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DER
VERFASSER DES HEßRÄERBRIEFES
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DER VERFASSER
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DES
HEBRAERBRIEFES
EINE UNTERSUCHUNG
ZUR CtBSCHIGHTE des URCHRISTENTUMS
VON
FRANZ DIBELIUS
11-
STRASSBURG
J. H. ED. HEITZ (HEITZ & MÜNDEL)
1910
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INHALT.
Seite
Vorwort vii
Erster Teil. Die Form des Hebräerlbriefes 1
ZweiterTeil/ Der Hebräerlirief und die evangelische Ueberlieferung
1. Das Leben Jesu im Hebräerbrief 14
2. Der Hebräerbrief und Lukas 18
3. Der Hebräerbrief und Markus 31
Dritter Teil. Der Verfasser des Hebräerbriefes 43
Vierter Teil. Nachlese 59
Stellenverzeichnis 73
VORWORT.
Es ist eine seit hundert JaJiren loer toeiß wie oft be-
handelte Frage, die ich auf den folgenden Blättern aufs neue
behandle. Ich hann mir denken, daß man diese Untersuchung
nicht mit sonderlichem Zutrauen begrüßen wird. So manche
Ansicht über den Verfasser des Bebrderhriefes ist aufgetaucht
und wieder verschwunden. Nachdem zuletzt auch Harnachs
neue und eigenartige Vermutung (Zeitschrift für die neutesta-
mentliche Wissenschaft 1900, /S. 16 — 41) sich nicht hat durch-
zusetzen vermögen, ist man vielleicht des Spieles müde geworden
und glaubt überhaupt nicht mehr recht daran, daß wir in dieser
Frage noch wesentlich weiterkomme7i werden als bisher.
Ich denke nicht daran, zu den neun oder zehn Meinungen
über den Verfasser des Hebräerbriefes, die es bisher gibt, eine
zehnte oder elfte hinzuzufügen. Ich. will nur eine sehr alte
Meinung von neuem empfehlen. .Um nicht hundertmalgesagtes
zu wiederholen, habe ich von dem, was gewöhnlich dafür ange-
führt loird, abgesehen und versucht , der Lösung des alten
Rätsels auf einem neuen Wege näherzukommen.
Als diese Schrift bereits beim Verleger toar, kam mir der
Aufsatz von R. Perdelwitz: Das literarische Po^oblem des
Hebräerbriefes I (Zeitschrift für die 7ieutestamentliche Wissen-
schaft 1910, S. 59 — 78) zu Gesicht. Er kommt zu einem ganz
ähnlichen Ergebnis wie ich im ersten Teil. Ich hätte ihn
S. 12 Anm. 2 neben Burg galt er erwähnen sollen.
Naumburg am Queis
Predig er Seminar
Ostern 1910
FRANZ DIBELIUS,
Erster Teil:
Die Form des Hebräerbriefes.
Es isl eine alte Beobachtung, daß der Hebräerbrief
zweierlei Bestandteile enthält: theologische Erörterungen
und religiös-sittliche Ermahnungen. Aber es ist vielleicht
nicht immer genügend beachtet worden, wie scharf diese
beiden Bestandteile innerhalb der Schrift voneinander
geschieden sind.
Ich will es an einer kurzen Inhaltsübersicht zeigen:
1) Kap. 1. These der Einleitung: Der Sohn Gottes
ist höher als die Engel.
2) 2, 1 — 4. Ermahnung: Deshalb müssen wir umso
genauer achten auf das durch ihn Geredete.
3) 2, 5 — 18. Antithese der Einleitung : der Sohn Gottes
ist (nach Psalm 8) kurze Zeit unter Engel erniedrigt
worden^. Warum mußte das sein? Diese Frage führt
auf das Thema 2, 17 : er sollte Hoherpriester sein.
4) Kap. 3 — 4. Ermahnung: Das Haus, über dem
dieser Hohepriester treu isl, sind wir nur dann, wenn wir
Miit und Hoffnung bis ans Ende festhalten. Daher laßt
' Daß iu Kap. 1 und 2 im Gegensatze zum folgenden so viel
von den Engeln die Rede ist, erklärt sich einfach daraus, daß sich
dem Verfasser die Frage, auf die er antworten will, aus Ps. 8, 6
ergeben hat. Dieses Psalmwort steht gleichsam als Text über der
ganzen Abhandlung. Dann konnte er die Schwierigkeit der Frage
nicht besser ins Licht stellen, als daß er zunächst alle möglichen
Schriftworte zusammenbrachte, die von der Erhabenheit des Sohnes
über die Engel reden.
D. 1
— 2 —
uns nicht lässig werden, damit wir zu der Ruhe kommen,
die einst Israel durch seinen Unglauben verscherzt hat.
5) 5, 1 — 10. Jesus ist ein Hoherpriester, denn er
genügt den Anforderungen, die an einen solchen gestellt
werden, a) Er hat sich die Würde nicht angemaßt, sondern
hat sie von Gott erhallen, b) Er kennt menschliche
Schwachheit.
6) 5, 11—6, 20. Ermahnung: Für die folgende
schwierige Auseinandersetzung seid ihr eigentlich zu
schwerfällig. Mit euch müi3te man die Anfangsgründe
wiederholen. Aber wir wollen heute davon absehen ;
vielleicht ein andermal. Jedenfalls gibt es für einmal
Erleuchtete, wenn sie wieder fallen ,' keine neue Buße.
Das soll aber nicht auf euch gehen ; Gott wird sich eurer
Liebeswerke erinnern. Möchtet ihr nur mit demselben
Eifer die Hoffnung und den Glauben festhalten !
7) Kap. 7. Jesus ist aber Hoherpriester nach der
Ordnung Melchisedeks. Damit ist das levitische Priester-
lum aufgehoben.
8 — 10, 18. Als Hoherpriester muß Jesus auch opfern.
Er hat ein Opfer dargebracht, von dem das Opfer im
irdischen Zelte nur ein Schatten ist. Er ist nämlich ein-
gegangen a) nicht in ein von Händen gemachtes Zelt,
sondern in den Himmel; b) nicht mit dem Blute von
Böcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blute;
c) nicht wiederholt, sondern einmal.
8) 10, 19 — 12. Ermahnung: Warnung vor Lässig-
keit und Rückfall in alte Sünden mit Hinweis auf die
Unvergebbarkeit. auf die alten, besseren Tage, auf die
Wirkungen des Glaubens in der Vorzeil. Ermunterungen
zum Mui im Leiden. Zum Schluß ein Ausblick auf die
bevorstehende Weltverwandlung.
9) Kap. 13. Briefliche Nachschrift mit kleinen An-
weisungen und persönlichen Nolizen.
Schon aus dieser gedrängten Uebersicht geht hervor,
daß einerseits die Abschnitte, die ich mit den Nummern
1, 3, 5, 7 bezeichnet habe, zusammengehören, daß anderer-
— 3 —
seits die Abschnitte 2, 4, 6, 8 von einer Art sind. Jene
sind Glieder einer Abhandlung, diese sind Ermahnungen.
Das wird noch deutlicher, wenn man den Hebräer-
brief selbst zur Hand nimmt. Man kann sich die Ab-
schnitte 2, 1—4; 3—4; 5, 11—6, 20; 10, 19—12 ein-
klammern; liest man hintereinander weg, was übrigbleibt,
— also 1; 2,5—18; 5, 1—10; 7— 10, 18 (Kap. 13 bleibt vor-
läufig unberücksichtigt) — so wird man keine Lücke be-
merken. Was unmittelbar vor und unmittelbar hinler den
Mahnreden steht, fügt sich jedesmal leicht und eng an-
einander. Es ergibt sich ein geschlossener Zusammenhang:
eine Erörterung über das Hohepriestertura Christi. Die
Mahnreden sind für diesen Zusammenhang nicht nötig.
Liest man aber den Hebräerbrief in seinem ganzen
Umfange, so wird man immer dort, wo es von der Ab-
handlung zu einer Mahnrede übergeht und umgekehrt,
einen Wechsel im Ton und in der ganzen Haltung
empfinden. Die Darlegungen über das Hohepriestertum
Christi haben den ruhigen Fluß einer rein theoretischen,
sachlichen Auseinandersetzung. Ein einziges Mal läuft
unauffällig eine Anrede mit unter, das Wörtlein : sehet
(7, 4). Die dazwischenstehenden Abschnitte dagegen setzen
sofort mit einer kräftigen Anrede oder Aufforderung ein
und sind voll von «itir» und «wir», von persönlichen
Hinweisen und praktischen Folgerungen, von Mahnungen,
Lockungen, Tröstungen, Warnungen, Drohungen. In
den lehrhaften Stücken tritt nirgends der Verfasser mit
seiner Person hervor, es verlautet auch nichts darüber,
an wen er sich eigentlich mit seinen Darlegungen wendet.
In den Mahnreden dagegen ist oft von persönlichen Ver-
hältnissen die Rede. Alle jene Stellen, aus denen man
auf die Persönlichkeit des Verfassers (2, 3 ; 5, 11; 6, 3)
und auf die Lage der Leser (5, 1 1 ; 6, 9 ; 10, 25, 32 — von
Kap. 13 wiederum abgesehen) Schlüsse zu ziehen pflegt,
stehen in den Mahnredeu.
Die Forderungen in den ermahnenden Abschnitten
laufen alle auf eines hinaus : festhalten am Glauben. Dem
Verfasser stehen aber für den einen Gedanken eine Menge
Wendungen zu Gebote, so daß er sich nur selten im
Ausdruck genau wiederholt. Immerhin sind es einige
bezeichnende Worte, die öfter wiederkehren und diesen
Abschnitten ein bestimmtes Gepräge geben. Der be-
herrschende Begriff ist der des . Glaubens. Die Worte
Tzia-uiq, TTicTeueiv, aTziaria. begegnen immer wieder; ein ganzes
t^apilel hindurch (11) klingt tticti; fast Satz für Satz an.
Oft treten aber auch verwandte Begriffe dafür ein : Zu-
versicht (uTcoGTacri? 3, 14 ; 11, 1 TirT^vipocpopta 6, 11 ; 10, 22), Frei-
mut (-rrappvicia 3,6; 4, 16; 10, 19; 10, 35), Geduld (u7ro[jLovrI
10, 36; 12, 1, ÜTTopiveiv 10,32; 12, 2, 3, 7), Bekenntnis
{6[j.oloyioi 3,1; 4, 14; 10,23). Mit Vorliebe werden Wen-
dungen gebraucht wie : das Bekenntnis festhalten (xpareiv
4, 14; 6, 18, yM-iyeiv 3, 6, 14; 10, 23), und gern wird hinzu-
gefügt: bis zu Ende {äij^^i oder [-te/P'- tsao'j? 3, 6, 14; 6, 11).
Als Endziel gilt «die Verheißung bekommen« (y.ojxc^etv ttjv
BT:ccfy£Kic(.v 10, 36; 11,39, vgl. 11, 19), und Lust und Furcht
werden erregt durch den Hinweis auf die künftige Lohn-
zahlung (ixiad-a.T:o^QGiy. 2, 2; 10, 35; 11, 26, jxtcrQ-aTuo^oV/ic 1 1 , 6).
Alle die angeführten Ausdrücke nun, die in den Mahnreden
eine so große Rolle spielen, kommen in den Abschnitten der
Abhandlung überhaupt nicht vor. Nicht einmal das Wort
Tziariq'^ . Ja es ist, als sei es mit Fleiß vermieden. In einem der
ermahnenden Abschnitte wird Jesus «Führer des Glaubens»
(äp)(_7iyö? Tvig maTsw; 12, 2) genannt ; aber in der Abhand-
lung heißt er «Führer der Rettung» (apyTHyo? t-a? ctoT-opiac
2, 10).
Umgekehrt kommen auch die Hauptgedanken der
Abhandlung in den Mahnreden merkwürdig selten vor.
Am Anfang oder am Ende pflegen sie in die Ermahnungs-
abschnitte hineinzukliugen, aber nur so weit es zur äußeren
Anknüpfung nötig ist. So ergibt sich die Mahnung zur
Aufmerksamkeit (2, 1 — 4) aus der in der Abhandlung eben
festgestellten üeberlegenheil des Sohnes über die Engel.
Der erste große Einschub (3 — 4) greift den in der Ab-
1 Das hid Tzioxsoic,, das ein paar Handschriften 9, 28 haben, kann
außer Betracht bleiben.
_ 5 —
handluug eben vorgekommeneu Ausdruck «treuer Hoher-
priester» auf, um mit Hilfe der Stelle Num. 12,7 «Ireu über
sein ganzes Haus» auf die Forderungen zu kommen, die
in dem Begriff «Haus Christi» liegen. Und am Schlüsse
des Abschnittes (4, 14 — 16) wird mit einigen Sätsien wieder
in die Bahn der Gedunken über den großen Hohenpiiester
eingelenkt. Die drille Mahnrede (5, 11 — 6. 20) blickt zu
Anfang auf die noch aussiehenden schwierigen Kapitel
der Abhandlung voraus und kommt am Schlüsse durch
das Bild vom Anker der Hoffnung, «der ins Innere des
Vorhangs eingeht» wieder auf den durch den himmlischen
Vorhang schreitenden Hohenpriester nach der Ordnung
Melcliisedeks zurück. Die letzte lange Mahnung endlich
(10, 19 — 12, 29) knüpft an das Ergebnis der Ausführungen
über Christi Tod an : da wir nun einen solchen Hohen-
priester haben, laßt uns hinzugehen in voller Zuversicht
des Glaubens. Aber abgesehen von solchen dem Zusammen-
hange dienenden Anfangs- und Schlußsätzen werden wir
in den Abschnitten mit ermahnendem Inhalt kaum je an
die Abhandlung erinnert. Nur an zwei Stellen (10, 29;
12, 24) wird das «Blut des neuen Testaments» erwähnt;
aber von dem Hohenpriester ist inmitten der Mahnreden
nirgends mehr die Rede. Es ist doch bezeichnend, daß
der noch eben vom Hohenpriester Jesus gebrauchte Aus-
druck «treu», sobald die persönliche Anrede einsetzt (3, 1),
dazu dienen muß ein anderes Bild einzuführen, das außerhalb
des Gedankenganges der Abhandlung liegt : Christus und
sein Haus. Nicht minder bezeichnend, daß an der anderen
Stelle innerhalb der Mahnreden, wo ausführlicher von
Jesus gCvSprochen wird, er nicht als Hoherpriester, sondern
als Führer und Vorbild im Kampfe geschildert wird (12, 2).
In die Abhandlung vom Hohenpriestertum Christi
sind also größere Partieen eingeflochten, die anderen
Inhalt und andere Art haben, ja anscheinend geflissentlich
von dem Thema der Abhandlung wegführen.
Achten wir noch darauf, an welchen Stellen diese
andersartigen Stücke eingefügt sind.
— 6 —
Die erste, kurze Ermahnung trennt These und Anti-
these der Einleitung. Die zweite steht zwischen der Ein-
leitung und der eigentlichen Erörterung. Die dritte tritt
ein, nachdem die erste Beweisführung zu Ende gebracht
ist: Christus ist ein Hoherpriester. Danach geht die Abhand-
lung ununterbrochen weiter bis zum Schlüsse, und erst
nachher (10, 19) setzl wieder eine Mahnrede ein, die
nun doppelt ausführlich gehalten ist.
Es handelt sich also nicht um störende Einschübe,
die den Zusammenhang sinnlos zerreißen. Nein, sie fügen
sich an solchen Stellen ein, wo eine kurze Abschweifung
nicht störend empfunden werden kann, an den Haupt-
wendepunkten der Abhandlung, wo wie von selbst kurze
Pausen entstehen. Da wird der Faden fallen gelassen,
und die Gedanken werden für ein Weilchen auf ein
anderes Gebiet geführt: von der Theologie zum Leben,
von den geschehenen Dingen zu den persönlichen Auf-
gaben. Nachdem eine Zeit lang in lebhaftem Tone allein
von diesen nächsten Angelegenheiten die Rede gewesen
ist, geht es mit kurzer Wendung zum Ausgangspunkte
zurück, und der Faden der Abhandlung wird genau an
der Stelle wieder aufgenommen, wo erliegen gebliehen war.
Daraus wird klar, warum die Mahnreden, statt etwa
am Schlüsse zu kommen, in die Abhandlung eingeschaltet
sind. Sie sollen Pausen schaffen, Abwechselung bringen.
Der Verfasser ist sich bewußt, daß seine eingehende und
schwierige Erörterung an Fassungskralt und Ausdauer
große Ansprüche stellt. Er rechnet mit der natüi'lichen
Ermüdung. Um ihr zuvorzukommen, läßt er an den
Stellen, wo ein Höhepunkt erreicht ist, eine Unter-
brechung, einen kleinen Wechsel eintreten. Die prak-
tischen Fragen kommen an die Reihe, die jeden auf das
nächste angehen, und dadurch geeignet sind auch die
erlahmende Aufmerksamkeit wieder anzuspannen.
Daß solche Rücksichten dem Verfasser nicht ganz
fern liegen, dafür sprechen zwei Stellen des Hebräer-
briefes. In dem ersten Einschub (2, 1) mahnt er aus-
drücklich, «aufzupassen auf das Gehörte». Der Wortlaut
weist zunächst nur auf den Anfang des 1. Kapitels
zurück, wo es heißt, daß Gott wie einst in den Pro-
pheten, so zuletzt im Sohne geredet habe. Doch würde
der Verfasser wohl kaum gerade diese Ermahnung an
den Anfang gestellt haben, wenn es ihm dabei nicht
darum zu tun gewesen wäre, daß man die Aufmerksam-
keit, die man dem Worte Gottes schulde, zunächst darin
zeige, daß man seinen eben beginnenden Erörterungen
achtsam folge'.
Ja, 5, 11 sagt er selbst, daß ihm seine Erörterung
lang und schwerverständlich vorkomme, eigentlich zu
hoch für die Leute, mit denen er es zu luu hat. Nur
unter Bedenken entschließt er sich fortzufahren, und erst
nachdem er ihnen noch einmal deutlich zu verstehen ge-^
geben hat, welche Gefahr in jeder Trägheit und Nach-
lässigkeit liege. Auch diese Sätze sind im Grunde nichts
als eine Ermahnung zur Achtsamkeit, nur noch ernster
und eindringlicher als die erste. Wenn sich der Ver-
fasser aber solche Mühe gibt, sein Publikum bei seiner
nicht leicht faßlichen Abhandlung festzuhalten, so kann
es auch nicht sonderbar erscheinen, daß er schon bei der
Anordnung des Ganzen Vorsorge trifft, daß die Aufmerk-
samkeil immer aufs neue angeregt wird.
Ist dies der Zweck bei der Einschaltung der
Mahnreden, so können wir nun auch den liierarischen
Charakter des Ganzen bestimmen. Bei einem Briefe oder
einem Buche wird es niemandem einfallen, durch passend
eingefügte Zwischenstücke künstliche Unterbrechungen
und Pausen zu schaffen, durch die der schwierige Stoff
1 Auch daß er sich gerade an dieser Stelle, am Anfange der
Belehrung (2, 3 — 4), auf die zuverlässige Ueb erlief erung der Worte
Jesu beruft, setzt voraus, daß er seine Ausführungen, eben -unsern
Hebräerbrief, als Wiedergabe des von Gott durch den Sohn Gere-
deten angesehen wissen "will. Ebenso wie hier im Anfange setzt er
auch am Schlüsse das, was durch Gott geredet wird, und das, was
er selbst eben ausgeführt hat, in eins: < Sehet zu. daß ihr den Re-
denden nicht ablehnt» (12, 2.5). Der unmittelbare Zusammenhang
weist auf Gott; die Stellung des Satzes im Rahmen des Ganzen läßt
erkennen, daß der Verfasser hier für seine eigenen Ausführungen
um gute Aufnahme wirbt.
_ 8 — ■ .
verteilt und die Fassungskraft des Lesers geschont wird.
Aus dem einfachen Grunde nicht, weil der Leser, wenn
dergleichen nölig wird, schon selbst dafür sorgen wird,
indem er die Schrift, wenn er ermüdet ist, niederlegt.
Sinn hat ein solches Verfahren nur bei einer Rede. Denn
-der Zuhörer ist gewissermaßen in der Hand des Redners
und muß ihm folgen, wohin er ihn führt. Des Redners
Sache ist es zu sorgen, daß er seinen Hörern nicht zu viel
auf einmal zumute. Allein ein Redner kann auf den
Gedanken kommen, einförmigen Stoff durch absichtliche
Unterbrechungen und Abschweifungen geschickt zu beleben.
Der Hebräerbrief — wenigstens Kap. i — 12 — ist
eine sehr kunstvolle und schon in der Anlage auf den
mündlichen Vortrag berechnete Rede.
Es ist nicht nur die Anordnung im großen und
ganzen, die auf diesen Schluß führt. Auch im einzelnen
merken wir rednerische Mittel. Natürlich finden sie sich
-besonders in den Stücken, hei denen am meisten auf die
unmittelbare Wirkung ankommt, d, h. in den Mahnreden.
Es ist eine der landläufigsten rednerischen Regeln,
daß eine Rede, um wirksam zu sein, einen wirksamen
Schluß haben muß. Diese Regel befolgt der Verfasser
in fast allen ermahnenden Partieen ; ans Ende kommt
ein eindrucksvolles Bild. So gipfeln die Ausführungen
von Kap. 3 und 4 in einer Schilderung der unheimlichen,
schneidenden Gewalt des Wortes Gottes (4, 12 — 13). Diese
Schilderung ist mit dem, was vorhergeht, nur sehr äußer-
lich verbunden ; es kommt dem Verfasser hauptsächlich
auf eine wirkungsvolle Krönung aller vorangegangenen
Aufibrderungen an. Die nächste Mahnrede schließt (6, 19}
mit dem schönen Bilde von dem Anker der Hofi'uung,
an dem die zum himmlischen Hafen Geflüchteten (y.a.ra-
(puyovTs? V. 18) sich halten^. Am großartigsten ist der
1 Der Verfasser liebt Bilder aus dem Seewesen : vgl. noch 2, 1
(xapapDoöiisv), 6, 1 (cpspcüiieO-a), 13, 9 (icapa^ospeaBs) . Ist das ale-
xandrinischer Einfluß ? Aehnliche Bilder im 4. Makkabäerbuch (7, ;-3;
13,6).
— 9 —
Schluß der letzten, langen Mahnrede. Zwei Gemälde
werden entworfen : Der Berg Sinai mit all seinem Dunkel
und Schrecken, vor dem selbst Mose erbebte, gegenüber
das himmlische Zion mit unabsehbaren Scharen der
Seligen. Ein kurzer Ausblick noch auf die letzte große
Erschütterung, die die Welt erleben muß, ehe das Un-
vergängliche erscheint — und mit dem Satze : «Denn
auch unser Gott ist ein verzehrendes Feuer» schließt knapp
und wuchtig die ganze Rede.
Der Verfasser versteht sich auch meisterhaft auf die
Kunst, durch Gegensätze zu wirken. Gern läßt er genau ent-
gegengesetzte Gedanken und Bilder unmittelbar aufeinander
folgen. Der unerwartete Umschlag im Tone, in der Stim-
mung wirkt jedesmal überraschend und macht die be-
treffenden Stellen ungemein lebhaft und eindrucksvoll.
Die zweite Hälfte von Kap. 4 z. B. ist ganz angelegt
auf den mehrfachen Wechsel im Tone, der sich beim
lauten Vortrage ganz von selbst einstellt. V. 8 — ^10
drängen sich plötzlich die Ausdrücke für Ruhe : caßßaria-
{7.0?, y.a'za.Tza-oGiq, y,aT£7rau(jev . Unwillkürlich sinkt die Stimme
bei diesen schönen Worten von lauter Ruhe nach schwerem
Werke, die in dem feierlichen Bilde des ruhenden Gottes
ausklingen. Wie ein Peitschenhieb wirkt dann das un-
vermittelt danebengestellte cr7rour^ac?cjO[/,ev oOv 4, 11, das die
Seele des Hörers auf einmal wieder emporreißt zu Ge-
danken an die eigene drängende Pflicht. Dann folgt,
sich gewaltig steigernd, die fast drohend klingende Schil-
derung des Mark und Bein durchschneidenden Wortes
Gottes (4, 12 — 13). Auf diesem Hintergrund wirkt um so
lichter und tröstlicher das gleich danach auftauchende
Bild des mit unserer Schwachheit mitleidenden Hohen-
priesters (4, 14 — 16), das zu dem folgenden Abschnitt der
Abhandlung überleitet.
