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Full text of "Leopold Engel - Luzifers Bekenntnisse"

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Luzifers 
Bebenntnisse 



Ein Epos in 8 Gesangen 



Von 
Leopold Engel 



Lorch (Wurttemberg) 1928 



copied by macska « 



2001 



Eindeutige Satzfehler wurden berichtigt, die Inter- 

punbtion wurde beibehalten; neue Fehler hoffent- 

lich nicht hinzugefiigt. 

Die im Original g e s p e r r t gedrucfeten Textpassa- 

gen werden hier in i&yr5/Fwiedergegeben. 

Der Seitenumbruch folgt der Ausgabe Lorcii 1928. 

Neu gesetzt in der Belwe Lt Bitstream®. 

mascba « 2001 



Luzifers 
Befeenntnisse. 

In 8 Gesangen. 



1. Luzifers Berufung. 

Im ewigen Raum schwebt ein heller Geist und schaut 
mit grofiem Auge in die Fernen des Weltenalls in 
tiefstem Staunen: 

„Wer bin ich?" „Was ist mein sein? — — 

Ich sehe nichts um mich als meine Klarheit. Mein 
eigen Ich erbenne ich, doch was bin ich? Mein Kleid 
ist Licht. Mein Fiihlen, Denben reicht nicht weiter, als 

mein Auge schaut! Wo bin ich? Was hat mich 

geboren? Ich bin und war doch nicht, 

bevor ich lebte. — Was ist mein Sein? Ich fiihle, 

dai?. ich bin und heiiies Streben regt sich in mir 2u 
wissen — warum ich bin, weshalb ich ward? — 

Im leeren Raum, der ohne End' und Anfang mir 
Wohnung scheint, Heimat und Zufluchtsort, da ward 
Ich ausgeboren und fiihle mich allein. — Soil einsam 
ich in diesem Raume bleiben, durcheilen ihn, stets 
ohne Zwecf? und Ziel? 



Lafi mich dich Kraft erfeennen, die mich in's Da- 
sein rief, die mir das Leben gab, die Einsicht, da15 ich 
sei, in's Hirn mir pflanzte und das Bewul^tsein gab: Ich 
bin! — Warum bin ich? — Das will ich wissen, mui?> es 
wissen! Antwort erwarte ich in heii?>ester Begierde 
und wenn du bist, o Schaffensferaft, so offenbare 
dich! Zeig dich und sage, was dein Wille!" 

Es rief ich einst, als mich die Kraft der Gottheit, 
die Allmacht in das Leben zwang und ich zum Wissen 
meines Seins gelangt — doch einsam war. 

Ein lichter Geist war ich, der strahlend seine 
Macht erfeannte, jedoch nicht wufite, wie sie zu ge- 
brauchen. 

Erwachend zum Bewufitsein, nicht in Vollfeom- 
menheit geboren, nicht weise so wie Gott, nicht im 
Besitz der Liebe zu dem Hochsten, den ich nicht 
feannte, nur in mir selbst und aus mir selbst die 
Schopferferaft empfindend, durchreiste ich des Welt- 
alls ew'gen Raum, Licht bringend tiberall, wo ich 
verweilte. 

Dem Kinde gleich ward ich geboren, das wachst, 
dann fiihlt und denfet. Das Menschenfeind von Mut- 
terhanden wohl gehiitet, feennt seine Mutter anfangs 
nicht, weifi nicht, dafi es aus ihrem Schoi?) ins Dasein 
trat — und dennoch ruft es weinend nach der Mutter 
So rief auch ich nach meiner Mutter, — erst lallend, 
dann mit lauter Stimme, — doch ward mir nicht ihr 
liebes Angesicht. 

Dem Schmetteriinge gleich, der aus der Puppe 
feriecht und furchtsam erst sein schones Flugelpaar ent- 
rollt, um dann mit schwachen, stetig starberen Schlagen 



die Kraft der Schwingen zu erproben, bis sie ihn hoch 
in sonnendurchwarmte Ltifte tragen, so wagte auch 
der Erstgeborene Gottes, der ich bin, die Schwingen 
seines Qeistes zu entfalten und suchte seine Mutter 

Wie ist's dem Kinde wohl am warmen Mutterher- 
zen, wie schmiegt es sich an ihre Brust und trinbt mit 
Lust die Nahrung, die sie freudenvoll ihm bietet — 
Ihr wii?>t nicht, Menschen, welche Gnad' euch wurde, 
als Gott der Herr euch jedem seine Mutter gab. 

Ich habe meine Mutter nie gesehen, hab' ihren 
warmen Hauch, den Kui?) der Liebe, den sie auf's 
Haupt des Kindes driicbt, nie wie das isleinste Men- 
schenfeind empfunden. — Ich ward geboren ohne 
dieses Gliicfe, war da, erblicbte nie die Kraft, die mir 
das Leben gab und mich zum Wachstum eines Da- 
seins im weiten Aetherraum des Weltalls zwang. 

Ich fiihlte felar daii eine Kraft bestand, die zeu- 
gend mich zum Werden ausgeboren, dai^ ich nicht 
selbst ein Leben mir gegeben, das schlummernd erst 
im tiefem Weltraum ruhte, und dann erwachend sich 
als Ich erfeennt. Ja, ich empfand: die Schopferferaft, 
die mich durchstromte, feam nicht aus mir, sie drang 
von Aui^en in mein Ich, ergriff, durchgliihte voll mein 
ganzes Wesen und sprach als ew'ger Geist zu mir, 
dem ersten dienenden Geschopf. 

Gewaltig ftihlte ich den Hauch der Macht, doch 
nicht wie Mutterliebe, nein, wie Sonnenglanz und Son- 
nenwarme, die den wegmiiden Wandersmann umgibt, 
der sich am Waldesrand im Sonnenstrahle badet. 



Was ist das Gliici? des hochsten Machtempfindens, 
das sich in mir, dem Erstgeborenen vereinte, nur 
gegen einen Tag am warmen Mutterherzen, das ich 
nie gefeannt. 

Mir ward die Gottheit nur der Zeuger meines 
Seins, stets unsichtbar nicht Mutterleibe gebend, 
doch Kraft und Macht, Licht aus mir strahlend und 
verbreitend, Licht, das die Finsternis durchdrang, und 
die mir ernst gebot: ..Gebrauche die verliehenen Kraf- 
te und schaffe, was ich nach meinem Plane dir gebie- 
te!" 

Ich tat es gern, getrieben von des Ewigen Willen 
und fiihlte wie in ihm mein eigener Wille wuch3. 

Der Plug der Zeit entstand in mir denn die Geburt 
des Erstgeborenen heiiit und bedeutet den Anfang 
aller Dinge, die da sind im Weltenraum der Ewigfeeit. 

Die Zeit begann den Flugelschlag zu regen und 
fiihrt noch heut das Zepter der Geschehnisse im All. 
Mit dem Begriff der Zeit, mit ihrem Walten, ward mir 
das Wissen bald vom Anfang aller Dinge und dai?> der 
Wirbel eines Schopfungstages zwar von der Ewigfeeit 
ward ausgeboren, doch Anfang auch ein Ende mu& 
bedingen. Der Anfang, der war ich. — Es wurde beine 
Antwort mir gegeben. 

Ich rief nach dem, der mich gezeugt und sieh, — 
da felang in mir die Stimme wieder, die schon einmal 
mir anbefahl, die Krafte zu gebrauchen, die mir gege- 
ben, nicht 2um eignen Spiel, nein, nach dem Plan, 
der sich entfalten wurde. 



Ich wufete nichts vom Plan der Schaffensferaft, ich 
wufite nur, dafi einsam sein ein grausames Geschicb. 
Ich sehnte mich, nicht mehr allein zu sein. Ich 
wiinschte heifi, Qebilde zu erschaffen, die so wie ich 
gestaltet und beseelt, mit mir der Zeiten Lauf emp- 
finden und bestimmen. 

Es wurde mir, als tauchte ich in Licht und Glanz. 
Ein Wort, dem Blitze gleich durchzucbt mein Herz, es 
folgten andere und blar vernehmlich tont es in mir: 
„Du bist das Bild der Urbraft, die dich zeugte, jetzt 
zeuge du mit festem Willen. Stelle die Bilder die in 
dir sich lichten, aus deinem Ich hinaus, hauch Leben 
in sie ein! Die Macht ist dir gegeben! Werd Vater neu- 
er Geistgeschopfe, die dir gleichen. Du bist aus mir 
entsprossen als mein Sohn, bin Vater dir und Mutter!" 

2. Luzifers Schuld 

Mit stolzer Freude fiillte sich mein Sinn. Ich — 
Erstgeborener der Gottheit, die ihre Macht in meine 
Hande, meinen Willen legte und mir befahl zu schaf- 
fen, zu erwecfeen. — Konnt' sie es selber nicht? — 
Bedurfte sie, die in dem All die weiten Fernen zwang 
mit ihrem Willen, auch durchdrang, des sichtbaren 
Geschopfs — so war ich selbst wie Gott, denn seine 
Herrlichbeit feonnt' ohne mich zu Taten nicht gelan- 
gen. — So dachte ich, nachdem anfangs mit 



10 



Zagen, dann weiterhin in Sicherheit und Ruh ich alle 
Krafte prtifte, die mir wurden. Der Anfang war ja ich, 
das Ende schrecfete nicht. Dal^ es jemals ein Ende 
geben bonne, das mir die Macht entreii?>en, den Wil- 
len brechen feonne. Halt gebieten dem Eigenwillen 
mii?.verstandenen Konnens, bam nicht in meinen 
Sinn. Ich war der Erste, konnte ich der Letzte wer- 
den? 

Ich schuf, was mir die Gottheit hat geboten und 
bald umgab mich eine Schar, die wesenhaft wie ich, 
in mir den Konig, ihren Herrn erbannte, die, nur 
durch mich erftillt mit starben Kraften. Den Raum 
bevolberte und anderes erzeugte. Sie beugten sich 
auch meinem Willen, sie fiihrten aus, was ihnen ich 
gebot, doch merbt' ich nicht, dai?. neben diesem auch 
ihr eigener erwachte und in dem Drang des Selbst- 
erwachens zu eigenen, mir fremden Taten fiihrte. 

Allgegenwartig war ich nicht, auch nicht allwis- 
send, auch nicht voll Demut, die da sagt: nur was der 
Vater will, erfahrt der Sohn, was er ihm offenbart — 
— und darum mufite mir verborgen bleiben, was 
hochmutsvoll in meinen Sohnen garte, die ich, wie 
mich die Gottheit einst, geboren. 

Der Schopfer gibt, was in ihm ist, den Wesen, die 
seiner Hand entsprielien. 1st nur ein Keim vorhanden, 
wird's ein Baum. So wuchs aus erstem Keim, der 
nicht ersticbte, als ich die Macht der Gottheit mehr 
erbannte, in meiner Schopfung auch das Unbraut 
auf, das auszurotten ware Pflicht gewesen, doch das 
ich pflegte, well ich herrschen woUte. 



Was heifit nun herrschen im Sinne Gottes und in 
meinem? — Die Unterscheidung ist so einfach und 
dennoch steht sie nicht im Sinn der Menschen, die 
beides oft verwechseln. 

