^,ü^i^
m
.&:
i40
5Hs5
HA'RNACK-^iie. au
thcoloiisc/>e>i.
m
m
15 !
'y/^-^^V'"^'}^^^^
cbc Cln?.vcrsdv oFCbicaiTiO
ILibrarics
,5-j cmiallatur:-
•!i Gerald Birxey S:\Iith
■:o iv-: Mrs. Gerald 3. Smith
l*> f«».rT,«..« « m«ap CTrtl ^ 'J..»|.»l»<lWt»«T»'^ T?a i W^
/
'^ UX Jr>T^V<J^hPi,
ümyersity of Chicago
Divinity Library
Die Huf gäbe
der
tbcologiscben f acultäten
und
die allgemeine Religionsgescbicbte
von
Hdolf f>ariiack,
^^ivQrsity of rhi^
»• ■ w
6tcs9cn
9 ^* Ridtcr^sd^e Terlagsbudibandlung
(Hlfrcd Copelmann)
1901.
^Ti^i'JricS T";;:^^; ir^vÄÄ KTT'Biwr -ei ^""^7^
-«i*«r.-
3f. Ridter'sdie Terlagsbudtbandtung (Hlfred Copelmann) tn 6iessen. '
Sdiriftcn Hdolf Bamadt's aus demselben Terlage:
]Vlartin Luther
in setner Bedeutung
für dfc
6e9d)tdite der ^tssensdiaft und der Bildung.
3. Huf läge. 1901. ]^I. — .60
Huguötin^s Confessionem
ein Tortrag.
2. Huflage. 1895. ]^I. — .60
Das ]yiönd>tbum
seine Xdeale und seine Geschichte.
5. Huflage. 1901. ^I. i.2i>
Unter der presse:
Sokratcö und die alte Kir*e*
Refetoratsrede.
0r. 80. 1901. ]NI. —.6c
Die Huf gäbe
der
tbcologisd^en facultätcn
und
die allgemeine Religionsgescbicbte
von
Hdolf Rarnack
ÜniVersiiy of öiiicägO
Divinity Library
-4^-
Gtcssen
1. Rtdtcr'sd^c TcrUgsbud^bandlung
(Hlfred Copclmann)
1901.
T3V41^0
Rektoratsrede
gehalten
am 3^ng.nsti 1901.
LIBEAEIBS
^OAftO.^^'
/
■i»
University of Chicago
Divinity Library
CoUegen ! Coramilitonen !
Hochanselmliche Versammlung !
„Die von E-ucli vorgetragene Angelegenheit wegen
Einrichtung einer allgemeinen und höheren Lehranstalt
in Berlin finde Ich für höhere Geistesbildung im Staate
so wichtig, dass Ich die Errichtung einer solchen aUge-
meiaen Lehranstalt mit dem alten hergebrachten Namen
einer Universität nicht verschieben wül." Durch diese
an die Minister gerichtete Kabinets-Ordre vom 16. August
1809 hat Friedrich Wühelm m. unsere Hochschule ge-
gründet. Aber schon zwei Jahre früher (4. Sept. 1807)
hatte der König an den Kabinetsrath Beyme geschrieben:
„Ich habe beschlossen, eine allgemeine Lehranstalt in
Berlin in angemessener Verbindung mit der Akademie
der Wissenschaften zu errichten." Die Universitäten
HaUe und Erlangen waren dem Staate genommen; aber
die grossen Männer waren ihm gebheben, und er trotzte
dem Greschick, indem er die Universität Berlin schuf.
Memals wird man aufhören, in Preussen die herrliche
1*
— 4 —
Zeit zu preisen, die aus der Noth einen ganzen Clior
von Tugenden gescliaffen hat, und niemals wird man
des Königs vergessen, der um sich, eiaen Greneralstab
versammelte, wie ihn Deutschland noch nicht gesehen
hatte, einen Humboldt und Stein, Fichte und
Niebuhr, Süvern und Schleiermacher.
Vielleicht ist Ihnen in beiden Könighchen Erlassen
die Bezeichnung „Allgemeine Lehranstalt" aufgefallen.
Mcht zufällig war sie gewählt. In den zehn Jahren
ihrer Vorgeschichte heisst unsere Hochschule niemals
„Universität", sondern stets „Allgemeine Lehranstalt".
Dieser ISTame stammt von dem Manne, der die erste An-
regung zu ihrer Stiftung gegeben hat — von Engel —
und steht in einem gewissen G-egensatz zum Begriff der
Universität. „Würde in Berlin", sagt Engel, „eine
grosse Lehranstalt errichtet, die von den lächerhchen
Bocksbeuteleien der Universitäten frei wäre und doch
alle Vortheüe derselben gewährte, dann wäre Berhn die
Hauptstadt des nördlichen, vielleicht des ganzen Deutsch-
lands, der Mittelpunkt der Nation. Die Menschen neigen
sich wie die Pflanzen unwillkürlich dahin, woher ihnen
das Licht zuströmt." Keine Universität wünschte Engel,
sondern etwas ganz Neues — was , das war fceilich
schwieriger zu sagen; an die Akademie der "Wissen-
schaften sollte es angelehnt sein, aber doch nur ange-
lehnt; die Grenies unter den deutschen Schriftstellern
sollten sich hier sammeln, aber die Anstalt sollte doch
„nützhcher" werden als die Universitäten. Das Letztere
leuchtete dem Könige ein. Auch er wollte zunächst
keine Universität. Als diese Willensmeiaung bekannt
wurde, regnete es Projekte von Berufenen und Un-
berufenen. Housseau'sche G-edanken, die neue Päda-
gogik, melir Freilieit und mehr Zwang macMen sicti
gleichzeitig als Forderungen geltend. Am kühnsten
schritt Fichte in seiaem „Dedncirten Plan einer zn
Berün zu errichtenden höheren Lehranstalt" vor. Auf
mehr als 100 Druckseiten entwickelte er Ideen, die von
aller pädagogisch-geschichthchen Ueberlieferung losgelöst
waren. Das Nationalinstitut, welches er an Stelle der
alten Universitäten setzen wollte, war dazu bestimmt,
den Kampf der Yernunftwissenschaft wider das herr-
schende böse Princip zu fähren und auf das Universum
Einfluss zu gewinnen. Aber je näher die Verwirklichung
der Stiftung rückte, um so mehr kehrten die Maass-
gebenden zur alten Form der Universität zurück.
