raub. — Du bist der Starfeere, ich weiii, mui?.
darum micli ergeben, denn zweimal hast du mich
besiegt und nicht geliistets mich zum drittenmal, als
Lowe dir zu unterliegen.
Erbaue dir ein neues Reich, zieh zu dir meine
Seelen, ich will sie dir nicht langer streitig machen.
Noch sind Billionen in der Zubunft Schofi, die ausge-
boren werden miissen, bis meiner Schopfung Quell
versiegt.
Ich sehe zu, abwartend, ob die Seelen, die mir
und meinen Dienern sich ergaben, die meinen Weis-
heitslehren folgten, sich d/rergeben Oder mii^.
1st letzteres der Fall, so fordre ich mein Reich
zuriicfe. Zerstor dann du dein neues Liebesreich!
Bis dahin will ich auf der Grenze weilen von Gut
und Bose und als ein Hiiter dieser Schwelle gelten!
GleichgiJltigkeitheiite die Fahne, die ich entroUe und
dem Panier der Liebe dir entgegenstelle!
Ich rief es laut, und eine Donnerstimme felingt in
mein Ohr: „Es sei!"
Frei gab ich jetzt die mir bisher Getreuen und
sprach zu ihnen voller Grimm im Herzen:
„Gehthin in alle Weltgleich den Aposteln, die sich
der Nazarener jetzt erkor und lehrt den Volkern eure
Weisheit Lehrt sie. dem eignen Willen nur gehor-
38
Chen, das Schicksal selbst sich zu bereiten. Bin jeder
sei sein eigner Gott. Li'eb deinen Nachsten. wie er
dich. Vergelte ihm mit gleichem MaE, das er dir zu-
geteilt. SeiHerr, willst du nicht Sklave sein undnimm
des Lebens kurzen Erdenlauf als jene Spanne an, die
nur allein dir Gliick und Macht verleiht, dem dann
das Nictits dir nactj dem Tode folgt.
Getit tiin. Damone, lefiret diesen Glauben! Icfi
harre aus auf meinem Posten, zu sehen, wessen Lefi-
re siegen wird!"
8. Luzifers Saat.
Die Saat, die ich gesat, ging auf, trug Friichte, die
ich nimmermehr geahnt. Die schwachen Wurzein
eines Weisheitsbaumes, der auf dem Qrund der Ei-
genliebe wuclis, durcli dessen Scliatten nicht die Lie-
bessonne dringt, sie warden wohl gediinfet vom Was-
ser der Unduldsamfeeit, das reicfilicli nocfi dem Her-
zenquell entstromt, den sich die Menschheit selbst
erschlol^.
Gewii?), in mir war Trotz, doch lediglich das Bose,
das hab icfi nictit gewollt. Die Menschen heute ha-
ben iibertroffen in Niedertracht und geiler Sinnes-
39
lust, in Bosheit, Rachsucht, Hafi, was bein Damon sich
je hatt' traumen lassen. Sie haben meine Lehre wohl
befolgt und haben sie zu einer Hoh' gebracht, zu der
ich schaudernd jetzt emporgesehn. Ich hab' es nicht
gewoUt, dafi die Geschopfe, die doch mit meinem
Willen erst das Licht des Lebens sahen, so tief in eigne
Finsternis je fallen, die mir und auch den meinen
einfl6i?>t ein schrecfeenvolles Grauen.
Freiwillig hat die Menschheit angenommen, was
nicht gelehrt zum Untergang der Seelen, wohl aber
zur Erhaltung einer macht, die fromme Seelen jetzt
satanisch nennen und doch nur ihrem eigenen Sinn
entspringt.
Der Forderung Jesu: Liebe deine Feinde! Lieb uber
alles Gott und deinen Nachsten wie dich selbst, ein
Hochstgesetz, das bis zum Tod erftillt von ihm, stand
meiner Weisheit stribter Gegensatz entgegen, noch
heut' von manchem Rednerstuhl verbtindet und gie-
rig aufgefaiit von vielen Menschen.
Seht an das romische Gesetz des Rechts! Fiir viele
Lander hat es heute Geltung. Wem unterliegt es
denn? Gott Oder mir? Entstand es nicht aus meinen
Lehren?