Auch das Zwischenstück 5, 11 — 6, 20 bewegt sich in
überraschenden Gegensätzen, die nicht anders zu erklären
sind, als daß es sich um wohlbedachte rednerische Mittel
handelt. Der Vortragende erklärt, daß das Weitere zu
viel und zu schwierig sei für seine Hörer, die viel mehr
— 10 —
«MilGh» brauchten als «feste Speise». Dann schickt er
sich doch zum Fortfahren im Lehrvorlrage an, nur. mit
einem flüchtigen Seitenblick noch einmal auf die Anfangs-
gründe verweisend, deren sie eigentlich noch mehr be-
dürften. Aber wieder bleibt er stehen und spricht harte
Worte über die, die sich der göttlichen Gnade unwert
zeigen, — erschreckend klingt es: «verworfen und nahe
dem Fluch — dessen Ende : ins Feuer!» Sofort verändert
er wieder die Stimme und spricht begütigend und freund-
lich : «Von euch aber, ihr Lieben, versehen wir uns des
besseren, wenn wir auch so reden ; denn Gott ist nicht
so ungerecht, eures Wirkens und eurer Liebe zu ver-
gessen.» Aber eine kleine Warnung kommt doch noch
vor dem Weitergehen : man müsse denselben Eifer
auch in zuversichtlicher Hoffnung zeigen. Man beachte,
wie hier die Angeredeten aus einer Stimmung in die andere
gestürzt wrerden : auf Beschämung folgt Genugtuung, auf
Schrecken Trost und auf Trost wieder ernste Erinnerung.
Das sind Mittel eines Mannes, der gewohnt ist, Auge in
Auge seinen Leuten gegenüberzustehen und mit seiner
Rede auf ihren Seelen zu spielen wie auf seinem Instru-
ment. Man muß sich das alles vorgetragen denken
und das, was durch den wechselnden Klang der Stimme,
durch Ton, Gebärden und Pausen hinzukomml, mit in
Rechnung ziehen, um zu ermessen, welch fesselnde Wir-
kung diese Ausführungen auszuüben vermögen ' .
1 Die Rhythmen, die Friedrich Blaß im Hebräerbrief nachzu-
weisen versucht hat (die rhythmische Komposition des Hebräerbriefes,
Theol. Studien und Kritiicen 1902. S. 420—461. Barnabas Brief an
die Hebräer, mit Angabe der Rhythmen herausgegeben. Halle 1903)
kann ich zum NachAveis des B-edecharaliters nicht verwerten, da Blaß
sie inzwischen auch in den Paulusbriefen und anderen spätantiken
Schriften hat finden wollen (die Rhythmen der asianisohen und römi-
schen Kunstprosa, Leipzig 1905i. Wie Aveit seine Beobachtungen
richtig sind, darüber erlaube ich mir kein Urteil. — Daß viele Wen-
dungen und Sätze im Hebräerbriefe von der Art sind, die man als
rhetorisch zu bezeichnen pflegt, darauf will ich hier auch kein großes
Gewicht legen ; rhetorisch drückt man sich nicht bloß in öffentlicher
Rede aus. Vgl. C. Büchel, der Hebräerbrief und das alte Testament.
A. Der sprachliche Charakter des Hebräerbriefs im allgemeinen. Theol.
Stadien; und Kritiken 1906, S. 508 ff. Joh. Weiß, Beiträge zur pau-
— 11 —
Noch einige kleine Beobachtungen, die ebenfalls dafür
sprechen, daß Hebr. 1 — 12 eine Rede ist.
In dem sog. 4. Makkabäerbuche haben wir eine
jüdische Predigt ungefähr aus der Zeit Christi ^ : Sie be-
ginnt : «Im Begriff, eine höchst philosophische Rede vor-
zutragen über die Frage, ob die fromme Vernunft Herr-
scherin sei über die Leidenschaften, möchte ich euch
den guten Rat geben, eifrig auf die Philosophie zu achten» ^.
In dem sogen. 2. Klemensbriefe liegt uns eine urchrisl-
liche Predigt vor. Dort heißt es in den erslen Sätzen :
«Und wenn wir zuhören, als handle es sich um geringes,
so sündigen wir ^.» Es s^theint also bei Predigten Ge-
brauch gewesen zu sein, zu Anfang eine mehr oder
minder fein eingekleidete Aufforderung zur Aufmerksam-
keit anzubringen. Eine solche Aufforderung finden wir
auch im Hebräerbriefe, bei der ersten persönlichen An-
rede (2, 1). Indem der Hebräerbrief hier dem Predigtstil
folgt, kennzeichnet er sich selbst als Predigt.
Der Verfasser des Hebräerbriefes denkt sich selbst als
Redenden und die anderen als Hörende. Er braucht von
sich das W ort loileiv (2, 5; 6, 9; 12, 25), und von ihnen
aicoueiv und ajcovf (2, 1 ; 5, 11). Für 'ka'keiy treten mehrfach
Hyeiv und T^oyo? ein (5, 11; 8, 1; 9,5; 11, 32), stärker ab-
genutzte Wörter, die vielfach auch von schriftlicher Aus-
sprache gebraucht werden ; aus 5, 11 aber geht hervor.
linischen Rhetorik. Theol. Srudien, Bernhard Weiß zu seinem 70. Ge-
burtstag- dargebracht, Göttingen 1897.
1 Text in The Old Testament in Greek edited by Henry Barclay
Swete. Vol. III, Cambridge 1894, S. 729 ff. Deutsch von Adolf Deiß-
mann in den Apokryphen und Pseudepigraphen des alten Testaments
herausgeg. von F. Kautzsch, 2. Band, Tübingen 1900, S. 152 ff. Vgl.
J. Freudenthal, die Flavius Josephus beigelegte Schrift über die
Herrschaft der Vernunft, Jahresbericht des jüdisch-theol. Seminars
«Fränckelscher Stiftung», Breslau 1869.
2 cp'.Xoaocpojtaxov Kö-^ov ixibeix'rjo^ai [xiKkfüv^ si auTo^saTCOTO!;
saxtv Tü)v TTttö-Äv 6 suasßvjQ Aof'.aixdc, av[xßo'j"/.£6oat[j.' äv ü|j.iv öpd-ÖK,
o'tucoc; Tupoö-üiJLcoc 7rpoaey_"^T£ xy] cp'.Xoaocpia.
3 2. Kl. 1, 2: /ai oi dxoüovxsc cbc Trspi. [j.'.xpojv d|JLo:pxävo|X£v.
An Hebr. 2, 1—3 erinnert auch stark der vorhergehende Satz: xai ou
^ sT Tiimc, [X'.xpd cppovcTv Ttspl x-^c aojxvjplac '/hj-öjv.
— 12 —
ciaQ auch dabei an wirkliches Sprechen gedacht ist. Nie-
mals aber ist in Kap. 1 — 12 von Schreiben oder Lesen
die Rede wie doch vielfach in den Paulusbriefen und
den anderen Briefen des neuen Testaments^.
Der Hebräerbrief sagt selber kurz und bündig, was
er eigentlich ist. «Ich ermahne euch, Brüder,» heißt es
in der Nachschrift (13, 22), «ertragt den ^^oyo; tti^ Trapax'Xvf-
(leco?». Danach stellt der Hebräerbrief in der Hauptsache
einen };o-yo? rvic -KccoccySk'/iGeoiq dar. Der Ausdruck kommt
noch einmal im neuen Testament vor : Apg. 13, 15. Wie
Barnabas und Paulus im ' pisidischen Antiochien in der
Synagoge sind, schicken die Synagogenvorsteher zu ihnen
und lassen sagen : «Brüder, wenn ihr einen "Xo^o? xapa-
ySkriaecxx; an das Volk habt, so sprecht». Darauf erhebt
sich Paulus und hall eine Ansprache. Aoyo? izcf.^ay.'k/iGeojg
ist also ein Ausdruck für eine religiöse Ansprache in
der Synagoge. So wird auch Hebr. l — 12 eine Predigt
sein ^.
Wir haben bisher immer nur an Hebr. 1 — 12 ge-
dacht. Daß das eine Einheit ist, folgt schon aus dem es-
chatologischen Ausblick am Schlüsse. Es folgt auch aus
der Schlußbilte (12, 25) : «Sehet zu, daß ihr den Reden-
1 Auch Paulus (der seine Briefe diktierte 2. Tess. 3,17; 1. Kor.
16,21; Rom. 16,22} braucht mitunter von sich \akdv ; 1. Kor. 9,8; 15,34;
2. Kor. 11, 17, 23; 12, 19; Rom. 7, 1. Sehr viel häufiger aber ist -j-pdcpsiv.
Ich erwähne nur die Beispiele aus den soeben ang'ezogenen Briefen:
1. Kor. 4, 14; 5, 9. 11 ; 9, 15; 14. 37; 2. Kor. 1, 13: 2. 3, 4; 7, 12;
9, 1 5 13, 10 ; Rom. 15, 15 ; IG, 22. In den übrigen Briefen herrscht
■(pdcpui allein, dva-ctvtoaxctv : .1. Thess. 5. 27; 2. Kor. 1, 13; Kol. 4,
16; Eph. 3, 4.
■•^ Diese Vermutung- ist schon über hundert Jahre alt. Der
'örste, der sie aussprach, war wohl J. Berger (der Brief an die He-
bräer, eine Homilie. Göttingische Bibliothek der neuesten theolo-
gischen Literatur herausg. von Schleusner und Stäudlin, 3. Band
1797, S. 449-469). Unter den Neueren hat sich zuerst Herm. v.
Soden in ähnlichem Sinne geäußert (Handkommentar zum neuen
Testament H. Band 2. Abt., Freiburg 1890, S. 5 ff.) Gute Beobach-
tungen über den Redecharakter des Hebräerbriefes bringt vor allem
E, Burggaller, das literarische Problem des Hebräerbriefes, Zeit-
schrift für die neutestanientliche Wissenschaft und die Kunde des
Urchristentums 1907 S. 110 ff.
-la-
den nicht ablehnl» — die sich mit der Mahnung am
Anfang, zu achten auf das Geredete (2, 1)S abrundend
zusammenschließt.
Es kommt danach aber noch ein 13. Kapitel. Es ist
nur äußerlich mit dem Vorhergehenden verknüpft. Die
Gedanken der theologischen Erörterung spielen hier keine
Rolle mehr, auch von dem Thema der Mahnreden, vom
Festhallen am Glauben, ist keine Rede weiter. Es sind
praktische Einzelvorschriften, lose aneinandergereiht. Zu-
letzt kommen persönliche Notizen, wie wir sie am Schlüsse
der Paulusbriefe zu finden gewohnt sind. Dies Kapitel
hat deutlich briefliche Art. In demselben Satze, in dem
der Verfasser sagt, daß er einen "Koyoq iza.pay.'k^Gtoic mitteile,
sagt er auch daß er einen Brief sende (eTrsaxeila 13, 22).
Danach müssen wir unser Ergebnis ein wenig genauer
fassen. Der Hebräerbrief ist eine zum Brief gewordene
Predigt ; eine Predigt, die der Redner niederschrieb und,
mit einer brieflichen Nachschrift versehen, an einen ihm
bekannlen Kreis von Christen sandte.
Dann erhebt sich die Frage, ob der Verfasser die
Predigt, die er verschickte, vorher an seinem Orte ge-
halten hatte, oder ob er sie nur zu dem Zwecke entwarf
und nach allen Gesetzen rednerischer Kunst ausgestaltete
und duicharbeitete, um sie zu verschicken und so gleich-
sam der fernen Gemeinde eine Predigt in gewohnter Art
zu halten. Wir dürfen die Frage vorläufig ruhen lassen.
Wie das auch zu denken sein mag — er hätte so nicht
handeln können, wenn er sich nicht in besonderem Maße
zum Predigen berufen gefühlt hätte und auch der fernen
Gemeinde als Prediger bekannt gewesen wäre. Uns geht
zunächst nur an, was sich aus den bisherigen Beobach-
tungen über die Person des . Verfassers ergibt ; und
das ist :
Der Verfasser des Hebräerbriefes
ist ein hervorr'agender Redner.
i Vgl. S. 7, Anm. 1.
Zweiter Teil:
Der Hebräerbrief und die evangelische
Ueberlieferung.
1.
Das Leben Jesu im Hebräerbrief.
In der Gedankenwelt des Hebräerbriefes spielt das-
irdische Leben Jesu eine große Rolle.
Das zeigt sich schon in der Aeußerlichkeit;, daß im
Hebräerbrief so oft der bloße Name Jesus gebraucht wird.
(2, 9; 3, V; 4, 14; 6, 20; 7, 22; 10, 19; 12,2; 12,24; 13, 12;
13, 20'''). Jesus steht mindestens so häufig als Christus
(3, 6; 3, 14; 5, 5; 6, 1; 9, 11; 9, 14; 9, 24; 9, 28; 11, 26).
In den Briefen des Paulus und in den sonstigen Briefen
des neuen Testaments findet sich das bloße Jesus sehr
viel seltener. Dagegen ist es die gewöhnliche Benennung
in den Evangelien^. ,
Noch eine andere Bezeichnung Jesu, die in den
Evangelien häufig ist, kommt im Hebräerbrief gelegent-
lich vor, nämlich Menschensohn. Hebr. 2, 6 wird Ps. 8, 5-
angeführt :
Was ist ein Mensch, daß du sein gedenkst,
und ein Menschensohn, daß du ihn ansiehst?
1 DEKL haben 'Jy-yaoüv Xpiatov.
2 D* 17 a 'iTjaouv Xpia-dv.
3 Auch in der Offenbarung stellt es öfters.
— 15 —
Das folgende zeigt, daß hier unter «Menschensohn»
Jesus verstanden wird ^.
Der Verfasser des Hebräerbriefes beruft sich einmal
auf die Reden Jesu. Er sagt von der im Sohne Gottes
offenbarten Rettung (2, 3) : «Die ihren Anfang damit
nahm, daß sie durch den Herrn geredet wurde,
dann von den Hörern (durch Ceberlieferung) an uns
bekräftigt wurde». Die Worte bekommen durch den Platz,
an dem sie erscheinen — zu Anfang der Predigt, bei
der ersten, persönlichen Anrede an die Zuhörer — ein
besonderes Gewicht; der Redner sagt damit, daß seine
ganze Verkündigung sich auf die durch die ersten Jünger
überlieferten Worte Jesu stütze. Seine Ausdrucksweise
erinnert an den Sprachgebrauch der Evangelisten. Wie
hier die Worte Jesu als Anfang der Rettung erscheinen,
so bezeichnet Lukas sein Evangelium als Erzählung
dessen, was Jesus anfing zu tun und zu lehren (Apg.
1, 1), und in demselben Sinne schreibt Markus über sein
Buch von Jesus : Anfang des Evangeliums Jesu Christi
(Mrk. 1, 1)2.
Von der menschlichen Niedrigkeit des Gottessohnes
ist im Hebräerbriefe mehrfach die Rede, ja sie wird
besonders betont und mit starken Ausdrücken geschildert.
Es heißt, daß er in jeder Hinsicht den Brüdern, die er
retten sollte, gleichwerden mußte (2, 17). Es wird hervor-
gehoben, daß er versuchbar war und in jeder Hinsicht
versucht wurde (2, 18; 4, 15), daß er mit Schwachheit
angetan war (5, 2) und Gehorsam lernen mußte (5, 8),
daß er heftigen Widerspruch der Sünder ertrug (12, 3).
Einzelheiten aus dem Leben Jesu werden erwähnt.
Er ist aus dem Stamme Juda hervorgegangen (7, 14).
Er hat außerhalb des Tores gelitten (13, 12). «In den
Tagen seines Fleisches brachte er Bitten und Flehen
vor den, der ihn vom Tode hätte retten können, mit
' Auch Ofb. 1, 13; 14, 14 kommt «Menschensohn» vor. Paulus führt
1. Kor. 15, 27; Eph. 1, 22 (Phil. 3, ^1) eine andere Stelle aus Psalm 8 an.
2 Theodor Zahn, Einleitung in das neue Testament 2. Band.
Leipzig 1899. iS. 221f. .
— 16 —
laulem Geschrei und Tränen, und erhört von der Furcht,
lernte er von dem, was er litt, den Gehorsam» (5, 7). Die
Einzelzüge, die hier berichtet werden — lautes Geschrei und
Tränen — machen es wahrscheinlich, daß der Verfasser
nicht an wiederholte Vorgänge aus dem Leben Jesu denkt,
sondern an einen bestiirnntexi. Daß Gebet, Erhörung und
Leiden hintereinander erwähnt werden, läßt darauf
schließen, daß ein Vorgang kurz vor dem Tode Jesu
gemeint ist. Danach kann kein Zweifel sein, daß es sich um
das Gebet in Gethsemane handelt.
Hebr. 9, 20 wird erzählt, wie Moses nach der Ver-
lesung des Gesetzes das Volk mit Blut besprengte. Es
werden auch die Worte angeführt, die er dabei sprach.
Aber während sich der Verfasser im allgemeinen bei
seinen Anführungen an den Text der griechischen Bibel
hält, gibt er ihn hier nur ungefähr wieder. Es heißt
nämlich in der Septuaginta :
Siebe da, das Blut der Verfügung,
die der Herr an euch erlassen hal^
Aber der Verfasser des Hebräerbriefes schreibt:
Das ist das Blut der Verfügung,
die Gott an euch erlassen hat.
Wahrscheinlich wirkt da die Erinnerung an das Wort Jesu
beim Abendmahl mit (Mk. 14, 24, Mt. 26, 28):
Das ist mein Blut der (testamentarischen) Verfügung,
das für viele vergossen wird.
Wenn Hebr. 2, 9 die Lesart /.copU Osoö richtig ist^
— «damit er sonder Gott für jedermann Tod koste» —
so dürfen wir darin wohl eine Anspielung sehen auf
1 Ex. 24,8, löoü xö at|xa xyic; oiad-q'/cqc, ffi Ö'.dö-sxo xö^wc, Tipöq
üixac;. Ueber die Bedeutung von 8taO-"/jXyj vgl. Adolf Deißmann,
Licht vom Osten. Tubingen 1908. S. 243.
'^ statt yäptxt dsoö. Beruhard Weiß, der Brief an die Hebräer
(kritisch-exegetischer Kommentar über- das N. T; begründet von
Meyer, 13. Abt.) 6. Auflage Göttingen 1897, S. 75: «Die Lesart
(y(opi(;) ist viel zu schwierig, um nicht ursprünglich zu sein».
— 17 —
Jesu Schrei in" der Todesstunde : «Mein Gott, mein Gott,
warum hast du mich verlassen?)^ (Mk. 15, 34).
Bei der wiederholten Erwähnung von Versuchungen.
Jesu (4, 15; 2, 18) schweben dem Verfasser wohl Erzäh-
lungen vor, wie wir sie in den Versuchungsgeschichteh
der synoptischen Evangelien haben. Auch an der Stelle
12, 2: «der anstatt der vor ihm liegenden Freude Kreuz
erduldete» — wird an eine derartige Erzählung gedacht
sein ; in der von Matth. (4, 8) und Lukas (4, 6) berichteten
Versuchung bietet der Teufel Jesu die zu seinen Füßen
liegenden Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit an. Ob
mit der Andeutung, daß Jesus solchen Widerspruch habe
dulden müssen (12, 3), auf bestimmte Vorgänge aus seinem
Leben verwiesen sein soll, ist nicht zu erkennen.
Was wir im Hebräerbriefe aus dem Leben Jesu hören,
kann nicht alles aus den uns bekannten Evangelien ent-
nommen sein.
Daß Jesus außerhalb des Tores gelitten habe (Hebr.
13, 12), ist in keinem unserer Evangelien gesagt. Mau
darf nicht einwenden, daß das eine bloße Folgerung sein
könne aus den evangelischen Berichten, in denen es
wenigstens heißt (Mk. 15, 20): «sie führten ihn hinaus
(s^ayouGiv), um ihn zu kreuzigen» — und (Joh. 19, 17):
«er ging hinaus (sC'^T^Ösv) zu der Schädelstätte». Es ist
doch fraglich, ob diese Ausdrücke so deutlich sind, daß
sich der Schluß, Jesus sei außerhalb des Tores gekreuzigt
worden, notwendig ergibt- Vor allem : der Verfasser des
Hebräerbriefes verwendet den umstand in einer Beweis-
führung^. Das könnte er nicht, wenn er über die Lage
der Todesstätte nicht genau unterrichtet wäre.
Auch die Erzählung des Hebräerbriefes (5, 7), daß
Jesus in Gethsemane Bitten und Flehen mit lautem Ge-
schrei und Tränen dargebracht habe, kann nicht aus
1 Was den Sinn der etwas dunklen Stelle betrifft, so scheint
mir die Erklärung v. Sodens im Handkommentar die einleuchtendste.
Die «fremden Lehren» sind dieselben, die wir aus 1. Kor. 8, 8 und
Eöm. 14, 17 kennen.
D. 2
— 18 -
unseren Evangelien geschöpft sein. Diese reden nur von
der Betrübnis, der Furcht, dem Kampfe Jesu; daß er
geschrieen und geweint habe, sagen sie nicht.
Der Verfasser des Hebräerbriefes ist für. seine Kunde
vom Leben Jesu nicht auf die uns bekannten Evangelien
angewiesen. Dann erhebt sich die Frage: woher hat er
seine Nachrichten?
Die schon vorhin erwähnte Stelle (2, 3) gibt uns
einen Fingerzeig. «... (die Rettung) die damit den
Anfang nahm, daß sie geredet wurde durch den Herrn,
dann von denen, die es gehört hatten , uns bekräftigt
wurde, indem Gott mit Zeugnis ablegte durch Zeichen
und "Wunder und allerlei Machttaten und Zuteilungen
heiligen Geistes nach seinem Willen». Damit sagt der
Verfasser, daß er wie seine Zuhörer das Evangelium
empfangen haben durch solche, die den Herrn reden gehört
hatten. Es sind Worte Jesu, die sie ihm weitergegeben
haben. Da man aber niemals Worte Jesu ohne Geschichten
von Jesus wird überliefert haben, so dürfen wir annehmen,
daß er seine Kenntnis des Lebens Jesu aus gleicher Quelle,
von Augenzeugen, hat.
Der Verfasser des Hebräerbriefes hat
von persönlichen Jüngern Jesu Nachrichten
über Jesus empfangen.
2.
Der Hebräerbrief und Lukas.
Die Stellen im Hebräerbriefe, wo vom Leben Jesu
die Rede ist, sind, äußerlich angesehen, natürlich nicht
sehr zahlreich. Es mag daher auf den ersten Blick aus-
sichtslos erscheinen, wenn wir versuchen, genaueres
herauszubekommen über die Quellen, aus denen der Ver-
fasser des Hebräerbriefes seine Nachrichten über das
Leben Jesu hat. Ich glaube aber, die Stellen reichen
gerade aus, um uns auch in dieser Frage hinlänglich
klar sehen zu lassen.
— 19 —
Die Anspielung auf die Abendmahlsstiftung, die wir
Hebr. 9, 20 fanden, setzt eine Fassung der Abend-
mahlsworte voraus, bei der der Spruch über den Kelch
beginnt: «Das ist mein Blut des Testaments ...» Diese
Fassung begegnet uns nur bei Markus (14, 24) und bei
Matthäus (26, 28).
Das Klagewort am Kreuz, auf das vielleicht an der
Stelle Hebr. 2, 9 angespielt wird, ist ebenfalls nur bei
Markus (15, 34) und Matthäus (27, 46) überliefert.
Man könnte auch in der Gethsemaneschilderung einen
Anklang finden an den Bericht des Markus. Hebr. 5, 7 heißt
es, Jesus habe gebetet zu dem, «der ihn vom Tode retten
konnte (^uvajAsvov)»; das läßt sich vergleichen mit den Worten
bei Markus (14, 36): «Vater, alles ist dir möglich (^uvaTa)».