Schleiermacher und Wolf hatten in Halle ihren bleiben-
den Werth schätzen gelernt, und die Humboldt' s hatten
zu viel geschichtlichen Sinn, um ein Experiment zu wagen.
Auch die alte Eintheilung in Facultäten wurde beibehalten.
Dass sie schwere Nachtheile in sich schloss, wusste man.
Schon jene Männer empfanden wie wir und erkaimten,
dass die „wissenschaftliche Entwicklung unter keinen
Fesseln mehr gelitten hat, als unter denen, in die sie sich
selber geschlagen — geschlagen durch die grossentheils
ia den äusserhchen Verhältnissen des akademischen Unter-
richts begründete Scheidung natürhch zusammengehöriger
Disciplinen." Aber jene Männer glaubten, durch ein inniges
Zusammenwirken der Mitglieder der verschiedenen Facul-
täten die Nachtheüe aufheben zu können. In der That,
sie haben hier Grosses geleistet. "Wie Schleiermacher
Theologie und Philosophie, ISTiebuhr xmd Savigny G-e-
schichte und Jurisprudenz, Böckh Philologie und VoLks-
wirthschaft mit einander verknüpft, wie dann die Brüder
Humboldt, ein jeder in seiner Weise, die Facultätszäune
— 6 —
niedergerissen tuid die Greometrie der Päclier beseitigt
haben, das -wurde für diese junge Universitätcliarakteristisch..;
Und wir dürfen sagen, sie bat in den drei Menschenaltern '
ihres Daseins eben diesen Charakter bewahrt. Alle die
grossen Fortschritte der Wissenschaft, deren Vorbedingung
auf der Verschmelzung der Disciplinen beruht, sind ent-
weder hier entstanden oder haben doch hier ihre besondere
Pflege gefunden. Darf ich Sie an Bopp's Sprachwissen-
schaft, an Humboldt' s Kosmos, an Ritter' s G-eographie,
an Johannes Müller 's Physiologie, an G-erhard's Ar-
chäologie erianern, um von jenem Vergangenen zu schwei-
gen, das für uns noch eine beglückende G-egenwart ist.
Die alten Facultäten wurden beibehalten, und sie
haben sich bis heute behauptet. Selbst unsere philosophische
Facultät, an Zahl der Lehrstühle die einer mittleren Uni-
versität erreichend, hat jede Theüung abgelehnt. Es muss
doch eine innere Vernunft in dieser Facultätengruppirung
stecken; die Ueb erlief er ung allein und die Praxis erklären
ihre Zähigkeit nicht. Aber gilt dasselbe auch von dem
Umkreise der Aufgaben, die jeder Facultät zugewiesen
sind? Ist hier nicht manches Veraltete und Rückständige?
Die Theologische Facultät hat G-rund, sich diese Frage zu
stellen. "Werden doch ringsum Stimmen laut, die ihr
Programm für zu kurz und darum für wissenschaftlich
, ungenügend erklären: nicht als Facultät für christliche
i Theologie, sondern nur als Facultät für allgemeine E,eh-
\ gionswissenschaft und -geschichte habe sie ein Recht auf
/; Existenz. Nur in dem Maasse als sie gleichmässig auf
' alle Religionen eingehe, könne sie die eine Relig jda-mpklich
\ verstehen, und nur so könne sie vorurtheüe abstreifen,
\ die sonst unbezwinghch seien; mindestens aber sei zu
fordern, dass bei jeder theologischen Facultät ein oder
mehrere LelirstüHe für allgenieiiie E;eligioiLsges^^ie_er- \
ricMet werden. In unserem Nachbarlande Holland liaben
diese Forderungen bereits zu Umwälzungen der Theolo- «^ (/"^
giscben Faeultäten geführt bezw. zu ibrer Aufbebung durcb
den Staat, und in anderen Ländern gäbrt es. Bei uns,
wird man einwenden, sei die Frage nicht brennend; denn
unsere Regierung denke nicht daran, hier Aenderungen
eintreten zu lassen. AUein es würde der Facultät übel
anstehen, an die Stelle ihres wissenschaftlichen G-ewissens
gleichsam einen staatlichen Pass zu setzen und in dem
sicheren Besitz desselben die Entscheidung der Frage zu
vertagen. Ich bitte Sie daher um Ihr Grehör, wenn ich
es versuche, das „Für" und „Wider" in dieser Frage zu
erörtern: haben bei der Stiftung unserer Hochschule die .;.,.^^
maassgebenden Männer Recht daran gethan, dietheologische y
Facultät wesentKch auf die Erforschung und Darstellung C
der christHchen Religion zu beschränken, oder soU sie sich zu \
einerFacultät für aUgemeiaeRehgionsgeschichte erweitem?
Kein Zweifel — die abstracte Theorie spricht für
eine solche Erweiterung. Ist die Religion nicht etwas
Zufälliges und daher Vorübergehendes in der Greschichte
der Menschheit, kommt in ihr ein elementares Grrund-
verhältniss zum Ausdruck, ohne welches der Mensch
nicht der Mensch wäre, einerlei ob Jeder das empfindet,
so muss es einen allgemeinen Begriff für sie geben.
Dieser allgemeine Begriff kann gewiss nicht aus den
einzelnen Erscheinungen der Religion durch eine ein-
fache Abstraction gewonnen werden; denn sie ist wie
die Moral und die Kunst ein Gregebenes und Werdendes
zugleich, ihr wahrer Begriff ein sich enthüllendes Ideal.