Wenn es mein Streben war, die Menschheit ab-
zuziehen von der Verehrung Gottes und sie der mei-
nen zuzuwenden, so glaubt drum nicht, ich sei von
Grund aus schlecht. Nicht schlechter bin ich als die
Kronentrager, die hundertfach Gesetze ausgefeliigelt,
durch die sie ihre Macht befestigt und ihre Majestat als
heilig aufgestellt. Wer Macht hat, will regieren, deshalb
40
verachtet er noch nicht die er regiert, ja, feann sie
lieben und \»unscht sie gluci?lich und zufrieden, da-
mit die ihm gewordene Macht nicht absttirzt, ihm aus
der Hand entschwindet. Sind eure Volbeshaupter
schlecht im tiefstem Herzen, nur darum schlecht,
weil unbedingt Qehorsam sie verlangen fiir das, was
als Qesetz sie aufgestellt so bin ich's auch. Das
wollte ich erproben! — Groi?) stellte ich mich auf die
Schwelle gleichgiiltigen Sinns, um abzuwarten, was
sich die isluge Menschheit auserwahlt, der Freiheit
ihres Willens ward gegeben.
Der Teufel bin ich nicht! — Der Teufel sind die
Seelen, die ganzlich abgei?ehrt vom schwachsten Puis
der Liebe, imstande sind, den Menschen zu zerflei-
schen. Ein Teufel-Oberster feann nie der Erstgeborne
werden!
Ich lehn es ab, ein HoIIenfiirst zu sein, wie ihn die
Alten sich als Pluto dachten. Noch weniger bin ich
gewillt, dem Kirchenwahnsinn als Modell zu dienen,
der mich mit Hornern, Klauen ausgestaltet, zum
Scheusal frommen Wahnes macht. Sucht rings im
Weltall, nirgends ist zu finden ein Wesen, das dem
Bilde gleicht, das Oder Pfaffengeist sich ausgebliigelt
zum Zwecf? der Herrschaft iiber blode Menschen.
Zum Teufel hat der Mensch sich selbst gemacht,
mit Luft hat er sein Herz dazu gestaltet, hat seinen
Sinn gebraucht, von Gott sich abzuwenden, den Geis-
tesfunben, den der Herr ihm gab, im Schlamm der
Erdenluft zu toten, zu hohnen den, der ihm das
Leben gab, um dann voll Heuchelei mir zuzuschie-
ben, was eigene Verruchtheit erst geboren.
Erstarrt bin ich von alle dem Entsetzen, womit der
Mensch die blutgetranfete Erde in alien Landern iiber-
decbt, derselbe Mensch, den ich auf falschen Wegen
zu Gliicb und Reichtum fiihren wollte.
Ich bin besiegt! — Hatt' ich's geahnt, dai?. meine
Herrschsucht und mein Trotz je solche Frtichte zeit-
gen wiirde, da15 sich der Mensch so ganz verstricben
wird in Lug und Trug, durch Strome Bluts zu waten
sich nicht scheut, ich hatte nie Kraft gebraucht, wie
ich sie brauchte.
Gleichgultig\f30\\i ich sein, ich konnt's nicht blei-
ben!
Der Menschheit Treiben wurde mir zuwider Mich
efeelt vor der Kreatur, die Gottes Ebenbild feonnt sein
und nur die Fratze zeigt. Auch meine Diener scheuen
sich vor solchem niedern Treiben.
Und Gott, der Herr, \\ef> es geschehen, vernichtete
nicht diese Brut. Austobten sich im Wahnsinnsferieg
die Volfeer und woUen sich auch weiterhin zerflei-
schen.
Da pacbte mich das Weh, das Schwert der Schuld
fuhr tief mir in die Seele und todeswund schrie ich
zum Herrn des LichtS:
„Ich hab gefehit, o Herr, — ich hab gefreveh und
ich bin nicht wert, dein erstes Kind zu heii?>en. Du
weiiit, was jetzt geschieht, das hab' ich nicht gewollt,
durch mich feam aller Hochmut in die Weh, nun lai^
durch mich ihn wiederum vernichten. Gib mir die
Kraft zuriicfe, die du mir nahmst, gebrauchen
will ich sie nach deinem Willen, will suhnen, was ich
einst verbrach!"