Wenn Gott, der Herr, das All beherrscht und seine 
Wesen, so ist der Urgrund stets das Gliicl? allein, dem 
seine Liebe zufiihrt, was da lebt. — Nicht soil im Sfela- 
ventum der Mensch hinschmachten, nicht dienen 
dem Tyrann des Weltenalls, der strafend, richtend in 
der Feme weilt, die unnahbar und unerreichbar ist, 
aus der jedoch er Blitze schleudern bann, die zornig 
seiner Hand entfahren, sobald der Mensch sein streng 
Gebot versieht. — 

Nein, — herrschen heii?)t ihm Weg bereiten 

zum Gliicfe und Heil, damit in Liebe die Wesen sich 
dem Hochsten nahern feonnen, wenn sein Gesetz sie 
sich zum Ziele nehmen, das nur allein vereinigt bei- 
de. 

Nicht launisch ist das SoUgesetz des Hochsten. Es 
zeigt nur den einzigen weg zum Heil, bein anderer ist 
gangbar, ist zum Ziele fuhrend. 

1st Herrschsucht da, wo Liebe nur befiehlt? — 1st 
Zwang vorhanden, wo das Herz gebietet und in Ge- 
horsam zwar getibt, ihn ausfiihrt durch Erbenntnis- 
fahigbeit. 

Bewundernd steht das Wesen nah' dem Throne, 
dem es sich nahern bann voU ehrfurchtsvoller De- 
mut. Vor Gottes Weisheit fromm erschaudernd, die 
Wege seines Hells erbennend, beugt es in heifier Dan- 
beslieb sein Haupt und betet an die Heiligbeit des 



Vaters, nicht voller Scheu und Aengsten, nur voUer 
Danfebarfeeit, Bewunderung und Liebe. 

So herrschet Qott im all. Nicht seine Ehrsucht, 
seiner Sohne Gliicfe und seine Vaterfreude lenfet sein 
Qesetz, nicht Machtgefuhl des Herrschers. 

Wollt ich dasselbe nun? — Ich will's befeennen! 

Ich ahnte wohl, — ja wufite, was der Herr ver- 
langte und dennoch trat ich ihm entgegen im Macht- 
gefiihl, das er mir erst gegeben. 

Warum ich's tat? — Auch das will ich befeennen! 

Sagt mir wer ist am machtigsten? Der der die 
Macht besitzt im Wort Oder ist's der der sie besitzt 
durch Tat? 

Der Konig hat das Wort, treibt seine Diener an. Ist 
einer ungehorsam, wird er durch andere bezwungen. 
Doch, fehlen diese Diener wie ist es dann? Wird nicht 
ein Ringen um die Macht entstehen? Kann sich der 
Diener nicht in seinem Glauben tauschen, dai?> ihm 
die nur verliehene Macht verbleibt, dafi er sie an sich 
reii?.en feann, ja mu6, damit der Geber nicht einst T6- 
ter werde? Verfeennt der Diener seinen Herrn, wei15 
nicht, da15 Liebe nur in seinem Urgrund wohnt, die er 
als Elternliebe nie empfand, so ist der schwere Irrtum 
stets ermoglicht. 

Wer irrt, verbeifit sich leicht in falsches Wollen, 
glaubt Recht zu haben, wenn er Unrecht hat und ist 
er stolz auf seinen Rang, sein Konnen, so wird er mit 
Gewalt behalten wollen, was Gnade ihm einst gab. 
Verwirrt ist bald die rechte Wahl der Mittel, 



13 



der Eigensinn, der Hochmut stellt sich ein und grofier 
als der Meister dunbt sich der Lehrling. 

So ist es bei den Menschen auch noch heute. — 
Auch ich dacht menschlich, irrte und verstocfete. 

Was nun aus meinem Inneren entstromte, ein 
falsclies Denf?en, falsclie Taten, fand Widerhall in 
meiner Scliar. — Auf nahm sie, was in meinem Hirne 
garte, und so ward ich der Zeuger auch von dem, was 
in dem Lauf der Zeit sich widerspiegelt — als Satans 
Bild. 

Weh euch, ihrVater und ihr Mutter vernichtet ihr 
in euch nicht die Begierden. Sie beimen auf und 
wachsen in den Kindern. Sie iiberwuchern leicht die 
besseren Geftihle und schaudernd seht ihr dann 2u 
Taten werden, was ihr selbst zu denfeen nimmermehr 
gewagt. — Entrinnt der Mensch der schweren Hand 
des Zwanges, wenn dieser auch zu seinem Besten ist, 
hat er nicht die Erfeenntnis sich errungen, dai?) das 
Gesetz des Herrn sein Heiligtum, so stiirzt er sich in 
alle Leidenschaften, in Hai?. und Zorn, in blindes Wii- 
ten, und statt zu himmelshohen aufzusteigen, ver- 
nichtet er sich selbst, schafft sich die HoIIe. 

Der Zeuger in den Qezeugten und diese bilden 
aus, was ihnen ward. Bald iibertrifft der Sohn den 
besseren Vater in dessen Fehlern, falschem Tun, 
wenn nicht das Licht der Wahrheit ihn erhellt. 

Versteht, — es ward durch mich das Samenfeorn 
der Zwietracht ausgestreuet, doch ubertroffen ist 
mein falsches Wollen worden von jener Schar, die 
mich als Vater feennt. 



Ich will mich nicht entschuld'gen, will schwere 
Schuld nicht von mir walzen, will nicht entziehen 
mich den Folgen, doch Wahrheit will der Welt ich 
geben, die mich als Schild vor ihre Siinden stellt. 

3. Luzifer, der Satan? 

Prinzip des Bosen soil ich sein, der Gegenpol der 
Qottheit, die das Gute, ja das hochste Lieb 'und Weis- 
heit in sich fafit, — und doch Erzeuger dann des Bo- 
sen ist ??! 

Sagt nicht der einfachste Verstand, sobald er nur 
begriff, dai^ der Erzeuger nur das vergeben feann, was 
in ihm selbst, dafi dann in Gott das Bose gleichfalls 
ruhte? Wie hatte er mich sonst erschaffen bonnen? 

Im hochsten Wesen wohnt dann neben Gott — 
der Teufel, und, wenn sie sich getrennt, bin ich so 
ewig als es Gott, bin ich nicht Untertan, bin Herr wie 

Gott! Wer will das glauben? Glaubst du's. 

So bin ich nicht der Erstgeborene mehr, bein erst 
erschaffener Geist, nein, ewiges Prinzip, das neben 
Gott besteht, wie Zeus und Pluto einst. 

Wer's glauben will, der glaub' es. Ich aber will die 
Wahrheit nicht verhehlen. 

Ich bin nicht Teil der Gottheit, bin ewig nicht, 
nahm Anfang wie die Schopfung, bin Erster zwar 



nichts weiter. Ich bin auch nicht das Bose, das Gott 
aus sich herausgeformt als Weib. 

Die Qottheit braucht feein weibliches Prinzip, mit 
dem sie sich vermatilt. 

Sie ist in sicli so fest geeint, Nx/ie iiarter Diamant, 
untrennbar in sicli selbst, ein fest Gefiige des tiocli- 
sten Seins, das sich nicht spalten feann. 

So fjonnte Gott auch Keime in mich legen, drum 
f?ann ich wieder nah'n dem, den ich einst verbannt. 

Dies sei gesagt, bevor ich nun berichte, was 

weiterhin im weiten raum geschah. 

Ich ftihrte eine Schar, ftir die ich Konig, die unter- 
tan mir auf mein Tun stets achten, der Vorbild ich 
und Weisheitsgeber war. Doch wie ich merf?te, regten 
sich dort Triebe, die gegen mich sich richten Ijonn- 
ten, weil ich wohl Herr der Leiber doch nicht der 
Seelen, in denen die Gedanljen die Freiheit eigenen 
Willens zflchten. 

Als ich's erl?annte, wui?.te ich alsbald, dai?) meine 
Macht zu Ende gehen wiirde, wenn nicht der Zwang 
begrenzt das Tun der Sohne, die mir entsprossen. 
Und ich fand das Mittel fiir die Fesseln. 

Gott schafft, indem er festet, was er denljt. In die- 
sem liegt allein die Schopfungsferaft. Auch ich hab' 
diese Macht empfangen und hauchte meinen Bildern 
Leben ein. So festete in mir sich jedes Bild, das ich 
mit Willensferaft umfing, und nahm gefangen, was 
aul^er mir im Weltenall entstand, getreu dem Spruch, 
der einstens mir geworden. 



16 



Ich habe meine Schopfung eingeprefet im Bande 
meines Willens, dafi sie gehorchen mufite wie der 
Sblav, der gegen seinen Herrn, der schweren Ketten 
wegen, die er tragi, nichts unternehmen feann. 

Herr woUt' ich sein und bleiben, regieren meine 
Welt nach meinem Willen, feein and'rer sollte gelten. 
Das Glticb, die Freudigbeit des Lebens sollt' jene We- 
ge neiimen, die icli weise, niclit nacli den Wiinsc lien, 
die die Sfelaven nahren. 

Tut Gott dasselbe nicht? 

Nein! Seine Weisheit erl?ennt allein das Ende aller 
Dinge, sieht, wie das Ziel sicli auch erreictien lal^t und 
diese letzte Weisiieit fehlte mir 

Das Ziel ward so mein Ich, ganz ohne Liebesziel in 
gottlicher Bestimmung. 

So wurde ich der Machtigste im Reich der Qeis- 
ter, blieb Konig nur von eignen Gnaden, nicht durch 
des Herren Liebe und Gerechtigf?eit. — Es seufzten 
die Geschopfe, die unter meinem Zepter lebten, ihr 
eigener Wille ward gebnechtet, nicht frei zur Gott- 
erfeenntnis. 

Ich glaubte, recht zu tun, vermied es sorglich, 
mich mit dem Vater zu verbinden, und lehnte ab die 
erste leise Warnung, die mir ins Herz gegeben wurde. 

Ich bin wie Gott! so dachte ich in Hochmut, und 
ohne mich ist Gott ein schwaches Nichts. 

Sagt nicht, Aai, solcher Irrtum schuldlos ist, ja, 
dai?) er sicherlich entstehen mui?)te. Er mui?>te nicht 
entstehen, weil ich den Zeuger nicht gesehen, er mir 



17 



sich jemals zeigte und darum ich mich selbst als Ur- 
feraft fiihlen feonnte. 

Als erster Geist stand ich im Licht der Wahrheit, 
feonnt, wachsend in dem Licht, mich auch der Gott- 
heit nah'n, die deutlich zu mir sprach. Doch feonnte 
ich mich auch verschliei^en, weil Willensfreiheit, die 
ihr bennt, von Anbeginn das Ziel des Hochsten ist. — 
Sehnte ich mich nach meiner Mutter, wollt' liebend 
ich den Vater bennen lernen, so brauchte ich nur 
jene Kraft erfassen, mich ihr hingeben, mit dem Zug 
der Liebe, die jedem bleinsten Menschenbind zu ei- 
gen, die zu mir sprach: „Du bist mein Sohn, bin Vater 
dir und Mutter!" 

Tat ich's, so war ich halb geborgen. Ich tat es 
nicht; woIIt sein wie Gott und ward dadurch zur 
Schlange, die da zischte: Ei^t vom Baume der Er- 
feenntnis, erfai^t den Unterschied von — gut und bose 

— dann werdet ihr auch sein wie Gott! 