Aber auch zur Erkenntniss eines solchen Begriffes ist
eine mögKchst vollständige Induction der Erscheinungen
— 8 —
wünsclienswertli. Man muss die ganze Stufenleiter der
E-eligion überscliatien, man muss die Verbindungen kennen
lernen, in die sie eintritt, die Verhüllungen, mit denen die
Völker und die Einzelnen sie umgeben und abstumpfen,
die Reizmittel, durch, welclie sie sie zu steigern versucben,
um zu erfahren, was sie "wirklich ist. Von hier aus er-
scheint also die Forderung sehr berechtigt, dass die He-
ligionsgeschichte in ihrem vollen Umfange studirt werde.
Die Beschränkung auf eine Religion scheint eine un-
statthafte Verkürzung zu sein.
Aber weiter, nur nach einer und derselben Methode
können die Religionen studirt werden, nämlich der ge-
schichtlichen, und diese lässt sich nicht willkürlich be-
schränken. Wie sie jede zeitliche Grrenze überspringt,
die man ihr ziehen will, so geht sie auch unerbittlich
von einem verwandten Object zum anderen über. Sie
kennt nur Ketten, nicht isoHrte Grlieder. Und mag sie auch
innerhalb der einzelnen Erscheinung auf etwas ganz Singu-
läres stossen, was sich der entwicklungsgeschichtlichen
Ableitung entzieht — um so strenger ist sie verpflichtet,
in die Breite und in die Tiefe zuj gehen und ihren ganzen
Erwerb einzusetzen. Eine beson dere Methode^j,ber, nach
welcher die christliche Religion zu studiren ist im Unter-
schied von c[enrändef räj^ kennen'wirjaicht. Einst kannte
man eine solche, eine Art von bibhscher und philo-
sophischer Alchemie, und rechtfertigte sie mit nicht ge-
ringem Scharfsian. Aber die Eolge war, dass man sich
immer weiter von der reinen Erkenntniss des Objects
entfernte xmd den eignen Greist an die Stelle der Sache
setzte. Die historische Methode allein ist conservativ;
denn sie sichert die Ehrfurcht — nicht vor der Ueber-
lieferung, sondern vor den Thatsachen und macht der
— 9 —
Willkür ein Ende, Blei in Grold und Grold in Blei ver-
wandeln zu wollen.
EndHch aber, auch die kirchKche Praxis scheint die
Erweiterung der theologischen Facultäten zu verlangen.
Gebieterischer als in unseren Tagen ist die Forderung der
christlichen Mission seit einem Jahrtausend nicht auf-
getreten. Ich denke nicht nur an den vereinfachten und
ins Grrosse gesteigerten Weltverkehr mit den neuen Pflich-
ten, die er auferlegt — die Thatsache kommt vor allem
in Betracht, dass die christlichen Völker sich anschicken,
den Erdball aufzutheüen, ja beinahe schon aufgetheüt
haben. Ob eine dauernde und gehaltvolle Civilisation
ohne die Predigt des Evangeliums möglich ist, die Frage
mag man bejahen oder verneiaen — gewiss ist, dass die
"Völker, welche die Erde jetzt auftheüen, mit der christ-
lichen Civilisation stehen und fallen, und dass die Zu-
kunft keine andere neben ihr dulden wird. Damit sind
den Christen, den Kirchen, Aufgaben gestellt wie nie
zuvor; sie werden sie nur zu lösen vermögen, wenn sie
nicht die Civilisation, sondern das Evangelium verkün-
digen; aber eiae unerlässliche Vorbedingung scheint es
zu sein, dass sie die Religionen der fremden Völker gründ-
lich kennen lernen. Sollen da die theologischen Facul- ^
täten nicht ihre Pforten öfEaen und s ich zu rehgions-
geschichtlichen Fäcultäten^^3\zmtem?-
Man sieht, es sind starke Q-ründe, welche für eine
solche Ausdehnung sprechen, und doch wage ich nicht,
sie zu empfe hlen. Sc hwerwiegende Bedenken stehen im
Wege.
Erstlich bedarf es nur einer kurzen Erwägung, um
zu erkennen, dass das Studium jeder einzelnen Religion
von dem Studium der gesammten G-eschichte des betref-
— 10 —
fenden Volkes schlecMerdings niclit losgelöst werden darf.
Zu dieser Greschiclite gehört vor aUem die Sprache des
Volkes, sodann seine Litteratur, weiter seine socialen und
poHtisclien Zustände. Die Religion allein studiren wollen,
ist ein noch, kindlicheres Unterfangen als das, statt der
ganzen Pflanze nur die "Wurzel oder nur die Blüthe zu
untersuchen. Die Sprache ist nicht nur die Scheide, da-
rinnen das Messer des Geistes steckt; sie ist viel mehr
als die Scheide, zumal in Bezug auf die Religion. Die
ReHgion hat zum Theil die Sprache geschaffen, und in
der Sprachgeschichte spiegelt sich die Religionsgeschichte.
JSTur wer jene in allen ihren IS'uancen kennt, kann ver-
suchen, die Religion zu entziffern. Weiter aber, die wirth-
schaffclichen Zustände und die politischen Erlebnisse und
Institutionen eines Volkes sind für die Ausgestaltungen
seiner religiösen Ideen und seines Cultus maassgebend.
Und bleibt auch die Religion, einmal geschaffen und for-
mirt, stets hinter dem Fortschritt der Gresammtentwick-
lung zurück, ist ein Theil der öffenthchen Religion somit
stets ,,superstitio" und blosses Ritual — so kann nur um-
fassende und langjährige Forschung entscheiden, was in
einem gegebenen Moment in einer bestimmten Rehgion
wirklich lebendig ist. Wie soU man nun der Theologischen
Facultät zumuthen, alle diese Studien, d. h. nicht weniger
als die gesammte Sprachwissenschaft und Greschichte, in
ihre Mitte aufzunehmen? Weist man ihr aber nur die von
Sprache und Greschichte losgelösteRehgionsgeschichte zu, so
verurtheilt man sie zn^ä agm he illosen Dilettantismus.. Das
Ergebnis wäre, dass dieselbe A-ingabeucTder philosophischen
Facultät gut, in der theologischen Facultät aber schlecht
bearbeitet würde. Zu einer solchen Verdoppelung kann
doch wohl Niemand rathen. Auf ihrem eigenen Gebiete
— 11 —
aber, nämlicli dem der alttestamentliclien und der clirist-
lichen Religion, verfährt die Theologie längst nach der
aufgestellten umfassenden Forderung. Wie sie ihre Auf-
gaben hier im engsten Bunde mit hebräischer und grie-
chischer Philologie gelöst hat und noch löst, wie sie andere
Religionen nach Maassgabe ihres Einflusses auf die alt-
testamentliche und christliche behutsam herbeiziebt, wie sie
Rehgions- und Greschichtsforschung in fester Verbindung
hält, darin steht sie hinter keiner geschichtlichen Disciplin
zurück; ja sie hat für die ihr verwandten Disciplinen
mustergiltige Leistungen auf ihrem Grebiete aufgestellt.