Gott ist die ewge Giite, die Liebe, die Barmherzig-
feeit, er hat mein Schrein gehort und mir verziehn. —
Doch losen mui?. ich jetzt die Bande, mul?. toten was
sich ruchlos zeigt. Was in den Stunden fluchwiirdigen
Tuns zu eisenfestem Ton gebrannt. Es mu15 zermalmt,
zerstaubt und ausgelost in die Atome werden. Die
Spreu ist von dem Weizen jetzt zu sondern.
Nicht soil der Mensch dem Satan mehr andichten,
was er stets selbst verschuldet, nicht ihm aufladen
voUer Heuchelei, was in dem eignem Herzen gart und
ihn zu Taten zwingt, die Luzifer mit Abscheu von sich
weist.
So hor' es Menschheit: Zittre vor den Folgen, die
deinem eigenen Drachentum entspringen. Li'c/it soil
es werden in der Finsternis! Es naht der Trager ewgen
Lichts, das er verdunbelte im irren Trotz. Neu soil es
strahlen iiber alle Menschen, die ihn als Boten Gottes
anerbennen, der reuvoll in das Vaterhaus getreten
und angenommen ist als einst verlorner Sohn.
Lacht nicht als sei dies Marchenfeunde,
Glaubt nicht, dafi ich verbiinde leeren Wahn!
Bald wird es heifien auf dem ErdenrundC:
Das Licht erstrahlt! — der Racher zieht heran!
Das Leben
des Menschen
Woher? Wohin?
Woher?
Der Mensch, in sich das grofete Wunderbild der
Schopfung, hat wohl gelernt, seinen hochst fetinst-
lichen Korperbau soweit zu ergriinden, als Anato-
mie und Physiologie es mit ihren immerhin mangel-
haften Hilfsmittein gestatten, aber gleichzeitig hat er
es verlernt, seinen innersten Keimen nachzufor-
schen und sich felar zu machen, was denn eigentlich
in ihm lebt, was ihn gewissermal^en zum Leben
zwingt, ja, was denn eigentlich Leben sei und wo die
Qeburtsstatte des eigentlichen Lebens zu suchen sei.
So wie unsere ganze jetzige Zeit ein Suchen nach Aeu-
f?.erlichfeeiten, ein Jagen nach greifbaren materiellen
Dingen darstellt, so zeigen auch die Wissenschaften
durchgangig ein Geprage, das den Stempel des moder-
nen Zeitgeistes tragt, und das it der SatZ: „GIaube nur,
was du siehst!" Daii eine Zeit die sich selbstwillig
aller Ideale entaufiert, die nur nach den materiellen
Giitern des Lebens ringt und bei alien Dingen, die sie
in den Bereich ihrer Berechnungen zieht, stets die
Frage bereit hat: „Was ist dabei zu verdienen?" Wenig
Sinn daftir haben feann, in das Gebiet des rein Geisti-
gen hinabzusteigen, sich wahrhaft felar die Probleme
des Seelenlebens in ihren Beziehungen zu Gott und
der Natur vorzulegen, ist wohl begreiflich, aber tief
bedauerlich. Die Menschheit mui?> durch diesen Tau-
mel des herrschenden Weltgenusses, der nicht be-
friedigt, sondern nur zu weiterem erschopfenden,
entnervenden Genusse anspornt, schlieiilich zu einer
Hohe des Raffinements getrieben werden, aus dem
feein Zurticbblettern mehr moglich, sondern nur ein
zerschmetternder Sturz aus schwindelnder Hohe mit
grol^ter Sicherheit vorauszusehen ist. Die Geschichte
des Romerreiches und anderer langst dahinge-
schwundener Weltreiche lehrt uns, dafi die Natur sich
nicht verspotten lai?)t: iibertreten wir ihre Gesetze, so
liegt die Strafe schon in dem Gesetze, als Folge der
Uebertretung, und feein Mensch, der ihre Gebote
mil^achtet, wird straflos ausgehen.