Das Gute bennen, doch es nicht erwahlen, die 
eignen Wege gehen im Irrlichtschein verlogener Vor- 
trefflichbeit, die Eigensinn und Hoffart liistern zeigen, 

— das ist die Stinde wider Gott, das ist der Pfad, der 
ins Verderben fiihrt. 

Und diesen Pfad ging ich! — Ich hoffte, dai?> ich 
die Gottheit selbst gefangen nehmen, sie festen bonn- 
te mit der Kraft des Willens, die ja mein ganzes Sein 
erftillte, dai?> ich nicht nur ein Teil der Gottesbraft, 
nein, ganz sie in mein Sein einsaugen und sie dann 
untertan mir machen bonne, wie ich die Schar 



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mir untertan gemacht, die von mir ausgeboren durch 
meines macht'gen Wortes Ruf. 

So ganz verblendet, ging ich tiefem Sturz ich un- 
aufhaltsam zu, — mufit' die Geduld des Hochsten 
unterliegen und mir entzogen werden, was mir ein- 
stens ward. 



4. Luzifers Fall. 

Im weiten Weltenall allein zu herrsclien war mein 
Traum, nicht glaubte ich, dai?> aulier mir ein zweiter 
Machtiger noch sei. Docti ward icii's inne. 

Mit Stolz umfereiste ich die Weiten alle, mein 
Werk. das ich erschaffen und hohe Freude lohte auf 
im Herzen. „Wer bann mir widerstehen, wer feann der 
Ftille meiner Kraft entfliehen? Herr bin ich, Herrscher 
werd ich bleiben, die Ewigfeeit selbst ist mir untertan 
und feeiner ist, der mir je gleichet." So prahlte ich in 
Hochmut, veil Ueberhebung und voll Uebermut. 

Da flammte aus des Raumes weiter Feme ein ja- 
her Blitz auf und umzucbte mich. Im grellen Schein 

schwirrt's auf mich zu, und vor mir stand ein 

Geist, den ich nicht feannte. 

„Wer bist du, wer hat dich geboren?" So fragte ich 
erstaunt und starrt ihn an. 



19 



„Die Gottheit schuf mich, wie sie dich erschaffen. 
Ich ward gesandt, dich ernst 2u warnen. Du schreitest 
auf dem Wege des Verderbens, willst sein wie Gott 
und bist nur sein Geschopf. — Des Vaters Langmut 
lieii geschehen, dafi du die Grenze deines Uebermuts, 
die Tiir des Kerfeers hast erreicht, der dich gefangen 
nimmt, feehrst du nicht um. Du bennst das Ziel der 
Schopfung! Die Geister sollen frei sein, nicht ge- 
fenechtet, wie du es willst. Drum lose alle Bande dei- 
nes Willens, vereinige dich wiederum mit Gott, bleib 
was du bisher warst, sein Sohn, der gern, gehorsam 
des Vaters Willen stets erfiillt, weil dessen Weisheit 
alles liebvoU leitet. — Kehr um! Werd Widersacher 
nicht! Hor' auf mein Wort!" 

„Du wagst es, mir zu drohen? Ich fel^le dich mit 
meiner Willensmacht wie jene, denen ich gebiete. Sei 
wer du willst, ich bin der Erste, ich herrsche hier al- 
lein, du hast zu weichen meiner Macht. Werde mein 
Sfelav!" 

Ich rief es laut und alle Krafte raffend schleudre 
mein Willensnetz, das stets noch jedes Wesen einge- 
fangen, wenn es mir etwas zu entschliipfen dachte, 
ich wuchtvoll diesem Boten zu. 

Gewaltig, riesig recbte jetzt mein Feind sich auf. 
Ein Licht strahlt von ihm aus, das schrecfeensvoll sich 
tief ins Herz mir bohrte. Machtlos sanb meine Kraft 
von seinem Panzer ab, der ihn als Sendling Gottes 
schiitzte. 

„Gott ist die Liebe, beuge dich vor ihm", so rief 
der Gottgesandte, „sei mein Bruder!" Ich ftihre dich 



20 



vor seinen Thron, er nimmt die Binde ab, die deinen 
Blicb verdunbelt und dich in Finsternis geftihrt. Ein 
Wort geniigt!" 

Ach hatte ich dies eine Wort gesprochen, die Bitte 
um Vergebung. Wie fiatte alles anders sich gestaltet 
als es jetzt ist. 

Ich sprach esnicht und meine Welt versanb, 

— zertrummerte! 

Kein Mensch I?ann fassen, was damals geschelien. 
Der freie Geist nur wird und feann es scliauen. Drum 
schweige ich. Lai?>t eucli geniigen an dem, was eucli 
gesagt. 

Ein Ctiaos ward, aus dem der Schopfer bald eine 
neue Welt entstehen lieii, die fest gehartet nun den 
Raum durclifliegt. Sie dient dazu, die Qeister zu be- 
freien aus dem Gefangnis, in das mein Wille sie einst 
eingeschlossen. — Wer es begreifen bann, wird es 
verstelien, doch anderen wird marclienliaft erscliei- 
nen, unfaiibar Oder auch zum Laclien, was vor Aeo- 
nen dennocfi ist gescfiehn, dem Menscliverstande 
vielfacfi unerfal^bar 

Was wurde nun mit mir? 

Mein Reich in neuer Form bestand! Selbst Gott 
der Herr bonnt' es nicht brechen, wollt' er nicht un- 
getreu sich selber sein. Was seiner Hand entspriei^t, 
f?ann nicht vernichtet werden. Der Ewige schafft auch 
nur ewge Werfee, wohl wandelbar in sich, doch nicht 
vernichtbar, so wenig wie des Ewigen Wort. — 



21 



Ich war und blieb! 

War mir auch jede Macht genommen, die iiber 
jene Leiber herrscht, die sich im wunderbaren Auf- 
bau auf s neue bildeten nach Qottes Plan, bis sich im 
Menschen eine Form erzeugte, die noch zur Stunde 
jede Welt belebt, der Kern der Form blieb dennoch 
unter meinem Einfluli. 

Der Kern entsprang aus meinem Sein und formte 
sich durch meine Willenskraft zum Wesen, das mir 
gleich. In diesem Kern, den ihr die Seele nennt, sind 
alle Eigenheiten eingeschlossen, die mir entstammen, 
meinem Ich entsprechen. In einer Eichel ruht der 
spatre Baum. Wenn jeder Baum sich auch entwicfeelt, 
wie es der Boden, dem er just entwachst, gestattet, 
wie Luft und Licht den Wachsenden umgibt, sodai?> 
zwei Baume nie sich gleichen feonnen, so danfet der 
Eichbaum hoch, dem Samen nur, der Eigenart ihm 
gab, sein Leben und gibt dieselbe Art dann weiter. Ein 
Eichbaum feann nicht eine Buche werden. Zersplittre 
ihn in seine feleinsten Teile, setz sie zusammen wie- 
der, und es bleibt die Eiche! 

Nun solch ein Baum bin ich! — Was aus mir 
sproi?., muii meiner Eigenart allein entsprechen, mul^ 
in sich tragen alles, was mein Geist, mein Schaffen in 
sich tragt, denn mir des Erstgeborenen Stempel ist 
gezeichnet, was Mensch heii?>t, menschlich denfet und 
strebt! 

Ich selbst blieb frei, aus ewigem Wort geboren. 
Doch meine Welt, zersprengt in ihre Teile, sollt wie- 
der bilden sich als Ganzes, sollte den Weg zu Gott, den 



ich verrammelt, finden, damit sie nicht in mir den 
Hochsten sah. 

Auch blieb es mir nicht fremd, dafi Gott der Herr, 
sich seinen Wesen sichtbar zeigen wollte, dafi eine 
Form er sich erwahlen miisse, die gleich den Men- 
schen sich als Mensch gestalte. 

Nun, dieses WoIIen schien mir sehr erspriei?>lich in 
seinem Keime zu ersticfeen dadurch, dai?> ich die 
Menschheit mit gewann. 

Was niitzt ein Gott, an den der Mensch nicht 
glaubt. Komm ich zuvor dem Hochsten, geb' einem 
Glauben den Weg, der mir gefallt, so mag er dann 
versuchen, dem Menschen sich zu offenbaren. 

In freier Wahl soil sich der Mensch entschlieiien, 
wohlan, so soil er die Gefolgschaft weigern dem, der 
mich stiirzte! 

So dachte ich and sann, wie mir die Menschheit 
dienstbar wtirde. 



^ 



5. Luzifers Plan. 

Wenn Gott dem Menschen Freiheit gab, so gab er 
ihm den hochsten Schatz des Seins. Gott ist in sich 
der Inbegriff der Freiheit, die von der hochsten Weis- 
heit wohl geleitet, sich nicht im Abgrund eines Wahns 
verliert. 



23 



Gott feann die Freiheit seines eigenen Ichs, das in 
sicli selbst unwandelbar, auch nictit milibrauctien, 
I?ann nicht ein Ziel, das seine Freilieit schuf, ins Ge- 
genteil verfeehren, er kann nur, mu6 es jederzeit ver- 
folgen, bennt alle Wege, wenn er sie auch andert, die 
das verfolgte Ziel stets naher bringt. 

Ganz anders ist es bei den Wesen, die er entste- 
hen Iiei?> und denen das Geschenf? der Freilieit wurde. 

Sie sollten Selbstbestimmung iiben; sie sollten 
lernen, wahre Freilieit sich erringen, die frei von 
Wahn und Tauschung den Siegespreis des Gottesbin- 
des bringt. 

Hier gab sich mir ein Weg, die Herrschaft zu be- 
haupten, die mir die Hand genommen, die einstens 
mich erschuf und ringen wollte ich um diese Krone. 

Noch standen mir zur Seite manche Diener, die 
nicht zersprengt als Herren mich erfeannten und 
glaubten, da(?> nur ein tieferes Wissen mich gehemmt 
und die mich liebten, weil ihre Kraft sie besser als 
vordem entfalten bonnten. Sie glaubten, ihre Freiheit 
sei mein Wille, sie wui?)ten nicht, dai?) Zwang sie ihnen 
gab. Sie folgten mir. — Damone nennt ihr sie und 
sind doch nur die Irrgeftihrten. 

Ich sah, wie sich der Mensch entwicfeelte. Wie er 
im Urzustande erst, dann weiterschritt und wie aus 
der Materie, die ich gesammelt und gefestet sein Leib 
gebildet ward und seine Seelenferafte. — Auf diese 
richtete ich nun den Willen. 

Fang ich die Seele ein, feann ich sie trennen von 
jenem seinen Faden, der mit Gott verbindet 



24 



und immer starber werdend, sie umspinnt, sobald der 
Mensch sein wahres Sein erfeennt, so mufite sie mir 
dienen, hingeben sich dem Traum, der Wahngebilde 
schafft, der Tauschung dann fiir Wahrheit halt. 

Der Mensch will glauben. Sichtbar zeigt sich ihm. 
Dal^ fremden Kraften er ist untertan, denn Herr, das 
merfet der Diimmste, ist er niemals im Reiche der 
Natur. — Nach diesem Ursprung fremder Krafte sucht 
er, frei wahlen feann er, was er glauben will, sei es 
auch ganz verwirrt und toricht. — Mach glaubhaft 
nur, was Menschen glauben sollen, und Herrscher 
wirst du sein in ihrem Kreis. 