Zweitens, wohl bleibt es, ideal angesehen, eine Ver-
kürzung, dass sich die Theologische Pacultät auf eine
Religion zurückzieht, aber welche Religion ist das? Es
ist die Religion, deren Eigenthum die Bibel ist, deren
Greschichte einen erkennbaren, nirgendwo unterbrochenen
Zeitraum von nahezu drei Jahrtausenden umfasst und
die noch heute als lebendige Religion studirt werden
kann. In diesen drei verbundenen Merkmalen erhebt sie
sich so gewaltig über alle anderen verwandten Erschei-
nungen, dass man wohl das Wort wagen darf: Wer diese
Reügion nicht kennt , kenjit kerne, iin d^wer sie sammt
ihrer Greschichte ken nt, kennt alle. Zunächst — sie be-
sitzt die BibeL""Tch'müsste befürchten, trivial zu werden,
wollte ich es unternehmen, auch nur ein Wort zur
Charakteristik derselben hier zu sagen. Es muss ge-
nügen, daran zu erinnern, dass die Bibel das Buch des
Alterthums, das Buch des Mittelalters und — wenn auch
nicht auf öffentlichem Markte — das Buch der Neuzeit
ist. Was bedeutet Homer, was die Veden, was der Koran ">
neben der Bibel! Und sie ist unerschöpflich; jede Zeit J>
hat ihr noch neue Seiten abzugewinnen vermocht. Mit
— 12 —
Recht heisst daker der Doctor ,der Theologie Doctor der
heiligen Schr ift: auf sie concentrirt sich, xun sie gruppirt
sich letztlich alle Axbeit der theologischen Pacnltäten.
Und so oft es einem Einzelnen, Laien oder Theologen,
gegeben -war, neu und voU aus ihr zu schöpfen, und das
GTeschöpfte den Anderen darzubieten, so oft ist die christ-
hche Menschheit in ihrer inneren G-eschichte auf eiae
höhere Stufe gehoben worden. Damit ist das Andere
berührt, was ich als zweites Merkmal dieser Religion
genannt habe, ihre zeitliche Ausdehnung und Universa-
htät. In ihrer" Vorgeschichte, der alttestamentHchen
Stufe, bedeckt sie einen Zeitraum von tausend Jahren,
und ihre Greschichte steht bereits im 20. Jahrhundert.
An sich bedeuten die grossen Zahlen fi-eüich nicht viel
— Aegypten, Indien und China präsentiren uns grössere,
von der Praehistorie zu schweigen. Aber hier fällt der
Zeitraum mit dem Zeitraum zusammen, auf den das
"Wort „Greschichte" allein anwendbar ist, und der Schau-
platz dieser Religionsgeschichte ist der Schauplatz der
G-eschichte überhaupt. So zeigt denn bereits die alt-
testamentliche Religion einen äusseren und inneren Con-
tact mit Babylonien und Assyrien, mit Aegypten und
Griechenland, d. h. mit der Universalgeschichte der alten
Welt, und durchläuft selbst alle Stufen von einem naiven
barbarischen Volkscultus bis zu der Religion der Psal-
misten. Wer diese Entwicklung forschend, entziffernd,
nachdenkend, nacherlebend, durchmisst, der braucht kein
Vielerlei von Religionen zu studiren, um zu wissen, wie
3ß in der Religion und der R^gjonsgeschichte.^.der
Menschheit zugeht. Er hat an diesem Stoffe einen Aus-
s^ch2tt," der ihm die Kenntniss der Rehgionsgeschichte
in ihrer ganzen Breite nahezu ersetzt. Ja noch mehr:
— 13 —
nicht er bedarf der andere n Relifflonsbistoriker, sondern
sie bedürfen ihn. Die alttestamenthche Religions-
geschichte bietet den Schlüssel zum Verständniss vieler
allgemeiaer rehgionsgeschichthcher Probleme, die ohne
sie ungelöst bleiben müssten. Diese Religionsgeschichte
lässt die stummen Tr ü m m er stücke fremder vergangener
Rehgionen reden und haucht ihren Büdwerken Leben
ein. Und doch ist dies erst die Vorgeschichte. Das
Neue Testament und das Ohristenthum treten nun ein.
"Wie dieses eiaerseits als der Abschluss der ganzen bis-
herigen rehgionsgeschichtHchen Entwicklung erscheint
durch eine ungeheure Reduction, die den Kern aller
Rehgion enthüllt und in Kraft setzt, so erscheint es
andererseits als die zweite Stufe in der Religions-
geschichte, auf der sich alle früheren Erscheinungen der
Rehgion in eigenthü m 1 i eher Umformung und gesteigert
wiederholen. Nehmen Sie z. B. den abendländischen
Katholicismus mit seinen mittelalterhchen Nebenschöss-
lingen und überschauen Sie ihn in der ganzen Breite
seiner Entwicklung. Sie werden finden, dass es kaum
eine rehgiöse Lehre, kaum einen rehgiösen Ritus giebt,
so viele ihrer in der Greschichte aufgetaucht sind, die
dort nicht ihre Parallelen haben. Weiter, Sie werden
keine religiöse Stimmung entdecken, von der de-
müthigen und zartesten Hingebung an das Heilige bis
zur herrschsüchtigen Leidenschaft, die nicht dort ihre
Vertreter, ja sogar ihre Anweisungen und Vorschriften
hat. Und von dem reinsten Monotheismus, wie ihn
Augustin in den Confessionen ausgeprägt, bis zu einer
naiven Heiligenverehrung finden sich hier alle denk-
baren Standpunkte wieder. Die ganze Religions-
geschichte in der Succession ihrer Erscheinungen ist
— 14 —
auf katholiscliem Boden gleichsam repetirt tuid unificirt;
aus dem Naclieiiiaiider ist ein Nebeneinander geworden.