Entfernen wir uns von den Idealen, welche Moral,
sittliches Empfinden und Religion in uns einpflanz-
ten, und welche uns zur Wiirde des Menschen erhe-
ben, — denn ohne diese waren wir den Tieren gleich
— so ist gewifi, dafi die Strafe auf dem Fuiie folgen
mui?>. Das Bewufitsein, recht zu tun, sittlich zu emp-
finden und durch Gott mit sich und den Mitmen-
schen friedlich zu leben, die Freuden des Lebens
im raffinierten Lebensgenusse, sondern in dem Stre-
ben des Qeistes nach VoUbommenheit zu suchen und
so Herz und Geist zu starfeen, anstatt beide zu entner-
ven, gibt den Menschen jenen Abel der Qesinnung,
der ihn fahig macht, das Aergste zu ertragen und in
Freudigbeit auszuharren, bis auf Regen wieder Son-
nenschein folgt. Der Friede, die glucbliche Ruhe,
welche ein hoffnungsvolles Streben in der Liebe zum
wahrhaft Quten auszeichnet, wird nicht gestort und
finstern Gewalten der Verzweiflung, der Vernichtung
gleiten, ohne ihre schwarzen Schatten zu werfen, an
ihm voriiber
Im Innersten des Menschen, d. h. in seinem inner-
sten Heiligtum, wohinein feeiner gerne seinen nachs-
ten Freund Oder Anverwandten einen Blicfe tun lai?)t,
dort, wo seine geheimsten Gedanben schlummern,
dort regt es sich nun oftmals in einsamen Stunden,
und mit Zentnerlast legt es sich auf seine Seele, wenn
eine Frage aus diesem Regen und Bewegen entsteht,
die sich in dem feurzen Worte „ Wohin" zusammenfas-
sen lal^t. Ja, wohin fuhrt den Menschen das toUe Trei-
ben der Welt, wohin fiihrt diese Sucht, zu glanzen,
bewundert zu werden und alle Geniisse, die die feurze
Spanne eines Menschenlebens bietet, sich zuganglich
zu machen, wohin fiihrt dieser Weg zuletzt? „lns
Grab!" 1st die dumpfe Antwort, die sodann aus die-
sem geheimnisvollen Winbel des innersten Seelen-
lebens tont, und schaudernd sucht sich der Welt-
mensch abzuwenden von diesem unangenehmen
Mahner der Verganglichbeit alles Irdischen. Leise
zittert es aber wieder in diesem innersten Heiligtume,
und wieder regt es sich dort und eine zweite Frage
ertont in demselben. Diese lautet: „Und nach dem
Grabe — wohin?" Lauter, eindringlicher erfelingt die-
se zweite Frage und der Weltmensch sucht mit
ferampfhaftem Lachen und scheinbarer Sorglosigbeit
diese unangenehmen Tone zu ubertauben. „Wei15
icfi's? Mir ist es gleich, ich suche jetzt zu leben." —
Das ist der trostende Spruch seines Mundes, und er
lebt, lebt — und stirbt in Wahrheit in jeder Minute
seines eingebildeten Lebens. — Langsam, wie das
Meer von dem Gestade eines felsigen Eilandes, lang-
sam aber sicher mit gieriger Zunge Sandfeorn um
Sandborn abbrocbelt und verschlingt, so verschlingt
jede Minute einen Teil des dem Toren so bostbaren
Lebens und blicbt er zuriicb, aufgeschrecbt durch
den Sturz eines grol^eren Stticbes des unterwasche-
nen Felsens, so erbennt er, wie erbarmungslos das
gefral^ige Meer der Zeit an seinem Lebenseiland be-
reits genagt, wie blein es schon geworden, und wie
bald es verschlungen sein wird, das ihm so feostbare
Leben. — „Wohin?" Drohnt es ihm nun abermals ent-
gegen, jetzt aber mit erschiitternder Kraft und wohl
ihm, sucht er diese Frage nicht weiter zu ubertauben.