Wer hiitet nun den Glauben, gibt Kunde von der 
Gottheit, deren Walten, sorgt, dafi sie sich dem From- 
men offenbare und feiindigt ihren Willen an? Es ist die 
Priesterschaft in alien Landen. Gewinne sie, so herr- 
schest du im Volb. Seht, das erfeannt' ich bald und 
wufit' gefiigig mir jene Krafte in den Dienst zu zwin- 
gen, die sich der Gottheit nahe diinfet. 

Ich fliisterte den Toren Marchen zu, liei?) heil'ge 
Biicher voUer Wust verfassen, die die Geburt, das 
Wirfeen und das Sterben der Gotter schildert und 
ward selbst ihr Gott! 

Aus Zeus, Osiris, Jupiter und Marbufe hab' von 
Aegypten, Babyloniens Strand ich Gotterlehren weit- 
verbreitet, den Glauben an den wahrhaft Einen in 
alien Landern untergraben und ward als hochste 
Gottheit hochgeehrt. 



25 



Die Gotterlehre, ist sie auch verwirrend, durch- 
feucht von vielen Itisternen Geschichten, die nach- 
zuahmen Frommigijeit bedingt, bedurfte aber auch 
der Weisheit. Drum het> ich leuchten meine Klugheit, 
gab Wissen wie es mir behagte, jenen, die meinem 
Dienst sich fiigten, meiner Hand. 

Orabelsprtiche, seichte Lehren von Ursprung die- 
ser Welt, von Zauberbtinsten, wie sich der Zubunft 
Mantel liiftet, sobald der Mensch dem falschen Gott 
sich widmet, das lehrte ich und die getreuen, die, mir 
als Nebengotter eng verbundet, der Menschheit 
Schicfjsal leiteten mit mir, wui?>ten die Schlauheit 
ihrer Herrschaft auszuiiben. Sie folgten mir mit Wil- 
ligfeeit getreu! 

So habe ich's erreicht, — ward Heidengottheit! — 
baute mein Reich mit Eifer und feonnt' spotten dem 
Gott des Lichtes und der Wahrheit. 

5sfa/7ward ich, der Ftirst der Finsternis, in die ich 
alle Seelen tauchte. 



!& 



26 



6. Das Reich der Finsternis. 

War ich ein Fiirst, besafi ich auch ein Reich, in 
dem ich herrschte, wie der Fiirst der Erde von seiner 
Hauptstadt aus sein Reich regieret. 

Die Torheit hat zur HoIIe umgestaltet, zum Orte 
der Verdammnis und des Feuers, zur Leibesqual und 
Folterung der Seelen, was zwar als Reich bestand, in 
dem ich herrschte, doch das in sich nicht diesem 
Sinn entspricht. Ich will erblaren, wie es darum steht, 
doch sei zuerst der Erdenzwecij genannt. 

Die Erde hat im Weltenall Bedeutung, zwar nicht 
als Stern, der als Trabant der Sonne mit ihr als Korper 
das Weltenall durchstreift, die Hauptbedeutung ist ihr 
geistigerWert. 

Denht euch des Chemifeers Retorte, vermittelst 
der er Reines schafft aus Schmutz. Im Kolben wird 
der Stoff gebocht, der triibe aufsteigt, wirbelt, dampft, 
sich lost, urn dann im andern Tell des Gerats sich 
wieder zu verdichten, felar gereinigt. Stoff wird da- 
durch zum Elixier des Lebens, von alien Schlacfeen 
frei, heilsam und rein. — So soil im Weltall auch aus 
der Retorte, die mit dem Liebefeuer Qottes wird ge- 
heizt, sich bilden in dem andern Teil, dem Sammler 
ein neu Gebild aus der Materie Schlamm, ein reinli- 
ches Produfet, das durch den Chemifeer im grofien 
Weltenall sich zeugt nach weisheitsvollem Plan. 



27 



Dort, wo die Enge des Retortenhalses sich einfiigt 
in den Sammler, ist das Tor, durch dessen engen 
fJaum die Diinste einziehen zur Reinheit ihres Geis- 
terseins, — wenn nicht ein Hindernis sie zwingt, nach 
anderer Richtung abzugleiten. 

Seht dieses enge feleine Tor, dort fereist die Erde, 

das Hindernis bin ich\ Seit Erderschaffung hielt 

ich stets die Wache vor jenem Tor und ie\<iXz auf ein 
feleines Loch am Halse der Retorte, das miihsam aus- 
gebohrt, anscheinend in die Freiheit fiihrt und doch 
nur in mein Reich der Finsternis. 

Stets habe ich die Seelen abgefangen, sie in mein 
Reich gefiihrt, das machtig wuchs, gedieh und seine 
Grenzen immer mehr erweiterte. Leer blieb der 
Sammler Qottes, doch vollgeftillt der meine, fest an- 
gesogen an der offnen Stelle. 

Was Menschen glticblich macht, hab' ich gege- 
ben. Sie hatten Macht wie Reichtum, und nicht ver- 
schlol^ ich ihrer Liisternheit nach frevelndem Genu(?> 
die Tore. Das alles hatten sie verachten miissen, sollt 
sich das Tor zum Gottesreiche offnen. 

Ich bonnt es nicht verhindern, dal?. wenige mir 
doch entgingen, den Weg nach meinem Reich ver- 
mieden und den zum Reiche Gottes suchten. Die 
wenigen — sie waren mir verhai?)t; zu toten ihren 
Leib und ihre Seelen ward mir Genui?>. 

Im fernen Osten, fern vom Getriebe jener Welt und 
Zeit, die ihr die alte nennet, lebte ein Mann, der lange 
nachgedacht, woher der Mensch und seine Seele, 
woher sie wohl gefeommen und nach dem Tode 



28 



geht. Die Gotter Babylons geniigten seinem Seelen- 
durste nicht, er fiihlte tief in seinem Herzen, dai?> an- 
dere Krafte, anderes Wollen als Gotterweisheit in 
dem All regiert. Und dieser Mann fand halb den Weg 
zu Gott, der ihm ihn ebnete und auserbor, der 
Menschheit jenen Weg zu zeigen, der zu ihm fiihrt, 
doch abseits von den Gottern. 

Vol! Grimm stand ich an jenem Tor und suchte 
Abrams Sinne abzulenfeen. Vergebens! Er verachtete, 
was icfi ihm bot, bewahrte voll Gehorsam sich im 
Glauben und ward Stammvater eines Volfees, das auf 
dem ganzen Erdenrund das Einzigste in jener Zeit 
gewesen, dem sich des Einen Gottes Licht erschloi?). 
Dal5 ich es halite und verfolgte, verderben und ver- 
nichten wollte, daii es mit Ungemach, mit Leib und 
tiefer Schmach bedecfet, trotz allem nicht verdarb, 
das ist in jenem Buch zu lesen, das ihr die Bibel 
nennt. 

Hat je ein Volfe mit Zahigfeeit und Eifer an sein 
Gesetz gehangen, hat es im Angesicht des Todes 
selbst nicht abgelassen von dem Glauben seiner Va- 
ter, so war es das der Juden. Nur ihm allein dankt 
auch die Christentieit den Glauben an den einen 
Gott. Mag auch Gelehrtenspruch und falscher Diin- 
bel, der in den Altertiimern grabt und sich anmai?it, 
den Sinn und Glauben jener einst gewesenen Volfeer 
aus toten Steinen, Schriften zu erfeennen, das Gegen- 
teil als Wissenschaft behaupten Es ist ein Irrtum son- 
dersgleichen, der Gottes Fuhrung nicht begreift, nicht 
End' und Ursach seines Schopfungsplans. 



29 



Konnt ich auch nicht des Volfees Fiihrung hem- 
men, das sich im Osten eingenistet und sich in Ka- 
naan ein Reich erwarb, so ward es mir doch moglich, 
die Einzelglieder, Herrscher zu gewinnen. Ja, meinem 
Einflul^ unterlag selbst Salomo. — Die Gotter, die 
Jehova leugneten, sie drangen ein ins Volb, verdar- 

ben Seelen, Glauben, und Irrtum ruhte neben 

Gottesfurcht. 

Mein Reich gewann, die Herrschaft Gottes 
schwand. Bald feonnte mit Triumph ich mich als Sie- 
ger fiihlen uber Gott und wollte dann verschliel^en 
jenes Tor, das zu des Himmels Hohen fiihrt. 

Welch' Sieg war mir geworden! Die weite, damals 
nur befeannte Erde mit alien ihren Volfeern diente 
mir. Das auserwahlte Volfe, das Jahve sich erwahit, es 
war im tiefsten Grande seines Seins verdorben. Der 
Glaube, den die Vater fromm bewahrt, war abge- 
stumpft, dem rost'gen Schwerte gleich, zum Streite 
wie zum Schutze unverwendbar. Im Formelbram 
ersticfet, der Weltlust und der Siinde ein stets offenes 
Tor, und — zwar gewillt, den Rufer in der Wtiste an- 
zuhoren, doch nicht zu folgen, so zeigte sich das 
Volfe, dem Gott sich offenbarte, dem es in Blitz und 
Donner einst am Sinai sein ewiges Gesetz verfeiindet. 

In diese Nacht der Finsternis des Geistes fiel nicht 
ein Schimmer jenes Gotteslichtes, ohn' das der Him- 
mel sich verschliefit, das jeder Menschenseel' den 
Weg zur Hohe weist, ihr zeigt, wie sie den Abgrund 
meidet, der gahnend sich am Wege offnet, den 



30 



Wanderer beim tiefen Fall zerschmetternd. Wie freute 
mich mein Sieg und schon war nahe meine Niederla- 
8e! 



7. Jesus von Nazareth. 

In Bethlehem erschien ein Stern am Himmel, der 
strahlend alle anderen verdunfeelte und die Geburt 
von einem Kind verfeiindete, das unscheinbar in ei- 
nem Stall geboren. 

Ich achtete es nichu denn viele Kinder entsprin- 
gen ihrer Miitter Schofi, tells wachsend, teils verge- 
hend. Warum soUt grade dieses Kind bedeutsam sein, 
ein Menschenfeind wie hunderttausend andere? Im 
Vollgefiihl der Kraft, die ich errungen, verachtete ich 
jenes Kind. Auch glaubte ich ein Zufall spiele nur. als 
Weise aus dem Orient verrieten, dafi dieses Kind ein 
Konig wtirde werden, denn wie Orabelsprtiche sich 
gestalten, das wufite beiner besser als wie ich. — Ich 
lachte, als der Konigsschurl? Herodes, in Angst fOr 
seinen Thron, unschuldige Kinder morden lieii, um 
auch den Zufeunftsbonig hinzuschlachten, und freute 
mich, dai?> es ihm nicht gelang. Der neue Konig wird 
auch mir dann dienen, wenn eine Krone einst sein 
Haupt umgibt — , es lagen alle ja in meinem Bann. 

Doch nichts geschah. Kein Konig ward der Jiing- 
ling, der still in Nazareth zum Manne reifte, des 



31 



Vaters Handwerb lernte und versah. — nein! Dieser 
Mensch, auf dessen Seele noch nicht der allerfeleinste 
Mabel sichtbar, der war zum Herrscher nimmermehr 
geboren, drum liefi ich ihn gewiihren, wie er wollte. 

Die Jahre flogen und mein Reich erstarfete. 