Wül man aber feststellen, in welclie Verbindungen die He-
ligion mit der "Wissenscbaft, dem "Welterkennen, der EtMk,
der Politik, der Jurisprudenz eintreten kann und in "welcken
Verbindungen sie mit den -wirtlLscliafbliclien Verhältnissen
steht, so ist es wiederum die Geschichte der christlichen
Rehgion, die dafür das eigentHch entscheidende Material
hefert. Religion und Wissenschaft — man studire Ori-
genes. Augustin, Thomas von Aquino und Schleiermacher;
grössere Theologen wird man nirgendwo finden. Rehgion
und PoHtik — man studire die G-eschichte der Gregore
und Innocenze, die Politik der Päpste. Rehgion und
Jurisprudenz — man lese Alphons von Liguori. Ueberall
ist iimerhalb der christHchen Kirchengeschichte nicht
nur die Fülle der Möglichkeiten nahezu erschöpft, sondern
diese selbst siad in Repräsentanten von unübertrefflicher
Klarheit und Kxaft vorhanden. Wie soll es daher den
Kirchenhistoriker , auch wenn er für die Religion im
weitesten Sinn des Worts lebendiges Interesse hat, locken,
sich zu den Babyloniern, Indern und Chinesen oder gar
zu den Negern oder Papuas zu begeben? Endlich aber
: — lind dies ist vielleicht das Wichtigste — hier hat er
eine lebendige Religion vor sich und um sich. Wir
haben in der Biologie längst und in der Sprachwissen-
schaft jüngst gelernt, dass man einen Organismus nur
als lebendigen wirkhch verstehen kann. Erst als man
das Sprechen zu belauschen anfing, ist man wirkhch in
die Sprache eingedrungen, und nun erst gelang es, sichere
Lautgesetze und Rhythmen zu finden, vage Möghchkeiten
auszuschalten und die Fülle der Erscheinungen in or-
ganisch bedingte und in irrationalhistorische zu scheiden.
— 15 —
Mutatis mutandis gilt dasselbe von der Religionsge-
scMcMe. WalirlLaft sichere Erkenntnisse können nur an
der lebendigen Religion, an derErkenntniss derErömmig-
keit selbst gewonnen werden. Zwar ist die Aufgabe
eine ungleicb scbwerere wie bei der Sprache; denn das
Sprechen selbst ist die Sprache, aber die E,eHgion liegt
stets hinter ihrer sinnlichen Erscheinung; auch das
schlichteste Grebet ist bereits ein Abgeleitetes. Dennoch
würde sich die Wissenschaft der Hehgion ihres wich-
tigsten Hülfsmittels selbst berauben, wollte sie sich auf
das todte Material beschränken. Zur Zeit ist sie hier
noch sehr zurückhaltend — nicht ohne Grrund, denn sie
sieht, wie manche Neuerer in wunderHcher Einseitigkeit
nur gewisse Excentricitäten einer echauffirten Erömmig-
keit fürRehgion zu halten scheinen — ; indessen langsam
und sicher nähert sie sich der neuen Aufgabe. Dann
aber ist es wieder die christliche Religion, die im Vorder-
grunde stehen und das Feld behaupten wird. Nicht
nur weü die Forscher Christen sind, sondern weil die
reichsten und mannigfaltigsten Formen religiösen Lebens
hier dicht nebeneinander stehen und zusammen über-
schaut werden können. Man gehe mit einem französischen
Schriftsteller nach Lourdes und beobachte die wunder-
' süchtige Frömmigkeit, wie sie sich dort ausspricht; dann
versetze man sich im Greiste in ein evangehsches Pfarr-
haus, in welchem die Ueberlieferuugen von Luther und
Schleiermacher regieren. Man studire die Frömmigkeit
des russischen Volkes, wie sie uns Tolstoi in seinen
Dorfgeschichten geschildert hat, und stelle einen puri-
tanischen Christen Amerikas oder einen Offizier der
Heilsarmee daneben. Gewiss gebieten der Buddhismus
und der Islam über einen ähnlichen Reichthum; aber im
— 16 —
besten Falle lernten wir Mer "iinsiclier, was wir bei uns
selbst besser tmd sicberer zu erkennen vermögen. Manche
Typen ckristliclier Frömmigkeit aber, nnd gerade die
liöcbsten, Laben dort keine Parallelen, während mir das
Umgekehrte . nicht bekannt ist. Selbst die rasenden
Derwische haben in der Kirchengeschichte aller Zeiten,
auch der neuesten, ihr Analogen, und es giebt keine so
entsetzliche Form der Weltflucht und keine Schwärmerei,
die sich nicht auch bei christlichen Büssern und Visio-
nären heute noch fände.
Aber mit dem Hinweis auf den Umfang und die
Fülle des Christenthums , dessen Studium das Studium
der übrigen Rehgionen nahezu ersetzt, ist doch nicht
das Entscheidende in der Frage, die uns hier beschäftigt,
gesagt. Wir wünschen , dass die Theologischen Facul-
' täten Facu ltäten für die Erforschung der christlichen
■ Rehgion^J^LeJbfin^-Wfiil ^,a&.JChristenthum. in^ seiner reinen
Grestalt -nicht, eine. E-ehgion neben anderen ist, sondern
die Rehgion. Es ist aber die_ Rehgion, weil Jesus
Christus nicht ein Meister neben anderen ist, sondern
der Meister, und weil sein Evangelium der eingeborenen,
in der Greschichte enthüllten Anlage der Menschheit ent-
spricht. Ic ^h.abe v orhin ausgeführt ,_dass_die_Bibeles
sei, welche den M ittelpunkFäller Studien der Theolo gischen
Facultäten bilde. Noch genauer müsste ich sagen: dieser
<^ Mittelp unkt istrTesüs" ""'Christus. Was~"die ersten Jünger
^ von ihm empfangen haben, das geht weit über die einzelnen
Worte und über die Predigt hinaus, die sie von ihm ge-
hört hatten, und darum überbietet das, was sie über ihn
ausgesagt und wie sie ihn erfasst haben, sein eigenes
Selbstzeugniss. Das konnte nicht anders sein: diese
Jünger waren sich bewusst, an Christus nicht nur einen
— 17 —
Lehrer zu besitzen, sondern sie haben einen inneren Tbat-
j bestand so zum Ausdruck gebracht und gedeutet, wie sie
ihn durch Christus erlebt hatten und wie sie ihn empfanden.