— Er sucht dann in seinem Innern, der Mensch, denn er
fiihlt, „bann ich das „Woher" ergriinden, so bann ich auf
das K7o/?/nwohI schliei?.en!" — Leise tauchen da leichte
Bilder auf in der Seele des Wahrheitssuchenden und in
dem Heiligtume des Herzens wird es gar emsiglich ge-
schaftig. Fragen entstehen immer mehr, und der
wunderliche Mahner, der all diesen Rumor hervor-
rief, sitzt jetzt blar und erschaulich im innersten Her-
zenswinfeel und sagt:
„Frage nur ich feann's Di sagen. Denn sieh, ich bin
ein winziges Teilchen von jener Urbraft, die Alles in
dem grofien Weltenraum gescliaffen; icli bin Dir bei-
gestellt, dal^ Du mich pflegen, micli erwecljen und
naliren sollst. Du sollst mich auferziehen, mich grol^
machen und sei iiberzeugt, ich bin nicht undanfebar
Ich bin dein innerster und ewiger geist. Ich hange mit
dem grofien ewigen Urgeist innig zusammen und
feann Dir Alles geben, in dem Mai?)e, wie du mich er-
ziehst. Lasse mich machtig werden in Dir, o Mensch,
lasse mich so wachsen, dafi ich Dein ganzes Ich erfiil-
le und wir behren dann als Bins zum grofien Urquell
zuriicfe, von dem wir ausgingen. Du, o Mensch, hast
die Pf/i'cht mich groi?) zu Ziehen, Du hast die hehrste
aller Mutterpflichten an mir, deinem selbsterzeugten
und geborenen Kinde zu erftillen und siehe, das ist
der Zwecfe Deines Lebens. Hast Du diesen Zwecfe er-
fiillt, hast Du die Elternpflichten an mirwohl betatigt,
so gehen wir ein zum wahren Leben und die Frage
„Wohin?" liegt nicht als Schrecbbild, sondern als gol-
diger Morgensonnenglanz vor Dir Siehe, ich bin
noch schwach in Dir — ergreife mich und pflege
mich!"
Da staunt der Mensch, denn er ahnte nicht, dai?. in
ihm noch ein Wesen leben bonne, Neugierde aber
48
und die leise Hoffnung, vielleicht doch Wahrheit
zu erforschen, veranlassen ihn, auf diese Elternschaft
einzugehen und er sagt zu dem so plotzlich entstan-
denen feleinen Sprecher in seinem Herzen: „WohI,
was Du sagst, blingt meinem Ohr angenehm, doch
sage mir woher du feamst und dann werden wir wei-
ter seheo; beantworte mir erst diese Frage und dann
gebe ich Dir fJaum in mir soviel Du willst, doch nur
wenn Du diese Frage gut eriedigst!"
Das feleine Wesen lachelt und sagt:
Du willst mit mir handein und ftirchtest, eine Kat-
ze in dem Sacfee zu feaufen? Doch es sei so, ich will
Dir antworten, doch wisse, da Du mir einmal eriaubt
zu reden, so wachse ich schon dadurch, und toten
feannst Du mich nicht mehr wenn ich erst einmal
zum Leben erwacht bin. Doch jetzt sei still, hore zu
und store nicht durch Fragen, damit Du wissen
magst, „wohef ich bin.
„Sieh an das grol^e Weltmeer wie es wogt und
stiirmt, wie grol^e Wassermengen an seiner Oberfla-
che verdampfen, aus denen Wolben sich bilden, die
weit hinausziehen in weite Lande, um Fruchtbarbeit
und Segen zu verbreiten, durch den in ihrem Scho-
i?>e verborgenen fJegen. Der niederstromende Regen
dringt ein in die trocbene Erde, sammelt sich dort
zu Quellen, verbindet sich oft mit den unter-
irdischen Gewassern, die stets mit dem Meere auf
vielfach verborgenen wegen in Verbindung stehen
und aus der hervorbrechenden Quelle entsteht ein
Bach, aus dem Bache durch Vereinigung mit andern
Bachen ein Flufi, ein Strom, der seine stattlichen
Qewasser dem Meere, der grofien Mutter, wieder
zuftihrt. Es ist ein Kreislauf der Dinge. Jedoch ein
grofeer Unterschied waltet zwischen den zurucbbeh-
renden Gewassern und den ausstromenden vor: Das
Wasser ist trinfebar geworden, veredelt! Siehst Du,
hier ist ein schwaches irdisches Bild, das uns den
geistigen Kreislauf etwas veranschaulichen feann.
Das Meer — es ist der Urquell alles Seins und Lebens.