AIs ich den Weltenraum durchstreifend zu mei- 
nen Fiil^en eure Erde sah, da trat der Geist mir wie- 
derum entgegen, der einst mich warnte, mir zur 
Riicfefeehr riet. — Er rief: „La1^ ab von deinem Trei- 
ben! Die Axt ist an den Baum gelegt, der deines Rei- 
ches Sinnbild. Noch einmal sendet mich der Herr, 
feehr reuvoll um, sonst sinbt in Triimmer zum zwei- 
tenmale deine Herrlichbeit. Der Machtige ist Gott, der 
jetzt als Mensch auf dieser Erde wandelt, die du mit 
deines Geistes Hauch vergiftet. Noch ist es Zeit, hor' 
auf mein Wort!" 

„WiII jetzt der Unsichtbare sichtbar werden", rief 
ich veil Staunen. ..Niemals glaub' ich das. Der Ewige 
in Menschenform gepreiit, das ist ein Unding. Kann 
eine Nuii den ewigen raum umschliei^en? — Kann 
Gott sich jemals also tief erniedrigen, die Form des 
Erdenmenschen anzunehmen? Undenfebar ist's und 
ganz unmoglich!" 

„Bei Gott ist nichts unmoglich! Was du leugnest, 
ward langst Ereignis! Blicb auf die Erde hin. Dort 
wandelt jener, der auiierlich ein Mensch, in seinem 
Inneren mehr!" 

Ich sah hinab und bald erfeannte ich, dafi jenes 
Kind, um dessenwillen so viele andere hingemordet 
worden, das still in Nazareth zum Mann gereift, 



32 



als Htille Gottes auserfeoren sei, damit die Gottheit 

neu sich offenbare. Unfafilich war's, ein Wider- 

sinn ftir Gottes Wesenheit. — Ein Mensch als Hiille 

der Unendlichbeit!? Glaub' dieses Wort, wer 

will, doch ich vermocht' es nicht. Und batten tausend 
Engel es bezeugt: Die Gottheit selbst steigt als Propbet 
2ur Erde! — icb batte dieses Wort verlacbt. Mein 
reicb war groi^er als das Gottesreicb, so dacbte icb, 
nie ward es meinem Auge sicbtbar. Icb aber war der 
Herrscber aller Seelen, die nicbt das Tor zum Gottes- 
reicbe fanden. Die Zahl war qmi>, wie felein war die 
der bisber mir Entscbliipften. 

„Lai?) ab von mir," rief icb dem Warner zu. „Dein 
Wort ist Trug, und jener Menscb auf Erden, den du als 
Hiille Gottes preis'st, ist mir , wie alle anderen verfal- 
len. Merfe auf, wie er sich beugen wird vor mir, und 
meine Oberhoheit anerbennt, sobald icb ibm des 
Lebens Giiter zeige. Sein Leib ist Staub, wie jedes 
Menscben Leib, und seine Seele giert nacb gleicben 
Scbatzen, die nocb die Sinne jedesmal betorten, gait 
es zu wablen zwiscben Gott und mir." 

„Du irrst, deinSinn, der ist betort! Du ringst nacb 
Macbt, voll Herrscbsucbt ist dein Herz! Statt demuts- 
voll vor Gottes Macbt sicb beugen, bast du dein Icb 
auf einen Tbron gestellt und glaubst, vor ibm wird 
jedes Wesen niedersinfeen, anbetungsvoll, ein Sfelave 
deines Winfes. — In Gott ist Freibeit, sie ward darum 
aucb dir. Du wirst es biii^en, wenn du sie 
mii^braucbst. Die Zeit ist um, die dir als Frist gegeben. 
Freiwillig feebre um, eb' es zu spat ist." 



33 



Der Geist verschwand. Ich feonnte ihm nicht fol- 
gen, und hatt' doch gern gewufit, wohin er ging. 

Dafi mir im weiten all, im fernsten Aether, stets 
grenzenlos der Raum mir zuganglich sei, vermeinte 
ich, und dafi dort feeine andre Schopfung ist als die, 
die Menschen zeugt in ihrer letzten Sproiie! Das wufit' 

ich auch. Wohin entschwand der Geist? So gab 

es doch im Raum Geheimnisse, in die ich bis zur 
Stunde nicht gedrungen? — 

Zum ersten Male wurde mir bewui?)t, dai?> meine 
Kraft auch jetzt noch Grenzen fand und dai?) ich Sie- 
ger nur, wenn ich sie tiberwand. 

Es regte sich der Wunsch, es moge Gott sich 
wahrlich eine Hiille bauen, die in dem Menschen 
Jesus sich entstaltet. Gewinn' ich diesen Jesus und hat 
sich Gott in seine Enge Hiille eingezwangt, so fang' 
ich beide gleich mit einem Schlage und herrsche 
unbeschranfet im weiten Raume. So dachte ich und 
schritt sofort ans Werfe. 

Ich trat heran an Jesus, bot ihm alles, was meine 

Macht zu geben bereit, doch er er wies mich ab! 

— Gar schnell ward mir bewufit, dafi Gottes Kraft in 
diesem Korper wohnte, dafi ihm zu widerstehen feein 
Leichtes sei. Gelang es nicht, den Meister zu besiegen, 
der doch nur Mensch, — so muiite ich in Ktirze un- 
terliegen. 

„Zerst6re diesen Leib, er wird vergehen, modern 
zu Staub, dann feeine Hiille mehr dem Ewigen ge- 
ben", so dachte ich und fachte Hai?>, Verleumdung 
und Vernichtungswut in seinen Feinden an, ihn zu 
verderben. 



Das Judenvolb hat manchen Mann gesteinigt, der sich 
gefiel, ihm Siinden vorzuhalten, nun sollte dieses Los 
auch Jesus treffen, zermalmend auf sein Haupt Ver- 
nichtung fallen, das sich vermal^, dem Erstgeborenen 
die Kron' zu nehmen, die ihm gebiihrte, nicht dem 
Menschensohn! 

Wenn ich jetzt iiberdenfee, welch grauenvoUer 
Irrtum mich bestricfete, so fass' ich's selber nicht, wie 
er our moglich, dal^ solche Blindheit mir den Sinn 
getrubt. Die Menschheit mag erfeennen, daii es feein 
Wesen gibt im Himmel and auf Erden, das nicht in 
ferassen Wahn sich stiirzen feann und dann die Folgen 
tragen mui?), die selbstgeschaffener Fluch dem Schul- 
digen auferlegt. 



Was ich erstrebte, war gelungen. Am Kreuze hing 
der Herr der Welt! 



„Sein Leib wird der Verwesung anheimfallen, wie 
andrer Menschen Leib, und seine Seele geht dorthin, 
wo andre hausen, die auch gleich ihm den Tod ge- 

schmecfet", so dachte ich. Doch welch ein 

Schauspiel war's. Als seine Seele, vom toten Korper 
abgelost, nun sich gestaltete als Gottes Hiille durch 
die der Ewige sich sichtbar macht den Geistern, die 
seine Kraft dereinst ins Dasein rief. 

Das groiie Wort. Es ist vollbracht, ertonte. Es starb 
der Menschensohn, um Gottessohn zu werden und 
ausgeriistet mit der hochsten Kraft fuhr er zur Holle, 
die mein Reich umfafite. 



35 



Die Seelen aller jener Abgeschiedenen, die nicht 
das Tor zum Qottesreiche fanden, weil ich als Wach- 
ter vor dem Eingang stand, sie waren alle meine Un- 
tertanen, denn meines Reiches Grenzen umfal^te sie 
mit eiserner Qewalt. Da gab es feein Entrinnen, — 
Aug' um Auge, Zahn um Zahn hie15 das Gesetz, das 
ich zu meinem machte und auch mit starfeer Hand 
stets aufrecht hielt. 

Als einst die Mauern Jerichos, erschiittert vom 
Posaunenschlag, zu Staub zerfielen, erisannten seine 
Burger bis in das tiefste Herz erschrocben, dal^ es ver- 
geblich sei, wider den Herrn zu streiten. Das Qleiche 
fuhlte ich, wie auch die Mauern Helen, die um mein 
Reich gespannt, als Jesus Christus nahte und sie 
sprengte. 

Mit ihm zog Michael, der mich oft warnte und all 
die Engelscharen, die ihm in Liebe dienten. Welch 
ungeheure Menge heller Lichtgestalten zog siegend in 
mein Reich, den Seelen alien froh verfeiindend, daii 
frei der weg zum wahren Herrn des Alls, der, Fleisch 
geworden, nun den Tod besiegte und einziehen will 
in seine heil'ge Stadt. 

Ja, war ich denn mit Blindheit stets geschlagen, 
dafi ich nicht sah, welch unbegreiflich wunder, welch 
herrliches Gebild im weiten Raum entstand? — Ich 
sah, dafi Gottes Diener eine Stadt erbaut als Samm- 
lungsort der ihm Getreuen, ein Neu-Jerusalem nun 
strahlend lichter Schone, von dem das irdische nur 
schwacher Schatten war, und sah einziehen dort den 
Menschen-Gottessohn. 



36 



Es war doch wahr, was Michael verfeiindet. Der 
Ewige nahm Menschenhtille an, legte sein Ich in el- 
ms Menschen Herz, natim dessen Seele ganz zu eigen 
und ward so sichtbar jeder Kreatur! 

Mir finsterm Grimm sah ich mein Reich zertriim- 
mert, erisannt und mit Groll die Ohnmacht meines 
Willens und stand erstarrt im tiefsten Seelenschmerz. 

Der Schopfer schuf sein neues Reich erst aus dem 
meinen und ohne mich, der Mittel war zum Zwecfe, 
war diese Schopfung nimmermehr entstanden. Ich 
bin es erst, durch den sich Qott entfaltet als Herrscher 
in dem AIL Was ware ohne ohne mich denn Gott? — 
Kann eine Kraft, die Widerstand nicht findet, jemals 
nur etwas Brauchbares erschaffen? 

— Nein, nimmermehr sie bleibt untatig, schlaff! — 

— Der Widerstand erst macht sie schaffend, reizt sie 
zur hochsten Tatigbeit, und dafi ich widerstehen, dem 
Herrscher mich nicht unterwerfen wiirde, das wufete 
Gott, der mich ins Dasein rief. 

Du willst die Liebe sein, warum, o Herrscher, 
gabst du mir nicht die Liebe in mein Herz, die du 
so reichlich jenen Wesen gabst, die Neu-Jerusalem 
nunmehr bevolfeern? — Sie singen Jubellieder, 
sind tiberschwenglich voller Liebe, wie sie sagen, 
und fanden doch nicht jenes feleine Tor, das ein- 
fiihrt in dein Reich, bis du es zeigtest. Der breitere 
Weg zu mir war bald gefunden und Liebe hatten 
sie auch stets zu mir, weil sie erhielten, was ich 
selbst besafi. Glaub' nur, Zertriimmerer meines Reichs, 



dafi ich, wenn nicht zu dir, doch Liebe zu den Meinen 
fuhle. 

Entreifit der Mensch dem Lowen seine Jungen, so 
zittert er vor dessen Kraft, mit der er rachen feann den 
frechen Raub. — Du bist der Starfeere, ich weiii, mui?. 
darum micli ergeben, denn zweimal hast du mich 
besiegt und nicht geliistets mich zum drittenmal, als 
Lowe dir zu unterliegen. 