Sie wussten sich als erlöste, neue Menschen, erlöst durch
ihn. Darum haben sie ihn als den Herrn xmd Heiland
verkündigt, und in dieser Predigt ist das Christenthum
durch die Jahrhunderte_gegangen^ Ist dies aber keine
Illusion, sondern eine fortwirkende T hatsache, dann giebt
es " innerhalb der G-eschichte für die Menschheit keine
wichtigere Angelegenheit als diese, und es ist wohlgethan,
dass man dieser Heligion, die darbietet, was die ande ren
erstreben, auch bei der Gruppirung der Aufgaben der
Wissenschaft ihren besonderen Platz anweist. Nicht als
ob es der wissenschaftlichen Erkenntniss möglich wäre,
alles das von den "Wirkungen dieser Religion und von
ihrem Stifter auszusagen, was der Grlaube bekennt oder
) die fromme Speculation behauptet — die Religion selbst
entrückt ja den Weg zu ihrem tiefsten Inhalte den Aa-
strengungen des Verstandes, und die Speculationen siad
von vergänghchen zeitgeschichtlichen Elementen ab-
hängig. Wohl aber bejaht die geschichtliche Erkennt-
niss den Anspruch dieser Religion, das höchste Grut zu
sein, welches die Menschheit besitzt, das heüige Grut,
das sie über die Welt erhebt, ihre wahre Ereiheit und
Brüderlichkeit begründet und ihr ein sicheres Ziel steckt.
Innerhalb der Wissenschaft und mit den bescheidenen
Mitteln, die sie hier darbietet, Hüterin dieses geistigen
Gruts zu seia, es in seiner Reinheit zu bewahren, vor
Missverständnissen zu schützen und seine geschichtlich
erkennbaren Züge zu immer klarerer Erkenntniss zu
', bringen — das ist die Aufgabe der evangelisch -theo-
logischen Eacultäten. Mit dieser hohen Aufgabe betraut.
— 18 —
müssen sie es ablehnen, sich, mit den Religionen der
ganzen Erde verantwortlicL. zu belasten. Sie wollen dar-
über keinen Zweifel lassen, dass sie sich, nm die Religion
überhaupt bemühen, indem sie sich nm das Ohristenthum
bemühen, nnd dass sie nicht mir die Kenntniss, sondern
mit ihr auch die Greltung desselben in Kraft erhalten woUen.
Damit bin ich zu dem Letzten gekommen: die Theo-
logischen Facultäten haben auch einen praktischen Beruf,
und auch um dieses Berufs willen soll der Kreis ihrer
Aufgaben unverändert bleiben. Sie haben, wie es in den
Statuten unserer Eacultät heisst, „die sich dem Dienst
der Kirche widmenden Jünglinge für diesen Dienst tüchtig
zu machen." Mit der evangeKschen Kirche also stehen
sie in einem Zusammenhang, und sie sind sich der Ver-
antwortung bewusst, die ihnen dieses Verhältniss auf-
erlegt. In der Auffassung ihrer Pflichten hier bestehen
freilich noch drückende Verschiedenheiten, die zu schweren
Spannungen geführt haben. GeschichtHch sind diese
Spannungen wohl verständlich. Einst galt für alle vier
Eacultäten die oberste Bestimmung, dass sie eine feste,
ein für allemal gegebene Lehre zu tradiren haben. Eür
die Juristen war es die des Corpus juris, für die
Mediciner Hippokrates und G-alen, für die Philosophen
Aristoteles und für die Theologen waren es die sym-
bolischen Bücher. Unter schweren Krisen setzte sich
seit dem 18. Jahrhundert ein neuer Begriff von Wissen-
schaft durch und unterwarf sich die Universitäten:
Wissenschaft ist nicht abgeschlossene Lehre, sondern
stets zu controlirende Forschung, und Wissenschaft ist
allein an die kritisch geordnete Erfahrung gebunden.