Es wogt und stiirmt an seiner Oberflaclie gar gewal-
tig, doch nur ein paar Meter unter dieser da ist erha-
bene Ruhe, Friede, und seine ungemessenen Tiefen
verbergen Geheimnisse urn Geheimnisse, unerforsch-
licli dem Auge des Forschers; nur was es freiwillig
hergibt, wird beschaulich, und einzelnen ijuhnen
Auserwahlten gestattet es manclimal, bei ruliiger See
Tiefforschungen anzustellen, deren Resultate den
Mensclien erschauern lassen vor der Fiille der un-
geahnten tiefverborgenen Wunder So ist es auch mit
dem Menschen und zwar mit dem seelischen Men-
schen. Ausgehend von dem allgemeinen Urquell stei-
gen Tausende von isleinen Zellen in Gestalt von Was-
serblaschen auf, die einzelnen Seelenpartibel, diesel-
ben verdichten sich zu festeren Wolbengebilden und
Ziehen so hinaus in weite Lande. Je schwerer, d. h.
Dicfiter sie nun werden, werden sie hinabgezogen
zu der Erde und fallen nieder als der befruchtende
Regen. Je dichter die Seelenpartifeel werden, je
mefir, je mehr werden sie hinabgezogen zu den Pla-
neten und Fixsternen und bilden da die Keime
50
des organischen Lebens; sich gegenseitig ergreifend
und vereinigend, entstehen die mannigfaltigen For-
men der Schopfung und die Reprasentanten des
Mineral-, Pflanzen- und Tierreiches. Gleichwie der
Regen, sich einigend mit anderen Wassern, zunachst
Quelle, dann Bach und Flui?, bildet und durch die
Ufer gezwungen ist, feststehende Bahnen einzuhalten,
so wird hier die Form gegeben, die zu durchbrechen
nur gewaltsam moglich ist. Sind viele, viele Quellen,
Gewasser, Bache, Fliisse nun vereinigt zu einem
Hauptstrome, ist seine Flut gereinigt, Siiiiwasser ge-
worden, und hat sei Lauf, Segen verbreitend, sich
dem Meere wieder zugewendet, so gibt er diesem,
langsam und majestatisch fliei?>end, Alles zuriicb und
das Leben erlischt ausfelingend wie ein harmonischer
Afefeord. Siehst Du, das ist das aui?.ere Bild der Men-
schenseele, die bis zu diesem Punbte dem geschilder-
ten Kreislauf gleicht. Du fragst nun: „doch wohin eilt
jetzt der Strom, der sich in' Meer ergiei?.t?" Geduld!
denn das Woher ist ja noch nicht erschopft! — In
diesem Kreislauf erblicijst Du ein Gesetz, das, ewig
wirfeend, ewig ist und bleibt; das Gesetz jedoch be-
dingt, damit es wirben feann, der ..Kraft" , — die Kraft
ware untatig, triebe sie nicht an der „ Wille" und der
IF/Z/e wieder wird bedingt durch die ..Liebe" zu einer
Sache, die Liebe als innerste Triebfeder alles Seins.
Hier liegt der f^m! Entspringt unser Dasein einer Liebe. so
muli dieselbe sich bewuBtsein. denn sind die Geschopfe sich
selbst bewuBt, um wieviel mehr mu& es dann der
Schopfer sein, da Er nur geben kann, was Er selbst
besitzt?So wie Er das zu erschaffende Wesen in Sich
erschaut, so tritt es in der Schopfung auch aus ihm
selbst heraus und so ist sich der Mensch selbst ein
Beweis der Wesenhaftigkeit des Schoplers, da er
selbst nur Qeschopf und das Abbild eines Wesens sein
feann, das alles Seine Eigenschaften in sich vollfeom-
men vereinigt. Nur was bereits in der Idee und Form
irgendwie vorhanden ist, feann erfaiit und in gleicher
Oder ahnlicher Form wiedergegeben werden, nicht
aber feann aus Nichts Etwas — und gar sich selbst
Bewu1?.tes — je entstehen. Dieses sich selbst bewui?)te
Ich nun, siehst Du, das — bin ich die Seele. zusam-
mengefelaubt aus Tausenden von Elementen, aus-
stromend aus dem Urquell, ist mein Kleid, dem ich
mich erst bewui^t zu machen habe, so wie ich wach-
se, wird es in ihr hell und sie erfeennt nun, dai?. sie
lebt, versucht allmahlich ihres Daseins Zwecfe und
Ziel und forschet gerne uber das „Woher" — „Wo-
hin?"