Es ist allerdings eine sehr geringfügige Aehnlichkeit.
Das sind die Stellen, aus denen man folgern kann,
daß dem Verfasser des Hebräerbriefes Ueberlieferungen,
die uns nur im Markus und im Matthäus vorliegen,
bekannt sind.
Andere Spuren weisen in anderer Richtung.
Wir denken noch einmal an die Gethsemanestelle im
Hebräerbrief (5, 7). Weit stärker als an den Bericht des
Markus erinnert sie an Lukas.
Es wird erzählt, daß Jesus in Gelhsemane geweint
habe. Das ist, wie wir sahen, bei keinem der Evangelisten
zu lesen, auch bei Lukas nicht. Lukas aber weiß doch an
einer anderen Stelle von Tränen Jesu zu berichten ; Lk.
19, 41: «-Als er die Stadt sah, weinte er über sie». Es
ist das einzige Mal in den Synoptikern, daß so etwas von
Jesus gesagt wird. Sonst kommt nur noch im Johannes-
evangelium der weinende Jesus vor (Joh. 11, 35). Nun
ist es eine alte Beobachtung, daß sich das Johannes-
evangelium in vielen Einzelheiten mit den Ueber lieferungen
berührt, die das Lukasevangelium vor den andern beiden
Synoptikern voraus hat^
1 Eine ZTisammenstellung gibt Harnack, Lukas der Arzt (Bei-
träge zur Einleitung in das neue Testament I) Leipzig 1906 S. 157 ff.
— 20 —
Wenn aber auch Lukas in seinem Gelhseraanebericht
nicht gerade von Tränen Jesu redet, so kommt doch im
übrigen seine Darstelhmg der des Hebräerbriefes sehr nahe.
Markus (14, 32—42) und Matthäus (26, 36— 46) sagen nur,
daß Jesus vor seinem Gebet voll Betrübnis und Angst
gewesen sei ; von dem Gebet selbst berichten sie nichts
als die Worte. Bei Lukas aber (22, 43 — 44) lesen wir:
«Es erschien ihm ein Engel vom Himmel, der ihn stärkte.
Und er geriet in Kampf und betete angestrengter. Und
sein Schweiß wurde wie Tropfen Blutes, das auf die Erde
fällt». Diese Sätze stehen nur in einem Teil der Hand-
schriften, darunter in dem berühmten Kodex D; sie haben
aber guten Anspruch, als lukanisch zu gelten^. Wenn
der Verfasser des Hebräerbriefes sagt, Jesus habe bei
jenem Gebete laut geschrieen und geweint, so gibt er uns
damit eine ähnliche Vorstellung leidenschaftlichen Ringens
wie dort Lukas.
Noch in einem kleinen Einzelzuge tritt die Verwandt-
schaft der beiden Schilderungen zutage, Markus (14, 35)
und Matthäus (26, 39) sagen. Jesus sei «ein wenig»
([j.f/.pov) von den nächsten Jüngern weggegangen. Dabei
brauchte man nur an ein paar Schritte zu denken. Durch
Lukas gewinnt man eine andere Vorstellung: «Er riß sich
von ihnen etwa einen Sleinwurf weit (22, 41)». Das ist
1 Ueber das Veihältnis des vornehmlich durch den Kodex
Beza Kantabrigiensis (D) und die lateinischen Väter vertretenen
abendländischen Textes zu dem verbreiteteren niorg'enländischen
vgl. Friedrich Blaß, die Textüberlieferung in der Apostelgeschichte,
Theol. Studien und Kritiken 1894 S. 86-119. Ueber die verschie-
denen Textesformen in den Schriften des Lukas, Neue kirchliche
Zeitschrift 1895 S. 712-725. Zahn, Einleitung 11, § 59, S. 338 if., bes.
Anm. 18. S. 356 ff. — Gegen die Echtheit von Lk. 22,43—44 wird ge-
wöhnlich eingewandt 1. Das Legendenhafte der Engelerscheinung;
2. die angebliche Unordnung der Verse unter sich ; die Stärkung
kommt vor dem Kampfe ; 3. der Geg'ensatz zu dem vorhergehenden,
wo Jesus nicht wie bei Markus (14,33) und Matthäus (26,37) voll
Angst und Weh, sondern gefaßt erscheint. Dagegen ist zu sagten :
1. Gründe Avie dieser haben in einer textkritischen Frage nicht mit-
zureden. 2. die Erzählung ist ganz sinnvoll; es handelt sich nicht
um eine Stärkung i m Kampfe, sondern zum Kampfe Damit er-
ledigt sich auch 3. In den Versen 40 — 42 erscheint Jesus noch nicht
außer sich, weil der Kampf noch nicht begonnen hat.
— 21 —
schon eine beträcblliGhe Entfernung. Dann können die
Jünger Ohrenzeugen seines Gebetes nur gewesen sein,
wenn er schrie. Das aber sagt der Verfasser des Hebräer-
briefes.
Auch sonst erinnern seine Andeutungen über das Leben
Jesu mehrfach an Ueberlieferungen, die sich allein im
Lukasevangelium erhallen haben.
Zweimal ist im Hebräerbriefe davon die Rede, daß
Gott zu Jesus gesprochen habe : «Du bist mein Sohn,
ich habe dich heute gezeugt» (1,5; 5, 5). Diese Worte
aus dem 2. Psalm kommen auch im Lukasevangelium
vor, und zwar in der Geschichte von der Taufe Jesu.
Während die Stimme vom Himmel bei Markus (1, 11)
und Matthäus (3, 17) lautet : «Du bist mein lieber Sühn,
an dem ich Wohlgefallen gefunden habe», lautet sie
bei Lukas (3, 22) iu der ursprünglichen Lesart ^ : «Du
bist mein Sohn, ich habe dich heute gezeugt» ^.
Nur im Hebräerbrief und im Lukasevangelium wird
gesagt, daß Jesus Widerspruch erfahren habe. Hebr. 12, 3:
«Denkt an den, der solchen Widerspruch (ävTiT^o^tav) von
den Sündern gegen sich erduldet hat». Lk. 2, 34: «Dieser
ist gesetzt zu einem Zeichen, dem widersprochen wird
favTOvsyojj.evov^». Das Lukasevangelium bringt auch als ein-
ziges ein besonders krasses Beispiel von Widersprechen :
wie nach der ersten Predigt Jesu in der Heimat die
eigenen Landsleute ihn vom Felsen stürzen wollen (Lk.
4, 29)'.
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß dem Ver-
fasser des Hebräerbriefes die Versuchungen Jesu wichtig
1 Kodex D und verscMedene Lateiner. Vgl. Adolf Haniack,
Sprüche und Reden Jesu, die zweite Quelle des Matthäus und Lu-
kas. (Beiträge zur Einleitung in das neue Testament II) Leipzig 1907.
Exkurs IL S. 216 ff. Daß, wie Harnack meint, Lukas die in D erhal-
tene Fassung aus der «zweiten Quelle» habe, erscheint mir doch
sehr zweifelhaft.
2 Sonst wird das Psalmwort nur noch in der Apostelgeschichte
angeführt: Apg. 13,33.
3 dvTiAsvstv kommt bei Lukas überhaupt öfter vor: Lk. 20,27;
Apg. 13, 45; 28, 18, 22.
— 22 —
sind. Sehen wir zu, was in den Evangelien — es kommen
nur die synoptischen in Betracht — von Versuchungen
Jesu zu lesen steht. Nach Matthäus (4, 1 -11) wird Jesus
vom Geiste in die Wüste geführt, um vom Teufel ver-
sucht zu werden. Erst faslet er vierzig Tage und vierzig
Nächte. Danach beginnt endlich der Versucher sein
Werk. Rasch hintereinander spielen sich die drei Ver^
suchungen ab. Der Teufel hat verloren und verläßt ihn.
Markus (1, 12 — 13) faßt sich kürzer : «Jesus war in der
Wüste vierzig Tage, vom Satan versucht». Er denkt sichs
also so, daß die Versuchungen vierzig Tage hindurch
währten. Lukas (4, 1 — 13) berichtet auch von dieser vier-
zigtägigen Versuchung, aber darauf, am Ende der vierzig
Tage, läßt er noch die drei Angriffe des Teufels folgen,
die auch Matthäus erzählt. Für Lukas sind das nur die
letzten und schwersten in einer langen Reihe von Versuch-
ungen. Ja es müssen alle erdenklichen Versuchungen vorher
gegangen sein, denn Lukas schließt die Erzählung : «Nach-
dem der Teufel jede (mögliche) Versuchung (TravTa Tcstpacr-
[xov) vollendet hatte, stand er ab von ihm». Aber er
läßt ihn nur vorläufig in Ruhe — «eine gewisse Zeit»
fügt der Evangelist hinzu ^. Er läßt damit durchblicken,
daß der Teufel bald wieder mit neuen Versuchungen an
Jesus herangetreten sei. Er erzählt davon nichts näheres.
Aber am Schlüsse des Evangehums, am letzten Abend,
läßt er Jesus rückschauend zu den Zwölfen sagen : «Ihr
seid es, die mit mir ausgehalten haben in meinen Ver-
suchungen (22, 28)». «Meine Versuchungen» — das ist
offenbar ein zusammenfassender Ausdruck für sein ganzes
Leben seit seinem öffentlichen Auftreten. Während also
Matthaus und Markus nur von einer — längeren oder
kürzeren -r- Versuchung Jesu am Anfang seiner Lauf-
bahn erzählen, ist nach Lukas Jesu Leben voll von Ver-
suchungen, eine Kette von Versuchungen jeder Art, Das
aber ist genau die Anschauung des Verfassers des He-
bräerbriefes. Er sagt mit deutlichem Anklang an Lk. 4,
äy^^'. xaipoü — wie Apg:. 13, 11.
— 23 —
13 : «Er wurde versucht in jeder Hinsicht» (4,
15), und wo er die Bedeutung des irdischen Lebens Jesu
zusammenfassen will, sagt er: tcstcovÖ'sv ■Ksi^xad-s.iq - — «er
wurde versucht und litt (2, 18)» ^.
Aus den vielen Versuchungen Jesu folgert der Ver-
fasser des Hebräerbriefes, daß dieser Hohepriester nach-
sichtig sein könne gegen die Unwissenden und Irrenden
(5, 2). Das kommt nirgends" so deutlich zum Ausdruck
als in dem Wort des Gekreuzigten, das nur Lukas bietet:
«Vater, vergib ihnen ; denn sie wissen nicht, was sie
tun» (Luk. 23, 34).
Nur im Plebräerbrief und im Lukaseva ugelium wird
die Anschauung ausgesprochen, daß Jesus durch sein
Leiden vollendet worden sei. Hehr. 2, 10 : Es ziemte
Gott, den Anführer der Rettung durch Leiden zu vol-
lenden (TsleiSicai) . 5, 8 — 9 : Er lernte von dem, was er
litt, den Gehorsam, und vollendet (xeAzt.cad'dg) wurde er
allen, die ihm gehorchen, ein Urheber ewiger Rettung.
Im Lukasevangelium (13, 32) sagt Jesus : «Siehe, ich
treibe Dämonen aus und vollbringe Heilungen heute und
morgen, und am dritten Tage werde ich vollendet (ts^siou-
[7-ai) » .
Die Berührungen mit der Lukasüberlieferung fallen
ganz anders ins Gewicht als die mit Markus-Matthäus. Nicht
nur, daß sie zahlreicher sind; sie besagen auch mehr. Denn
bei den Anklängen an die Markuserzählungen handelt es
sich nur um einzelne Tatsachen aus dem Leben Jesu.
In dem aber, was der Hebräerbrief mit der Sonderüber-
1 Auch auf die Versuchungen der Gläubigen wird bei Lukas
öfter Rüeksieht genommen, als in den anderen Evangelien. Bei der
Deutung des Säemannsgleichnisses, wo die anderen (Mk. 4,17; Mt. 13,21)
■(evoiJ.evyj(; •S-Xi^eüx; -q §1(0^1^05 sagen, sagt er (Lk. 8, 13) sv xa'.pw tcsi-
pao|JLo5. In der Gethsemanegeschichte wird bei ihm die Warnung :
«bittet, daß ihr nicht in Versuchung kommt», zweimal ausge-
sprochen (22, 40, 46). Ein Zusammenhang mit den häufigen Versuch-
ungen Jesu ist w;ahrscheinlich. Er kann, aber kaum anders gedacht
werden als in der Weise des Hebräerbriefes ; worin er gelitten hat,
nachdem er versucht worden war, kann er denen, die versucht
werden, helfen (Hebr. 2, 18). Jesus der dp^ryjYOC auch in den Versu-
chungen.
— 24 —
lieferung des Lukas gemein hat, verrät sich dieselbe Ge-
samlanschauung vom Leben Jesu.
Woher hat der Verfasser des Hebräerbriefes diese
Anschauung? Nach dem, was früher gesagt wurde, steht
fest, daß er sie nicht aus dem Lukasevarigelium hat.
Da bleibt keine andere Annahme übrig, als daß er aus
derselben Quelle schöpft wie Lukas. Er kennt ohne
Zweifel auch andere Ueberlieferungen. Aber in der Haupt-
sache verdankt er seine Kenntnis des Lebens Jesu
jenem Kreise, aus dem die allein von Lukas aufbe;wahrlen
Erzählungen hervorgegangen sind^.
Die Uebereinslimmungen zwischen der Sonderquelle
des Lukas und dem Hebräerbriefe reichen aber noch
weiter.
Lukas 2, 34 — 35 wird das prophetische Wort des alten
Simeon an Maria berichtet : «Siehe, dieser ist gesetzt zu
einem Fallen und Aufstehen vieler in Israel und zu
einem Zeichen, dem widersprochen wird — aber auch
deine eigene Seele wird ein Schwert durch-
dringen — damit Gedanken aus vielen Herzen offenbar
werden». Das Bi]d vom Schwert deutet man gewöhnlich
als Weissagung auf den Seelenschmerz, den Maria fühlen
wird, sei es über den Widerspruch der Menschen, sei es
über das Leiden Jesu. Diese Auffassung aber wird dem
Wortlaut nicht gerecht ; das >tal — Se. ^xux-Tiq im Zwischen-
satz kommt dabei nicht heraus. Wenn mit so scharfer
Betonung gesagt wird «aber auch deine eigene
Seele» — so wird damit Maria — wider Erwarten —
unter die eingereiht, von denen es zuvor heißt, daß
sie widersprechen, und nachher, daß ihre Gedanken
1 Daß die Sondererzählungen des Lukas einer Quelle ent-
stammen, darf als sehr wahrscheinlich, betrachtet werden. Vgl. Paul
Feine, Eine vorkanonische Ueberlieferung des Lukas in Evangelium
und Apostelgeschichte, Gotha 1891. Harnack, Lukas der Arzt,
S. 108 ff. Bernhard Weiß, Die Quellen des Lukasevangeliums, Stutt-
gart 1907. Derselbe, Die Quellen der synoptischen Ueberlieferung
(Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Lite-
ratur, 3. Eeihe, 2. Band, Heft 3), Leipzig 1908.
— 25 —
offenbar werden. Sie selbst wird durch ihren Sohn zum
Widerspruche gereizl werden , auch ihre Gedanken
werden durch ihn ans Licht kommen'. Diese Wirkung
Christi, den Widerspruch herauszufordern und die Ge-
danken aufzudecken, wird vergKcben mit der eines
Schwertes, das durch die Seele dringt. Damit wird von
Jesus dasselbe ausgesagt, was Hebr. 4, 12 — 13 vom
Worte Gottes gesagt wird : «Das Wort Gottes ist lebendig
und kräftig und schneidender als jedes zweischneidige
Schwert und durchdringend bis zur Teilung von Seele
und Geist, Gelenken und Mark, und ein Richter von
Gesinnungen und Gedanken des Herzens. Und es ist
keine Kreatur unsichtbar vor ihm, sondern alles nackt
und entblößt vor seinen Augen». Aehnliches findet sich
bei Philo^. Von hier aus ist das Wort Simeons bei Lukas
zu verstehen ; Jesus wird als der fleischgewordene gött-
liche Logos beschrieben *. Daß auch dem Verfasser des
Hebräerbriefes diese Gleichsetzung Jesu mit dem Logos
geläufig ist, zeigt — wenn nicht die angeführte Stelle —
dann doch die seine ganze Erörterung durchziehende Auf-
' Das fügt sich gut zu den Andeutungen dex' Synoptiker, nach
denen Jesu Familie durchaus nicht zu seiner Jüngerschaft gehörte.
Am meisten sagt darüber Markus. Er erzählt allein, daß «die Seinen>
ihn greifen wollten, weil sie meinten, er sei seiner Sinne nicht mehr
mächtig (Mk. 3, 21), und bringt die auch bei den anderen überlieferte
Geschichte, wie Jesus sich von seiner Mutter und seinen Brüdern
nicht sprechen ließ, in deutlichen Zusammenhang damit (3, 81 — 35).
2 Auch Sibyllinen 8, 282—285:
Ttdcvca vocbv xal TrdvTa ßXsTiODV xai. xdvx' sTiaxoucov
aTi7.äYyva xaxo'KTSüast xai piJ-vojaei TcpoQ zKey/w-
aoTOz jap Tcävxcov dxov] xal vouc; xai öpaaic,
xal Tio'yoc; 6 xt'Xcdv [AOpcpäQ, ö tcöcvÖ-' 6~axouE'..
3 Mir scheint, daß die Logosvorstellung auch Lk. 1, 2 vorliegt.
Man übersetzt hier ÜTtyjpsxai Toü 'KÖ'^o'j immer mit «Diener des Wortes»
d. h. Verkünder des Evangeliums Aber durch das zwischen UTTTjpsta'.
und xoü Xrjyyj eintretende y£v6[X£vo'. erhält uxTjpsxa'. einen .starken
Ton, wodurch es als Steigerung von aozÖTZ-ai erscheint. Die Jünger
sind ja auch nicht dadurch, daß sie Verkünder des Evangeliums
wurden, besonders befähigt, Geschichten von Jesus zu erzählen,
wohl aber dadurch, daß sie als persönliche Diener (Joh. 18, 36) des
fleischgewordenen Logos in täglichem Verkehr mit ihm standen (vgl.
1. Joh. 1, 1).
— 26 —
fassung Jesu als Hohenpriesters — bei Philo ist der Logos
Hoherpriesler — , und der Eingang den Hebräerbriefes,
der so stark an den Anfang des Johannesevangeliums er-
innert. —
Hebr. 10, 5 heißt es von Christus: «In die Welt
kommend sagt er :
Opfer und Darbringung hast du nicht gewollt,
aber einen Leib hast du mir bereitet.
Brandopfer und Sündopfer hast du nicht beliebt.
Da sprach ich: siehe ich bin da, —
in einer Buchrolle (^scpali^i ß!,ß7.iou') sieht von mir
[geschrieben —
zu tun, Gott, deinen Willen».
Es sind Worte aus dem 40. Psalm, die da dem in
die Well kommenden Christus in den Mund gelegt werden.
Diese Verwendung des 40. Psalms fällt auf. Er enthält
eine Stelle, die der messianischen Deutung widerstrebt
(V. 13) ; es ist auch das einzige Mal im neuen Testament,
daß er als messianisch angeführt wird.
Eine neuleslamentliche Stelle kommt einem dabei
freilich in den Sinn : die Erzählung des Lukas über das
erste Auftreten Jesu (Lk. 4, 16 — 30). Jesus kommt nach
Nazareth in die Synagoge. «Und er stand auf zu lesen.
Und es wurde ihm ein Buch, der Prophet Jesaja, gereicht,
und er machte das Buch auf und fand eine Stelle, wo
geschrieben stand (Jes. 61, 1 — 2) :
Geist des Herrn ist auf mir,
weil er mich salbte, Armen zu predigen.
Er sandte mich. Gefangenen Entlassung
und Blinden Sehkraft zu verkündigen,
Zerschlagene frei gehu zu lassen,
zu verkündigen ein willkommenes Jahr des Herrn.
^ X£cpa7v.ic, eigentlich Köpfchen, bezeichnet den Knopf auf dem
Stabe, um den die Buchrolle g-ewickelt wird, dann die zusammen-
gewickelte Bnchrolle selbst, xe^oakiba, sagt Theodoret, xaKel xd
eVkrixd ßtßXia. Franz Delitzsch, Kommentar zum Brief an die He-
bräer, Leipzig 1857, S. 461, Anm. 2.
— 27 —
Und er rollte das Buch zu, gab es dem Diener und
setzte sich ; und aller Augen in der Synagoge hingen an
ihm. Er aber begann zu ihnen zu reden : Heute ist diese
Schrift erfüllt in euren Ohren».
Diese Erzählung hat etwas befremdendes. Mit einer
in den synoptischen Evangelien unerhörten Ausführlich-
keit werden ganz gleichgültig scheinende Nebenzüge aus-
gemalt : wie er das Buch nimmt und aufrollt ; wie er es
zurollt und weggibt ; wie er sich setzt und vor aller Augen
dasitzt, ehe er redet. Ist das nicht alles selbstverständlich ?
Warum wird es erzählt? Etwas muß dahinter stecken.
Nun achte man darauf, daß es eine Buchrolle ist, um
die sich die ganze breite Schilderung dreht, daß durch
die Worte «er rollte das Buch zu und gab es dem Diener»
noch einmal besonders die Vorstellung einer geschlos-
senen Rolle (y.£<pa>^i(;) hervorgerufen wird, und danach
alle Aufmerksamkeit auf die Person Jesu gelenkt wird —
es ist, als hörte man die Worte des 40. Psalms : «da
sprach ich: siehe ich bin da, in einer Buchrolle steht von
mir geschrieben.» Was Jesus in der Lukaserzählung tut,
ließe sich ebensogut durch diese Psalmstelle ausdrücken.
Daß der Psalm im Hintergrunde steht, wird noch
klarer, wenn wir ihn in seinem ganzen Umfange zum
Vergleich heranziehen. Nach der eben angeführten Stelle
heißt es (aus der Septuaginta^ übersetzt) :
10. Ich verkündete Gerechtigkeit in großer Versammlung;
siehe, meine Lippen verschließe ich nicht . . .
11. Nicht verbarg ich in meinem Herzen deine Wahrheit,
und dein Heil sprach ich aus.
Nicht verbarg ich dein Erbarmen und deine Wahrheit
vor der zahlreichen Synagoge , . .
13. Es umringten mich Uebel, die nicht zu zählen sind,
es faßten mich meine Ueber tretungen, und ich konnte
nicht mehr sehen.
Sie wurden zahlreicher als die Haare meines Hauptes,
und mein Herz verließ mich.
1 Es ist dort Psalm 39.
14. Laß dirs gefallen, Herr, mich zu retten,
Herr, tritt hervor, mir zu helfen,
15. Es mögen allesamt zu Schanden und beschämt werden,
die nach meiner Seele trachten, sie zu vertilgen.
Es mögen sich rückwärts wenden und beschämt werden,
die mir übel w^ollen.
Die «große Versammlung» finden wir hei Lukas wieder,
und das Schlußgebet um Hilfe vor den andrängenden
Feinden paßt auf die Lage Jesu am Ende der Geschichte.
Die Erzählung L k. 4, 16—30 will die Erfül-
lung des 40. Psalms schildern. Wer das zuerst
erzählt hat, hat ebenso wie der Verfasser des Hebräer-
briefes den 40. JPsalm als messianisch angesehen. Der
Verfasser des Hebräerbriefes denkt, sich den Psalm bei
der Menschwerdung Christi gesprochen ; es bedeutet
keinen großen Unterschied, wenn die Lukasüberlieferung
ihn bei der Erzählung von der ersten Erscheinung Jesu
vor dem Volke verwendet.
Für die enge Verwandtschaft beider Stellen spricht
endlich noch ein scheinbar unbedeutender Umstand. Der
Verfasser des Hebräerbriefes führt auch in diesem Falle
wie gewöhnlich den Wortlaut der Septuaginta an ; aber
mit einer kleinen Aenderung. In der Septuaginta nämlich
heißt es :
Da sprach ich : Siehe, ich bin da,
in einer Buchrolle steht von mir geschrieben.