Erbaue dir ein neues Reich, zieh zu dir meine 
Seelen, ich will sie dir nicht langer streitig machen. 
Noch sind Billionen in der Zubunft Schofi, die ausge- 
boren werden miissen, bis meiner Schopfung Quell 
versiegt. 

Ich sehe zu, abwartend, ob die Seelen, die mir 
und meinen Dienern sich ergaben, die meinen Weis- 
heitslehren folgten, sich d/rergeben Oder mii^. 

1st letzteres der Fall, so fordre ich mein Reich 
zuriicfe. Zerstor dann du dein neues Liebesreich! 

Bis dahin will ich auf der Grenze weilen von Gut 
und Bose und als ein Hiiter dieser Schwelle gelten! 
GleichgiJltigkeitheiite die Fahne, die ich entroUe und 
dem Panier der Liebe dir entgegenstelle! 

Ich rief es laut, und eine Donnerstimme felingt in 
mein Ohr: „Es sei!" 

Frei gab ich jetzt die mir bisher Getreuen und 
sprach zu ihnen voller Grimm im Herzen: 

„Gehthin in alle Weltgleich den Aposteln, die sich 
der Nazarener jetzt erkor und lehrt den Volkern eure 
Weisheit Lehrt sie. dem eignen Willen nur gehor- 



38 



Chen, das Schicksal selbst sich zu bereiten. Bin jeder 
sei sein eigner Gott. Li'eb deinen Nachsten. wie er 
dich. Vergelte ihm mit gleichem MaE, das er dir zu- 
geteilt. SeiHerr, willst du nicht Sklave sein undnimm 
des Lebens kurzen Erdenlauf als jene Spanne an, die 
nur allein dir Gliick und Macht verleiht, dem dann 
das Nictits dir nactj dem Tode folgt. 

Getit tiin. Damone, lefiret diesen Glauben! Icfi 
harre aus auf meinem Posten, zu sehen, wessen Lefi- 
re siegen wird!" 



8. Luzifers Saat. 

Die Saat, die ich gesat, ging auf, trug Friichte, die 
ich nimmermehr geahnt. Die schwachen Wurzein 
eines Weisheitsbaumes, der auf dem Qrund der Ei- 
genliebe wuclis, durcli dessen Scliatten nicht die Lie- 
bessonne dringt, sie warden wohl gediinfet vom Was- 
ser der Unduldsamfeeit, das reicfilicli nocfi dem Her- 
zenquell entstromt, den sich die Menschheit selbst 
erschlol^. 

Gewii?), in mir war Trotz, doch lediglich das Bose, 
das hab icfi nictit gewollt. Die Menschen heute ha- 
ben iibertroffen in Niedertracht und geiler Sinnes- 



39 



lust, in Bosheit, Rachsucht, Hafi, was bein Damon sich 
je hatt' traumen lassen. Sie haben meine Lehre wohl 
befolgt und haben sie zu einer Hoh' gebracht, zu der 
ich schaudernd jetzt emporgesehn. Ich hab' es nicht 
gewoUt, dafi die Geschopfe, die doch mit meinem 
Willen erst das Licht des Lebens sahen, so tief in eigne 
Finsternis je fallen, die mir und auch den meinen 
einfl6i?>t ein schrecfeenvolles Grauen. 

Freiwillig hat die Menschheit angenommen, was 
nicht gelehrt zum Untergang der Seelen, wohl aber 
zur Erhaltung einer macht, die fromme Seelen jetzt 
satanisch nennen und doch nur ihrem eigenen Sinn 
entspringt. 

Der Forderung Jesu: Liebe deine Feinde! Lieb uber 
alles Gott und deinen Nachsten wie dich selbst, ein 
Hochstgesetz, das bis zum Tod erftillt von ihm, stand 
meiner Weisheit stribter Gegensatz entgegen, noch 
heut' von manchem Rednerstuhl verbtindet und gie- 
rig aufgefaiit von vielen Menschen. 

Seht an das romische Gesetz des Rechts! Fiir viele 
Lander hat es heute Geltung. Wem unterliegt es 
denn? Gott Oder mir? Entstand es nicht aus meinen 
Lehren? 

Wenn es mein Streben war, die Menschheit ab- 
zuziehen von der Verehrung Gottes und sie der mei- 
nen zuzuwenden, so glaubt drum nicht, ich sei von 
Grund aus schlecht. Nicht schlechter bin ich als die 
Kronentrager, die hundertfach Gesetze ausgefeliigelt, 
durch die sie ihre Macht befestigt und ihre Majestat als 
heilig aufgestellt. Wer Macht hat, will regieren, deshalb 



40 



verachtet er noch nicht die er regiert, ja, feann sie 
lieben und \»unscht sie gluci?lich und zufrieden, da- 
mit die ihm gewordene Macht nicht absttirzt, ihm aus 
der Hand entschwindet. Sind eure Volbeshaupter 
schlecht im tiefstem Herzen, nur darum schlecht, 
weil unbedingt Qehorsam sie verlangen fiir das, was 

als Qesetz sie aufgestellt so bin ich's auch. Das 

wollte ich erproben! — Groi?) stellte ich mich auf die 
Schwelle gleichgiiltigen Sinns, um abzuwarten, was 
sich die isluge Menschheit auserwahlt, der Freiheit 
ihres Willens ward gegeben. 

Der Teufel bin ich nicht! — Der Teufel sind die 
Seelen, die ganzlich abgei?ehrt vom schwachsten Puis 
der Liebe, imstande sind, den Menschen zu zerflei- 
schen. Ein Teufel-Oberster feann nie der Erstgeborne 
werden! 

Ich lehn es ab, ein HoIIenfiirst zu sein, wie ihn die 
Alten sich als Pluto dachten. Noch weniger bin ich 
gewillt, dem Kirchenwahnsinn als Modell zu dienen, 
der mich mit Hornern, Klauen ausgestaltet, zum 
Scheusal frommen Wahnes macht. Sucht rings im 
Weltall, nirgends ist zu finden ein Wesen, das dem 
Bilde gleicht, das Oder Pfaffengeist sich ausgebliigelt 
zum Zwecf? der Herrschaft iiber blode Menschen. 

Zum Teufel hat der Mensch sich selbst gemacht, 
mit Luft hat er sein Herz dazu gestaltet, hat seinen 
Sinn gebraucht, von Gott sich abzuwenden, den Geis- 
tesfunben, den der Herr ihm gab, im Schlamm der 
Erdenluft zu toten, zu hohnen den, der ihm das 



Leben gab, um dann voll Heuchelei mir zuzuschie- 
ben, was eigene Verruchtheit erst geboren. 

Erstarrt bin ich von alle dem Entsetzen, womit der 
Mensch die blutgetranfete Erde in alien Landern iiber- 
decbt, derselbe Mensch, den ich auf falschen Wegen 
zu Gliicb und Reichtum fiihren wollte. 

Ich bin besiegt! — Hatt' ich's geahnt, dai?. meine 
Herrschsucht und mein Trotz je solche Frtichte zeit- 
gen wiirde, da15 sich der Mensch so ganz verstricben 
wird in Lug und Trug, durch Strome Bluts zu waten 
sich nicht scheut, ich hatte nie Kraft gebraucht, wie 
ich sie brauchte. 

Gleichgultig\f30\\i ich sein, ich konnt's nicht blei- 
ben! 

Der Menschheit Treiben wurde mir zuwider Mich 
efeelt vor der Kreatur, die Gottes Ebenbild feonnt sein 
und nur die Fratze zeigt. Auch meine Diener scheuen 
sich vor solchem niedern Treiben. 

Und Gott, der Herr, \\ef> es geschehen, vernichtete 
nicht diese Brut. Austobten sich im Wahnsinnsferieg 
die Volfeer und woUen sich auch weiterhin zerflei- 
schen. 

Da pacbte mich das Weh, das Schwert der Schuld 
fuhr tief mir in die Seele und todeswund schrie ich 
zum Herrn des LichtS: 

„Ich hab gefehit, o Herr, — ich hab gefreveh und 
ich bin nicht wert, dein erstes Kind zu heii?>en. Du 
weiiit, was jetzt geschieht, das hab' ich nicht gewollt, 
durch mich feam aller Hochmut in die Weh, nun lai^ 
durch mich ihn wiederum vernichten. Gib mir die 
Kraft zuriicfe, die du mir nahmst, gebrauchen 



will ich sie nach deinem Willen, will suhnen, was ich 
einst verbrach!" 

Gott ist die ewge Giite, die Liebe, die Barmherzig- 
feeit, er hat mein Schrein gehort und mir verziehn. — 
Doch losen mui?. ich jetzt die Bande, mul?. toten was 
sich ruchlos zeigt. Was in den Stunden fluchwiirdigen 
Tuns zu eisenfestem Ton gebrannt. Es mu15 zermalmt, 
zerstaubt und ausgelost in die Atome werden. Die 
Spreu ist von dem Weizen jetzt zu sondern. 

Nicht soil der Mensch dem Satan mehr andichten, 
was er stets selbst verschuldet, nicht ihm aufladen 
voUer Heuchelei, was in dem eignem Herzen gart und 
ihn zu Taten zwingt, die Luzifer mit Abscheu von sich 
weist. 

So hor' es Menschheit: Zittre vor den Folgen, die 
deinem eigenen Drachentum entspringen. Li'c/it soil 
es werden in der Finsternis! Es naht der Trager ewgen 
Lichts, das er verdunbelte im irren Trotz. Neu soil es 
strahlen iiber alle Menschen, die ihn als Boten Gottes 
anerbennen, der reuvoll in das Vaterhaus getreten 
und angenommen ist als einst verlorner Sohn. 

Lacht nicht als sei dies Marchenfeunde, 

Glaubt nicht, dafi ich verbiinde leeren Wahn! 

Bald wird es heifien auf dem ErdenrundC: 

Das Licht erstrahlt! — der Racher zieht heran! 



Das Leben 
des Menschen 

Woher? Wohin? 



Woher? 