„WievieIe gibt es doch, die nie zum wahren
Selbstbewui^tsein sich aufraffen, sie schlafen den
Todesschlaf des Geistes, fiirchten wohl, gar unsanft
gertittelt und geschuttelt zu werden, verschliei?>en
sich der besseren Logife vollig, und nennen stolz sich
„RationaIist" und „Atheist". Sie glauben sich auf-
zuschwingen zur reinen Vernunft und steigen hinab
nur zur bedingten Tiervernunft, die iiber gewisse
52
enge Grenzen hinaus nicht reichen feann, da sich das
Tier nicht selbst bestimmen darf. Das selbstbewufete
Ich stelle ich nun dar, das also ein Abglanz ist des
hochsten selbstbewufeten Schopfergeistes. Ich bin
Ihm ahnlich und Dir beigegeben, damit ich, in Dir
wachsend, Dich offenen Auges fiihre vom Quell zum
Bach, zum Fluii, zum Strom. Wie Du in einem Spiegel
der groi?)en Sonne Licht i?annst wohl erschauen, so
strahit in mir ein Teil des groi?)en Schopfergeistes und
so findest Du in mir und durch mich den Schltissel
zum Verstehen aller Weltgeheimnisse, doch nur,
wenn Liebe die innerste Triebfeder zum Suchen ist.
Nicht selbstsiichtige, sondern die selbstverleugnende
Liebe, die nichts fiir sich, doch Alles nur fiir Andere,
ihre Nachsten, will. — jetzt weifit Du schon, „woher"
ich bin, jetzt hore, wie Du es schaffest, dafi ich in Dir
wachse, denn das also ist nur der Zwecb des Lebens":
„Wenn sich zwei Menschen lieben, so wirst Du
oftmals finden, dafe sich ihre Gedanfeen ausglei-
chen, dai?i ihre Taten sich erganzen und nichts tut
dann ein Teil, was nicht der Andere billigt. Der eine
Teil fiigt sich gern dem andern, und gegenseitig
herrscht derselbe Trieb, stets zu vermeiden, was den
Andern feranbt. Die Wohltat steter Harmonic, fried-
samen Gliicbs herrscht in solchem Kreis und beider
Wille ist nunmehr nur Einer Siehst Du, das Bild der
wahren, reinen Ehe, die sich auf hochste Lieb' und
Achtung stiitzt, dies Bild soil darstellen die rechte,
wahre Ehe zwischen Seele und Geist. Der Geist,
das ist der Mann, sich selbst bewufit, und der Repra-
sentant des Willens, der da herrschen soil im Haus,
herbommend von dem Urquell alles Seins, als Ich des
Menschen; die Seele ist das Weib und ist entstanden
erst durch Uebergang der Formen bis zum Menschen-
bild, schliel^t in sich also ein zahllose Ideen und Bild-
werfee der Schopfung, die es durchdrungen und in
sich vereint, gibt so dem Geist ein Kleid und eine ftir
ihn lesbare Landbarte des Alls. Je mehr nun gegensei-
tig das Streben nach VoUbommenheit hervortritt, je
mehr der Mensch die Liebe in sich auch nach aui?)en
stellt durch Werbe der Barmherzigfeeit und Liebe, je
mehr sein Sinn geadelt wird durch Streben nach dem
Guten, je mehr auch eint und festigt sich das Band
der Ehe zwischen Geist und Seele und fiihrt den Men-
schen ein zu Harmonie und Frieden. Den Menschen
lehrt das Wissen dann der Geist: wer diesen Weg be-
tritt, hat seinen Lehrer in sich — Geniisse lernt er feen-
nen, die das wahre Leben enthalten, doch nie wird sie
die Welt begreifen und erfassen. Der Punbt, wo Geist
und Seele sich finden, ist das Herz, hier sprechen beide
laut und blar: hier warnt der Geist, die Tat vorher zu
priifen, ehe es zu spat ist, hier stemmt sich oft das Weib
„Seele" der besseren Erfeenntnis ihres Gatten ent-
gegen, hier zanfeen oft sich beide Stimmen deutlich
und diesen Zanfe nennt dann der Mensch „Streit des
Gewissens". Ist nun die Tat geschehen, die verderb-
lich und unheilbringend war, so drohnt oft machtig
die allgewaltige Geistesstimme, die — in sich
edel — stets das Bose hafit und das nennt der Psycho-
log ..Gewissensqual". Es ist die Stimme Deines ewigen
Geistes, o Mensch, wie in Dir spricht, des Qeistes, der
selbst den Korper toten feann durch sein gewaltig
strafend Wort, und so die macht der oft argen Seele
nimmt, Boses 2u schaffen, anstatt sich mit Ihm 2u
einen und eng verbunden mit ihrem Herrn den Weg
2ur Gliicbseligfeeit zu wandeln."