Deinen Willen, Gott, wollte ich tun.
Der Verfasser des Hebräerbriefes läßt das sßouXvfGviv
aus, so daß der Wortlaut entsieht:
Da sprach ich: Siehe, ich bin da,
— in einer Buchrolle steht von mir geschrieben — ,
deinen Willen, Gott, zu tun.
Indem er diese Aenderung vornimmt, läßt er durch-
blicken, daß er eine bestimmte Schriftstelle im Sinne hat,
in der steht, was der Messias nach Gottes Willen tun
soll. Es liegt nichts näher, als daß er an eben die Stelle
im Jesaja denkt, die Jesus in der Lnkaserzählung vorliest:
— 29 ~
«Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich salbte, Armen
zu predigen usw.» —
Wo der Verfasser des Hebräerbriefes zum Ausharren
im Glauben mahnt, braucht er einmal die eigentümliche
Wendung (12, 4) : «Ihr habt noch nicht bis zum Bluten
([X£)^pi(; ai'xaToc) W^iderstand geleistet im Kampfe (ävTaytovi-
^orj-evoi) gegen die Sünde». Also kann der Kampf gegen die
Sünde so gewaltig werden, daß Blut fließt. Eine klarere Vor-
stellung davon gibt uns nur das Lukasevangelium in der
Gelhsemanegeschichte (Lk. 22, 44) : «Er geriet in Kampf
(äycovia) und betete angestrengter ; und sein Schweiß wurde
wie Tropfen BluLes, das auf die Erde fällt». Hier wie
dort eine aywvia [xs7pi? ai[j,aTo;. Nicht umsonst steht jene
Erinnerung im Hebräerbrief an einer Stelle, wo eben die
Mahnung ausgesprochen war (12, 2): «Lasset uns hinsehn
auf Jesus».
Oeflers wird im neuen Testament ausgesprochen, daß
Christus leiden muß. So namentlich in den Leiden&weis-
sagungen der Evangelien (Mk. 8, 31, Mt. 26, 54), aber
auch sonst (Apg. 3, 21 ; 17, 3). Aber nur zwei Stellen
im neuen Testament sind mir bekannt, wo das Leiden
Christi als ein schweres Rätsel hingestellt wird, dessen
Auflösung gesucht wird. Die eine ist die bei Lukas über-
lieferte Geschichte von den Emmausjüngern. Die beiden
sind ganz verstört, weil sie es nicht fassen können ; der .
geheimnisvolle Begleiter beginnt ihnen zu zeigen, warum
es so kommen mußte. Die andere ist die Einleitung des
Hebräerbriefes. Denn hier dienen die wirkungsvoll zu-
sammengestellten Schriftzeugnisse für die Erhabenheit des
Sohnes über die Engel (Kap. 1) nur dazu die Rätselhaf-
tigkeit des Schicksals, daß er unter Engel erniedrigt
wurde (2, 7), um so schwerer empfinden zu lassen ; und
die ganze theologische Erörterung im Hebräerbriefe ist
ein Versuch, nachzuweisen, warum es so sein mußte. Die
Antwort Jesu an die Emmausjünger ist diese : «Mußte
nicht Ghrislus das leiden und in seine Her r li ch k ei t
eingehen?» Genau so legt sichs der Verfasser des Hebräer-
briefes im Anfang zurecht (2, 10): «Es ziemte ihm
— 30 —
(d. h. Gott), dessentwegen alles und durch den alles ist,
wie er viele Söhne zur Herrlichkeit geführt hatte,
den Anführer ihrer Rettung durch Leiden zu vollenden».
Jesus zeigt den beiden Jüngern weiterhin, wie sich in
seinem Leiden das, was Moses und die Propheten weis-
sagten, verwirklicht; der Verfasser des Hebräerbriefes
führt in seiner weiteren Darlegung aus, wie darin die
mosaische Gottesdienstordnung ihre Erfüllung finde.
Noch auf eine Aehnlichkeit zwischen Hebräer brief
und Lukasevangelium möchte ich aufmerksam machen.
Es sind die einzigen Schriften im neuen Testament, in
denen der Gottesdienst eine Rolle spielt. Im Lukas-
evangelium gilt das vor allem von der Kindheitsgeschichte,
die großenteils den Tempel in Jerusalem zum Schauplatz
hat und mancherlei Gelegenheit bietet, Vorschriften des
Tempeldienstes zu erwähnen. Vielleicht ist es auch nicht
zufällig, daß Lukas noch zwei Geschichten, in denen
Priester und Leviten vorkommen, vor den anderen Evan-
gehsten voraus hat (Lk. 10, 31—32; 17, 14) ^ Im
Hebräerbriefe wird der Tod Christi als Opferhandlung
eines Hohenpriesters dargestellt. '
Was aus dem allen hervorgeht, ist dieses: der Ver-
fasser des Hebräerbriefes hat nicht nur seine Nachrichten
über das Leben Jesu größtenteils aus der Quelle, aus der
die besonderen Erzählungen des Lukas stammen ; er
teilt auch darüber hinaus allerlei Anschauungen und Ge-
danken mit der Lukasquelle. Eine solche Gemeinsamkeil
der Anschauungen aber läßt sich nicht erklären ohne
die Annahme persönlicher Beziehungen. Wir schließen
also :
Der Verfasser des H ebräer br i efe s steht
dem Kreise nahe, aus dem die Sonderüber-
lieferungen des Lukasevangeliums stammen.
1 Stammen die Sonderstücke des Lukas vielleicht aus priester-
liehen oder levitischen Kreisen? Im Johannesevang-elium, das mit
der LukasqueUe so manches gemeinsam hat, hören wir, daß der
«andere Jünger» mit dem Hohenpriester bekannt war ( Joh. 18, 15).
— 31 —
3.
Der Hebräerbrief und Markus.
Matthäus (27, 45 — 54) berichtet von verschiedenen
Naturerscheinungen beim Tode Jesu. Um zwölf Uhr
Mittags verfinstert sich die Sonne auf drei Stunden. Als
dann um drei Uhr Jesus mit lautem Aufschrei stirbt —
«siehe, da zerriß der Vorhang des Tempels von oben bis
unten in zwei Stücke, und die Erde erbebte, und die
Felsen zerrissen, und die Gräber taten sich auf, und viele
Leiber der entschlafenen Heiligen standen auf . . . Als
aber der Hauptmann und seine Leute, die Jesus bewachten,
das Erdbeben und die Ereignisse sahen, fürchteten sie
sich sehr und sagten: Wahrhaftig, das war Gottes Sohn».
Markus (15, 33 — 39) erzählt ebenso wie Matthäus von
der Finsternis. Nachher aber ist er erheblich kürzer.
«Jesus schrie laut und verschied. Und der Vorhang des
Tempels zerriß in zwei Stücke von oben bis unten. Als
aber der Zenturio, der dabei stand, ihm gegenüber, sah,
daß er so verschied, sagteer: Wahrhaftig, dieser Mensch
war ein Sohn Gottes».
Lukas (23, 44—47) berichtet dieselben Erscheinungen
wie Markus, nur in leicht geänderter Reihenfolge. Die
Finsternis bis um drei, dann das Zerreißen des Vorhangs
und das Verscheiden Jesu. «Als aber der Hauptmann das
Geschehene sah, pries er Gott und sagte: Wirklich, dieser
Mensch war gerecht. Und alle Menschen, die mitgekommen
waren zu dieser Schau, wie sie das Geschehene geschaut
hatten, schlugen sie sich die Brust und kehrten heim».
Der Ausruf des Hauptmanns wird in diesen Berichten
verschieden begründet. Nach Matthäus ist es der Ein-
druck des Erdbebens und der übrigen Ereignisse^, was
ihn zu der Erkenntnis bringt: Das war Gottes Sohn.
Bei Markus steht von dem Erdbeben nichts, und die Er-
1 Es ist -j-tvo'ixsva zu lesen, nicht mit dem Eezeptus r^e\i6\ieva.
Die Ereignisse sind das Zerreißen der Felsen und die Oeffiiung der
Gräber.
— 32 -
kenntnis des Hauptmanns wird daraus erklärt, daß er,
der Jesu gegenüberstand, sein Verscheiden genau beob-
achtet hatte. Lukas drückt sicli unbestimmt aus: «Als
der Hauptmann das Geschehene sah . . . » Ebenso
heißt es nachher von den Leuten. Ob die Sonnenfinsternis
gemeint ist, oder die Art des Sterbens Jesu, oder beides,
ist nicht auszumachen.
Die Darstellung bei Markus hat etwas befremdliches.
Es soll die Art, wie Jesus starb, gewesen sein, was den
Ausruf des Plauptmanns veranlaßte. Wie aber schildert
Markus das Sterben Jesu? Er verscheidet mit einem lauten
Schrei, und unmittelbar vorher ist schon einmal von einem
Aufschrei berichtet (15, 34): Mein Gott, mein Gott, warum
hast du mich verlassen? Daß mus diesen qualvollen
Todesschreien der Hauptmann die Ueberzeugung gewonnen
haben soll, Jesus sei ein Sohn Gottes, klingt verwunder-
lich^. Natürlicher mutet einen die Darstellung des
Matthäus an. Wenn sich im Augenblick des Todes solch
unerhörter Aufruhr der Natur erhebt, so liegt allerdings
der Gedanke nahe, es sei ein Gottessohn gestorben. Man
möchte vermuten, daß auch dem Markus zugleich mit
dem Worte des Hauptmanns das Erdbeben mit seinen
Begleiterscheinungen überliefert war, daß er aber aus
irgend einem Grunde, den wir noch nicht wissen, das
Erdbeben wegließ und nun das Wort des Hauptmanns,
das er nicht missen mochte, aus dem, was übrig blieb,
erklären mußte. Vielleicht verrät sich auch noch in dem
unbestimmten Ausdruck des Lukas «das Geschehene«
eine Erinnerung an Naturereignisse, die ursprünglich an
dieser Stelle berichtet wurden.
1 Mehrere Handschriften und der Eezeptus haben hüiter oütox;
den Zusatz xod^ag. Schon die Einfügung dieser erklärenden Glosse
ist ein Zeugnis, daß man die Erzählung des Markus an dieser Stelle
nicht ganz befriedigend fand. Man legte sichs so zurecht, daß der
Umstand, daß Jesus noch im Tode so laut schreien konnte, den
Eindruck der Göttlichkeit machte. So auch Origenes und die meisten
neueren Ausleger. Aber es ist eine etwas gezwungene Erklärung:
die Wirkung ist zu groß für die Ursache.
— 33 —
Ueber das Wunder im Tempel gab es noch eine andere
üeberlieferung, im Hebräerevangeliiim. Hieronymus sagt
in seinem Matlhäuskommentar zu Mt. 27, 51 : «In dem
Evangelium, das wir oft erwähnen (gemeint ist das He-
bräerex'angelium), lesen wir : die Oberschwelle des Tem-
pels von gewaltiger Größe brach und spaltete sich»^.
In einem später geschriebenen Briefe gibt er die Worte
etwas anders wieder: «In dem 'Evangelium, das mit
hebräischen Buchstaben geschrieben ist, lesen wir nicht:
der Vorhang des Tempels riß, sondern: die Oberschwelle
des Tempels von wunderbarer Größe stürzte zusammen« ^.
Die Wiedergabe im Kommentar scheint genauer zu sein
als die in dem Briefe. Denn sie bringt zwei Wörter
(fraclum alque divisura), wo die andere nur eines hat
(corruisse). Und gerade dieser Doppelausdruck erinnert
von fern an die üeberlieferung der Evangelien von dem
zerrissenen Vorhang ; denn auch dort fällt eine gewisse
Fülle des Ausdrucks auf (et? ^uo octto avojOev ecoc /.axco).
Das (aramäisch geschriebenej Hebräerevangelium galt
manchen Kreisen in der alten Kirche als der echte
Matthäus^. Hieronymus erwähnt in seinem Matthäus-
kommentar öfters abweichende üeberlieferungen des
Hebräerevangeliums, und in einer Minuskelhandschrift in
Petersburg (cod. ev. 566) sind hin und wieder Lesarten
des Hebräerevangeliums zu den entsprechenden Stellen
des Matthäus an den Rand gesehrieben. Daraus folgt,
daß das Hebräerevangelium im großen und ganzen unserm
Matthäus sehr ähnlich gewesen ist. Bei manchen Ab-
weichungen, die uns durch Hieronymus oder jene Evan-
gelienhandschrift bezeugt sind, handelt es sich nur um
1 In evang'elio, cuius saepe facimus mentionem. superliminare
tenipli infinitae magnitudinis fractuni esse atque divisuna legimus.
2 Hier. ep. 120,8 (ad Hebidiam): In evang-elio, quod Hebraicis
litteris scriptum est, legimus non velum templi scissum, sed super-
liminare templi mirae magnitudinis corruisse.
3 Hieronymus contra Pelag. III, 2 : Chaldaico quidem Syroque
sermone sed Hebraicis litteris scriptum est; quo utuntur usque liodie
Nazareni seeundum apostolos, sive ut plerique autumant iuxta Mat-
thaeum. — In Matth. 12, 13 ; quod vocatur a plerisque Matthaei
authenticum.
— 34 —
kurze Stellen, um einzelne Ausdrücke. Man darf ver-
muten, daß das übrige in solchen Erzählungen im Hebräer-
evangelium genau so lautete wie im Malthäusevangelium.
Wenn nun Hieronymus in seinem Kommentar nur zu
einem der Wunder, die in der Kreuzigungsgescbichte bei
Matthäus erwähnt werden, anmerkt, daß man im Hebräer-
evangelium anders lese, so liegt es nahe anzunehmen, daß
das übrige dort ebenso stand. Dann wäre also im Hebräer-
evangelium außer von dem Bruch der Oberschwelle auch
von dem Erdbeben, dem Zerreißen der Felsen und der
Oeffnung der Gräber die Rede gewesen. Das aber ergibt
eine einheitlichere Schilderung, als sie das Matthäus-
evangelium bietet. Denn nun sind es lauter Erscheinungen,
die in engem Zusammenhang miteinander stehen. Bei
einem starken Erdbeben läßt sich denken, daß Felsen
zerreißen und Grabkammern bloßgelegt werden; ebenso
aber auch, daß die Oberschwelle des Tempels in der Er-
schütterung bricht. Bei Matthäus kommt durch das
Wunder mit dem Vorhang ein andersartiger Zug hinein;
von einem Erdbeben reißt kein Vorhang.
Von hier aus läßt sich vielleicht der Bericht des
Markus verstehen. Wenn Markus das Erdbeben und die
Felsenspaltung mit Schweigen übergeht, so bestimmt ihn
dazu möglicherweise die Empfindung, daß diese Wunder und
das Wunder mit dem Vorhang nicht gut zueinander passen.
Wir hätten dann anzunehmen, daß zwei Ueberiieferungen, die
ursprünglich nichts miteinander zu tun haben, zusammen-
gekommen sind : die eine von einem Erdbeben, bei dem
Felsen zerrissen, Gräber aufbrachen und auch der Tempel
bedenklich erschüttert wurde; die andere von einem
Wunder, das sich mit dem Vorhange des Tempels zutrug.
Es müssen aber noch andere Berichte berücksichtigt
werden.
Im Talmud^ wird erzählt: «Vierzig Jahre, 'bevor
das Haus des Heiligtums zerstört wurde, erlosch die
1 Jer. Jonia 43 c (wesentlich gleich Bab. Joma 39 b). Die obige
Uebersetzung nach Th. Zahn, Kleine Beiträge zur evangelischen Ge-
— 35 —
westliche Lampe, und das karmesinrote Wollenband blieb
rot', und das Los Gottes kam zur linken Seite hervor *^ ;
und man verschloß die Türen des Tempels am Abend,
und als man morgens aufstand, fand man sie geöffnet.
Es sagte Rabban Jochanan ben Sakkai : Tempel, warum
erschreckst du uns? Wir wissen, daß dein Ende Zerstö-
rung ist, wie geschrieben steht: Oeffne, Libanon, deine
Türen, und Feuer wird deine Zedern verzehren (Sach.
11, 1)».
Josefus erzählt in seinem «Jüdischen Kriege» ^, daß
während der Belagerung Jerusalems das Volk sich durch
Betrüger beschwaljjen ließ uud deutliche Anzeichen der
bevorstehenden Zerstörung mißachtete — «so auch damals,
als — noch vor dem Aufs tan de und der zum
Kriege führenden Bewegung, während das
Volk zum Fest der ungesäuerten Brote sich sammelte,
-^ es war der 8. Xanthikus (Nisan) — um die neunte
Stunde der Nacht ein so großes Licht den Altar und das
Tempelhaus umleuchtete, daß heller Tag zu sein schien,
und dies ungefähr eine halbe Stunde anhielt, was den
Unerfahrenen als ein gutes (Vorzeichen) galt, von den
Schriftgelehrten aber sofort dem (späteren) Ausgang der
Dinge entsprechend beurteilt wurde. Und an demselben
Fest gebar eine Kuh, die von jemandem zur Opferung
schichte. 1. Der zerrissene Tempelvorhang. Neue kirchliche Zeitschrift.
Hg. von Wilhelm Engelhardt, 13. Jahrgang 1902, S. 729 ff.
1 «Ohne Anhalt in Lev. 16 wurde aach dem späteren Brauch
am Versöhnungstag am Kopf des in die Wüste zu entsendenden
Bockes ein solcher roter Lappen befestigt, vgl. Mischna, Joma IV, 2;
VT, 6; Epist. Barn. 7, 8 — 11. Das Weißwerden desselben sollte ein
Bild der Tilgung der Sünde sein, vgl. Jes. 1, 18.» Zahn, a. a. 0.,
S. 740, Anm. 3.
2 «Es befand sich dort eine Büchse mit zwei Losen, zwei Plätt-
chen, auf deren einem «Für Jehova* und dem anderen «Für Asasel»
eingraviert war, und [der Hohepriester] legte das mit der Eechten
ergriffene Los auf den rechtsstehenden, das mit der Linken ergrif-
fene auf den linksstehenden Bock, wobei es als ein gutes Omen galt,
wenn er das Los «Für Jehova» in die rechte Hand bekam.» Riehm,
Handwörterbuch des biblischen Altertums, 2. Auflage, 2. Band, Biele-
feld und Leipzig 1898, S. 1739, Artikel «Versöhnungstag».
3 Bell. jud. VI, 5, 2 — 4. Ich benutze wieder die IJebersetzung
von Zahn, a. a. 0.
— 36 —
geführt wurde, mitten im Tempel ein Lamm. Das östliche
Tor aber des inneren Tempelhauses, das aus Erz be-
stand und sehr stark war und gegen Abend von zwanzig
•Männern mit Anstrengung geschlossen zu werden pflegte,
durch eisenbeschlagene Querriegel verrammelt und mit
sehr tief hinabreichenden, in den massiven Steinboden
eingelassenen Pflöcken versehen war, wurde bei Nacht
um die sechste Stunde von selbst geöffnet gesehen. Die
Wächter des Heiligtums meldeten dies eiligst dem Tem-
pelkommandanten, und als dieser hinaufstieg, vermochte
er das Tor nur mit Mühe zu schließen. Dies erschien wie-
derum den Ungebildeten als ein schönstes Wunderzeichen ;
denn Gott habe ihnen das Tor zum Heil eröffnet. Die
Gelehrten aber verstanden dies dahin, daß die Sicherheit
des Tempels von selbst sich, auflösen und das Tor den
Feinden ohne Kampf sich öÖhen werde, und erklärten
bei sich seihst, das Wunder sei ein Zeichen der Zer-
störung. Nicht lange nach dem Feste aber, am 21. Ar-
temisius (Jjjar), zeigte sich eine unglaubliche Geisterer-
scheinung : und es würde, was ich erzählen will, wohl
als eine Flunkerei erscheinen, wenn es nicht auch bei
denen, die es gesehen haben, berichtet wäre, und wenn
nicht das später eingetroffene Unglück den Vorzeichen
entsprochen hätte. Es erschienen nämlich vor Sonnen-
untergang hoch in der Luft um das ganze Land her
Wagen und bewaffnete Haufen, welche durch die Wolken
dahinstürmten und die Städte umzingelten. An dem. Fest
aber, welches Pfingsten heißt, bemerkten nach ihrer Aus-
sage die Priester^ die nach ihrer Gewohnheit zum Zwecke
der gottesdienstlichen Handlungen in das innere Heilig-
tum hineingingen, hei Nacht zuerst eine Bewegung und
einen dröhnenden Stoß, darauf aber ein vielstimmiges
Rufen : Laßt uns von hier hinweggehen !»
Die beiden Berichte über die Oeffhung der Tempeltür
weichen in der Angabe der Stunde^ in der man das
Wunder bemerkte, voneinander ab ; sonst stimmen sie in
allem üherein. Die doppelte, hier wie dort selbständige
Ueberlieferung läßt kaum einen Zweifel, daß wir es mit
— 37 —
einem wirklich beobachteten Ereignis zu tun haben.
Halten wir die Zeitangaben zusammen, so ergibt sich,
daß es ein Vorgang am Passahfeste des Jahres 30 war.
Das wird, wie Zahn gezeigt hat ^, dadurch bestätigt, daß
sich bei Eusebius eine (vielleicht auf Juhus Afrikanus
zurückgehende) üeberheferung findet, nach der die von
Josefus gleich danach erwähnten Geisterstimmen im
Tempel zur Zeit des Todes Jesu gehört worden seien.
Wenn das Hebräerevangelium und die synoptischen
Evangelien von seltsamen Vorgängen im Tempel an dem
Passahfeste, da Jesus gekreuzigt wurde, zu erzählen
wissen, so ist klar, daß das nur andere Formen der
Ueberlieferung sind, die sich im Talmud und bei Josefus
erhallen hat. In dieser haben wir einen Maßstab ge-
wonnen, nach dem wir die anderen Erzählungen beur-
teilen können.
Die Frage ist, wie die anderen Formen der Ueber-
lieferung zu erklären sind.
Zahn will die sämtlichen Berichte als gleich gute
geschichtliche Kunde angesehen wnssen. Er nimmt an
— was natürlich möglich ist — , daß der Vorhang, von
dem die synoptischen Evangelien reden, derjenige sei,
der an der Eingangstür des Tempels . hing ^, derselben
Tür, an die bei den Erzählungen des Talmud, des Jo-
sefus und des Hebräerevangeliums zu denken ist, und
stellt folgenden Zusammenhang her : «Wenn die Ober-
schwelle des Tempeltores einen gewalligen Riß bekam,
der schließlich ihren Einsturz zur Folge hatte, so war
das Zerreißen des an der Oberschwelle befestigten, die
Türöffnung ausfüllenden Vorhangs eine nächste Folge,
das Aufspringen der Türflügel in der nachfolgenden
Nacht eine spatere^.» Dagegen erheben sich aber Be-
denken. Die Erzählung des Hebräerevangeliums mag mit
' a. a. 0., S. 747 f. Eus. Chron. ed. Schoene II 148.
'- Josefus bell. jud. V,,5, 4: npo Bs toutüov (erg-. xcbv düpcöv)
\a6\x'qxec, xaTa7i:£taa|j.a ttstcTswOc v;v BaßuXcov.oc, tzoixiXxoq i^ uaxiv&oü
xai. ßüaaoo xöxxo'j ts -Acfl xopcpüpac, S-auiJ-aaTtoc; [jlsv £ipYaa[J.svoc usw.
3 Zahn, a. a O., S. 755.
— 38 —
der des Talmud und des Josefus zu vereinigen sein. Es
läi3t sich wenigstens denken, daß wenn in der Erschüt-
terung eines B^rdbebens ein Türsturz in der Mitte bricht
und sich senkt, der entstehende Druck geschlossene Tür-
flügel auseinandersprengt. Kleine Unwahrscheiulichkeiten
wären dabei freilich in den Kauf zu nehmen : nämlich
erstens, daß Josefus von dem Bruch nichts sagt, und
zweitens, daß sich das Volk trotz des sichtbaren Risses
die Sache zum Heile gedeutet hätte. Es muß darum auch
die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden, daß die Ge-
schichte vom zerbrochenen Türsturz eine Umbildung der
Ueberlieferung von der OefFnung der Tür ist.