Der Mensch, in sich das grofete Wunderbild der 
Schopfung, hat wohl gelernt, seinen hochst fetinst- 
lichen Korperbau soweit zu ergriinden, als Anato- 
mie und Physiologie es mit ihren immerhin mangel- 
haften Hilfsmittein gestatten, aber gleichzeitig hat er 
es verlernt, seinen innersten Keimen nachzufor- 
schen und sich felar zu machen, was denn eigentlich 
in ihm lebt, was ihn gewissermal^en zum Leben 
zwingt, ja, was denn eigentlich Leben sei und wo die 
Qeburtsstatte des eigentlichen Lebens zu suchen sei. 
So wie unsere ganze jetzige Zeit ein Suchen nach Aeu- 
f?.erlichfeeiten, ein Jagen nach greifbaren materiellen 
Dingen darstellt, so zeigen auch die Wissenschaften 
durchgangig ein Geprage, das den Stempel des moder- 
nen Zeitgeistes tragt, und das it der SatZ: „GIaube nur, 
was du siehst!" Daii eine Zeit die sich selbstwillig 



aller Ideale entaufiert, die nur nach den materiellen 
Giitern des Lebens ringt und bei alien Dingen, die sie 
in den Bereich ihrer Berechnungen zieht, stets die 
Frage bereit hat: „Was ist dabei zu verdienen?" Wenig 
Sinn daftir haben feann, in das Gebiet des rein Geisti- 
gen hinabzusteigen, sich wahrhaft felar die Probleme 
des Seelenlebens in ihren Beziehungen zu Gott und 
der Natur vorzulegen, ist wohl begreiflich, aber tief 
bedauerlich. Die Menschheit mui?> durch diesen Tau- 
mel des herrschenden Weltgenusses, der nicht be- 
friedigt, sondern nur zu weiterem erschopfenden, 
entnervenden Genusse anspornt, schlieiilich zu einer 
Hohe des Raffinements getrieben werden, aus dem 
feein Zurticbblettern mehr moglich, sondern nur ein 
zerschmetternder Sturz aus schwindelnder Hohe mit 
grol^ter Sicherheit vorauszusehen ist. Die Geschichte 
des Romerreiches und anderer langst dahinge- 
schwundener Weltreiche lehrt uns, dafi die Natur sich 
nicht verspotten lai?)t: iibertreten wir ihre Gesetze, so 
liegt die Strafe schon in dem Gesetze, als Folge der 
Uebertretung, und feein Mensch, der ihre Gebote 
mil^achtet, wird straflos ausgehen. 
Entfernen wir uns von den Idealen, welche Moral, 
sittliches Empfinden und Religion in uns einpflanz- 
ten, und welche uns zur Wiirde des Menschen erhe- 
ben, — denn ohne diese waren wir den Tieren gleich 
— so ist gewifi, dafi die Strafe auf dem Fuiie folgen 
mui?>. Das Bewufitsein, recht zu tun, sittlich zu emp- 
finden und durch Gott mit sich und den Mitmen- 
schen friedlich zu leben, die Freuden des Lebens 



im raffinierten Lebensgenusse, sondern in dem Stre- 
ben des Qeistes nach VoUbommenheit zu suchen und 
so Herz und Geist zu starfeen, anstatt beide zu entner- 
ven, gibt den Menschen jenen Abel der Qesinnung, 
der ihn fahig macht, das Aergste zu ertragen und in 
Freudigbeit auszuharren, bis auf Regen wieder Son- 
nenschein folgt. Der Friede, die glucbliche Ruhe, 
welche ein hoffnungsvolles Streben in der Liebe zum 
wahrhaft Quten auszeichnet, wird nicht gestort und 
finstern Gewalten der Verzweiflung, der Vernichtung 
gleiten, ohne ihre schwarzen Schatten zu werfen, an 
ihm voriiber 

Im Innersten des Menschen, d. h. in seinem inner- 
sten Heiligtum, wohinein feeiner gerne seinen nachs- 
ten Freund Oder Anverwandten einen Blicfe tun lai?)t, 
dort, wo seine geheimsten Gedanben schlummern, 
dort regt es sich nun oftmals in einsamen Stunden, 
und mit Zentnerlast legt es sich auf seine Seele, wenn 
eine Frage aus diesem Regen und Bewegen entsteht, 
die sich in dem feurzen Worte „ Wohin" zusammenfas- 
sen lal^t. Ja, wohin fuhrt den Menschen das toUe Trei- 
ben der Welt, wohin fiihrt diese Sucht, zu glanzen, 
bewundert zu werden und alle Geniisse, die die feurze 
Spanne eines Menschenlebens bietet, sich zuganglich 
zu machen, wohin fiihrt dieser Weg zuletzt? „lns 
Grab!" 1st die dumpfe Antwort, die sodann aus die- 
sem geheimnisvollen Winbel des innersten Seelen- 
lebens tont, und schaudernd sucht sich der Welt- 
mensch abzuwenden von diesem unangenehmen 
Mahner der Verganglichbeit alles Irdischen. Leise 



zittert es aber wieder in diesem innersten Heiligtume, 
und wieder regt es sich dort und eine zweite Frage 
ertont in demselben. Diese lautet: „Und nach dem 
Grabe — wohin?" Lauter, eindringlicher erfelingt die- 
se zweite Frage und der Weltmensch sucht mit 
ferampfhaftem Lachen und scheinbarer Sorglosigbeit 
diese unangenehmen Tone zu ubertauben. „Wei15 
icfi's? Mir ist es gleich, ich suche jetzt zu leben." — 
Das ist der trostende Spruch seines Mundes, und er 
lebt, lebt — und stirbt in Wahrheit in jeder Minute 
seines eingebildeten Lebens. — Langsam, wie das 
Meer von dem Gestade eines felsigen Eilandes, lang- 
sam aber sicher mit gieriger Zunge Sandfeorn um 
Sandborn abbrocbelt und verschlingt, so verschlingt 
jede Minute einen Teil des dem Toren so bostbaren 
Lebens und blicbt er zuriicb, aufgeschrecbt durch 
den Sturz eines grol^eren Stticbes des unterwasche- 
nen Felsens, so erbennt er, wie erbarmungslos das 
gefral^ige Meer der Zeit an seinem Lebenseiland be- 
reits genagt, wie blein es schon geworden, und wie 
bald es verschlungen sein wird, das ihm so feostbare 
Leben. — „Wohin?" Drohnt es ihm nun abermals ent- 
gegen, jetzt aber mit erschiitternder Kraft und wohl 
ihm, sucht er diese Frage nicht weiter zu ubertauben. 
— Er sucht dann in seinem Innern, der Mensch, denn er 
fiihlt, „bann ich das „Woher" ergriinden, so bann ich auf 
das K7o/?/nwohI schliei?.en!" — Leise tauchen da leichte 
Bilder auf in der Seele des Wahrheitssuchenden und in 
dem Heiligtume des Herzens wird es gar emsiglich ge- 



schaftig. Fragen entstehen immer mehr, und der 
wunderliche Mahner, der all diesen Rumor hervor- 
rief, sitzt jetzt blar und erschaulich im innersten Her- 
zenswinfeel und sagt: 

„Frage nur ich feann's Di sagen. Denn sieh, ich bin 
ein winziges Teilchen von jener Urbraft, die Alles in 
dem grofien Weltenraum gescliaffen; icli bin Dir bei- 
gestellt, dal^ Du mich pflegen, micli erwecljen und 
naliren sollst. Du sollst mich auferziehen, mich grol^ 
machen und sei iiberzeugt, ich bin nicht undanfebar 
Ich bin dein innerster und ewiger geist. Ich hange mit 
dem grofien ewigen Urgeist innig zusammen und 
feann Dir Alles geben, in dem Mai?)e, wie du mich er- 
ziehst. Lasse mich machtig werden in Dir, o Mensch, 
lasse mich so wachsen, dafi ich Dein ganzes Ich erfiil- 
le und wir behren dann als Bins zum grofien Urquell 
zuriicfe, von dem wir ausgingen. Du, o Mensch, hast 
die Pf/i'cht mich groi?) zu Ziehen, Du hast die hehrste 
aller Mutterpflichten an mir, deinem selbsterzeugten 
und geborenen Kinde zu erftillen und siehe, das ist 
der Zwecfe Deines Lebens. Hast Du diesen Zwecfe er- 
fiillt, hast Du die Elternpflichten an mirwohl betatigt, 
so gehen wir ein zum wahren Leben und die Frage 
„Wohin?" liegt nicht als Schrecbbild, sondern als gol- 
diger Morgensonnenglanz vor Dir Siehe, ich bin 
noch schwach in Dir — ergreife mich und pflege 
mich!" 

Da staunt der Mensch, denn er ahnte nicht, dai?. in 
ihm noch ein Wesen leben bonne, Neugierde aber 



48 



und die leise Hoffnung, vielleicht doch Wahrheit 
zu erforschen, veranlassen ihn, auf diese Elternschaft 
einzugehen und er sagt zu dem so plotzlich entstan- 
denen feleinen Sprecher in seinem Herzen: „WohI, 
was Du sagst, blingt meinem Ohr angenehm, doch 
sage mir woher du feamst und dann werden wir wei- 
ter seheo; beantworte mir erst diese Frage und dann 
gebe ich Dir fJaum in mir soviel Du willst, doch nur 
wenn Du diese Frage gut eriedigst!" 

Das feleine Wesen lachelt und sagt: 

Du willst mit mir handein und ftirchtest, eine Kat- 
ze in dem Sacfee zu feaufen? Doch es sei so, ich will 
Dir antworten, doch wisse, da Du mir einmal eriaubt 
zu reden, so wachse ich schon dadurch, und toten 
feannst Du mich nicht mehr wenn ich erst einmal 
zum Leben erwacht bin. Doch jetzt sei still, hore zu 
und store nicht durch Fragen, damit Du wissen 
magst, „wohef ich bin. 

„Sieh an das grol^e Weltmeer wie es wogt und 
stiirmt, wie grol^e Wassermengen an seiner Oberfla- 
che verdampfen, aus denen Wolben sich bilden, die 
weit hinausziehen in weite Lande, um Fruchtbarbeit 
und Segen zu verbreiten, durch den in ihrem Scho- 
i?>e verborgenen fJegen. Der niederstromende Regen 
dringt ein in die trocbene Erde, sammelt sich dort 
zu Quellen, verbindet sich oft mit den unter- 
irdischen Gewassern, die stets mit dem Meere auf 
vielfach verborgenen wegen in Verbindung stehen 
und aus der hervorbrechenden Quelle entsteht ein 
Bach, aus dem Bache durch Vereinigung mit andern 



Bachen ein Flufi, ein Strom, der seine stattlichen 
Qewasser dem Meere, der grofien Mutter, wieder 
zuftihrt. Es ist ein Kreislauf der Dinge. Jedoch ein 
grofeer Unterschied waltet zwischen den zurucbbeh- 
renden Gewassern und den ausstromenden vor: Das 
Wasser ist trinfebar geworden, veredelt! Siehst Du, 
hier ist ein schwaches irdisches Bild, das uns den 
geistigen Kreislauf etwas veranschaulichen feann. 
Das Meer — es ist der Urquell alles Seins und Lebens. 
Es wogt und stiirmt an seiner Oberflaclie gar gewal- 
tig, doch nur ein paar Meter unter dieser da ist erha- 
bene Ruhe, Friede, und seine ungemessenen Tiefen 
verbergen Geheimnisse urn Geheimnisse, unerforsch- 
licli dem Auge des Forschers; nur was es freiwillig 
hergibt, wird beschaulich, und einzelnen ijuhnen 
Auserwahlten gestattet es manclimal, bei ruliiger See 
Tiefforschungen anzustellen, deren Resultate den 
Mensclien erschauern lassen vor der Fiille der un- 
geahnten tiefverborgenen Wunder So ist es auch mit 
dem Menschen und zwar mit dem seelischen Men- 
schen. Ausgehend von dem allgemeinen Urquell stei- 
gen Tausende von isleinen Zellen in Gestalt von Was- 
serblaschen auf, die einzelnen Seelenpartibel, diesel- 
ben verdichten sich zu festeren Wolbengebilden und 
Ziehen so hinaus in weite Lande. Je schwerer, d. h. 
Dicfiter sie nun werden, werden sie hinabgezogen 
zu der Erde und fallen nieder als der befruchtende 
Regen. Je dichter die Seelenpartifeel werden, je 
mefir, je mehr werden sie hinabgezogen zu den Pla- 
neten und Fixsternen und bilden da die Keime 