In den anderen Facultäten hatte sich diese neue Auf-
fassung, die den pädagogischen Beruf gewiss bedeutend
— 19 —
ersckwert, am Anfang des 19. Jahrlrnnderts diircligesetzt;
i Auch, in den evangelisch. -tlieologisclien Facultäten war
man damals so weit. Da bracht eine schwere Heaction
ein, in mancher Hinsicht sachlich, berechtigt; aber
bald. sucMe sie diese Eacnltäten in ihrer Freiheit um
ein Jahrhundert und mehr zurückzuwerfen. In beissem
Xampfe haben sie ihren wissenschaftlichen Charakter
zwei Grenerationen hindurcb erstreiten müssen. Der
Kampf ist nocb nicht beendigt; aber in weitesten Klreisen
der evangeliscben Kirche selbst und derer, die sie leiten,
ist docb die Ueberzeugung zum Durebbruch gekommen,
dass der evangelischen Theologie dieselbe Freibeit zu
gewähren ist wie jeder anderen Wissenschaft, Man kann
wohl in der Politik zwiscben Freiheit und Zwang einen
Mittelweg ausfindig machen, indem man bald diesen,
bald jene walten und aus diesem Zickzack eine Art von
I mittlerer Marschroute entstehen lässt; aber in Bezug auf
die Frage, ob man die Erkenntniss frei lassen soll oder
j nicbt, giebt es keia mittleres Verfahren; denn sie ist
scbon in Banden geschlagen, wo aucb nur der Scbeia
einer Bevormundung entsteht. Man wendet dem-
gegenüber die Ueberstürzungen und Fehler der frei-
gelassenen "Wissenschaft ein und dass sie nun der Praxis
die alten Dienste nicht mehr voU leisten könne — aber
was will das besagen gegenüber der furcbtbaren Calami-
tät, die notwendig eintreten muss, der Calamität, dass
dem Lehrer die Freiheit gebrochen wird, und der
Lernende die Integrität und Wahrhaftigkeit seines
Lehrers beargwöhnen muss. Eia einziger solcber Fall
wiegt zehnmal all den Schaden auf, der durcb Miss-
braucb der Freiheit entstebt. Die evangelische Kircbe
selbst wünscht einen solchen Zustand nicht, und sie wird
— 20 —
sich lieber bei der Thatsaclie bescheiden wollen, dass ilu-
die Tbeologisclien Facnltäten niclit mehr dasselbe leisten
wie frülier, als dass sie sie in Versuchung führe. Ob diese
Facultäten ihr aber nicht im freien Dienst Besseres ge-
währen, darf man wohl fragen. Wilhelm v. Humboldt
hat einst das tiefe Wort gesprochen: „Die Wissenschaft
giesst oft dann ihren wohlthätigsten Segen auf das Leben
aus, wenn sie dasselbe gewissermaassen zu vergessen
scheint." Das gut auch hier. Wir können und dürfen bei
unsrer geschichtlichen Arbeit nicht an die Leliren und Be-
dürfnisse der Earchen denken ; wir wären pflichtvergessen,
wenn wir in jedem einzelnen FaU etwas Anderes im
Auge hätten als die reine Erkenntniss der Sache. Aber
dass ein Theologe kein Herz für seine Kirche hätte, für
ihr Bekenntniss und für ihr Leben, dass er nicht lieber
ihr beistimmen als sie corrigh^en möchte, das lehrt alle
Erfahrung. Was sollte ihn auch locken, in diesen ver-
antwortungsvollen Beruf einzutreten und in ihm zu ver-
harren, wenn nicht die Sache selbst, welche der Theo-
logie und der Kirche gemeinsam ist? Die Theologischen
Facultäten werden nicht aufhören, sich der Kirche ver-
pflichtet zu wissen im freien Dienst; sie wollen sie nicht
meistern, sondern bieten ihr an, was sie erarbeitet haben.
Dass aber die zukünftigen Diener der evangelischen
Kirche durch eine solche Schule hindurchgehen, die sie
zur ernstesten Prüfung auffordert, das entspricht letzt-
lich den obersten G-rundsätzen dieser Earche selbst.
Ich habe die G-ründe darzulegen versucht, welche
die Theologischen Facultäten bestimmen, die alte Auf-
gabe in Kraft zu erhalten und nicht Facult äten fü r
allgemeine Religionsgeschichte zu werden j auch mit einem
Eehrstuhi für diese unübersehbare Wissenschaft ist es
— 21 —
hier niclit gethan. Wohl mag es einzelne besonders
ausgezeichnete nnd arbeitskräftige Männer geben, die
ihn znr Noth zn bekleiden vermögen; aber das sind
seltene Ausnahmen. Um so lebhafter aber ist unser
Wunsch, dass der Indologe, der Arabist, der Sinologe etc.
auch der Religion des Volkes, dem er sein Studium ge-
widmet hat, volle Beachtung schenke und die Ergebnisse
seiner Arbeit in Vorlesungen und Büchern mittheile.
Dankbar hat die evangelische Theologie von solchen
Werken bereits Grebrauch gemacht und durch sie nicht
nur üiren Gresichtskreis erweitert, sondern auch ihr kri-
tisches Vermögen geschärft. Dass kein Theologe die
Universität verlässt, ohne eine gewisse Kenntniss minde-
stens einer ausserclnisthchen Rehgion, ist ein Wunsch,
der sich vielleicht verwirklichen lässt; wir rechnen dabei
axich auf die bereits erprobte Hülfe wissenschafthch ge-
richteter Missionare, die in die Heimath zurückkehren.
Aber indem wir bei der alten Aufgabe unserer Pacultät
verharren, geschieht dies in der doppelten Voraussetzung,
dass ihrer Freiheit keine Sclrranken gezogen werden, und
dass sich über die äusseren Zäune hinweg Vertreter ver-
wandter Fächer — wie zur Zeit der Anfänge unserer
Universität — die Hand reichen zu gemeinsamer For-
schung. Vielleicht kommen wir so nach langer, langer
Arbeit zu einer vergleichenden Religionswissenschaft.
Vor drei Menschenaltern, als diese unsere Universität
gestiftet wurde, glaubte man diesem Ziele näher zu sein
als heute. Wie oft ist es doch der Wissenschaft schon
begegnet, dass die Fülle neuer Erkenntnisse sie scheinbar
zurückgeworfen hat. Indem man reicher wurde, wurde
man ärmer, ärmer an allgemeinen Erkenntnissen. Mögen
uns in der Wissenschaft Männer geschenkt werden, die
— 22 -
auf dem G-runde solider Forschimg den Mutli der Zu-
sammenfassung liaben; denn jede Zusammenfassung ist
That des MutMgen. Möge unsere Universität fort und
fort der Greist beleben, der in Schleiermaclier und
Humboldt lebendig war; möge der Hochsinn Ficlite's
in uns und unseren Commilitonen niemals aussterben;
möge mit diesem Hocbsinn verbunden bleiben die Ebr-
furcbt vor den göttüclien Dingen, vor dem "Wirkliclien,
vor jedem ebrüclien Beruf — jene Ebrfurclit, welebe die
Grrundlage aller Gresittung ist. Dann wird uns das
strahlende Morgenrotk unsres Aufgangs einen dauernden
Sonnentag bedeuten! Dass aber jene berrliclien Männer
zu Baumeistern des Baues berufen wurden, den wir mit
Stolz den unsrigen nennen, verdanken wir unserem
Königlicben Stifter. Seine Huld und Seinen Schutz hat
er vererbt auf Seine Nachfolger, vererbt auf Seinen
Urenkel, unseren König und Herrn. Ihm ist die Wissen-
schaft, Ilim ist diese unsere Universität ein theures Grut,
und wir haben die zuversichtliche und gegründete Hoff-
nung, dass Er nicht nur üir Erhalter bleiben, sondern
auch ihr Mehrer sein wird. Grott schütze den König!