Sehr schwer denkbar ist, daß von dem Bruch eines
Balkens ein daran befestigtes Zeugslück einen Riß be-
kommt. Er müßte schon stark seitwärts ausgewichen
oder nach unten ausgesprungen sein. Und selbst wenn
es sich denken ließe, daß — etwa durch den Druck des
sich senkenden Baikens — der Vorhang einreißt, so hieße
das noch nicht, daß er von oben bis unten durchreißt,
wie es doch die Evangelien wollen. Was schon bei der
Fassung des Hebräerevangeliums als möglich erscheint,
ist bei der Erzählung der Sjmoptiker unverkennbar : daß
wir es mit einer Umbildung der Ueberlieferung zu tun
haben. Bei einer solchen Umbildung muß eine bestimmte
Absicht vorliegen. Wir werden sie am besten erkennen,
wenn wir nach der Bedeutung der Wunderzeicheu im
Hebräerevangelium wie bei den Synoptikern fragen.
Der Sinn der Stelle im Hebräerevangelium ist klar.
Der Bruch der großen Balkens über der Tür deutet un-
mißverständlich auf bevorstehenden Einsturz. Der Er-
zähler will den Gedanken ausdrücken, daß der Tod Jesu
das Ende über Jerusalem und den Tempel gebracht habe.
Es ist derselbe Gedanke, den im Pelrusevangelium die
Juden, die bei Jesu Tode zuschauen, klagend aussprechen:
«Wehe unsern Sünden ; gekommen ist das Gericht und
das Ende Jerusalems» ^. Der Urheber der Erzählung im
i Petrus evaug-elium 7: Toxs o-. 'looSaToi xai oi -psaßü-spot xa).
Ol ispsic, YvdvTsq olov xaxöv iauxoTc; siroir/aav, fip^av-o xÖTLXzab-ai xai
— 39 —
Hebräerevangelium hat entweder aus der in Jerusalem
umlaufenden Kunde über die Wunder im Tempel an
jenem Passahfeste das ausgesucht, was ihm am deut-
lichsten auf die kommende Zerstörung zu verweisen schien,
oder — und das ist mir wahrscheinlicher — er hat
den überlieferten Vorgang, dessen eigentliche Bedeutung
nach Josefus ja nur den Gelehrten sofort verständlich
war, so umgeformt, daß der Sinn schlagender hervor-
sprang. Der Tempel wankt bereits und zeigt einen Riß
— das bedarf keiner langen Erklärung, das ist Bild und
Deutung in einem.
Der Sinn des Vorfalls, den die Synoptiker erzählen, ist
zunächst ganz unklar. Doch eins steht fest: daß die Ab-
sicht bei dieser Umgestaltung nicht dieselbe sein kann
wie die, die zu der Fassung im Hebräerevangelium ge-
führt hat. Denn kein Mensch kann behaupten, daß durch
das Zerreißen des Vorhangs der Untergang des Tempels
deutlicher verkündet werde als etwa durch das Auf-
springen der Türen. Es ist also zu schließen, daß der
Urheber der synoptischen Erzählung das Zerreißen des
Vorhangs überhaupt nicht* als Sinnbild der Zerstörung
gedacht hat. Daran braucht uns auch der Umstand nicht
irre zu machen, daß die Kirchenväter die Synoptiker-
stelle in diesem Sinn zu deuten pflegen. Darin wirkt nur
die ursprünglichie Ueberlieferung nach. Sehen wir näher
zu, was für künstliche Zwischengedanken sie heran-
bringen müssen, um der Erzählung diesen Sinn abzuge-
winnen^, so verstärkt sich der Eindruck, daß sie nicht so
aufgefaßt sein will. Haben wir vollends mit unserer vor-
hin geäußerten Vermutung ^ Recht, daß in den synop-
tischen Berichten selbst noch eine ältere Fassung durch-
Xi'(ei\> oüai toiq djxapxia'.;; vjjxobv vjiff'.asv rj xpio^c; xai to -iXoc, 'Ispoü-
oalyjix. Die Itala I von St. Germaiu liest am Eade von Lk. 23, i8:
.... dicentes : vae nobis, quae facta sunt hodie propter peccata
nostra, appropinquavit enim desolatio Hierusalem.
i Tertullian adv. Marcionem IV, 42 : scissum est et templi ve-
Inra angeli eruptione derelinquentis filiam Sionis. Clem. recogn. 1, 41 :
lamentans exeidium loco imminens.
2 Vgl. S. 34.
— 40 —
schimmert, in der von einer Erschütterung des Tempels
die Rede war, ähnlich wie im Hebräerevangelium, so
ist unzweifelhaft, daß die spätere Form etwas ganz an-
deres sagen will.
Da bleibt nichts übrig, als an den Hebräerbrief zu
denken. Im Hebräerbriefe wird ausführlich dargelegt,
daß Jesus bei seinem Tode als der ewige Hohepriester
in das himmlische Allerheiligste gegangen sei. Dabei ist
auch von dem Vorhange die Rede, der das Innerste des
himmlischen Heiligtums verschließt, und es wird aus-
drücklich gesagt, Jesus sei bei seinem Sterben in das
Innere des Vorhangs eingegangen (6, 19 — 20 vgl. 10, 20).
Im Hebräerbrief herrscht aber auch die Anschauung, daß
das, was im irdischen Heiligtum geschieht, Abbild und
Schalten dessen ist, was im himmlischen Heiligtum -ge-
schieht (8, 5). Bei dieser Anschauung liegt es nahe, das
Eingehen Jesu in den Himmel sich auch im irdischen
Heiligtum abspiegeln zu lassen ; und wenn es ein Vor-
hang ist, den er im Himmel durchschreitet, so kann das
wohl dadurch ausgedrückt werden, daß man erzählt, der
Vorhang im irdischen Tempel* sei mitten durchgerissen.
So läßt sich die Erzählung bei den Synoptikern aus den
Gedanken des Hebräerbriefes einfach erklären. Natürlich
ist dann unter dem «Vorhang des Tempels» der Vorhang
zu verstehen, der das Heilige vom Allerheiligsten schied^.
Jesus der Hohepriester, der bei seinem Tode ins
himmlische Allerheiligste geht — diese Anschauung wird
nur im Hebräerbriefe entwickelt ; bei Paulus, Johannes,
oder sonst in den neutestamentlichen Briefen kommt sie
1 Daß die Gedanken der Evangelisten in dieser Richtung zu suchen
ist, dafür spricht auch, daß nach dem Zeugnis des Josefus die Un-
gebildeten das Wunder im Tempel als Heilszeiohen deuteten. Die
Christen der ersten Gemeinde zu Jerusalem dürfen wir aber mehr
zu den Ungebildeten als zu den Schriftgelehrten rechnen. — Das von
Josefus und im Talmud überlieferte Wunder kehrt übrigens noch
im Barnabasbrief wieder, ebenfalls als Heilszeichen gedeutet, Barn.
16, 9 : aÜTOc ev yj|j.Tv xaxotK&v Tobc, xw O'avocxqj 5e§C(o)L(U(J.£vouc; dvo(f (ov
TJixTv X7JV O-upav xoü vctoü, saxiv axo'jjia, [isxävo'.av ^tSoüc 7jiJ.iv
aiaocysi sie, xöv äcpö'apxov vao'v.
_ 41 —
nicht vor. Wo wir ihr in späteren Schriften begegnen
— wie im ersten Klemensbriefe — ist die Abhängigkeit
vom Hebräerbriefe sofort zu erkennen. Der Hebräerbrief
selbst wiederum macht durchaus nicht den Eindruck, als
seien da Gedanken eines anderen oder allgemein bekannte
Anschauungen wiedergegeben. Die geistige Höhe, auf der
sich seine Ausführungen durchweg bewegen, bürgt dafür,
daß das, was da vorgetragen wird, das geistige Eigentum
des Verfassers ist. Wenn nun die synoptischen Evange-
listen durch eine kleine Erzählung auf einen Gedanken,
anspielen, der im Mittelpunkt der Erörterungen des He-
bräerbriefes steht, so wissen wir auch, woher sie diesen
Gedanken überkommen haben. Sie brauchen ihn nicht
gerade aus dem Hebräerbrief entnommen zu haben, aber
sie haben ihn von dem Verfasser des Hebräerbriefes.
Dann ist zu fragen-, welcher von den drei synop-
tischen Evangelisten es war, der als erster das Sinnbild
des zerrissenen Tempel Vorhangs in die evangelische Ueber-
liefernng eingeführt hat. Nach dem heutigen Stande der
synoptischen Frage werden die meisten sofort antworten :
Markus. Aber auch wenn wir von jeder synoptischen
Theorie absehen wollen, werden wir zu dem Schlüsse
gedrängt, daß hier Markus den anderen vorange-
gangen ist ^. Der Gedanke, der in jener Erzählung zum
Ausdruck kommt, ist jedenfalls demjenigen unter den
E^vangelisten am lebendigsten und wichtigsten gewesen,
der die vorgefundene Ueberlieferung am meisten ihm zu-
liebe verändert hat. Das aber ist, wie wir vermuteten,
Markus. Er hat um des neuen Zuges willen, der mit der
Erzählung von dem zerrissenen Tempelvorhang hineinkam,
die ältere Schilderung des Erdbebens und seiner Begleit-
1 Wenn man mit Zahn unser Matthäusevang-elium für eine
griechische Uebersetzung des aramäischen Urmatthäus hält, der in
seiner ursprünglichen Gestalt schon dem Markus vorlag, so wird
man annehmen, daß der aramäische Urmatthäus ebenso wie das
Hebräerevangelium von einer sichtbaren Erschütterung des Tempels
erzählte, daß Markus dafür das Zerreißen des Vorhangs einführte
und der Uebersetzer des Matthäus, der das Markusevangelium auf
jeden Fall kannte, diesen Zug von dort übernahm.
- 42 —
erscheinungen völlig unterdrückt und das Wort, des
Hauptmanns, das damit zusammenhing, neu und eigen
begründet. Er wird daher auch der Urheber der Erzäh-
lung vom zerrissenen Tempelvorhang sein. Matthäus und
Lukas haben sie von ihm übernommen ; sie haben ihr
aber nicht einen so ausschließlichen Wert beigemessen,
daß sie die ältere Ueberlieferuug deswegen völlig getilgt
hätten.
Auf dem Höhepunkte seines Evangeliums, bei der
. Erzählung vom Tode Jesu, läßt Markus eine Anspielung
auf die theologischen Gedanken des Verfassers des He-
bräerbriefes einfließen. Daraus folgt zweierlei: Erstens^
daß er diese Anschauungen teilt; Markus hat von dem
Verfasser des Hebräerbriefes gelernt, Jesu Tod anzusehen
als den Eingang des himmlischen Hohenpriesters in sein
Allerheiligstes, Zweitens, daß dem Markus das, was er
von dem Verfasser des Hebräerbriefes überkommen hat,
von großer Wichtigkeit ist. Mitten in seinem Evangelium
hat er ihm und seiner Lehre ein Denkmal gesetzt. Da-
nach läßt sich das Verhältnis des Markus zum Verfasser
des Hebräerbriefes bestimmen :
Der Verfasser des Hebräerbriefes ist
ein Lehrer des Markus.
D rit t er Teil.
Der Verfasser des Hebräerbriefes.
Wir stehen an dem Punkte, wo wir den Verfasser
des Hebräerbriefes mit Namen nennen können.
Was wir von Markus wissen, ist in Kürze dieses.
Johannes Markus war noch Kol. 4, 10 wahrscheinlich
ein Neffe, jedenfalls aber ein naher Verwandter^ des
Barnabas, und nach dem Zeugnis der alten lateinischen Ein-
leitung zum Markusevaugelium ^ wie Barnabas ein Levit.
Wir lernen ihn in der Apostelgeschichte als ein Mitglied
der Gemeinde zu Jerusalem kennen. 1. Pet. 5, 13 deutet darauf
hin, daß er durch Petrus bekehrt worden war. Nach dem
Hause seiner Mutter Maria geht Petrus in der Nacht seiner
Befreiung und findet dort einen Teil der Gemeinde ver-
sammelt (Apg. 12, 12). Als Barnabas und Saulus, die Abge-
sandten der Gemeinde zu x\ntiochien, dorthin zurückkehren,
nehmen sie Johannes Markus mit (Apg. 12, 25). Von
Antiochien begleitet er sie als Gehilfe (uirvipeTyK; Apg. 13, 5)
auf die erste Missionsreise. Aber er trennt sich schon
in Perge von ihnen und geht nach Jerusalem zurück
^ dve^iöc. heißt Neffe, wird aber auch für Vetter gebraucht.
2 Marcus evangelista dei et Petri in baptismate filius atqae iu
divino sermone discipulus sacerdotium in Israhel agens secundum
carnem levita conversus ad fidem Christi evangelium in Itaiia
scripsit. Ueber diese in zahlreichen Handschriften der Vulgata ste-
henden Argumenta zu den Evangelien vgl. P. Corssen in den Texten
und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur,
Band 15, Heft 1.
— 44 — . ,
(Apg. 13, 13). Das muß ihm Paulus sehr verdacht haben.
Denn als Barnabas auf die geplante zweite Missionsreise
■ wieder den Markus mitnehmen will, weigert sich Paulus.
Darüber entzweien sich die beiden, und Barnabas gebt
mit Markus nach Zypern, während Paulus mit Silas zu
den kleinasiatischen Gemeinden reist. Später finden wir
ihn in Rom. Paulus grüßt die Kolosser von «Markus, dem
Neffen des Barnabas» (Kol. 4, 10). Auch im 1. Petrus-
brief, der ebenfalls in Rom geschrieben ist, läßt Markus
grüßen (1. Petrus 5, 13); Petrus nennt ihn: «mein Sohn
Markus.» Paulus schreibt an Timotheus (2. Tim. 4, 11):
«den Markus bringe mit dir; denn er ist mir brauchbar
zum Dienste.» Aus verschiedenen altchristlichen Berichten
wissen wir, daß Markus in Rom sein Evangelium ge-
schrieben hat, und zwar nach den Erzählungen des Petrus,
die er größtenteils schon von seiner Jerusaleraer Zeit her
kannte^. Die alten Zeugen nennen ihn darum einen
Nachfolger^, Schüler^, Dolmetscher^ des Petrus.
Diesen Nachrichten zufolge sind es zwei Männer,
von denen man sagen kann, daß sie für das Leben des
Markus besonders wichtig wurden. Der eine ist Petrus,
der andere Barnabas. Aus Gründen, die anzuführen wohl
nicht nötig ist, kann Petrus nicht der Verfasser des He-
bräerbriefes sein. Also wird es Barnabas sein.
Wie auch das verwandtschaftliche Verhältnis zwischen
Markus und Barnabas gewesen sein mag, jedenfalls er-
scheint Barnabas stets als der ältere und bei weitem an-
gesehenere. Er «nimmt» den Markus «mit», wie von Je-
rusalem nach Antiochien (Apg. 12, 25), so nachher in
die Mission (13, 5; 15, 39). Markus ist der «Diener»
(13, 5). Dabei aber müssen die beiden einander herzlich
1 Vgl. die vorige Anm., ferner Euseb, KirchengescMchte II,
15, 1, VI, 14, 6 u. a.
"•* Petri sectator : Klemens, Hypotyposeu zu 1. Pet.5, 13 (Theodor
Zahn, Forsohung'en zur (beschichte des neutestanientlichen Kanons,
3. Teil, Erlangen 1884, S. 82f.).
* Discipulus Petri: Hieronymus viri ill. 8.
^ kpix-qveoTqc; Ilexpou ysvÖ[jlcvoc: der Presbyter des Papias bei
Euseb, Kirchengeschiehte III, 39, 15.
— 45 —
verbunden gewesen sein. Barnabas läßt lieber von Paulus
als von Johannes Markus (15, 39). Auf den gemeinsamen
Reisen hat Markus sicherlich viele Predigten des Barna-
bas angehört, ja es werden lange Zeiten gewesen sein,
w^o er keinen anderen Christen sprechen hörte als Bar-
aabas.
Unter diesen Umständen läßt es sich leicht denken,
daß Markus auch theologisch von Barnabas lernte. Alle
Umstände sind gegeben, die es verständlich machen, daß
er auf dem Höhepunkte seines Evangeliums in einer
kurzen Bemerkung der Lehre des Barnabas Raum ge-
währte und damit dem Kundigen andeutele, was er diesem
Manne verdankte.
Auch was wir sonst über den Verfasser des Hebräer-
briefes festgestellt haben, stimmt mit dem, was wir über
Barnabas wissen, oder läßt sich wenigstens damit ver-
einigen.
Wir fanden, daß der Verfasser des Hebräerbriefes
seine Nachrichten über das Leben Jesu unmittelbar von
Augenzeugen erhalten haben muß^. Das trifft auf Barna-
bas zu. Dieser begegnet uns schon im Anfange der
Apostelgeschichte (4, 36) als Mitglied der Gemeinde in
Jerusalem. Er scheint dort fast ein Jahrzehnt hindurch
gelebt zu haben, ehe er nach Antiochien übersiedelte
(11, 22). Wenn er den Saul von Tarsus zu den Aposteln
führt (9, 27), wenn er von den Aposteln als Vertrauens-
mann nach Antiochien entsandt wird (11, 22), so läßt
das schließen, daß er den ersten Jüngern Jesu näher
stand als alle anderen.. Er wird daher in jenen Jahren in
Jerusalem reichlich Gelegenheit gehabt haben, Geschichten
von Jesus aus erster Quelle zu hören.
Wir behaupteten weiter, daß der Verfasser des He-
bräerbriefes dem Kreise nahe steht, aus dem die Sonder-
überlieferung des Lukas stammt ^. Nun l.ieobachten wir.
1 S. 18.
2 S. 30.
— 46 —
daß Lukas in der Apostelgeschichte den Barnabas mit
ganz besonderer Auszeichnung erwähnt.
Apg. 4, 34 — 35 berichtet er, daß die Wohlhaben-
deren in der Gemeinde von Jerusalem Grundstücke oder
Häuser verkauften und den Erlös vor den Aposteln nieder-
legten, damit die Armen davon unterstützt würden. Was
er so zusammenfassend von mehreren erzählt, erzählt er
gleich danach noch einmal namentlich von Barnabas ;
dabei stellt er ihn ganz ausführlich vor : Josef, von den
Aposteln her Barnabas genannt, Levit, Kyprier von Ge-
burt. Was manche taten, — bei diesem einen erscheint
es ihm besonders erwähnenswert.
Auch an der zweiten Stelle, wo Barnabas vorkommt,
redet er ausführlich von ihm (Apg. 11, 22 — 24). Er widmet
seiner verhältnismäßig unwichtigen Sendung nach An-
tiochien — er war nur deshalb von den Aposteln hinge-
schickt, um nach der Heidenmission zu sehen, — mehr
Worte als der vorangehenden ersten Predigt unter den
Heiden selbst. Dabei macht er eine sehr anerkennende
Bemerkung über Barnabas : «Er war ein guter Mann und
voll heiligen Geistes und Glaubens». Nirgends sonst hören
wir in der Apostelgeschichte ein so volltönendes Lob.
Woher diese Verehrung des Lukas für Barnabas ?
Eine Antwort liegt nahe : Lukas war Begleiter und Freund
des Paulus. Im Leben des Paulus aber hatte Barnabas
eine bedeutsame Rolle gespielt. Er hatte den bekehrten
Verfolger, den alles voll Schrecken und Mißtrauen floh,
bei den Aposteln in Jerusalem eingeführt (Apg. 9, 27) ;
er hatte ihn an das Werk der Heidenmission gestellt
(Apg. 11, 25). In der Auszeichnung, die Lukas dem
Barnabas spendet, mag sich die Dankbarkeit spiegeln
mit der Paulus dieses Mannes gedachte.
Das wird schon richtig sein. Ich glaube aber, es
läßt sich zeigen, daß noch engere Beziehungen zwischen
Lukas und Barnabas bestanden.
Es kommt hier auf eine vielerörterte Stelle in der
Apostelgeschichte an ; auf die Stelle, die im Mittelpunkt
des ganzen Streites über den Wert des Kodex D und das
— 47 —
Verhältnis des abendländischen zum morgenländischen
Texte steht.
Wir lesen Apg. 11, 27 — 28 : «In diesen Tagen kamen
von Jerusalem Propheten nach Antiochien. Es stand aber
einer von ihnen mit Namen Agabos auf und erklärte
durch den Geist, eine große Hungersnot werde über die
ganze Welt kommen».
Im Kodex D aber steht mehr. «In diesen Tagen
kamen von Jerusalem Propheten nach Antiochien. E s
war aber groß Frohlocken, Als wir
uns aber zusammenscharten, sprach
einer von ihnen mit Namen Agabos und erklärte
durch den Geist, eine große Hungersnot werde über die
ganze Welt kommen» ^.
Die Ausdrucksweise in den Worten, die dieser Text
über den anderen hinaus hat, ist ganz lukanisch. «Froh-
locken» gehört zu den Lieblings Wörtern des Lukas. Von
einer «Zusamraenscharung» (cucrpocpTf) wird nur noch
Apg. 19, 40 und 23, 12 geredet. Das «Wir» hat nichts
befremdendes. Es kommt in den späteren Kapiteln der
Apostelgeschichte ja oft vor, als Kennzeichen, daß Lukas
aus eigener Erinnerung redet. Daß er schon bei jener
Begebenheit in Antiochien Augenzeuge war, ist durchaus
glaublich. Den ausführlichen und stellenweise fast ur-
kundlich genauen Nachrichten der Apostelgeschichte über
Antiochien merkt man es an, daß das einer schreibt, der
die dortigen Verhältnisse kennt ^. Zum Ueberfluß haben
wir noch die unanfechtbare Ueberlieferung, daß Lukas
Anliochener war^.
Daß die Worte eine kühne Zutat eines Abschreibers
seien, ist nicht zu glauben. Wie sollte einer darauf ver-
* Tjv hk tcoXXtj d-^oXkiaaiz . auv£aTpa|i[X£v{uv 8s rnJMv scp"/j
elc. e^ auxobv 6vc!|j.aT'. "AjaßoQ a-/jjj.aiv(uv oid toü %vs6\xa'zoc, usw.
So auch Augustinus, Serm. dorn. 2: eratque magna exultatio; con-
gregatis autem nobis surgens unus ex Ulis usw.
^ Vgl. Harnack, Lukas der Arzt, S. 15 ff.
3 Eusebius Kirchengeschichte in, 4 6: Aouxai; xo |X£v ^(i-\>oc, wv
tü)v all 'AvTioysiaq. Das Argumentum evangelii secundum Lucam
(vgl. S. 43 Anm. 2) beginnt ; Lucas Syrus natione Antiocheusis.
— 48 —
fallen sein, gerade an dieser Stelle, wo eine Hungersnot
über die ganze Erde geweissagt wird, eine in. Jubel sich
drängende Gemeinde dazu zu phantasieren. Diese Schil-
derung ist nur als Erinnerung zu erklären -.. Vor allem
aber ist es das «wir», das überwältigend für die Ursprüng-
lichkeit der Lesart zeugt. Daß es einem Abschreiber ein-
gefallen sein sollte, hier auf einmal aus blauer Luft ein
«wir» und nur ein einziges hineinzuselzen, wäre nicht
zu verstehen. Diese Worte, hat kein anderer als Lukas
geschrieben ^.
Sind sie aber von Lukas, so sind sie von besonderer
Wichtigkeit. Denn dann haben wir in ihnen das erste «Wir-
stück», die erste Stelle in der x\postelgeschichte, wo Lukas
durchblicken läßt, daß er mit dabei war. Wenn er sich
hier aber zum ersten Male einführt, so sagt er damit,
daß er ungefähr in jener Zeit, von der gerade die Rede
ist, anfing die Dinge als persönlich Beteiligter ■ mitzuer-
leben. Deutlicher : er läßt uns wissen, daß er nicht lange
zuvor Gbrist geworden war. Das kann auch gar nicht
anders sein. Denn kurz vor der eben besprochenen Stelle
wird überhaupt erst die Ausbreitung des Christentums
nach Antiochien erzählt (Apg. 11, 20 ff.).