50 



des organischen Lebens; sich gegenseitig ergreifend 
und vereinigend, entstehen die mannigfaltigen For- 
men der Schopfung und die Reprasentanten des 
Mineral-, Pflanzen- und Tierreiches. Gleichwie der 
Regen, sich einigend mit anderen Wassern, zunachst 
Quelle, dann Bach und Flui?, bildet und durch die 
Ufer gezwungen ist, feststehende Bahnen einzuhalten, 
so wird hier die Form gegeben, die zu durchbrechen 
nur gewaltsam moglich ist. Sind viele, viele Quellen, 
Gewasser, Bache, Fliisse nun vereinigt zu einem 
Hauptstrome, ist seine Flut gereinigt, Siiiiwasser ge- 
worden, und hat sei Lauf, Segen verbreitend, sich 
dem Meere wieder zugewendet, so gibt er diesem, 
langsam und majestatisch fliei?>end, Alles zuriicb und 
das Leben erlischt ausfelingend wie ein harmonischer 
Afefeord. Siehst Du, das ist das aui?.ere Bild der Men- 
schenseele, die bis zu diesem Punbte dem geschilder- 
ten Kreislauf gleicht. Du fragst nun: „doch wohin eilt 
jetzt der Strom, der sich in' Meer ergiei?.t?" Geduld! 
denn das Woher ist ja noch nicht erschopft! — In 
diesem Kreislauf erblicijst Du ein Gesetz, das, ewig 
wirfeend, ewig ist und bleibt; das Gesetz jedoch be- 
dingt, damit es wirben feann, der ..Kraft" , — die Kraft 
ware untatig, triebe sie nicht an der „ Wille" und der 
IF/Z/e wieder wird bedingt durch die ..Liebe" zu einer 
Sache, die Liebe als innerste Triebfeder alles Seins. 
Hier liegt der f^m! Entspringt unser Dasein einer Liebe. so 
muli dieselbe sich bewuBtsein. denn sind die Geschopfe sich 



selbst bewuBt, um wieviel mehr mu& es dann der 
Schopfer sein, da Er nur geben kann, was Er selbst 
besitzt?So wie Er das zu erschaffende Wesen in Sich 
erschaut, so tritt es in der Schopfung auch aus ihm 
selbst heraus und so ist sich der Mensch selbst ein 
Beweis der Wesenhaftigkeit des Schoplers, da er 
selbst nur Qeschopf und das Abbild eines Wesens sein 
feann, das alles Seine Eigenschaften in sich vollfeom- 
men vereinigt. Nur was bereits in der Idee und Form 
irgendwie vorhanden ist, feann erfaiit und in gleicher 
Oder ahnlicher Form wiedergegeben werden, nicht 
aber feann aus Nichts Etwas — und gar sich selbst 
Bewu1?.tes — je entstehen. Dieses sich selbst bewui?)te 
Ich nun, siehst Du, das — bin ich die Seele. zusam- 
mengefelaubt aus Tausenden von Elementen, aus- 
stromend aus dem Urquell, ist mein Kleid, dem ich 
mich erst bewui^t zu machen habe, so wie ich wach- 
se, wird es in ihr hell und sie erfeennt nun, dai?. sie 
lebt, versucht allmahlich ihres Daseins Zwecfe und 
Ziel und forschet gerne uber das „Woher" — „Wo- 
hin?" 

„WievieIe gibt es doch, die nie zum wahren 
Selbstbewui^tsein sich aufraffen, sie schlafen den 
Todesschlaf des Geistes, fiirchten wohl, gar unsanft 
gertittelt und geschuttelt zu werden, verschliei?>en 
sich der besseren Logife vollig, und nennen stolz sich 
„RationaIist" und „Atheist". Sie glauben sich auf- 
zuschwingen zur reinen Vernunft und steigen hinab 
nur zur bedingten Tiervernunft, die iiber gewisse 



52 



enge Grenzen hinaus nicht reichen feann, da sich das 
Tier nicht selbst bestimmen darf. Das selbstbewufete 
Ich stelle ich nun dar, das also ein Abglanz ist des 
hochsten selbstbewufeten Schopfergeistes. Ich bin 
Ihm ahnlich und Dir beigegeben, damit ich, in Dir 
wachsend, Dich offenen Auges fiihre vom Quell zum 
Bach, zum Fluii, zum Strom. Wie Du in einem Spiegel 
der groi?)en Sonne Licht i?annst wohl erschauen, so 
strahit in mir ein Teil des groi?)en Schopfergeistes und 
so findest Du in mir und durch mich den Schltissel 
zum Verstehen aller Weltgeheimnisse, doch nur, 
wenn Liebe die innerste Triebfeder zum Suchen ist. 
Nicht selbstsiichtige, sondern die selbstverleugnende 
Liebe, die nichts fiir sich, doch Alles nur fiir Andere, 
ihre Nachsten, will. — jetzt weifit Du schon, „woher" 
ich bin, jetzt hore, wie Du es schaffest, dafi ich in Dir 
wachse, denn das also ist nur der Zwecb des Lebens": 
„Wenn sich zwei Menschen lieben, so wirst Du 
oftmals finden, dafe sich ihre Gedanfeen ausglei- 
chen, dai?i ihre Taten sich erganzen und nichts tut 
dann ein Teil, was nicht der Andere billigt. Der eine 
Teil fiigt sich gern dem andern, und gegenseitig 
herrscht derselbe Trieb, stets zu vermeiden, was den 
Andern feranbt. Die Wohltat steter Harmonic, fried- 
samen Gliicbs herrscht in solchem Kreis und beider 
Wille ist nunmehr nur Einer Siehst Du, das Bild der 
wahren, reinen Ehe, die sich auf hochste Lieb' und 
Achtung stiitzt, dies Bild soil darstellen die rechte, 
wahre Ehe zwischen Seele und Geist. Der Geist, 



das ist der Mann, sich selbst bewufit, und der Repra- 
sentant des Willens, der da herrschen soil im Haus, 
herbommend von dem Urquell alles Seins, als Ich des 
Menschen; die Seele ist das Weib und ist entstanden 
erst durch Uebergang der Formen bis zum Menschen- 
bild, schliel^t in sich also ein zahllose Ideen und Bild- 
werfee der Schopfung, die es durchdrungen und in 
sich vereint, gibt so dem Geist ein Kleid und eine ftir 
ihn lesbare Landbarte des Alls. Je mehr nun gegensei- 
tig das Streben nach VoUbommenheit hervortritt, je 
mehr der Mensch die Liebe in sich auch nach aui?)en 
stellt durch Werbe der Barmherzigfeeit und Liebe, je 
mehr sein Sinn geadelt wird durch Streben nach dem 
Guten, je mehr auch eint und festigt sich das Band 
der Ehe zwischen Geist und Seele und fiihrt den Men- 
schen ein zu Harmonie und Frieden. Den Menschen 
lehrt das Wissen dann der Geist: wer diesen Weg be- 
tritt, hat seinen Lehrer in sich — Geniisse lernt er feen- 
nen, die das wahre Leben enthalten, doch nie wird sie 
die Welt begreifen und erfassen. Der Punbt, wo Geist 
und Seele sich finden, ist das Herz, hier sprechen beide 
laut und blar: hier warnt der Geist, die Tat vorher zu 
priifen, ehe es zu spat ist, hier stemmt sich oft das Weib 
„Seele" der besseren Erfeenntnis ihres Gatten ent- 
gegen, hier zanfeen oft sich beide Stimmen deutlich 
und diesen Zanfe nennt dann der Mensch „Streit des 
Gewissens". Ist nun die Tat geschehen, die verderb- 
lich und unheilbringend war, so drohnt oft machtig 
die allgewaltige Geistesstimme, die — in sich 



edel — stets das Bose hafit und das nennt der Psycho- 
log ..Gewissensqual". Es ist die Stimme Deines ewigen 
Geistes, o Mensch, wie in Dir spricht, des Qeistes, der 
selbst den Korper toten feann durch sein gewaltig 
strafend Wort, und so die macht der oft argen Seele 
nimmt, Boses 2u schaffen, anstatt sich mit Ihm 2u 
einen und eng verbunden mit ihrem Herrn den Weg 
2ur Gliicbseligfeeit zu wandeln." 

^^ 

„Wohin" 

geht nun der Weg? Fast fiirchte ich, ich predige tau- 
ben Ohren, leerem Herzen, versuch' ich es, die Frage 
Dir zu losen. Doch — einstens bommt die bittre, arge 
Stunde, in der es ..sterben" heii^t — der Tod grinst 
dann Dich an mit seinen Qualen, verlassest Du den 
Weg, den ich Dir wies. Doch nur mit Freuden ohne 
Furcht und Bangen, siehst Du den Tod als Freund an, 
nicht als Feind, erfassest Du die Wahrheit meiner 
Worte! Drum denl?', o Mensch, an mich, wenn es einst 
„sterben" heii?>t, verachtest Du mich jetzt, so wirst Du 
fiihlen mtissen, weil Du nicht horen wolltest. — Das 
Land, wohin Du eilest nach dem Tode, ist das Land des 
(wahren) Lebens, dort herrschet nicht mehr Streit, Zanfe, 



Ruhmsucht und Geld der Erde, nein: Liebe, Friede 
nur und Harmonie! Je mehr Du Dich vervollfeomm- 
nest, je hoher steigt Dein Staunen — die Werfee der 
Unendlichfeeit, des Ewigen Kraft und Gnade werden 
Dir beschaulich! Erfeennen feannst du Ziel und Aus- 
gangspunbt des Lebens, doch nie feannst Du errei- 
chen das Ende der Ewigfeeit. Dein Leben ist dann ein 
unablassig Ringen nach hoherer VoIIbommenheit. 
Die hochste VoIIbommenheit ist der Urquell selbst 
und dieser ist in Sich ewig von Ewigfeeit. Erfelimmst 
du nun auch Stufe wohl nach Stufe, so feannst Du 
doch den Ewigen niemals erreichen und so nimmt 
auch die Glticfeseligfeeit, die in dem unablassigen 
Vervollfeommenerwerden liegt, feein Ende, sie ist 
ewig. Aber in dem Ringen nach Besserwerden und 
der damit verfeniipften Erfeenntnis, darin nie das Ende 
2u erreichen, liegt nicht ausgesprochen, daii Du er- 
lahmst und etwa zufolge dieser Erfeenntnis vergeblich 
ringest, o nein, denn jede neue Stufe bringt Dir soviel 
neue Erfeenntnis, neue geistige Friichte und Gaben, 
dai?) Du im Streben neue Kraft stets findest, doch nie 
Ermtidung Oder Ungeduld. Ein Forscher will erst das 
gefundene Gebiet ergriinden, ehe er weiterzieht, 

sonst ware es nicht niitze." 

„Ich hielt mein Wort, gab Aufschlui?) iiber das 
„Woher", „Wohin", jetzt zeige, Mensch, ob Du es vor- 
ziehst, hier nach meinem Wort zu leben, Oder im 
Wahne, es sei Traumerei, was Du gehort, bis zum 
Rand des Grabes hinzutaumeln. Ich schreie Dir ins 
Ohr: 



..Porsche in Dir". 
denn Du sollst leben, um mich, den ewigen Geist. mit 
Dir zu einen\ Willst Du das nicht, so raune ich Dir 
taglich 2U: 

..Du mu&t sterben " 
— vielleicht wird diese Mahnung dann — Dich 
forscfien leiirenV