UnivQrsity of Chicago
Divinity Library
Di'uck von C. G. Röder in Leipzig.
J, Richcr'sdjc TerlagsbucbbAndlung (Hlfrcd CSpclmann)
tn @tessen.
ßudde, K., Prof. D., Der Kation des Hlten Cesta-
menta, ein Hbnss. 1900. ]^. 1.40
ßudde, K., Prof. D., Die Religion des Tolhes Israel
bis zur Verbannung. 1900. ©eh. jvi. 5.—; geb. )y[. 6.—
ßugge, Chr. H., D., Das Cbristentbum als Religion
des f^Ortsd^rittS. Zwcl Hbbandlungen: „Das sociale Pro-
gramm des Hpostels paulus", „Die InspiratCon der hef Ugen Schrift".
Hms dem JS'orwegfachen von O. v. Barlttig. 1900. ^. 1.40
Cheyne, c. k., prof.o., Das religiöse Heben der "jfuden
nad) dem 6xil. Hus dem ewgUschen von B. Stocks. I899.
0cb. JVI. 5. — ; geb. ]VI. 6.20
Dfcscbcr, R., Pfarrer, Das Leben 5esu bei Paulus.
1900.
)y[. 1.80
f^oerster, e., pfarrcr. Die Reditslage des deutsd^en
Protestantismus 1800 u. 1900. 1900. JVI. —.80
Goetz, n. K., Prof. D., Redemptoristen und Prote-
stanten. 1899. JVI. 1.20
^51111001, 3foh., Ute. Pfarrer, Xst die Boffnung auf ein
Wiedersehen nad> dem Xi^ode d>ristlid>? ein
■frtedbofagespräcb. 1899. JNI. — .80
3f. Ridicr'scbe Terlagsbucbbandlung (Hlfrcd Copelmann)
in Giessen.
Krüger, ©., prof. O,, Die neuen f unde auf dem Ge-
biete der ältesten Kird^engesd^icbte (1889—1898).
1898.
JVI. —.60
KuUmann, 'J. r. k., pfarrcr, Die fördevung edler
Tolkserbolung durch Staat, Ktrcbc und Schule, die beste
^af f e gegen die wachsende Vergnügungssucht. 1900.
)VIirbt, K., prof. D., Der deutscbe Protestantismus
und die F)eidenniission im 19. 'Ifabrbundert.
1896.
f/l, 1.20
prciiscben, e., Hw. Dr., Hntilegomena, dicRestedcr
ausserkanontscben e-pangelien und urcbrist-
Ucben Hcberlxcf crungcn, herausgegeben und übersetzt.
1901. ]\I. 3. —
Scbwartzkopff, p., prof. Dr., Konnte lesus irren?
Unter dem geschtchtUchen , dogmatischen und ps)[>chologischen
Gesiditspunfet principtell beantwortet. 1896. ]VI, 1. —
^etnel, r., prtv.-Doz. Dr., Die Bilderspracbe "^esu
in ihrer Bedeutung für die erforsdjung seines inneren K-ebcns.
1900. ]NI. 1.20
% Rtdter'scbe Terlagsbudibandlung (Hlf red Copeltnann) in 6tessen;
Das spätere jfwdentbutn
als Vorstufe des Cbristentbums
von
Prof. O. ^. ßaldensperger.
©r. 8". 1900. )VI. —.60
Kultus- und Gesd^icbtsreligion
(pelagiantsmus und Hugustinismus).
ein ßcttrag
zur rcUgtöscn pd37d)ologte und Tolkshunde
von
t-tc. 5oh. "J^üngst, pfarrcr.
0r. 8**. 1901. f^. 1.60
Religion und JVIoraU
ötrcitsätzc für 'Cbcologen
von
pri\».-Doz. D. JMartin Rade xn JVIarburg.
8». 1898. ]NI. —.60
Die
entstebung des Volkes Israel
Von
D. Bernhard Stade
6eh. Ktrchenratb und Professor der Cheologte In Gtessen.
0r. 80. 1899. ]NI.— .60
■J. RCdicr'scbc VcrlagsbudibÄiidlung (Hlf red Copclmann) in 6tessen.
Husgewäblte CbristUcbe Reden
Ton
Sören Kierkegaard.
Hus dem Dänischen übersetzt von "^uUc VOtl Rcttldte.
M
]VIit einem Hnbangc Ober
Kierkegaard's famille und Privatleben
nach den persönlichen Srinnerungen
seiner JS^td^te, fräulcin Lund.
J^cbst eimm Bilde Kwrkegaard's
und seines TAters.
Ohtar-format. 1901. 170 Seiten.
elegant geheftet 3 JMarh. — elegant gebunden 4 )viarfe.
ßesundbcit und Grziebung.
eine Vorschule der ehe.
Von
Georg Sticker
Professor der JMedictn an der Universität Ciessen.
Oktav-fermat.
1900.
elegant gebunden 4 )viark.
250 Seiten.
C. 6. Röder, Leipzig.
, PHOTOMOUNT
J PAMPHLET BINDER ,
r
\ Manafaclated bv i
> ©AYLORD BROS. In*. V
' Syracute, N. Y. ^
Stockton, Calif- t
THE UNIVERSITY OF CHICAGO )
LBRARY
! 1 583 4 ! 6
BV
4140
,G3H35
1676558
1
lAj"
APR
HA.RNACK
&i B Au f gabe der Th eo
^figfechen facul täten.
^1
1
mw
f
4140
SWiFT RMX UBKj.^
TUE ÜMVERSITY OF CHICAGO
lEAEY
1 1 583 41 6
■-- '■-■-■'li' -i^'