Wenige Verse aber vor diesem «Wir» wird Barnabas
erwähnt (11, 22 ff.). Wir hören, daß er von Jerusalem ge-
sandt wurde, um zu sehen, was in Antiochien vorge-
gangen war. Es ist die Stelle, wo ihm so starkes Lob
1 Zahn, Einleitung II, S. 350: «Das Wort auveaTpa|j.|j evcov
schildert malerisch, Avie alles um die Propheten sich schart und drängt».
'^ Vgl. Zahn, a. a. 0, Adolf Harnack hat ausführlieh die ünecht-
heit der Lesart zu beweisen gesucht. (lieber den ursprünglichen
Text Act. Apost. 11, 27. 28. Sitzungsberichte der königi. preußischen
Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Jahrg. 1899 I, S. 316 ff.j
Bernhard Weiß, der ebenfalls den Kantabrigiensis D nicht besonders
sehätzt, macht hier ein Zugeständnis : «Es spricht also immerhin
noch manches dafür, daß auch diese Lesart in D eine ganz sekun-
däre ist. Aber wer das nicht annehmen will, der mag ja hier eine
echte Lesart erhalten finden, ohne daß damit irgend ein Präjudiz
für den Text von D im ganzen gegeben wäre». (Der Kodex D in
der Apostelgeschichte. Texte und Untersuchungen zur Geschichte
der altehristlichen Literatur hrg. von Oskar von Gebhardt und Adolf
Harnack. ISTeue Folge 2. Band Heft 1. S. 112l.
— 49 —
gespendet wird. «Ein guter Mann und voll heiligen Geistes
und Glaubens.» Dies Lob ist, wie wir sahen, ein wenig
auffällig. Daß er kam und sich freute über die Gnade
Gottes und alle ermahnte bei dem Herrn zu bleiben,
erscheint uns nicht so besonders großartig. Uns dünkt
was die kyprischen und kyrenäischen Missionare getan
hatten, wichtiger. Wir finden, die rühmende Bemerkung
über Barnabas hätte bei der Geschichte von seiner hoch-
herzigen Schenkung in Jerusalem (4, 36 f.) besseren Platz
gehabt. Lukas muß darüber anders gedacht haben ; ihm
muß gerade diese Sendung des Barnabas nach Antiochien
wichtig gewesen sein. Er würde nicht mit solcher Wärme
von diesem Ereignis sprechen, wenn sich für ihn nicht
besondere Erinnerungen daran knüpften.
Nun achten wir darauf, daß es die wiederholten
Predigten (Tuapsxa^st) des Barnabas sind, die Lukas
den Anlaß zu der Lobeserhebung geben. Wir beachten
weiter, was unmittelbar darauf von der Wirkung der
Anwesenheit des Barnabas gesagt wird : «es wurde eine
beträchtliche Menge dem Herrn hinzugetan» (11, 24).
Nehmen wir dann noch hinzu, daß wenige Zeilen her-
"nach das erste «Wir» erscheint, der Beweis, daß Lukas
zur Gemeinde gehörte, so braucht man keine besonders
scharfen Augen zuhaben, um zu sehen, was hier zwischen
den Zeilen steht. Lukas, der Arzt in Antiochien, war
selbst in der Menge, die damals dem Herrn hinzugetan
wurde. Es ist die Erinnerung an die eigene Bekehrung,
die seiner Erzählung von der Sendung des Barnabas die
Lebhaftigkeit und Wärme gibt. Wenn er die Predigten
des Barnabas hervorhebt, so deutet er damit an, was ihn
zum Christentum geführt hat^. Wenn er dabei von ihm
rühmt «ein guter Mann und voll heiligen Geistes und
^ Lukas redet nur von Predigten, die Barnabas in der Gre-
in ein de Versammlung' an die Bekehrten hielt. Aber die folgende Be-
merkung: «es wurde eine zahlreiche Menge dem Herrn hinzugetan»,
ist nur zu verstehen, wenu er daneben auch in der Oeffeutlichkeit
redete oder zu jenen Predigten vor der christlichen Gemeinde auch
NichtChristen Zutritt hatten.
— 50 -
Glaubens», so gibt er den Eindruck wieder, den er da-
mals aus seinen Predigten gewann. In der Scbilderung
des Jubels, der sich um die Propheten aus Jerusalem er-
hob, klingt die Erinnerung an die selbsterlebte Seligkeit
des Neubekehrten wieder^.
Ist Lukas durch Barnabas Christ geworden, so
hat er auch zuerst durch Barnabas nähere und zu-
sammenhängende Kunde von dem Leben und den Worten
Jesu erhalten. Das war, wie wir sahen, vorzügliche Kunde,
denn sie stammte unmittelbar aus urapostolischen Kreisen.
Als Lukas sich dann daranmachte, sein Evangelium zu
schreiben, ist er nach seinem eigenen Zeugnis (Lk. 1, 3)
allem genau nachgegangen, was die Augenzeugen be-
richtet halten. Er wird an den Erzählungen, die ihm
selbst durch Barnabas bekannt geworden waren und sich
ihm, dem Neubekehrten, gewiß am tiefsten eingeprägt
hatten, nicht vorübergegangen sein. Falls sich nun die
Ueberlieferungen, die Barnabas weiter verbreitete, mit
dem Inhalt der sogenannten «Spruchquellie» oder gar mit
dem, was Markus späterhin nach Berichten des Petrus
niederschrieb, nicht geradezu deckten, so dürfen wir er-
warten, in dem, was das Lukasevangelium über die -
«Spruchqueile» und Markus hinaus hat, Spuren jener
Ueberlieferungen zu finden. Nun stellten wir an den ver-
schiedensten Stellen im Sondergut des Lukasevangeliums
Anklänge an den Hebräerbrief und dessen Ueberlieferungen
über Jesus fest. Das fügt sich einfach zusammen, wenn
Barnabas der Verfasser des Hebräerbriefes ist. Dann hat
Barnabas in der urapostolischen Gemeinde zu dem Kreise,
dem die Lukasgeschichten entstammen, besonders nahe
Beziehungen gehabt ; vielleicht verdankte er diesen
Jüngern — die uns nicht näher erkennbar sind^ — seine
1 Die Erzählung Apg. 11, 27 ff. greift hinter 11,26 zurück. Vgl.
darüber Zahn, Einleitung II, S. 630.
2 Der erste, der gewagt hat, diesen Kreis innerhalb der TJr-
gemeinde näher zu bezeichnen, ist Harnack ; er hat einige feine
Gründe dafür beigebracht, daß die Lukasgeschichten aus der Familie
des Philippus stammen (Lukas der Arzt, S. 108 ff.). Das würde sich
mit dem, was oben behauptet ist, nicht schwer vereinigen lassen.
— 51 —
Bekehrung. Dann mußte sich in seiner Predigt — von
der wir uns nach dem Hebräerbriefe ein Bild machen
können, — das Leben Jesu überwiegend so darstellen,
wie es in jenem Kreise aufgefaßt wurde. Dann wurde
durch ihn dem Lukas die Kenntnis der eigenartigen
Ueberlieferungen vermittelt, die den Hauptwert des Lu-
kasevangeliums ausmachen. Lukas hat sie nicht einfach
nach den Erzählungen des Barnabas aufgezeichnet —
das wird durch die hin und wieder sich zeigende Ver-
schiedenheit seiner Darstellung von der des Hebräer-
briefes ausgeschlossen — , er ist vielmehr auch hier
seinem Grundsatz möglichster Gewissenhaftigkeit treu
geblieben und ist auf die Quelle zurückgegangen. Er
hätte diese unvergleichliche Erzählungsquelle aber nicht
gefunden, wenn sie ihm nicht Barnabas gewiesen hätte.
Wir behaupteten schließlich, daß der Verfasser des
Hebräerbriefes ein hervorragender Redner sei^. Lukas
herichlet, daß Josef, der Levit aus Zypern, «von den
Aposteln heri> den Beinamen «Barnabas» führte, und er
übersetzt diesen Beinamen : uio; Trapa-z-'X-zicscoig (Apg. 4, 36).
Es ist eine alte, schwierige Frage, wie das Wort zu er-
klären ist. Früher pflegte mau es zu deuten als bar nebua,
«Sohn der Weissagung», Dagegen hat Klostermann ^ mit
gewichtigen Gründen Widerspruch erhoben. Er wendet
ein, daß bar aramäisch sei und nebua hebräisch; ferner,
daß aus nebua nicht einfach nabas werden kann ; schließlich,
daß bar nebua mit ui6; TTpocpviTsia; hätte übersetzt werden
müssen und nicht mit uto? 7rapa>t'X7i'cecoc. Klostermann
Daß zwischen Barnabas und PMlippus engere Beziehungen bestan-
den, ist nach den Erzählungen der Apostelgeschichte wohl denkbar..
In den Anfängen der Heidenmission spielen beide eine bedeutende
Rolle. Indessen heißt es in der Frage nach den Gewährsleuten des
Lukas sehr vorsichtig sein, und die von Harnack vorgeschlagene
Lösung kann durchaus noch nicht als endgültig angesehen werden..
Merkwürdig ist Harnacks absprechendes Urteil über den Wert der
Lukasquelle.
1 Vgl. S. 13.
2 August Klostermann, Probleme im Äposteltexte. Gotha 1883..
S. 8 ff.
— 52 —
schlägt darum vor, das Wort als aramäisches bar uewä-
cha, «Sohn des Trostes», aufzufassen. Er verweist darauf,
daß auch sonst semitisches w durch ß wiedergegeben
wird (David = AaßeL^) und der Kehllaut im Vokal aufgehen
kann. Der Beiname sei zu verstehen als Ausdruck der
Erhebung und Tröstung, die die Apostel bei der Taufe
dieses Mannes, des ersten Leviten, empfanden. Deiß-
mann ' wiederum vermutet, Bapvaßai; sei derselbe Name
wie Bapvsßou?, der auf einer von Humann und Puch stein
veröffentlichten Inschrift in Islahie in Nordsyrien (3. oder
4. Jh. n. Chr.) vorkommt, und bedeute ursprünglich Sohn
des Nebo. Dann wäre die Deulung Apg. 4, 36 Volks-
etymologie,
Wir müssen es dahingestellt sein lassen, wie «Bar-
nabas» sprachlich zu erklären ist. Für uns aber steht
eines fest : wie Lukas den Namen gedeutet hat. Er über-
setzt ihn : uloq Trapay.X7f(j£&)?. napa/,>.7i(>t.j; ist an sich doppel-
sinnige es kann sowohl «Trost» bedeuten wie «Ermah-
nung». Das zweite ist eine häufige Bezeichnung der ur-
christlichen Predigt. Wenn wir uns nun erinnern, daß
Lukas an der anderen Stelle, wo er rühmend von Bar-
nabas spricht, sein wirksames Predigen hervorhebt und
dafür das Wort Trapa/taAeiv braucht (Apg. 11,23), so kann
kein Zweifel sein, daß er uto? -irapayAvicso)? als «Sohn der
Ermahnung» verstanden wissen will und dabei an die
Predigtgabe des Baruabas denkt. Wenigstens nach dem
Urteil des Lukas war Barnabas ein hervorragender Pre-
diger. So treffen auch in diesem Punkte unsere Beobach-
tungen über den Verfasser des Hebräerbriefes mit den
Nachrichten über Barnabas zusammen.
Dürfen wir uns aber die Predigten des Barnabas nach
dem Muster des Hebräerbriefes vorstellen, so wird ver-
ständlich, warum sie gerade auf Lukas einen so tiefen
Eindruck machten. Daß eine Rede von der Kunst und
herzandringenden Wucht des Hebräerbriefes, in der Ge-
1 Gr. Adolf Deißmann, Bibelstadien. Marburg- 1895.
— 53 —
meindeversammlung vorgetragen, von großer Wirkung
sein mußte, ist ohne weiteres klar. Aber es kommt hei
Lukas noch etwas 'hesonderes hinzu. Es ist schon oft — •
seit Klemens von Alexandrien — darauf hingewiesen
worden, daß zwischen den Lukasschrifteu und dem Hebräer-
brief eine gewisse Sprach- und Stil Verwandtschaft besteht.
Diese Schriften zeichnen sich vor dem übrigen neuen
Testament durch flüssigeren Satzbau und feineres Griechisch
aus. Die Aehnlichkeiten reichen nicht hin, um sie für
die persönlichen Beziehungen geltend zu machen. Aber
sie sprechen für eine Aehnlichkeit der geistigen Welt,
in der die Verfasser aufgewachsen sind. Es sind beides
gebildete Leute. Der Verfasser des dritten Evangeliums
und der Apostelgeschichte ist ein griechischer Arzt und
wenigstens mit medizinischer Literatur bekannt^. Der
Verfasser des Hebräerbriefes ist ein hellenistischer Jude,
der alexandrinische Theologie studiert hat und auch in
der Redekunst ausgezeichnet geschult ist. Leute dieses
Schlages werden in der ältesten Gemeinde nicht gerade
häufig gewesen sein. Um so mehr können wir uns vor-
stellen, wie den Lukas die Erscheinung des Barnabas
gefesselt haben wird. Hier trat ihm das Christentum
nicht in der Gestalt eines der Armseligen und Gedrückten
dieser Welt entgegen, sondern in der Person eines Mannes,
der ihm an Bildung und weltmännischem Weitblick
mindestens ebenbürtig, wahrscheinlich überlegen war.
Man darf wohl annehmen, daß dieser Umstand nicht ganz
ohne Bedeutung war, wenn Lukas durch das Auftreten des
Barnabas für das Christentum gewonnen wurde.
Es ist nur ganz weniges, was uns Lukas über die
Predigten des Barnabas in Antiochien, die ihm einst so
großen Eindruck machten, wissen läßt. Bei dieser Karg-
heit der Angaben ist jeder Zug, den er hervorhebt, be-
deutsam. Sehen wir zu, wie sich die Umrisse, die er uns
von jenen Predigten erkennen läßt, zum Hebräerbriefe
verhalten.
i Harnack. Lukas der Arzt, S. 122 ff.
— 54 —
Den Inhalt der Predigten des Barnabas gibt Lukas
kurz mit den Worten wieder: «Er ermahnte alle, mit dem
Vorsalz des Herzens bei dem Herrn zu bleiben» (Apg. 11, 23).
Auch der Hebräerbrief ist reich an Ermahnungen; immer
wieder, wie wir sahen, unterbricht der Redner seine lehr-
haften Ausführungen, um sich an den Willen der Zuhörer
zu wenden. Der immer gleiche Inhalt der Ermahnungen
wird ausgedrückt durch Wendungen wie diese : den Mut
und den Stolz der Hoffnung bis zu Ende fest bewahren
(3, 6), nicht abfallen von dem lebendigen Gott (3, 12),
am Bekenntnis festhallen (4, 14), Eifer beweisen zur
vollen Zuversicht der Hoffnung bis zu Ende, Nachfolger
der Glaubenden werden (6, 11), das Bekenntnis der Hoff-
nung ungebeugt festhallen (10, 23), den Mut nicht weg-
werfen (10, 35), aufschauen zu dem Anführer und Vol-
lender des Glaubens Jesus (12, 2) usw. Wollte man alle
diese Ermahnungen in eine ganz kurze zusammenfassen,
so könnte man die Worte brauchen, mit denen Lukas den
Inhalt der Predigten des Barnabas bezeichnet : beim Herrn
bleiben.
Daß Barnabas in dieser Weise predigte, wird von
Lukas damit erklärt, daß er «ein guter Mann und voll
heiligen Geistes und Glaubens» war. Also müssen gerade
diese Eigenschaften in seiner Predigt zum Ausdruck ge-
kommen sein.
In den Ermahnungen des Hebräerbriefes spielt das
Wort Glauben eine große Rolle; in einem großarligen
Abschnitt werden in schier unerschöpflichem Zuge die
Beispiele sieghaften Glaubens aneinandergereiht. Von dem
Verfasser von Hehr. 11 kann man wohl den Eindruck ge-
winnen: ein Mann voll Glaubens.
«Voll heiligen Geistes» — das scheint auf den ersten
Blick weniger zum Hebräerbriefe, diesem wohldurchdachten
rednerischen Kunstwerk, zu passen. Aber das ist ein
falscher Eindruck. Es steht nirgends im neuen Testament,
daß Unordnung zu den Kennzeichen des heiligen Geistes
gehöre. Dagegen beobachteten wir an dem Verfasser des
Hebräerbriefes, ,daß er die übliche Eingangsmahnung zur
_ 55 —
Aufmerksamkeil in die Form kleidet, man dürfe das vom
Sohne Gottes Geredete nicht verachten, und daß er am
Schlüsse der Rede den Zuhörern noch einmal zuruft, sie
möchten Gott, der vom Himmel zu ihnen spreche, nicht
ablehnen^. Wer so reden kann, ist von dem Bewußtsein
durchdrungen, daß in seiner bis ins einzelne durchdachten
und kunstvoll gefügten Ansprache Gott rede, und er setzt
dasselbe Bevs^ußtsein bei den Zuhörern voraus. Ob wir es
begreifen oder nicht, tut nichts zur Sache; die Tatsache muß
anerkannt werden. Der Verfasser des Hebräerbriefes redet
als Stimme Gottes; es ist nur ein anderer urchristlicher
Ausdruck dafür, wenn gesagt wird: er redet im heiligen
Geist.
«Ein guter Mann» — das wird man dem Verfasser
des Hebräerbriefes ohne weiteres zugeben.
Alles, was Lukas an den Predigten des Barnabas her-
vorhebt, paßt auf den Hebräerbrief. Sollte das Zufall sein?
Ein Einwand muß berücksichtigt werden. Von der
gemeinsamen Reise des Barnabas und Paulus wird be-
richtet, daß Paulus dabei das Wort führte (Apg> 14, 12).
Warum das, weiin Barnabas so ein großer Redner war?
Es ist nicht schwer, diesem Einwände zu begegnen. Er
mag ein noch so großer Redner gewesen sein, das schließt
natürlich nicht aus, daß ein noch größerer da war. Es
macht keine Schwierigkeit zu denken, daß auf der Mis-
sionsreise die kunstlose, wildgewachsene Herzensberedsam-
keit des Paulus (1. Kor. 2, 1 — 5; 2. Kor. 11, 6), sich wirk-
samer erwies, als die große rednerische Kunst des Barnabas,
und daß darum Barnabas dem Paulus den Vortritt im
Reden ließ. Gegenüber dem genialen Missionar Paulus
mag er gefühlt haben, daß seine Stärke mehr in der feier-
lichen Predigt vor der Gemeinde lag.
Es bleibt noch übrig, die äußeren Zeugnisse zu er-
wähnen, die dafür sprechen, daß der Hebräerbrief von
Barnabas ist.
1 Vgl. S. 6 f. und 12 f.
— 56 —
Tertullian beruft sich in seinem Büchlein Depudicilia
zum Erweise, daß es nach apostolischer Lehre für ünzucht-
sünden keine zweite Buße gebe, auf eine Schrift «des
Barnabas an die Hebräer», und führt daraus die Worte
an, die wir Hebr. 6, 4 — 8 lesen ^.
In den neuerdings von Batiffol entdeckten und heraus-
gegebenen sogen. Tractatus Origenis — Batiffol hält sie
für Schriften Novatians — wird einmal Hebr. 13, 15 als
Wort des sanctissimus Barnabas angeführt^.
Es gab also im Abendlande die Ueberlieferung, daß
der Hebräerbrief ein Werk des Barnabas sei.
Gegen diese ueberlieferung ist nichts zwingendes ein-
zuwenden. Unter den mancherlei schwachen Gründen, die
man dagegen anzuführen pflegt, verdient nur einer ernst-
liche Beachtung : der, daß ein Levil, wie Barnabas, nicht
habe Hebr. 9, 4 schreiben können. Dort wird die Stifts-
hütte folgendermaßen beschrieben: «Ein Zelt wurde er-
richtet, das erste, darin der Leuchter und der Tisch und
die Aufstellung der Brote ; dies heißt das Heilige. Aber
hinler dem zweiten Vorhang ein Zelt, das heißt das Aller-
heiligste, das hatte einen goldenen Räucherallar und die
auf allen Seilen mit Gold bedeckte Bundeslade». Bekannt-
lich stand der Räucherallar im Heiligen. Daher hat man
gefolgert, daß der Verfasser des Hebräerbriefes die Ein-
richtung des Tempels in Jerusalem nicht kenne, daß er
sich nur mühsam aus der griechischen Bibel ein Bild von
der Stifishütte zu machen gesucht habe, und daß ihm
dabei ein Irrtum über die Stellung des Räucheraltars unter-
gelaufen sei. Das ist aber wenig wahrscheinlich. Es ist
überhaupt schon schwer denkbar, daß jemand, der das zweite
und dritte Buch Mose gelesen hat, nicht weiß, wo der
Räucheraltar stand. Wer gar, wie der Verfasser des Hebräer-
briefes, das ganze Werk Christi aus der mosaischen Gottes-
dienstördnung verständlich zu machen sucht, weiß über
1 Tertullian, De pudicitia 20 : extat et Barnabae titulus ad He-
braeos, a deo satis auctorati viri.
2 Tractatus Origenis de libris ss. scripturarum ed. Batiffol,
Paris 1900, S. 108.
— 57 -
diese Gotlesdienstordnung nicht nur oberflächlich Bescheid,
sondern er ist darin zuhause. Er weiß natürlich auch,
daß der Räucheraltar im Heiligen steht ; wenn er ihn den-
noch zum Allerheiligsten rechnet — mehr ist ja nicht
gesagt — so hat er seine Gründe. In der Tat finden sich
auch im alten Testament Spuren, daß man den Räucher-
altar trotz seiner Stellung vor dem zweiten Vorhange
— er stand ganz nahe davor — als Bestandteil des Alier-
heiligsten ansah. Es heißt mehrmals, daß er vor der
Bundeslade, vor Jahve stehe (Ex. 30, 8; 4.0, 5,
Lev. 4, 7, 18; 16, 12). Er wird wie das Allerheiligste
ayiov Twv ayiwv genannt (Ex. 30, 10, 36). Ja im hebrä-
ischen Text von 1. Kön. 6, 22 heißt er «der Altar, der
zum Allerheiligsten gehört». In der griechischen Bibel,
die der Verfasser des Hebräerbriefes zu seinen Anführungen
benutzt, stehen die Worte nicht. Daß er seine Ansicht
über die Zugehörigkeit des Räucherallars aus dem hebrä-
ischen Texte dieser Stelle gewonnen habe, ist nicht sehr
wahrscheinlich. Dann bleibt kaum etwas anderes übrig
als anzunehmen, daß ihm besondere Anschauungen über
Einzelheiten der Tempeleinrichtung geläufig sind, die
im alten Testament nur hin und wieder zum Ausdruck
gekommen sind. So würde die Stelle Hebr. 9, 4 eher
dafür als dagegen sprechen, daß der Verfasser Levit ist.
Die gute Bezeugung durch TerluUian hat der Ansicht,
daß Barnabas der Verfasser des Hebräerbriefes sei, von
jeher Beachtung verschafft. Doch hat sie sich nie allge-
mein durchzusetzen vermocht. Der Grund war, daß sie
durch nichts gestützt wurde als eben durch jene Ueber-
lieferung; was hin und wieder an inneren Gründen an-
geführt wurde, kam dagegen kaum in Betracht. So sah
man sich darauf angewiesen, dem TerluUian einfach zu
glauben ; dies aber mußte immer wieder Zweifel erregen.
Denn ebenso wie die Pauiusüberlieferung des Morgenlandes
falsch war, konnte auch die Barnabasüberlieferung des
Abendlandes falsch sein. War schon eine Schrift —
der sogen. Barnabasbrief — dem Barnabas fälschlich
untergeschoben, so war keine Gewähr, daß ihm nicht auch
— 58 —
der Heb-räerbrief fälschlich zugeschrieben wurde. So hat
die Ansicht Tertullians bei der neueren Kritik mehr Ab-
lehnung als Anerkennung erfahren.
Vielleicht ist es mir gelungen, einige Gründe nach-
zuweisen, die die abendländische Ueberlieferung über
den Verfasser . des Hebräer briefes zu slützen vermögen.