^^
„Wohin"
geht nun der Weg? Fast fiirchte ich, ich predige tau-
ben Ohren, leerem Herzen, versuch' ich es, die Frage
Dir zu losen. Doch — einstens bommt die bittre, arge
Stunde, in der es ..sterben" heii^t — der Tod grinst
dann Dich an mit seinen Qualen, verlassest Du den
Weg, den ich Dir wies. Doch nur mit Freuden ohne
Furcht und Bangen, siehst Du den Tod als Freund an,
nicht als Feind, erfassest Du die Wahrheit meiner
Worte! Drum denl?', o Mensch, an mich, wenn es einst
„sterben" heii?>t, verachtest Du mich jetzt, so wirst Du
fiihlen mtissen, weil Du nicht horen wolltest. — Das
Land, wohin Du eilest nach dem Tode, ist das Land des
(wahren) Lebens, dort herrschet nicht mehr Streit, Zanfe,
Ruhmsucht und Geld der Erde, nein: Liebe, Friede
nur und Harmonie! Je mehr Du Dich vervollfeomm-
nest, je hoher steigt Dein Staunen — die Werfee der
Unendlichfeeit, des Ewigen Kraft und Gnade werden
Dir beschaulich! Erfeennen feannst du Ziel und Aus-
gangspunbt des Lebens, doch nie feannst Du errei-
chen das Ende der Ewigfeeit. Dein Leben ist dann ein
unablassig Ringen nach hoherer VoIIbommenheit.
Die hochste VoIIbommenheit ist der Urquell selbst
und dieser ist in Sich ewig von Ewigfeeit. Erfelimmst
du nun auch Stufe wohl nach Stufe, so feannst Du
doch den Ewigen niemals erreichen und so nimmt
auch die Glticfeseligfeeit, die in dem unablassigen
Vervollfeommenerwerden liegt, feein Ende, sie ist
ewig. Aber in dem Ringen nach Besserwerden und
der damit verfeniipften Erfeenntnis, darin nie das Ende
2u erreichen, liegt nicht ausgesprochen, daii Du er-
lahmst und etwa zufolge dieser Erfeenntnis vergeblich
ringest, o nein, denn jede neue Stufe bringt Dir soviel
neue Erfeenntnis, neue geistige Friichte und Gaben,
dai?) Du im Streben neue Kraft stets findest, doch nie
Ermtidung Oder Ungeduld. Ein Forscher will erst das
gefundene Gebiet ergriinden, ehe er weiterzieht,
sonst ware es nicht niitze."
„Ich hielt mein Wort, gab Aufschlui?) iiber das
„Woher", „Wohin", jetzt zeige, Mensch, ob Du es vor-
ziehst, hier nach meinem Wort zu leben, Oder im
Wahne, es sei Traumerei, was Du gehort, bis zum
Rand des Grabes hinzutaumeln. Ich schreie Dir ins
Ohr:
..Porsche in Dir".
denn Du sollst leben, um mich, den ewigen Geist. mit
Dir zu einen\ Willst Du das nicht, so raune ich Dir
taglich 2U:
..Du mu&t sterben "
— vielleicht wird diese Mahnung dann — Dich
forscfien leiirenV