Sind die hier vorgetragenen Beobachtungen im wesent-
lichen richtig, so dienen sie vielleicht auch dazu, uns die
Gestalt des Barnabas, die in der Apostelgeschichte gegen
die des Paulus stark in den Hintergrund tritt, etwas deut-
licher sehen zu lassen. Seine Bedeutung für die Geschichte
des ältesten Christentums wird kaum überschätzt werden.
Ein Mann, der vermöge seiner hervorragenden Gaben in
der Urgemeinde von Anfang an eine sehr angesehene Stel-
lung einnimmt und bei den Aposteln besonderes Vertrauen
genießt ; der jenem Kreise in der Urgemeinde angehört,
in dem die besonderen Ueberlieferungen des Lukasevange-
liums zuerst gesammelt wurden, in dem auch das Johannes-
evangelium seine Wurzeln hat ; der andererseits von dem
Evangelisten Markus als Lehrer und Freund verehrt wird ;
ein Manu, der von Anfang an zu den entschlossenen För-
derern der Heidenmission gehört, der den Paulus in den
Kreis der Urapostel einführt und nachher zu seiner well-
geschichtlichen Aufgabe ruft; ein Mann, der durch seine
glänzende Beredsamkeit den Griechen Lukas zum Christen
macht und dadurch der jungen Gemeinde ihren Geschichts-
schreiber gewinnt — das ist Barnabas. Man staunt über
diese Fülle der Beziehungen ; kaum eine Gruppe innerhalb
der uns bekannten ältesten Christenheit, der Barnabas nicht
nahe stünde. Man begreift auch, worin die eigentliche Be-
deutung dieses Mannes für die Urchristenheit bestehen mußte.
Durch seine vielseitigen persönlichen Beziehungen war er
wie kein anderer geeignet , als Bindeglied zwischen den
verschiedenen Kreisen zu dienen, auseinanderstrebende
Richtungen zusammenzuhalten und entstehenden Zwist zu
schlichten. Die Apostelgeschichte weiß mehr als einmal
aus entscheidungsvollen Tagen von des Barnabas vermitteln-
der Tätigkeit zu berichten (Apg. 9, 27 ; 11, 22, 25; 15, 2).
V i erter Teil.
Nachlese.
Wir sind mit der Untersuchung über den Verfasser
des Hebräerbriefes am Ende. Es lockt aber, nun noch
einen Blick zu werfen auf Fragen, die mit der hier be-
handelten in loserem Zusammenhang stehen, und zu
sehen, ob etwa durch das Ergebnis der Untersuchung
auch auf sie ein neues Licht fällt.
Zu den Rätseln des Hebräerbriefes gehört auch die
üeberschrift. Sie lautet: lipo; 'Eßpaiou? — zu deutsch: «An
Christen jüdischen Blutes».
Diese Üeberschrift erfreut sich heutzutage fast all-
gemeiner Mißachtung. «Die Forschung der letzten fünf-
undzwanzig Jahre», so schrieb Wrede 1906^, «hat uns
für den Hebräerbrief eine Erkenntnis von wesentlicher
Bedeutung gebracht. Wir verdanken sie vor allem v.
Soden, der zwar nicht zuerst — er hatte in dem Philo-
sophen Roth einen Vorgänger — aber zum ersten Male
durchschlagend und wirksam zeigte, daß die alte, so
selbstverständlich erscheinende und schon in der aus
früher Zeit stammenden Üeberschrift lipo; 'Eßpaiou; be-
zeugte Annahme, der Brief wende sich an ein juden-
christliches Publikum, unhaltbar sei.»
Ich kann diesem zuversichtlichen Urteil nicht bei-
pflichten. Allerdings haben v. Sodens Arbeiten über den
1 W. Wrede, das literarische Eätsel des Hebräerbriefs. GÖt-
tingen 1906, S. 1.
— 60 —
Hebräerbrief eine Erkenntnis von wesentlicher Bedeutung
gebracht : nämlich daß die altherkömmliche Ansicht, der
Hebräerbrief habe den Zweck, die «Hebräer» vor dem
Rückfall ins Judentum zu bewahren, im Texte keine
Stütze hat. Davon steht nichts drin. Es war wohl aber
eine leicht erklärliche, unbewußte Nachwirkung der alten,
von ihm selbst bekämpften Anschauung, wenn v. Soden
seine neue Auffassung wieder in die alte Form goß. Er
setzte statt «Abfall zum Judentum» — «Abfall zu einem
Zustand der Religionslosigkeit oder heidnischen Wesens» ^.
Dabei ist doch von einem «Abfall» im Sinne eines förm-
lichen Austritts aus der christlichen Gemeinschaft nirgends
im Hebräerbriefe die Rede. Es wird wohl einmal davor
gewarnt, «abzufallen von dem lebendigen Gott» (3, 12),
aber es wird an der Stelle auch deutlich gesagt, worin
der «Abfall» besteht, nämlich darin, daß das Herz böse
und ungläubig ist. Diese Stelle hat keinen anderen Sinn
als die vielen andern im Hebräerbrief, wo vor dem
inneren Mattwerden, der Nachgiebigkeit gegen die Sünde
gewarnt und zum Ausharren am Glauben ermuntert wird.
Solche Mahnungen sind zu jeder Zeit in. der Christenheit
tausendfältig ausgesprochen worden, auch wo der äußere
Bestand der Gemeinde nicht im mindesten bedroht war ;
alle christliche Predigt hat diesen Inhalt. Solche Mahnungen
sind natürlich auch im Urchristentum überall laut ge-
worden, vor Judenchristen wie vor Heidenebristen. Auf
die äußeren Verhältnisse der Hörer ist daraus kein Schluß
zu ziehen.
Man beruft sich besonders gern auf Hebr. 6, 1 — 2,
um zu zeigen, daß die Angeredeten ehemalige Heiden
seien. Dort wird daran erinnert, was sie im Anfang ihres
Christentums gelernt hätten ; unter anderen Lehrstücken
kommt vor: Glaube an Gott, Totenauferstehung, ewiges
Gericht. Das, sagt man, seien Dinge, die ein übertreten-
der Jude schon kannte. Gewiß, aber auf seine Weise;
im Christentum bekam das alles einen anderen Inhalt.
1 Handkommentar S. 11.
— 61 —
Das Christenlum hat sich niemals nur als Zusatzkapitel
zum Judentum ausgegeben.
Umgekehrt will Zahn an einer Stelle des Hebräer-
briefes (3, 10) eine Andeutung entdeckt haben, daß die
Augeredelen jüdischen Blutes seien. Dieser Beweis scheint
mir ebensowenig geglückt^.
Es ist aus dem Hebräerbrief nicht mit Sicherheit
festzustellen , ob er sich an Judenchristen oder an
Heidenchrislen wendet.
Um so bedeutsamer scheint die Ueberschrift «an
Christen jüdischen Blutes». Sie ist sehr alt. Während in
der altchristlichen Zeit die Meinungen des Abendlandes
und des Morgenlandes über den Verfasser des Hebräer-
briefes auseinandergingen — im Abendlande galt Barna-
bas, im Morgenlande Paulus als Verfasser — war man
sich über die Bestimmung xpo? 'Eßpatouc einig. Das haben
schon gegen Ende des 2, Jahrhunderts sowohl der Abend-
länder TertulUan als die Morgenländer Pahtänus und
Klemens in ihren Texten gelesen, und in keiner der uns
erhaltenen Handschriften findet sich eine andere Ueber-
1 Hebr, 3, 10 wird Psalm 95 mit einer Aenderung- angeführt. In
der Septuaginta heißt es von den alten Israeliten: . . . i§ooav xd
spTfa |j.öü. xsaaspocxovxa exvj x^oaor/ß'.aa xy] fzvza. i-/.eivq. Dafür
steht im Hebräerbrief: . . . diöov xd sp^a [jlou xsaaspdxovxa sxTi.
Bio %^ooüiyß>.aa T-Q -fsvea ~aöx-q. Daraus schließt Zahn : also denkt
der Verfasser hier nicht -wie der Psalmdiehter an das Geschlecht,
das durch die Wüste zog, sondern an das gegenwärtige Geschlecht
der Juden. Die 40 Jahre, während deren sie Gottes Werke gesehen
hätten, ohne ihn zu erkennen, seien die Jahre zwischen dem Tode
Jesu und der Zerstörung Jerusalems. Werden die Juden dieser Zeit
aber «eure Väter» genannt (V. 9), so folgt, daß die Angeredeten mit
ihnen verwandt, also Juden sind. — Das ist wohl all zu scharf-
sichtig. 3,16 werden die Psalmworte ausdrücklich auf die bezogen,
die durch Mose aus Aegypten geführt wurden. 'S, 17 wird die ur-
sprüngliche Lesart wiederhergestellt. Wenn der Verfasser .8, 10 für
«jenem Geschlecht» einsetzt «diesem Geschlecht», so leitet ihn wohl
nur der Gedanke, daß Gottes Zorn ja nicht nur den Israeliten beim
Wüstenzuge, sondern auch weiterhin gegolten habe, auch dem Ge-
schleehte, an das Psalm 95 ursprünglich gerichtet ist. Denn die
Mahnung ayj|xspov usw. kann auch damals nicht erfüllt worden sein,
wenn sie noch den Christen gelten soll. Auch die 40 Jahre werden
deshalb zum vorigen geschlagen sein, damit Gottes Zorn nicht als
ein vorübergehender, sondern als ein dauernder erscheine.
— 62 —
Schrift. Es ist ein Gewaltstreich, zu dem eine große
Kühnheit gehört, diese glänzend bezeugte üeberschrift
als müßige Erfindung irgend eines unkundigen Lesers
abzutun. Daß einer mit einem solchen grundlosen Ein-
fall die ganze Kirche sollte überzeugt haben, ist einiger-
maßen schwer zu glauben. Ich wage es nicht, die Ueber-
lieferung zu verwerfen. Etwas wird dran sein.
Aber es ist eine merkwürdige üeberschrift, dieses
77po? 'El^paioi»?. Zweierlei fällt daran auf. Erstens : sie
ist nicht eindeutig. Sie sagt nur etwas über die Ab-
stammung der Leser, nichts über ihren Wohnort. Sie
sagt nur, was sie waren, nicht wer sie waren. Zweitens:
sie muß ursprünglich für sich allein über der Schrift ge-
standen haben, eine Angabe über die Bestimmung ohne
eine Angabe über den Verfasser. Denn nur so erklärt
es sich, daß sie allein in allen Kirchen gleich überliefert
wurde, während über den Verfasser die einen diese, die
anderen jene Ansicht hatten.
Vielleicht kann das Ergebnis des ersten Teils dieser
Untersuchung weiterhelfen. Wir waren zu der Ansicht
gekommen, daß der Hebräerbrief eine Rede sei, die als
Brief verschickt wurde. Die Frage, ob der Verfasser eine
Rede schickte, die er vorher gehalten hatte, oder ob er
sie erst für die briefliche Versendung machte, ließen wir
unbeantwortet. Sie kann auch für sich nicht entschieden
werden; man kann es«einer Rede natürlich nicht ansehen,
ob sie einmal gehalten worden ist oder nicht. Sobald wir
aber den Fall setzen, daß sie am Aufenthaltsorte des Ver-
fassers gehalten worden war, so eröffnet sich eine neue
Möglichkeit für das Verständnis der alten merkwürdigen
üeberschrift. Denn dann sind zwei Gemeinden zu unter-
scheiden : die^ vor der die Rede gehallen wurde, und die
an die der Brief ging. Das irpo? 'Eßpatou; kann sich auch
auf die erste beziehen. Es ist möglich, daß der Verfasser
selbst diese zwei Worte über den Anfang der Rede schrieb,
um denen, an die sie ging, zu verraten, an was für Leute
sie gehalten worden war. «An Christen jüdischen Blutes.»
Das zugehörige "XoY^? werden sich dann die Empfänger
— 63 —
schon beim ersten Blick auf den Anfang der Schrift er-
gänzt haben ; zum Ueberfluß sagte es ihnen 13, 22. Voraus-
setzung ist dabei natürlich, daß die Gemeinde, die die
Rede zugeschickt bekam und für die der briefliche Schluß
hinzugefügt wurde, wenigstens zu einem großen Teile
heidenchristlich war.
Bei dieser Annahme wird, was an der Ueberschrift
sonderbar schien, verständlich. Erstens die Kargheit ihrer
Angabe. Es läßt sich denken, daß der Verfasser nichts
genaueres über Ort und Gelegenheit des Vortrags bemerkte.
Das werden sich die Leser, die wußten, wo er war, viel-
leicht selbst haben zusammenreimen können. Im übrigen
ging es sie nichts an ; denn die Predigt war nun für sie
bestimmt. Doch läßt es sich verstehen, daß er wenigstens
das eine für erwähnenswert hielt, daß es Judenchristen
waren, für die sie ursprünglich gemacht war. Es muß
etwas an der Predigt sein, was eigentlich ein judenchrisl-
liches Publikum zu fordern scheint. Es ist nicht schwer,
zu sehen was das ist. Es ist das genaue Eingehen auf
die mosaische Gottesdienstordnung ; das setzt schon einiges
Verständnis für diese Seite des alten Testaments voraus.
Darum wurde die Predigt freilich nicht ungeeignet, auch
einer ganz oder teilweise heidenchristlichen Gemeinde
mitgeteilt zu werden. Die Heidenchristen waren ja als
gleichberechtigt anerkannt worden. Abraham war auch
ihr Vater, Israels Verheißung auch ihre Hoffnung geworden.
Es gab nichts im alten Testament, was sie sich nicht
aneignen durften. Vielleicht war es ihnen nach ihrer
geistigen Herkunft nicht immer leicht, sich in Gedanken-
gänge zu finden, die dem Hebräer unmittelbar verständ-
lich und lebendig waren. Deswegen war es doch für sie
ein ehrenvolles Vorrecht, ja eine Pflicht, sich in alle Ge-
danken der hebräischen Christen einzuleben. Wurde
einer heidenchristlichen Gemeinde eine Predigt gewidmet,
die nach dem eigenen Zeugnis des Verfassers auf eine
judenchristliche Zuhörerschaft zugeschnitten war, so
konnte sie darin einen feinen Ausdruck ihrer vollen Eben-
bürtigkeit sehen. Es ist beachtenswert, daß es ein Mann
— 64 —
war, der selbsl einmal, durch judenchristliches Vorurteil
verführt, die heidenchristliche Mehrheit einer Gemeinde
schwer gekränkt hatte (Gal. 2, 13), der nun eine solche
Gemeinde wissen ließ, daß er sie für nicht geringer achte
als Hebräer.
Zweitens wird dann auch klar, warum sich die ein-
heitliche Ueberlieferung in der Kirche auf das Tcpcx;
'Eßpatou? beschränkt. Als Ueherschrift des Verfassers ist
das natürlich in alle Handschriften übergegangen; das
übrige blieb der mündlichen Ueberlieferung überlassen.
Es läßt sich denken, daß dort, wo der Name des Ver-
fassers bekannt war — und das war im Abendlande ,
gelegentlich ein Bapvaßa vor das -j^po? 'E^^cciouq gesetzt
wurde; so scheint es Tertullian gelesen zu haben^.
Ebenso leicht läßt sich denken, daß dort, wo der Name
des Verfassers verloren gegangen war — und das war
im Morgenlande — das ohne Verfassernamen stehende
-repoc 'Eßpaiou; auf die Vermutung führte, das sei ein
Paulusbrief. x\lles, was Pantänus,. Klemens, Origenes
über die mutmaßliche Entstehung des Hebräerbriefes
sagen, ist von da aus leicht zu erklären.
Läßt es sich aber von Barnabas denken, daß er eine
Predigt vor einer judenchristlichen Gemeinde hielt und
an eine heidenchristliche sandte? Von niemandem läßt es
sich leichter denken als von Barnabas. Auf der ersten
Missionsreise^ die Barnabas und Paulus unternahmen,
zogen sie zuerst durch des' Barnabas Heimatland, durch
Zypern, und verkündeten das Evangelium in den Synagogen
der Juden (Apg. 13, 5). Erst nachher in Antiochien in
Pisidien begannen sie zu den Heiden zu reden. Als sich
bei der zweiten Reise ihre Wege trennten, wandte sich
Paulus zu den auf der ersten Reise gegründeten über-
wiegend heidenchristlichen Gemeinden Kleinasiens, Barna-
bas aber besuchte die judenchristlichen Gemeinden Zyperns
(15, 39). Darin spricht sich ihre verschiedene Art und
1 Tertullian, De pudioitia 20: extat enim et Barnabae titulus
ad Hebraeos. Zahn, Einleitung 11, S. 121 Anm. 9.
— 65 —
Entwicklung aus. Paulus' fühlt sich ganz und gar als
Heidenmissionar. Barnabas, von Anfang an einer der
eifrigsten Förderer und Mitarbeiter der Heidenmission und
auf der Tagung zu Jerusalem (Gal. 2, 9) mit Vollmacht
zur Heidenmission ausgestattet, läßt sich dadurch doch
nicht den judenchristlichen Gemeinden entfremden, nein
er findet Gelegenheit, die Beziehungen noch fesler zu
knüpfen. Auch das gehört zu der Vielseitigkeit dieses ge-
borenen Vermittlers in der ältesten Christenheil, Es fügt
sich gut zu dem Bilde, das die Apostelgeschichte von ihm
zeichnet, wenn wir annehmen, daß er hier einer juden-
christlichen, dort einer heidenchristlichen Gemeinde nahe-
stand, und eine Predigt, die er vor der einen gehalten
hatte, der anderen zukommen ließ.
Es bleibt noch die Frage übrig, ob sich jene juden-
christliche und diese ganz oder teilweise heidenchristliche
Gemeinde näher nachweisen lassen. Wo ist der Hebräer-
brief geschrieben worden und wohin ist er gegangen?
Für die erste dieser beiden Fragen kommt besonders
13, 24 in Betracht. «Es grüßen euch die von Italien.»
Es ist ein alter Streit, ob daraus zu folgern sei, daß der
Brief aus Italien kommt oder nach Italien geht. Die
erste Meinung ist stark aus der Mode gekommen ; und
doch bat sie die weit überwiegende Wahrscheinlichkeit
für sich. Denn erstens geht unmittelbar voraus : «Grüßet
alle Heiligen». Unwillkürlich hört man das letzte Wort
auch im folgenden nachklingen. Es sind die Heiligen,
die Christen Italiens, die grüßen, nicht ein paar Italiener,
die zufällig bei dem Verfasser weilen (vgl. Rom. 16, 16,
1. Kor. 16, 19, 2. Kor. 13, 12, Phil. 4, 22). Zweitens
ist die Attraktion der adverbialen Bestimmung durch das
Verbum (oi «tüo t-^? 'irocXiaq statt ol sv Tri 'irockicf) gutes
Griechisch (vgl. Lk. 11, 13) ^ Drittens hat Zahn ^ ein
1 Friedrich Blaß, Grammatik des neutestamentlichen Griechisch.
Götting-en 1896. S. 2.53.
2 Zahn, Einleitung- IT, S. 153.
D.
— 66 —
anderes Beispiel dieser Grui3form beigebracht aus den
falschen Ignatiusbriefen : «Es grüßen dich alle von Philippi,
von wo ich dir auch schreibe» ^. Daß es ein gefälschter
Brief ist, hat nichts zu sagen. Viertens haben die
Kirchenväter die Stelle so verstanden, daß dadurch der
Aufenthaltsort des Verfassers gekennzeichnet werde.
Der Hebräerbrief ist aus Italien geschrieben. Dann
wird man näher vermuten dürfen : aus Rom ; denn nur
hinter der Hauptstadt steht das ganze Land. Daß der
Verfasser für «die in Rom» sagt «die in Italien», darin zeigt
sich die große Anschauung des Missionars, dem die Stadt
nicht als Stadt wichtig ist, sondern als Vertreterin der
Provinz, die in ihr dem Evangelium erschlossen ist.
In Rom schrieb Markus sein Evangelium. Daß er
darin an einer Stelle auf die Gedanken des Hebräerbriefes
anspielt, erklärt sich am einfachsten, wenn jene Gedanken
in Rom vorgetragen worden waren.
Von der ersten römischen Gemeinde wissen wir, daß
sie zum größten Teile aus ehemaligen Juden bestand ;
ferner, daß sie sich in Gruppen schied, die ihre besonderen
Versammlungen in den Häusern hatten (Rom. 16, 5, 14,
15)^. Unter diesen Umständen hat es keine Schwierig-
keitanzunehmen, daß ßarnabas dort eine Rede «an Christen
jüdischen Blutes» hielt.
Ueber die Gemeinde, an die die Rede geschickt wurde,
läßt sich aus dem brieflichen Anhang zweierlei feststellen.
Es ist eine Gemeinde, zu der sich der Verfasser hinge-
hörig fühlt ; denn er schreibt : betet, damit ich euch
bälder wiedergeschenkt werde (oi-KQxocxa.cT<x.(iS> üpv 13, 19).
Weiter ist es eine Gemeinde, die nicht wie etwa die in
Lystra, Derbe, Philippi, Thessalonich von durchreisenden
Missionaren gegründet wurde, sondern von solchen Christen,
die in die betreffende Stadt übergesiedelt waren und darum
von Anfang an Leiter der entstehenden Gemeinde waren.
1 Ad Heronem 8 : daxäS^ovtai as . , . Tzd-mc. v, ^ltsj (DiXitttccdv
ödsv xai ixioxzCkö. ao:.
a Zahn, Einleitung I, § 23.
— 67 —
Denn nur so läßt sich 13, 7 verstehen: «Gedenkt eurer
Leiter, die euch das Wort Gottes gesagt haben ; seht den
Ausgangihres Wandels an und eifert ihrem Glaubennach».
Beides paßt auf Antiochien. Nachdem Barnabas
Jerusalem verlassen hatte (Apg. 11, 22), war er in
Antiochien zu Hause. Elwa ein Jahrzehnt hindurch
können wir an der Hand der Apostelgeschichte verfolgen,
wie Barnabas in Antiochien wirkt und immer. wieder dort-
hin zurückkehrt. Zweimal sehen wir ihn noch in Jerusalem
auftreten, aber als Vertreter der Gemeinde von Antiochien
(Apg. 11, 30; 15, 2).
Die Gemeinde zu Antiochien war entstanden durch
solche, die bei der Verfolgung, die sich nach dem Tode
des Stephanus erhoben hatte, aus Jerusalem geflohen
waren und in Antiochien sich wieder niedergelassen hatten
(Apg. 11, 20). Somit paßt auch Hebr. 13, 7 auf die
Verhältnisse Antiochiens.
Wie der Lebensausgang jener Missionare war und
wieso sich darin Glaube offenbarte, können wir freilich
nicht wissen. Barnabas wird näheres darüber gewußt
haben. Denn jene Männer, die in Antiochien «das Wort
geredel hatten» (Apg. 11, 20), waren Kyprier (und Kjre-
näer), seine engeren Landsleute und Synagogengenossen
(vgl. Apg. 6, 9) von Jerusalem her. Daraus erklärt
sich auch, weshalb es ihm so darum zu tun ist, daß
ihr Andenken bei dem jüngeren Geschlecht lebendig
bleibe.
Einige Stellen in Hebr. 1 — 12 verlangen noch be-
sondere Berücksichtigung ; nämlich diejenigen, an denen
etwas über die Angeredeten ausgesagt wird. Es läßt sich
denken, daß nicht alles, was von den ersten Hörern der
Predigt galt, auch auf die zutraf, an die sie nachher
geschickt wurde. Es besteht daher die Möglichkeit, daß
in der uns vorliegenden Niederschrift an solchen Stellen
etwas geändert oder gekürzt wurde. Wir werden er-
warten, daß die Bemerkungen über persönliche Verhält-
nisse so, wie wir sie lesen, zunächst auf die Gemeinde
— 68 —
in Antioöhieii zutrefFeo. Es bleibt dann immer die Frage,
ob und wie weit sie etwa auch auf Rom zutreffen.
Es kommen aber nur wenige Stellen in Betracht.
Es liegt im Wesen der feierlichen öffentlichen Rede, daß
sie das Besondere gern ins Allgemeine erhebt. Vor allem
gilt das von der nicht aus eigentümlichem Anlaß ent-
standenen Gemeindepredigt. So sind auch die Ermahnungen
im Hebräerbriefe meist so gehalten, daß sie allgemein-
gültig sind. Wenn bei den Angeredeten vorausgesetzt
wird, daß einige ihren Gemeindeversammlungen nicht
mehr die nötige Teilnahme entgegenbringen (10, 25),
wenn es von ihnen heißt, daß sie für die höheren Wahr-
heiten des Christentums nicht das Verständnis zeigen,
das man von ihnen, den alten Christen, erwarten dürfte
(5, 12), so sind das keine örtlichen Besonderheiten. Das
sind Erfahrungen, Klagen, die sich wohl überall nach
den ersten großen Begeisterungszeiten einstellten. Wie die
Ermahnungen zum Festhalten am Glauben überhaupt, so
durfte sich auch solchen leichten Tadel jede Gemeinde
gesagt sein lassen.
Hebr, 6, 10 wird der christlichen Liebe der Ange-
redeten anerkennend gedacht ; sie hätten «den Heiligen»
gedient, heißt es, und dienten ihnen noch. «Nach einem
reichlich belegten Sprachgebrauch (Rom. 15, 31 ; 1. Kor.
16, 1, 15; 2. Kor. 8, 4; 9, 1, 12) bezeichnete oi ayioi
auch ohne jede Ortsangabe die Christengemeinde der
heiligen Stadt» ^. Vielleicht ist daher Hebr. 6, 10 auf
Geldgaben an die Gemeinde in Jerusalem zu beziehen.
In diesem Liebes werke hatten sich die Christen in An-
tiochien vor allem hervorgetan. Sie hatten die erste Samm-
lung für Jerusalem veranstaltet, und Barnabas hatte sie
überbracht (Apg. 11, 30). Daß auch die römischen Christen
der Armut der Muttergemeinde gedachten, ist nirgends
bezeugt. Es wäre aber verkehrt daraus zu schließen, daß
sie es nicht getan hätten. Die auf Palästina zurückwei-
1 Zahn. Einleitung- 11, S. 138 Anm. 3.
— 69 —
senden Namen in Rom. 16^ lassen auf manche persön-
lichen Beziehungen zwischen Rom und der ürgemeinde
schließen, ja man hat Grund zu vermuten, daß das
Christentum wie nach Antiochien, so auch nach Rom
durch ehemalige Glieder der Gemeinde von Jerusalem
gebracht wurde. Die Lage der Muttergemeinde wird in
Rom nicht mindere Teilnahme gefunden haben als in
Antiochien.
Das meiste besondere scheint Hebr. 10, 32 — 34 zu
bringen. Freilich, wenn man diese paar Zeilen genau
ansieht, so w'undert man sich wieder, wie wenig sie
sagen. Der .Verfasser erinnert die Gemeinde an die alten
Tage, als sie — nach ihrer Erleuchtung — viel Leidens-
kampf durchzumachen halten. Die Worte «nach eurer
Erleuchtung» {(^cdria^ivreg) lassen sich nicht anders ver-
stehen, als daß es Leiden waren, die sich gleich nach
ihrer Bekehrung einstellten und eine Folge der Bekehrung
waren. Worin sie bestanden, wird gleich gesagt : «Bald
wurdet ihr durch Schmähungen und Quälereien ein Opfer
des öffentlichen Spottes . . .» Daß den Anhängern einer
neuen Religion auf der Straße Schimpfworte nachgerufen
werden und durch geschäftliche Schädigungen das Leben
sauer gemacht wird, ist eine so allgemeine und oft wieder-
holte Erfahrung, da^ wir es auch für die Anfangszeiten
der urchristlichen Gemeinden von vornherein als selbst-
verständlich annehmen würden, auch wenn es uns nicht
durch Apg. 14, 22 als allgemeine Regel der apostolischen
Zeit bezeugt wäre. Diese Worte des Hebräerbriefes sagen
somit nicht mehr als was jede Gemeinde erfahren hatte.
«... Bald wurdet ihr Genossen derer, denen es so
ging». Damit werden ähnliche Leiden anderer Gemeinden
in die Leiden der Angeredelen mileingerechnet. Daß es
sich nur um geistiges Mitleiden handelt, folgt aus den
nächsten Worten: «Denn auch mit den Gefangenen
1 Andronikus und Junias (Köm, 16,7), Herodion (^? Rom. 16,11),
Ruf US und seine Mutter (16, 13 vgl. Mk. 15, 21). Zahn, Einleitung 1.
S. 275. 302.
— 70 —
habt ihr mitgehtten». Wären die Angeredeten selbst ge-
fangen gewesen, so wäre das anders, ausgedrückt. Viel-
mehr ergibt sich aus diesen Worten mit aller Deutlichkeit,
daß es den Empfängern des Hebräerbriefes in jenen Tagen
besser ging als anderen Gemeinden, bei deaen es zu Ge-
fängnisstrafen kam. «Und' der Wegnahme eures Besitzes
habt ihr mit Freude entgegengesehen ', in dem Bewußt-
sein, einen besseren, bleibenden Besitz zu haben.» Merk-
würdig das «entgegengesehen». Der Verfasser sagt nicht,
daß ihnen der Besitz weggenommen wurde, nur daß sie
daraufgefaßt waren. Er würde sich damit nicht bescheiden,
wenn es wirklich zu Beschlagnahmen gekommen wäre.
So läßt uns die Schilderung erkennen, daß die Leiden, die
die Empfänger des. Hebräerbriefes nach ihrer Bekehrung
trafen, über das gewohnte Maß der Beschimpfungen und Be-
lästigungen nicht hinausgingen. Anderswo aber scheint es
in jener Zeit zu ernsteren Verfolgungen gekonamen zu sein,
die leicht auch auf die Gemeinde, an die der Hebräerbrief
gerichtet ist, hätte übergreifen können.
Das paßl alles gut zu dem, was wir über die Ge-
meinde in Antiochien wissen. Von schweren Verfolgungen,
die über sie hereingebrochen wären, hören wir nichts ;
und der Arzt Lukas aus Antiochien, der die Anfangszeit
jener Gemeinde miterlebt hatte, würde es in seinem Ge-
schichtswerk wohl nicht übergangen haben. Dagegen
hatten die ersten Christen in Antiochien Gelegenheit, mit
Gefangenen naitzuleiden. Ihre Gemeinde war ja ent-
standen aus der Verfolgung, die sich in Jerusalem er-
hoben hatte, bei der Saul von Tarsus Männer und Weiber
ins Gefängnis geworfen hatte (Apg. 8, 3; 9, 2). Und
wenige Jahre nach ihrer Gründung erhob sich die neue
Verfolgung durch Herodes. Gleich nach seinem Bericht
über die Anfänge in Antiochien erzählt Lukas von dem
Gefängnis des Petrus (Apg. 12, 1 — 17).
1 TzpoaMyecb'a'. heißt 1) (gastfreundlich) bei sich aufnehmen
Lk. 15, 2, R(5m". 16, 2, Phil. 2, 29; 2) erwarten Mk. 15, 43 Lk. 2, 25,
38; 12, 36 Apg-. 23, 21 ; 24, 15 Tit. 2, 13 Jd. 21. Das erste ergäbe hier
eine sonderbare Ausdrucksweise; also wird das zweite gemeint sein.
— 71 —
Freilich könnte man nach dem ganzen Zusammen-
hange der Stelle im Hebräerbrief erwarten, größeres von
den eigenen Leiden der Angeredeten zu hören. Hier wird
man am ehesten vermuten, daß in .'der ursprünglichen
Fassung der Rede mehr stand. Von der Entstehung der
römischen Gemeinde wissen wir nichts näheres. Es ist
aber auch nicht unmöglich, daß die römischen Christen
nach ihrer Bekehrung schwerere Leiden zu erdulden hatten.
Wir denken an den Bericht Suetons^ von den jüdischen
Unruhen in Rom, die «impulsore Ghresto» entstanden
und zur Vertreibung der gesamten Judenschaft führten.
Es ist eine alte und ansprechende Vermutung, daß diese
Unruhen mit dem Aufkommen des Ghristusglaubens zu-
sammenhingen.
Noch ein Wort über die Entstehungszeit des Hebräer-
briefes.
Der Verfasser meldet seinen Lesern, daß Timotheus
«entlassen» sei (airo'Xe'Xutxevov), und daß er wenn Timo-
theus bald komme, mit ihm zusammen sie sehen werde
(13, 23). An «Entlassung» aus dem Gefängnis ist
nicht zu denken ; in diesem Falle würde wohl ein
Wort mehr davon gesagt sein. 'Airo'Xueiv wird von der
feierlichen Abordnung eines Gesandten durch die Ge-
meinde gebraucht (Apg. 13, 3; 15, 30, 33); auch be-
zeichnet es die Entlassung aus dem Dienst (Lk. 2, 29).
Wenn der Timotheus , der im Hebräerbriefe gemeint
ist, derselbe ist, den wir als Diener des Paulus kennen
(Phil, 2, 22), so liegt die zweite Bedeutung am näch-
sten; Timotheus ist von Paulus beurlaubt. Dann wird
er dorthin gehen, wo er her ist, nach Lystra. Die
Schiffslinie von Puteoli nach Antiochien wird auch die
bequemste Verbindung von Rom nach den Städten
des lykaonischen Hochlands abgegeben haben. So ist
es leicht verständlich, daß Barnabas darauf rechnet
' Sueton, Claudius 25: ludaeos impulsore Chresto assidüe tu-
multuantes Roma expulit.
— 72 —
— falls Timothens schnell kommt ^ — mit ihm zusammen
in Antiochien einzutreffen.
Dann fiele der Hebräerbrief in die Zeit der ersten
Getangenschaft des Paulus. Das ist die Zeit, kurz bevor
das Markusevangelium geschrieben wurde.
Von Antiochien aus wird sich der Brief rasch zu
anderen Gemeinden verbreitet haben, wie üblich ohne die
äußere Adresse, aber mit der vom Verfasser stammenden
Ueberschrift «An Hebräer». Wenn man in Alexandrien
die namenlose Schrift aus Italien dem Paulus zuschrieb,
so hat dazu vielleicht auch die Erinnerung beigetragen,
daß sie zu der Zeit bekannt geworden war, als Paulus in
Rom gefangen lag.
^ Er gebraueilt von der baldigen Abreise des Timotheus nicht
TiopsücoO-ai sondern ä^yeo&ai, "weil er dabei zu ihm stoßen wird.
STELLEN VERZEICHNIS .
Matthäus.
4,
1—
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Römer.
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Korinther.
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Titus.
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Hebräer.
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1. Petrus.
5, 18
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1. Johannes.
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Seite 25 3
76
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1, 13
14, 14
Judas.
Seite 70 i
Offenbarnng
Seite 15 i
» 151
iDerlag poii 3. ü. (E?>. j^ctH (^ci^ & iHttnbel), Strasburg t. (£■
93albenf|)erger, ^., ®a§ ©elbfibetüu^tfem ^efu im Std^te
bcr meffianifd^eti Hoffnungen feiner 3^^*- I- ^älfte : ®ie
meffionifd^=ai)ofalt)ptifd§en Hoffnungen be^ ^ubentumi3.
^Dritte üollig umgearbeitete Sluflage. M 4. —
— L'influence du dilettantisme artistique sur la morale
et la religion. M — .60
— Xlrdf)riftlid)e 3(poIogie. S)ie ättefte Sruferftel)ung§!ontroi)erfe.
M 2.—
95 rü (in er, 3Jiartin, 3Die ©ntfte'^ung ber |3aulintfct)en ©t)rifto-
logie. M 5. —
^nft = «Sartfd), dlava, 3öaa ung not tut SDer glaube an
(^ott iinb llnfterbtid)!eit of)ne Söunber unb ©ogmen- ®in
offene^ ^rauenttjort gerid§tet an bh ^erfammlung einer
freireligtöfen SSereintgung in (Strasburg i. ®., 9^oüember
1906. 5yjebft einem Stn^ang. ^mette ^uftage. .M 1.—
— @ine ^riitfe ßn^ifd^en Glauben unb äöiffen. :öe)u§ ber
9Wenfc§enfo^n nnb bk ©aJramente im ©eifte unferer ßeit.
Ji> 1.—
;^ufttnu^, be§ ^^ilofo^^en unb a)Zärtt)rer§ D^ed^tfertigung be§
©t)riftentum§ (Sinologie I n. II). ©ingeleitet, öerbentfd^t
unb erläutert öon ö. SS e i I. M 5.60
®app, SB. Sic, S)a§ et)riftu§== unb S^riftentumSproblem h&i
^aItf)off. @in 55ortrag. M —.40
^arl, 335 ilf)., S3eiträge gum üSerftänbnig ber foteriologifc^en
®rfai)rungen nnb ©pefnlationen be§ Slpoftels ^auluS.
(Sine ttieologifc^e (Stubie. M 3. —
'?ßa§>laä, dtüalb ^., ©jcgetifd^e ^emerfungen gn Wflatt^. 6,
9—13 nnb Sut' 11, 2—4. ©in SSortrag. M 2.-
SS ö 1 1 e r, ® a n i e I, S)te Offenbarung ^o^anniä. 9^eu unterfuc^t
unb erläutert. Jfe 3.50
— ^^aulu§ unb feine Briefe. ^ritifc§e Unterfudj)ungen gu einer
neuen ©runblegung ber ^aulinifd^en ißriefliteratur nnb
i'^rer Stjeologie. M 7. —
— S)er erfte ^etrusbrief. ©eine ©ntftel)ung unb ©teöung in
ber @efd)ic^te be§ Urd)riftentum§. M 1.50
— SJJater bolorofa unb ber SieblingSjünger be§ ;^Dt)anne§«
eüangeliumS. SDiit einetn ?tnt)ang über bh ^ompofition
biefeg ©oangeliumS. J'b 1.20
— ®a^ meffianifctie «BemuMew ^cfu. M 1.50
— ©ie ©ntftetjung be§ &lanb^n§ an bie S(uferftel)ung ^efu.
©ine :§iftDrifd)4ritifd3e llnterfnd)ung. M 2. —
JfiBeber, ^ttfr., ©ie 9^eItgion al§ SBilte gum en)igen Seben.
Ji> 1.60
Derlär von 3. #. €5. f ct^ (tet^ &i ltiittl)fi) Strasburg t. €.
SS eil, ^1., 3tm ©i^etbenjege, Sltd^tltmen unb Settfterne für
unfere tn^ ßeben £)tnau0tretenben ®b^ne. brofdt). J& 5. —
eleg. gebb. \:/#> 6. —
^aum, 3Ratt)tIbe, ^o^anri SBiI^elm Söaum. ®tn ^roteftan*
tifct)e§ e^araÜerMIb aug bem @tfa§. 1809— 1878. ^wette,
ftar! t)ermel)rte 9[uftage. btofd). ji> 3.50; gebb. M> 4.50
93et)fert, ^ean*jDan., professeur au Gymnase de Stras-
bourg. Notice biographique. Relation de sa captivite ä
Dijon etc. Lettres ä sa femme, 1793, 1794. 'JSft. 1 Stt!^.
M 3.20
9$rud), S>r, g'r., ^tnbl^ett u. ^ugenbetinnerutigen. ^it§ feinen
fd^riftl. Slnfäeic^nnngen mitgeteilt o. 5i;t). ©(erolb). Ttit 3
3fJabiernngen öon @. ©ferolb). J& 2.50
S3rn(f|, S^r. §r., ©eine SBir!famMt . in ©d§nte n.^ird)e
1821 — 1872. ^u§ feinem §anbfct)riftl. 5yiad§Iaffe^rggb. ü.
X^. ©(erolb). M> 2.50
@iffen, (Sjeorg ^a!ob, ©eine ^reunbe unb feine Qzit^t'
noffen. @in «Strapurger 3^^*^^'^^ ^^^ ^^^ 1^- •S'i'^^^-
öon ®. ^oepffner. Ji> 3. —
^a(Jenfd)mibt, ^'i). Silber aug bem 2zhen öon g^rang
^ einrieb gärtet. Ji> — .80
^annengie^er, ^auf, Qum &ehexittaQe be§ elföffifdjen 9fJe=
formatorg 3»artin S3u^er. fSftit «ßorträt. Jb —.30
^ellifan^ oon dtufad), ^onxab, ^an§ä)xonit. @in £eben§=
bilb au§ ber äffeformationgäeit. S)eutfc§ oon SJ). SS n I«
p i n n ^. Jb 3.50
9fteb0lob, f^ranä ^einrid), ®in ©trapurger ^profeffor
am Slnfang be§ 19. ^at)rl)unbertg. 3!Jiit einem Stn^ang
ent|)altenb : SStiefe tion ^rau ü. Sürii^eim (®oet^e§ Sili),
33riefe unb ®ebid)te öon SDaniel Slrnolb, @ebid)te öon ^^-ranä
^etnric§ 9ieb§lob. SJJit 2 ^orträtg. herausgegeben öon Sf).
©erolb. ci^ 4. —
Steu^, Siubotf, SEJJag. ^ot)ann ©aniel^runner. @in£ebenä==
bilb au§ ber ^jroteftant. ^ird^e unb ©d§ule @traPurg0
(1756—1844). M 1.—
— 3wttt @ebäd)tn{g ü>?artin ^u^ef§, be§ ©traßburger SfJefor^^
mator§. mit 1 S3ilbe. J^ —.20
91 0(^0 Et, ^., a}?att{)ia^ ®rb. ©in elfäffifd)er (^laubenSgeuge
au§ ber S^eformationSgeit. M) 1.20
@tri(f er, ©b., ^ol^annes Saloin aX§ erfter Pfarrer ber reform,
©emeinbe gn ©trajßburg. Sfiacf) ur!unbt. OneEen. ./fö 1.20
iJccittg mn 3. ^. (th. ^n^ (^ti^ & Jilüitbei) Strasburg t. OE»
SBur:ptnu§, 5£:^eobor, ^er lateintfd^e ÜDid^ter ;^o^anne§ ^a=*
hxkinB miontannß (aug SBerg^etm i. @If.) 1527—1566.
(SelbftBtograpl^te in ^rofa iinb SSerfen, nebft einigen @e*
biditen öon it)m. SSerbeutfd^t. M> — .80
@rtd)fDn, 9(Ifr., 5)a§ tl^eologifc^e «Stubienftift Collegium Wil-
helmitanum 1544—1894. Qu beffen 350|ät)nger @e=
bäd)tni^feier. J& 3.50
f^röt)Iicf), 'S!., ©e^tentum unb @eparatt§mu§ im |e|tgen fircf)*
liefen Seben ber eöangelifc^en ^eöölfernng (llfa§=2o4=
ringenf. .J^ 3. —
©erb er, (£., @ef(^td)te ber ©trapurger (Se!tenbett)egnng gur
3eit ber Üieformation 1524—1534. J^ 3.—
©erolb, S^eobor, ®ef rf)id§te ber Ä'irc§e <St. 9^i!tau§ in ®tra^=
bürg, ©in 93eitrag gur ^ir(^engefd)id)te ©trafeburgS,
queÖenntä^ig bearbeitet, ffftit 4 9f?abierungen. M 8. —
^orning, SBil^., ^anbbuc^ ber (gefd^id)te ber eöang.=Iut]^.
^ir(äe in «Strasburg im XVII. ^a^r|. Ji> 4. —
— ^anbbudfi ber @efd)id^te ber eoang.^nt^. ^ird^e in ®tra§^
bürg im XVI. ^a^x^. (2. ^älfte). J& 4.—
— : 5Ö?itteiIungen auä ber ®ef(^iS)te ber ^nng=@t. ^eterürc^e.
J& 1.20
tiefer, Snbtü. 2tlb., ^farrbud) ber ®raffd)aft ^anaii=Sid^ten=
berg. 9^ac^ Urfunben. Ji) 8.—
Sor^, 3)2., ©efc^ic^te ber eoang.=reformierten ©emeinbe Ober-
feebac§=@(fjleitt)al. 9^ad§ urlunbl. Quellen bearb. J& 1.50
aWattfiiS, @uft., SDie Seiben ber ©üangetifcben in ber ®raf=
fc|aft ©aarrtjerben. Steformation nnb Gegenreformation
1557—1700. [3Sergriffen.] M 3.—
— 93ilber eng ber ^irc§en= nnb ©örfergefc^ictite ber ®raf=
fd^aft (Saarmerben. J^ 3. —
Ungerer, @., (Sine ^ird§e ber SSBüfte in Sot^ringen. @rin=
nerungSbldtter au§ @ourcette§=(£t)anfft). J6 4. —
3ur ©rinnernng anben93rdnb be^ (Solteginm Söil^etmitanum
unb be§ proteftantifdien ßjtjtnnafiumä am 29. ^an. 1866.
Wit einer Siebe oon «ßrof. ®aum. J& —.20
3nr 400jäl)rigen ®eburt§tag§feier aJiartin Bu|er§.
StTtartin 93n|er§ an ein d)riftlid§ 9latt) unb ®emet)n ber
ftat 2öei§enburg ©nmmart) feiner ^rebig bafelbft get^on.
(S'ieubruiS). — ^ibIiogra:pf). ^wfammenfteHung ber ge=
■Herlttg von 3. j^. €5. j^rtls (^rifi & Ülfinbel) ^ffaBburg t. (t.
bxnäten ©d^rtften 95it|eri ö. Dr. g. iD^en|: — Ueber
ben i)anbfc£)rtftlicl)en ^ad^Ia^ u. bie gebrühten Briefe
SOMrttn ^u|er§. — SSeräeid^ntS ber Siteratur über
93u^er, öon Lic. 31. ©rid^fon. J& ß.-
Sngel, (SarT, ®a§ ©d^iitoefen in ©tra^urg bor ber @rün=
bung be§ :|jroteftanttf(^en (SJtimnafiumS 1538. Ji? 2. —
3^eftfd§rift §ur f^'eter be^ 350|äl^rtgen ^eftetjeng be§ ^rote«
ftantifc^en ®t)ntnafium§ §it ©trapurg. |)erauggegeben
öon ber ßet)rerfd)aft beö :proleftant. ®t)mnafti!mg. 2 2:etle.
. mit ^ttuftrationen «nb 2 Stafeln. J6 10.—
^et|, (£mtl, ^Mt ©efd^td^te ber alten ©tra^burger llntüer=
fität. 9tebe. e/^ —.60
^ne^per, ^ofepl), ®ag ©d^uls itnb Unterrid^t^wef cn im @lfa^
oon ben Stnfängen h\§ gegen ba^ ^a^r 1530. Wit 12
Srbbtlbungen. J& 12.—
^annengte^er, .;ißaul, SDer D^eid^^tag §n Söormg üom ^at)re
1545. (Sin iBettrag gur ißorgefd§i$te be§ @c§mal!albifd)en
Krieges. J^6 3. —
aöinfeimnnn, Dito, ®er ©d§malfülbifd)e SSunb 1530—1532
unb ber S^iirnberger DteligionSfriebe. M 6.— r
S)ie^, STuguft, ®a§ elfdfftfc^e ^onferenggefangbud^, gegen
bzn Angriff beg ^ß^of. D. mpitta üerteibigt. M — .80
Omenb, Julius, Ueber ben 2öert ber Sobegertnnerung für
unfer innere^ £eben. "Sieht. M — .60
— S)er erfte eüang. ®otte§bienft in ©trapurg. 9^ebe. M —.80
@t)ttta, f^riebric^, (SjotteSbienft unb tünft. SJortrag ge£)alten
im ©üangetifd^en 2Seretn§f)aufe gu ©trapurg. M —.50
— !©rei ürd^Iidie ^eftfpiele für «Bei^nad^ten, Dftern unb
«ßftngften. ©ritte STuftoge. brofcE). M 1.80 fart. M 2.20
— ®a§ ©efangbuc^ für bie etiangenf(i)en (Semeinben oon @Ifa^=
Sot{)ringen, fritifd^ beleud)tet. i^ 1- —
— ÜDa§ ©trapurger ©efangbu^ für ©tjriften 3lug§burgtfdjer
^onfeffion. =^^ 2. —
©tra66ur3, UtiiBerfttät§=58uct)brutferei uon S- ©■ Sb. $ei8 ($ei5 u. Wünbel).
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